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5.3 Theoriebildende Konzepte 5.3.1 Konzept der ...

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legitimer Rückzug sein, es kann aber auch gereizt reagieren: z. B. dann, wenn ein<br />

Patient sehr deutlich zum Ausdruck bringt, dass er das professionelle Interesse <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter reichlich überflüssig findet, dass er froh ist, eine Zeitlang versorgt zu<br />

werden, und sich ansonsten auf sein Bett legt, seine Kopfhörer aufsetzt und Radio<br />

hört. Für mich tauchte in diesem Zusammenhang die Frage danach auf, unter<br />

welchen biographischen Voraussetzungen Personen dahin kommen können, das<br />

psychiatrische "Versorgungssystem" auf diese Weise zu nutzen, und welche<br />

Relevanz die Psychiatrie im Rahmen ihrer Subsistenzstrategien erhält“. (Riemann<br />

1987, 33)<br />

Beispiel 2:<br />

„Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die Datenerhebung als abgeschlossen betrachtet und<br />

keine neuen Interviews mehr geplant, als in <strong>der</strong> Beschäftigung mit einer ganzen<br />

Reihe von Transkriptionen immer häufiger die Frage nach <strong>der</strong> alltäglichen und<br />

biographischen Relevanz von psychiatrischer Technologie (Psychopharmaka)<br />

auftauchte. Es erschien mir lohnend, ein weiteres Interview durchzuführen, von dem<br />

ich annehmen konnte, dass dieses Thema eine zentrale Rolle spielen würde. Ich<br />

hatte längere Zeit vorher einen Mann interviewt, dessen Lebensgeschichte mich vor<br />

allem deshalb beeindruckt hatte, weil er schon als Kind Psychopharmaka erhalten<br />

hatte und sich in seiner Familie - etwas vereinfacht gesprochen -alles um die<br />

Tabletten zu drehen schien. Ich rief ihn wie<strong>der</strong> an, wir vereinbarten einen Termin und<br />

trafen uns bald darauf. Er erzählte mir erst, wie es ihm in <strong>der</strong> Zwischenzeit ergangen<br />

war, und anschließend stellte ich einige deskriptive und narrative - Nachfragen - vor<br />

allem auch zur Bedeutung <strong>der</strong> Psychopharmaka in seiner Biographie und in seinem<br />

Alltag. Dies führte zu neuen Einsichten - z.B. zu Auswirkungen von regelmäßigen<br />

Depotspritzen auf den Lebensrhythmus - und zu weiteren Fragestellungen, unter<br />

denen schon - zuvor analysiertes Datenmaterial erneut bearbeitet werden konnte.“<br />

(Riemann 1987, 36)<br />

Sicherlich ist bei Glaser und Strauss gemeint, dass aus den feldspezifischen<br />

Daten auch eine feldspezifische Theorie entwickelt werden kann und soll. Ich<br />

denke, es muss aber nicht prinzipiell ausgeschlossen sein, dass die Ausarbeitung<br />

einer gegenstandsbezogenen Theorie sich auch dadurch auszeichnet, dass auf<br />

vorhandene Theoriekorpora zurückgegriffen wird. Wichtig ist dabei nur, dass ein<br />

subsumtionslogisches Verfahren vermieden wird. Das bedeutet, dass erhobene<br />

Daten unter eine Theorie untergeordnet werden und ausschließlich aus dem<br />

Blickwinkel dieser Theorie gesehen und ausgelegt werden. Der<br />

Forschungsprozess ist beendet, wenn eine hinreichende empirische, deskriptive<br />

und theoretische Sättigung erreicht ist. Das bedeutet, die Frage, ob weitere Fälle<br />

und/o<strong>der</strong> Untersuchungsgruppen einbezogen werden sollen, entscheidet sich am<br />

Stand <strong>der</strong> sich aus den Daten und <strong>der</strong> Untersuchung entwickelnden Theorie.<br />

Sandra Tiefel<br />

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