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Der Einfluss von Höflichkeit auf die mittelalterliche Briefkunst

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Authentizität durch Variation<br />

zugleich als richterliche Autorität, welche <strong>die</strong> journalistische Befragung in dem<br />

vorliegenden juristischen Handlungskontext überhaupt erst ermöglicht. Dabei<br />

<strong>die</strong>nt <strong>die</strong> wörtliche Rede, <strong>die</strong> keine Abweichungen <strong>von</strong> der Standardnorm <strong>auf</strong>weist,<br />

in <strong>die</strong>sem Fall nicht dazu, subjektive Glaubwürdigkeit zu vermitteln.<br />

Vielmehr geht es dem Autor darum, <strong>die</strong> Befragung als polizeiliche Beweis<strong>auf</strong>nahme<br />

zu stilisieren und deren juristischen Gehalt zu dokumentieren. Dementsprechend<br />

wird <strong>die</strong> Authentizität der mündlichen (Zeugen-)Aussagen nicht durch<br />

Variationen in der Redewiedergabe signalisiert, sondern stattdessen mit Hilfe<br />

zahlreicher Beglaubigungsformeln beteuert (Kött 2004, 144-152).<br />

4. Fazit<br />

Anhand der vorliegenden Beispiele aus der französischen Presse konnte gezeigt<br />

werden, dass Texte der Sorte Interview und Reportage, obwohl sie insgesamt<br />

distanzsprachlich konzipiert sind und sich am geschriebenen Standard orientieren,<br />

durchaus Formen sprachlicher Variation <strong>auf</strong>weisen. Indem der Reporter Elemente<br />

spontaner Mündlichkeit sowie fremd- oder fachsprachliche Ausdrücke gezielt in<br />

seine Schilderung einstreut und <strong>die</strong>se als «O-Töne» vom Schauplatz des<br />

Geschehens kennzeichnet, beglaubigt er seine persönliche Anwesenheit vor Ort.<br />

In gleicher Weise be<strong>die</strong>nt sich der Interviewer <strong>die</strong>ser sprachlichen «Abweichungen»,<br />

um <strong>die</strong> Ausdrucksweise seines Gesprächspartners zu charakterisieren<br />

und zugleich einen subjektiven Eindruck <strong>von</strong> der ursprünglichen Gesprächssituation<br />

zu vermitteln. Zudem haben <strong>die</strong> Textbeispiele aus der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts verdeutlicht, dass sich bereits zu jener Zeit, da sich Interview und<br />

Reportage als journalistische Texttraditionen herauszubilden begannen, zumindest<br />

Spuren sprachlicher Variation in <strong>die</strong>sen Texten finden lassen.<br />

Dabei handelt es sich auch insofern um Spuren, als sie <strong>von</strong> den Verfassern<br />

gezielt gelegt werden, um beim Leser den Eindruck sprachlicher Unmittelbarkeit<br />

zu erwecken und <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit der transportierten Information zu unterstreichen.<br />

Dass sich <strong>die</strong>se Abweichungen <strong>von</strong> der Standardnorm, deren Status<br />

innerhalb des französischen Varietätengefüges im Einzelfall genau zu prüfen ist,<br />

lediglich in homöopathischer Dosis in den untersuchten Pressetexten finden<br />

lassen, hat im Wesentlichen drei Gründe. So stößt das journalistische Streben nach<br />

unmittelbarer Authentizität zunächst <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Schwierigkeit einer adäquaten<br />

Transkription gesprochener Sprache und sprachlicher Varietäten in schriftlich<br />

realisierten Texten. Zudem stellt <strong>die</strong> Aufzeichnung des gesprochenen Wortes ein<br />

grundsätzliches Problem des Mediums Presse dar. <strong>Der</strong> Reporter des 19. und<br />

frühen 20. Jahrhunderts, dem noch keine elektronischen Hilfsmittel zur Verfügung<br />

standen, musste sich hierbei allein <strong>auf</strong> sein Gedächtnis und seinen Notizblock<br />

verlassen. Doch auch in der modernen Praxis wird das gesprochene Wort in<br />

einen schriftlichen Text transformiert und somit in jedem Fall nachbearbeitet, so<br />

dass <strong>die</strong> in Pressetexten vermittelte spontane Mündlichkeit letztlich immer eine<br />

«simulierte» ist. Vor allem aber steht dem Authentizitätspostulat der journalis-<br />

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