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Entwicklungsperspektive: Die Bandengesellschaft - Christian Reder

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Mitgliedschaften gar nicht bewußt werden; solange andere bestimmte Signale<br />

als Zeichen der Bereitschaft anerkennen, entstehen auch ungewollt latente<br />

Kooperationspotentiale. Erstaunlicherweise führen solche Wege nicht<br />

zwangsläufig nach oben, sondern einfach in die Nähe. In<br />

Mehrfachzugehörigkeiten, mit diversen offiziellen, halboffiziellen, privaten<br />

Schattierungen, einschließlich sich daraus ergebender Widersprüche, drücken<br />

sich Differenzierungen aus. <strong>Die</strong> zu beobachtende Aufwertung von<br />

Gruppenbildungen, die ihrerseits oft das Geschehen in Bezugsgruppen<br />

simulieren - von Karriereclubs und informellen „Seilschaften", über spontane<br />

Politgruppen und Fraktionen, die sich eines Themas annehmen, bis zu<br />

Skinheads in allen ihren Variationen, zu Korruptionsnetzwerken oder verdeckten<br />

Staatsaktionen (Muster: Watergate, Irangate) - könnte zum Teil als Reaktion auf<br />

diese diffusen Überlagerungen verstanden werden, zum Teil als deutlich<br />

reduzierte Akzeptanz vorgesehener aber verwahrloster Strukturen und<br />

defensiver rechtsstaatlicher Institutionen. Sie sind also auch<br />

Kommunikationsformen für Eigeninitiative. Greenpeace oder amnesty<br />

international ist ein Bandencharakter nicht abzusprechen. <strong>Die</strong> Viererbande,<br />

Piratensender oder Bazon Brocks „Gottsucherbanden" („die Strategen der<br />

Erzwingung des Ernstfalls, die Apokalyptiker und Erlösungspathetiker") 7 sind<br />

sprachliche Bekräftigungen der Thematik. Ob „Gruppe" oder „Bande", unter<br />

Ausklammerung rechtlicher Aspekte verschwimmen die Unterschiede. Irgendein<br />

Stammlokal, ein Sportverein kann die Basis für Cliquenwirtschaft, für<br />

Lobbyismus, für Pressuregroups in ganz anderen Sphären werden. Daß der<br />

„White collar"-Bereich wegen seiner Einbezogenheit in inoffizielle<br />

Machtmechanismen durchwegs diskreter und als etwas substantiell anderes<br />

gesehen wird, als vergleichbare Erscheinungen anderswo, hat sich als<br />

Verhaltensmuster fest etabliert. Fragen dazu tauchen höchstens routinemäßig<br />

auf. Wirtschaftlich und politisch starke Gruppen schaffen „ein dem Gesetzbuch<br />

widersprechendes Recht", haben die Sicherheit, „bestimmte Rechtsnormen<br />

brechen zu können", durch Erwartungshaltungen und positive Sanktionen ist es<br />

„überraschend", wenn korruptes Handeln überhaupt aufgedeckt wird, noch dazu,<br />

wenn die Beteiligten es gar nicht als „illegal" ansehen (Roland Girtler). 8 In<br />

weiten Bereichen ist eine Kriminalisierung somit ohnedies nur als ferne Drohung<br />

und mögliches Unglück präsent, subjektiv spielt sie kaum eine Rolle. Reduziert<br />

wird damit sogar die Chance, daß der Einzelne sich vor allem dann als<br />

Individuum begreift und bestärkt, wenn er irgendwelche Vorschriften verletzt.<br />

Verbreitung und Konstitution bandenähnlicher Formationen, unabhängig<br />

davon, wie ostentativ sie eigene Regeln befolgen, geben somit Auskunft, wie im<br />

Schutz von Gruppen individuelle Möglichkeiten wahrgenommen werden. Zur<br />

Bestätigung emotionaler, sozialer, ökonomischer Defizite ließe sich vieles davon<br />

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