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Tristan-Rezeption in deutschen Dramen des frühen 20 - Lear

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CHRISTOPH HUBER<br />

rettet sich durch e<strong>in</strong>en Sprung von der Mauer <strong>in</strong> die Tiefe. Die Rettung der<br />

König<strong>in</strong> vor den Aussätzigen wird dann vom Volk und e<strong>in</strong>em völlig gewandelten<br />

Marke als zweites Gottesurteil <strong>in</strong>terpretiert. 4. Akt abends im Schloss:<br />

Zu der von den Ereignissen <strong>des</strong> Tages erschöpften Hofgesellschaft mit Marke,<br />

se<strong>in</strong>em Hofnarren Ugr<strong>in</strong> (bei Eilhart der E<strong>in</strong>siedler!) und später Isolde<br />

samt Brangäne gesellt sich, von außen kommend, e<strong>in</strong> fremder Narr namens<br />

Tantris. Er agiert offen als <strong>Tristan</strong>, wird aber als Narr gerade nicht als <strong>Tristan</strong><br />

erkannt. Isolde kommentiert: „Er sieht gar kläglich aus, f<strong>in</strong>d ich ... ergötzlich.“<br />

[Hardt (1910: 118)]. In<strong>des</strong>sen wird <strong>Tristan</strong>s Schwager Kuerd<strong>in</strong><br />

tödlich verwundet here<strong>in</strong>getragen. Er ist der vorher gesichtete Doppelgänger,<br />

der <strong>Tristan</strong>s Rüstung und den Freudschaftsr<strong>in</strong>g Isol<strong>des</strong> trägt (Wie er dazu<br />

kam, unter welchen Umständen er verwundet wurde, ob anderseits <strong>Tristan</strong><br />

vor Denoval<strong>in</strong> wirklich floh – die verschiedenen Zusammenhänge werden<br />

nicht recht klar gemacht; es geht vor allem darum, durch <strong>Tristan</strong>s persönliche<br />

Requisiten die Verkennungssituation auf der Bühne zuzuspitzen.) 5. Akt<br />

im Morgengrauen: Brangäne und dann Isolde persönlich fordern nun vom<br />

Narren das Rechtssymbol <strong>des</strong> Freundschaftsvertrages der Liebenden, den<br />

R<strong>in</strong>g. Auch jetzt gel<strong>in</strong>gt es Tantris / <strong>Tristan</strong> nicht, von der auf die Rival<strong>in</strong><br />

Isolde Weißhand fixierten Freund<strong>in</strong> erkannt und anerkannt zu werden. Isolde<br />

verfällt auf die Hundeprobe. Sie schickt Tantris <strong>in</strong> den Zw<strong>in</strong>ger zu <strong>Tristan</strong>s<br />

Jagdhund Husdent, der seit der Verbannung se<strong>in</strong>es Herrn zur Bestie mutiert<br />

ist. Der Hund ist nun das Wesen, das se<strong>in</strong>en Herrn erkennt. <strong>Tristan</strong> entschw<strong>in</strong>det<br />

mit dem Tier im Morgengrauen, Isolde kommentiert: „Wie geht er<br />

groß und kühn dah<strong>in</strong> ... Nun geht Herr <strong>Tristan</strong> <strong>in</strong> die Welt zurück ... Bis daß<br />

er stirbt ... dann küß ich ihn, [Regieanweisung] Sie richtet sich starr und<br />

groß auf. Brangäne, Me<strong>in</strong> Freund! ... me<strong>in</strong> Freund war hier ... Sie bricht <strong>in</strong><br />

Brangänes Armen zusammen.“ [Hardt (1910: 158)].<br />

Die Grundfrage <strong>des</strong> Stückes, die auch als Frage an das Stück stehen bleibt,<br />

hat Friedrich Sieburg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Brief an Hardt vom 06.05.1910 formuliert:<br />

„Warum erkennt Frau Isot den <strong>Tristan</strong> nicht gleich, den sie doch liebt?“ 10<br />

Die Motivation lautet von Anfang bis Ende: aus Verletzung durch die Heirat<br />

<strong>des</strong> Freun<strong>des</strong> mit Isolde Weißhand. Aus <strong>Tristan</strong>s Untreue folgt bei Isolde<br />

e<strong>in</strong>e gnadenlos starre Unbeweglichkeit. Sie s<strong>in</strong>gt zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong> Lied: „Herr<br />

<strong>Tristan</strong> ist untreu worden … Gott soll es strafen an ihm, Daß er mich will<br />

ermorden. Doch sterbend noch küß ich ihn.“ [Hardt (1910: 9)]. Lediglich<br />

verschärfend kommt später durch Denoval<strong>in</strong>s Lüge der Verstoß gegen den<br />

Abschiedsvertrag h<strong>in</strong>zu, nach dem sich <strong>Tristan</strong> beim Namen der Freund<strong>in</strong><br />

stellen müsste. Dabei bleibt bis zum Schluss e<strong>in</strong> paradoxes Bekenntnis zu<br />

der verflossenen Liebe bestehen. Isol<strong>des</strong> pathetische Ahnung <strong>des</strong> Liebesto-<br />

10 Meyer (1975: 73); zitiert bei Sparre (1988: 95).<br />

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