Günter Dippold - Bezirk Oberfranken
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<strong>Günter</strong> <strong>Dippold</strong><br />
Landwirtschaft<br />
Dörfliches Gewerbe<br />
Eisenbahn und Kiesgewinnung<br />
Anmerkungen zur wirtschaftlichen<br />
Struktur von Unterleiterbach<br />
vornehmlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert
Wirtschaft 34<br />
Anmerkungen zur wirtschaftlichen Struktur<br />
von Unterleiterbach<br />
vornehmlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert<br />
von <strong>Günter</strong> <strong>Dippold</strong><br />
Landwirtschaft<br />
Das ökonomische Rückgrat von Unterleiterbach bildete die Landwirtschaft,<br />
wenn der Ort auch kein typisches Bauerndorf war;<br />
vielmehr wies Unterleiterbach in wirtschaftlicher Hinsicht lange<br />
Zeit ein eigenes Gepräge auf. Einer Statistik von 1808 zufolge war<br />
der Boden in der Dorfflur zu einem Viertel „gut“ und zu drei Vierteln<br />
„mittelmäßig“; den „Nahrungs-Stand“ der Einwohner bildeten<br />
„Ackerbau und Viehzucht“, die zu einem „mehr als mittelmäßig[en]“<br />
Wohlstand maßgeblich beitrugen 1 . Eine Zählung des<br />
Viehstands im selben Jahr erbrachte folgendes Ergebnis: 1 Mastochse,<br />
26 Gangochsen, 97 Gangkühe, 26 Stiere, 8 Kalben, 24 Kälber,<br />
12 Schweine, 7 Pferde. Demnach spielte die Rinderhaltung<br />
eine recht große, die Schweinezucht dagegen eine verschwindende<br />
Rolle. Schafe und Ziegen hielt niemand in Unterleiterbach 2 .<br />
Bei aller Bedeutung der Landwirtschaft war Unterleiterbach<br />
doch kein reines Bauerndorf wie viele Ortschaften der Umgebung.<br />
Die Gemarkung hätte auch gar nicht ausgereicht, alle Einwohner<br />
zu ernähren. Die Unterleiterbacher mit Grundbesitz nannten<br />
1854 durchschnittlich nur etwa 9 Tagwerk ihr eigen 3 – zum<br />
Vergleich: In Döringstadt waren es 17,4 Tagwerk, in Pferdsfeld 23 4 .<br />
Nur wenige Unterleiterbacher besaßen genug, als daß sie allein<br />
von der Landwirtschaft hätten leben können. Die größten Grundbesitzer<br />
waren um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Martin<br />
Hennemann (St.-Magdalenen-Weg 2) mit 64,2 Tagwerk, Philipp<br />
Hennemann (Schloßstraße 16) mit 39 und die Wirtin Margaretha<br />
Dels (Schloßstraße 4) mit 35 Tagwerk; alle anderen besaßen 25<br />
Tagwerk oder weniger 5 .<br />
Allerdings muß man bedenken, daß der Gemeindebesitz noch<br />
nicht verteilt war, immerhin rund 250 Tagwerk, meist Weideland.<br />
Zwar drangen die ärmeren Unterleiterbacher wiederholt auf Parzellierung,<br />
da nur die reicheren Einwohner Nutzen vom Gemeindegrund<br />
hätten, doch erreichten sie die erforderliche Mehrheit im<br />
Dorf nicht. Bereits 1812 unternahm eine Gruppe von Unterleiterbachern<br />
einen Anlauf, „weil Feldstücke, gemeinschaftlich genossen,<br />
lange das nicht ertragen, was sie ertragen würden, wenn dieselben<br />
in das Privateigenthum übergegangen wären, theils weil<br />
die Gemeinschaft den Zunder zu einigen Uneinigkeiten und Strittigkeiten<br />
legt und endlich, weil, wie es die tägliche Erfahrung<br />
lehrt, [...] die Reicheren und Mächtigeren des Orts durch allerley<br />
Kunstgriffe die Nutzungen aus den Gemeind Vermögen an sich<br />
ziehen und uns nichts als die Lasten zu tragen übrig lassen“ 6 . In<br />
einem anderen Schreiben, ebenfalls aus dem Jahr 1812, führten<br />
die Teilungswilligen aus: „Diejenigen von der Gemeinde, 10 an<br />
der Zahl, welche das meiste Vieh haben, bestehen bey ihren gewinnsüchtigen<br />
Absichten darauf, daß dieselben [Änger] sollen mit<br />
Vieh beweidet werden, wo wir aber, 30 an der Zahl, unsere Erklärung<br />
dahin geben, daß die Gemeindänger in 50 Parzellen abgetheilt,<br />
dieselben dann verlooßt und für jedes Looß 4 f bezahlt<br />
werden.“ 7 1849 setzte eine Mehrheit der vollberechtigten Gemeindeangehörigen<br />
durch, daß „mehrere Grundstücke und öde<br />
Plätze der Gemeinde Unterleiterbach provisorisch ausgetheilt“<br />
wurden; doch war dies auf sechs Jahre befristet 8 . Erst 1955 kam<br />
es offenbar zu einer endgültigen Aufteilung an 52 „Rechtler“ 9 .<br />
Die „Bayers-Mari“ macht Futter für ihre Hasen (Maria Bayer;<br />
Aufnahme Ende der 50er Jahre)<br />
Michael Dorsch bei der Heuernte (Aufnahme um 1969)<br />
1 StAB, K 3 H, Nr. 306, Hallstadt, Ziff. 4. Zur Bodenbeschaffenheit<br />
vgl. Gunzelmann, Michael: Böden<br />
und Vegetation im Raum Zapfendorf. In: Gunzelmann,<br />
Thomas (Hrsg.): Zapfendorf. Landschaft –<br />
Geschichte – Kultur. Zapfendorf 1986, S. 25–37 (mit<br />
Übersichtskarte S. 36).<br />
2 StAB, K 3 H, Nr. 306, Hallstadt, Ziff. 14.<br />
3 StAB, K 235, Nr. 748.<br />
4 Gunzelmann, Thomas: Die Kulturlandschaft<br />
um 1840. In: <strong>Dippold</strong>, <strong>Günter</strong> / Urban, Josef (Hrsg.):<br />
Im oberen Maintal, auf dem Jura, an Rodach und<br />
Itz. Landschaft, Geschichte, Kultur. Lichtenfels 1990,<br />
S. 69–100, hier S. 87.<br />
5 StAB, K 235, Nr. 748.<br />
6 StAB, K 20, Nr. 146, Schreiben vom 10.4.1812.<br />
7 Ebd., Schreiben vom 8.5.1812.<br />
8 StAB, K 20, Nr. 165.<br />
9 Aufzeichnungen F. Wiemann (im Privatbesitz).
Anton Wiemann auf dem Rückweg von der Milchsammelstelle (Aufnahme 1955)<br />
10 Lichtenfelser Wochenblatt 1863, S. 319, 360. –<br />
1864 waren dort bereits zwei Dampfdreschmaschinen<br />
vorhanden. Vgl. Lichtenfelser Wochenblatt vom<br />
9.8.1864.<br />
11 Aufzeichnungen Wiemann.<br />
12 StAB, K 20 Baupl., 1887/101 und 1910.<br />
13 StAB, K 20 Baupl., 1891/149.<br />
14 Reinwald, Dieter: Beiträge zu einer Ortsgeschichte<br />
von Unterleiterbach. Zulassungsarbeit<br />
(masch.). Bamberg 1971, S. 14.<br />
Die Modernisierung in der Landwirtschaft faßte in Unterleiterbach<br />
nur allmählich Fuß. Während auf dem Gut Kutzenberg<br />
schon 1863 eine dampfbetriebene Dreschmaschine im Einsatz<br />
war 10 , wurde in Unterleiterbach wohl noch Jahrzehnte länger ausschließlich<br />
mit der Hand gedroschen. Um 1890 scheinen die ersten<br />
Dreschmaschinen angeschafft worden zu sein, und zwar vom<br />
Eigentümer der Weihersmühle und von einer Familie Wiemann;<br />
im frühen 20. Jahrhundert zog eine Familie Schober nach 11 . Auch<br />
Göpel wurden offenbar nur vereinzelt eingesetzt. Den erhaltenen<br />
Bauplänen zufolge errichteten lediglich 1887 Veit Wiemann (Obere<br />
Dorfstraße 2) und 1910 Georg Morgenroth (Brunnenweg 4) Göpelhallen<br />
12 . Eine Maschinenhalle baute 1891 Georg Dierauf 13 .<br />
Eine Motorisierung in der Landwirtschaft fand im großen und<br />
ganzen erst nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Noch im Jahr 1971<br />
gab es fünf Höfe in Unterleiterbach, die Kühe als Zugtiere einsetzten<br />
14 .<br />
Die Landwirtschaft wurde durch den Main erschwert, der zwischen<br />
Unterbrunn und Unteroberndorf besonders unruhig war.<br />
Veronika Finzel und Gunda Vogel beim Kartoffellesen<br />
(Aufnahme 1962)<br />
35<br />
Wirtschaft
Wirtschaft 36<br />
Oben: Dampfbetriebene Dreschmaschine von Sebastian Wiemann im Einsatz (Aufnahme um 1900/10)<br />
Teilnehmer am Melkkurs 1954 (von links): Alois Meixner, Elfriede Herold, Paul Kriebel, Resi Hornung,<br />
Paula Hennemann, Kathi Dauer, Albert Hennemann, Hans Dinkel, Paul Ebitsch, Josef Süppel, Gunda<br />
Gagel, Georg Rothlauf, Lorenz Jung, Elisabeth Schober, Melklehrer Josef Grasser aus Neudorf (Nr. 2)<br />
Immer wieder veränderte er seinen Lauf, riß er Land weg oder<br />
schwemmte er Land an. Der kleine Mäander südlich von Unterleiterbach<br />
ist z. B. erst 1698 entstanden; bis dahin verlief der Fluß wesentlich<br />
weiter vom Dorf entfernt. Nun berührten sich unweit des<br />
Dorfes die Landstraße Richtung Bamberg und der Fluß beinahe;<br />
wiederholt wurde die Straße unterspült, so 1746, 1747, 1754 15 .<br />
Der Main war bei Unterleiterbach lange Zeit mit Fuhrwerken<br />
oder Vieh zu durchqueren, und außerdem konnte man südwestlich<br />
des Dorfes mit einer Ruderfähre übersetzen; 1885 baute die<br />
Gemeinde ein neues „Überfahrhaus“ 16 . Als aber das Flußbett<br />
durch Regulierungen im Jahr 1896 vertieft wurde, war eine Brücke<br />
erforderlich, wollten die Bauern nicht den Umweg über Oberbrunn<br />
17 oder Zapfendorf 18 machen. Zunächst entstand, finanziert<br />
15 Gerlach, Renate: Flußdynamik des Mains unter<br />
dem Einfluß des Menschen seit dem Spätmittelalter.<br />
Trier 1990 (Forschungen zur deutschen Landeskunde<br />
234), S. 61.<br />
16 StAB, K 20 Baupl., 1885/52.<br />
17 Hier gab es seit 1892 eine Mainbrücke. StAB,<br />
K3–1967, Nr. 298, fol. 62r–103r.<br />
18 Hier war eine Brücke 1878/79 errichtet worden.<br />
Gunzelmann, Thomas: Zapfendorf im 19. Jahrhundert<br />
– Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur<br />
eines Dorfes und seines Umlandes am Obermain.<br />
In: Gunzelmann, Zapfendorf (wie Anm. 1), S. 183–<br />
226, hier S. 215.
Postkarte aus den 60er Jahren<br />
19 Gunzelmann, Thomas: Die Unterleiterbacher<br />
Mainbrücke – Ein verschwundenes Technikdenkmal<br />
am Obermain. In: Vom Main zum Jura, Heft 2 (1985),<br />
S. 71– 86, hier S. 74 f.; StAB, K 20, Nr. 3373.<br />
20 StAB, B 67/XVII, Nr. 4333, Prot. vom 22.11.<br />
1646.<br />
21 StAB, B 67/XVII, Nr. 214, Schreiben vom 30.6.<br />
1781.<br />
22 StAB, K 3 H, Nr. 306, Hallstadt, Ziff. 3.<br />
23 StAB, B 67/XVII, Nr. 4329, fol. 132r; Nr. 214,<br />
Schreiben vom 30.6.1781.<br />
24 Roppelt, Johann Baptist: Historisch-topographische<br />
Beschreibung des Kaiserlichen Hochstifts<br />
und Fürstenthums Bamberg. Nürnberg 1801, S. 9.<br />
25 StAB, K 3 H, Nr. 374, Lichtenfels, Lit. G.<br />
26 StAB, K 3 A II, Nr. 1201, Verzeichnis der häuslich<br />
angesessenen Familien.<br />
27 StAB, B 67/XVII, Nr. 227, Beilage zum Schreiben<br />
vom 18.8.1800.<br />
von Unterleiterbacher Einwohnern, die rechts des Mains Grundstücke<br />
hatten, ein hölzerner Steg, der alljährlich im Frühjahr aufund<br />
im Herbst abgebaut werden mußte 19 . Eine feste Brücke wurde<br />
dann 1913/14 errichtet, und zwar als Eisenbetonkonstruktion.<br />
Vom Main lebten dagegen, anders als in manchen Dörfern am<br />
Fluß, nur wenige Unterleiterbacher. Zwar sind im 17. Jahrhundert<br />
einzelne Fischer im Dorf nachzuweisen 20 , und auch 1781 ist noch<br />
von Unterleiterbacher Fischern die Rede 21 ; doch schon 1808 führt<br />
eine Statistik keinen Vertreter dieses Berufs auf 22 . Verantwortlich<br />
dafür war möglicherweise der Umstand, daß um das Fischwasser,<br />
das die Inhaber des Ritterguts Unterleiterbach für sich beanspruchten<br />
und an Fischer aus dem Dorf verpachteten, dauernd<br />
Streit mit den Fischern in Zapfendorf und dem Hochstift Bamberg<br />
herrschte 23 . Wie es 1801 heißt, fing man im Main die „besten und<br />
größten Karpfen, ingleichem Hechte, Pertsche, Aalraupen, Rothaugen,<br />
Renner [...], Braulinge, Oehrlitzen und andere mehr. Man<br />
trift auch bisweilen fremde Fische, als: Störe und Salme an“ 24 .<br />
„Der Beck’n Adel und sei Kathi“ (Adam Neukum und seine<br />
Frau Katharina) beim Stollenbacken (Aufnahme 23. Dezember<br />
1940)<br />
Dörfliches Gewerbe<br />
Von Ackerbau und Viehzucht lebten nicht alle, wie es für viele<br />
reichsritterschaftliche Dörfer charakteristisch ist. 1820 gab es im<br />
Ort, der damals 56 Häuser umfaßte, zwei Bäcker, vier Bierschenken<br />
und zwei Gastwirte, einen Büttner, einen Hufschmied, einen<br />
Maurer, drei Schneider, zwei Weber, einen Schuhmacher 25 . Einer<br />
fünf Jahre zuvor erstellten Liste der Hausbesitzer 26 zufolge standen<br />
23 Bauern acht Taglöhner, vier Weber, drei Musikanten, zwei<br />
Schneider, ein Schuster, ein Maurer, ein Bäcker, ein Schmied, ein<br />
Handelsmann, der gräfliche Jäger, der Müller auf der Weihersmühle<br />
und ein Wirt gegenüber, ferner der Posthalter, der wohl<br />
ebenfalls Wirt war; Unterleiterbach war nach der Verstaatlichung<br />
der Post eine Poststation geworden. Der Unterschied zwischen<br />
den Statistiken von 1815 und 1820 ergibt sich zum einen daraus,<br />
daß 1815 nur die Hausbesitzer, nicht aber zur Miete wohnende<br />
Haushalte erfaßt wurden. Zum anderen lebten noch im 19. Jahrhundert<br />
viele Familien nicht nur von einem Beruf, vielmehr speiste<br />
sich das Einkommen aus mehreren Quellen. Der Revierjäger<br />
bewirtschaftete selbstverständlich seine privaten Güter, war also<br />
auch Landwirt; der Schuster Johann Gagel erklärte 1797, „er naehre<br />
sich theils als Schuhmachermeister, theils auch von der Bauerey“;<br />
im selben Jahr wird Albert Zeitz als Büttner und Braumeister<br />
bezeichnet 27 .<br />
Die Anzahl von Handwerkern geht, wenn auch in bescheidenem<br />
Maß, über das für Orte dieser Größe Übliche hinaus. Offenkundig<br />
gab die das Dorf streifende Landstraße, in der zweiten<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Chaussee ausgebaut, einigen<br />
Haushalten Nahrung, namentlich den Wirten, die eigene Brauhäuser<br />
hatten, den Schankwirten, aber auch den Bäckern und dem<br />
Hufschmied, und der Büttner lebte wohl in erster Linie von den<br />
beiden Brauern.<br />
Familie Neukum vor ihrem Anwesen. Von rechts: Adam Neukum,<br />
seine Mutter Barbara und sein Vater Franz (Aufnahme um<br />
1935)<br />
37<br />
Wirtschaft
Wirtschaft 38<br />
Bekanntmachung des <strong>Bezirk</strong>samts Staffelstein im Amtsblatt vom<br />
Juli 1907<br />
Die jüngere Geschichte der Wirtshäuser läßt sich recht gut verfolgen.<br />
Drei Wirtshäuser bestanden im frühen 17. Jahrhundert:<br />
eines war Pfarrlehen, die anderen schaumbergische Anwesen.<br />
Doch brannte eines dieser beiden Häuser ab und wurde nicht<br />
wieder aufgebaut 28 . Mit den beiden übriggebliebenen Wirtshäusern<br />
waren Braustätten verbunden.<br />
Als 1676 Hans Hennemann mit seinem gleichnamigen Sohn in<br />
ihrem Haus, einem Lehen des Eberner Kellers Wucherer, ein drittes<br />
Wirtshaus mit Brauerei einrichtete, untersagte dies zunächst<br />
Ludwig Ernst von Schaumberg als Dorf- und Gemeindeherr; um<br />
sein Verbot durchzusetzen, ließ er Hennemann zweimal Vieh<br />
pfänden. 1676 schritt auch der Lichtenfelser Vogt im Auftrag des<br />
Fürstbischofs gegen den Wirtshausbetrieb Hennemanns ein. Ob<br />
diese Anordnung befolgt wurde, ist fraglich. 1695 jedenfalls<br />
wurde Hans Hennemann vom Lichtenfelser Vogt mit der hohen<br />
Strafe von 50 Gulden belegt und, da er sie nicht zahlte, verhaftet,<br />
weil er unerlaubt gebraut hatte 29 .<br />
Im ausgehenden 18. Jahrhundert gestattete Graf von Brockdorff<br />
einem seiner Hintersassen, Michael Eichhorn, neben den<br />
bestehenden beiden Wirtshäusern eine Most- und Branntweinschenkstatt<br />
zu gründen und auf sie durch ein ausgehängtes Schild<br />
hinzuweisen 30 . Obwohl der Zapfendorfer Vogt dies sogleich aufgebracht<br />
nach Bamberg berichtete, scheint die fürstbischöfliche<br />
Regierung nicht eingeschritten zu sein, so daß es fortan wieder eine<br />
dritte Gastwirtschaft gab. Über die Entstehung der anderen<br />
1808 genannten Schankwirtschaften ist nichts bekannt.<br />
Das einstige Pfarrlehenwirtshaus (Schloßstraße 2), das „Gasthaus<br />
zum Schwane“, wurde 1879 von Johann Hennemann<br />
(† 1898) durch einen Neubau ersetzt, der im Erdgeschoß eine<br />
Gastwirtschaft „Goldener Löwe“ (Schober) (Aufnahme um 1970)<br />
kleine Gaststube und einen Saal, im ersten Stock zwei Fremdenzimmer<br />
enthielt. 1911 und 1913 ließ sein gleichnamiger Sohn das<br />
Haus gründlich umbauen 31 .<br />
Das alte schaumbergische Gasthaus ist wohl identisch mit dem<br />
Anwesen Schloßstraße 4, das 1854 als „Wirtshaus zum Löwen“ im<br />
Kataster erscheint. Damals betrieb die Witwe Margaretha Dels<br />
(† 1872), eine geborene Rattinger, als Nachfolgerin ihres verstorbenen<br />
Mannes Gottfried Dels († 1851) das Wirtshaus. Anfang 1869<br />
war es in der Hand des aus Unterbrunn stammenden Metzgers<br />
und Bierbrauers Michael Schober 32 , dessen Nachkommen es bis<br />
heute besitzen.<br />
1852 erwarb der Metzger Johann Georg Pabst das auf dem Anwesen<br />
Schloßstraße 18 ruhende Realrecht auf den Betrieb einer<br />
Schankwirtschaft und übertrug es auf sein Haus Schloßstraße 17,<br />
zu dem im Jahr 1889 auch ein Brauhaus gehörte. Seit 1885 war<br />
Pabsts Schwiegersohn Adam Rittmeier Wirt, später Johann Rattelsdorfer<br />
aus Kirchschletten, der zweite Mann von Pabsts Tochter.<br />
1921 erscheint Martin Kriebel als Inhaber dieser Wirtschaft 33 ,<br />
dem um 1950 sein Schwiegersohn Nikolaus Mahkorn nachfolgte.<br />
Eisbrechen für die beiden Unterleiterbacher Brauereien<br />
(Aufnahme 1959/60)<br />
Auf dem Anwesen Lichtenfelser Straße 6 wurde, nachweisbar<br />
ab 1847, die „Wein- und Brandweinschenkgerechtigkeit“ ausgeübt,<br />
zunächst von dem Krämer Andreas Dels, ab 1891 von Johann<br />
Schütz, ab 1936 dann von dessen Schwiegersohn Georg<br />
Wagner aus Oberbrunn 34 .<br />
Somit bestanden um 1850 vier Wirtshäuser und drei Brauereien<br />
nebeneinander im Dorf. Während Hennemann und Schober auch<br />
fremdes Bier ausschenken durften – 30 hl waren es 1889 im<br />
„Schwan“, 25 hl im „Löwen“ –, war dies Rattelsdorfer untersagt.<br />
Doch hielt er sich nicht daran: Einmal bezog er Bier von der Aktienbrauerei<br />
Lichtenfels, ein anderes Mal von der Brauerei „Steinernes<br />
Haus“ in Bamberg 35 .<br />
Eisenbahn und Kiesgewinnung<br />
Die Straße und der Fluß wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
immer mehr als Fernverkehrswege verdrängt durch die Eisenbahn,<br />
die allerdings hier nicht anhielt; die nächstgelegenen<br />
Stationen waren Zapfendorf und Ebensfeld. Zunächst brachte der<br />
Bahnbau aber Geld in die Gemeindekasse, denn die Lichtenfelser<br />
Baukommission erwarb ab 1844 in der Gemarkung Unterleiterbach<br />
immerhin 19 Tagwerk Grund 36 . Auch lebten in Unterleiterbach<br />
einige Eisenbahner. Das Adreßbuch von 1939 nennt zwei<br />
28 StAB, B 76/XVIII, Nr. 331, fol. 15r.<br />
29 StAB, B 76/XVIII, Nr. 331.<br />
30 StAB, B 67/XVII, Nr. 226, Schreiben vom 12.3.<br />
1797 und Prot. vom 10.3.1797.<br />
31 StAB, K 20, Nr. 2923.<br />
32 Er beantragte damals die persönliche Konzession<br />
zur Ausübung der Gastwirtschaft. Lichtenfelser<br />
Tagblatt vom 26.1.1869.<br />
33 StAB, K 20, Nr. 2924.<br />
34 StAB, K 20, Nr. 2922.<br />
35 StAB, K 20, Nr. 2924.<br />
36 StAB, K 235, Nr. 748.<br />
Links das Wohnhaus des Bahnwärters<br />
Adolf Theiß, rechts das Bahnwärterhaus<br />
(Aufnahme 1954)
37 Einwohnerbuch für den Amtsbezirk Staffelstein.<br />
Wertheim 1939, S. 59f.<br />
38 Gunzelmann, Zapfendorf im 19. Jahrhundert<br />
(wie Anm. 18), S. 216 f.<br />
39 StAB, K 20, Nr. 1664.<br />
40 Über das Unternehmen vgl. Zwirner, Harald:<br />
Industrialisierung in Zapfendorf (1880–1930). In:<br />
Gunzelmann, Zapfendorf (wie Anm. 1), S. 407–421,<br />
hier S. 414–417.<br />
41 Hierzu und zum folgenden vgl. Firmenarchiv<br />
Porzner. Für die Vermittlung der genannten Daten<br />
danke ich Herrn Eugen Schneiderbanger.<br />
Der Kies wurde vom Schelch (links) auf<br />
Kipploren verladen und mit dem „Boggäla“<br />
ins Kieswerk Porzner nach Zapfendorf<br />
gebracht (Aufnahme aus den 30er<br />
Jahren)<br />
Bahnwärter – ihre Häuschen waren 1853 errichtet worden – und<br />
zwei weitere Eisenbahner 37 .<br />
Die Eisenbahn erlangte nahezu das Monopol im Fernverkehr,<br />
so daß dort, wo Bahnlinien gebaut wurden, die Straßen stark an<br />
Bedeutung verloren. Dies ist auch um Unterleiterbach zu beobachten.<br />
Eine Verkehrszählung aus der Mitte des Jahres 1875 ergab,<br />
daß durchschnittlich 63 Zugtiere pro Tag die Landstraße zwischen<br />
Ebing und Unterleiterbach benutzten. Es bewegte sich hier nur<br />
noch „ein überwiegend lokaler, von landwirtschaftlichen Betriebsbedürfnissen<br />
bestimmter, äußerst dünner Verkehr“ 38 .<br />
Der Bahnbau schritt ständig fort, bis 1880/90 entstanden die<br />
wichtigsten Hauptlinien, dann viele Stichbahnen. In Sachsen-<br />
Coburg verwandte man zum Bahnbau Kies, den man aus dem benachbarten<br />
Bayern, namentlich vom Obermain, bezog und per<br />
Bahn zur Baustelle transportierte. 1912 schloß die Gemeinde Unterleiterbach<br />
mit dem Coburger Unternehmer Gustav Schmidt, der<br />
Steinbrüche in Hüttensteinach und Förtschendorf betrieb, und<br />
dem Lichtenfelser Kieswerkbesitzer Matthäus Kraus einen Vertrag.<br />
Die Unternehmen durften auf den Gemeindegrundstücken jenseits<br />
des Mains Kies und Sand fördern, die mittels einer Rollbahn<br />
zur Bahnlinie transportiert und dort verladen wurden. Das brachte<br />
der Gemeinde Geld für jeden Kubikmeter – jetzt konnte man<br />
In mühsamer Arbeit wurden die Schelche entladen. Fünfter von<br />
links: Firmenchef Johann Georg Porzner (Aufnahme um 1940)<br />
endlich die ersehnte Mainbrücke bauen –, aber auch den Einwohnern,<br />
denn der Vertrag legte fest, daß Unterleiterbacher bevorzugt<br />
beschäftigt werden sollten. „Auf diese Weise haben mehrere<br />
ganz kleine Besitzer sich so emporgearbeitet, daß dieselben<br />
gegenwärtig 4 bis 5 Stück Vieh halten können, während sie früher<br />
kaum 1 Stück ernähren konnten.“<br />
Um so härter traf es das „aufblühende Dorf“ – so der Bürgermeister<br />
–, als 1913 die Eisenbahndirektion die Kiesverladung auf<br />
freier Strecke untersagte; ein Industriegleis wäre nur zu finanzieren<br />
gewesen, wenn die Bahn die Frachttarife für die Unternehmer<br />
gesenkt hätte, und dazu war sie nicht bereit. Bürgermeister Schober<br />
wurde bei der Eisenbahndirektion in Nürnberg, wohl sogar<br />
beim Verkehrsministerium in München vorstellig, aber ohne Erfolg;<br />
bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war keine Lösung<br />
gefunden 39 .<br />
Dennoch wurde in der Gemarkung Unterleiterbach weiterhin<br />
Kies gewonnen. 1929 begann der Kiesabbau durch die Zapfendorfer<br />
Firma Gebrüder Porzner 40 bei der Mainbrücke, nun nicht<br />
mehr für Eisenbahnschotter, sondern für Beton. Es kam ein<br />
Schwimmbagger zum Einsatz, ab 1939/40 auch ein Elektro-Umschlagkran.<br />
Mittels einer 3,5 km langen Feldbahn transportierte<br />
man den Kies zum Sortierwerk bei Zapfendorf, wobei die Dampflokomotive<br />
1964 durch eine Diesellok versetzt wurde; sie war bis<br />
1972 im Einsatz. Von Zapfendorf aus gelangte der Kies per Bahn zu<br />
den Kunden der Fa. Porzner, ab 1950 zunehmend per Lkw 41 .<br />
Wohlverdiente Pause beim Kiesabbau. 1. von rechts: Gottfried<br />
Glock, 2. von rechts: Georg Wiemann (Aufnahme um 1965)<br />
39<br />
Wirtschaft
Wirtschaft 40<br />
Kiesverladestation bei Unterleiterbach. Im Vordergrund Johann<br />
Wiemann (Aufnahme um 1959)<br />
Dieselbetriebenes „Boggäla“ (Aufnahme um 1965)<br />
Für Unterleiterbach war das Kieswerk nicht zuletzt Arbeitgeber.<br />
Das Adreßbuch von 1951 bezeichnet unter den Einwohnern vier<br />
ausdrücklich als „Kiesarbeiter“ 42 ; ausdrücklich zu nennen sind<br />
Johann Wiemann und sein Sohn Georg Wiemann, die beide über<br />
40 Jahre bei Porzner beschäftigt waren, letzterer von 1943 bis<br />
1992.<br />
Hauptwerk der Fa. Porzner in Zapfendorf (Aufnahme Anfang<br />
der 70er Jahre)<br />
Immer mehr gewannen im folgenden in Unterleiterbach die<br />
nicht-agrarischen Erwerbszweige an Gewicht. 1939 gab es im<br />
Dorf 37 Bauern, aber auch 14 Arbeiter, fünf Bahner, drei Maschinisten<br />
und eine Reihe von Handwerkern: einen Bäcker, einen<br />
Maurer, einen Schmied, einen Schreiner, einen Schuhmacher,<br />
zwei Zimmerleute. 1971 waren die Arbeiter und Angestellten<br />
längst in der Überzahl mit drei Vierteln der Erwerbstätigen 43 , und<br />
auch damit war die Entwicklung noch nicht zu Ende. Ermöglicht<br />
und gefördert wurde sie durch die gewachsene Mobilität dank<br />
Fahrrad, Motorrad und Auto.<br />
Pankraz Schober und Johann Wiemann<br />
unterwegs nach Zapfendorf (Aufnahme<br />
um 1930)<br />
Heinrich Gagel und Peter Krümmer<br />
(Aufnahme 1953)<br />
Adam Neukum mit Ehefrau. Der Bäcker<br />
und der Müller besaßen die ersten Automobile<br />
des Ortes. Im Hintergrund das<br />
Anfang der 60er Jahre abgerissene Feuerwehrhäuschen<br />
(Aufnahme 10.1.1943)<br />
42 Adreßbuch Staffelstein für den Stadt- und<br />
Landkreis 1951/52. Coburg. o. J. [1951], S. 63 f.<br />
43 Reinwald (wie Anm. 14), S. 16.