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Kurs 7.6: Überall ist Mittelalter - Werner Knoben

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<strong>Kurs</strong> <strong>7.6</strong> – »<strong>Überall</strong> <strong>ist</strong> <strong>Mittelalter</strong>« Akademie Roßleben 2006-7<br />

4.3.3 Die Frau in der Kirche<br />

Frauen, die ihr Leben Gott weihen oder in einer ge<strong>ist</strong>lichen Gemeinschaft versorgt sein wollten, konnten sich<br />

z.B. einem Bettelorden anschließen oder in einen Beginenkonvent eintreten. In einem solchen Konvent schlossen<br />

sich me<strong>ist</strong> allein stehende begüterte Frauen und Witwen zusammen. Die Beginen stellten allerdings keinen<br />

Orden dar, sondern legten nur ein Gelübde auf Zeit ab. Im Gegensatz zu Ordensschwestern war es ihnen erlaubt,<br />

aus der Gemeinschaft auszutreten und ihr Vermögen mitzunehmen um z.B. wieder zu heiraten.<br />

4.3.4 Die höfische Dame<br />

»Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so hat es, nächst der Majestät Gottes, niemals etwas so Begnadetes<br />

gegeben wie die Frau und ihre Art. Diesen Ruhm hat Gott ihr verliehen, dass man sie als den höchsten Wert<br />

auf Erden ansehen und immer preisen soll« 31 .<br />

In der Lyrik und Epik des Hochmitelalters erschien ein neues Frauenbild,<br />

das erstaunlich positiv wirkt und die Vorzüge der Frau betont.<br />

Gegen die eingewurzelten Vorstellungen von der Minderwertigkeit<br />

und Schlechtigkeit des weiblichen Geschlechts setzten die höfischen<br />

Dichter ein neues Bild der Vollkommenheit und Schönheit. Doch verehrt<br />

wurde nicht das Individuum der Frau, sondern ein Schönheitsdeal,<br />

das allgemein gültig war: das blond gelockte Haar, die wie ein Pinselstrich<br />

gezogenen Brauen, die strahlenden Augen, der rote Mund<br />

und die weißen Zähne. Oswald von Wolkenstein, einer der bedeutendsten<br />

mittelalterlichen Minnesänger, brachte das weibliche Ideal<br />

und die ihm geltende Verehrung auf den Punkt:<br />

»Fröhlich, zärtlich, anmutig und hell, / lustvoll, still und sanft, / ruhig,<br />

süß, rein, gemächlich: / so wache auf, du liebliche, schöne Frau! /<br />

Reck und streck dich, schmücke deinen zarten, herrlichen Leib! / Öffne<br />

deine strahlenden, hellen Äuglein! / Nimm heimlich wahr, / wie die<br />

Sternenweide zergeht / im Glanz der schönen, heiteren, klaren Sonne!<br />

/ Wohlauf zum Tanz! / Laß uns einen schönen Kranz machen,<br />

/ schimmernd von honigfarbnen, braunen, blauen, grauen, / gelben,<br />

roten, weißen, veilchenfarbenen Blümlein!« 32<br />

Als Lichtgestalt der Minne erfüllte die Frau aber auch eine wichtige<br />

gesellschaftliche und soziale Funktion für den Mann: Durch die Verehrung<br />

einer nie Erreichbaren sollte der Ritter reifen und die ritterlichen<br />

Ideale wie Zurückhaltung (»mâze«) und Demut erlernen: »Dass<br />

Ritter ritterlich leben, das haben sie von den Damen.« 33<br />

Abb. 6.7: die Hebamme<br />

Wie schon angedeutet, spiegelte diese Verehrung aber eher ein fiktives Ideal der Dichter als die Wirklichkeit<br />

der höfischen Dame. Nur als keusche Jungfrau war sie Gegenstand der Minne, in ihrer Körperlichkeit dagegen<br />

wurde sie verdächtigt, den sündhaften Begierden des Fleisches leichter zu erliegen als der Mann 34 . Wolfram<br />

von Eschenbach schreibt in seinem »Parzival«: »Es stimmt mich traurig, dass so viele »Frau« genannt werden.<br />

Sie haben alle eine hohe Stimme. Aber viele überlassen sich der Falschheit, wenige sind frei von Falsch« 35 .<br />

Auch für die fast uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Mannes über seine Frau gibt es in der höfischen<br />

Epik Beispiele: »Was immer mein Gefährte mir antut, ich dulde es von Rechts wegen. Ob er mich zur Frau,<br />

zum Knecht oder wozu immer haben will, ich bin ihm in allem Untertan« 36 .<br />

Die Aufgabe, die der adlige Mann der Frau zuwies, war zume<strong>ist</strong> die Repräsentation seiner gesellschaftlichen<br />

Position. Sie sollte festlich geschmückt der Zierde des Mannes dienen, bei besonderen Anlässen die Gäste<br />

unterhalten und für den perfekten Ablauf des Festes sorgen.<br />

31 »[So]l ich der warheit iehen, so wart nie, nach der gotes kraft, nicht dinges so gnadehaft so vrowen lip mit ir leben. die ere hat in<br />

got gegeben, daz man si uf der erde zu dem ho(e)hsten werde erkennen sol mit eren und ir lop immer meren«, zitiert nach: Bumke,<br />

Höfische Kultur, S. 451.<br />

32 »Frölich, zärtlich, lieplich und klärlich, / lustlich, stille, leise, / in senfter, süesser, keuscher, sainer weise / wach, du minnikliches, schönes<br />

weib, / reck, streck, preis dein zarten, stolzen leib! / Sleuss auff dein vil liechte euglin klar! / taugenlich nim war, / wie sich verschart<br />

der sterne gart / in der schönen, haitern, klaren sunnen glanz! / wolauff zue dem tanz! / machen ainen schönen kranz / von schaunen,<br />

praunen, plawen, grawen, / gel, rot, weiss, viol plüemlin spranz«, zitiert nach: www.deutsche-liebeslyrik.de.<br />

33 »[Da]z Ritter Ritterlich lebent, daz hant si von den vrowen«, zitiert nach: Bumke, Höfische Kultur, S. 453.<br />

34 Vgl. Bumke, Höfische Kultur, S. 454.<br />

35 Wolfram v. Eschenbach, Parzival, 116, 5–9, zitiert nach: Bumke, Höfische Kultur, S. 461.<br />

36 Hartmann von Aue, Erec 6521-24, zitiert nach: Bumke, Höfische Kultur, S. 466.<br />

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