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Die japanische Umweltbewegung und internationale ...

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56 Japan aktuell 5/2006<br />

Im Fokus<br />

Einmischung unerwünscht? <strong>Die</strong> <strong>japanische</strong><br />

<strong>Umweltbewegung</strong> <strong>und</strong> <strong>internationale</strong><br />

Umweltschutzorganisationen<br />

Güde Thomas<br />

No Interfering Please? Japan’s Environmental<br />

Movement and International Environment Protection<br />

Organisations<br />

Abstract<br />

On the occasion of the 58th International Whaling Commission (IWC) annual meeting<br />

in St. Kitts and Nevis, 2006, this paper analyses the Japanese environmental movement<br />

with regard to Japan’s whaling policy. Compared to other industrialised nations, Japan’s<br />

generally weak ecology movement enjoys little support from the Japanese public. Thus,<br />

environmentalists have seldomly achieved reso<strong>und</strong>ing success, which in turn leads to<br />

environmental organisations being active mostly on local levels, targeting limited neighbourhood<br />

goals. This general societal setup, combined with an unfavourable political<br />

framework, has proved to be detrimental to international organisations such as Greenpeace.<br />

Their failure is, however, not only due to their roots outside Japan, but is caused mainly<br />

by their wholistic international approach which dilates the mere classic protection of the<br />

environment to a political ecology.<br />

Keywords: Japan’s environmental movement, Greenpeace, International Whaling Commission<br />

(IWC), Japan’s whaling policy<br />

Einleitung<br />

Der Ausgang der 58. Tagung der Internationalen Walfang-Kommission (IWC),<br />

vom 16. bis zum 20. Juni 2006 im Inselstaat St. Kitts and Nevis zu Gast, zieht<br />

kein Mehr an Walschutz nach sich. Nachdem anfänglich unerwartete Niederlagen


<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 57<br />

für die Walfangnationen den Verlauf der Konferenz geprägt hatten, sorgte die<br />

Verabschiedung der „St. Kitts and Nevis Declaration“ für Entrüstung von Seiten<br />

<strong>internationale</strong>r Umweltschutzorganisationen; im Zuge der Proteste wurden Mitglieder<br />

der Organisation Greenpeace festgenommen. <strong>Die</strong> Erklärung von St. Kitts<br />

and Nevis wurde vor allem von <strong>japanische</strong>r Seite forciert. Sie stellt das seit dem<br />

Jahr 1986 bestehende Walfangmoratorium 1 als überholt <strong>und</strong> überflüssig dar, da<br />

sich die Walbestände nachhaltig erholt hätten <strong>und</strong> daher ungefährdet seien (vgl.<br />

J.a. 4/2006: 141). Zwar ist das Moratorium damit nicht abgeschafft, die Erklärung<br />

schafft jedoch eine Argumentationsgr<strong>und</strong>lage für die Rückkehr zum kommerziellen<br />

Walfang <strong>und</strong> bedeutet letztlich, dass zukünftig kein wissenschaftlicher<br />

Deckmantel mehr für die Legitimation der Jagd auf Wale notwendig sein wird,<br />

unter dem Japan das Moratorium zu umgehen versucht.<br />

Auch in Japan sind Walfanggegner aktiv. Neben <strong>japanische</strong>n Bewegungen wie<br />

dem Iruka (Dolphin) & Kujira (Whale) Action Network existieren Zweigstellen<br />

von international anerkannten <strong>und</strong> einflussreichen Organisationen wie Greenpeace<br />

<strong>und</strong> dem Worldwide F<strong>und</strong> for Nature (WWF), die seit Jahren zum Schutz der<br />

Wale aufrufen. Bisher konnten sie ihr Ziel, die Haltung der <strong>japanische</strong>n Regierung<br />

zu verändern, jedoch nicht erreichen. Darüber hinaus lässt sich für Greenpeace im<br />

Gegensatz zu anderen Ländern generell nur spärlicher Rückhalt in der <strong>japanische</strong>n<br />

Bevölkerung feststellen.<br />

<strong>Die</strong>ser Umstand soll zum Anlass genommen werden, mögliche Gründe für<br />

den mangelnden Erfolg der Walfanggegner in Japan darzustellen. Im Anschluss an<br />

einen Überblick über die <strong>japanische</strong> Haltung zum Walfang beschäftigt sich der<br />

vorliegende Beitrag mit der Organisationsstruktur <strong>und</strong> Arbeitsweise von Greenpeace,<br />

die in den Kontext der <strong>japanische</strong>n <strong>Umweltbewegung</strong> eingeordnet werden.<br />

Im vorliegenden Beitrag wird argumentiert, dass in Japan die rechtlichen <strong>und</strong><br />

politischen Rahmenbedingungen insgesamt für die Arbeit von Greenpeace vergleichsweise<br />

nachteilig sind. Das Haupthindernis stellen jedoch die gr<strong>und</strong>legenden<br />

Differenzen zu Strukturen <strong>und</strong> Aktivitätsformen lokaler <strong>Umweltbewegung</strong>en dar.<br />

Es wird gezeigt, dass die Kombination dieser Faktoren zu einer verschwindend<br />

geringen öffentlichen Unterstützung für Aktivitäten von Greenpeace Japan führt<br />

<strong>und</strong> die Schlagkraft der Organisation so entscheidend schwächt.<br />

1 Mit dem Moratorium ächtete die IWC 1982 den Walfang zu kommerziellen Zwecken <strong>und</strong> gestattete<br />

die Jagd auf Wale nur zu wissenschaftlichen Forschungszwecken oder solchen indigenen Völkern,<br />

für deren Kultur die Waljagd ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Im Jahr 1986 trat das Moratorium<br />

in Kraft, es wurde 1990 verlängert <strong>und</strong> gilt bis heute.


58 Güde Thomas<br />

Japanischer Walfang<br />

Bei der diesjährigen Konferenz der IWC gelang es der <strong>japanische</strong>n Delegation<br />

zwar nicht, das Walfangmoratorium außer Kraft zu setzen, die geheime Wahl als<br />

zukünftigen Abstimmungsmodus durchzusetzen oder das Thema Artenschutz<br />

von Riesenschildkröten <strong>und</strong> Kleinwalgattungen wie Delphinen von der Agenda<br />

zu streichen. <strong>Die</strong> mit 33 zu 32 Stimmen knappe Annahme der „St. Kitts and Nevis<br />

Declaration“ stellte für die <strong>japanische</strong> Seite jedoch einen beträchtlichen Erfolg<br />

dar (vgl. J.a. 4/2006: 141). Angesichts der Tatsache, dass <strong>japanische</strong> Walfänger in<br />

jüngster Vergangenheit zu so genannten „wissenschaftlichen Zwecken“ jedes Jahr<br />

mehr Tiere erlegt haben als in den 31 Jahren vor dem Moratorium zusammen, wird<br />

diese Abschlusserklärung zwar in der Praxis keine wesentlichen Veränderungen im<br />

Verhalten <strong>und</strong> in den Ansichten der <strong>japanische</strong>n Regierung zum Thema Walfang<br />

nach sich ziehen. Ihre symbolische Bedeutung ist dagegen nicht zu unterschätzen,<br />

stellt doch die St. Kitts Declaration den ersten Abstimmungssieg Japans seit dem<br />

Inkrafttreten des Walfangmoratoriums 1986 dar.<br />

Der <strong>japanische</strong>n Regierung bläst dabei auf politischem Parkett in punkto<br />

Artenschutz heftiger <strong>internationale</strong>r Gegenwind ins Gesicht: So überbrachte der<br />

brasilianische Botschafter im Januar eine Demarche 2 , in der die <strong>japanische</strong> Regierung<br />

aufgefordert wurde, die tödliche Waljagd zu wissenschaftlichen Zwecken<br />

endgültig einzustellen (defra 2006). Auch der ökonomische Sinn des Walfangs<br />

wird bezweifelt. In Japan besteht – entgegen der Behauptung, Walfang <strong>und</strong> der<br />

Verzehr von Walfleisch seien eine erhaltenswerte ur<strong>japanische</strong> Tradition – keine<br />

nennenswerte Nachfrage nach Walfleisch; die <strong>japanische</strong> Walfangflotte muss von<br />

der Regierung subventioniert werden (JT, 28.6., 3.7.06). Mit Ausnahme weniger<br />

als Delikatessen angesehener Teile des Wals stapeln sich in <strong>japanische</strong>n Kühlhäusern<br />

derzeit 4.800 Tonnen Walfleisch (J.a., 4/2006: 142). Darüber hinaus zeigen<br />

Umfragen, dass nur vier Prozent der Japaner regelmäßig Walfleisch essen, jedoch<br />

nicht öfter als ein Mal im Monat. Eine überwältigende Mehrheit der Japaner hat<br />

noch nie oder nicht mehr seit ihrer Kindheit Walfleisch gegessen (siehe detaillierter<br />

Sakuma 2006: 4). <strong>Die</strong>s bezieht sich vermutlich auf die in den 1950er Jahren von<br />

der Regierung verfolgte Politik von Walfleisch als Schulspeisung, die in den letzten<br />

Jahren eine Renaissance erlebt (Sakuma 2006: 4). Doch in Japan selbst regt sich<br />

kaum nennenswerter Protest gegen den von der Regierung geförderten, wissen-<br />

2 Unterzeichner waren daneben das Vereinigte Königreich, Australien, Deutschland <strong>und</strong> Frankreich<br />

sowie zwölf weitere Staaten (defra 2006).


<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 59<br />

schaftlich verbrämten Walfang, der sich selbst auf Arten erstreckt, die unmittelbar<br />

vom Aussterben bedroht sind.<br />

Auch mit dem Walfang in Zusammenhang stehende Konzerne erleben auf ihrem<br />

Heimatmarkt keinerlei Protest. Auf <strong>internationale</strong>n Druck hingegen reagieren<br />

sie durchaus empfindlich. Ein Beispiel hierfür ist der <strong>japanische</strong> Lebensmittelgigant<br />

Nissui mit seinen Tochtergesellschaften, zu denen mit Gorton’s in den USA <strong>und</strong><br />

Sealord in Neuseeland zwei der weltweit größten Seafood-Konzerne zählen. Auch<br />

in Europa ist mit JP Klausen eine Nissui-Tochter Lieferant für Nestlé, Unilever<br />

oder Heinz. Anfang des Jahres machte die Umweltschutzorganisation Greenpeace<br />

in einer global angelegten Kampagne darauf aufmerksam, dass Nissui mit knapp<br />

einem Drittel an Kyodo Senpaku, dem Betreiber der <strong>japanische</strong>n Walfangflotte,<br />

beteiligt war. Im Januar kündigte – nach Aussage von Greenpeace aufgr<strong>und</strong> der<br />

Kampagne – die argentinische Firma Pesquera Santa Elena ihre Lieferverträge<br />

mit Nissui (Greenpeace 2006a), wenige Wochen später stieß Nissui seine Anteile<br />

an Kyodo Senpaku vollständig ab. Übernommen haben die Aktien unter<br />

anderem das <strong>japanische</strong> Institute of Cetacean Research, das vom <strong>japanische</strong>n Fischereiministerium<br />

kofinanziert wird. Es vergibt die Walfangaufträge zu angeblich<br />

wissenschaftlichen Zwecken an Kyodo Senpaku – sogar für das Walschutzgebiet<br />

in der Antarktis (Greenpeace 2006b).<br />

Greenpeace: International ein Riese, in Japan ein<br />

Zwerg<br />

Struktur <strong>und</strong> Arbeitsweise von Greenpeace<br />

<strong>Die</strong> im Januar von Greenpeace initiierte Kampagne nutzte vor allem dem so<br />

genannten Cyber-Aktivismus, der es Umweltschutz-Sympathisanten über das<br />

Internet <strong>und</strong> E-Mail-Protest-Aktionen ermöglicht, mit geringem Aufwand wirkungsvoll<br />

Druck auf Unternehmen oder Regierungsstellen auszuüben. In diesem<br />

Fall gingen insgesamt r<strong>und</strong> 100.000 E-Mails bei mit Nissui vernetzten Unternehmen<br />

ein (Greenpeace 2006b).<br />

In jüngster Zeit setzt die im Jahr 1971 in Vancouver gegründete <strong>internationale</strong><br />

Umweltschutzorganisation verstärkt auf das Internet <strong>und</strong> ist so in der Lage, ihre<br />

traditionelle weltweite Vernetzung weiter auszubauen <strong>und</strong> zu beschleunigen:<br />

Greenpeace ist mittlerweile in 41 Ländern der Welt präsent <strong>und</strong> wird von ca. 2,7<br />

Mio. Menschen unterstützt (Greenpeace 2005: 3). Unter dem Dach von Greenpe-


60 Güde Thomas<br />

ace International mit Sitz in Amsterdam arbeiten 27 Länder- <strong>und</strong> Regionalbüros<br />

(z.B. Greenpeace Southeast Asia oder Asia-Pacific) sowie die wissenschaftliche<br />

Abteilung zu verschiedenen Themenbereichen, deren Anzahl sich seit dem anfänglichen<br />

Protest gegen Atomtests der US-Regierung vervielfacht hat. Der Fokus<br />

liegt bei Greenpeace eindeutig auf globalem Umweltschutz in verschiedenster<br />

Ausprägung. Greenpeace selbst stellt sich wie folgt dar:<br />

„ We campaign to stop climate change, defend our oceans, protect ancient<br />

forests, demand peace and disarmament, say no to genetic engineering, eliminate<br />

toxic chemicals, end the nuclear age, encourage sustainable trade.“ (Greenpeace<br />

2006c)<br />

Einige der Aufgabenfelder lassen sich hier unter dem Stichwort ‘Erhaltung der<br />

Artenvielfalt’ zusammenfassen <strong>und</strong> fallen wie auch die Arbeit gegen Kernkraft<br />

<strong>und</strong> Giftstoffe in den klassischen Bereich von <strong>Umweltbewegung</strong>en, während Gentechnik<br />

oder die Verknüpfung von nachhaltigem Welthandel <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

neuere Entwicklungen auf der Greenpeace-Agenda darstellen. In Verbindung mit<br />

der Größe der Organisation <strong>und</strong> der weltweiten Vernetzung von Mitarbeitern<br />

<strong>und</strong> Aktivitäten zeichnet Greenpeace vor allem der Ansatz aus, Umweltschutz<br />

nicht nur auf lokaler Ebene zu betreiben, sondern darüber hinaus auch mit Themenkomplexen<br />

zu verknüpfen, die erst auf den zweiten Blick mit den eigentlichen<br />

Zielen konvergieren. Deutlich wird dies auch am Namen, dessen zwei Bestandteile<br />

seit Bestehen der Organisation Programm sind.<br />

Neben den aus den Medien bekannten Aktionen setzt die Organisation politischen<br />

Lobbyismus sowie wissenschaftliche Recherchen ein, um ihre Ziele zu<br />

erreichen. Das F<strong>und</strong>ament der Greenpeace-Arbeit stellt die Aufklärungs- <strong>und</strong> Informationsarbeit<br />

dar, um politische Forderungen durch öffentliche Unterstützung<br />

abzusichern. Sie erfolgt vielfach durch Ehrenamtliche <strong>und</strong> wird von den einzelnen<br />

Länderbüros koordiniert, denen daneben die thematischen Tätigkeiten wie die<br />

Vorbereitung von Kampagnen <strong>und</strong> das Verfolgen der politischen Ziele obliegen.<br />

Greenpeace Japan<br />

Das Beispiel Nissui zeigt, dass <strong>und</strong> wie Greenpeace International mit dem Thema<br />

Walfang <strong>und</strong> Artenschutz weltweit eine große Anhängerschaft erreichen <strong>und</strong><br />

mobilisieren kann. Der <strong>japanische</strong> Zweig hingegen, Greenpeace Japan, ist weit<br />

weniger erfolgreich: Das im Jahr 1989 eröffnete Büro in Tokio ist mit 15 Mitarbei-


<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 61<br />

tern eines der kleinsten, <strong>und</strong> sowohl in Bezug auf die Mitgliederzahlen (d.h. bei<br />

Greenpeace regelmäßige finanzielle Förderer) als auch bei den Einnahmen kann<br />

es sich mit anderen Länderbüros nicht messen. Beispielsweise konnte Greenpeace<br />

Deutschland am 1. Januar 2004 über 530.000 Fördermitgliedschaften verzeichnen;<br />

die entsprechende Zahl für Japan mit seinen etwa 126 Mio. Einwohnern lag jedoch<br />

bei nicht einmal einem Prozent der deutschen Zahl (4.500 Förderer). Ein weiterer<br />

Unterschied zwischen Japan <strong>und</strong> Deutschland besteht darin, dass in Japan so gut<br />

wie keine „volunteers“ Zeit für Greenpeace aufbringen, während hierzulande fast<br />

2.000 Ehrenamtliche in über 80 Gruppen aktiv sind (Greenpeace Deutschland<br />

2003; Foljanty-Jost 2005: 107).<br />

Thematisch hat sich Greenpeace Japan im Umweltschutz lange auf die Kernbereiche<br />

Urwald- <strong>und</strong> Meeresschutz, Umweltgifte <strong>und</strong> Atomenergie beschränkt;<br />

erst seit dem letzten Jahr sind auch Klimawandel <strong>und</strong> Corporate Social Responsibility<br />

auf der Agenda zu finden. <strong>Die</strong>s sind deutlich weniger Problemfelder, als<br />

beispielsweise das deutsche Büro bearbeitet, in dessen Aufgabenportfolio seit langem<br />

auch Gentechnik <strong>und</strong> Landwirtschaft, Umwelt <strong>und</strong> Wirtschaft, Patente auf<br />

Leben, erneuerbare Energien <strong>und</strong> Öl verzeichnet sind. Gegen Krieg arbeiten beide<br />

Länderbüros gleichermaßen. So nahm Greenpeace Japan beispielsweise unter<br />

dem Motto „No more Hiroshima Nagasaki“ 2005 am Friedensmarsch zum 60.<br />

Jahrestag der Atombombenabwürfe teil (Greenpeace Japan).<br />

Ansonsten verfolgt Greenpeace Japan im Wesentlichen die international erarbeiteten<br />

Kampagnen <strong>und</strong> entwickelt weniger eigene Schwerpunkte. Der jüngste<br />

Erfolg von Greenpeace Japan besteht in dem Versprechen der Asahi-Brauerei,<br />

zukünftig nur noch recyclebare oder rückgabefähige Plastikflaschen zu verwenden<br />

(Greenpeace 2005: 17).<br />

Faktoren für Erfolg oder Misserfolg der Arbeit von Greenpeace<br />

Japan<br />

<strong>Die</strong> in Deutschland erfolgreichen Greenpeace-Strategien (aktive <strong>und</strong> medienwirksame<br />

Konfrontation von Umweltsündern, politische Lobbyarbeit, Recherche <strong>und</strong><br />

Entwicklung von umweltfre<strong>und</strong>lichen Geräten wie Kühlschränken oder Drucktechniken)<br />

scheinen in Japan nicht zu wirken. Ein wirklicher Rückhalt in der<br />

Bevölkerung lässt sich weder aus der Spendensumme noch aus ehrenamtlicher<br />

Unterstützung ableiten, da beide Zahlen besonders im <strong>internationale</strong>n Vergleich<br />

äußerst gering sind.


62 Güde Thomas<br />

<strong>Die</strong>ser Umstand kann einerseits mit der Themenauswahl von Greenpeace<br />

begründet werden: Vor allem das Thema Walschutz ist umstritten, <strong>und</strong> Japan<br />

wird in Zahl <strong>und</strong> Leistung der Atomkraftwerke nur von den USA <strong>und</strong> Frankreich<br />

übertroffen. Bis in die späten 1990er Jahre, als eine Reihe von Störfällen 3 die<br />

Sicherheit der <strong>japanische</strong>n AKWs in Frage stellte, gab es keine erwähnenswerte<br />

Antiatombewegung in Japan. Zwar hat sich dieser Umstand radikal gewandelt,<br />

<strong>und</strong> es stehen mittlerweile deutlich mehr Japaner der Kernkraft ablehnend gegenüber<br />

als Bürger in vergleichbaren Industrienationen. Während der Gründungs<strong>und</strong><br />

Wachstumsjahre von Greenpeace garantierte dieses ureigene Thema der Organisation<br />

jedoch keine Unterstützung von Seiten der <strong>japanische</strong>n Bevölkerung.<br />

Selbst heute ist es eher die Unzufriedenheit mit der Krisenpolitik von Bürokratie<br />

<strong>und</strong> Politik, die <strong>japanische</strong> Antiatomkraftproteste auszeichnet (Vosse 2002: 6f.).<br />

Auch gesetzliche Rahmenbedingungen stehen oder standen einem Erfolg<br />

von Greenpeace in Japan im Wege: Gesetzliche Regelungen behinderten die<br />

offizielle Anerkennung für Non-profit-organisations (NPO) über Jahrzehnte <strong>und</strong><br />

wurden erst im Jahr 1998 mit dem NPO-Gesetz reformiert. Zudem senkt die<br />

steuerliche Nichtabsetzbarkeit von Spenden die Spendenbereitschaft <strong>und</strong> schränkt<br />

so die finanziellen Möglichkeiten für NPOs ein (Foljanty-Jost 2005: 112 f). Des<br />

Weiteren nimmt das Energy Conservation Law 4 Greenpeace die Vorreiterstellung<br />

als Mitentwickler von umweltfre<strong>und</strong>lichen Geräten <strong>und</strong> Technologien, wie sie<br />

es weltweit z.B. mit dem ozon- <strong>und</strong> klimafre<strong>und</strong>lichen Kühlschrank Greenfreeze,<br />

in Deutschland mit dem 3-Liter-Twingo SmILE oder dem Drucken auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier einnehmen kann.<br />

Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen spielen auch politische Verhältnisse<br />

wie Entscheidungswege <strong>und</strong> Möglichkeiten der politischen Beteiligung in<br />

diesem Zusammenhang eine Rolle: Das vielzitierte „Eiserne Dreieck“ aus LDP, Bürokratie<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftsverbänden lässt auch im Bereich des Umweltschutzes in<br />

Japan weniger Menschen aktiv werden als in anderen Industriestaaten. Gleichzeitig<br />

sind überproportional viele Bürger davon überzeugt, ihre eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

seien hoch. <strong>Die</strong>se Überzeugung begründet sich im Wesentlichen in<br />

der engen Bindung von Abgeordneten an ihren Wahlkreis, die Wähler vor allem<br />

3 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Unfälle im so genannten Schnellen Brüter in Monjû<br />

im Dezember 1995 <strong>und</strong> in Tokaimura im September 1999 von Bedeutung.<br />

4 Im Jahr1979 verabschiedet, legt das in diesem Gesetz verankerte so genannte frontrunner-System<br />

fest, dass innerhalb bestimmter Fristen alle Geräte einer Art den gleichen Energieverbrauch wie das<br />

effizienteste unter ihnen erreichen müssen. Andernfalls werden sie vom Markt genommen.


<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 63<br />

auf diesem Wege des persönlichen Kontakts ihre Anliegen verfolgen lässt (Vosse<br />

2002: 17).<br />

<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan<br />

Allgemeines<br />

In Japan sind vor allem seit den 1990er Jahren H<strong>und</strong>erttausende Bürger im Umweltschutz<br />

engagiert <strong>und</strong> mehr als 80% der Bevölkerung an Fragen der Umwelt<br />

interessiert. Umfrageergebnisse des International Social Survey Program (ISSP)<br />

im Jahr 2000 zeigten auch, dass das Bewusstsein dafür, dass der moderne westliche<br />

Lebensstil umweltschädigend sei, in Japan stärker ausgeprägt ist als in Deutschland.<br />

Ferner befürwortete in der Umfrage ein Drittel der <strong>japanische</strong>n Befragten<br />

höhere Steuern zu Umweltschutzzwecken trotz politischer <strong>und</strong> ökonomischer<br />

Bedenken. <strong>Die</strong>s war die höchste Zustimmungsrate in allen teilnehmenden Staaten<br />

<strong>und</strong> doppelt so hoch wie in Deutschland. (Vosse 2002: 3).<br />

An generell mangelndem Umweltbewusstsein oder dem Willen zum Umweltschutz<br />

kann der im Verhältnis zu anderen Ländern deutliche Misserfolg von Greenpeace<br />

Japan also nicht liegen, <strong>und</strong> gesetzliche Vorschriften gelten für alle. Auch<br />

die Ansässigkeit einer Umweltschutzorganisation scheint nicht zwingendermaßen<br />

Ursache von Erfolg oder Misserfolg zu sein: <strong>Die</strong> <strong>japanische</strong>n Mitgliederzahlen<br />

des WWF (ca. 35.000), der genauso im Ausland gegründet wurde <strong>und</strong> Greenpeace<br />

darüber hinaus in seiner globalen Ausrichtung teilweise ähnelt, widerlegen dieses<br />

Argument eindeutig (WWF 2005: 16).<br />

Prinzipiell lässt sich festhalten, dass sich die Struktur <strong>und</strong> die Arbeitsweise<br />

von <strong>japanische</strong>n <strong>Umweltbewegung</strong>en gr<strong>und</strong>legend von denen der deutschen Bewegungen<br />

unterscheiden. Genau jene elementaren Bestandteile von Greenpeace<br />

<strong>und</strong> seiner Politik, die diese Institution des Umweltschutzes von anderen wie<br />

beispielsweise dem WWF abheben, scheinen nicht in die nachfolgend geschilderte<br />

<strong>japanische</strong> Umgebung zu „passen“.<br />

Charakteristika der <strong>japanische</strong>n <strong>Umweltbewegung</strong><br />

Japan liegt bei der Zahl der Mitglieder in Umweltschutzverbänden am unteren<br />

Ende der Industriestaatenskala. Nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung setzen<br />

regelmäßig formell organisiert ihre Freizeit für die Umwelt ein (Vosse 2002:<br />

15). In Japan schlägt sich das ausgeprägte Interesse an der Umwelt stattdessen


64 Güde Thomas<br />

vor allem in Aktivitäten nieder, die sich sowohl thematisch als auch örtlich mit<br />

naheliegenden, meist einfachen Problemen beschäftigen: Müll sammeln, aufräumen<br />

oder Baumpatenschaften übernehmen (Vosse 2002: 14 f.). Hier ist der vom<br />

Einzelnen geforderte Aufwand gering, <strong>und</strong> es besteht keine Hemmschwelle, wie<br />

sie ein formeller Beitritt zu einer Umweltschutzorganisation darstellt. Außerdem<br />

motiviert der unmittelbare Erfolg in der eigenen Umgebung, der auch die<br />

persönliche Lebensqualität hebt.<br />

Auch die überwiegende Mehrheit der in Japan aktiven Umweltverbände verfolgt<br />

ähnliche Ziele mit ähnlichen Mitteln: Meist findet sich auf ihrer Agenda ein<br />

einziges Anliegen oder aber ein derart weit gefasstes Betätigungsfeld wie „saubere<br />

Umwelt“ im Allgemeinen. Letzteres wird meist in Form direkter Aktionen zum<br />

Schutz oder zur Säuberung der Natur in der Umgebung oder aber durch Aufklärung<br />

<strong>und</strong> Information betrieben, um das Problembewusstsein innerhalb der<br />

Nachbarschaft zu erhöhen. In der Regel sind solche Verbände auch nur lokal aktiv<br />

<strong>und</strong> rekrutieren ihre in der Regel ehrenamtlichen Mitglieder aus bestehenden<br />

Gemeindeverbänden (Vosse 2000: 183). <strong>Die</strong> Umfrage des Cabinet Office vom<br />

September 2005 bestätigt diese Tatsache: Demnach wollen fast zwei Drittel der Befragten<br />

Umweltschutzmaßnahmen mit Bezug zu ihrem täglichen Leben mittragen,<br />

weitere 20% würden sich in städtischen Umweltschutzprojekten engagieren. Zur<br />

finanziellen Beteiligung erklärten sich hingegen nur 11,8% der Befragten bereit<br />

(Cabinet Office 2005).<br />

Zudem unterscheidet sich auch die Mitgliederstruktur <strong>japanische</strong>r Umweltschutzvereinigungen<br />

deutlich von denen anderer Länder. Während Umweltorganisationen<br />

in anderen Ländern ein Abbild der Bevölkerungsstruktur darstellen,<br />

engagieren sich in Japan im wesentlichen ältere Menschen, während jüngere Bevölkerungsgruppen<br />

unterrepräsentiert sind (Vosse 2002: 15). Dabei stellen vor<br />

allem Frauen die Mitglieder von Umweltschutzorganisationen. Häufig handelt es<br />

sich um Hausfrauen, deren Ehemänner noch ihrem Beruf nachgehen <strong>und</strong> deren<br />

Kinder das Haus bereits verlassen haben <strong>und</strong> die ihre freie Zeit dem Umweltschutz<br />

widmen. Möglicherweise liegt hierin ein Gr<strong>und</strong> dafür, dass konfrontative <strong>und</strong><br />

radikale Aktionen nur wenig Unterstützung erfahren.<br />

Zum Teil erklärt dieser Umstand auch die oben bereits erwähnte Besonderheit<br />

der <strong>japanische</strong>n <strong>Umweltbewegung</strong>: Sie ist im Vergleich zu anderen Staaten ausgeprägt<br />

örtlich begrenzt aktiv, es existieren nur wenige auf nationaler Ebene aktive<br />

Organisationen. <strong>Die</strong>se sind zudem oft Ableger <strong>internationale</strong>r Organisationen<br />

(Greenpeace, WWF, Friends of the Earth), wiederum mit deutlich weniger Mitglie-


<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 65<br />

dern, Mitarbeitern <strong>und</strong> Spendeneinnahmen als in anderen Ländern (Foljanty-Jost<br />

2005: 107).<br />

Im Gegensatz zu Entwicklungen in anderen Industrienationen ist aus der<br />

<strong>japanische</strong>n <strong>Umweltbewegung</strong> bisher zudem keine auf nationaler Ebene aktive<br />

<strong>und</strong> erfolgreiche grüne Partei hervorgegangen. Vor allem in Westeuropa wurde der<br />

reine Umweltschutz schon früh zu einer politischen Ökologie erweitert, die neben<br />

der Bewahrung einer intakten Lebensumwelt auch Elemente wie Pazifismus oder<br />

egalitäre, partizipatorische Basisdemokratie besonders im Hinblick auf Geschlechtergleichheit<br />

umfasst <strong>und</strong> deren Anliegen darüber hinaus ständig erweitert werden<br />

(Lam 1999: 1 f). Zwar erzielen auch in anderen Ländern grüne Parteien vor allem<br />

auf nationaler Ebene keine Mehrheiten <strong>und</strong> müssen häufig um den Einzug in die<br />

jeweiligen Parlamente bangen, jedoch gewinnen als grün anzusehende Parteien<br />

in Japan sogar im Verhältnis dazu außergewöhnlich wenig Stimmen. Auch das<br />

Network Movement (NET) als erfolgreichste grüne Bewegung in der <strong>japanische</strong>n<br />

Politik ist nur auf lokaler <strong>und</strong> regionaler Ebene aktiv. <strong>Die</strong>ser Umstand ist insofern<br />

besonders verw<strong>und</strong>erlich, als die nationalen Wahlen bis zur Reform 1996 nicht<br />

in Form eines first-pass-the-post-Systems abgehalten wurden, das Gründung <strong>und</strong><br />

Wachstum kleiner Parteien behindert hätte (Lam 1999: 7 f.).<br />

Auswirkungen der lokalen Verortung <strong>japanische</strong>r<br />

<strong>Umweltbewegung</strong>en<br />

Nationale Umweltorganisationen sehen sich in Japan Schwierigkeiten gegenüber,<br />

die sich vor allem auf einen Mangel an Ressourcen zurückführen lassen. <strong>Die</strong><br />

<strong>internationale</strong>n Umweltschutzgrößen sind nicht durch Ehrenamtliche in der Bevölkerung<br />

verwurzelt, sondern operieren ausschließlich von ihren Büros in Tokyo<br />

aus. Geringe Mitgliederzahlen führen zu weniger Einkünften, weniger Mitarbeitern<br />

<strong>und</strong> einer entsprechend ungünstigen Ausgangslage im Hinblick auf Erlangung<br />

<strong>und</strong> Verbreitung von Expertise. Geringe fachliche Kenntnisse bei den meisten<br />

Mitgliedern führen wiederum dazu, dass nur 29% der <strong>japanische</strong>n Bevölkerung<br />

den Informationen von Umweltschutzorganisationen vertraut (Vosse 2002: 11)<br />

<strong>und</strong> sich nur 15% bei ihnen über Umweltprobleme informieren (Cabinet Office<br />

2005). Zum Vergleich: Deutsche Umweltschutzorganisationen, die sich über einen<br />

langen Zeitraum hinweg als unabhängige, kritische <strong>und</strong> kompetente Institutionen<br />

dargestellt haben, erreichen den Vergleichswert von 40% Vertrauen. <strong>Die</strong>ses<br />

mangelnde Vertrauen erklärt ebenfalls die geringe Unterstützung der <strong>japanische</strong>n


66 Güde Thomas<br />

Bevölkerung. Ein weiterer Gr<strong>und</strong> hierfür dürfte auch in wenig sichtbaren Erfolgen<br />

<strong>japanische</strong>r Umweltschützer liegen (Vosse 2002: 11).<br />

Unter diesen Umständen verw<strong>und</strong>ert es nicht, dass <strong>japanische</strong> <strong>Umweltbewegung</strong>en<br />

im Gegensatz zu ihren deutschen Schwestern nicht oder kaum in die<br />

nationale Gesetzgebung oder Strategieentwicklung involviert sind: Vor allem<br />

Greenpeace ist z. B. in Deutschland prominentes Mitglied des „environmental<br />

policy network“, hat jedoch in Japan keine politische Lobby (Foljanty-Jost 2005:<br />

107, 109).<br />

Allerdings leiden nicht nur <strong>japanische</strong> Umwelt-NGOs unter verbesserungsbedürftiger<br />

materieller Ausstattung. Ihre Gegenstücke beispielsweise in Deutschland<br />

kompensieren diesen Umstand durch gegenseitigen Informationsaustausch <strong>und</strong><br />

themenbezogene Kooperation mit anderen Umweltverbänden oder regierungsunabhängigen,<br />

umweltbezogenen Forschungsinstituten. 5 SiekönnensoRessourcen<br />

bündeln <strong>und</strong> größere öffentliche Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Unterstützung erzielen.<br />

Auch die Vorteile des Internets zur effektiveren Kooperation werden von deutschen<br />

Umweltorganisationen häufiger genutzt als in Japan, wo eine derartige<br />

Vernetzung bisher selten ist (Foljanty-Jost 2005: 110 f). Besonders Greenpeace<br />

Japan hängt in deutlichem Gegensatz zum deutschen Büro sowohl finanziell als<br />

auch in Bezug auf Austausch von Informationen ausschließlich am Tropf der<br />

<strong>internationale</strong>n Mutterorganisation, da sie andere <strong>japanische</strong> Umwelt-NGOs als<br />

zu verschieden von sich selbst empfindet, um mit ihnen zu kooperieren. Eine<br />

prokooperative Einstellung findet sich nur bei denjenigen <strong>japanische</strong>n NGOs,<br />

deren Schwerpunkte eindeutig auf dem klassischen Naturschutz liegen: der <strong>japanische</strong><br />

Zweig des WWF sowie die Wildbird Society of Japan <strong>und</strong> die Nihon Shizen<br />

Hogo-kai (Foljanty-Jost 2005: 110). <strong>Die</strong>s sind genau diejenigen unter den national<br />

aktiven Organisationen, deren Ziele wesentlich weniger radikal erscheinen <strong>und</strong><br />

deren Wirkungsfeld vollständig, zumindest aber teilweise wie beim WWF in Japan<br />

liegt. Zudem decken sie sich mit den Anliegen eines Großteils der fragmentierten<br />

<strong>japanische</strong>n <strong>Umweltbewegung</strong>en, die in der überwältigenden Mehrzahl um die<br />

Erhaltung lokaler Natur besorgt sind.<br />

5 So haben etwa BUND <strong>und</strong> Greenpeace gemeinsam mit Attac <strong>und</strong> in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung<br />

<strong>und</strong> dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt <strong>und</strong> Energie bereits zweimal<br />

den Kongress „McPlanet.com“ ausgerichtet, der übergreifende Fragen zu den Themenkomplexen<br />

Konsum, Globalisierung <strong>und</strong> Umwelt behandelt. Ein anderes Beispiel ist die „Initiative 2000 plus“,<br />

in der ein Netzwerk aus NGOs, verschiedenen Regierungsstellen <strong>und</strong> Verbraucherzentralen die<br />

Nutzung von Recyclingpapier propagiert.


<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 67<br />

Fazit<br />

In Japan existiert ein ausgeprägtes Interesse an Umweltbelangen. <strong>Die</strong>s bezeugen<br />

seit Jahren Umfragen wie die der Asahi Shimbun aus dem Jahr 1997, die ISSP 2000<br />

oder die des Cabinet Office vom September 2005. <strong>Die</strong> Befragten äußerten sich<br />

sogar sehr besorgt über den Zustand der Umwelt, möchten Japan eine führende<br />

Rolle im Kampf für den Umweltschutz zuweisen <strong>und</strong> sind bereit, zusätzliche<br />

Besteuerung <strong>und</strong> tiefgreifende Einschnitte in Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialsystemen<br />

mitzutragen (Asahi Shimbun 1997). Aus heutiger Sicht bestätigt das Beispiel Japan<br />

jedoch die These, dass eine prinzipiell vorhandene Besorgnis über den Zustand<br />

der Umwelt nicht zwangsläufig zu mehr Zulauf für Umweltschutzorganisationen<br />

führt. Vor allem, wenn wirkungsvoller Umweltschutz tatsächlich Einschnitte<br />

in das Wirtschaftssystem erfordert oder konkrete Maßnahmen sich kurzfristig<br />

negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken, sinkt auch bei prinzipiell<br />

vorhandenem Umweltbewusstsein die Bereitschaft, sich unter allen Umständen<br />

für den Erhalt einer intakten Umwelt einzusetzen (Vosse 2002: 4).<br />

<strong>Die</strong> <strong>japanische</strong> Bevölkerung scheint bereit, sich aktiv zu engagieren, sofern<br />

es sich um verhältnismäßig harmlose oder einfach zu erreichende Ziele in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft mit direkt erkennbarem Nutzen handelt. Auch eine<br />

Besteuerung für die Umwelt wird positiv gesehen, ist sie doch ein bequemer Weg,<br />

seiner Verantwortung für die Umwelt gerecht zu werden, ohne den persönlichen<br />

Lebensstil verändern zu müssen. Eine politische Ökologie, wie sie sich in anderen<br />

Industriestaaten auch in grünen Parteien etabliert hat, trifft dagegen auf wenig<br />

Gegenliebe. Gleiches scheint auch für eine Umweltschutzorganisation wie Greenpeace<br />

zu gelten, die auf teils konfrontativem Weg Umweltschutz im Wesentlichen<br />

für das Ausland propagiert, darüber hinaus eine Umstellung des Lebensstils <strong>und</strong><br />

der Wirtschaftsorganisation fordert <strong>und</strong> in dieser Zielsetzung die Definition von<br />

Umweltschutz deutlich erweitert. Da Greenpeace als international agierende Organisation<br />

mit millionenfacher Unterstützung aller Voraussicht nach weder ihre<br />

Zielrichtung noch ihre international bewährten Aktionsformen verändern wird,<br />

besteht in naher Zukunft wenig Aussicht auf mehr Erfolg in Japan. Hierfür müssten<br />

sich zuerst die Landschaft <strong>und</strong> Arbeitsweise der <strong>japanische</strong>n Umwelt-NGOs<br />

gr<strong>und</strong>legend verändern.


68 Güde Thomas<br />

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2003.pdf (Zugriff am 23. August 2006)<br />

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<strong>Umweltbewegung</strong>en in Japan 69<br />

Vosse, Wilhelm (2000), The domestic environmental movement in contemporary Japan: structure,<br />

activities, problems, and its significance for the broadening of political participation,<br />

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Vosse, Wilhelm (2002), „Japan – A Disaffected Democracy? On Political Trust, Political<br />

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Wieczorek (Hrsg.), Japan 2001/2002. Politik <strong>und</strong> Wirtschaft, Hamburg: Institut für<br />

Asienk<strong>und</strong>e, 2002<br />

WWF Japan (2005), WWF Japan Annual Report 2005. Online: http://www.wwf.or.jp/<br />

aboutwwf/japan/report/annual/report2005.pdf (Zugriff am 22. August 2006)

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