14.11.2013 Aufrufe

Sehen und gesehen werden - Gesunde Bauarbeit

Sehen und gesehen werden - Gesunde Bauarbeit

Sehen und gesehen werden - Gesunde Bauarbeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SEHEN UND GESEHEN WERDEN<br />

Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen durch Sichteinschränkungen<br />

beim Einsatz von Erdbaumaschinen<br />

Dipl.-Ing. Horst Leisering, Büdelsdorf<br />

Beim Betrieb von Erdbaumaschinen ereignen<br />

sich immer wieder schwere <strong>und</strong> tödliche<br />

Unfälle, weil im Umfeld der Maschinen<br />

arbeitende Personen vom Maschinenführer<br />

nicht rechtzeitig wahrgenommen <strong>und</strong> anbzw.<br />

überfahren <strong>werden</strong>. Die Sichtverhältnisse<br />

an Erdbaumaschinen konnten in den<br />

vergangenen Jahren durch eine übersichtlichere<br />

Konstruktion verbessert <strong>werden</strong>.<br />

Konstruktionsbedingt verbleiben jedoch im<br />

Sichtfeld des Maschinenbedieners „tote<br />

Winkel“. Diese Bereiche können vom Fahrerplatz<br />

aus nicht ein<strong>gesehen</strong> <strong>werden</strong> (Abb. 1).<br />

Nachfolgend sollen zum Einen die Rechtsgr<strong>und</strong>lagen<br />

dargestellt <strong>und</strong> erläutert <strong>werden</strong>.<br />

Zum Anderen <strong>werden</strong> „4 Gr<strong>und</strong>sätze<br />

zur Vermeidung von Unfällen durch Sichteinschränkungen“<br />

vorgestellt <strong>und</strong> erläutert.<br />

Allgemeine Rechtsgr<strong>und</strong>lagen,<br />

Technische Regeln<br />

<strong>und</strong> Normen (MaschRili –<br />

DIN EN – ISO – BetrSichV – BGR)<br />

Bei der Betrachtung der allgemeinen Rechtsgr<strong>und</strong>lagen<br />

muss zunächst zwischen den Anforderungen<br />

differenziert <strong>werden</strong>, die sich<br />

an den Hersteller/Inverkehrbringer richten<br />

<strong>und</strong> denen, die den Nutzer/Betreiber einer<br />

Maschine ansprechen. Die Maschinenrichtlinie<br />

wendet sich an den Hersteller/Inverkehrbringer<br />

einer Maschine. Konstruiert<br />

<strong>und</strong> baut ein Hersteller seine Maschine nach<br />

den zur Konkretisierung der Maschinenricht-<br />

linie entwickelten europäischen Normen, so<br />

kann er davon ausgehen, die Maschinenrichtlinie<br />

ausreichend berücksichtigt zu<br />

haben. Juristen sprechen in diesem Zusammenhang<br />

von der „Vermutungswirkung“.<br />

Die Betriebssicherheitsverordnung beschreibt<br />

hingegen Mindestanforderungen,<br />

welche die Nutzer/Betreiber einer Maschine<br />

berücksichtigen müssen.<br />

Sichtanforderungen<br />

bei Neumaschinen<br />

Bezüglich der Sichtanforderungen an Erdbaumaschinen<br />

gibt es für das Inverkehrbringen<br />

von Neumaschinen Vorgaben, die<br />

durch die neuen Standards der DIN EN<br />

474/ISO 5006 auf ein sehr hohes Niveau<br />

gebracht wurden. Rechtliche Basis hierfür ist<br />

die Maschinenrichtlinie.<br />

Eine neue EN 474-1:2006 wurde 2006 veröffentlicht.<br />

Nach Ablauf der Übergangsfrist<br />

am 30.11.2008 kann nicht länger davon<br />

ausgegangen <strong>werden</strong>, dass bei Einhaltung<br />

der alten Vorgänger-Norm die Forderungen<br />

der Maschinenrichtlinie eingehalten sind<br />

(Ende der Vermutungswirkung). Das bedeutet,<br />

dass ab diesem Datum die neue EN 474<br />

berücksichtigt <strong>werden</strong> sollte. Zusammen<br />

mit der neuen EN 474 wird dann auch die<br />

neue ISO 5006:2006 verbindlich. Sie gilt<br />

für: Radlader, Skidsteer-Lader, Kettenlader,<br />

Baggerlader, Mobilbagger, Raupenbagger,<br />

Muldenkipper, Planierraupe, Grader, Kompaktoren<br />

<strong>und</strong> Walzen.<br />

Abb. 1:<br />

Sichteinschränkung an<br />

einer Erdbaumaschine<br />

Abb. 2:<br />

Neue Nahbereichsmessung<br />

nach<br />

ISO 5006:2006<br />

mit 1,5 m hohem<br />

Prüfkörper<br />

Die z.Z. noch gültige Fassung der ISO 5006<br />

enthält folgendes Mess- <strong>und</strong> Bewertungsverfahren:<br />

• Um die auf einer ebenen Fläche aufgestellte<br />

Maschine wird ein Vollkreis mit<br />

einem Radius von 12 m auf dem Boden<br />

aufgezeichnet. Das Zentrum dieses Vollkreises<br />

ist der (auf die Standfläche projizierte)<br />

Augenpunkt des Fahrers.<br />

• In Augenhöhe des Fahrers <strong>werden</strong> Lichtquellen<br />

angebracht, welche die Position<br />

der Augen des Fahrers beim Betrieb der<br />

Maschine simulieren.<br />

• Die Schatten, welche durch Konstruktionselemente<br />

der Maschine (z.B. Kabinenrahmen<br />

oder Ausleger) auf dem<br />

Boden erzeugt <strong>werden</strong>, <strong>werden</strong> aufgezeichnet.<br />

• Die auf diese Weise gemessenen Verdeckungen<br />

dürfen die in der ISO 5006<br />

beschriebenen Grenzwerte nicht überschreiten<br />

<strong>und</strong> darüber hinausgehende<br />

Sichteinschränkungen müssen zumindest<br />

durch Spiegeln ausgeglichen <strong>werden</strong>.<br />

Das Prinzip dieses Mess- <strong>und</strong> Bewertungsverfahrens<br />

wird i.W. auch in der neuen<br />

Fassung der ISO 5006:2006 beibehalten.<br />

Als wesentliche Neuerung wird eine zusätzliche<br />

Sichtmessung im Nahbereich eingeführt,<br />

wobei ein 1,5 m hoher Prüfkörper<br />

an einer rechteckigen Umrisslinie im Abstand<br />

von 1 m von der Maschine zu sehen<br />

sein muss (Abb. 2 <strong>und</strong> 3).<br />

Betriebssicherheitsverordnung<br />

Die Betriebssicherheitsverordnung wendet<br />

sich in dem hier diskutierten Zusammenhang<br />

an den Betreiber von Erdbaumaschinen<br />

<strong>und</strong> beschreibt Mindeststandards, u.A.<br />

für Bestandsmaschinen. So heißt es dort im<br />

Anhang 1 zum Thema Sicht:<br />

Fahrer<br />

1 m<br />

1 m<br />

552 TIEFBAU 9/2008


Umrisslinie<br />

der Maschine<br />

Rechteckige Umrisslinie<br />

im Abstand von 1 m<br />

Abb. 3: Rechteckige Umgebungslinie im Abstand von 1 m von der Maschine für die<br />

Nahbereichsmessung mit 1,5 m hohem Prüfkörper<br />

Mindestvorschriften für Arbeitsmittel gemäß<br />

§ 7 Abs. 1 Nr. 2<br />

3.1.6 Mobile selbstfahrende Arbeitsmittel<br />

müssen folgende Bedingungen<br />

erfüllen:<br />

…<br />

d) Reicht die direkte Sicht des Fahrers<br />

nicht aus, um die Sicherheit zu gewährleisten,<br />

sind geeignete Hilfsvorrichtungen<br />

zur Verbesserung der Sicht anzubringen.<br />

Technische Regeln für<br />

Betriebssicherheit (TRBS)<br />

Die Technischen Regeln für Betriebssicherheit<br />

konkretisieren die Forderungen der<br />

Betriebssicherheitsverordnung. Die TRBS<br />

2111 – Teil 1 „Mechanische Gefährdungen<br />

– Allgemeine Anforderungen“ beschreibt in<br />

diesem Zusammenhang in Abschn. 4 die<br />

Rangfolge von Schutzmaßnahmen:<br />

… In Abhängigkeit von den ermittelten<br />

<strong>und</strong> bewerteten Gefährdungen (Nummern<br />

2 <strong>und</strong> 3) sind Maßnahmen, einzeln<br />

oder kombiniert, entsprechend den<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen von § 4 des Arbeitsschutzgesetzes<br />

(gr<strong>und</strong>sätzliche Rangfolge:<br />

technische Maßnahmen vor organisatorischen<br />

Maßnahmen vor persönlichen<br />

Maßnahmen) zu treffen …<br />

Die TRBS 2111 – Teil 4 „Mechanische Gefährdungen<br />

– Maßnahmen zum Schutz vor<br />

Gefährdungen durch mobile Arbeitsmittel“<br />

beschreiben mögliche technische Maßnahmen<br />

zum Ausgleich von Sichteinschränkungen:<br />

… Technische Maßnahmen können sein:<br />

2.1.1 Einrichtungen zum Optimieren der<br />

Sichtverhältnisse <strong>und</strong> zum Ausgleich von<br />

Sichteinschränkungen in Abhängigkeit<br />

vom Einsatzort, von den Einsatz- <strong>und</strong><br />

Umgebungsbedingungen sowie von den<br />

Witterungsverhältnissen, wie zusätzliche<br />

Sichtfelder, Hilfsmittel bei Sichteinschränkung,<br />

Einrichtungen zur Erhaltung<br />

der Sicht bei allen vorhersehbaren Witterungsbedingungen,<br />

…<br />

In den „Leitlinien zur BetrSichV (LASI-<br />

Veröffentlichung LV 35/2006)“ wird in<br />

Abschn. 7.1 das Thema Bestandsschutz<br />

erörtert:<br />

… Für die Beschaffenheit gibt es einen<br />

Bestandsschutz, wenn die Arbeitsmittel<br />

beim Inverkehrbringen den zu diesem<br />

Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften<br />

entsprochen haben. Dieser wird aber<br />

durch die Mindestvorschriften aufgehoben,<br />

da beim Unterschreiten dieser Anforderungen<br />

Gefahren für die Beschäftigten<br />

zu unterstellen sind …<br />

BGR 500, Kap. 2.12<br />

„Betreiben von<br />

Erdbaumaschinen“<br />

1 m<br />

Weitere Konkretisierungen der Betriebssicherheitsverordung<br />

finden sich u.A. in den<br />

Berufsgenossenschaftlichen Regeln (BGR).<br />

Die BGR 500 enthält im Kapitel 2.12<br />

„Betreiben von Erdbaumaschinen“ wichtige<br />

Regelungen für den Betrieb von Erdbaumaschinen.<br />

Hinsichtlich der Auswahl von<br />

Schutzmaßnahmen bei Gefährdungen<br />

durch Sichteinschränkungen sei in diesem<br />

Zusammenhang auf den Abschnitt „Arbeiten<br />

im Gefahrbereich“ hingewiesen.<br />

Sichteinschränkungen stellen immer dann<br />

eine besondere Gefährdung dar, wenn<br />

zusätzlich Arbeiten im Gefahrbereich der<br />

Maschinen durchgeführt <strong>werden</strong>. In der<br />

alten Fassung waren Arbeiten im Gefahrbereich<br />

noch pauschal verboten:<br />

Alte Formulierung aus BGR 500, Kap. 2.12,<br />

Abschn. 3.3 „Gefahrbereich von Erdbaumaschinen“<br />

(Nicht mehr gültig):<br />

…<br />

3.3.1 Im Gefahrbereich von Erdbaumaschinen<br />

dürfen sich Personen nicht<br />

aufhalten.<br />

3.3.2 Der Maschinenführer darf mit der<br />

Erdbaumaschine Arbeiten nur ausführen,<br />

wenn sich keine Personen im Gefahrbereich<br />

aufhalten.<br />

3.3.3 Der Maschinenführer muss bei<br />

Gefahr für Personen Warnzeichen geben.<br />

…<br />

Anfang 2007 wurde eine überarbeitete<br />

Fassung der BGR 500, Stand Oktober 2006,<br />

auf den Internetseiten des Hauptverbandes<br />

der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

veröffentlicht.<br />

Neue, jetzt geltende Formulierung:<br />

Der Aufenthalt im Gefahrbereich ist unter<br />

bestimmten Voraussetzungen zulässig:<br />

3.3.1 Im Gefahrbereich von Erdbaumaschinen<br />

dürfen sich Personen nicht<br />

aufhalten.<br />

3.3.2 Der Maschinenführer darf mit der<br />

Erdbaumaschine Arbeiten nur ausführen,<br />

wenn sich keine Personen im Gefahrbereich<br />

aufhalten.<br />

3.3.3 Ist es aus betrieblichen Gründen<br />

unvermeidlich, dass Versicherte den Gefahrbereich<br />

betreten müssen, hat der<br />

Unternehmer auf der Gr<strong>und</strong>lage einer<br />

Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen<br />

festzulegen. Abweichungen von den Abschnitten<br />

3.3.1 <strong>und</strong> 3.3.2 sind nur unter<br />

Beachtung dieser Maßnahmen zulässig.<br />

Siehe Abschnitt 3.1 des Anhangs 2 der<br />

Betriebssicherheitsverordnung.<br />

Solche Maßnahmen können beispielsweise<br />

sein:<br />

• technisch:<br />

– zusätzliche Einrichtungen<br />

zur Verbesserung der Sicht;<br />

• organisatorisch:<br />

– Einsatz von Einweisern<br />

oder Sicherungsposten;<br />

• ergänzend personenbezogene<br />

Maßnahmen, wie<br />

das Tragen von Warnwesten.<br />

3.3.4 Die Versicherten haben die nach<br />

Abschnitt 3.3.3 festgelegten Maßnahmen<br />

zu beachten <strong>und</strong> insbes. vor Betreten<br />

des Gefahrbereichs Kontakt mit dem<br />

Maschinenführer aufzunehmen <strong>und</strong> die<br />

Arbeitsweise miteinander abzustimmen.<br />

Die Kontaktaufnahme kann z.B. durch<br />

Handzeichen mit Sichtkontakt erfolgen.<br />

3.3.5 Der Maschinenführer hat bei Gefahr<br />

für Personen die gefahrbringende<br />

Bewegung zu stoppen <strong>und</strong> Warnzeichen<br />

zu geben.<br />

3.3.6 Der Maschinenführer …<br />

TIEFBAU 9/2008<br />

553


Abb. 4:<br />

Zusätzlicher Spiegel<br />

an einem Bagger<br />

Abb. 5:<br />

Heck-Kamera<br />

an Mobilbagger<br />

Abb. 6:<br />

Monitor in<br />

Radladerkabine<br />

Diese neue Formulierung bietet den Beteiligten<br />

auch in den Fällen Rechtssicherheit,<br />

in denen das Arbeiten im Gefahrbereich aus<br />

betrieblichen Gründen unvermeidlich ist.<br />

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der<br />

Unternehmer für derartige Baustellen auf<br />

der Basis der von ihm zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung<br />

Maßnahmen festlegt,<br />

welche einen sicheren Betrieb gewährleisten.<br />

Hierbei sind der Stand der Technik<br />

sowie geltende Rechtsvorschriften zu berücksichtigen.<br />

Hinsichtlich der Sichtproblematik<br />

seien in diesem Zusammenhang noch<br />

einmal die Betriebssicherheitsverordnung,<br />

die Maschinenrichtlinie sowie Normen zur<br />

Konkretisierung der Maschinenrichtlinie<br />

erwähnt.<br />

Die 4 Gr<strong>und</strong>sätze<br />

zur Vermeidung von<br />

Unfällen durch<br />

Sichteinschränkungen<br />

Gefährdungen durch Sichteinschränkungen<br />

lassen sich durch den Einsatz sicherer<br />

Maschinen, die Planung <strong>und</strong> Umsetzung<br />

von sicheren Baustellenabläufen, durch Training<br />

<strong>und</strong> Anwendung sicherer Arbeitsweisen<br />

sowie durch den Einsatz von qualifizierten<br />

<strong>und</strong> speziell zum Thema Sicht unterwiesenen<br />

Maschinenführern vermeiden.<br />

Gr<strong>und</strong>satz Nr. 1:<br />

Sicht verbessern!<br />

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass<br />

durch Sichteinschränkungen bei bestimmten<br />

Maschinen in bestimmten Baustellensituationen<br />

bzw. bei bestimmten Arbeitsverfahren<br />

die Sicherheit nicht mehr gewährleistet<br />

<strong>werden</strong> kann, müssen geeignete<br />

Hilfsvorrichtungen zur Verbesserungen zur<br />

Sicht an der Maschine angebracht <strong>werden</strong>.<br />

Dies können Spiegel oder Kamera-/Monitorsysteme<br />

sein (Abb. 4 bis 6).<br />

Im Gegensatz zu den hier gezeigten Hilfsmitteln<br />

zur Verbesserung der Sicht wird der<br />

Einsatz von akustischen <strong>und</strong>/oder optischen<br />

Warnsignalen in diesem Zusammenhang<br />

kritisch <strong>gesehen</strong>. Gründe hierfür sind:<br />

• Wenn mehrere Maschinen mit derartigen<br />

Systemen auf einer Baustelle arbeiten,<br />

sind die Beschäftigten einem z.T. dauernden<br />

zusätzlichen Geräuschpegel ausgesetzt.<br />

• Eine Lokalisierung einer sich annähernden<br />

Maschine wird hierdurch erschwert.<br />

• Bei den im Bereich derartiger Systeme<br />

arbeitenden Beschäftigten tritt ein Gewöhnungseffekt<br />

auf.<br />

• Besondere Gefährdungen entstehen,<br />

wenn gleichzeitig Maschinen/Fahrzeuge<br />

ohne derartige Systeme auf der Baustelle<br />

zum Einsatz kommen.<br />

• Der Fahrer verlässt sich darauf, dass die<br />

Beschäftigten im Umfeld der Maschine<br />

auf das Warnsignal reagieren.<br />

• Es entsteht für die Anwohner eine zusätzliche<br />

Lärmbelästigung. Beschweren sich<br />

die Anwohner, kann dies insbesondere<br />

auf innerstädtischen Baustellen zu Baustops<br />

führen.<br />

Aus den vorgenannten Gründen sind derartige<br />

Systeme auch nicht in der DIN EN<br />

474 vor<strong>gesehen</strong>.<br />

Gr<strong>und</strong>satz Nr. 2:<br />

Baustellenorganisation verbessern!<br />

Abb. 7:<br />

Blick vom Fahrerplatz<br />

eines Baggers<br />

nach hinten –<br />

das hohe nachträglich<br />

montierte<br />

Kontergewicht<br />

versperrt die Sicht<br />

Wenn verhindert <strong>werden</strong> soll, dass Personen<br />

von Erdbaumaschinen überfahren <strong>werden</strong>,<br />

weil sie sich, z.T. plötzlich <strong>und</strong> für den Maschinenführer<br />

unerwartet, in den Gefahrbereich<br />

der Maschine begeben, dann müssen<br />

neben einer technischen Verbesserung<br />

des Sichtfeldes unbedingt weitere Maßnahmen<br />

ergriffen <strong>werden</strong>. Die Verbesserung betrieblicher<br />

Organisation ist hier der nächste<br />

Ansatzpunkt, um Gefährdungen durch<br />

Sichteinschränkungen beim Betrieb von<br />

Erdbaumaschinen zu reduzieren.<br />

Betriebliche Maßnahmen ergeben sich aus<br />

den örtlichen <strong>und</strong> betrieblichen Gegebenheiten<br />

der Baustelle oder des Betriebsgeländes,<br />

auf welchem die Maschinen eingesetzt<br />

<strong>werden</strong>. Wichtige betriebliche Maßnahmen<br />

sind z.B.:<br />

• Auswirkung von Umbauten auf<br />

Sichtverhältnisse prüfen!<br />

Gelegentlich kommt es vor, dass im Erdbau<br />

Maschinen für besondere Einsätze<br />

modifiziert <strong>werden</strong>. Bei diesen Umbauten<br />

ist zu prüfen, ob bzw. wie sich diese<br />

auf das Sichtfeld des Fahrers auswirken<br />

(Abb. 7 <strong>und</strong> 8).<br />

• Tragen von Warnwesten als<br />

ergänzende Schutzmaßnahme<br />

Im Gegensatz zu vielen unserer europäischen<br />

Nachbarn erfreut sich das Tragen<br />

554 TIEFBAU 9/2008


Abb. 8: Nachträglich montierte Werkzeugkiste<br />

schränkt Blickfeld des Fahrers ein<br />

Abb. 9: Warnwesten als ergänzende Maßnahme; der Maschinenführer<br />

kann „Bodenpersonal“ besser <strong>und</strong> frühzeitiger erkennen<br />

von Warnwesten in Deutschland keiner<br />

großen Beliebtheit. Ein Gr<strong>und</strong> hierfür ist<br />

nicht erkennbar. Fakt ist: Mit Warnwesten<br />

ausgerüstetes Bodenpersonal ist wesentlich<br />

besser <strong>und</strong> frühzeitiger zu erkennen<br />

(Abb. 9). Deshalb wird auf Baustellen,<br />

auf denen Erdbaumaschinen eingesetzt<br />

<strong>werden</strong>, die Sicherheit des Bodenpersonals<br />

durch das Tragen von Warnwesten<br />

erhöht. Die Ausstattung aller Mitarbeiter<br />

mit Warnwesten in Verbindung mit<br />

einer betrieblichen Vereinbarung <strong>und</strong><br />

Unterweisung zur Tragepflicht reduziert<br />

das Risiko, vom Maschinenführer übersehen<br />

zu <strong>werden</strong>. Das Tragen von Warnwesten<br />

alleine kann aber technische oder<br />

organisatorische Maßnahmen nicht ersetzen.<br />

• Arbeiten im Gefahrbereich<br />

vermeiden!<br />

Das ist der wichtigste Hinweis an denjenigen,<br />

der die Arbeiten auf der Baustelle<br />

organisiert <strong>und</strong> koordiniert. Auch wenn<br />

dieses Ziel nicht in allen Fällen realisiert<br />

<strong>werden</strong> kann, sollte zunächst immer vorrangig<br />

versucht <strong>werden</strong>, die Arbeit so zu<br />

organisieren, dass sich möglichst niemand<br />

verfahrensbedingt im Gefahrbereich<br />

aufhalten muss (Abb. 10). Beispiel<br />

für eine kritische Frage: „Muss wirklich<br />

dicht hinter der Planierraupe zeitgleich<br />

ein Beschäftigter mit einer Rüttelplatte<br />

arbeiten?<br />

Abb. 10:<br />

Baustelle so organisieren, dass<br />

Arbeiten im Gefahrbereich vermieden <strong>werden</strong><br />

Weitere wichtige betriebliche Maßnahmen<br />

können z.B. sein:<br />

• Vermeiden von Rückwärtsfahrten durch<br />

Einbahnstraßenverkehr,<br />

• Zwangsführung des Fußgängerverkehrs<br />

auf dem Firmengelände durch Trennung<br />

von Fuß- <strong>und</strong> Fahrwegen,<br />

• Montage von Spiegeln auf dem Werksgelände<br />

an unübersichtlichen Stellen,<br />

• Anbringung von Gefahrzeichen an unübersichtlichen<br />

Stellen,<br />

• Geschwindigkeitsbegrenzungen,<br />

• Einsetzen von Begleitperson/en (Einweiser)<br />

bei kurzfristigen Tätigkeiten,<br />

• Einbeziehung der Fahrer bei Auswahl <strong>und</strong><br />

Kauf von neuen Maschinen bzw. von<br />

Zusatzausrüstungen für die im Betrieb<br />

eingesetzten Maschinen.<br />

Gr<strong>und</strong>satz Nr. 3:<br />

Sichere Arbeitsweisen anwenden!<br />

Abb. 11:<br />

Blickkontakt mit<br />

Maschinenführer<br />

aufnehmen!<br />

Viele Gefahrsituationen, die unter ungünstigen<br />

Randbedingungen zu Unfällen führen<br />

können, sind aus der Auswertung der<br />

Unfallereignisse der letzten Jahre sowie aus<br />

zahlreichen Befragungen von Maschinenführern<br />

bekannt. Auf der Basis dieser Informationen<br />

lassen sich kurze, einprägsame<br />

Tipps für Maschinenführer <strong>und</strong> Baustellenverantwortliche<br />

zusammenstellen, die wiederum<br />

im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen<br />

den Maschinenführern vermittelt<br />

<strong>werden</strong> können.<br />

Die 7 wichtigsten Tipps für den sicheren<br />

Betrieb von Erdbaumaschinen sind:<br />

• Blickkontakt suchen!<br />

Bevor Bodenpersonal in den Gefahrbereich<br />

von Erd- bzw. Spezialtiefbaumaschinen<br />

tritt, muss vorher immer erst Kontakt<br />

mit dem Fahrer aufgenommen <strong>werden</strong>.<br />

Erfahrungsgemäß hat sich der Blickkontakt<br />

in Verbindung mit kurzen, eindeutigen<br />

Handzeichen bewährt (Abb. 11).<br />

• Erst gucken, dann fahren/schwenken!<br />

Der Maschinenführer kann nicht ständig<br />

die 360°-Umgebung seiner Maschine<br />

im Blick haben, während er mit dieser<br />

Maschine Arbeiten durchführt <strong>und</strong> z.B.<br />

mit einem Bagger einen Lkw belädt<br />

(Abb. 12). In diesem Moment ist er<br />

darauf konzentriert, das aufzuladende<br />

Material aufzunehmen <strong>und</strong> auf die Ladefläche<br />

des Lkw abzukippen. Sobald er<br />

aber, für einen Außenstehenden in der<br />

Regel unvorhersehbar, seinen Arbeitstakt<br />

ändert, muss er gucken, ob sich Personen<br />

in der geplanten Schwenk- oder Fahrtrichtung<br />

aufhalten.<br />

TIEFBAU 9/2008<br />

555


Abb. 12:<br />

Besondere<br />

Gefahrbereiche<br />

am Bagger<br />

• Lasten außerhalb des Fahrwegs<br />

im Blickfeld des Fahrers führen!<br />

Eine große Zahl von Unfällen ereignet<br />

sich, weil Personen beim Führen von<br />

Lasten in geringem Abstand vor der Maschine<br />

hergehen, möglicherweise auch<br />

noch außerhalb des Sichtfeldes des Fahrers.<br />

Stolpern sie oder bleiben sie unvermittelt<br />

stehen, hat der Fahrer in der Regel<br />

keine Möglichkeit mehr, die Maschine<br />

rechtzeitig anzuhalten. Diese Unfallart<br />

lässt sich weitestgehend verhindern, wenn<br />

folgende Punkte berücksichtigt <strong>werden</strong>:<br />

– Begleitpersonen beim Führen der Last<br />

<strong>und</strong> Anschläger dürfen sich nur im<br />

Sichtbereich des Maschinenführers<br />

aufhalten,<br />

– nicht auf dem Fahrweg zwischen Maschine<br />

<strong>und</strong> Last aufhalten,<br />

– Fahrweg muss ausreichend breit sein,<br />

– Lasten möglichst nahe über dem<br />

Boden führen <strong>und</strong> ihr Pendeln vermeiden,<br />

– Erdbaumaschinen mit angeschlagener<br />

Last nur bei ausreichend eingeebneten<br />

Fahrweg verfahren (Abb. 13).<br />

• Spiegel in Ordnung halten!<br />

Die besten technischen Hilfsmittel zum<br />

Ausgleichen von Sichteinschränkungen<br />

Abb. 14:<br />

Gut gewarteter <strong>und</strong><br />

gut eingestellter<br />

Panoramaspiegel<br />

nützen nichts, wenn sie nicht in Ordnung<br />

gehalten <strong>werden</strong> (Abb. 14).<br />

• Material nicht<br />

auf dem Unterwagen lagern!<br />

Abb. 13:<br />

Führen der Last außerhalb des<br />

Fahrwegs im Blickfeld des Fahrers<br />

Abb. 15:<br />

Bodenpersonal greift<br />

nach Material<br />

Abb. 16:<br />

Quetschstelle<br />

an einer Ramme<br />

Sicherheitsabstand<br />

groß<br />

genug?<br />

genug<br />

Platz?<br />

Einige Fahrer von Baggern haben sich<br />

angewöhnt, auf dem Unterwagen Werkzeuge<br />

oder Ketten bzw. Seile zu lagern.<br />

Benötigen im Umfeld des Baggers arbeitende<br />

Beschäftigte dieses Material, besteht<br />

die Gefahr, dass sie spontan <strong>und</strong><br />

vom Maschinisten unbemerkt an den<br />

Bagger herantreten, um es zu holen<br />

(Abb. 15 <strong>und</strong> 16). Mehrere schwere<br />

Unfälle ließen sich auf diese Ursache<br />

zurückführen. Eine Materiallagerung auf<br />

dem Unterwagen sollte daher gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

vermieden <strong>werden</strong>.<br />

• Baumaschine im Blickfeld behalten!<br />

Lässt sich im Einzelfall das zeitgleiche<br />

Arbeiten hintereinander nicht vermeiden,<br />

muss das Bodenpersonal die Arbeit so<br />

durchführen, dass die Baumaschine<br />

immer im Blickfeld bleibt. Werden z.B.,<br />

wie in Abbildung 17 dargestellt, Verdichtungsarbeiten<br />

hinter einer Baumaschine<br />

durchgeführt, so sollte zusätzlich<br />

die Rüttelplatte immer so geführt<br />

<strong>werden</strong>, dass sie sich zwischen der Baumaschine<br />

<strong>und</strong> dem Bediener der Rüttelplatte<br />

befindet.<br />

• Quetschstellen vermeiden!<br />

Fahrer von Erdbaumaschinen müssen<br />

darauf achten, sich mit ihrer Maschine<br />

möglichst so hinzustellen, dass<br />

beim Schwenken des Baggers keine<br />

Quetschstellen zwischen Maschine <strong>und</strong><br />

festen Teilen der Umgebung entstehen<br />

(Abb. 18).<br />

556 TIEFBAU 9/2008


Abb. 17:<br />

Baumaschine im Blickfeld<br />

behalten!<br />

Abb. 18:<br />

Quetschstelle am<br />

Baggerheck<br />

Sicherheitsabstand groß genug?<br />

Gr<strong>und</strong>satz Nr. 4:<br />

Bodenpersonal <strong>und</strong><br />

Maschinenbediener<br />

qualifizieren <strong>und</strong> trainieren!<br />

In einigen Ländern, wie z.B. in Schweden,<br />

ist es Pflicht, Maschinenführer zu schulen,<br />

bevor sie mit Erdbaumaschinen arbeiten<br />

dürfen. Diese Schulungen sind z.T. umfangreich<br />

<strong>und</strong> können bis zu 6 Wochen dauern.<br />

In anderen Ländern, wie z.B. in Deutschland,<br />

besteht eine allgemein formulierte<br />

Verpflichtung des Unternehmers, seine Beschäftigten<br />

im Umgang mit Erdbaumaschinen<br />

zu unterweisen. Hierüber muss ein<br />

Nachweis vorliegen. Einen vorgeschriebenen<br />

zeitlichen oder inhaltlichen Umfang für<br />

diese Unterweisung gibt es nicht.<br />

Ungeachtet unterschiedlicher nationaler<br />

Anforderungen an die Qualifikation von<br />

Maschinenführern sollten die oben beschriebenen<br />

sicheren Arbeitsverfahren vermittelt<br />

<strong>und</strong> trainiert <strong>werden</strong>. Zielgruppe<br />

sind sowohl die Maschinenführer als auch<br />

das im Umfeld von Erdbaumaschinen arbeitende<br />

Bodenpersonal.<br />

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie<br />

<strong>und</strong> der Zentralverband Deutsches<br />

Baugewerbe haben inzwischen zusammen<br />

mit der BG BAU eine praktische <strong>und</strong> theoretische<br />

Prüfung für Maschinenführer entwickelt.<br />

Diese Prüfung ist freiwillig. Der<br />

Umfang von möglichen Schulungsmaßnahmen<br />

zum Erreichen des Prüfungsniveaus ist<br />

nicht vorgeschrieben. Diese freiwillige Prüfung<br />

wird voraussichtlich ab Ende 2008 angeboten.<br />

Hinsichtlich der Beauftragung von<br />

Maschinenführern empfiehlt die BG BAU,<br />

Maschinenführer einzusetzen, welche diese<br />

praktische <strong>und</strong> theoretische Prüfung zum<br />

„Geprüften Bagger- <strong>und</strong> Laderfahrer“ bei<br />

einer vom Hauptverband der Deutschen<br />

Bauindustrie <strong>und</strong> vom Zentralverband<br />

Deutsches Baugewerbe zugelassenen Prüfungsstätte<br />

erfolgreich absolviert haben.<br />

Trotz der im Laufe der letzten Jahre verbesserten<br />

<strong>und</strong> übersichtlicheren Konstruktion<br />

von Erdbaumaschinen kommt es nach wie<br />

vor immer wieder zu Unfällen, die auf<br />

Sichteinschränkungen zurückzuführen sind.<br />

Durch Technische Maßnahmen allein können<br />

die Gefährdungen durch Sichteinschränkungen<br />

nicht genügend reduziert<br />

<strong>werden</strong>. Zusätzlich müssen Aspekte wie die<br />

Planung <strong>und</strong> Umsetzung von sicheren Baustellenabläufen,<br />

Training <strong>und</strong> Anwendung<br />

sicherer Arbeitsweisen sowie der Einsatz<br />

von qualifizierten <strong>und</strong> speziell zum Thema<br />

Sicht unterwiesenen Maschinenführern<br />

berücksichtigt <strong>werden</strong>. Die beschriebenen<br />

„4 Gr<strong>und</strong>sätze zur Vermeidung von Unfällen<br />

durch Sichteinschränkungen“ sollen den<br />

Betreibern von Erdbaumaschinen helfen,<br />

die wichtigsten Maßnahmen auf seinen<br />

Baustellen sowie in seinem Betrieb umzusetzen.<br />

Die „7 Tipps für den sicheren Betrieb<br />

von Erdbaumaschinen“ können als Unterweisungsgr<strong>und</strong>lage<br />

speziell für Maschinenführer<br />

<strong>und</strong> „Bodenpersonal“ verwendet<br />

<strong>werden</strong>.<br />

Literatur<br />

Arbeitsschutzgesetz<br />

Betriebssicherheitsverordnung<br />

Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS)<br />

2111 – Teil 1 Mechanische Gefährdungen – Allgemeine<br />

Anforderungen<br />

TRBS 2111 – Teil 4 Mechanische Gefährdungen –<br />

Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen durch<br />

mobile Arbeitsmittel<br />

BG Regel „Betreiben von Erdbaumaschinen“ (Kap.<br />

2.12 der BGR 500)<br />

DIN EN 474:2007 „Erdbaumaschinen – Sicherheit“<br />

ISO 5006:2006 “Earth-moving machinery – Operator’s<br />

field of view – Test method and performance<br />

criteria”<br />

Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung (LASI-<br />

Veröffentlichung LV 35/2006)<br />

Autor:<br />

BG BAU Prävention <strong>und</strong> Obmann des Sachgebietes 1<br />

„Erdbau“ im Fachausschuss Tiefbau<br />

Zusammenfassung<br />

Aktuelle<br />

Informationen<br />

zur<br />

Erdbaumaschinentechnik<br />

auf<br />

Seite 576 bis 581<br />

TIEFBAU 9/2008<br />

557

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!