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12 HistorischeS<br />
He[i]nriette Davidis<br />
Zu Besuch in Berghofen:<br />
Henriette Davidis – die gute Fee aus Wengern<br />
von Ulrike Knuf (Bad Sassendorf)<br />
teuer. Nichts wurde verschwendet! Mit Essensresten fütterte<br />
Frau Hedwig Straeter, geb. Buse 1954<br />
Henriette Davidis<br />
Es ist jetzt fast ein halbes Jahrhundert her. Da lebte ich ein paar Monate<br />
lang im Hause des pensionierten Lehrers Karl Straeter in Berghofen<br />
und war gerade jungverheiratet mit seinem Enkel Eberhard Knuf.<br />
Die Eheleute Straeter zählten beide schon fast 90 Jahre. Wenn ich sie<br />
friedlich am Sommerabend in ihrem Hausgarten am Falterweg sitzen<br />
sah, kam mir die altgriechische Sage von Philemon und Baucis in den<br />
Sinn: Die Gnade der Götter lässt ein hochbetagtes Menschenpaar nicht<br />
sterben, sondern verwandelt es gleichzeitig in zwei ehrwürdige Bäume.<br />
Es gab in Straeters Jugendstilhaus ein verblichenes Foto in Postkartengröße<br />
von Anno 1900. Darauf zu sehen war Karl Straeter,<br />
stolzer Junglehrer im Sonntagsanzug, mit vollem Haar und strahlenden<br />
Augen. Neben ihm steht seine Braut Hedwig Buse aus Wellinghofen,<br />
schwanenweiß gekleidet, anmutig, mit liebreizendem Lächeln<br />
in einem feinen Gesicht, das sie bis ins hohe Alter bewahrte.<br />
Als sie im Jahr 1902 „Frau Lehrer Straeter“ wurde, verlangte ein guter<br />
Haushalt von Stund an Tatkraft und Sorgfalt von diesem elfenhaften<br />
Wesen. Große Worte und Auftritte, eigene Meinungen und<br />
Wünsche waren Hedwigs Sache nicht. Aber unter ihrem Dach verrieten<br />
noch 65 Jahre später viele Anzeichen das Walten einer kundigen<br />
Hausfrau und Mutter. Auf dem Speicher fand ich hölzerne Gestelle<br />
zum Dörren von Obst und Gemüse. Im kühlen Keller waren zehn graublaue<br />
Steinzeugtöpfe aus dem Kannenbäcker Ländchen nebst Einweckgläsern<br />
und Emaillebottichen aufgereiht. Vorrat kam aus eigener<br />
Produktion, war Ehrensache und half durch Kriege und Notlagen.<br />
Im Handel waren Fertiggerichte noch nicht verfügbar, Konserven rar und<br />
Allzu großzügiger Umgang mit Heizmaterial und Licht war bei<br />
Straeters streng verpönt. Zu Beginn ihrer Ehe mussten noch<br />
Petroleum-Lampen täglich geputzt und für die Dämmerstunde<br />
vorbereitet werden. Bügeleisen und Wasser wurden<br />
auf der Herdplatte erhitzt. Die Fußböden behandelte man mit<br />
Besen, Scheuerbürste, Bohnerblock und Teppichklopfer.<br />
Noch in Oma Hedwigs letzten Lebensjahren hielten urtümliche<br />
Waschgeräte wie Kupfertrog, Stampfer und Rubbelbrett im<br />
Keller Wache. Welche Plage müssen Waschtage für die kleine<br />
Frau gewesen sein, besonders in Zeiten von Säuglings- und<br />
-<br />
scheteile, 80 Jahre und älter, lagen Kante auf Kante gefaltet in<br />
Ihre Kücheneinrichtung war museumsreif. In verwitterten<br />
Zuckersieb. Metallkränzchen zum Ausbacken von Schmalzkringeln,<br />
Kuchenformen, groß wie Karrenräder, Iserkauken-Eisen<br />
und Ballbäuschen-Pfanne warteten auf ihren Einsatz.<br />
Wenn Besuch kam, huschte Oma wie eine Maus geschäftig hin<br />
und her. Die Damen Arrenberg, Gosewinkel und Spangenberg<br />
lebten ja noch und wurden dann und wann mit einem kleinen<br />
Nachmittagsimbiss auf dem „guten Porzellan“ bewirtet. Das<br />
gehörte sich so, sie waren schließlich Berghofer Kollegenfrauen.<br />
Mit 86 Jahren kochte „Frau Lehrer Straeter“ noch selber,<br />
nach alter Mütter Sitte und mit ihren antiken Gerätschaften.<br />
Sie betrieb die Küchenarbeit so umsichtig, kenntnisreich<br />
und sauber, dass ich ihr erstaunt zusah. Man erkannte<br />
ihr Gefühl für den Wert aller Lebensmittel. Wir jungen Leute<br />
hatten gerade Curry-Wurst, Cevapcici und Nasi-Goreng zu<br />
essen gelernt und kochten diese Rezepte auch begeistert