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Wenn einem die Worte fehlen…<br />
ANGEDACHT<br />
02<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
als die drei Freunde Hiobs all das<br />
Unglück hörten, das über ihn gekommen<br />
war, kamen sie und saßen<br />
mit ihm auf der Erde sieben Tage<br />
und sieben Nächte und redeten<br />
nichts mit ihm; denn sie sahen,<br />
dass der Schmerz sehr groß war.<br />
(Hiob 2, 11.13)<br />
1. Gelingende Seelsorge braucht<br />
die Zeit zum Hören und Schweigen<br />
Wir alle kennen diese Situation.<br />
Man steht am Krankenbett eines<br />
nahen Verwandten oder Freundes<br />
und weiß nichts zu sagen. Dabei<br />
würden wir doch so gerne Worte<br />
finden, die dem gerecht werden,<br />
was wir sehen, was wir fühlen und<br />
empfinden. Schnell sind wir dann<br />
unzufrieden mit uns selbst oder<br />
halten uns gar für unfähig für eine<br />
solche Aufgabe, vermeiden möglicherweise<br />
einen weiteren Anlauf in<br />
diese Richtung. Dabei zeigt der<br />
kurze biblische Abschnitt aus dem<br />
Buch Hiob, dass wir angesichts von<br />
schwerer Krankheit und Leid durchaus<br />
schweigen dürfen. Das Schweigen<br />
ist manchmal der lauteste<br />
Schrei, die bestmögliche Rede.<br />
Denn als die Freunde Hiobs von seinem<br />
Unglück erfahren, davon, wie<br />
er alles verloren hatte, was zu einem<br />
Leben gehört, alle seine Kinder<br />
und Schwiegerkinder,<br />
sämtliches Hab und Gut, zuletzt<br />
noch seine Gesundheit, da kommen<br />
sie und bleiben nicht fern, sie kommen<br />
und lassen alles andere stehen,<br />
begeben sich mitten in sein<br />
Leben, in seine Lage hinein. Sie<br />
leisten keine Seelsorge von oben,<br />
sondern begeben sich auf seine<br />
Ebene, auf die Erde, wo Hiob in<br />
seinem Aschehaufen sitzt und mit<br />
Tonscherben seine Geschwüre<br />
kratzt. Sie sind Tag und Nacht für<br />
ihn da und sie reden nicht, weil sie<br />
spüren, dass Worte nicht ausreichen<br />
würden, um den Schmerz zu<br />
beschreiben, um ihn zu fassen und<br />
dadurch zu lindern.<br />
Die Seelsorge der Freunde hat zu<br />
diesem Zeitpunkt alles, was eine<br />
Seelsorge braucht: Erkennen, Anteil<br />
nehmen und Aushalten. Keine Verbesserungsvorschläge,<br />
keine Lösungsmöglichkeiten,<br />
keine<br />
Beschwichtigungen. Und das<br />
braucht vor allen Dingen Zeit. Diese<br />
Zeit lässt sich durch nichts ersetzen,<br />
auch nicht durch die Delegation<br />
der Seelsorge an professionelle<br />
Kräfte.<br />
Mit Sorge beobachte ich daher, dass<br />
die Aufgabe einer lebensnahen<br />
Seelsorge immer mehr zur Aufgabe<br />
von Spezialisten wird. Zwar ist ausdrücklich<br />
zu begrüßen, dass Seelsorgerinnen<br />
und Seelsorger<br />
gründlich und gut auf ihre Aufgaben<br />
vorbereitet und fortgebildet<br />
werden, wenn sie im Krankenhaus,<br />
im Gefängnis oder im Hospiz tätig<br />
sind. Was dabei aber nicht aufgegeben<br />
werden sollte, ist, dass wir<br />
auch ohne Ausbildung eine seelsorgerliche<br />
Gesellschaft sein sollten,<br />
das heißt eine Gesellschaft, in der<br />
wir Zeit füreinander haben können.<br />
Es müssen daraus ja keine sieben<br />
Tage werden wie bei den Freunden