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Anduin 98

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ANDUIN <strong>98</strong><br />

Inhalt<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

E N D Z E I T<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Anduin</strong><br />

Fanzine für phantastische Spiele<br />

Chefredakteurin<br />

F.Schmutzler<br />

Stellv. Chefredakteur<br />

T.Heinig<br />

Anschrift<br />

<strong>Anduin</strong><br />

Stuckstraße 6<br />

82319 Starnberg<br />

leserbriefe@anduin.de<br />

www.anduin.de<br />

Fleißige Helfer<br />

Autoren<br />

B. Heck, K.-H. Zapf, T. Heinig, T.<br />

Looschelders, B. Jaud, L.-H. Schilling,<br />

J. Lohr, K. Fitzek, F. Schmutzler, K.<br />

Prost, A. Schnell, D. H.<br />

Titelbild<br />

Patrick Soeder<br />

Zeichner<br />

J. Lange, C. Schlicht, I. Kutsch, D. H.<br />

Lektorat<br />

T. Looschelders, A. Schnell<br />

Hinweise<br />

Die Artikel in dieser Ausgabe stellen<br />

die Meinung der einzelnen Autoren dar<br />

und müssen nicht mit der Meinung der<br />

Redaktion übereinstimmen. Die Redaktion<br />

distanziert sich von Internetseiten<br />

mit verfassungswidrigen, radikalen oder<br />

pornographischen Inhalten. Die meisten in<br />

dieser Ausgabe genannten Produkte sind<br />

Warenzeichen ihrer jeweiligen Hersteller.<br />

Die Verwendung von geschützten Warenzeichen<br />

stellt keine Copyrightverletzung<br />

seitens der Redaktion dar, auch wenn diese<br />

ohne Kennzeichnung genannt werden.<br />

Nachdruck oder Wiederveröffentlichung<br />

(digital oder analog) – auch auszugsweise<br />

– nur mit schriftlicher Genehmigung der<br />

Redaktion. Ausdruck und Weitergabe für<br />

private Zwecke ausdrücklich erwünscht<br />

und erlaubt. Die Redaktion behält sich das<br />

Recht vor, eingesandte Artikel zu kürzen<br />

oder zu ändern. Die Rechte der eingesandten<br />

Artikel und Zeichnungen verbleiben<br />

beim Urheber. Die Redaktion der <strong>Anduin</strong><br />

erhält die Erlaubnis, die Werke im Rahmen<br />

des Fanprojekts <strong>Anduin</strong> zu veröffentlichen.<br />

Für unaufgefordert eingesandte<br />

Artikel kann keine Haftung übernommen<br />

werden.<br />

INHALT<br />

Abenteuer<br />

4 Operation Rio Tinto †<br />

Einstiegs-Abenteuer für das Endzeit-System Heredium. Die Gruppe wird von der Rio<br />

Tinto Group angeheuert und reist in die Uranmine Ranger mitten ins Outback, um dort<br />

die Überfalle der Ghostwalker auf die Mine endlich zu stoppen - und gerät dabei immer<br />

tiefer in die Verstrickungen um die Mine.<br />

17 Die Oase von Shadrya<br />

Nelvis, der Alwissende, ist tot! Er war ein gütiger, besonnener Herrscher, der Shadrya zu<br />

viel Wohlstand brachte. Seit kurzem herrscht sein Sohn Uztem über die Stadt, die<br />

mitten im Umbruch ist. Es droht Chaos, denn neuerdings wurden auch noch Gerüchte<br />

laut, es gäbe einen bedrohlichen Wassergeist in der Oase.<br />

24 Eden Metropolis †<br />

Im Jahre 2365 leben die Menschen nach einer grossen Katastrophe in einer postatomaren<br />

mittelalterlichen Gesellschaft. Der Rat wacht streng über die Einhaltung der<br />

Gesetze. Doch der Status Quo ist bedroht..<br />

35 Das Dorf Schnutenbach<br />

Eine Dorfbeschreibung für das Warhammer Fantasy Rollenspiel<br />

57 Holidays in Sunny Valley †<br />

Eine Kanutour wird zum Alptraum, denn die Sterne stehen richtig und die Apokalypse<br />

bricht über die beschauliche Welt von Sunny Valley herein<br />

Lesen & Spielen<br />

12 Systemvorstellung: Heredium † 31 Liverollenspielecke †<br />

Die Welt nach dem Mondfall<br />

Liverollenspiel nach Degenesis<br />

14 Nach dem Ende † 33 Instant - Abenteuer †<br />

Postapokalyptische Settings<br />

Eine Welt ohne Internet<br />

21 Systemvorstellung Fallout † 56 NSC-Ecke<br />

Postnukleare Computerspielreihe<br />

Charaktere für eure Spielrunden<br />

Kurzgeschichten & Comics<br />

27 Die Prinzessin im Rubin 66 Diener<br />

55 Letzten Samstag 68 Ritter und Magier<br />

Rezensionen<br />

69 Fanzines 75 Android<br />

70 Spielleiten 76 Formula D<br />

71 Schattenjäger † 78 Fury of Dracula<br />

73 Heredium † 79 Le Havre<br />

† = Artikel zum Schwerpunktthema<br />

Seite 2<br />

Mai 2009


DIE DRITTE SEITE<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Die dritte Seite<br />

VORWORT<br />

So, das ist sie nun also: Die erste <strong>Anduin</strong><br />

unter neuer Leitung.<br />

Vielleicht sollte ich mich noch einmal vorstellen<br />

für die, die mich noch nicht kennen.<br />

Mein Name ist Friederike (oder auch Niniane<br />

im Forum), ich bin 29 Jahre alt und spiele<br />

seit 2002 regelmässig Rollenspiele. Mein Einstiegssystem<br />

war ADND 2nd Edition, aber inzwischen<br />

habe ich eine ganze Menge ausprobiert:<br />

Shadowrun in der 3. Edition, Cthulhu,<br />

Dungeons and Dragons 3.5, 7. See, Power,<br />

Plüsch und Plunder, Fading Suns, Primetime<br />

Adventures, Liquid, My life with master, Degenesis..<br />

Seit 2007 bin ich im Tanelorn - Forum angemeldet,<br />

wo ich zum ersten Mal erfahren<br />

habe, dass es noch etwas anderes gibt als<br />

ADND und DSA.. Durch das Forum bin ich<br />

auch auf die <strong>Anduin</strong> gestossen, als diese<br />

Ende 2007 ins Tanelorn umgezogen ist.<br />

Meine erklärten Lieblingssysteme sind zur<br />

Zeit Shadowrun und Primetime Adventures,<br />

aber das kann sich jederzeit ändern, denn ich<br />

bin offen für alles und lerne gerne neue Systeme<br />

und Spiele kennen.<br />

Bei der <strong>Anduin</strong> bin ich seit 2007, zunächst<br />

als „freie Mitarbeiterin“ und seit 2008 als<br />

Mitglied der Redaktion. DIe Entscheidung,<br />

den Chefsessel von Tommy zu übernehmen,<br />

Mai 2009<br />

Nearby Gamers<br />

Würde es Euch nicht auch interessieren wo<br />

potenzielle Mitspieler für Eure Lieblingsspiele<br />

in der nähe wohnen? Oder wie weit<br />

Euer Lieblingssystem auf der Weltkugel<br />

verbreitet Fans hat? Auf der Seite von Nearby<br />

Gamers (http://nearbygamers.com)<br />

könnt Ihr in einer auf Google Maps basierenden<br />

Karte sehen, wo andere Spieler mit<br />

ähnlichen Interessen wohnen. Das funktionert,<br />

in dem sich jeder der sich auf der Seite<br />

anmeldet bestimmte Tags gibt, z.B. „World<br />

of Darkness“, „Descent“ oder „D&D“.<br />

Sucht man nun nach einem Tag, so erscheinen<br />

in der Karte alle Spieler mit diesem Tag.<br />

Für die <strong>Anduin</strong> haben wir folgende zwei<br />

Tags festgelegt: „<strong>Anduin</strong> Leser“ und „<strong>Anduin</strong><br />

Macher“. Wäre schön, wenn Ihr Euch<br />

auch anmeldet und diese Tags verwendet.<br />

war nicht leicht, aber ich habe sie bis jetzt<br />

nicht bereut.<br />

Das Schwerpunktthema „Endzeit“ ist dabei<br />

natürlich nur als Aspekt des Rollenspiels<br />

zu verstehen und nicht auf die <strong>Anduin</strong> zu<br />

münzen, denn es dies sollte doch nicht das<br />

Ende der <strong>Anduin</strong> sein, sondern vielmehr eine<br />

Art Neuanfang - zumindest für mich, und vielleicht<br />

auch für die <strong>Anduin</strong>.<br />

Ich habe in der kurzen Zeit eine Menge gelernt<br />

und erlebt: Die RPC in Köln, wo wir am<br />

Oldschool-Fanzine - Stand der Greifenklaue<br />

unterkommen durften und wo ich neben einigen<br />

Fans und unseren Partnern auch ein<br />

paar der „Grossen“ der deutschsprachigen<br />

Rollenspielszene kennenlernen durfte. Die<br />

Planung und die Organisation dieser Ausgabe<br />

mit dem Layouten und dem Schreiben<br />

und und und..<br />

Ich hoffe, dass ich einen guten ersten Eindruck<br />

machen konnte und dass dieser mit<br />

dieser Ausgabe bestehen bleibt.<br />

Es ist und war keine einfache Aufgabe,<br />

doch eine, die mir unglaublich am Herzen<br />

liegt und mir Freude bereitet. Natürlich bin<br />

ich auch nicht perfekt, deswegen freue ich<br />

mich über Anregungen und Kritik,; aber auch<br />

über Artikel rund um das Rollenspiel, Abenteuer<br />

zu den Schwerpunkten oder auch einfach<br />

so, Rezensionen zu Bücher, Spielen oder<br />

Musik oder Zeichnungen.<br />

Mailt einfach an leserbriefe@anduin.de<br />

oder flusskiesel@anduin.de oder schaut im<br />

Tanelorn-Rollenspielforum im <strong>Anduin</strong>-Bereich<br />

vorbei.<br />

Bald wartet schon Nummer 99 mit dem<br />

Schwerpunkt „Steampunk / Steamfantasy“<br />

und im Herbst ist es dann soweit: Die <strong>Anduin</strong><br />

#100 wird erscheinen. Aber bis dahin ist es<br />

noch ein weiter Weg. Ich hoffe, ihr geht ein<br />

Stück mit.<br />

Danksagung<br />

Ich möchte an dieser Stelle noch einigen<br />

Leuten danken, ohne die es diese Ausgabe<br />

sicher nicht in dieser Form gegeben hätte:<br />

an erster Stelle natürlich Tommy. Ohne ihn<br />

gäbe es keine <strong>Anduin</strong> in der heutigen Form.<br />

Er hat seinen Job als Chefredakteur fantastisch<br />

gemacht und mir die Einarbeitung sehr<br />

erleichtert. Vielen Dank für alles, Du hast<br />

grossartige Arbeit geleistet.<br />

Veranstaltungshinweis<br />

Vom 18. - 19. Juli 2009 veranstaltet der<br />

Verein „Die Legende e.V.“ in Kaiserslautern<br />

seine erste Rollenspielcon mit dem Titel<br />

„Legendenreich“.<br />

Veranstaltungsort ist das<br />

Hotel Alcatraz,<br />

Morlauterer Straße 1<br />

67657 Kaiserslautern<br />

Nähere Informationen findet ihr auch auf<br />

den Internetseiten zur Con:<br />

www.legendenreich.de<br />

meinem Freund Michael für seine Geduld,<br />

wenn ich bis in die Nacht gelayoutet habe<br />

und das Überprüfen meines Rechners, wenn<br />

dieser mal wieder nicht so wollte wie ich (und<br />

das wollte er leider oft..), und für seine Arbeit<br />

mit der Bildbearbeitung und dem Titelbild.<br />

Tobias für seine Hilfe bei RPC – Stand trotz<br />

Verletzung und das Lektorat, das Ausdrucken<br />

der Zeitung und die Buttons.<br />

Ingo von der Greifenklaue und Moritz, die<br />

es uns ermöglichten, auf der RPC präsent zu<br />

sein und uns dadurch die Chance gaben, Werbung<br />

für die <strong>Anduin</strong> zu machen<br />

Alex, der mich auf der RPC (natürlich nur<br />

im übertragenen Sinn) an die Hand genommen<br />

hat, um mich bei einigen Rollenspielverlagen<br />

vorzustellen und mir dadurch eine<br />

grosse Hilfe war<br />

Dario für die Layoutstunde<br />

Allen Autoren, die so fleissig Artikel, Abenteuer,<br />

Rezensionen und Kurzgeschichten geschrieben<br />

haben für diese Ausgabe<br />

allen Zeichnern für ihre wunderschönen<br />

Bilder, besonders Patrick für sein Titelbild.<br />

allen Lesern und Fans, die der <strong>Anduin</strong> über<br />

die Jahre hinweg so treu zur Seite standen.<br />

Anmerkung<br />

Auch zu dieser <strong>Anduin</strong> werdet ihr auf unserer<br />

Homepage wieder eine Ausgabe mit den<br />

Handouts finden.<br />

Seite 3


ANDUIN <strong>98</strong><br />

OPeration Rio Tinto<br />

Operation Rio Tinto<br />

Ein EInstiegsabenteuer für Heredium<br />

TEXT: Katharina Prost<br />

ILLUSTRATION: Christine Schlicht<br />

Mitten im Outback, in der Uranmine Ranger,<br />

tobt ein Machtkampf. Die Mine wurde<br />

von Ghostwalkern angegriffen und nur<br />

ein verzweifelter Funkspruch erreichte das<br />

Hauptquartier der Rio Tinto Group in Checkpoint.<br />

Der große Bulle will das nicht auf sich<br />

sitzen lassen und holt zum Gegenschlag aus.<br />

Die Mine ist alt, berühmt und ein Teil der<br />

Uranproduktion, welche die Raging Bulls für<br />

ihr Überleben brauchen. Doch was steckt<br />

hinter dem plötzlichen Angriff?<br />

Das Abenteuer „Operation Rio Tinto“ ist<br />

für 4-6 Charaktere aus allen Zivilisationen<br />

(auch in einer gemischten Gruppe) geeignet.<br />

Die Gruppe wird von der Rio Tinto Group angeheuert<br />

und reist in die Uranmine Ranger<br />

mitten ins Outback, um dort die Überfalle<br />

der Ghostwalker auf die Mine endlich zu<br />

stoppen - und gerät dabei immer tiefer in die<br />

Verstrickungen um die Mine.<br />

Hintergrund<br />

Die Rio Tinto Group ist der führende Marktriese<br />

auf dem Gebiet des australischen Bergbaus<br />

und stützt sich zum großen Teil auf die<br />

enormen Fördermengen von Uran, um die<br />

Raging Bull mit diesem Rohstoff zu versorgen.<br />

Uran bedeutet Energie, mit welcher die<br />

Raging Bull ihre Schiffe betreiben und ihre<br />

Kernkraftwerke versorgen, und letztendlich<br />

auch einen großen Anteil an Macht im Outback.<br />

Bis dato lief das Geschäft ganz gut, bis sich<br />

einige Ghostwalker in dem Gebiet um die<br />

Ranger Mine breit machten und anfingen die<br />

Mine zu überfallen. Sie gaben den Arbeitern<br />

die Wahl, die Mine bis Sonnenuntergang zu<br />

verlassen oder in ihr zu sterben. Dann, als sie<br />

des Nachts kamen, machten sie kurzerhand<br />

mit allen noch Anwesenden kurzen Prozess.<br />

Denn was die Mitglieder der Rio Tinto Group<br />

und der Raging Bull nicht wussten, war, dass<br />

die Mine, unweit des Mount Brockman gelegen,<br />

auf geheiligtem Land der Ghostwalker<br />

steht, das diese für sich wieder entdeckt hatten.<br />

Das Land ist für die Ghostwalker der Regenbogenschlange<br />

Ngalyod geweiht und<br />

Seite 4<br />

aus diesem Grund müssen sie das Land um<br />

den heiligen Berg schützen und den Raubbau<br />

und die Vergiftung des Wassers aufhalten,<br />

um ihren Gott milde zu stimmen und eine Rache<br />

durch die Regenbogenschlange Ngalyod<br />

zu verhindern.<br />

ÜBerBLICK ÜBER Die<br />

Handlung<br />

Die Charaktere werden in Checkpoint von<br />

der Rio Tinto Group angeworben, um sich um<br />

ein Problem in der Uranmine Ranger zu kümmern.<br />

Ghostwalker sollen die Mine überfallen<br />

haben. Die Förderungen wurden eingestellt<br />

und der Funkkontakt zur Mine wurde unterbrochen,<br />

so dass man nur weiß, dass dort in<br />

der Mine etwas gehörig falsch läuft. Die angeworbenen<br />

Charaktere werden schließlich mit<br />

einem LKW in das Minengebiet gefahren, wo<br />

sich der Fahrer aus dem Staub macht und die<br />

Charaktere alleine vor dem Eingang der Mine<br />

stehen lässt. Die Charaktere finden die Mine<br />

verwüstet vor und alles deutet auf schwere<br />

Kämpfe hin. Bei der Suche nach Überlebenden<br />

kann schließlich im Hauptgebäude ein<br />

Schwerverletzter gefunden werden, der<br />

dringender Versorgung bedarf. Währenddessen<br />

nähert sich ein kleiner Trupp Bewaffneter<br />

dem Gebäude. Beim Zusammenprall mit den<br />

Charakteren stellt sich heraus, dass es sich<br />

um Minenarbeiter handelt, die sich in einen<br />

Depotschacht zurückgezogen haben und<br />

nun selbst auf der Suche nach Überlebenden<br />

sind. Durch Nachfragen können die Charaktere<br />

erfahren, dass am Tag zuvor ein Ghostwalker<br />

die Mine betrat und die Minenarbeiter<br />

aufforderte die Mine zu verlassen, da dies<br />

das Land der Ghostwalker sei. Die Minenarbeiter<br />

haben den Wilden für seine Forderung<br />

ausgelacht und ihre Arbeit fortgesetzt. Mit<br />

einer letzten Drohung der Ghostwalker, sich<br />

ihr Recht zu nehmen, wenn die Arbeiter bis<br />

Sonnenuntergang nicht verschwunden sind,<br />

verschwand der Wilde. In der Nacht konnten<br />

sich die Minenarbeiter in einen Depotschacht<br />

retten, in dem sie sich nun verbarrikadiert<br />

haben. Wenn die Charaktere sich mit den<br />

Verletzten und den anderen Überlebenden<br />

in den Depotschacht, der den einzigen noch<br />

sicheren Platz in der Mine darstellt, zurück<br />

ziehen, können sie sich dort mit den weiteren<br />

Überlebenden beratschlagen. Weiterhin<br />

werden den Charakteren die Zeichnungen an<br />

den Wänden des Depotschachtes auffallen,<br />

die eindeutig von Ghostwalkern stammen,<br />

jedoch sehr alt und verwittert sind, so dass<br />

sie kaum noch deutbar sind. Zum Sonnenuntergang<br />

kommt schließlich erneut der Ghostwalker<br />

in die Mine und lässt sogar mit sich<br />

reden. Jedoch weicht er nicht von seinem<br />

Standpunkt ab, dass die Minenarbeiter die<br />

Mine aufgeben müssen. Sie würden sonst<br />

die Rache der Regenbogenschlange Ngalyod<br />

auf sich ziehen, die alles vernichten würde.<br />

Sollte es zu keiner Einigung mit den Charakteren<br />

kommen, werden die Ghostwalker in<br />

der Nacht erneut die Mine angreifen. Nun ist<br />

es an der Zeit, die Charaktere entscheiden zu<br />

lassen, ob sie die Mine aufgeben wollen und<br />

das angebotene Geld der Rio Tinto Group<br />

in den Wind schlagen, oder ob sie die Mine<br />

gegen die Wilden verteidigen wollen und<br />

schließlich auch die letzten Ghostwalker umbringen<br />

wollen, getreu dem Motto, Auge um<br />

Auge, Zahn um Zahn.<br />

Gerüchte und<br />

Personen<br />

Speedy Mc Gee<br />

Raging Bull - LKW-Fahrer der Rio<br />

Tinto Group<br />

Ein schnittiger junger Mann, der immer<br />

gerne eine Zigarette im Mund hat und mit<br />

seinem Hut, den Lederstiefeln und der Lederweste<br />

einfach nur stereotyp australisch<br />

wirkt. Doch kaum einer weiß, dass er genau<br />

dieses Gefühl genießt, was er bei den anderen<br />

hervorruft, und gerne einmal über die<br />

Stränge schlägt, wenn er sein schelmisches<br />

Grinsen aufsetzt.<br />

„Da unten in der Mine ist was ganz übles<br />

passiert, das kann ich euch sagen. Keine<br />

Ahnung was da genau los war, aber es muss<br />

was GROSSES gewesen sein. Hey Mann<br />

ey, die Leute da unten trotzen Dingos und<br />

den scheiß Krokodilen in den Tümpeln und<br />

halten immer noch die Fördermengen ein.<br />

Abenteuer


Operation Rio Tinto<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

uns da unten im Schacht verbarrikadiert. Da<br />

kommt nun nicht mal mehr ne verdammte<br />

Ratte rein. Also wo habt ihr euren Van,<br />

LKW oder was auch immer geparkt. Ich will<br />

nicht hier sein, wenn diese scheiß Wilden<br />

wieder kommen und den Rest von uns<br />

niedermetzeln.“<br />

Hey Mann, ich wird für euch nicht den Arsch<br />

riskieren. Also wenn ich euch da runter<br />

fahre, dann nur, weil ich dafür gut bezahlt<br />

werde. Hinfahren, Aussteigen und wenn ihr<br />

dann noch in 3 Tagen lebt, könnt ihr wieder<br />

einsteigen und ich nehm euch wieder mit<br />

nach Checkpoint, alles klar?“<br />

Ian Mc Gregor<br />

Raging Bull - Verletzter Minenarbeiter,<br />

Hauptgebäude<br />

Verbarrikadiert in einem Büro, hinter den<br />

Schreibtisch gedrückt, hält der Bull mit der<br />

einen Hand seine Schrotflinte, während er<br />

mit der anderen seine blutende Bauchwunde<br />

hält, die bereits das komplette Hemd mit dem<br />

roten Saft durchnässt hat. Er ist bewusstlos<br />

und muss schleunigst gerettet werden.<br />

Sobald er wieder bei Bewusstsein ist, stammelt<br />

er nur:<br />

„Scheiße, das waren die Wilden. Haben uns<br />

hinterrücks überfallen. Ich konnte mich hier<br />

im Büro verschanzen, nachdem ich einen<br />

Wilden abschütteln konnte. Für Skip konnte<br />

ich nichts mehr tun. Sind über ihn hergefallen,<br />

wie hungrige Dingos. Ausrotten müsste<br />

man die Wilden.“<br />

Russell Howard<br />

Raging Bull - Anführer des Spähtrupps<br />

Hauptgebäude<br />

Der hektische, von Panik erfüllte Blick passt<br />

so gar nicht zu dem stämmigen bärbeißigen<br />

Aussehen des kantigen Bullen, in dessen<br />

Hände gut ein ganzer Kinderkopf passt. Sein<br />

Blaumann ist von vielen schwarzen wie roten<br />

Flecken gekennzeichnet und seine frischen<br />

Narben und einige ausgeschlagene Haifischzähne<br />

sprechen Bände.<br />

„Gut, dass die Group mal Leute herschickt.<br />

Ich hoffe für euch, dass ihr was drauf habt.<br />

Sind nur noch ein paar von uns da. Haben<br />

Rupert Astor<br />

Raging Bull - Vorarbeiter der<br />

Mine Depotschacht<br />

Obszön fett, das ist wohl wirklich das erste<br />

was einem bei diesem Bullen einfällt. Immer<br />

etwas zwischen den Zähnen, auf dem<br />

er rumkauen kann und die Gewissheit, dass<br />

wenn sich seine Masse einmal in Bewegung<br />

setzt, vieles nur noch platt ist, liegt ihm immer<br />

ein dreckiger Scherz auf den Lippen,<br />

und er betitelt alle, die weniger auf den<br />

Rippen haben als er, als Jüngelchen, Kleiner<br />

oder Kleine.<br />

„Verdammt, wir halten hier schon die letzte<br />

beschissene Nacht die Stellung. Hab so viele<br />

von uns hier hergebracht wie nur ging,<br />

aber gegen diese Wilden scheint kein Kraut<br />

gewachsen zu sein. Ich hoffe, die Group<br />

hat euch was mitgegeben, womit wir den<br />

Wilden den Garaus machen können. Wir<br />

haben da gestern echt gute Leute verloren.<br />

Verdammt gute Leute.“<br />

Rutger Smith<br />

Raging Bull - Arzt der Mine<br />

Depotschacht<br />

Durch eine alte Brille, dessen Gläser<br />

schon hier und da gesprungen sind, blickt<br />

er mit sorgenvoller Miene von seiner Arbeit<br />

auf. Schweißperlen von der harten Arbeit<br />

rinnen seine Stirn hinab, während seine blutigen<br />

Hände zu einem alten abgenutzten Verband<br />

greifen.<br />

„Werden nicht mehr viele durchhalten,<br />

sag ich euch. Es wäre besser, wenn wir so<br />

schnell wie möglich hier verschwinden.<br />

Weiß der Geier, was die Ghostwalker hier<br />

wollen. Verdammt wir können ihnen immer<br />

noch in den Arsch treten, wenn wir erst in<br />

Checkpoint sind und in einer Kneipe einmal<br />

auf den Tisch hauen und die Jungs mobilisieren.“<br />

Collin<br />

Debellator - Sklave, Depotschacht<br />

Drahtig, aber doch mit einigen Muskeln<br />

von der harten Arbeit gezeichnet, kauert er<br />

ruhig auf einer Decke und schaut stoisch zur<br />

Höhlenwand.<br />

Abenteuer<br />

Seite 5


ANDUIN <strong>98</strong><br />

OPeration Rio Tinto<br />

„Wir sollten hier abhauen. Die Ghostwalker<br />

machen ernst und werden erst aufhören,<br />

bis wir weg sind oder tot im Sand von<br />

Dingos angenagt werden. Doch die Bullen<br />

wollen es nicht sehen, dass die Wilden mehr<br />

wollen als nur alle zu töten. Die wollen<br />

dieses Land für ihren Gott. Ihr Weg ist zwar<br />

falsch und gefährlich, da sie sich noch immer<br />

an ihre Götter klammern, aber das Ziel<br />

ist das richtige.““<br />

Unbekannter Ghostwalker<br />

- Vermittler<br />

Seine Haut so schwarz wie verbranntes<br />

Holz, während sich die weißen Muster auf<br />

seiner Haut klar und deutlich abzeichnen. Lediglich<br />

ein Stück Stoff hat er um die Lenden<br />

Seite 6<br />

geschwungen, während er sein Gewicht auf<br />

einen einfachen Holzstab abstützt und deutlich<br />

zu erkennen ist, dass er unbewaffnet ist.<br />

„Dies unser Land. Bullen müssen gehen.<br />

Wir kommen im Namen von Ngalyod, der<br />

Schlange die den Himmel farbig macht<br />

und uns Wasser gibt. Ngalyods Zorn wird<br />

größer. Ihr müsst verschwinden, damit wir<br />

Ngalyod besänftigen. Wenn ihr nicht gehen.<br />

Wir werden kämpfen und euch vertreiben.<br />

Wir müssen Welt vor Ngalyod Zorn retten.<br />

Bullen müssen verstehen.“<br />

MÖGLiCher EinStieg<br />

Es gibt verschiedene Einstiegsmöglichkeiten,<br />

warum die Charaktere in die Mine<br />

geschickt werden. Sind sie erst einmal in<br />

Australien und vorzugsweise Checkpoint<br />

angekommen, werden sie recht schnell von<br />

der Rio Tinto Group angeheuert, die ihren<br />

Hauptsitz in Checkpoint hat. Es ist ein Vorteil,<br />

wenn sich die Charaktere vorher bereits<br />

kennen. Wenn sie nicht bereits als Gruppe<br />

unterwegs sind, werden sie einzeln und aus<br />

unterschiedlichen Gründen angeworben<br />

oder ihr Weg führt aus privaten Gründen zur<br />

Rio Tinto Group. Für ein Einstiegsabenteuer<br />

eignet es sich am Besten, die Zusammenführung<br />

der Charaktere rückblendend auf dem<br />

Weg mit dem LKW zur Mine zu gestalten,<br />

um eine langwierige Zusammenführung in<br />

Checkpoint zu vermeiden.<br />

Die möglichen Gründe, derentwegen die<br />

Charaktere zur Rio Tinto Group kommen,<br />

hängen von Zivilisation, Berufung und der<br />

Ausgestaltung des Charakters ab.<br />

Hier sind einige Beispiele sowie allgemeine<br />

Ansätze:<br />

Allgemeine Ansätze<br />

Bote: Eine Nachricht oder einen Gegenstand<br />

überbringen.<br />

Kontakt: Jemanden treffen oder besuchen,<br />

Information besorgen.<br />

Rückkehr: Der Charakter stammt<br />

aus Checkpoint und kehrt nach Hause<br />

zurück.<br />

Geschäft: Der Charakter ist unterwegs<br />

um zu handeln. In der Regel will<br />

er bestimmte Ware kaufen oder verkaufen<br />

oder sucht ein bestimmtes Artefakt.<br />

Konflikt: Etwas stehlen, jemanden<br />

aushorchen oder eine offene Rechnung<br />

begleichen.<br />

Vermisst: Der Charakter steht einem<br />

der Minenarbeiter nahe und will bei der<br />

Aufklärung des Problems mit der Ranger<br />

Mine helfen und seinen Bekannten<br />

oder Verwandten finden.<br />

Arbeit: Die Charaktere brauchen<br />

Geld und der beste Weg um dies zu bekommen<br />

ist, sich Arbeit zu suchen.<br />

Spezifische Ansätze<br />

Nordallianz: Schulden im Auftrag der<br />

Nordallianz begleichen und sich dazu<br />

mit der Rio Tinto Group treffen.<br />

Aufklärung für die Kirche leisten und<br />

mehr über diese Ghostwalker herausfinden.<br />

Missionierung<br />

Industriespionage im Namen der<br />

Nordallianz durchführen<br />

Abenteuer


Operation Rio Tinto<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Debellatoren: Einen verschwundenen Debellator<br />

finden, dessen Spur sich bei der Rio<br />

Tinto Group verläuft.<br />

Schnell an Geld kommen, um das Gebiet<br />

der Raging Bull endlich verlassen zu können.<br />

Hezekieliten: Hezekiels Stimme folgen<br />

Schulden im Auftrag der Hezekieliten begleichen<br />

und sich dazu mit der Rio Tinto<br />

Group treffen.<br />

Einen verschwundenen Hezekieliten finden,<br />

dessen Spur sich bei der Rio Tinto Group<br />

verläuft.<br />

Temora: Schulden im Auftrag von Temora<br />

begleichen und sich dazu mit der Rio Tinto<br />

Group treffen.<br />

Industriespionage im Namen Temoras<br />

durchführen. Zwar sind die Raging Bull sehr<br />

viel unterentwickelter, aber man sollte jeden<br />

im Auge behalten. Vielleicht haben die Raging<br />

Bulls etwas in der Hinterhand<br />

Hochtechnologische, von den Raging Bull<br />

vermutlich geklaute Geräte finden.<br />

Raging Bull: Einen verschwundenen Verwandten<br />

oder Bekannten in der Mine aufspüren.<br />

Ein seltenes Ersatzteil für einen Scrap besorgen.<br />

Vorbereitung<br />

Als Vorbereitung für den Spielleiter empfiehlt<br />

es sich, einige Profile für Gegner bereit<br />

zu halten (Ghostwalker), sowie sich mit<br />

Checkpoint und Australien im Allgemeinen<br />

vertraut zu machen.<br />

1. Der Bulle holt zum<br />

Schlag aus<br />

Die weite Prärie. Immer wieder ausgetrocknete<br />

Büsche, Staubwolken und die sengende<br />

australische Sonne im Nacken, während<br />

sich der alte LKW bei jedem Schlagloch der<br />

schlecht in Schuss gehaltenen Straße wie ein<br />

altes bockiges Maultier aufbäumt. Zur Linken<br />

erstreckt sich ein plattgewalztes ehemaliges<br />

Flugfeld, dessen Flugzeuge langsam vor sich<br />

hin verrotten oder bereits ausgeschlachtet<br />

und skelettiert in der Mittagshitze wie gestrandete<br />

Walskelette wirken. Hin und wieder<br />

meint man einen Dingo in den Trümmern<br />

sitzen zu sehen, der die Neuankömmlinge<br />

taktierend beobachtet. Die Gewehre werden<br />

sicherheitshalber durchgeladen, während<br />

der LKW weiter jedes Schlagloch nimmt.<br />

Die Charaktere reisen bereits seit Stunden<br />

durch das australische Outback. Ihr Ziel: Die<br />

Ranger Uranmine, aus der die Rio Tinto Group<br />

letzte Nacht einen verzweifelten Funkspruch<br />

abfangen konnte. Seither kann man niemanden<br />

mehr in der Mine erreichen. Die Rio Tinto<br />

Group hat schnell gehandelt und eine extrem<br />

hohe und verführerische Prämie für diejenigen<br />

ausgesetzt, die sich um das Problem mit<br />

den Ghostwalkern in der Mine kümmern.<br />

Vielleicht führen die Charaktere aber auch<br />

private Gründe in die Mine, wie ein verschollener<br />

Verwandter. Egal, was sie dazu bewegt<br />

hat, nun nähern sie sich mit jeder weiteren<br />

Meile der Uranmine, von der sie lediglich wissen,<br />

dass sie von Ghostwalkern angegriffen<br />

wurde und sie diese ausrotten sollen, damit<br />

die Mine wieder in Betrieb genommen werden<br />

kann. Ihr Fahrer, Speedy Mc Gee ist ein<br />

schnittiger junger Mann, der immer gerne<br />

eine Zigarette im Mund hat und mit seinem<br />

Hut, den Lederstiefeln und der Lederweste<br />

einfach nur stereotyp australisch wirkt, wird<br />

zwar nicht so gesprächig auf der Fahrt sein,<br />

jedoch eines schnell klar stellen, wenn er die<br />

Charaktere zur Mine fährt:<br />

„Da unten in der Mine ist was ganz übles<br />

passiert, das kann ich euch sagen. Keine<br />

Ahnung was da genau los war, aber es muss<br />

was GROSSES gewesen sein. Hey Mann ey,<br />

die Leute da unten trotzen Dingos und den<br />

scheiß Krokodilen in den Tümpeln und halten<br />

immer noch die Fördermengen ein. Hey<br />

Mann, ich würd für euch nicht den Arsch<br />

riskieren. Also wenn ich euch da runter<br />

fahre, dann nur, weil ich dafür gut bezahlt<br />

werde. Hinfahren, Aussteigen und wenn ihr<br />

dann noch in 3 Tagen lebt, könnt ihr wieder<br />

einsteigen und ich nehm euch wieder mit<br />

nach Checkpoint, alles klar?“<br />

Die Aussichten sind klar. Hinfahren, sich<br />

um das Problem kümmern und dann wieder<br />

abgeholt zu werden. Und vielleicht ist auch<br />

schon diese Aussicht ein möglicher Auslöser<br />

für das eine oder andere mulmige Bauchgefühl.<br />

Alleine im Outback. Mit einer Mine voller<br />

Probleme, Wilde, die einen ans Leder wollen,<br />

aber dennoch eine verführerische Prämie,<br />

die am Ende des Weges winkt.<br />

Plötzlich frischt der Wind auf und Wolken<br />

türmen sich zu einer schwarzen Front, ehe<br />

eine Legion von Regentropfen auf die Erde<br />

niederprasselt und die erdige Fahrbahn zu<br />

einer Rutschpartie werden lässt. Eine weitere<br />

halbe Stunde vergeht, ehe der Himmel<br />

wieder aufklart und ein einzelner Regenbogen<br />

den Horizont erhellt. Der LKW hält<br />

ruckelnd an. Man ist endlich am Ziel und in<br />

einer Talsenke erstreckt sich das Gebiet der<br />

Ranger Mine mit ihren Gruben, Wasserdämmen<br />

und Verarbeitungsanlagen.<br />

2. Die Mine<br />

Hier wurde die Natur gefügig gemacht.<br />

Die Raging Bull haben Gruben in die Erde<br />

getrieben, um ihr mit Baggern und Tiefladern<br />

ihre Schätze entreißen zu können.<br />

Das Wasser haben sie zu künstlichen Seen<br />

gestaut, damit sich das radioaktive Material<br />

auswaschen kann, ehe das Wasser weiter<br />

in die Flüsse geleitet werden wird. Die<br />

Mine muss irgendwann vor dem Mondfall<br />

noch eindrucksvoller gewesen sein. Der<br />

Fahrer, Speedy Mc Gee, hat euch von dem<br />

Flugfeld erzählt, an dem ihr vorbeigefahren<br />

seid und von einer längst aufgegebenen<br />

Siedlung in der Nähe der Mine. Heute leben<br />

die Minenarbeiter im Verwaltungsgebäude<br />

und einigen Schächten der Mine. Das Land<br />

ist zu gefährlich geworden, um die Siedlung<br />

wieder neu zu beleben.<br />

Während der LKW sich erneut in Bewegung<br />

setzt, um sich aus dem Staub zu machen, wie<br />

Speedy Mc Gee es bereits auf der Fahrt angekündigt<br />

hatte, bemerken die Charaktere<br />

von dort aus, dass der Angriff letzte Nacht<br />

scheinbar schlimmer war, als die Rio Tinto<br />

Group zuerst geglaubt hat.<br />

Vereinzelt liegen Leichen in der sengenden<br />

Sonne auf den Geröllfeldern und werden in<br />

aller Ruhe von einigen Dingos angefressen.<br />

Hier und da läuft Öl aus einem Bagger aus<br />

und ein Tieflader wurde von einem großen<br />

Stein getroffen, der das Fahrerhaus komplett<br />

zerstört hat.<br />

Sollten die Charaktere auf die Idee kommen,<br />

die herumliegenden Leichen durchstöbern<br />

zu wollen, so werden sie zwangsweise<br />

mit den Dingos Bekanntschaft machen, die<br />

ihr Futter nicht so einfach hergeben werden<br />

(Werte der Dingos im Anhang).<br />

3. Das Verwaltungsgebäude<br />

Überall blättert an den Wänden schon die<br />

Tapete ab. Geröll, kaputte Möbel, die man<br />

in aller Eile zu Barrikaden aufgetürmt hat,<br />

versperren hier und da das Vorrankommen.<br />

Blutlachen, um die sich bereits Fliegen<br />

scharen und Pfeile, die in der Wand stecken,<br />

sowie der eine oder andere tote Körper<br />

lassen nichts Gutes erahnen.<br />

Wenn sich die Charaktere hier fernab der<br />

Dingos die Mühe machen, einige der Leichen<br />

zu untersuchen, wird ihnen schnell auffallen,<br />

dass der Ein oder Andere lediglich durch einen<br />

einzigen Pfeil zu Tode gekommen zu sein<br />

scheint.<br />

Mit einem erfolgreichen Wurf auf Intelligenz<br />

+ Naturwissenschaften oder Medizin<br />

gegen eine ZW von 12 werden die Charaktere<br />

schnell merken, dass die Pfeilspitzen vergif-<br />

Abenteuer<br />

Seite 7


ANDUIN <strong>98</strong><br />

OPeration Rio Tinto<br />

tet waren.<br />

Im Verwaltungshaus, das schon recht gut<br />

zerstört wurde, findet man schließlich auch<br />

in einem verbarrikadierten Büro einen Überlebenden.<br />

Der Mann klammert sich ängstlich<br />

an seine Schrotflinte und hält mit der anderen<br />

Hand seine Bauchwunde, die bereits das<br />

komplette Hemd mit dem roten Saft durchnässt<br />

hat.<br />

Ian Mc Gregor heißt der arme Teufel und<br />

ist Arbeiter in der Mine. Er muss schnell versorgt<br />

werden und stellt für die Charaktere<br />

keine wirklich Gefahr dar, da die Schrotflinte<br />

nicht einmal mehr geladen ist. Bei einem gelungen<br />

Wurf auf Intelligenz + Medizin gegen<br />

eine ZW von 12 kann er stabilisiert werden,<br />

sodass er zu mindestens für kurze Zeit ansprechbar<br />

ist. Desweiteren können die Charaktere<br />

ein Medikit im Büro finden, dass sie<br />

für seine Versorgung nutzen können, sofern<br />

sie selbst keines zur Hand haben.<br />

Seite 8<br />

„Scheiße, das waren die Wilden. Haben uns<br />

nachts hinterrücks überfallen. Ich konnte<br />

mich hier im Büro verschanzen, nachdem<br />

ich einen Wilden abschütteln konnte. Für<br />

Skip konnte ich nichts mehr tun. Sind über<br />

ihn hergefallen, wie hungrige Dingos. Ausrotten<br />

müsste man die Wilden.“<br />

Viel mehr kann Ian Mc Gregor den Charakteren<br />

auch nicht mitteilen. Bleibt nur die<br />

Frage: Wo sind die anderen Minenarbeiter<br />

abgeblieben?<br />

Bei einer erfolgreichen Probe auf Psyche +<br />

Aufmerksamkeit gegen eine ZW von 12 hören<br />

die Charaktere, wie sich draußen Steingeröll<br />

in Bewegung gesetzt hat.<br />

Ein schneller Blick aus dem Fenster verrät<br />

den Charakteren, dass sie mit Ian Mc Gregor<br />

doch nicht ganz alleine in der Mine sind.<br />

Schnell bewegten sich drei bewaffnete Männer<br />

durch das Minengelände, deren Arbeitskleidung<br />

deutliche Spuren der vergangenen<br />

Nacht trugen. Einer von ihnen hat sogar<br />

einen mit Blut getränkten Verband um seinen<br />

linken Arm. Behände bewegten sich die<br />

drei immer schneller auf das Hauptgebäude<br />

zu, während sie immer wieder Schutz im<br />

Schatten der großen Baufahrzeuge suchten,<br />

ehe sie aus ihrem Schatten erneut hervorsprangen.<br />

Stetig ihr einziges Ziel im Auge.<br />

Das Hauptgebäude.<br />

Nun müssen die Charaktere schnell entscheiden,<br />

wie sie mit der Situation umgehen.<br />

Die sich nähernden Männer stehen unter<br />

Stress und werden auf alles schießen, was<br />

ihnen zu voreilig vor die Flinte läuft.<br />

So können die Charaktere zum Beispiel<br />

bei dem verletzten Ian auf den Spähtrupp<br />

warten oder ihn an der Tür in Empfang nehmen.<br />

Sollten die Charaktere jedoch den Männern<br />

einen Hinterhalt stellen wollen, wird es<br />

zwangsläufig auf eine Konfrontation hinaus<br />

laufen (Werte für den Spähtrupp im Anhang).<br />

Nach einem mehr oder minder freundlichen<br />

Zusammentreffen beider Gruppen und<br />

Klärung der Fronten, beruhigen sich die Männer<br />

recht schnell. Der Anführer des kleinen<br />

Trupps stellt sich als Russell Howard vor.<br />

Ein stämmiger und bärbeißig aussehender<br />

Raging Bull, in dessen Hände gut ein ganzer<br />

Kinderkopf passt. Sein Blaumann ist von<br />

vielen schwarzen wie roten Flecken gekennzeichnet<br />

und seine frischen Narben und einige<br />

ausgeschlagene Haifischzähne sprechen<br />

Bände.<br />

„Gut, dass die Group mal Leute herschickt.<br />

Ich hoffe für euch, dass ihr was drauf habt.<br />

Sind nur noch ein paar von uns da. Haben<br />

uns da unten im Schacht verbarrikadiert. Da<br />

kommt nun nicht mal mehr ne verdammte<br />

Ratte rein. Also wo habt ihr euren Van,<br />

LKW oder was auch immer geparkt. Ich will<br />

nicht hier sein, wenn diese scheiß Wilden<br />

wieder kommen und den Rest von uns<br />

niedermetzeln.“<br />

Sobald die Charaktere zugeben, dass ihr<br />

LKW Fahrer sie einfach hier gelassen hat,<br />

wird Russell fluchend gegen das nächst beste<br />

Objekt treten. Seine Wut ist deutlich zu<br />

spüren.<br />

„Packen wir´s an. Schaffen wir das arme<br />

Schwein Ian hier weg und versorgen uns<br />

noch mit dem Nötigsten und dann so<br />

schnell wie nichts in den Depotschacht.<br />

Rupert wird das ganze sicherlich sehr<br />

interessieren. Bin gespannt, wie ihr unsere<br />

Ärsche retten wollt.“<br />

Mit diesen Worten machen sich die drei<br />

Bulls auch direkt an ihre Arbeit und nehmen<br />

alles an nützlichen Dingen mit, die sie unten<br />

im Depotschacht gebrauchen können (z.B.<br />

Nahrung, Trinkwasser, Munition).<br />

4. Der Depotschacht<br />

Ein schmaler Serpentinenweg führt hinab in<br />

einen der Minenkessel, an dessen Ende ein<br />

kleiner Schacht den Weg in den Berg öffnet.<br />

Schummriges flackerndes Licht von wankenden<br />

Lampen erhellt den verwitterten<br />

Schacht, in welchem sich alte Fässer in<br />

rostigen Regalen stapeln, aus welchen eine<br />

neongrünliche Substanz tropft. Hätte man<br />

einen Geigerzähler bei sich, würde die Nadel<br />

wohl nicht mehr zu Ruhe kommen. Doch<br />

das kümmert hier niemanden. Hier zählt<br />

nur noch das nackte Überleben. So wurden<br />

einige lecke Fässer aus den Regalen genommen<br />

und auf ihnen Sandsäcke als eine<br />

provisorische Barriere vor den anstürmenden<br />

Feinden aufgetürmt.<br />

Eine lähmende Ruhe vor dem Sturm erfüllt<br />

den Raum, in dem lediglich eine Hand voll<br />

Bewaffneter den Ausgang mit müden Augen<br />

bewachen, während ein einzelner provisorischer<br />

Arzt versucht bei den Verletzten<br />

zu retten, was zu retten ist, und sollte dies<br />

nicht ausreichen, so trägt man diejenigen<br />

einfach weiter in den Berg hinein. Weiter<br />

hinten im Schacht drängen sich dagegen<br />

auf provisorischen Matten Verletzte sowie<br />

übermüdete Arbeiter und Sklaven, die mit<br />

leeren Augen an die mit fremd aussehenden<br />

Zeichnungen beschmierten Wände starren.<br />

Einzig ein Mann versucht die Moral noch<br />

hochzuhalten. Es ist der Vorarbeiter Rupert<br />

Astor, welcher gleichzeitig Kommandant<br />

dieses letzten Restes von Minenarbeitern<br />

ist.<br />

Massig genug um für zwei Bulls durchzugehen,<br />

stellt er sich schließlich den<br />

Neuankömmlingen in den Weg. Der Geruch<br />

von Schweiß und Blut hat sich mit seinen<br />

eigenen Ausdünstungen zu einem schweren<br />

Parfum vermengt, dass einem direkt als Begrüßung<br />

entgegen weht und das nur noch<br />

von seinem permanenten Zigarrenatem<br />

getoppt werden kann.<br />

„Verdammt, wir halten hier schon die letzte<br />

beschissene Nacht die Stellung. Hab so viele<br />

von uns hier hergebracht wie nur ging,<br />

aber gegen diese Wilden scheint kein Kraut<br />

gewachsen zu sein. Ich hoffe die Group<br />

hat euch was mitgegeben, womit wir den<br />

Wilden den Garaus machen können. Wir<br />

haben da gestern echt gute Leute verloren.<br />

Verdammt gute Leute.“<br />

Die Charaktere können sich nun in einem<br />

Gespräch mit Rupert oder direkt im Depotschacht<br />

ein genaues Bild über die Lage der<br />

überlebenden Minenarbeiter machen.<br />

Die Lage kann man getrost als finster einstufen.<br />

Insgesamt sind noch 11 Arbeiter mit<br />

dem Vorarbeiter und dem Spähtrupp zusammen<br />

halbwegs kampftauglich, sieht man<br />

von kleineren Verletzungen ab. Jedoch ist<br />

ihre Moral nicht gerade die Beste und viele<br />

wollen einfach nur noch weg, wollen jedoch<br />

ihre verletzten Kameraden nicht im Stich lassen<br />

und somit als Feigling und Kameradenschwein<br />

gelten.<br />

Ebenso kann man ein paar Worte mit dem<br />

einzigen Arzt vor Ort wechseln. Sein Name<br />

ist Rutger Smith.<br />

Durch eine alte Brille, deren Gläser schon<br />

hier und da gesprungen sind, blickt er<br />

Abenteuer


Operation Rio Tinto<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

mit sorgenvoller Miene von seiner Arbeit<br />

auf. Schweißperlen von der harten Arbeit<br />

rinnen seine Stirn hinab, während seine<br />

blutigen Hände zu einem alten abgenutzten<br />

Verband greifen.<br />

„Werden nicht mehr viele durchhalten,<br />

sag ich euch. Es wäre besser, wenn wir so<br />

schnell wie möglich hier verschwinden.<br />

Weiß der Geier was die Ghostwalker hier<br />

wollen. Verdammt wir können ihnen immer<br />

noch in den Arsch treten, wenn wir erst<br />

in Checkpoint sind und in einer Kneipe<br />

einmal auf den Tisch hauen und die Jungs<br />

mobilisieren.“<br />

Einer der wenigen auffälligen und definitiv<br />

nicht nach einem Raging Bull aussehenden<br />

Leuten, ist der junge Debellator und Sklave<br />

Collin, welcher drahtig, aber doch mit einigen<br />

Muskeln von der harten Arbeit gezeichnet,<br />

ruhig auf einer Decke kauert und stoisch<br />

zur Höhlenwand schaut.<br />

„Wir sollten hier abhauen. Die Ghostwalker<br />

machen ernst und werden erst aufhören,<br />

bis wir weg sind oder tot im Sand von<br />

Dingos angenagt werden. Doch die Bulls<br />

wollen es nicht sehen, dass die Wilden<br />

mehr wollen als nur alle zu töten. Die wollen<br />

dieses Land für ihren Gott. Ihr Weg ist<br />

zwar falsch und gefährlich, da sie sich noch<br />

immer an ihre Götter klammern, aber das<br />

Ziel ist das richtige.“<br />

Den Charakteren werden die vielen seltsamen<br />

Zeichnungen an den Höhlenwänden<br />

auffallen und spätestens wenn sie mit Collin<br />

sprechen, werden sie auf das Bild aufmerksam,<br />

das der junge Debellator die ganze Zeit<br />

mit seinen Augen fixiert, so dass er die Charaktere<br />

nicht einmal beim Gespräch anblickt.<br />

Es ist die verwaschene Zeichnung einer<br />

Schlange mit Flügeln, die über den Wolken<br />

zu schweben scheint. Sollte das die Gottheit<br />

sein, von der der junge Debellator geredet<br />

hat?<br />

5. Dämmerung<br />

Die Sonne sinkt unaufhörlich, während<br />

die Schatten länger werden und die Erde<br />

blutrot färben, als Vorbote einer blutigen<br />

Nacht. Als schließlich einer der Wachen<br />

plötzlich panisch ausruft. „DA! Er ist wieder<br />

da.“ Ein unbekannter Mann geht ruhig den<br />

Serpentinenweg hinunter. Seine Haut ist<br />

so schwarz wie verbranntes Holz, während<br />

sich die weißen Muster auf seiner Haut<br />

klar und deutlich abzeichnen. Lediglich ein<br />

Stück Stoff hat er um die Lenden geschwungen,<br />

während er sein Gewicht auf einen<br />

einfachen Holzstab abstützt und deutlich<br />

zu erkennen ist, dass er unbewaffnet ist.<br />

Schließlich bleibt er in der Nähe des Eingangs<br />

zum Depotschacht stehen, so dass<br />

man ihn gut sehen kann, und setzt an zu<br />

sprechen.<br />

„Dies unser Land. Bullen müssen gehen.<br />

Wir kommen im Namen von Ngalyod, der<br />

Schlange die den Himmel farbig macht<br />

und uns Wasser gibt. Ngalyods Zorn wird<br />

größer. Ihr müsst verschwinden, damit wir<br />

Ngalyod besänftigen. Wenn ihr nicht gehen.<br />

Wir werden kämpfen und euch vertreiben.<br />

Wir müssen Welt vor Ngalyod Zorn retten.<br />

Bullen müssen verstehen.“<br />

Nun können sich die Charaktere entscheiden<br />

was sie als Nächstes tun. Das Englisch<br />

des Ghostwalkers ist sehr gebrochen, so<br />

dass sich eine weiter führende Unterhaltung<br />

als schwierig erweisen könnte, aber nicht<br />

unmöglich ist, da der Ghostwalker wirklich<br />

versucht, die Minenarbeiter zu einem friedlichen<br />

Rückzug zu bewegen.<br />

Wäre es besser die Mine mit den Überlebenden<br />

nun vor Sonnenuntergang zu verlassen<br />

oder stellt man sich zum Kampf? Diese<br />

Frage stellt sich nun.<br />

Die Charaktere müssen abwägen, ob sie<br />

nun die Prämie der Rio Tinto Group einstreichen<br />

und die gestorbenen Bulls rächen oder<br />

klein bei geben, vielleicht der Einschätzung<br />

des Arztes recht geben oder vielleicht sogar<br />

über die Worte des Debellators und die<br />

Zeichnung nachdenken und die fette Prämie<br />

der Rio Tinto Group ausschlagen und die<br />

Ghostwalker gewähren lassen.<br />

Es ist an den Charakteren, die Weichen für<br />

die Zukunft zu stellen.<br />

6. Der Abzug<br />

Gesetzt den Fall, die Charaktere entscheiden<br />

sich für einen friedlichen Abzug, werden<br />

die Ghostwalker sie gewähren lassen, so<br />

dass sie unbehelligt die Miene mit einem der<br />

letzten noch halbwegs fahrtüchtig gemachten<br />

Fahrzeuge verlassen und die Verletzten<br />

abtransportieren können.<br />

Die Prämie können sie sich nun abschminken<br />

und der Gedanke, dass die Rio Tinto<br />

Group alles andere als erfreut sein dürfte,<br />

dass die Ranger Uranmine geräumt wurde,<br />

überschatten die Freude, aus diesem Hexenkessel<br />

noch einmal lebend entkommen zu<br />

sein.<br />

6.1 Anknüpfungspunkte<br />

Die Rio Tinto Group ist wirklich alles andere<br />

als erfreut über den Abzug der Arbeiter und<br />

macht die Charaktere dafür verantwortlich.<br />

Die geretteten Arbeiter legen aus diesem<br />

Grund schon vor dem Erreichen von Checkpoint<br />

den Charakteren nahe, am besten das<br />

nächste Schiff zu nehmen und Checkpoint so<br />

schnell wie möglich zu verlassen, ehe es sich<br />

die Rio Tinto Group überlegt die Charaktere<br />

als zusätzliche „freiwillige“ Arbeiter in einer<br />

anderen Mine einzusetzen als Schadensersatz<br />

für ihre Ausfälle in der Ranger Uranmine.<br />

Auf alle Fälle könnte der Name Rio Tinto<br />

Group noch für lange Zeit den Charakteren<br />

den Schlaf rauben und für einige Alpträume<br />

und Silencer, sorgen die den Charakteren auf<br />

Schritt und Tritt folgen.<br />

Man hätte es sich vorher überlegen sollen,<br />

sich mit der Rio Tinto Group einzulassen.<br />

7. Die Nacht<br />

Sollten die Zeichen auf Krieg stehen, wird<br />

der Kampf hart und dreckig und die Charaktere<br />

müssen sich einiges ausdenken, da die<br />

Ghostwalker ihrerseits ihre strategisch günstige<br />

Position am Kessel nutzen werden, um<br />

mit vergifteten Pfeilen und Blasrohren die<br />

Gegner langsam zu zermürben und einige<br />

durch Vergiftungen auszuschalten.<br />

Die Ghostwalker werden unter allen Umständen<br />

vermeiden, in den Nahkampf mit<br />

den Bulls zu gehen, da sie ausrüstungstechnisch<br />

immer noch die schlechteren Karten<br />

haben und erst einmal den Serpentinenweg<br />

hinunter in den Kessel bewältigen müssen,<br />

wo sie ein ideales Ziel abgeben würden.<br />

Sollte der Kampf nicht so recht in Gang<br />

kommen, so können die Ghostwalker durch<br />

einen geheimen Eingang in den Schacht eindringen,<br />

der in ein altes Höhlensystem mündet,<br />

das die Bulls nie erkundet haben, und<br />

so die Charaktere hinterrücks überraschen,<br />

während sie mit den Ghostwalkern am Kessel<br />

beschäftigt sind.<br />

Die Anzahl der Ghostwalker ist hierbei variabel,<br />

da der Kampf auf alle Fälle spannend<br />

gehalten werden soll.<br />

Sollten die Ghostwalker zu viele Verluste<br />

erleiden, werden sie sich schließlich zurückziehen.<br />

Die Ghostwalker haben sich sowieso<br />

auf eine längere Zermürbungstaktik eingerichtet<br />

(Werte der Ghostwalker im Anhang).<br />

8. Der nächste Morgen<br />

Langsam steigt der Feuerball zum Himmel<br />

empor, während ein sonniger Morgen die<br />

Grauen der letzten Nacht hinfort wischt<br />

und erste Lichtstrahlen in den Kessel wirft,<br />

die schließlich in den Depotschacht dringen.<br />

Die Charaktere haben tatsächlich die Nacht<br />

überlebt und können nun ihre Wunden ver-<br />

Abenteuer<br />

Seite 9


ANDUIN <strong>98</strong><br />

OPeration Rio Tinto<br />

sorgen und sich ein wenig<br />

ausruhen. Der nächste Angriff<br />

wird erst in der nächsten<br />

Nacht erwartet.<br />

Doch wollen sie wirklich<br />

bis zur nächsten Nacht und<br />

dem nächsten zermürbenden<br />

Kampf warten? Sollten<br />

die Ghostwalker durch<br />

den Hintereingang in den<br />

Schacht eingedrungen<br />

sein, ist ihre Lage dadurch<br />

alles andere als sicherer<br />

geworden.<br />

Die Charaktere können<br />

nun abermals abwägen,<br />

ob sie lieber abziehen<br />

oder bleiben wollen.<br />

Doch was ist mit den<br />

Ghostwalkern? Diese<br />

müssten sich ausruhen<br />

und ihre Verletzten versorgen<br />

und wenn sie jede<br />

Nacht angreifen, müsste<br />

ihr Versteck gar nicht so<br />

weit weg sein, so dass<br />

man dieses auch bei Tage<br />

angreifen könnte.<br />

Sollte keiner der Charaktere<br />

auf diese Idee<br />

kommen, so kann auch<br />

Rupert, der Minenarbeiter<br />

die Charaktere auf diese<br />

Möglichkeit stoßen.<br />

Durch die weiteren Verluste<br />

der Nacht, wird er<br />

den Charakteren jedoch<br />

nur 3 Leute mitgeben<br />

um sich um die Wilden<br />

zu kümmern, so denn die<br />

Charaktere auf seine Idee<br />

anspringen.<br />

Die Entscheidung liegt<br />

bei den Charakteren.<br />

(Sollten die Charaktere sich für den Abzug<br />

entscheiden, so gehen sie zu Abschnitt 6.)<br />

9. Mount Brockmann<br />

Die Sonne stieg mit jeder Stunde höher<br />

und erhitzte schnell den heißen Sand unter<br />

sich. Den Blutspuren konnten sie sehr gut<br />

folgen und als sie die Silhouette des Berges<br />

erkannten, der sich in der Nähe der Mine<br />

erhob, wussten sie, wohin die Ghostwalker<br />

geflüchtet waren.<br />

In der Stille der Mittagshitze erreichten<br />

sie schließlich den Schatten des Berges,<br />

während ein ausgetretener Weg ihnen den<br />

Seite 10<br />

weiteren Weg hinauf durch das Buschwerk<br />

und den roten Fels wies. Es dauerte nicht<br />

lange und sie rochen schließlich Rauch und<br />

hörten menschliche Stimmen und Kinderlachen.<br />

War es möglich? Hatten sie tatsächlich das<br />

Lager der Wilden entdeckt? Und waren da<br />

nicht auch Kinder?<br />

Die Charaktere könnten nun in einem<br />

Dilemma stecken. Sie hatten sich mit den<br />

Kriegern angelegt und nun lag vor ihnen das<br />

Lager mit einem ganzen Familienclan mit<br />

Frauen und Kindern. Konnten sie wirklich unschuldige<br />

Frauen und Kinder angreifen?<br />

Wenn sich die Charaktere noch einmal versichern<br />

wollen, so genügt eine erfolgreiche<br />

Probe auf Agilität + Heimlichkeit mit einer<br />

ZW gegen die 8 um sich anzuschleichen und<br />

eine Gruppe aus Kindern, Frauen, Alten und<br />

Verletzten angesichtig zu werden, in deren<br />

Mitte sich einige Krieger ausruhen und wahrscheinlich<br />

nicht einmal im Traum an einen<br />

Angriff denken würden.<br />

Ein letztes Mal wird ihnen die Entscheidung<br />

aufgelastet zu wählen. Es war eine Sache mit<br />

den angreifenden Kriegern zu kämpfen, aber<br />

nun liegen die Dinge ein wenig anders.<br />

Wie werden sich die Charaktere entscheiden?<br />

Die Ghostwalker haben nun, wo sie sich<br />

Abenteuer


Operation Rio Tinto<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

am Verwundbarsten zeigen, nicht die leiseste<br />

Chance.<br />

(Sollten die Charaktere sich für den Abzug<br />

entscheiden, so gehen sie zu Abschnitt 6.)<br />

9.1 Anknüpfungspunkte<br />

Sollten die Charaktere wirklich so wenig<br />

Skrupel haben und über den Familienclan<br />

herfallen, wird es ihnen die Rio Tinto Group<br />

danken und ihnen nach ihrer Ankunft in<br />

Checkpoint die versprochene Prämie geben.<br />

Die Minenarbeiter würden recht unterschiedlich<br />

auf so eine Geschichte reagieren.<br />

Einige arbeiten zwar hart für die Rio Tinto<br />

Group, hätten jedoch große Skrupel vor so<br />

einer Tat und würden die Charaktere nun in<br />

einem ganz anderen Licht sehen und auch so<br />

behandeln, obwohl die Charaktere eigentlich<br />

zur Rettung der Minenarbeiter kamen. Man<br />

hätte schließlich auch einfach so abziehen<br />

können.<br />

Die Produktion in der Ranger Uranmine<br />

kann mit der endgültigen Klärung des Problems<br />

schnell wieder aufgenommen werden<br />

und die Charaktere haben nun einen mächtigen<br />

Verbündeten in Form der Rio Tinto<br />

Group, den man nicht unterschätzen sollte.<br />

Doch wird sich das Gewissen der Charaktere<br />

irgendwann wieder melden und sich vielleicht<br />

in Form von Alpträumen und Schatten<br />

aus der Traumzeit rächen?<br />

Anhänge<br />

Dingo<br />

Der Dingo ist ein australischer Wildhund,<br />

der ausgewachsen bis zu 30 Kg schwer<br />

wird und vom Kopf aus über den gesamten<br />

Rumpf etwa 120cm misst. Im Normalfall ist<br />

der Dingo in einem Rudel zuhause, welches<br />

zwischen zehn und vierzig Tiere groß sein<br />

kann. Aus dem Rudel heraus bilden sich<br />

Jagdgemeinschaften, die sich um die Nahrungsversorgung<br />

kümmern. Vor der Naoh-<br />

Mutation fanden sich vor allem kleinere<br />

Nager auf dem Speiseplan der Tiere, in seltenen<br />

Fällen Kängurus. Heutzutage ist kein<br />

Lebewesen auf dem australischen Kontinent<br />

mehr vor den Dingos sicher. Die Jagdtaktiken<br />

der Tiere haben sich verändert und sind<br />

ausgeklügelter geworden. Zusätzlich sind<br />

Dingos bei annähernd gleicher Größe um nahezu<br />

50% schwerer geworden, wobei es sich<br />

bei der Gewichtszunahme größtenteils um<br />

Muskelmasse handelt. Dingos sind dadurch<br />

schneller, stärker und auch bisskräftiger geworden.<br />

Werte<br />

KR 3, AG 3, KO 3, IG 2, PS 1, AS 1<br />

VT 18, ST 9, RV 4, PV 16, MW 6, MAP 13 Aspektpunkte<br />

2<br />

Fertigkeiten<br />

Körperbeherrschung 3W6 + 7, Selbstbeherrschung<br />

1W6 + 5, Aufmerksamkeit 1W6 +<br />

6, Heimlichkeit 3W6 +4, Sinnesschärfe 1W6<br />

+10, Waffenloser Kampf 3W6 +8<br />

Bewaffnung / Angriffe<br />

Biss (Initiative +2 Treffsicherheit 3W6 + 10 /<br />

x2, Schaden 5)<br />

Rüstung<br />

Keine<br />

Mutationen / Spezialangriffe<br />

Mutierter Kiefer<br />

Die Kiefermuskeln und Knochenstruktur<br />

sind derart mutiert, dass der Dingo sehr viel<br />

kräftiger zubeißen und somit verheerenden<br />

Schaden anrichten kann. Er erhält einen Bonus<br />

von 1 auf den Schaden und 2 auf die Treffsicherheit.<br />

Mutiertes Muskelwachstum:<br />

Die Muskelfasern des Dingos sind mutiert.<br />

An fast allen Stellen des Körpers sind die<br />

Muskelstränge um ein vielfaches leistungsfähiger<br />

geworden. Der Dingo erhält einen Bonus<br />

von 1 auf die Attribute KR und AG.<br />

Spähtrupp<br />

Werte<br />

KR 3, AG 3, KO 2, IG 2, PS 2, AS 2<br />

VT 12, ST 6, RV 5, PV 15, MW 6, MAP 14,<br />

Aspektpunkte 3<br />

Fertigkeiten<br />

Athletik 3W6 +8, Aufmerksamkeit 2W6+4,<br />

Heimlichkeit 3W6+9, Körperbeherrschung<br />

3W6+6, Handwerk 3W6 +7 Nahkampfwaffen<br />

3W6+8, Schusswaffen 3W6 +8, Soziale Interaktion<br />

2W6 +3, Waffenloser Kampf 2W6 +4,<br />

Bewaffnung /Angriffe<br />

Kampfmesser (INI +1, TS 3W6+9 / x2, SCH<br />

2, VG 3W6+6)<br />

Karabiner 9mm (INI -1, TS 3W6+9 /x2, RW<br />

60/120/180,Ma: 5, Sch:8, Rüstungsbrechend<br />

2)<br />

Rüstung<br />

Splitterschutz (Schutzwert 5, Energieschutz<br />

2, Berhinderung-1 )<br />

Ghostwalker<br />

Region<br />

Australien<br />

Werte<br />

KR 2, AG 3, KO 2, IG 2, PS 2, AS 2<br />

VT 12, ST 6, RV 5, PV 11, MW 9, MAP 13, Aspektpunkte<br />

4<br />

Fertigkeiten<br />

Athletik 2W6 +2, Aufmerksamkeit 2W6+4,<br />

Empathie 2W6 +3, Heimlichkeit 3W6+9, Körperbeherrschung<br />

3W6+2 Nahkampfwaffen<br />

2W6+2, Projektilwaffen 3W6 +8, Selbstbeherrschung<br />

2W6 +3, Waffenloser Kampf<br />

2W6 +2, Wurfwaffen 3W6 + 8<br />

Bewaffnung /Angriffe<br />

Machete (INI +0, TS 2W6+2 / x1, SCH 5, VG<br />

2W6+1)<br />

Bumerang (INI +0, TS 3W6+8 /x1, RW<br />

10/20/30, SCH4)<br />

Langbogen (INI -1, TS 3W6+8 /x2, RW<br />

15/30/60, SCH 6)<br />

Rüstung<br />

Lederrüstung Schutzwert 2, Behinderung<br />

0 )<br />

Mutationen/Spezialangriffe/<br />

Besonderes<br />

Giftverstand: Ghostwalker tragen auf Pfeilspitzen<br />

und Klingen Gifte verschiedenster<br />

Arten auf. Eine Auswahl hierzu findet man im<br />

Kapitel 7 Katalog.<br />

Abenteuer<br />

Seite 11


ANDUIN <strong>98</strong><br />

SystemVorstellung<br />

Heredium<br />

Vom Mond, der Natur und Der NahrungsKette<br />

TEXT: ANdreas Schnell<br />

Heredium basiert auf einer fiktiven Realität,<br />

welche im Jahr 2200 angesiedelt ist.<br />

Die Welt wurde von umwälzenden Ereignissen<br />

gezeichnet, die nicht nur das Antlitz der<br />

Erde verändert haben, sondern auch das Verständnis<br />

der Menschen für sich selbst und<br />

ihre Umwelt. Heredium bietet somit nicht<br />

nur eine Möglichkeit, in einer durchaus vorstellbaren<br />

Zukunft zu spielen, sondern auch<br />

alle Höhen und Tiefen einer in sich gespaltenen,<br />

menschlichen Gesellschaft zu erleben.<br />

Dabei ist der Style postapokalyptisch, aber<br />

nicht düster, viel mehr positiv und mit dem<br />

Schimmer der Hoffnung versehen, mit den<br />

Zivilisationen, die sich aus den Trümmern der<br />

Vergangenheit erhoben haben, um etwas<br />

Neues, Besseres zu erschaffen. Dabei stehen<br />

viele Fragen offen, so zum Beispiel, ob es die<br />

Menschheit überhaupt verdient hat, weiterhin<br />

auf der Erde als Gast zu verweilen. Viele<br />

Situationen, die man in der Spielwelt von Heredium<br />

erleben wird, sprechen eine deutliche<br />

Sprache und schreien ein deutliches „Nein“<br />

in die Weite der entvölkerten Erde. Doch<br />

wenn die Menschheit eines gelernt hat, dann<br />

das, dass man bereit sein muss zu kämpfen,<br />

denn es geht um die letzte Chance und ein<br />

zweiter Platz wird nicht vergeben.<br />

Dabei ist es für den Spieler in Heredium einfach<br />

und vollkommen verständlich, warum<br />

die Dinge so sind wie sie sind. Warum? Es gibt<br />

so gut wie keine Unterschiede zwischen dem<br />

Spieler- und Charakterwissen. Der große Paukenschlag,<br />

das letzte Konzert, der Knall, die<br />

Katastrophe, wie immer man es auch nennen<br />

mag, wenn 90% der Weltbevölkerung mit einem<br />

Schlag in die ewigen Jagdgründe befördert<br />

werden und sich Kontinente verändern,<br />

dieser Moment ist erst zehn Jahre her. Die<br />

Charaktere wissen noch gut, wie es war, mit<br />

einer Tüte Chips vor der Glotze zu sitzen und<br />

Gott einen guten Mann sein zu lassen. Dinge<br />

haben sich schon vorher verändert, doch<br />

auch wenn die Menschheit erkannt hat, dass<br />

sie kämpfen muss, war sie vorher immer<br />

schon eines gewesen: ein Gewohnheitstier,<br />

dass erst zu seinem (Un-)Glück gezwungen<br />

werden musste. Veränderungen gab es<br />

schon vorher. Ankündigungen, dass es nicht<br />

mehr lange so weiter gehen wird, doch es<br />

Seite 12<br />

Die Erde und den Mond verbindet weitaus<br />

mehr, als eine helle Scheibe, die man ab und<br />

zu, des Nachts am Himmel sehen kann. Die<br />

Gezeiten sind nur ein Beispiel, wie eng der<br />

Erdtrabant mit dem blauen Planten verbunden<br />

ist. Als ob die Erde allein für die blinde<br />

Zerstörungswut der Menschen nicht mehr<br />

ausgereicht hätte, wird auch der Mond in<br />

Mitleidenschaft gezogen. Der dünn besiedelte<br />

Mond wird zerstört. Die Katastrophe,<br />

welche fortan als Mondfall in den Köpfen<br />

der Menschen eingebrannt bleibt, reduziert<br />

die weltweite Bevölkerung auf etwa 60 Millionen<br />

Menschen und verändert das Antlitz<br />

der Erde für immer. Der Mond wurde in Stücke<br />

gerisse und bleibt ab diesem Tag nur mit<br />

dem kümmerlichen Rest, was etwa die Hälfte<br />

der einstigen Größe ausmacht, am Himmelszelt<br />

bestehen. Die Erde wird aus ihrer Umlaufbahn<br />

entrückt, ein Regen aus Trümmern<br />

richtet Zerstörungen an, die der Mensch niehat<br />

niemanden interessiert, genau so wenig<br />

wie es in unserer heutigen Gesellschaft die<br />

Menschen interessiert, was in 20 oder 30 Jahren<br />

passiert. Das ist gut so, denn die Menschheit<br />

hat auch gelernt, dass man mit seinen<br />

eigenen Energiereserven sparsam umgehen<br />

muss, nur so gewinnt man den großen Jackpot,<br />

der noch vor einigen Jahrtausenden darin<br />

bestand, der tollste Mammutjäger zu sein<br />

und die gebärfreudigste Frau an den Haaren<br />

in die Höhle zu zerren. Und wenn sich etwas<br />

noch langsamer verändert als die Einstellung<br />

der Menschen zu ihrer Umwelt, so sind das<br />

die genetischen Informationen, die durch<br />

tausende Generationen hindurch an uns vererbt<br />

worden sind.<br />

Zurück zu den umwälzenden Ereignissen:<br />

es gab da zum Beispiel einen brillanten Wissenschaftler,<br />

der im Jahre 2055 ein Verfahren<br />

entwickelt hatte, das Schadstoffe aus der Luft<br />

filterte und das was niemand für möglich gehalten<br />

hatte, funktionierte doch tatsächlich.<br />

„Super“, dachten sich die Menschen. „Können<br />

wir weiterhin die Umwelt verpesten.“<br />

Leider wurde so viel Engagement, so viel<br />

Voraussicht, vielleicht aber auch so viel Dekadenz<br />

bestraft und für die restlichen Jahre, bis<br />

hin zu einer Katastrophe, die noch viel größer<br />

sein sollte, stand der Name Dr. Liun Tse<br />

Naoh für die Hölle auf Erden. Aufgrund von<br />

Nebenwirkungen dieses Verfahrens mutierte<br />

die Flora und Fauna auf der Erde so extrem,<br />

dass Millionen von Menschen starben. Wälder<br />

wuchsen mit irrsinniger Geschwindigkeit,<br />

schneller als man sie roden konnte. Tiere<br />

wurden schneller, größer und intelligenter,<br />

und es begann ein Prozess, der als die Naoh-<br />

Mutation in die Geschichte einging. Diese<br />

Mutation sorgte dafür, dass die Menschheit<br />

ihren Platz an der Spitze der Nahrungskette<br />

verlor und zwar an etwas, dass sie vormals<br />

bis aufs Blut bekämpft hatte: Die Natur.<br />

Die Menschen zogen sich Stück für Stück<br />

zurück. Verständlich, denn wer hat schon<br />

große Lust sich von einem Bären verspeisen<br />

zu lassen, der einen theoretisch auch noch<br />

in einer Partie Schach schlagen könnte? Ein<br />

anderer Prozess, der schon sehr viel länger<br />

an den Grundpfeilern der Menschheit genagt<br />

hatte, beschleunigte sich nun: die Abhängigkeit<br />

von der Technik.<br />

Knapp 80 Jahre später, der Kalender zeigt<br />

mittlerweile das Jahr 2130 an, passiert dann<br />

das, was der Menschheit mindestens genau<br />

so zu schaffen machte wie die Naoh-Mutation:<br />

der Mensch war nicht mehr der einzige,<br />

intelligente Zweibeiner. Da wagte es doch<br />

tatsächlich jemand, später kennt man sie unter<br />

dem Namen Debellatoren, die Krone der<br />

Schöpfung dem homo sapiens einfach vom<br />

Kopf zu reißen. Ein gesellschaftlicher Konflikt,<br />

wie er bisher nie da gewesen war, entzweite<br />

die Menschheit von innen heraus. Menschen,<br />

die sich selbst nicht mehr als solche bezeichneten,<br />

zweifelten all das an, was seit der Zeit<br />

des römischen Kaiserreiches so mühevoll<br />

aufgebaut wurde: Wut, Hass, Dekadenz und<br />

Zerstörungswut. Bis zu dem Zeitpunkt als<br />

niemand mehr über solche Dinge nachdenken<br />

konnte, nämlich im Jahr 2190, als die bisher<br />

größte Katastrophe über die Menschheit<br />

hereinbrach, konnte dieser blutige Konflikt<br />

nicht beendet werden und er schwelt noch<br />

im Jahre 2200 wie ein unterdrücktes Feuer,<br />

dass jederzeit wieder ausbrechen kann.<br />

Mai 2009


Systemvorstellung<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

mals für möglich gehalten hätte. Doch das<br />

Potpourri aus Katastrophen reißt nicht ab:<br />

Erdbeben, Überschwemmungen und Stürme<br />

fegen über die Erde und zerstören so<br />

gut wie alles, was jemals von menschlicher<br />

Hand erbaut worden ist.<br />

Der Mensch hatte sich seit der Naoh-Mutation<br />

in die Ballungszentren, die Burgen<br />

der Technik, zurückgezogen. Nun wurde<br />

ihm mit einem Schlag alles genommen:<br />

Technik, Sicherheit, Freunde und Familie.<br />

Konnte man sich vor dem Mondfall noch<br />

in einer trügerischen Sicherheit wähnen,<br />

wurde auch diese Illusion zerstört. Mensch<br />

und Tier prallen wieder aufeinander und<br />

der Mensch, der zwischenzeitlich in das<br />

untere Mittelfeld der Nahrungskette abgerutscht<br />

ist, muss sich damit abfinden, mehr<br />

Gejagter denn Jäger zu sein.<br />

Als Charakter in der Spielwelt von Heredium<br />

ist man in die Zivilisationen und Gruppierungen<br />

eingebettet, die entweder aus<br />

den Trümmern der Katastrophe entstanden<br />

sind oder sich aber, wie beispielsweise<br />

die Debellatoren, schon vorher herauskristallisiert<br />

haben. Dabei unterscheidet sich<br />

jede einzelne Zivilisation nicht nur in ihrer<br />

Ideologie, sondern auch in der Technik die<br />

sie benutzen kann oder will, ohne jedoch<br />

so weit voneinander entfernt zu sein, dass<br />

sie nicht miteinander kooperieren können<br />

oder vielleicht sogar müssen. Abseits aller<br />

Versuche einer neuen Zivilisationsbildung<br />

streifen auch Nomaden durch die gefährlichen<br />

Dschungel oder Steppen, aus denen<br />

die Erde im Jahre 2200 besteht. Als spielbarer<br />

Charakter befindet man sich im Falle<br />

des Nomaden jenseits der neuen Zivilisationen,<br />

ist nicht darin eingebunden, kann<br />

aber dennoch auf die eine oder andere<br />

Weise mit ihnen verknüpft sein.<br />

Was wären die Menschen, vor allem aber<br />

die Charaktere, ohne das besondere Etwas,<br />

ohne die Prise Salz in der Suppe, kurz<br />

gesagt: ohne besondere Kräfte? Die Frage<br />

mag jeder für sich beantworten, doch die<br />

Erde ist so gefährlich geworden, dass wir<br />

es nicht verantworten konnten, Charaktere<br />

in ihr auszusetzen, die sich nicht ihrer<br />

Haut wehren können. So bilden Mutationen,<br />

Psi-Kräfte, Ektoware, Stimulanzien<br />

und Nanitenwunder ein feines Sahnehäubchen,<br />

mit dem das Spielen noch eine Spur<br />

leckerer wird.<br />

Durch das Betteln und Flehen der vielen<br />

einsamen Würfel, die in Bechern und Beuteln<br />

dahin vegetierten, kamen wir auch<br />

nicht darum herum, ein Regelsystem zu<br />

entwerfen, welches den Gebrauch selbiger<br />

fördert. Da wir jedoch Freunde einfacher<br />

geometrischer Formen sind, haben wir<br />

uns dazu entschlossen, lediglich sechsseitige<br />

Würfel in die Welt von Heredium einzuladen.<br />

Damit es nicht zu unübersichtlich<br />

wird, reichen sogar vier Stück davon aus.<br />

Das Regelsystem ist so einfach wie es effektiv<br />

ist. Es soll das Rollenspiel unterstützen,<br />

es aber nicht kontrollieren. Hier steht<br />

in jedem Fall Simplizität vor Komplexität<br />

und dennoch lassen sich damit die allermeisten<br />

Situationen abdecken, in die man<br />

als Spieler oder Spielleiter kommen kann.<br />

Es soll gut genug sein um den Ansprüchen<br />

von Rollenspielveteranen zu genügen, jedoch<br />

auch einfach genug, um Neulingen<br />

keine Steine in den Weg zu legen. Eigentlich<br />

ist es so wie die Welt von Heredium:<br />

Geradeheraus, schnell und tödlich.<br />

Willkommen im Jahre 2200, willkommen<br />

bei Heredium.<br />

Veranstaltungshinweis<br />

Endlich ist es wieder soweit! Das Scheibenwelt-Fest<br />

2009:<br />

Feiert Eine Tolle Tsusammenkunft (kurz<br />

F.E.T.T.)<br />

heißt es diesmal, wenn wir auf einer echten<br />

Burg mit den Bewohnern und Besuchern<br />

der Unsichtbaren Universität „Des Zauberers<br />

Entschuldigung“ zelebrieren. Wieder<br />

versammeln sich mehr als zweihundert<br />

Scheibenwelt-Fans auf einem Haufen – es<br />

gibt Vorträge, Spiele und Shows rund um<br />

die flachste aller Welten – lasst auch ihr<br />

euch verzaubern?<br />

Prima, dann hätten wir da was für euch:<br />

Das Scheibenwelt-Fest 2009 vom 14.08. -<br />

16.08.09 auf der Burg Bilstein, zwischen<br />

Hagen und Siegen, bietet all das und Vieles<br />

mehr!<br />

- Kostet echtes Scheibenwelt-Essen!<br />

- Erlernt Schwertkampf und Mittelaltertanz,<br />

lauscht Liedern von der Scheibenwelt…<br />

- Probiert Scheibenwelt-Brett-, Karten- und<br />

Rollenspiele!<br />

- Bastelt euren eigenen Igor und lernt wie<br />

man aus altem Leder Neues schafft!<br />

- Diskutiert, lacht, trinkt und tanzt mit anderen<br />

Scheibenwelt-Fans!<br />

- Löchert Ehrengäste mit euren Fragen!<br />

- Und damit treiben wir uns selbst in den<br />

Ruin!<br />

Neugierig geworden? Dann besucht uns<br />

unter www.scheibenwelt-convention.de<br />

Die Anmeldung läuft! Alle Informationen,<br />

Preise, Wegbeschreibung, Fahrgemeinschaften<br />

und Kostümideen findet ihr über<br />

diese Seite! Noch mehr Fragen? Kommt in<br />

den Chat oder ins Fest-Forum!<br />

Mai 2009 Seite 13


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Hintergrund<br />

Nach dem Ende<br />

Eine Übersicht Über Postapokalyptische Settings<br />

TEXT: Benedikt Heck<br />

Dieser Artikel befasst sich weniger mit der<br />

Endzeit als vielmehr mit dem, was danach<br />

kommt, mit post-apokalyptischen Settings<br />

für Rollenspielkampagnen. Obwohl so ziemlich<br />

alles abgedeckt sein sollte, erhebt er<br />

keinen Anspruch darauf, dass sich jede Idee<br />

in eine der nachfolgenden Kategorien einordnen<br />

ließe, geschweige denn eindeutig. Er<br />

soll dem Aufzeigen möglicher Optionen dieses<br />

reichhaltigen Genres dienen. Einem Genre<br />

bei dem oft schon das nackte Überleben<br />

kompliziert genug ist, um seine Abenteuer<br />

darum zu spinnen.<br />

Allgemeines<br />

Unter einem post-apokalyptischen Setting<br />

verstehe ich eine Dystopie, in der die vorige<br />

Welt durch eine große Katastrophe oder<br />

eine Reihe von Katastrophen beinahe völlig<br />

zerstört wurde. Ein bisschen etwas muss natürlich<br />

noch vorhanden sein, sonst hätte man<br />

kein Material mehr für eine Kampagne.<br />

Die meisten post-apokalyptischen Settings<br />

gehen von unserer heutigen Welt aus, spielen<br />

aber in der Zukunft, wo sie weitgehend<br />

zerstört wurde. Eine Fantasy-Welt oder ein<br />

Planet eines interstellaren Imperiums können<br />

aber genauso verheert werden, wie auch<br />

unser Mittelalter. Auf unserer jetzigen Welt<br />

basierende Settings dürften den größten Eindruck<br />

auf Spieler machen, weil das Bekannte<br />

zerstört wird. Die naheliegendste Alternative<br />

ist daher eine andere bekannte Welt als Basis<br />

heran zu ziehen (Aventurien im 13. Zeitalter).<br />

Möglicherweise sind sich die Bewohner<br />

nicht einmal bewusst, die Überreste einer<br />

einst großen Zivilisation zu sein, besonders,<br />

wenn die Katastrophe schon lange her ist.<br />

Andererseits kann aber auch die Katastrophe<br />

selbst unbekannt sein. So könnten die SC eines<br />

Tages aufwachen und feststellen, dass<br />

alle Menschen außer ihnen und vielleicht ein<br />

paar anderen verschwunden sind.<br />

Dem post-apokalyptischen Genre ist in der<br />

Regel eine gewisse Depressivität inhärent.<br />

Das muss aber nicht unbedingt bedeuten,<br />

dass die Leute alle verzweifelt sind. Auch eine<br />

„Wir haben es überstanden!“-Einstellung ist<br />

möglich. „Es gibt viel zu tun, also packen wir<br />

es an!“ Manch einer sieht der Untergang der<br />

Seite 14<br />

alten Welt vielleicht sogar als Chance eine<br />

neuere, bessere zu schaffen.<br />

Oft spiegelt jedoch die verkommene Moral<br />

der Einwohner den Zustand ihrer zerstörten<br />

Welt wieder.<br />

Nach einiger Zeit werden sich neue Strukturen<br />

bilden, vermutlich recht archaische,<br />

wie etwa Gruppen in der Art von Stämmen.<br />

Die neu entstehenden Gruppen werden<br />

wahrscheinlich nach dem anfänglichen Chaos<br />

auch Regeln aufstellen. Aufgrund der harten<br />

Umgebung sind harte Strafen anzunehmen.<br />

Auch Regeln die im Zusammenhang mit der<br />

Katastrophe stehen sind sicherlich denkbar.<br />

Entweder solche, die an die veränderte Situation<br />

angepasst sind, z.B. um Trinkwasser<br />

schützen, wenn durch die Katastrophe fast<br />

alles Wasser vergiftet wurde, oder auch<br />

gänzlich sinnlose Regeln. Gerade wenn der<br />

Weltuntergang schon sehr lange her ist, kann<br />

er leicht einen mystischen, religiösen Charakter<br />

bekommen, nicht anders als für uns die<br />

Sintflut. Und es können Regeln befolgt werden,<br />

die früher mal einen Sinn ergaben, mittlerweile<br />

aber schon längst nicht mehr.<br />

Was eine post-apokalyptische Welt von<br />

einer unterscheidet die einfach direkt so ist,<br />

sind Relikte. Das können Gegenstände oder<br />

ganze Gebäude, nur Geschichten oder wenn<br />

das große Unglück noch nicht allzu lange her<br />

ist, sogar Personen sein, die noch aus der früheren<br />

Welt stammen. Ist die zerstörte „Basiswelt“<br />

bekannt und kein Fantasieprodukt,<br />

gibt es bei Relikten auch einen Wiedererkennungseffekt<br />

(wie die Freiheitsstatue beim<br />

Planeten der Affen).<br />

Manchmal ist ein Relikt eine Oase des<br />

Glücks, ein kleiner Rest der früheren, vergleichsweise<br />

paradiesischen Welt, die meist<br />

geheim und sagenhaft ist. Eine solche Oase<br />

kann natürlich auch neu geschaffen und kein<br />

Überbleibsel sein.<br />

Liegt die Katastrophe noch nicht lange zurück,<br />

ist die Chance hoch, dass noch reichhaltig<br />

Relikte vorhanden sind. Verbrauchsgüter<br />

werden ohne Nachschub jedoch rasch zu<br />

Seltenheit. Da der Zusammenbruch der Zivilisation<br />

leicht zu Anomie und dem Recht des<br />

Stärkeren führt gilt das auch und insbesondere<br />

für Munition. Gebrauchsgegenstände<br />

und Gebäude halten länger, aber auch nicht<br />

für immer. Das kann soweit führen, dass<br />

jemand der eine Pistole besitzt und damit<br />

umgehen kann allein dadurch schon zu einer<br />

lebenden Legende wird und degenerierte<br />

Mutanten eine Tankstelle als heilige Kultstätte<br />

ansehen.<br />

Letzteres Beispiel zeigt zwei weitere Dinge<br />

auf. Einmal, dass selbst wenn bestimmte Relikte<br />

noch vorhanden sind, ihr Sinn und ihre<br />

Funktionsweise in Vergessenheit geraten<br />

können. Dies kann natürlich eine Ursache<br />

für oben erwähnte sinnfreie Regeln sein.<br />

Ein Beispiel dafür wäre, wenn beim Geheul<br />

Jahrhunderte alter Sirenen ein Stamm einen<br />

bestimmten Ort aufsucht. Früher war es der<br />

Bombenalarm, doch schon lange gibt es keine<br />

Flugzeuge mehr und es ist nur eine Fehlfunktion<br />

oder gar ein hinterhältiger Feind,<br />

der die Sirenen aktiviert.<br />

Andererseits wird deutlich, dass Überbleibsel<br />

der Vergangenheit häufig in jetzige Dinge<br />

eingebunden werden. Ganz profan, wie<br />

wenn Maschinen ausgeschlachtet werden<br />

um neue (meist primitivere) zu konstruieren,<br />

oder auf einer kulturellen Ebene. Man kann<br />

sich leicht vorstellen, dass die Mona Lisa, die<br />

bei der Katastrophe gut geschützt wurde,<br />

im nächsten Zeitalter, in dem man Kunst als<br />

Unsinn ansieht, als das Abbild einer Gottheit<br />

betrachtet wird. So können die Relikte in<br />

einer neuen Gesellschaft sehr merkwürdige<br />

Positionen einnehmen.<br />

Es sei auch erwähnt, dass Relikte exzellente<br />

in-game-Belohnungen abgeben. Aus einer<br />

Zeit stammend in der Wirtschaft und Industrie<br />

blühten bzw. überhaupt existierten, können<br />

Relikte Dinge sein, die man im Setting<br />

keinesfalls herstellen kann. Aber selbst wenn<br />

es nichts wirklich Nützliches ist, können sie<br />

bei entsprechender Seltenheit einen großen<br />

Wert haben. Zumindest als eine Erinnerung,<br />

eine an bessere Zeiten oder aber eine Mahnung<br />

an das was schief gelaufen ist.<br />

Kosmische<br />

Katastrophe<br />

Ein Asteroideneinschlag kann ganze Landstriche<br />

zerschmettern, eine Feuerwand um<br />

den Globus jagen, gewaltige Erdbeben und<br />

Mai 2009


Hintergrund<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Flutwellen verursachen und den Himmel für<br />

Jahre mit Staub verdunkeln. Die Auswirkungen<br />

sind sehr unterschiedlich je nach seiner<br />

Beschaffenheit, Geschwindigkeit, wo und in<br />

welchem Winkel er aufschlägt, so dass man<br />

hier eine glaubwürdige Methode für eine<br />

Vielzahl von Szenarien hat.<br />

Es geht auch dezenter, z.B. durch eine<br />

Bahnstörung der Erdumlaufbahn. Die kann<br />

zu starken Klimaveränderungen führen.<br />

Es kann sehr heiß werden mit gefährlicher<br />

Strahlung von der Sonne, oder es kommt zu<br />

einer Eiszeit nie da gewesener Härte.<br />

Die kosmischen Katastrophen sind in der<br />

Regel lange Zeit vorher absehbar, d.h. man<br />

wird sich auf sie vorbereiten. Es werden vielleicht<br />

große unterirdische Anlagen gebaut,<br />

um sich darin zu verstecken. Und es wird vermutlich<br />

zu großen Flüchtlingsmengen kommen.<br />

Bei einem Asteroideneinschlag werden<br />

die Menschen natürlich möglichst weit weg<br />

von dem Aufschlagpunkt kommen wollen.<br />

Aber wenn es zu einer Flutwelle kommt ist<br />

auch Höhe ein großer Vorteil. Bei Klimaveränderungen<br />

wird man in solche geographischen<br />

Zonen fliehen wollen, in denen auch in<br />

Zukunft die Temperatur noch erträglich ist.<br />

Ein titanisches Desaster bei einem magischen<br />

Experiment könnte ähnliche Auswirkungen<br />

haben, aber ist vermutlich nicht so<br />

lang vorhersehbar.<br />

Nuklearer<br />

Holocaust<br />

Ein Atomkrieg (oder ein Zaubererkrieg)<br />

kann ganz ähnliche Auswirkungen wie ein<br />

Asteroideneinschlag haben nur eher wie ein<br />

Schwarm kleiner Asteroiden. Die Vorwarnzeit<br />

ist in der Regel aber sehr viel kürzer, sodass<br />

zumindest die breite Masse kaum Maßnahmen<br />

ergreifen kann (für hochrangige Personen<br />

dürfte für gewöhnlich ein komfortabler<br />

Bunker vorhanden sein).<br />

Mai 2009<br />

Ein zusätzliches Problem ist auch die Verstrahlung,<br />

die einen langsam verenden lassen<br />

kann. Klassischer weise erzeugt sie auch gefährliche<br />

Mutanten, die Jagd auf Menschen<br />

machen. Comics lehren uns zwar, dass Strahlungsmutationen<br />

zu Superkräften führen<br />

können, ohne dass sich sonst irgendein Makel<br />

ergibt, jedoch passt das meistens nicht zu<br />

einem post-apokalyptischen Setting.<br />

Auch nach der Katastrophe besteht wahrscheinlich<br />

ein großer Hass auf den früheren<br />

Gegner. Vielleicht aber auch auf die Verantwortlichen,<br />

also Politiker, Militärs, Zauberer,<br />

etc.<br />

In einem solchen Setting wäre das auftauchen<br />

von Restbeständen nuklearer Waffen/<br />

zerstörerischer Zauberformeln nahe liegend<br />

und würde sich organisch einfügen.<br />

Infektion<br />

Eine häufige Variante dieser Kategorie sind<br />

Zombies. Irgendetwas das Menschen transformiert,<br />

in etwas das dem Menschen schadet.<br />

Es können aber außerirdische Parasiten,<br />

Geister, die von Personen Besitz ergreifen<br />

können oder mystischer Nebel der wahnsinnig<br />

macht sein. In einer solchen Welt ist<br />

es oft nahezu unmöglich anderen zu trauen.<br />

Selbst andere SC stellen immer eine potentielle<br />

Gefahr dar. Aber auch wenn man weiß,<br />

dass jemand transformiert wurde, kann man<br />

leicht moralische Bedenken haben, gegen<br />

diese Vorzugehen – vor allem wenn eine<br />

Rückverwandlung möglich ist/scheint. Die<br />

Suche nach einer Möglichkeit Rückverwandlung<br />

zur ist neben dem eigenen Überleben<br />

das offensichtliche Ziel. Und es hält auch die<br />

Option zu einem richtigen Happy End bereit.<br />

Je nach dem wie viele Menschen infiziert<br />

und wie viele gestorben sind, kann bei einem<br />

günstigen Verhältnis die Apocalypse sogar<br />

größtenteils rückgängig gemacht werden.<br />

Monster<br />

Es kann selbstverständlich auch externe<br />

Feinde geben, die nie Menschen waren. Killerroboter,<br />

außerirdische Invasoren, Sternengezücht<br />

aus R‘lyeh oder Dämonen sind einige<br />

Beispiele. Earthdawn wäre ein Beispiel für<br />

ein solches Setting, und auch eins für ein sehr<br />

hoffnungsvolles. Dort kommt es alle paar<br />

tausend Jahre zu einer so genannten Plage,<br />

bei der dämonische Schrecken, die sich von<br />

Leid ernähren, auf die Welt kommen. Die intelligenten<br />

Wesen verstecken sich zu dieser<br />

Zeit in Kaers, magisch geschützten Höhlen,<br />

um dort das Ende der Plage abzuwarten. Bei<br />

dem Spiel schwächt sich die Plage zwar ab,<br />

hört aber nicht wie vorgesehen auf, so dass<br />

sich schließlich die ersten Wagemutigen dennoch<br />

herauswagen.<br />

Die äußere Bedrohung kann die Menschen<br />

eng zusammen schweißen, sie aber andererseits<br />

auch misstrauisch machen, falls es Menschen<br />

gibt, die mit den Monstern zusammen<br />

arbeiten oder getarnte Monster. Um nochmal<br />

Earthdawn heran zu ziehen: Dort arbeiten intelligente<br />

Wesen recht oft mit den Dämonen<br />

zusammen, diese erhalten dann ein Mal des<br />

Dämons das unter anderem bewirkt, dass sie<br />

nichts Schönes schaffen können. Daher zwingen<br />

die Leute Fremde oft eine Kunst, die sie<br />

beherrschen, auszuüben, um zu beweisen,<br />

dass sie nicht mit einem Dämon im Bunde<br />

sind. Bei „Terminator“ setzen die Menschen<br />

Hunde ein, um Androiden-Attentäter aufzuspüren.<br />

Trotzdem wird das Misstrauen, wenn die<br />

Monster nicht über solche erstaunliche Fähigkeiten<br />

wie Instant-Gehirnwäsche verfügen,<br />

nicht auf das Maß der Infektionsapokalypse<br />

steigen. Und selbst dann eher nicht, denn<br />

Spieler wissen, dass Spielleiter meist darauf<br />

verzichten sich allzu sehr in die Gedankenwelt<br />

der SCs einzumischen – bei der Infektion<br />

hat er ja aber manchmal „keine Wahl“ und<br />

diese Bedrohung ist durch das Setting schon<br />

deutlich vorgegeben.<br />

Ähnlich wie bei der Infektionsvariante gibt<br />

es bei den Monstern evtl. eine Chance auf<br />

eine Art Happy End, indem man die Monster<br />

einfach vertreibt oder ausrottet. Da die Opfer<br />

aber nicht rückverwandelt werden können,<br />

kann es kein ganz so positives Ende geben.<br />

Tatsächliche<br />

Apokalypse<br />

Man kann auch die ursprüngliche Akokalypse<br />

heranziehen – „Die Offenbarung“. Das<br />

Weltenende verursacht durch Gott selbst.<br />

Das scheint zunächst sehr endgültig, aber<br />

auch hier gibt es Möglichkeiten. Gott könnte<br />

nur „die Gerechten“ in den Himmel erretten<br />

und die Sünder auf der Erde lassen. Vielleicht<br />

wird die Erde dann allein durch die zurückgelassenen<br />

Menschen immer mehr zu einem<br />

höllischen Ort, vielleicht wandeln aber auch<br />

wirklich Teufel in Menschen- oder anderer<br />

Gestalt über die Erde. Vielleicht tut sich die<br />

Erde auf, die Flüsse werden zu Blut und Feuer<br />

regnet vom Himmel, vielleicht verschwinden<br />

„die Gerechten“ aber auch einfach spurlos<br />

und weiter geschieht nichts. Möglicherweise<br />

bringt diese Apokalypse auch für die auf der<br />

Erde zurückgebliebenen eine Art Unsterblichkeit<br />

mit sich, als Untote oder ruhelose<br />

Geister.<br />

Die SC könnten Engel oder fromme Menschen<br />

sein, die anderen helfen wollen in den<br />

Himmel zu gelangen, oder aber Sünder die<br />

es selbst versuchen, oder doch noch auf der<br />

Erde einigermaßen zurecht zu kommen.<br />

Ein göttliches Eingreifen ist eine elegante<br />

Möglichkeit für eine saubere Apokalypse,<br />

also so eine in der die Menschen einfach<br />

verschwinden ohne dass Gebäude, Straßen<br />

und Produktionsstätten vernichtet werden<br />

würden.<br />

Ein Rollenspiel zu dieser Thematik ist Der<br />

letzte Exodus, was aber doch eher Endzeit ist<br />

als post-apokalyptisch.<br />

Seite 15


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Hintergrund<br />

Gesellschaft -<br />

licher Verfall<br />

Diese Kategorie deckt die Kombination einer<br />

Vielzahl von Katastrophen ab, die sich gegenseitig<br />

verstärken und neue hervorrufen,<br />

was zum Kollaps der Zivilisation führt. Sie<br />

ist recht unspektakulär aber wahrscheinlich<br />

auch die realistischste Variante. Verheerende<br />

Kriege und Krankheiten, Ressourcenknappheit<br />

und Umweltkatastrophen, sowie meist<br />

ein genereller auch ethischer Verfall der Gesellschaft.<br />

Die Länder die von den Kriegen<br />

gebeutelt werden oder schlicht besonders<br />

arme Länder werden vermutlich Flüchtlingsströme<br />

ausspeien, die mit harten Gegenmaßnahmen<br />

beantwortet werden.<br />

Dieses Setting bietet einen sehr weichen<br />

Übergang zwischen normaler und post-apokalyptischer<br />

Welt.<br />

Schleichendes<br />

Ende<br />

Es kann zu einer Seuche oder etwas ähnlichem<br />

kommen, dass recht langsam ist aber<br />

(fast) nicht aufzuhalten. Die Auswirkungen<br />

können der Tod sein oder etwas anderes<br />

Dezimierendes wie Unfruchtbarkeit. Diese<br />

Kategorie ist am ehesten noch Endzeit, aber<br />

eine so lang gezogene, dass sie einem schon<br />

wie nach dem Ende vorkommt. Sie kann äußerst<br />

hoffnungslos sein, aber andererseits<br />

auch wie eine Utopie scheinen, bei der der<br />

schleichende Untergang nur wenigen bekannt<br />

oder klar ist. Ansonsten kann die extreme<br />

Aussichtslosigkeit sich leicht in Gewalt<br />

gegen andere oder sich selbst äußern.<br />

Filmempfehlungen<br />

Es gibt zahlreiche Filme, die für ein postapokalyptisches<br />

Setting als Inspiration dienen<br />

können. Einige möchte ich Euch hier ans<br />

Herz legen:<br />

Mad Max 1-3<br />

Die post-apokalyptischen Streifen schlechthin.<br />

Gehört zur Kategorie gesellschaftlicher<br />

Verfall mit einem großem Weltkrieg um Ölreserven.<br />

Der Verfall schreitet von Teil zu Teil<br />

voran, primitive Waffen lösen moderne ab.<br />

Planet der Affen<br />

Für eine post-apokalyptische Welt bei der<br />

die Bewohner nichts davon ahnen. Die spärlichen<br />

Relikte sind drei Männer und der Kopf<br />

der Freiheitsstatue.<br />

Dawn of the Dead<br />

Für einen kurzen Zeitraum direkt nach der<br />

Katastrophe. Mit Zombies.<br />

I am Legend-Verfilmungen<br />

Dreimal dieselbe Infektionsidee, aber in<br />

unterschiedlichen Varianten. In „Last man<br />

on earth“ verwandeln sich die Menschen in<br />

tumbe Monster, aber einige auch in Quasi-<br />

Menschen, die der Protagonist jedoch ebenso<br />

tötet. In „Omega Man“ werden alle zu<br />

mörderischen Anti-Technologie-Kultisten.<br />

In „I am Legend“ werden die Menschen zu<br />

agressiven und primitiven, aber doch nicht<br />

geistlosen Wesen.<br />

Children of Men<br />

Ist ein sehr anschauliches Beispiel für einen<br />

Schleichenden Verfall. Es werden aus unbekannten<br />

Gründen keine Kinder mehr geboren.<br />

Die Menschen sehen sich ohne Zukunft.<br />

Offensichtliche Abenteueridee inklusive: Ein<br />

Mädchen wird doch schwanger, aber droht<br />

zum Spielball politischer Interessen zu werden.<br />

Wall-E<br />

Zeigt, dass post-apokalyptisch auch lustig<br />

sein kann. Ein Müllbeseitigungsroboter ist<br />

das letzte Wesen auf der Erde. Die verkümmerten<br />

Menschen leben auf einem riesigen<br />

Kreuzfahrtraumschiff.<br />

Waterworld<br />

Für eine durch Klimaveränderungen überflutete<br />

Welt. Irgendwo gibt es aber das sagenhafte<br />

Dry Land, den letzten trockenen<br />

Fleck.<br />

Logan‘s Run<br />

Eine Utopie mit düsteren Seiten, die sich<br />

als post-apokalyptisch herausstellt, was für<br />

den Zuschauer recht einfach zu erkennen ist,<br />

nicht aber für die unwissenden Einwohner.<br />

Die Menschen leben in Kuppelstädten und<br />

ihr Computerherrscher verhindert, dass sie<br />

sie verlassen. Früher war dies sinnvoll, weil<br />

man außerhalb nicht überleben konnte, mittlerweile<br />

besteht aber draußen keine Gefahr<br />

mehr: eine sinnlose Regel.<br />

Seite Seite 16 16<br />

Abenteuer Mai 2009


Die Oase von Shadrya<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Die Oase von Shadrya<br />

Ein universelles Fantasyabenteuer<br />

Text: Tobias Looschelders<br />

Idee: Yvonne, Nicolas und Phillip Bergmann, Tobias Looschelders<br />

Zeichnung: Tristan Denecke<br />

Vorwort<br />

Dieses Abenteuer entstand innerhalb eines<br />

Workshops auf der KingCon im Februar<br />

in Duisburg. Meine Idee dabei war es, die<br />

Möglichkeiten eines Workshops einmal voll<br />

auszunutzen und etwas vom häufig anzutreffenden<br />

Vorlesungscharakter wegzukommen.<br />

Ich wollte damit die größere Kreativität einer<br />

Gruppe nutzen und es hat funktioniert!<br />

Nachdem wir uns auf ein Genre geeinigt<br />

hatten, überlegten wir uns den Schauplatz<br />

mit einigen Besonderheiten. Danach konzipierten<br />

wir die NSCs erstmal unabhängig<br />

voneinander und brachten sie dann am Ende<br />

in Beziehung zueinander.<br />

Vielen Dank nochmal an die Teilnehmer!<br />

Überblick<br />

Das Abenteuer ist bewusst universell gehalten,<br />

sodass es in verschiedenen Fantasywelten<br />

nutzbar sein soll. Natürlich ist es aber<br />

auch denkbar die Figuren und die Situation<br />

auch in ein anderes Genre zu übertragen.<br />

Damit der Spielleiter die NSCs perfekt auf<br />

sein System und die SC abstimmen kann,<br />

sind auch keine Werte für die Figuren angegeben.<br />

Viele Werte sollten sich aber aus der<br />

Beschreibung ergeben.<br />

Zusätzlich ist das Abenteuer offen und<br />

nicht linear gestaltet, um größtmögliche Dynamik<br />

zu gewährleisten. Es gibt also keine<br />

geradlinige Reihe von Ereignissen, sondern<br />

im Mittelpunkt des Abenteuers stehen die<br />

Charaktere mit ihren Zielen und Beziehungen<br />

zueinander. Kernstück des Abenteuers<br />

ist die relationship-map (siehe <strong>Anduin</strong> #94),<br />

auf dem alle NSCs in Beziehung zueinander<br />

gebracht sind. Es empfiehlt sich auch noch<br />

die Spielercharaktere einzeln oder als Gruppe<br />

darauf einzuzeichnen.<br />

Die Ausgangs -<br />

situation<br />

Nelvis, der Alwissende, ist tot! Er war ein<br />

gütiger, besonnener Herrscher, der Shadrya<br />

zu viel Wohlstand brachte. Seit kurzem<br />

herrscht sein Sohn Uztem über die Stadt.<br />

Abenteuer<br />

Zwar ist Uztem ein ruhmreicher Krieger,<br />

aber alles andere als ein guter Staatsmann.<br />

Die Charaktere erreichen eine Stadt mitten<br />

im Umbruch, der ins reine Chaos zu kippen<br />

droht. Denn neuerdings wurden auch noch<br />

Gerüchte laut, es gäbe einen bedrohlichen<br />

Wassergeist in der Oase.<br />

Und die Gerüchte sind wahr. Vor langer<br />

Zeit nämlich war Shadrya nur eine verfluchte<br />

Oase. Ein Überbleibsel einer vergangenen<br />

Zivilisation. Zu mancher Stunde kann man<br />

durch das Wasser hindurch noch die schemenhaften<br />

Umrisse der Ruinen sehen. Der<br />

Ruinen der alten Stadt, die der Geist in die<br />

Tiefe riss. Doch einst kam ein Magier, der die<br />

alten Riten beherrschte einen Geist zu bannen.<br />

Er bannte den Geist in das Gewässer<br />

und bestimmte eine Hüterin über den Geist.<br />

Seine Tat ermöglichte es, dass Reisende vom<br />

Wasser der Oase trinken konnten und schon<br />

bald erhob sich eine Stadt um den See der<br />

Oase. Shadrya wurde so eine sehr wichtige<br />

Stadt auf den größten Handelsrouten durch<br />

die Wüste.<br />

Seit jeher ist es Brauch, dass die örtlichen<br />

Priester Tieropfer am Fluss darbringen, um<br />

den Geist zu besänftigen. Am ersten Tag jeden<br />

Monats wird sogar ein Ochse geopfert<br />

und zu den Messen erscheinen immer viele<br />

Bürger. Besonders in diesen Tagen, da sich<br />

die Gerüchte um ein Aufbegehren des Geistes<br />

häufen.<br />

Shadrya ist seit den alten Tagen eine blühende<br />

Handelsstadt, jedes einflussreiche<br />

Handelshaus unterhält hier Niederlassungen.<br />

Seit dem Tod Nelvis, dem Allwissenden,<br />

sind die Bürger jedoch unzufrieden. Nachdem<br />

sich sein Sohn Uztem früh grobe Fehler<br />

geleistet hat, kündigten zwei große Handelshäuser<br />

ihre Verträge mit der Stadt auf<br />

und werden fortan andere Routen durch die<br />

Wüste wählen. Es regen sich erste Widerstandsbewegungen<br />

im Untergrund, doch zu<br />

offenen Auseinandersetzungen kam es bislang<br />

noch nicht.<br />

Dramatis Personae<br />

Jeder der Charaktere ist in drei Absätzen<br />

beschrieben.<br />

Im ersten Absatz sind die Persönlichkeit<br />

und die Ziele des Charakters umrissen.<br />

Im zweiten Absatz geht es um das Aussehen<br />

des NSCs und im dritten sind Tips zur<br />

Darstellung beschrieben.<br />

Dinala Gavnos<br />

Dinala wacht seit vielen Jahrhunderten<br />

darüber, dass die Zauber, die den Wassergeist<br />

in der Oase bannen, aufrechterhalten<br />

werden. Jedoch verdingt sie sich in der Stadt<br />

als Heilerin, um ihre wahre Aufgabe zu verschleiern.<br />

Sie hat sich in den Dieb Shufgard<br />

verliebt, weiß jedoch darum, dass sie sich<br />

aufgrund ihrer Funktion als Hüterin nicht auf<br />

solche weltlichen Belange einlassen darf und<br />

leidet darunter. Allerdings versucht sie dies<br />

genauso zu verbergen, wie ihre Funktion als<br />

Hüterin der Schutzzauber. Ihr Beruf als Heilerin<br />

ermöglicht ihr immer vor Ort zu sein, wo<br />

etwas passiert, ohne dass es besonders auffällt.<br />

Den Spielercharakteren sollten dies jedoch<br />

bemerken können. Etwa nach der Hälfte<br />

des Abenteuers, wird sie sich den Spielern<br />

zu erkennen geben und sie um ihre Hilfe ersuchen.<br />

Zuvor wird sie vergeblich versuchen<br />

Ni‘mari von seinem Vorhaben abzubringen<br />

den Geist freizulassen.<br />

Sie ist von bestechender altersloser Schönheit,<br />

kleidet sich aber sehr schlicht und<br />

schmucklos. Ihre Statur ist grazil, ihre Haut<br />

anmutig hell und ihre azurblauen Augen<br />

strahlen Wärme aus. Ihr glattes Haar ist von<br />

honigblonder Farbe. Einzig ihre Nase ist einen<br />

Deut zu spitz für ihre Gesichtsform.<br />

Wenn du Dinala spielst, schau jedem deiner<br />

Mitspieler lange in die Augen. Aber schau<br />

sofort weg, wenn du merkst, dass es ihm<br />

unangenehm wird. Versuche viel zu lächeln<br />

und sprich mit sanfter Stimme. Frag oft<br />

nach und gib dich sehr interessiert. Beschreibe<br />

ihre Anmut.<br />

Uztem Agara<br />

Uztem ist seit Kurzem der Herrscher Shadryas.<br />

Als er sich von den Beratern seines verstorbenen<br />

Vaters bevormundet gefühlt hat,<br />

Seite 17


ANDUIN <strong>98</strong><br />

DIe OAse von Shadrya<br />

entließ er sie alle. Aus einem Streit heraus,<br />

köpfte er sogar eigenhändig einen Großwesir<br />

und ließ seinen Kopf über die Palasttore<br />

hängen. Dem aufkeimenden Aufruhr in der<br />

Stadt will er mit solchen Methoden entgegentreten.<br />

Seine beiden verbliebenen Berater<br />

drängen darauf ihn mit einer einfachen<br />

Frau zu verheiraten, um sein Ansehen beim<br />

Volk zu stärken. Dabei dachten sie an die<br />

schöne Dinala.<br />

Er ist eine Hüne von einem Mann, gewissermaßen<br />

der Prototyp eines Kriegers. So<br />

überragt er die meisten anderen Männer,<br />

strotzt vor Muskeln und trägt sein schwarzes<br />

Haar lang. Er verzichtet auf die traditionellen<br />

Gewänder des Herrschers und zeigt sich in<br />

der Öffentlichkeit lieber mit seinen beiden<br />

Schwertern.<br />

Wenn du Uztem spielst, stell dir einen<br />

Barbarenhäuptling vor und spiele entsprechend:<br />

die Stimme muss immer fest<br />

und herrisch sein und du darfst niemals<br />

ins Schwafeln geraten. Drück den Rücken<br />

durch und nimm eine stattliche Haltung an.<br />

Dein Blick muss fest und hart sein.<br />

Yabir<br />

Es heißt, er sei der Hohepriester einer Religion<br />

gewesen und lebe nun im selbstgewählten<br />

Exil. Jetzt jedoch lebt er in den Bergen<br />

nahe der Stadt das Leben eines Eremiten.<br />

Doch dies scheint wirklich nur ein Gerücht<br />

zu sein, wenn man ihn sieht. Spätestens am<br />

Ende des Abenteuers sollten die Spieler merken,<br />

dass die Gerüchte stimmen. Denn aus<br />

dieser fernen Zeit hat er ein heiliges Artefakt<br />

behalten, das Zepter des Ur‘schutak (magisch<br />

aktive Charaktere können die Macht<br />

des Artefakts stark spüren). Jenes hat die<br />

Macht von zehn zum Tode verurteilten Magiern<br />

in sich gespeichert und Yabir plant diese<br />

auf den Geist zu übertragen. Yabir hat in einer<br />

vom Fieber geplagten Nacht eine Vision<br />

gehabt, dass der Geist ein gefangener alter<br />

Gott sei, den er nun befreien will. Er versucht<br />

erst das Vertrauen der Helden durch Gefälligkeiten<br />

und Informationen zu gewinnen um<br />

sie dann für seine Sache zu gewinnen, den<br />

Geist freizulassen. Dies versucht er jedoch<br />

subtil einzufädeln. Wenn ihm dies nicht gelingt,<br />

wird er versuchen die Spieler gegen<br />

Ni‘mari aufzuhetzen, um sich dann selbst daran<br />

zu machen den Geist mit seinem Artefakt<br />

zu befreien.<br />

Der Eremit ist eine sehnige Gestalt mit einem<br />

langem, verfilzten Bart. Er hüllt sich in<br />

eine schmutzige, ehemals weiße Kutte. Hervorstechend<br />

sind seine klaren, blauen Augen,<br />

die im Kontrast zu seinem fortgeschrittenen<br />

Alter stehen. Immer in seiner Begleitung befindet<br />

sich der 10jährige Bettlerjunge Serkan,<br />

der ihm bei seinen Gebrechen hilft.<br />

Wenn du Yabir spielst, sprich mit heiserer<br />

Stimme und sprich langsam. Fahre dir<br />

durch den zerzausten Bart und schau hin<br />

und wieder einfach abwesend in die Leere.<br />

Yabir spielst du am besten, wenn du einige<br />

mystisch klingende Sätze wie die folgenden<br />

zusammenhanglos einstreust:<br />

„Nehmt euch in Acht, wenn der Falke westwärts<br />

seine Kreise zieht.“<br />

„Tarael, der Ahnenvater, führt Karasdua<br />

zum letzten Gefecht.“<br />

„Beginnt nichts Neues am Tage, wenn die<br />

vier Lanzen des Nachts am Himmel stehen.“<br />

Ni‘mari<br />

Ni‘mari macht seit Jahrzehnten die unterschiedlichsten<br />

Geschäfte in der Stadt, kam<br />

aber erst durch Nelvis Tod zu spürbarem<br />

Einfluss. Die Unruhe in der Stadt ist für seine<br />

zwielichtigen Geschäfte ein ausgezeichneter<br />

Nährboden. Ni‘mari verspricht sich Schätze<br />

in der versunkenen Stadt und will deshalb<br />

den Wassergeist loswerden. Er hat bereits<br />

nach Magiern geschickt, die es vermögen,<br />

die Schutzzauber aufzuheben. Er wirbt bereits<br />

seit letztem Sommer um Dinala, seit er<br />

sich auf den ersten Blick unsterblich in sie<br />

verliebt hat. Er hat Olirius, den Zwergen, angestellt,<br />

um sie mit seinen feinen Gedichten<br />

zu becircen. Sein Anwesen findet sich nahe<br />

des Bronzetors in der Südstadt. Er bevorzugt<br />

es in einer Sänfte durch die Stadt getragen<br />

zu werden.<br />

Er ist ein stattlicher Mann von umso stattlicherer<br />

Körperfülle. An seinen Ohren und<br />

Wurstfingern prangen unzählige goldene<br />

Ringe. Seinen Schädel lässt er allmorgendlich<br />

Seite 18<br />

Abenteuer


Die Oase von Shadrya<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

beim Barbier kahl rasieren.<br />

Wenn du Ni‘mari spielst, sprich mit feiner,<br />

hoher Stimme und nimm möglichst viel<br />

Platz ein. Schmatze ruhig vernehmlich, um<br />

kurze Redepausen zu füllen, das gibt dem<br />

Charakter etwas Eigenes, wieder erkennbares.<br />

Und kneife stets skeptisch die Augen<br />

zusammen.<br />

Rammer<br />

Rammer ist der Name, den der Ork ehrfürchtig<br />

von einigen Widersachern bekommen<br />

hat. Sein wahrer Name ist Khargar von<br />

den Blutwölfen. Früher kontrollierte er mit<br />

seiner Schlägerbande nur einen kleinen Bezirk<br />

in der Stadt. Vor Kurzem wurde er jedoch<br />

von Uztem zum Steuereintreiber berufen.<br />

Dem zum Trotze hat er seine archaischen<br />

Methoden beibehalten und knöpft dem Volk<br />

viel zu viel Gold ab.<br />

Er ist ein untersetzter, dicker Ork, dem es<br />

dennoch nicht an Kraft mangelt. Seine blutunterlaufenen<br />

Augen unterstreichen seine<br />

gefährliche Erscheinung. Das lange Haar<br />

hängt ihm fettig ins Gesicht. Um seinen Hals<br />

baumelt ein halbes Dutzend Schutzamulette.<br />

Unter verschiedenen schäbigen Fellen, die er<br />

trägt, ist er mit einem Ringmantel gerüstet.<br />

Wenn du Rammer spielst, sprich mit rauer,<br />

kehliger Stimme. Benutze viele drohende<br />

und einschüchternde Gesten, auch wenn es<br />

gerade nicht unbedingt zum Satz passt und<br />

beweg dich möglichst nah an deine Mitspieler<br />

ran. Atme laut.<br />

Olirius KupferfuSS<br />

In ihm schlummern zwei Seelen: die eines<br />

Zwergen und die eines Poeten. Da er sich in<br />

seiner Sippe missverstanden fühlte, trat er<br />

zum Schein seine Wanderjahre als Handwerker<br />

an. In Wahrheit jedoch ist er als Barde<br />

unterwegs und will die Welt kennenlernen.<br />

Da ihm jedoch rasch das Gold zur Neige ging,<br />

musste er eine Anstellung bei Ni‘mari annehmen.<br />

Er schreibt in seinem Namen Gedichte<br />

und erledigt alle sonst anfallenden Arbeiten.<br />

Seit er in den Diensten Ni‘maris steht, wird<br />

er von vielen gemieden, obwohl er sonst ein<br />

sehr umgänglicher Kerl ist. Seine Stimmung<br />

schwankt oft zwischen der Freude eine neue<br />

Welt kennenzulernen und dem Joch für<br />

Ni‘mari arbeiten zu müssen.<br />

Olirius hat die typische Statur eines Zwergen.<br />

Sein Schnauzbart mit den gezwirbelten<br />

Enden ist besonders kunstvoll aus seinem<br />

Vollbart herausgearbeitet. Sein Haar hat einen<br />

leichten Rotstich und für gewöhnlich<br />

trägt er dazu passend einen fleckigen roten<br />

Filzhut.<br />

Olirius drückt sich sehr blumig aus und<br />

achtet allgemein sehr auf seine Sprache.<br />

Oftmals verbessert er auch einen Satz von<br />

ihm, so ihm ein klangvollerer einfällt. Wenn<br />

er trübselig gelaunt ist, ist er manches mal<br />

etwas zu aufdringlich. Versuch die Größe<br />

des Zwergen darzustellen, indem du zu<br />

deinen Mitspielern aufsiehst.<br />

Shufgard Nobis<br />

Shufgard ist ein talentierter Dieb, der sich<br />

die meiste Zeit des Jahres in Shadrya aufhält.<br />

Zumeist hält er sich mit Taschendiebstahl<br />

über Wasser, nur selten wagt er einen<br />

größeren Einbruch. Immer häufiger macht<br />

er Geschäfte mit dem Ork Rammer, doch er<br />

versucht sich stets unauffällig zu verhalten.<br />

Er hat – eher zufällig – davon erfahren, dass<br />

Dinala ihn liebt. Zwar erwidert er ihre Gefühle<br />

nicht, doch fühlt er sich seitdem für sie verantwortlich<br />

und passt auf sie auf.<br />

Er ist ein sehr ansehnlicher Mann, der kurz<br />

vor dem dreißigsten Lebensjahr steht. Seine<br />

Bewegungen sind elegant und seine Sprache<br />

beschwingt. Eine Narbe über seiner Oberlippe<br />

zeugt von einer einstigen Hasenscharte.<br />

Seine Kleidung ist die eines gewöhnlichen<br />

Wüstenbewohners. Er ist mit zwei schmalen<br />

Krummdolchen bewaffnet.<br />

Hab als Shufgard immer ein Kompliment<br />

für jedermann auf den Lippen und rede<br />

gern und viel. Sei dabei ruhig thematisch<br />

etwas unstet. Bemühe dich viel, aber eher<br />

langsam zu gestikulieren.<br />

Wie die Handlung<br />

verlaufen könnte<br />

Wie das Abenteuer verläuft, hängt stark<br />

davon ab, was die Spielercharaktere tun und<br />

was der Aufhänger des Abenteuers ist. Die<br />

Handlungen der NSCs sollten sich weitestgehend<br />

aus ihren Zielen ergeben. Daher sind<br />

hier nur noch ein paar vereinzelte Ideen für<br />

Szenen vorgeschlagen, um die Handlung in<br />

ruhigeren Phasen voranzutreiben. Für die<br />

meisten Szenen ist es wichtig, dass die entsprechenden<br />

NSCs durch andere Szenen zuvor<br />

schon bekannt gemacht wurden.<br />

Yabir tritt auf die<br />

Helden zu<br />

Diese Szene ist außerhalb der Stadt, am<br />

besten in den nahen Bergen in denen Yabir<br />

auch wohnt, am glaubwürdigsten. Ergibt es<br />

nicht, dass die Charaktere die Stadt einmal<br />

verlassen, werden sie von einem Bettlerjungen<br />

mit der Botschaft angesprochen „der<br />

weise Mann wolle ihnen einen Geleitspruch<br />

erteilen“. Gehen die Charaktere nicht darauf<br />

ein, wird Yabir am nächsten Tag irgendwo in<br />

der Stadt auf sie zutreten. Der Junge wird jedoch<br />

in beiden Fällen dabei sein, um Yabir zu<br />

stützen.<br />

Yabir gibt sich seiner Natur gemäß kryptisch,<br />

aber durchaus hilfsbereit und lässt der<br />

Gruppe zuerst Gelegenheit ihm drei Fragen<br />

zu stellen. Diese wird er mit vielen verworrenen<br />

Sätzen beantworten, es sollten allerdings<br />

auch die guten Informationen gut<br />

durchsickern. Dies ist besonders wichtig, da<br />

Yabir eine Option ist die Charaktere am Anfang<br />

des Abenteuers mit Informationen zu<br />

versorgen.<br />

Aufstand im Wesir-<br />

Aziz-Viertel<br />

Wesir Aziz war seiner Zeit kein angesehener<br />

Mann, doch er rang seinem Herrscher<br />

das Versprechen ab einen Stadtteil nach ihm<br />

zu benennen. So benannte Nelvis, der Alwissende,<br />

das Nordviertel mit seinen dicht gedrängten,<br />

windschiefen Holzbaracken nach<br />

seinem Wesir.<br />

Naturgemäß treffen die armen Viertel Unruhen<br />

am stärksten und so ist es das Wesir-<br />

Kasim-Viertel in dem der erste Aufstand gegen<br />

Uztem Agara ausbricht. Es bildet sich ein<br />

größer werdender Mob, der sich mit Steinen,<br />

Knüppeln und Fackeln bewaffnet und zum<br />

nächsten Wachhaus zieht. Dieses wird im<br />

Konflikt schnell in Brand gesetzt und die Wachen<br />

müssen sich nach kurzem Scharmützel<br />

zurückziehen. Uztem jedoch war gerade in<br />

einem Gespräch mit dem Ork Rammer und<br />

schickt diesen kurzentschlossen mit 50 Mann<br />

los, um den Aufstand niederzuschlagen.<br />

Die Szene birgt die Gefahr zu passiv zu werden,<br />

deshalb sollten die Spielercharaktere<br />

ungewollt zwischen die Fronten geraten, als<br />

sich die Lage immer schneller zuspitzt. Die<br />

Charaktere könnten versuchen zu schlichten<br />

oder sich in einer spannenden Szene aus<br />

dem Gefecht zurückziehen. Wortführer der<br />

Aufständischen ist der junge Rashid Basil, ein<br />

großer, vierschrötiger Mann mit strengem<br />

Gesicht und blassen Lippen. Der Versuch zu<br />

schlichten kann nur bei Rashid Früchte tragen,<br />

da Rammer Blut sehen will, gleich was<br />

geschieht.<br />

Dinalas erste Zaubervorbereitungen<br />

Dinala wird von einem der SC beobachtet,<br />

wie sie des Nachts zur Oase schleicht, die von<br />

den anderen Bürgern in der Dunkelheit gemieden<br />

wird. Sie führt dort einige vorbereitende<br />

mindere Ritualzauber durch, wenn sie<br />

Abenteuer<br />

Seite 19


ANDUIN <strong>98</strong><br />

DIe OAse von Shadrya<br />

nicht bemerkt, dass sie beobachtet wird (die<br />

Probe dazu sollte von mittlerer Schwierigkeit<br />

sein). Wenn Sie ihre Beobachter bemerkt,<br />

verschwindet sie jedoch bald in den Gassen<br />

der Stadt.<br />

Diese Szene sollte nicht zu früh im Abenteuer<br />

auftauchen, da ihr Charakter eine schöne<br />

Möglichkeit einer überraschenden Wendung<br />

bietet. Auch im späteren Verlauf sollte<br />

möglichst nicht direkt offenbar werden, dass<br />

sie ein Zauberritual vorbereitet. Die Szene<br />

sollte zuerst einmal ihren Charakter zweifelhaft<br />

erscheinen lassen.<br />

Der Geist regt sich<br />

Eines Nachts ist plötzlich ein merkwürdiges<br />

verzerrtes Grollen zu hören. Es erinnert<br />

an ein Donnergrollen und ist doch anders,<br />

zumal der Himmel völlig frei ist. Wenig später<br />

wird klar, dass die Geräusche von der Oase<br />

herrühren. Gespenstisches grünes Licht<br />

geht vom Wasser der Oase aus. Die Palmen<br />

schwanken unheilvoll hin und her, obwohl<br />

kein Wind weht. Nackte Angst herrscht bei<br />

den Bürgern im Ostviertel vor, das der Oase<br />

am nächsten gelegen ist. Doch niemand wagt<br />

sich das Haus zu verlassen. Die Straßen sind<br />

wie ausgestorben.<br />

Ni‘maris erstes<br />

Gedicht<br />

Am Abend erregt Ni‘mari Aufmerksamkeit,<br />

als er in der Öffentlichkeit mit erhobener<br />

Stimme vor Dinalas Haus ein Gedicht<br />

vorträgt. Begleitet wird er dabei von Olirius,<br />

der leise auf der Laute spielt und von einer<br />

Handvoll Schläger, die in der umstehenden<br />

Menge für Ruhe sorgen. Sie sind allerdings<br />

angewiesen dies möglichst unauffällig zu tun<br />

(für erfahrene Helden bemerken das jedoch<br />

bereits mit einer leichten Probe).<br />

Dinalas kleines Haus befindet sich auf der<br />

Webergasse an einer Kreuzung, wo reger<br />

Durchgangsverkehr herrscht. Sie verhält sich<br />

allen Regeln entsprechend höflich, bittet jedoch<br />

freundlich<br />

Einstiege ins<br />

Abenteuer<br />

Es gibt einige Möglichkeiten die Spielercharaktere<br />

in die Situation hineinzuführen.<br />

Gleichzeitig dienen die Aufhänger dazu, das<br />

Szenario für die SC persönlicher zu gestalten.<br />

Der Spielleiter sollte sich für seine Gruppe<br />

möglichst passende Aufhänger aussuchen.<br />

Olirius Kupferfuß könnte den Charakteren<br />

erst Trübsal blasend in einer der Schenken<br />

auffallen (zum Beispiel im „Feigenblatt“,<br />

einer Taverne mit vielen Sitzkissen und kleinen<br />

Mosaiktischen). Später könnte er ihnen<br />

– vielleicht betrunken – von seinem Kummer<br />

erzählen, dass er für einen gemeinen Kaufmann<br />

arbeiten müsse und in seinem Namen<br />

Gedichte schreibe.<br />

Wenn es in der Gruppe bereits früher schon<br />

einmal einen Bösewicht gab, der irgendwie<br />

entkommen konnte, könnte dieser den Platz<br />

von Ni‘mari in diesem Abenteuer einnehmen.<br />

Dadurch hätten die Charaktere direkt eine<br />

Motivation sich in die Geschehnisse einzumischen<br />

und es wäre persönlich.<br />

Einer der Charaktere könnte der Bruder<br />

von Shufgard, dem Dieb, sein. Dadurch<br />

würden sich möglicherweise interessante<br />

rollenspielerische Konflikte ergeben. Ein guter<br />

Einstieg dafür wäre, dass die Charaktere<br />

Shufgard scheinbar zufällig auf frischer Tat<br />

erwischen oder ein anderer SC ein Opfer<br />

seines Diebstahls wird. Diese Variante bietet<br />

sich besonders an, falls einer der Charaktere<br />

einen verschollenen Bruder in seinem Hintergrund<br />

erwähnt hat.<br />

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die<br />

Charaktere einen der gefeuerten Berater Uztems<br />

treffen. Der ehemals wohlhabende Wesir<br />

Lamir Al‘Teib hat jetzt nur noch das, was<br />

er am Leib trägt. Aber er hängt zu sehr an<br />

seiner Geburtsstadt um einfach fortzugehen.<br />

Er hofft, dass ihm wieder seine alte Stellung<br />

zurückgegeben wird, wenn er die SC dazu<br />

bewegen kann, Ni‘maris Plan abzuwenden.<br />

Schön wäre auch, würden die Charaktere<br />

bspw. Olirius und den den Wesir kennen lernen,<br />

dann hätten sie gleich zwei verschiedene<br />

Blickwinkel auf die Angelegenheit.<br />

Ein Ausblick auf<br />

das Finale<br />

Natürlich hängt die Art des Finales ganz<br />

besonders stark mit den vorangegangenen<br />

Ereignissen zusammen. Aber als Location<br />

drängt sich die Oase förmlich auf. Vermutlich<br />

werden sich die Charaktere auf Dinalas Seite<br />

schlagen und gegen Ni‘maris Magier angehen<br />

müssen. Shufgard verspricht sich darum<br />

zu kümmern, dass seine Schläger abgelenkt<br />

sind. Dabei wird sich der Geist bereits kräftig<br />

regen. Es werden wahre Flutwellen aus<br />

dem Nichts über das Ufer peitschen. Palmen<br />

werden wie Strohhalme umknicken und fortgespült<br />

werden. Ein unnatürliches Donnergrollen<br />

wird sich aus den Fluten erheben und<br />

eine Massenpanik in der Stadt auslösen. Dort<br />

werden die Menschen schreiend in die Wüste<br />

rennen um dort Schutz vor „der Rache des<br />

Geistes“ zu suchen. Um das Chaos perfekt zu<br />

machen, taucht Yabir plötzlich auf, als sich<br />

das Blatt gerade zu Gunsten der SC wendet.<br />

Mit sich führt er das Zepter des Ur‘schutak,<br />

mit dessen Macht er den Geist, den er für einen<br />

alten Gott hält, stärken will.<br />

Was geschehen<br />

würde...<br />

..wenn die Spieler<br />

nicht eingreifen<br />

Die Unzufriedenheit der Bürger würde in<br />

einem großen offenen Aufstand gipfeln. Viele<br />

würden bei den blutigen Auseinandersetzungen<br />

mit der Stadtgarde ihr Leben lassen und<br />

Uztem würde nicht von seiner aggressiven<br />

Politik ablassen. Doch bevor der Aufstand<br />

niedergeschlagen wäre, wären Ni‘maris Magier<br />

in der Stadt, die umgehend beginnen<br />

würden die alten Schutzzauber zu brechen,<br />

um den Geist bekämpfen zu können. Dinala<br />

würde sich beim verzweifelten Kampf gegen<br />

die Mager opfern und sterben. Yabir würde<br />

sich einmischen, sobald der Schutz zerstört<br />

wäre und würde allein im Kampf gegen die<br />

Magier unterliegen.<br />

Der Wassergeist allerdings wäre in seinem<br />

Zorn viel mächtiger und würde gegen die<br />

Magier siegen. Er würde die Stadt zu großen<br />

Teilen vernichten und die Quelle wieder<br />

verfluchen. Uztem würde bis zu seinem Tod<br />

gegen den Geist kämpfen. Ni‘mari würde<br />

zwar gerade noch entkommen können, doch<br />

geleitet von Rachegelüsten würde Shufgard<br />

Dinalas Tod rächen und man würde nur noch<br />

Ni‘maris Leiche finden.<br />

Seite 20<br />

Abenteuer


Systemvorstellung<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Fallout<br />

Eine Post-Nukleare Rollenspielserie<br />

Text: Bernhard Phillipp Jaud<br />

Screenshots: BErnhard Phillipp Jaud; Tobias Looschelders; Bethesda Softworks<br />

Der Anfang vom<br />

Ende<br />

„Krieg, Krieg bleibt immer gleich.“, so<br />

beginnt jeder Teil der seit 12 Jahren wohl<br />

bekanntesten Endzeit-RPG Spielserie. Die<br />

Menschheit hat sich mit Atombomben zurück<br />

in die Höhlen gebombt. Zwar sind die<br />

Höhlen technisch fortgeschrittene Schutzbunker,<br />

sogenannte Vaults, dennoch ist der<br />

größte Teil der Erdoberfläche karge Wüste.<br />

Durch den Atomkrieg blieb die Welt in den<br />

50er Jahren stehen, und so sind im Jahre<br />

2161 Blechreklameschilder und ausgebrannte<br />

Straßenkreuzer präsent.<br />

Die Spiele<br />

Auch die Spiele bleiben zum Großteil gleich.<br />

Teil eins und zwei setzen<br />

auf die gleiche, isometrische<br />

Grafik und sehen sich<br />

deswegen sehr ähnlich,<br />

inhaltlich sind sie aufgrund<br />

unterschiedlicher Entwicklerteams<br />

sehr unterschiedlich.<br />

Der aktuelle dritte Teil<br />

wurde wieder von einem<br />

anderen Entwicklerteam<br />

erstellt und kommt in schicker<br />

3D-Grafik auf aktuelle<br />

Konsolen und den PC. Es<br />

gab noch 2 Teile, die von<br />

der traditionellen Serie<br />

abweichen, und daher<br />

als non-Canon betrachtet<br />

werden. Diese sind: Fallout Tactics: Brotherhood<br />

of Steel (ein Taktikshooter wahlweise<br />

in rundenbasiert oder in Echtzeit) und Fallout:<br />

Brotherhood of Steel (ein Actionshooter<br />

für Konsolen mit wenigen Rollenspielelementen).<br />

It’s S.P.E.C.I.A.L<br />

Abgesehen von den zwei non-Canon-<br />

Titeln benutzen alle Teile das sogenannte<br />

S.P.E.C.I.A.L-Rollenspielsystem. Dieses wurde<br />

extra für Fallout entwickelt nachdem die Verwendung<br />

von GURPS an Lizenzproblemen<br />

scheiterte. S.P.E.C.I.A.L steht für Strength<br />

(Stärke), Perception (Wahrnehmung), Endurance<br />

(Ausdauer), Charisma (Charisma), Intelligence<br />

(Intelligenz), Agility (Beweglichkeit)<br />

und Luck (Glück). Aus diesen sieben Attributen<br />

setzen sich die Grundwerte (Skills) des<br />

Chars zusammen, welche durch Prozentangaben<br />

dargestellt werden. Durch sogenannte<br />

„Perks“ (spezielle Fähigkeiten die nach<br />

jedem Levelaufstieg gewählt werden können)<br />

und „Traits“ (zwei Besonderheiten die<br />

bei der Charaktererstellung gewählt werden<br />

müssen, z.B. weniger Perks dafür schnellerer<br />

Levelaufstieg) können diese Werte weiter<br />

beeinflusst werden.<br />

Desweiteren spielt das Karma des Spielers<br />

eine große Rolle. So reagieren gute NPCs<br />

schnell feindlich auf „böse“ Spieler, oder<br />

Sklavenhändler handeln nicht mit „guten“<br />

Spielern. Das Karma ändert sich durch die<br />

Entscheidungen des Spielers laufend. So lässt<br />

sich fast jede Quest auf drei Arten lösen (Gut,<br />

Neutral, Böse). Nicht immer ist eindeutig,<br />

welche Entscheidung zu welchem Ergebnis<br />

führt, was dem Ganzen Spannung verleiht,<br />

wenn man versucht, ein gewisses Karma zu<br />

erhalten.<br />

Kämpfen um zu<br />

überleben<br />

Das Kampfsystem ist rundenbasiert und je<br />

nach Gewicht des Inventars, Beweglichkeit<br />

und anderen Faktoren sind die Aktionspunkte<br />

pro Runde beschränkt. Über einen gezielten<br />

Schuss, welcher mehr AP kostet, kann<br />

man versuchen, den Gegner an bestimmten<br />

Körperteilen zu verwunden. Je nach Schwierigkeit,<br />

den gewählten Körperteil zu treffen<br />

gibt es eine prozentuale Wahrscheinlichkeit,<br />

das Ziel zu treffen. Wenn man z.B. die Augen<br />

trifft, erblindet der Gegner und wird nur noch<br />

Zufallstreffer landen, wegen ihrer Größe sind<br />

sie natürlich schwer zu treffen. Alternativ<br />

kann man versuchen den Arm zu treffen oder<br />

dem Gegner die Waffe aus der Hand zu schießen.<br />

Umgekehrt kann auch der Gegner diese<br />

Taktik anwenden, was Kämpfe durchaus taktisch<br />

anspruchsvoll macht.<br />

Überleben um zu<br />

kämpfen<br />

Um auch nach heftigen Kämpfen nicht<br />

durchlöchert zu Boden zu sinken, stehen<br />

dem Spieler zahlreiche Medikamente<br />

und Drogen zur<br />

Verfügung. Beide können<br />

dauerhaft abhängig machen.<br />

Stimpaks zum Heilen,<br />

RadAway um Strahlung loszuwerden,<br />

Mentats um die<br />

Werte zu pushen, Jet - ein<br />

Amphetamininhalator - um<br />

kurzfristig seine Stärke zu<br />

erhöhen und noch sehr viele<br />

weitere chemische Produkte<br />

stehen hierfür zur Verfügung.<br />

Alternativ kann man<br />

sich mit Schlaf oder Essen<br />

heilen, welches allerdings<br />

immer in unterschiedlichen<br />

Dosen verstrahlt ist und somit auch negative<br />

Auswirkungen hat.<br />

Gadgets<br />

Auf der gefährlichen Reise stehen einem<br />

einige nützliche Utensilien und Waffen zur<br />

Verfügung.<br />

Der PIP-Boy ist ein Gerät das dem Wanderer<br />

mit Informationen zu seinen Fähigkeiten,<br />

seinem Gesundheitszustand, seinem Inventar<br />

und Karten der Umgebung versorgt. Im<br />

Spiel finden sich neben realen Waffen auch<br />

einige Energiewaffen und aus unterschiedlichen<br />

Teilen improvisierte Kampfmittel. Erwähnenswert<br />

ist auch noch das Garten Eden<br />

Erstellungs Kit (G.E.E.K). Es ist ein Koffer mit<br />

Mai Abenteuer 2009 Seite 21


ANDUIN <strong>98</strong><br />

SystemVorstellung<br />

Samen, Holodisks welche die Benutzung erklären,<br />

Düngemittel und ähnlichem, welcher<br />

an ausgesuchte Vaults geliefert wurde. Vault<br />

13 hatte aufgrund einer Falschlieferung 2<br />

G.E.E.K.s bekommen dafür keine Ersatzwasserchips.<br />

Stählerner Bruder<br />

Ein paar der wiederkehrenden Gruppierungen<br />

möchte ich auch noch erwähnen. Da<br />

wäre die Stählerne Bruderschaft (Brotherhood<br />

of Steel), eine Gruppierung die aus der<br />

ehemaligen US Army und einigen Wissenschaftlern<br />

hervorging. Sie wollen die Herrschaft<br />

über das Wasteland erringen und sind<br />

somit Erzfeinde der Enclave.<br />

Die Enclave ist aus der Vorkriegsregierung<br />

hervorgegangen und möchte die Welt von allem<br />

Unreinen befreien. Dazu zählen sie auch<br />

jeden Menschen der längere Zeit im Wasteland<br />

verbracht hat.<br />

Das nicht mehr existente Unternehmen<br />

Vault-Tec hatte von der Regierung den Auftrag<br />

122 Vaults zu bauen, des weiteren stellten<br />

sie Ausrüstung und Infomaterial für ein<br />

Leben nach der Apokalypse her.<br />

Fallout<br />

(1997 Interplay/Black<br />

Isle)<br />

Der erste Teil spielt im Jahre 2161. Man steuert<br />

den unglücklichen Bewohner des Vault 13,<br />

auf den das Los fiel, das Vault zu verlassen<br />

um nach einem Wasseraufbereitungschip<br />

zu suchen. Da der Chip im Vault defekt ist,<br />

werden die Vaultbewohner ohne aufbereitetes<br />

Wasser über kurz oder lang verdursten.<br />

Also macht sich der „Vaultbewohner“ (engl.<br />

Vault-Dweller) auf die Suche. Im Wasteland<br />

stößt er dann auf die unterschiedlichsten<br />

Freunde und Feinde. In beiden Kategorien<br />

finden sich Menschen, Ghule (Menschen, die<br />

die Strahlung entstellt und ihre Zellteilung<br />

extrem verlangsamt hat), Mutanten, Super-<br />

Mutanten (deren Entstehung ein Hauptthema<br />

der Serie ist) und viele andere Wesen. Der<br />

Spieler hat 150 Spieltage Zeit um den Ersatzchip<br />

zu finden und zurückzukehren, sonst<br />

endet das Spiel.<br />

Danach muss man dem Ursprung der Supermutanten<br />

nachgehen und entdeckt dabei<br />

den grausamen Plan des „Meisters“, welcher<br />

plant die Menschheit, mithilfe seines FEV-<br />

Virus in eine Armee der Supermutanten zu<br />

verwandeln. Nun kann man wählen ob man<br />

gegen den Meister kämpfen, ihm helfen oder<br />

einfach abwarten will bis die Vault von den<br />

Supermutanten überrannt wird. Wobei nur<br />

das Bekämpfen des Meisters zu einem Canon-Ende<br />

führt: Im Abspann wird der Vault-<br />

Dweller von den anderen Vaultbewohnern<br />

verstoßen, da er zu viel von der Welt gesehen<br />

hat und ein schlechtes Vorbild für die<br />

kommende Generation sein würde.<br />

Fallout ist ein sehr gutes Rollenspiel das<br />

sich vor allem durch seine dichte Story, seinen<br />

Umfang und seinen düsteren Humor<br />

auszeichnet. Es hatte allerdings wegen seiner<br />

drastischen Gewaltdarstellung (Gliedmaßen<br />

können abgeschossen werden, Kinder<br />

können getötet werden) von sich reden. Für<br />

den deutschen Markt wurde das Spiel drastisch<br />

geschnitten.<br />

Fallout 2<br />

(19<strong>98</strong> Interplay/Black<br />

Isle)<br />

Der zweite Teil wurde von einem anderen<br />

Programmierer-Team geschaffen und<br />

legt deshalb etwas düstereren Humor, eine<br />

Menge neuer Schauplätze, Monster, Gegenstände<br />

und in der ungeschnittenen Version,<br />

etwas mehr Gewalt an den Tag. Die Grafik<br />

blieb unangetastet, so war es möglich den<br />

zweiten Teil so schnell nach dem ersten zu<br />

veröffentlichen.<br />

Im Jahre 2241, also 80 Jahre nach der Handlung<br />

des ersten Teils, findet man sich vor der<br />

Halle der Prüfungen im Dorf Arroyo wieder.<br />

Diese Siedlung wurde von dem Vault-Dweller<br />

nach seinem Rauswurf aus der Vault gegründet.<br />

Diesmal spielt man das „Auserwählte<br />

Wesen“ (im Original „Chosen One“), einem<br />

direkten Nachfahren des Vault-Dwellers. Das<br />

Auserwählte Wesen soll ein Garten Eden Erstellungs<br />

Kit (G.E.E.K) aus Vault 13 besorgen,<br />

Seite 22<br />

Mai 2009


Systemvorstellung<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

da Arroyo von einer Dürre geplagt wird und<br />

die Siedler zu verhungern drohen. Mithilfe<br />

des G.E.E.Ks soll das Wasteland wieder<br />

fruchtbar gemacht werden. Allerdings hat<br />

sich das Ödland verändert, so sind Prostitution,<br />

Mafiageschäfte, Glückspiel und Drogen<br />

allgegenwärtig. Nur zu leicht wird man von<br />

der Fülle der Möglichkeiten von seiner Hauptaufgabe<br />

abgelenkt. Da ist es gut, dass es in<br />

diesem Teil keine Zeitbeschränkung mehr<br />

gibt. Hat man das G.E.E.K besorgt, stellt man<br />

fest dass die Bewohner Arroyos von der Enclave<br />

entführt wurden. Die Enclave hat das<br />

FEV-Virus aus dem ersten Teil modifiziert und<br />

möchte damit die Erde von allen genetischen<br />

Unreinheiten befreien. So das nur noch „reine“<br />

Menschen die Erde bevölkern. Nach der<br />

Vereitelung des Plans machen sich die Dorfbewohner<br />

in eine bessere Zukunft mit dem<br />

G.E.E.K. auf.<br />

Aufgrund des expliziten Inhalts des Spiels<br />

mussten für den deutschen Markt wieder<br />

viele Quests, Gewaltdarstellungen und natürlich<br />

die Kinder aus dem Spiel geschnitten<br />

werden. In zwei Hauptquests machte<br />

sich das Fehlen der Kinder sich bemerkbar.<br />

Ohne Patch konnten diese Quests nicht abgeschlossen<br />

werden. Das Spiel wurde für seinen<br />

umfangreichen Inhalt und seine Freiheit<br />

gelobt. Bemängelt wurde, dass Fallout 2 mit<br />

seinen Anspielungen auf die Popkultur kein<br />

echtes Fallout mehr wäre. Dennoch wird es,<br />

neben Baldurs Gate, als eines der besten<br />

RPGs von Black Isle gehalten.<br />

Fallout 3<br />

(2008 Bethesda Softworks<br />

/ ZeniMax)<br />

Während der Entwicklung von Fallout 3<br />

„Van Buren“ musste Interplay Konkurs anmelden.<br />

Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt<br />

bereits zu 95% fertiggestellt.<br />

Nach dem Bankrott von Interplay kaufte<br />

Bethesda (The Elder Scrolls) die Rechte an<br />

Fallout, beschloss aber „Van Buren“ nicht<br />

weiter zu entwickeln. Stattdessen begannen<br />

sie mit der Engine von Oblivion ein völlig eigenes<br />

Spiel zu erstellen.<br />

Alles beginnt im Jahr 2277 mit der Geburt<br />

des Spielercharakters in der Vault 101 welche<br />

in der Umgebung von Washington D.C. liegt<br />

und eine der letzten ist welche in den 200<br />

Jahren nicht geöffnet wurde. Leider stirbt<br />

deine Mutter beider Geburt und dein Vater<br />

James, ein Wissenschaftler, muss dich nun<br />

alleine großziehen.<br />

Nun werden in kurzen Episoden, die die<br />

Entwicklung des Chars zeigen, werden durch<br />

einige Entscheidungen, in bestimmten Situationen,<br />

die Grundmerkmale festgelegt.<br />

Eines Tages weckt dich deine Jugendfreundin<br />

Amata und informiert dich dass dein Vater<br />

James aus der Vault geflohen ist. Da der<br />

Vaultaufseher dies für ein gefährliches Verbrechen<br />

hält, wird der Spieler zur Flucht aus<br />

der Vault gezwungen und ist forthin auf der<br />

Suche nach seinem Vater. Über lange Reisen<br />

in den Fußspuren des Wissenschaftlers entdeckt<br />

man viele Orte und erfährt von Projekt<br />

Purity. Ein Projekt das James mit anderen<br />

Wissenschaftlern des Wastelands begonnen<br />

hat, mit dem Ziel sauberes Wasser für das<br />

gesamte Ödland zu erschaffen. Das Spiel<br />

entwickelt sich zu einem Gewissensroulette,<br />

denn die Enclave möchte von dir dass du den<br />

modifizierten FEV-Virus aus Fallout 2 in die<br />

Wasseraufbereitungsanlage schleust und<br />

somit die Erde von allen genetischen Mutationen<br />

befreist. Andererseits hat doch jeder<br />

das Recht zu Leben und wenn du deine Entscheidung<br />

zu lange hinauszögerst explodiert<br />

Projekt Purity und die Chance auf sauberes<br />

Wasser ist vergeben.<br />

Fallout 3 setzt in mehreren Gesichtspunkten<br />

neue Maßstäbe für Computerrollenspiele.<br />

Zum einen ist die Grafik umwerfend, zum<br />

anderen gelingt der Spagat zwischen Echtzeitaction,<br />

taktischem Rundenkampf und<br />

Rollenspiel. Mit kommenden Erweiterungspaketen<br />

(Operation: Anchorage, The Pitt,<br />

Broken Steel) wird die Geschichte um den<br />

„einsamen Wanderer“ weitergesponnen.<br />

Zukunft<br />

Interplay wurde neugegründet und hat<br />

sich die Rechte für ein Fallout MMORPG gesichert.<br />

Laut den Vertragsbedingungen muss<br />

das Spiel spätestens am 4.April 2013 in den<br />

Läden stehen. Sonst verliert Interplay die<br />

Rechte am Fallout Onlinespiel. Für Fallout<br />

3 wurden 3 Downloadable Content Packs<br />

angekündigt, wovon das erste (Operation:<br />

Anchorage) bereits veröffentlicht wurde.<br />

The Pitt soll im März, Broken Steel im April<br />

erscheinen.<br />

Mai 2009 Seite 23


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Eden Metropolis<br />

Eden Metropolis<br />

Ein universelles Endzeitabenteuer<br />

Text: Friederike Schmutzler<br />

Zeichnungen: Jennifer Lange<br />

Einleitung<br />

Wir schreiben das Jahr 2365 A.D. oder vielmehr<br />

das Jahr 262 einer neuen Zeitrechnung.<br />

Diese begann, als eine grosse atomare Katastrophe<br />

die Erde heimsuchte und ganze Länder<br />

entvölkerte und auf Jahrtausende unbewohnbar<br />

machte. Die Welt, wie wir sie heute<br />

kennen, gibt es nicht mehr. Einige der Überlebenden<br />

zogen sich aus den zerstörten Städten<br />

Europas aufs Land zurück und begannen<br />

dort, wo es noch möglich war, ein Leben wie<br />

ihre Vorväter vor bald 1000 Jahren mit Ackerbau<br />

und Viehzucht. Technik und elektrische<br />

Maschinen sind verpönt und werden gemieden.<br />

Im allgemeinen Sprachgebrauch bürgert<br />

sich bald der Name „Terseca“ (Terra secura<br />

= lat. „sicheres Land“) oder „Das Land“<br />

für diese Gegend ein. Über die Menschen<br />

in Terseca herrscht eine Institution, die sich<br />

„Der Rat“ nennt. Ihre Mitglieder sind noch<br />

niemals persönlich in Erscheinung getreten,<br />

sie lassen sich von sogenannten Ratsverwaltern<br />

und ihren seltsamen hochgewachsenen<br />

schwarzen Soldaten vertreten. Der Rat<br />

ist weltlicher wie geistlicher Herrscher, sein<br />

Wort ist Gesetz, sollte es noch so hart oder<br />

unverständlich erscheinen. So werden zum<br />

Beispiel immer wieder vorkommende Mutationen<br />

nicht geduldet, auch Artefakte, die<br />

aus der Zeit vor dem „Feuer“ stammen, oder<br />

Leute, die sich für diese interessieren, werden<br />

verbannt. Nichts soll mehr an die Zeit vor<br />

der Katastrophe erinnern.<br />

Während die Menschen unter der Herrschaft<br />

des „Rates“ auf dem Land oberflächlich<br />

betrachtet ein recht beschauliches Leben<br />

führen, gibt es auch noch Überlebende in den<br />

Städten. Dort herrscht das Recht des Stärkeren,<br />

wer kann, versucht zu fliehen, doch viele<br />

Städte sind abgeriegelt worden, da man in<br />

ihnen Seuchengefahr und erhöhte Strahlung<br />

vermutet. Hier gibt es noch die hochentwickelte<br />

Technologie des 22. Jahrhunderts, sie<br />

wird von Tüftlern immer weiter entwickelt<br />

und verbessert, wenn möglich. Rohstoffe<br />

und Nahrung sind ein knappes Gut, doch es<br />

gibt immer noch genug Wagemutige und Geschäftstüchtige,<br />

die sich um eine Versorgung<br />

mit diesen Dingen kümmern.<br />

Während die Leute auf dem Land nicht wissen,<br />

dass es ausser ihnen noch andere Menschen<br />

gibt, ist es den Bewohnern der Städte<br />

durchaus bewusst. Doch wer versucht, aufs<br />

Land zu entkommen, wird meistens von den<br />

Handlangern des Rates eingesperrt, wenn er<br />

es überhaupt so weit schafft, denn der Rat<br />

will unter allen Umständen verhindern, dass<br />

die Menschen auf dem Land erfahren, dass<br />

es noch etwas anderes gibt als ihr Leben.<br />

Ein Fremder im<br />

Paradies<br />

Die Spieler sind Jugendliche oder junge<br />

Leute, die in einem der Dörfer auf dem<br />

„Land“ leben. Obwohl ihr Leben zwar nicht<br />

einfach, aber beschaulich ist, fühlen sie sich<br />

unzufrieden. Sie sind sich sicher, dass es noch<br />

etwas anderes geben muss als nur ihre Bauernhöfe,<br />

Schmieden und Werkstätten, doch<br />

was es ist, können sie nicht genau sagen.<br />

Anmerkung für den Spielleiter/<br />

Spieler<br />

Auch wenn die Charaktergestaltung in<br />

diesem Abenteuer frei ist, so ist allen Charakteren<br />

jedoch gemeinsam, dass sie oder<br />

ihnen nahe stehende Personen bereits mit<br />

dem Rat in Konflikt geraten sind und nicht<br />

mehr unbedingt an die Richtigkeit dessen<br />

glauben, was man ihnen von klein auf eingetrichtert<br />

hat.<br />

Bis sie eines Tages bei einem Ausflug in den<br />

Wald in der Nähe ihres Dorfes – bezeichnenderweise<br />

wird es vom Ratsvertreter „Eden“<br />

genannt - einen bewusstlosen Mann finden,<br />

der ihnen vollkommen unbekannt ist. Nicht<br />

nur, dass sie ihn noch nie vorher in der Siedlung<br />

gesehen haben, auch seine Kleidung<br />

wirkt fremdartig: Er trägt schwarze dicke<br />

Hosen (Jeans, aber die kennen die Dorfbewohner<br />

nicht), ein schwarzes Oberteil und<br />

eine dunkle Lederweste. Ausserdem hat er<br />

um den Hals allerlei mechanischen und metallische<br />

Objekte hängen (Was genau, liegt<br />

im Ermessen und der Kreativität des Spielleiters,<br />

denkbar sind Dinge wie Schweisserbrille,<br />

ein Funkgerät, eine Digitaluhr, eine<br />

Kamera, etc., hauptsache, es sind Dinge, die<br />

es in Eden definitiv nicht gibt) und er trägt<br />

unter der Weste einen Waffengurt mit einer<br />

schweren Pistole, die Munition befindet sich<br />

in einem alten Armee - Rucksack, der neben<br />

ihm liegt. Das Gesicht des Mannes ist dreck –<br />

und blutverschmiert, auch seine Kleidung ist<br />

zerrissen, verschmutzt und blutstarrend.<br />

Anmerkung für den Spielleiter:<br />

Am besten beschreibst Du die Dinge so,<br />

als hättest Du sie auch noch nie vorher<br />

gesehen. Deine Spieler sollen sich ganz<br />

darauf einlassen, wirklich mittealterliche<br />

Dorfbevölkerung zu sein, die von ihren Oberen<br />

völlig im Dunkeln gelassen wird über<br />

alles. Lass sie auch ruhig einige Minuten die<br />

Ausrüstung des Fremden durchstöbern und<br />

untersuchen, bevor Du mit dem Abenteuer<br />

fortfährst.<br />

Nach einer Weile beginnt sich der Bewusstlose<br />

zu rühren Mit einer Wahrnehmungsprobe/Probe<br />

auf Intelligenz etc. werden die<br />

Spieler dies auch bemerken. Falls sie sich<br />

nicht dazu entscheiden, zu fliehen, wird der<br />

Fremde versuchen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.<br />

Mit einer weiteren Probe wird<br />

den Spielern auffallen, das der Mann dieselbe<br />

Sprache wie sie spricht. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten<br />

berichtet der Fremde<br />

dann, dass sein Name Robert McArrow ist,<br />

er stammt aus der Stadt New Metropolis,<br />

was er genau in der Nähe von Eden macht,<br />

will er den Charakteren jedoch erstmal nicht<br />

verraten.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Da es in diesem Abenteuer keine vorgegebenen<br />

Charaktere gibt, kann McArrow auch<br />

von einem Spieler übernommen werden.<br />

Möchten die Spieler alle Dorfbewohner<br />

spielen, wird der Fremde zum NSC.<br />

Gefahr<br />

und Heilung<br />

Den Charakteren ist bewusst, dass sie gegen<br />

die Gesetze des Rates verstossen, wenn<br />

sie den Fremden mit in ihr Dorf nehmen. Also<br />

müssen sie ihn verstecken, sie bringen ihn<br />

mit vereinten Kräften in eine Höhle im Wald.<br />

Da er jedoch verletzt ist und ausserdem keine<br />

Nahrung, frische Kleidung und warme<br />

Decken bei sich hat, müssen die SCs beides<br />

Seite 24<br />

Abenteuer


Eden Metropolis<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

herbeischaffen, natürlich nach Möglichkeit<br />

ungesehen und unbemerkt. Mit bestandener<br />

Heimlichkeits - /Schleichenprobe oder einer<br />

ähnlichen Probe wird es den Charakteren<br />

auch gelingen, die benötigten Dinge aus dem<br />

Dorf zu schmuggeln, doch eine misslungene<br />

Probe wird dazu führen, dass ein missgünstiger<br />

Siedler die Charaktere entdeckt und seine<br />

Entdeckung dem Ratsverwaltern mitteilt.<br />

Konsequenz wäre eine sofortige Verhaftung<br />

sowohl der Charaktere als auch des verletzten<br />

„Eindringlings“ und vermutlich die Todesstrafe<br />

für jeden aus der Gruppe. Sollte es<br />

soweit kommen, müssen die übrigen Mitglieder<br />

der Gruppe sich etwas einfallen lassen,<br />

entweder, sie versuchen, den Ratsverwalter<br />

zu überreden, ihre (n) Freund(e) freizulassen,<br />

oder sie versuchen es mit Heimlichkeit<br />

und/oder Schlösser öffnen, die anderen Charaktere<br />

aus dem nicht bewachten Gefängnis<br />

zu befreien. Dann ist allerdings eine sofortige<br />

Flucht angeraten, und der folgende Abschnitt<br />

wird dann während einer Rast in einem Versteck<br />

erzählt.<br />

Da es in Eden keine Technologie mehr<br />

gibt, ist auch die moderne Medizin verpönt,<br />

die Charaktere haben keine Antibiotika oder<br />

ähnliches, um die Wunden des Fremden zu<br />

versorgen, sondern müssen sich ganz auf die<br />

Naturheilkunde und Gebete verlassen. Charaktere<br />

mit Fähigkeiten wie Heilkunde oder<br />

erste Hilfe können natürlich Proben würfeln,<br />

ob sie McArrow besser versorgen können.<br />

Eine Geschichte<br />

von einer Stadt<br />

Sobald es ihm wieder etwas besser geht,<br />

erzählt McArrow den Charakteren von der<br />

Stadt und warum er auf dem Land ist.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Gib dem Spieler von McArrow die Infos aus<br />

der Einleitung zusätzlich zu dem folgenden<br />

Text auf einem eigenen Zettel, ansonsten<br />

lies sie einfach vor.<br />

McArrow ist 25 Jahre alt, was in dieser<br />

Welt bedeutet, dass er sich im besten Alter<br />

befindet. Er lebt gemeinsam mit seiner jüngeren<br />

Schwester in einem verfallenen Haus<br />

am Stadtrand von New Metropolis, es ist ein<br />

etwas ruhigeres Viertel, was soviel bedeutet,<br />

dass nicht jede Nacht Bandenkämpfe und<br />

blutige Unruhen auf den Strassen toben.<br />

Er verdient sein Geld als Händler, er ist eine<br />

Art Schieber, der von den Glücksrittern und<br />

Schmugglern bestimmte Waren ankauft, um<br />

sie in der Stadt weiterzuverkaufen, hauptsächlich<br />

hat er mit Gebrauchsgegenständen<br />

des täglichen Lebens gehandelt, keine Waffen<br />

oder Drogen. Eigentlich hat er ein gutes<br />

Leben, bis vor einiger Zeit seine Schwester,<br />

sein einziges noch lebendes Familienmitglied,<br />

schwer krank wurde. Die Stadtheiler,<br />

eine Mischung aus modernem Mediziner und<br />

Schamane, können ihr nicht helfen, wissen<br />

aber, dass es auf dem Land noch Möglichkeiten<br />

gibt in Form einer seltenen Pflanze<br />

namens Sonnenranke. Die grössten Vorkommen<br />

finden sich in den Gärten des Rates in einer<br />

Art Kloster in der Nähe des Dorfes Eden.<br />

Die meisten Schmuggler, die McArrow auf<br />

diese Pflanzen angesprochen hat, haben<br />

entweder gleich abgelehnt oder verlangen<br />

horrende Preise. Niemand will freiwillig das<br />

Einzugsgebiet des Rates betreten, da die<br />

meisten von dort nicht zurückkehren. Also<br />

blieb McArrow nichts anderes übrig, als<br />

selbst zu gehen, während er seine Schwester<br />

in der Obhut eines alten Freundes gelassen<br />

hat, der sich um sie kümmern will. Seine<br />

Verletzungen hat er sich bei dem Überfall<br />

durch eine Bande von Wegelagerern geholt,<br />

die dachten, dass es bei ihm etwas zu holen<br />

gäbe, er konnte ihnen jedoch entkommen.<br />

Bei der Nennung der Ratsgärten sollten<br />

die Charaktere aufhorchen. Sie wissen, dass<br />

es bei Todesstrafe verboten ist, dieses Gelände<br />

zu betreten, niemand ausser den Ratsverwaltern<br />

und ihren schwarzgekleideten Soldaten<br />

darf Gebäude und Gärten betreteten.<br />

Allerdings weiss auch niemand, warum diese<br />

rigorosen Strafen verhängt werden.<br />

Wenn McArrow sie um Hilfe bittet, werden<br />

sie ihn darauf hinweisen. Bittet er<br />

die Charaktere um Hilfe, sollte der<br />

Spieler des Händlers eine Probe<br />

auf Überzeugen oder Überreden<br />

oder etwas Vergleichbares durchführen,<br />

damit sie ihm bei seiner<br />

Suche helfen. Als Gegenleistung<br />

würde er ihnen technische Geräte<br />

überlassen oder die ganz Mutigen<br />

sogar mit zurück in die Stadt nehmen.<br />

Verbotene<br />

Gärten<br />

Der Hauptsitz des Rates befindet<br />

sich etwa drei Tagesreise von<br />

Eden entfernt, die Reise führt<br />

über neu ausgebaute, allerdings<br />

ungepflasterte Landstrassen.<br />

Anmerkung für den<br />

Spielleiter<br />

Schmücke die Gegend und die<br />

Reise auch nach Deinen eigenen<br />

Vorstellung aus.<br />

Es sind nur wenige Reisende<br />

unterwegs, da die Leute es vorziehen, unter<br />

sich zu bleiben. Allenfalls ein fliegender<br />

Händler, der von Dorf zu Dorf reist, um Töpfe,<br />

Schüsseln und ähnliche nützliche Dinge<br />

für den Haushalt zu verkaufen, dürfte anzutreffen<br />

sein. Er beachtet die Charaktere<br />

nicht weiter, allenfalls McArrows Rucksack<br />

entlock ihm eine Bemerkung. Da die Händler<br />

aber nicht unbedingt die besten Freunde des<br />

Rates sind, weil sie einen Teil ihrer Ware auch<br />

aus der Stadt beziehen, wird er sich hüten,<br />

etwas über den Fremden zu sagen.<br />

Nach etwa drei Viertel der Wegstrecke<br />

kommt das Gebäude in Sichtweite, es handelt<br />

sich um eine grosse Anlage, die in Hufeisenform<br />

angelegt wurde, im Hintergrund gibt es<br />

noch zwei Wirtschaftsgebäude rechts und<br />

links hinter dem Anwesen. Um das Anwesen<br />

herum befinden sich die Gärten. Vom Baustil<br />

her sieht es aus wie ein gelb getünchtes Barockschloss,<br />

allerdings wurden nachträgliche<br />

bauliche Massnahmen und Renovierungsarbeiten<br />

ohne den nötigen Sachverstand<br />

ausgeführt, so dass das Gebäude eher nach<br />

einem steingewordenen Flickenteppich aussieht.<br />

Um den Komplex herum ist eine ungefähr<br />

zwei Meter hoher Palisade gezogen, in der<br />

Mitte gibt es ein von zwei schwarzgekleideten<br />

Ratssoldaten bewachtes Tor. Dies ist ein<br />

möglicher Eingang, eine andere Möglichkeit<br />

wäre es, sich um die Palisade zu schleichen,<br />

ein Loch zu graben oder zu bohren und von<br />

Abenteuer<br />

Seite 25


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Eden Metropolis<br />

hinten das Gelände zu betreten.<br />

Wählen die Charaktere den Vordereingang,<br />

so werden sie von den Wachen gefangen<br />

genommen und in das Gebäude gebracht,<br />

Überreden und Überzeugen nutzt nichts, die<br />

Soldaten haben klare Anweisungen. Ein Einbruch<br />

im hinteren Bereich der Anlage bleibt<br />

zunächst unentdeckt, allerdings sind auch<br />

in den Gärten Wachen unterwegs, jeweils in<br />

Zweierteams. Insgesamt befinden sich sechs<br />

solcher Teams in den Gärten: Ein Team am<br />

Haupttor des Hauses, eins auf der Rückseite,<br />

jeweils eins vor einem der beiden Gewächshäuser<br />

und zwei Teams, die rund um die<br />

Anlage patroullieren. Sollten die Charaktere<br />

die Wachen länger beobachten, wird ihnen<br />

auffallen, dass diese keinen Wachwechsel<br />

vornehmen, sondern immer auf ihrem Posten<br />

bleiben.<br />

Mit einer bestandenen Wahrnehmungsprobe<br />

wird den Charakteren auffallen, dass<br />

die Wachleute alle exakt die gleiche Grösse,<br />

die gleiche abgetragene Kleidung und das<br />

gleiche Gesicht haben. Sie bewegen sich alle<br />

eher ruckartig und mechanisch, und ausser<br />

einem leisen Sirren oder einem metallischen<br />

Geräusch ist auch kein Ton von ihnen zu hören.<br />

Bei näherer Betrachtung fällt auf, das<br />

manche der Soldaten nur noch ein Auge<br />

haben und die leere Augenhöhle nur ein<br />

schwarzes Loch ist. Einem anderen fehlt ein<br />

Ohr oder es hängt nur noch an Drähten lose<br />

am Kopf, wieder andere beugen das Knie<br />

nicht mehr beim Vorwärts gehen, sondern<br />

stolpern eher vorwärts. Kurzum, alle Roboter<br />

scheinen seit Jahren nicht mehr gewartet<br />

worden zu sein, oder allerhöchstens notdürftig<br />

von jemandem, der keine Ahnung hatte<br />

von der Funktionsweise der hochkomplizierten<br />

Technologie, die hinter diesen Maschinen<br />

steckt.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Lass McArrow einen Zettel zukommen,<br />

das ihm die Idee kommt, dass er schon von<br />

solchen Wesen gehört hat. Aus den technischen<br />

Gerätschaften in seinem Rucksack<br />

kann er etwas bauen, mit dem er einen<br />

elektromagnetischen Impuls sendet bzw.<br />

einen Störsender bauen. Wird dieses Gerät<br />

eingesetzt, so stehen die Soldaten, die in<br />

Wirklichkeit Roboter sind, still und rühren<br />

sich nicht mehr.<br />

Der Verrat des<br />

Ratsverwalters<br />

Sobald die Roboter ausgeschaltet sind, ist<br />

der Weg zum Gewächshaus frei. Die Charaktere,<br />

mit Ausnahme von McArrow, werden<br />

jedoch erstmal furchtbar erschrocken sein,<br />

Seite 26<br />

haben sie doch noch nie zuvor mechanische<br />

Menschen gesehen. Nach einer Erklärung<br />

durch McArrow fällt ihnen auf, dass diese<br />

Wesen jedoch gar nicht zu den Vorgaben des<br />

Rats passen, dass es keinerlei technische Dinge<br />

mehr geben darf. Etwas stimmt hier ganz<br />

und gar nicht.<br />

Die Charaktere sollten nicht zu lange überlegen,<br />

mit einer erfolgreichen Wahrnehmungsprobe<br />

wird ihnen auffallen, dass sich<br />

ihnen jemand nähert. Es handelt sich hierbei<br />

jedoch nicht um einen weiteren Roboter, sondern<br />

um einen sehr alten, gebückt gehenden<br />

Mann, der die lange schwarz-silberne Robe<br />

eines Ratsverwalters trägt. Er scheint nicht<br />

nur vom Alter, sondern auch von Krankheit<br />

gezeichnet zu sein, er hustet des öfteren und<br />

macht lange Pausen beim Sprechen, um keuchend<br />

wieder Luft zu holen, seine Haut ist<br />

übersät mit alten Brandnarben. Er bittet die<br />

Charaktere, ihm zu folgen, da er ihnen etwas<br />

wichtiges zeigen müsse. Sollten sie ihm nicht<br />

folgen, wird er sich zu helfen wissen und die<br />

Eindringlinge ganz einfach töten lassen, ihm<br />

stehen weitere Robotersoldaten zur Verfügung,<br />

die sich im Gebäude befinden und von<br />

McArrows Impuls nicht betroffen waren. Allerdings<br />

sehen diese Roboter genauso mitgenommen<br />

aus wie diejenigen, die ausserhalb<br />

des Gebäudes auf Patrouille waren.<br />

Der Mann stellt sich schliesslich als Harold<br />

Perre vor, er ist der Erste Ratsverwalter. Er<br />

führt die Charaktere durch lange, verwohnte<br />

und verdreckte Gänge in eine Art Thronsaal,<br />

in dem sich ausser einem Vorhang, der<br />

kreisförmig in der Mitte des Raumes von der<br />

Decke hängt, nichts befindet. Hinter diesem<br />

Vorhang sind durch den Schein der Fackeln<br />

an den Wänden Silhouetten von Menschen,<br />

die an einem runden Tisch sitzen, sichtbar.<br />

Offensichtlich handelt es sich bei den Personen<br />

an diesem Tisch um den Rat.<br />

Perre teilt den Charakteren<br />

mit, dass der Rat<br />

sich nun ein Urteil überlegen<br />

wird, er wird es anschliessend<br />

übermitteln.<br />

Auch ohne bestandene<br />

Wahrnehmungsproben<br />

wird den Charakteren<br />

auffallen, dass der Erste<br />

Ratsverwalter etwas verschweigt<br />

und ausserdem<br />

macht er keinen besonders<br />

stabilen geistigen<br />

Eindruck. Er verdreht des<br />

öfteren die Augen und<br />

scheint Stimmen zu vernehmen,<br />

die ausser ihm<br />

niemand hören kann. Unter<br />

theatralischem Räuspern<br />

wird er jedoch den<br />

Charakteren dann das Urteil<br />

des Rates verkünden:<br />

Auf ihren Frevel kann es<br />

nur den Tod geben.<br />

Mit einer Probe auf Geschicklichkeit/Handwerk<br />

o.ä. kann McArrow versuchen,<br />

einen neuen Impuls<br />

zu geben, um die Roboter,<br />

die sich mit im Saal befinden,<br />

ebenfalls auszuschalten.<br />

Ansonsten müssen<br />

die Charaktere versuchen,<br />

sich mit improvisierten<br />

Waffen wie Knüppeln zu<br />

helfen. Sobald einer der<br />

Charaktere zu dem Vorhang<br />

vordringt und diesen<br />

lüften will, wird Perre<br />

Abenteuer


Eden Metropolis<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

mit letzter Kraft vorspringen und in einem<br />

letzten Schwächeanfall den Vorhang herunterreissen.<br />

Damit wird das Geheimnis des Rates ans<br />

Licht kommen, denn um den Tisch sitzen nur<br />

sieben mumifizierte Leichen. Der sterbende<br />

Perre offenbart den Charakteren, was wirklich<br />

geschehen ist: Er ist das jüngste und<br />

letzte noch lebende Mitglied des ursprünglichen<br />

Rates. Unter seiner Robe trägt er auf<br />

der Brust und an der Hüfte seltsame Gerätschaften,<br />

die ihm, wie er erklärt, ein langes<br />

Leben ermöglichen sollen. Diese Geräte und<br />

die Roboter stammen noch aus der Zeit vor<br />

dem „Feuer“, das Perre auch selbst miterlebt<br />

hat. Damit es nie wieder zu einer solchen Katastrophe<br />

kommt, hat er beschlossen, dass<br />

niemand dahinter kommen darf, dass die<br />

Mitglieder der Rates inzwischen alle nicht<br />

mehr leben und der Status Quo nur von einem<br />

alten kranken Mann erhalten und bewahrt<br />

wird.<br />

Epilog<br />

Mit diesem Wissen lässt Perre die Charaktere<br />

allein, er stirbt schliesslich. McArrow<br />

wird zwar seine Pflanzen bekommen, doch<br />

bei allen wird das Erlebte und Gehörte eine<br />

tiefe Erschütterung hinterlassen. Es bleibt<br />

den Bewohnern von Terseca überlassen, ob<br />

sie ihre Erkenntnis mit in die Dörfer nehmen<br />

und den Leuten erzählen, was sie gesehen<br />

haben, immer unter dem Vorbehalt, dass<br />

man ihnen nicht glauben wird und sie verjagt<br />

oder sogar noch Schlimmeres. Andererseits<br />

können sie sich McArrow anschliessen und<br />

nach New Metropolis gehen, doch sie werden<br />

immer im Hinterkopf das Wissen haben,<br />

dass der Rat von Terseca nicht mehr das ist,<br />

was er so lange Jahre vorzugeben schien.<br />

Die Prinzessin im Rubin<br />

EINE KURZGESCHICHTE<br />

TEXT: Jochen Lohr<br />

Das Stadtpalais der Adelsfamilie de Cadenet<br />

befand sich unweit des nördlichen Seine-<br />

Ufers einige Straßen östlich des Louvre, des<br />

früheren Königspalastes. Es war von etwa<br />

zwei Meter hohen Steinmauern und einem<br />

schönen, gut gepflegten Garten umgeben.<br />

Das Haupttor zur Straße hinaus war üblicherweise<br />

bewacht. Außerdem fuhren hier regelmäßig<br />

Kutschen entlang, insbesondere in<br />

Richtung Versailles oder von dort kommend.<br />

Luc Beauregard wählte deshalb den Weg<br />

durch das benachbarte Grundstück, dessen<br />

Anwohnerschaft gerade nicht anwesend<br />

war. Danach kletterte er über die mannshohe<br />

Mauer aus dunkelgrauem Stein, die an<br />

dieser Stelle vom Tor aus nicht einsehbar<br />

war, da das kleine Stadtschlösschen in der<br />

Mitte des Grundstücks die Sicht versperrte.<br />

Der dunkle, mit glanzlosen schwarzen Knöpfen<br />

versehene Mantel und der breitkrempige<br />

schwarze Hut, den er trug, ließen ihn dabei<br />

mit den Schatten der alten Eiche verschmelzen,<br />

die ihre Krone stolz über diesen Teil des<br />

Gartens ausbreitete.<br />

Am Haus angekommen hielt Luc inne, um<br />

nach einer guten Möglichkeit zu suchen, hinein<br />

zu gelangen, ohne Gefahr zu laufen,<br />

bemerkt zu werden. Die höheren Äste der Eiche,<br />

die etwa auf halbem Wege zwischen der<br />

Außenmauer des Grundstücks und der Hauswand<br />

aus dem Boden empor wuchs, ragten<br />

in etwa sechs Meter Höhe über einen Balkon<br />

hinweg. Dorthin musste er gelangen, so war<br />

sein Plan. Luc sprintete in Richtung der Hauswand,<br />

trippelte zwei Schritte an ihr hinauf<br />

und stieß sich dann ab, um an den untersten<br />

Ast zu hechten, der von dem mächtigen<br />

Baum in diese Richtung wuchs. Ein Klimmzug<br />

und eine kurze Kletterpartie später sprang<br />

er von einem weit ausladenden Ast auf den<br />

Balkon und verblieb dort, ruhig, still, um sich<br />

umzuhören.<br />

***<br />

Zwei Tage zuvor saß Luc, wie üblich beinahe<br />

abgebrannt, in einer Spelunke in der Nähe<br />

des Fischmarkts und war gerade dabei, seine<br />

letzten Sous für billigen Wein zu verprassen,<br />

als ein hoch gewachsener Fremder herein<br />

kam. Er war für diesen Ort viel zu gut gekleidet,<br />

in einer weißen Hose und ebenso weißen<br />

Schnallenschuhen, einem eleganten beigen<br />

Gehrock, unter dem die Spitze eines Degens<br />

hervorragte, sowie einem farblich gut mit<br />

dem Rock abgestimmten und obendrein mit<br />

einer langen grünen Feder verzierten Hut.<br />

Luc saß in einer hinteren Ecke der Kneipe und<br />

sah von dort, dass der Wirt auf die Frage, die<br />

der Fremde ihm stellte, nickte und herüber<br />

deutete. Der Dieb war sich nicht im Klaren<br />

darüber, ob er diesem Herren schon einmal<br />

etwas gestohlen oder ihn beraubt hatte. Ein<br />

ehemaliger Kunde konnte nur Ärger bedeuten.<br />

Doch um sich davon zu machen, war es<br />

zu spät.<br />

Der Mann schritt gemächlich auf die Ecke<br />

der Wirtschaft zu, in der Luc es sich bequem<br />

gemacht hatte. Langsam begann der Dieb,<br />

sich unbequem zu fühlen. Der Mann war so<br />

groß, dass er sich unter den vereinzelt von<br />

der Decke hängenden Öllampen ein wenig<br />

bücken musste, als er den engen Raum mit<br />

der niedrigen Decke durchquerte. Schließlich<br />

stand er auf der anderen Seite des Tisches,<br />

Luc gegenüber.<br />

„Monsieur Beauregard, nehme ich an“.<br />

„Stets zu Diensten, Monseignieur. Das<br />

heißt, stets außer jetzt gerade. Wisst ihr, ich<br />

habe -“. Bevor Luc den Satz beenden konnte,<br />

unterbrach ihn der Fremde. Für Luc war<br />

das nicht das Schlechteste, denn er wusste<br />

sowieso nicht, wie der den Satz hätte beenden<br />

sollen.<br />

„Das ist jetzt nicht von Belang.“ sprach der<br />

Fremde und verpasste seiner Stimme einen<br />

schärferen Tonfall.<br />

„Monsieur Beauregard, ich komme zu ihnen,<br />

weil ihre Fähigkeiten als Dieb und Einbrecher<br />

sich inzwischen ein klein wenig herumgesprochen<br />

haben. Ich darf mich doch<br />

setzen?“.<br />

Der Tonfall des Fremden war bei den letzten<br />

Worten wieder weniger unfreundlich,<br />

aber immer noch bestimmt. Beauregard<br />

deutete auf den Stuhl ihm gegenüber, doch<br />

der Mann wartete nicht, sondern griff, kaum<br />

dass er die Frage ausgesprochen hatte, nach<br />

dem Stuhl und zog ihn zu sich heran.<br />

Luc entspannte sich derweil wieder ein wenig.<br />

Hier schien es sich nicht um eines seiner<br />

früheren Opfer zu handeln, das ihn irgendwie<br />

ausfindig gemacht hatte und nun auf Rache<br />

oder wenigstens auf Wiedergutmachung<br />

Abenteuer<br />

Seite 27


ANDUIN <strong>98</strong><br />

KURZGESCHICHTEN<br />

des Schadens aus war – welch absurde Idee<br />

eigentlich, von ihm Geld zu verlangen. Nein,<br />

hier schien es sich vielmehr um einen potenziellen<br />

Auftraggeber zu handeln, sogar einen,<br />

der selbst gut betucht war und möglicherweise<br />

sogar eine Bezahlung bot, die seinen<br />

Fähigkeiten auch angemessen war.<br />

„Ein Krug Wein, Monseignieur?“ bot Luc<br />

dem Mann an, wohl verschweigend, dass er<br />

den Krug nicht mehr würde zahlen können.<br />

„Ich bin im Dienst, Beauregard. Außerdem<br />

bezweifle ich, dass der Wein hier meinen Ansprüchen<br />

genügt. Aber darum soll es in diesem<br />

Gespräch nicht gehen. Monsieur Beauregard,<br />

es gibt einen Mann, genauer gesagt ist<br />

es mein Herr, der daran interessiert ist, von<br />

ihren Fähigkeiten Gebrauch zu machen.“<br />

„Nun, im Augenblick bin ich recht beschäftigt,<br />

und könnte einen neuen Auftrag nur annehmen,<br />

wenn - „<br />

„Mein Herr zahlt Ihnen zehn Louis d‘or.“<br />

„Das ändert die Sachlage natürlich. Unter<br />

diesen Umständen, solange es sich nicht um<br />

Mord handelt oder darum, dem Dauphin sein<br />

Lieblingsspielzeug zu stehlen, stehe ich ihnen<br />

natürlich zur Verfügung.“ Den Gegenwert<br />

von zehn Goldmünzen bekam Luc in einem<br />

Jahr nicht zusammen.<br />

„Es handelt sich selbstverständlich um<br />

nichts dergleichen. Es ist lediglich so, dass<br />

das Stück, welches sie uns beschaffen sollen,<br />

einen für meinen Herrn recht hohen Wert besitzt.<br />

Sie als kleiner, wenn auch talentierter<br />

Gauner würden das Stück niemals zu einem<br />

angemessenen Preis veräußern können.<br />

Trotzdem hält mein Herr es für angemessen,<br />

ihnen eine Belohnung zu versprechen, die in<br />

etwa der Hälfte des Wertes entspricht, den<br />

das Stück für uns hat.“<br />

„So so. Dann erzählt doch einmal etwas<br />

mehr über den Gegenstand. Und über das<br />

Opfer. Man will ja wissen, mit wem man sich<br />

einlässt.“ Luc hatte Feuer gefangen. Ein Stück<br />

von diesem Wert würde seinen Ruf in ungeahnte<br />

Höhen schnellen lassen – oder Tiefen,<br />

je nachdem, wen man fragte. Dass der Fremde<br />

den Namen seines Herrn nicht preis gab,<br />

kam indes für Luc nicht überraschend. Wenn<br />

die reichen Herrn der Stadt Gesindel wie ihn<br />

anheuerten, um sich gegenseitig um ihr Hab<br />

und Gut zu bringen, so wollten sie für den<br />

Fall, dass der Dieb geschnappt und verhört<br />

wurde, keinesfalls mit Namen genannt werden.<br />

Zwar würde einem Straßenräuber und<br />

Einbrecher, wie Beauregard es war, wahrscheinlich<br />

niemand glauben, aber die hohen<br />

Herren zogen hier doch die sichere Variante<br />

vor.<br />

„Es handelt sich um die Tochter des Duc<br />

de Cadenet, Marianne. In ihrem Besitz befindet<br />

sich ein Rubin, etwa von der Größe eines<br />

Hühnereis. Er sollte kaum zu verwechseln<br />

sein. Wenn sie weitere Dinge stehlen wollen,<br />

ist das ihnen überlassen. Wir nehmen ihnen<br />

aber nur diesen Rubin ab und zahlen dafür<br />

die besagten zehn Louis d‘or.“<br />

„Einen Duc zu bestehlen, ist nicht gerade<br />

einfach. Vermutlich wird sein Haus bewacht.“<br />

Luc mochte keine Adligen. Selbst der niedere<br />

Adel umgab sich mit einem Prunk, der,<br />

schaute man auf die Armut, in der die Menschen<br />

jenseits der Paläste und Lustschlösser<br />

lebten, nur als Spott gegenüber dem Pöbel<br />

aufgefasst werden konnte. In dieser Hinsicht<br />

hatte er nicht die geringsten Skrupel. Allerdings<br />

wollte er abklopfen, ob der Auftraggeber<br />

ihn bereits mit Informationen versorgen<br />

konnte, die ihm helfen konnten, den Auftrag<br />

zu erfüllen. Das konnte er tatsächlich.<br />

„Wie es im Haus aussieht, kann ich Ihnen<br />

nicht sagen. Allerdings wird der Duc mitsamt<br />

seiner Anhängerschaft am Sonntag in Versailles<br />

weilen, da der Sonnenkönig zu einem<br />

Ball lädt. Ein großer Teil seiner Dienerschaft<br />

wird wie üblich mit ihm zum Königsschloss<br />

fahren. Das Haus wird also weitgehend leer<br />

sein.“<br />

„Das klingt machbar.“, erwiderte der Dieb,<br />

„aber ein Plan des Hauses würde die Sache<br />

doch sehr erleichtern. Ich möchte nicht alle<br />

Zimmer des Hauses nach dem Edelstein<br />

durchsuchen müssen.“<br />

Der Fremde zog einen kleinen Zettel aus<br />

der Innentasche seines Gehrocks und faltete<br />

ihn auf. Auf dem Zettel war ein Lageplan zu<br />

erkennen, wenn auch nur dünn gezeichnet.<br />

In einigen Zimmern waren Namen geschrieben.<br />

„Ihr könnt doch hoffentlich lesen, Monsieur<br />

Beauregard?“.<br />

„Selbstverständlich, Monseignieur.“<br />

„Nun, dann sollte dies wohl an Information<br />

genügen. Hier ist ein kleiner Vorschuss auf<br />

eure Bezahlung.“ sagte der Mann und legte<br />

einen kleinen Lederbeutel zwischen den beiden<br />

auf den Tisch. „Ich werde am Montag zur<br />

selben Zeit hier nach euch schauen. Wenn ich<br />

euch an diesem Ort nicht vorfinde, muss ich<br />

davon ausgehen, dass ihr meinen Herrn um<br />

das fragliche Stück betrügen möchtet.“<br />

„Nein, macht euch keine Gedanken. Ich<br />

werde hier sein. Ich habe schließlich einen<br />

Ruf zu verlieren.“<br />

„Nicht den besten, Monsieur Beauregard.<br />

Auf ein gutes Gelingen.“<br />

Mit diesen Worten erhob sich der hochgewachsene<br />

Fremde, tippte noch einmal<br />

zum Abschied mit dem Finger gegen den<br />

Rand seines Hutes, und begab sich, den Kopf<br />

wieder leicht eingezogen, zur Tür, während<br />

Beauregard bereits dabei war, den Wirt um<br />

einen neuen Krug mit Wein zu bitten, dieses<br />

Mal jedoch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit<br />

einen der besseren.<br />

***<br />

Sein Aufsetzen auf dem Balkon klang wie<br />

ein Paukenschlag in seinen Ohren nach, doch<br />

jetzt hörte er nichts weiter als sein Herz.<br />

Einbruch und Diebstahl waren für ihn, der<br />

in ärmlichen Verhältnissen auf den Straßen<br />

von Paris, der größten Stadt Europas, aufgewachsen<br />

war, zur Gewohnheit und zum wichtigsten<br />

Weg geworden, seinen Lebensunterhalt<br />

zu bestreiten. Bisher jedoch hatte er es<br />

noch nie gewagt, das Anwesen eines derart<br />

hoch gestellten Herrn wie des Duc de Cadenet<br />

mit seinem Besuch zu beehren. Er bevorzugte<br />

den niederen Adel, da solchen Leuten<br />

der Einfluss fehlte, die städtischen Beamten<br />

aus ihrem Dauerschlaf zu wecken und dazu<br />

zu bewegen, sich mit der Aufklärung eines<br />

Diebstahls zu beschäftigen.<br />

Die leichte kühle Brise, die durch die sternenklare<br />

Nacht reiste, war hier oben auf dem<br />

Balkon deutlich besser zu spüren, als unten<br />

im von der Mauer umgebenen Garten. Luc<br />

raffte sich nach ein paar Momenten der Ruhe<br />

auf und griff nach dem Diebeswerkzeug, dass<br />

er neben einem schweren Dolch und einer<br />

kurzen Pistole in einer kleinen Ledertasche<br />

am Gürtel hängen hatte. Wenige Augenblicke<br />

später war die Tür zum Flur geöffnet. Die<br />

brokatenen Vorhänge wurden nun vom Wind<br />

zu einem sanften Tanz angeregt. Luc spähte<br />

den Gang entlang nach links und rechts, um<br />

die Lage zu erkunden.<br />

Das obere Stockwerk schien menschenleer.<br />

Als Luc begann, langsam auf dem weichen,<br />

mit orientalischen Mustern verzierten<br />

Teppich in Richtung des Treppenhauses zu<br />

gehen, bemühte er sich trotzdem redlich um<br />

Heimlichkeit. Genau aus diesem Grund bemerkte<br />

er die beiden Männer, die langsamen<br />

Schrittes die Haupttreppe im Foyer herauf<br />

kamen, früh genug, um eine Tür zur linken<br />

Hand zu öffnen und sich in dem dahinter<br />

liegenden Zimmer zu verbergen. Durch kurzes<br />

Umschauen erkannte er, dass es sich um<br />

einen einfach eingerichteten leeren Schlafraum<br />

handelte.<br />

Luc hörte die Stimmen der beiden, die nun<br />

am oberen Ende der Treppe angekommen<br />

waren und den Flur entlang in seine Richtung<br />

gingen.<br />

„Jerome, ich sage dir, du solltest in Zukunft<br />

nicht während des Wachdienstes trinken.<br />

Seite 28<br />

Mai 2009


KURZGESCHICHTEN<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Nur gut, dass de Cadenet nicht im Haus ist.<br />

Du wärst keinen Tag länger mehr in seinen<br />

Diensten.“<br />

„Ahwas, passiert doch eh nischx.“ antwortete<br />

der andere, der offenkundig der Kontrolle<br />

über seine Zunge zumindest teilweise<br />

verlustig gegangen war.<br />

Die beiden hielten direkt vor der Tür, hinter<br />

der Luc sich verbarg. Der Dieb hielt den<br />

Atem an.<br />

„Schlaf dich erstmal aus. Der Duc wird sowieso<br />

nicht vor Montag abend zurück sein.<br />

Bis dahin schaffst du es auch, wieder nüchtern<br />

zu werden.<br />

Die schwere Klinke bewegte sich langsam<br />

nach unten, die Tür wurde geöffnet. Luc sah<br />

im Dunkel nur zwei einander stützende Gestalten,<br />

ohne direkt sagen zu können, wer<br />

nun der Nüchterne und wer der Betrunkene<br />

war. Er musste schnell handeln. Noch bevor<br />

die beiden ihn bemerkten, zog er den Dolch<br />

und hieb dem ersten der beiden den Knauf<br />

mit Wucht gegen das Kinn. Der Mann sackte<br />

stöhnend zusammen. Der andere jedoch,<br />

offensichtlich nüchtern, sprang direkt einen<br />

Schritt zurück und zog darauf seinen Degen.<br />

„Was soll das? Wer ist da?“<br />

Luc wusste, er musste flink sein. Die tödliche<br />

lange Klinge seines Kontrahenten würde<br />

ihm sonst den Gar aus machen. Er nahm den<br />

Mantel von den Schultern und sprang, sich<br />

mit Schwung um die eigene Achse drehend,<br />

dem Wachmann entgegen, dabei den Mantel<br />

über den Degen werfend, um der Klinge ihre<br />

Wirkung zu nehmen. Der Wachmann war<br />

nicht geistesgegenwärtig genug, um das Manöver<br />

vorauszusehen, und wurde überrumpelt.<br />

Auch er fing sich einen heftigen Schlag<br />

mit dem Knauf des Dolches ein, der ihn niederstreckte.<br />

Luc stand darauf im Flur und lauschte gespannt.<br />

Vermutlich war ansonsten niemand<br />

mehr zugegen, denn der Ausruf des Wachsoldaten<br />

wäre ansonsten wahrscheinlich<br />

gehört worden. Er zog die beiden reglosen<br />

Körper in den Raum, in dem er sich vorher<br />

verborgen hatte, und fesselte und knebelte<br />

die beiden. Dann begab er sich wieder auf<br />

den Weg zu seinem eigentlichen Ziel, dem<br />

Zimmer von Marianne de Cadenet, der Tochter<br />

des Herzogs.<br />

Nachdem er den Obergang am von Oberlichtern<br />

schwach beleuchteten Treppenhaus<br />

vorbei dem mit Stuck reichhaltig verzierten<br />

Flur nach links gefolgt war, stand der Einbrecher<br />

vor der Tür, hinter der sich, schenkte<br />

man dem Plan Glauben, den Luc von seinem<br />

Auftraggeber bekommen hatte, das Zimmer<br />

der jungen Dame de Cadenet befinden<br />

Mai 2009<br />

sollte. Luc griff nach dem goldglänzenden<br />

Knauf und drehte ihn vorsichtig. Das Zimmer<br />

war überraschenderweise nicht abgeschlossen.<br />

Er öffnete die Tür, die hierbei ein leises<br />

Knarren von sich gab, und betrat leise das<br />

Schlafgemach der jungen Mademoiselle de<br />

Cadenet.<br />

Das Zimmer war kleiner als erwartet. Neben<br />

dem Himmelbett, dessen seidene Vorhänge<br />

zugezogen waren, gab es hier noch<br />

einen Wandschrank, der nahezu die gesamte<br />

Länge des Raumes ausmachte, sowie einen<br />

eleganten, weiß lackierten Sekretär nebst<br />

des dazu passenden Stuhles. Auf diesem ließ<br />

Luc sich nun nieder, um die Fächer des Sekretärs<br />

zu durchsuchen. Nachdem er dort nichts<br />

fand außer einigen Schreibutensilien, versuchte<br />

er sich an der Tür des Sekretärs, die jedoch<br />

verschlossen war. Luc schaute sich um<br />

und erspähte eine Puderdose auf dem Sekretär.<br />

Er griff nach ihr, öffnete sie und wühlte<br />

ein wenig im Puder herum. Ein verzierter<br />

Messingschlüssel kam zum Vorschein. Wieso<br />

waren die Dinge nur immer so einfach?<br />

Der Schlüssel ließ sich leicht in dem hervorragend<br />

gearbeiteten Schloss drehen. Die Tür,<br />

offensichtlich nicht einwandfrei gearbeitet,<br />

schwang ihm entgegen. In der Ablage befand<br />

sich neben Spielsachen und Büchern auch<br />

eine große, reich mit Blattgold besetzte Kassette,<br />

in deren Schloss ein Schlüssel steckte.<br />

Luc griff nach der Kassette in der Annahme,<br />

es handelte sich um ein Schmuckkästchen.<br />

Überrascht vom enormen Gewicht der Kassette<br />

ließ er sie aus der Hand gleiten, so dass<br />

sie mit lautem Scheppern auf dem Boden<br />

knallte und aufsprang, was dazu führte, dass<br />

eine größere Anzahl an Schmuckstücken und<br />

Juwelen sich auf dem Boden verteilte.<br />

Mademoiselle de Cadenet fuhr in diesem<br />

Moment aus dem Schlaf empor, da dass<br />

Scheppern des Kästchens sie recht heftig geweckt<br />

hatte.<br />

„Wer ist da?“<br />

„Nur ein Einbrecher, Madame, nichts wirklich<br />

Beunruhigendes.“<br />

Ein spitzer, nicht zu lauter Schrei entfuhr<br />

der jungen Adligen.<br />

„Nicht so laut, man hört euch noch.“ Luc<br />

riss die Vorhänge des Himmelbettes beiseite<br />

und presste schnell die Hand auf den Mund<br />

des Mädchens. Sie war wohl knappe zwanzig<br />

Jahre alt und recht ansehnlich. Nein, sie war<br />

hübsch. Zumeist sah er Damen von Adel nur<br />

in bunten weiten Kleidern, aufgesteckten Frisuren<br />

und unter Mengen von Schminke, die<br />

sie bis zur Unkenntlichkeit maskierten. Diese<br />

Dame jedoch trug lediglich ihr Schlafgewand<br />

ohne jedweden Zierrat, was auch nicht verwundern<br />

mag, wenn man sich ins Gedächtnis<br />

ruft, wo sie sich befand. Ihr Haar fiel glatt<br />

über die Schultern, wie er es mochte, ohne<br />

all den modischen Firlefanz.<br />

Außerdem befand sich auf einer kleinen<br />

Ablage über dem Kopfende ein großer roter<br />

Edelstein. Der Dieb legte seinen Finger über<br />

den Mund und deutete dem Mädchen, zu<br />

schweigen.<br />

„Wieso seid ihr nicht auf dem Ball? Ich hätte<br />

gehofft, euch Ungemach zu ersparen, indem<br />

ich euch nicht antreffe.“ Langsam zog<br />

Luc die Hand zurück. Sie schaute ihn entgeistert<br />

an.<br />

„Sprecht, so lange ihr leise seid. Dann<br />

müsst ihr auch keine Angst haben. Nun?“ Luc<br />

hatte jetzt das Gefühl, die Situation im Griff<br />

zu haben. Das Mädchen schwieg.<br />

„Habt ihr doch Angst?“, fragte er. Sie nickte.<br />

„Ihr habt mich aber auch sehr erschreckt,<br />

Mademoiselle. Gestatten, Beauregard.“ Der<br />

Dieb stand auf und verbeugte sich. Das Mädchen<br />

schaute nur ungläubig.<br />

„Marianne de Cadenet.“<br />

Der Dieb zauberte ein galantes Lächeln in<br />

sein Gesicht, ein Lächeln, das nicht nur vom<br />

von einem honigblonden, gepflegten Bart<br />

umrandeten Mund ausging, sondern auch<br />

die azurblauen Augen, die selbst in der Dunkelheit<br />

noch zu strahlen schienen, mit einschloss.<br />

„So, da wir nun einander bekannt sind,<br />

können wir die Situation auch etwas entspannter<br />

angehen. Ich bin allerdings immer<br />

noch neugierig. Wieso seid ihr nicht auf dem<br />

Ball?“<br />

„Ich mache mir nichts aus Bällen. Das ist<br />

mir alles zu förmlich und langweilig. Also<br />

habe ich so getan, als sei ich krank.“<br />

„Nun, der Langeweile sind wir ja Herr geworden.“<br />

sagte Luc und schmunzelte dabei.<br />

Auch über Mariannes Gesicht zog nun ein<br />

Lächeln.<br />

„Nun, Marianne, ich kann nicht umhin, festzustellen,<br />

dass der eigentliche Grund meines<br />

Besuchs eher, sagen wir, geschäftlicher Natur<br />

ist. Um genau zu sein, ich kam speziell<br />

wegen dieses unscheinbaren Edelsteins, welcher<br />

sich dort auf der Ablage befindet.“<br />

„Nein, nicht diesen! Alle anderen, nur nicht<br />

diesen!“ Das eben noch ruhige, fast fröhliche<br />

Gesicht Mariannes wirkte auf einmal<br />

erschreckt, in ihrer Stimme schwang eine Mischung<br />

aus Panik und Empörung mit.<br />

„Eigentlich war der Plan genau anders herum.<br />

Ich wollte diesen und keinen anderen.<br />

Seite 29


ANDUIN <strong>98</strong><br />

KURZGESCHICHTEN<br />

Aber wenn ich mir‘s recht überlege, könnte<br />

ich die besten Teile dieser zwei Pläne...:“<br />

„Nein, Monsieur, ich beschwöre Euch!<br />

Nicht den Rubin!“<br />

„Mir scheint, die anderen Sachen, also die<br />

aus der Kassette, sind doch auch recht schön.<br />

Was liegt euch so viel an dem Stein?“<br />

„Die anderen Schmuckstücke sind mir egal.<br />

Ich trage sie, wenn ich es muss, sonst nicht.<br />

Aber wenn ich euch erzähle, was es mit dem<br />

Stein auf sich hat, lacht ihr mich nur aus. Bitte<br />

glaubt mir einfach, dass er zu wichtig für<br />

mich ist!“<br />

„Wenn ihr‘s mir nicht erzählt, habe ich allerdings<br />

keinen Grund, das gute Stück hier<br />

zu lassen. Es bringt mir eine Menge Geld ein.<br />

Geld ist zwar für mich beileibe nicht alles,<br />

aber ich möchte doch wissen, weshalb ich<br />

mir die Belohnung entgehen lasse.“<br />

Diese Logik beeindruckte das Mädchen.<br />

„Also gut.“ Marianne zögerte einen Moment,<br />

ehe sie weiter sprach. „Das hier habe<br />

ich sonst noch niemandem erzählt.“<br />

Sie holte noch einmal tief Luft, bevor sie ihr<br />

Geheimnis preis gab. „Eine Wahrsagerin hat<br />

mir verkündet, dass es einen zweiten solchen<br />

Stein gibt und dass der Träger dieses Steins<br />

mein Traummann sein soll.“<br />

Stille füllte den Raum, eine Stille von dieser<br />

unbehaglichen Sorte.<br />

„Und das glaubt ihr?“ Dem Dieb war ob der<br />

Naivität des Mädchens nicht nach Lachen zumute.<br />

„Ich wusste, dass ihr mich nicht ernst<br />

nehmt!“ Marianne griff nach dem Stein.<br />

„Aber ihr könnt es selbst sehen. Haltet den<br />

Stein gegen das Licht, dann seht ihr eine Gestalt<br />

im Rubin, eine tanzende Prinzessin.“<br />

Luc griff nach dem Stein. Im Dunkel des<br />

Schlafgemachs war natürlich nichts zu erkennen,<br />

doch die junge Adlige war bereits<br />

dabei, eine Kerze anzuzünden. Kaum dass<br />

sie entflammt war, hielt Luc den Stein gegen<br />

das Licht. Tatsächlich konnte man in dem funkelnden<br />

Stein eine Verunreinigung erkennen,<br />

die Ähnlichkeit mit der Form einer tanzenden<br />

Frau in einem weit ausladenden Ballkleid hatte.<br />

Außerdem konnte Luc nun, da die Kerze<br />

den Raum ein wenig erhellte, nicht umhin,<br />

festzustellen, dass Marianne de Cadenet in<br />

ihrem hauchdünnen Nachtgewand eine vorzügliche<br />

Figur abgab. Sie war wirklich bezaubernd.<br />

Und sie schien nicht den beim Hochadel<br />

üblichen Hang zur Dekadenz zu haben,<br />

schenkte man ihren Worten Glauben.<br />

„Eine rührende Geschichte. Wisst ihr noch<br />

zufällig, wo ihr die Wahrsagerin getroffen<br />

habt? Eine Frau, die solche Edelsteine verschenkt,<br />

würde ich nur zu gerne kennen lernen.“<br />

„Es war in einem Zirkus in Orléans. Ich bin<br />

meiner Gouvernante entwischt und habe mir<br />

die Stadt auf eigene Faust angeschaut. Naja,<br />

da war dieser Zirkus, die magische Manege<br />

des Maurice Maillot. Ich bin hingegangen,<br />

und nach der Vorstellung hat mich diese<br />

Dame angesprochen. Sie war etwas unheimlich,<br />

in schwarz gekleidet mit einem Schleier<br />

vorm Gesicht, und sie hatte einen komischen<br />

Akzent. Ich glaube, sie war Ausländerin. Sie<br />

erzählte mir diese Geschichte von den Rubinen,<br />

die zwei vom Schicksal Auserwählte zusammen<br />

bringen sollten.“<br />

„Ich glaube, ich muss nach Orléans. Vielleicht<br />

bekomme ich auch einen.“<br />

„Ihr macht euch immer noch über mich<br />

lustig.“<br />

„Ich gebe zu, dass ich Euch die Geschichte<br />

nicht glaube. Aber es war ein guter Versuch.<br />

Nun, während ich gehe, bitte ich Euch, keinen<br />

Lärm zu schlagen. Anderenfalls sähe ich mich<br />

gezwungen, härtere Maßnahmen zu ergreifen.<br />

Ich bin so freundlich, euch die anderen<br />

Schmuckstücke zu lassen. Den Rubin nehme<br />

ich allerdings an mich.“<br />

„Nein, bitte, Monsieur! Ich flehe euch an!“<br />

Marianne warf ihre Arme um den Mann und<br />

klammerte sich an ihn. „Alles, was ihr wollt!<br />

Nur nicht den Stein!“<br />

Luc zögerte. Was, wenn die Geschichte<br />

doch stimmte? Das Mädchen schien sie tatsächlich<br />

zu glauben. Außerdem fühlte sie sich<br />

sehr angenehm an in seinen Armen. Sie fing<br />

zudem noch an, ihn zu küssen. Sie schien alle<br />

Mittel nutzen zu wollen, die ihr gegeben waren.<br />

Nein, er konnte ihr das nicht antun. Er hatte<br />

einfach ein weiches Herz. Sie war besonders,<br />

das spürte er. Er würde ihre Hingabe<br />

belohnen.<br />

***<br />

In südwestlicher Richtung führte eine breite<br />

ungepflasterte Straße aus Paris heraus.<br />

Folgte man ihr, so gelangte man nach Orléans.<br />

Luc war nun einige Kilometer entlang<br />

dieser Straße gelaufen, durch weite Ackerlandschaften,<br />

die von Höfen und Weilern<br />

durchsetzt waren. Jetzt stand er auf einer<br />

kleinen Anhöhe und blickte zurück auf die<br />

Stadt, die bis dato sein Leben gewesen war.<br />

Paris war ein Moloch voller Menschen, mehrere<br />

hunderttausend an der Zahl. Die meisten<br />

waren bettelarm, während der Adel in eigenen<br />

Vierteln unter sich blieb und pausenlos<br />

Feste feierte, in denen man sich an Vergnügen<br />

und Verschwendung zu übertreffen<br />

suchte. Der Gestank innerhalb des größten<br />

Teils der Stadt, der vom offenen Kanalisationssystem<br />

in den Vierteln der armen Leute<br />

ausging, war für einen Menschen vom Land<br />

geradezu unerträglich, die vielen engen kleinen<br />

Gässchen gefährlich, spätestens nachdem<br />

die Sonne untergegangen war. Für Luc<br />

jedoch waren diese Gässchen Heimat, die er<br />

zurückließ. Aber er wusste, es musste sein. Er<br />

hatte keine Wahl.<br />

Luc fasste in die Innentasche seines Mantels,<br />

wie um sich zu vergewissern, ob das,<br />

was er dort verborgen hatte, noch an seinem<br />

Platz war. Er holte einen etwa taubeneigroßen<br />

roten Edelstein hervor, den Stein, den<br />

er seinem unbekannten Auftraggeber hätte<br />

aushändigen sollen. Das würde niemals geschehen,<br />

dafür würde er sorgen, genauso wie<br />

dafür, dass auch kein anderer der unzähligen<br />

Diebe, Gauner und Halunken, die sich in den<br />

ärmeren Gegenden der Stadt herumtrieben<br />

und die alle ihren Preis hatten, jemals Hand<br />

an den Stein, den Traum dieses bezaubernden<br />

Mädchens, legen konnte. Er befürchtete<br />

nur, sie würde es nicht verstehen, nicht<br />

erkennen, dass er den Stein nicht gestohlen<br />

hatte, sondern ihn nur für sie aufbewahrte,<br />

ihn beschützte und damit auch sie.<br />

In der Nacht, nachdem sie eingeschlafen<br />

war, hatte er ihr einen Brief geschrieben,<br />

in dem er ihr genau diese Dinge erklärte. Er<br />

schrieb ihr von dem Schwur, den er geleistet<br />

hatte auf die kleine Taschenbibel, die er auf<br />

ihrer Schreibfläche gefunden hatte, den Eid,<br />

sich auf die Suche zu begeben nach dem Gegenstück,<br />

und sollte es existieren, ihr zu bringen.<br />

Dies war für ihn, der es mit dem Glauben<br />

nicht so eng sah und Kirchen eigentlich nur<br />

aus beruflichen Gründen betrat, etwas sehr<br />

Besonderes, doch wusste er nicht, ob sie das<br />

begreifen würde. Nun war er auf dem Weg<br />

nach Orléans, der einzigen Spur, die er hatte.<br />

In Paris konnte er, nachdem er einen offensichtlich<br />

einflussreichen und betuchten Kunden<br />

geprellt hatte, sowieso nicht bleiben. Da<br />

bot es sich an, nach dem Zirkus zu suchen,<br />

mit dem diese spendable Wahrsagerin angeblich<br />

durch die Lande zog.<br />

Luc gab sich einen Ruck und wendete seinen<br />

Blick weg von der Stadt auf die Straße,<br />

die sich, staubig und ausgetrocknet von der<br />

sonnigen Hitze der letzten Tage, auf der anderen<br />

Seite der Anhöhe in ein flaches Tal hinab<br />

und der Welt entgegen schlängelte. Er<br />

atmete die Landluft, die der Wind ihm von<br />

Südwesten entgegen trug. Sie schmeckte<br />

nach Abenteuer.<br />

Seite 30<br />

Mai 2009


LIVEROLLENSPIELECKE<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Endzeitlarp<br />

Liverollenspiel in der Welt von Degenesis<br />

Text: Catha und Hannes<br />

Fotos: Catha<br />

Kalt weht der Wind über die entstellte<br />

Landschaft Borcas, was sich vor hunderten<br />

von Jahren einmal Deutschland nannte,<br />

ist schon lange nicht mehr. Die Natur hat<br />

sich gegen die Spezies Mensch gewendet.<br />

Zweckgemeinschaften halten den Einzelnen<br />

am Leben und geben ihm die Hoffnung, vielleicht<br />

eines Tages ohne die Frage „Und was<br />

nun?“ aufzuwachen. Bis dahin bestimmen<br />

Konsequenzen sein Leben, verändern ihn<br />

und vielleicht ja auch die Welt in der er existiert<br />

– Degenesis.<br />

Die in ganz Deutschland verstreute Szene<br />

ist noch nicht lange, erst seit ca. 3 Jahren,<br />

aktiv; doch sie etabliert sich mehr und mehr.<br />

Regelmäßig finden entsprechende Larps<br />

statt, die sich mehr oder manchmal weniger<br />

am Grundregelwerk orientieren. Das gilt für<br />

Story und Handlungen ebenso wie für die Bekleidung:<br />

Da gibt es den Spitalier, der bei jeder Witterung<br />

im schwarz-weißen Neoprenanzug<br />

herumläuft und dessen Molluske bei Versporungen<br />

selbstverständlich auch vibriert;<br />

der Schrotter, welcher den größten Technikmüll<br />

reparieren oder einem neuen Zweck zuführen<br />

kann und Kilos an Metall mit sich herumträgt;<br />

die Elster, die leicht bekleidet den<br />

Augenaufschlag übt und Massagen anbietet.<br />

Die Wiedertäufer sind schlagkräftige, teils<br />

leicht reizbare Charakter und die Hellvetiker<br />

sprechen – wie könnte es anders sein – im<br />

Schweizer Dialekt und kommen generell in<br />

Uniform daher.<br />

Degenesis-Endzeitlarp wird mit sehr viel<br />

Liebe zum Detail umgesetzt. Anfänger mit<br />

entsprechendem Interesse werden gern<br />

aufgenommen. In den Foren und persönlich<br />

greifen die erfahrenen Spieler den Anfängern<br />

gern unter die Arme – so manche Bekleidungsbastelfrage<br />

wird schon mal ausführlich<br />

am Telefon besprochen; ggf. trifft man sich<br />

zum gemeinsamen Basteln. Die Community<br />

ist nicht groß, aber stetig wachsend.<br />

Die Hauptproblematik ist, wie so oft, die<br />

Ortsfindung: Alt, aber nicht total zerfallen;<br />

keine Mittelalterromantik. Ein Bunker ist der<br />

Traum eines jeden Degenesis-Endzeitlarpers.<br />

Auch abgelegene Holzhütten und alte Burganlagen<br />

werden vereinnahmt und geendzeitet<br />

– notfalls residiert der Spitalier vor der<br />

Apokaschemme und die Schrotter nächtigen<br />

in Hängematten in den Bäumen.<br />

Endzeit, Baby!<br />

Gespielt wird meist nach DKWDDK und Opferregel.<br />

Das bedeutet: DKWDDK (Du kannst,<br />

was Du darstellen kannst) lässt dem Spieler<br />

bei der Erschaffung und dem Ausspielen des<br />

Charakters vollkommen freie Hand, ohne<br />

ihn durch ein Punktesystem zu begrenzen.<br />

Einzig die Fähigkeiten des Spielers bzw. die,<br />

Mai 2009<br />

Seite 31


ANDUIN <strong>98</strong><br />

LIVEROLLENSPIELECKE<br />

welche er glaubhaft darstellen kann,<br />

schränken seine Möglichkeiten ein. Der<br />

Schwerpunkt bei dieser Spielweise liegt<br />

somit eher auf der Entwicklung des<br />

Charakters der verkörperten Person<br />

und weniger auf dem Erringen von Erfahrungspunkten.<br />

In der Praxis bedeutet<br />

dies: Kann ein Charakter ein Schloss<br />

knacken, sollte der Spieler es entweder<br />

auch können oder sich darauf verstehen,<br />

den Vorgang zumindest darzustellen.<br />

Opferregel: Eine auf Fairness<br />

basierende punktfreie Art, gewalttätige<br />

Auseinandersetzungen im Larp zu<br />

klären. Der Angegriffene entscheidet,<br />

ob und wie schwer der Angriff ihn verletzt<br />

hat und spielt dem entsprechend<br />

die Situation aus.<br />

Neugierig geworden? Dann hier einige<br />

Links zu Foren und Bildern:<br />

Foren:<br />

www.reign-of-fantasy.de/eshaton<br />

www.conondemand.de<br />

www.fraktal-endzeit.de<br />

Fotos:<br />

www.childsmind.de (zu den Personenfotos<br />

durchklicken, Fotos von mehreren<br />

Larp´s)<br />

<strong>Anduin</strong> 99<br />

Im August erscheint unsere nächste Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Steampunk / Steamfantasy“.<br />

Dazu wird es voraussichtlich Material zu Opus Anima und Elyrion geben und noch vieles andere<br />

mehr. Wenn ihr etwas dazu beitragen möchtet, sei es ein Abenteuer oder Artikel zum Schwerpunkt, Rezensionen<br />

oder allgemein Berichte über Rollenspiel, dann schaut einfach in unser Forum im Tanelorn!<br />

Seite 32<br />

Mai 2009


INSTANT ABENTEUER<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Welt ohne Internet<br />

ein endzeitliches Szenario<br />

Text: Friederike Schmutzler<br />

Foto: Paul Moody / Flickr. com<br />

Vorbemerkung<br />

Das Internet ist aus unserem heutigen Leben<br />

nicht mehr wegzudenken. Ob es im privaten<br />

Bereich genutzt wird, um Emails nach<br />

Amerika zu senden, mit dem Kommilitonen<br />

in Australien zu chatten oder kostengünstig<br />

über Voice-over-IP zu telefonieren, zum Einkaufen<br />

bei ebay und Konsorten; oder in der<br />

freien Wirtschaft für Geschäfte in aller Welt,<br />

jederzeit und mit jedem, oder im Dienstleistungssektor<br />

mit elektronischer Steuererklärung<br />

oder Formulardownload bei Behörden:<br />

kaum etwas geht heute noch analog oder<br />

offline.<br />

Laut einer aktuellen Studie sind wir jedoch<br />

gar nicht mehr so weit davon entfernt, dass<br />

das Internet nicht mehr lange in der Form<br />

existieren könnte, in der wir es kennen.<br />

Amerikanische Experten warnen länger vor<br />

einem möglichen Zusammenbruch des Netze:<br />

„Danach könnte bereits im Jahr 2010 die<br />

schnelle Datenübertragung via Breitband im<br />

Internet einem Datenverkehrsinfarkt erliegen“<br />

(Quelle: http://www.tagesspiegel.de/<br />

medien-news/digital/Internet-Datenautobahn-Breitband;art303,2424894).<br />

Laut dieser<br />

zwar auch nicht ganz unumstrittenen Studie<br />

müsste viel mehr Geld in die Netz-Infrastruktur<br />

investiert werden, damit es eben nicht zu<br />

dem prognostizierten Kollaps kommt.<br />

Mai 2009<br />

Das Netz<br />

verschwindet –<br />

ein Szenario<br />

Doch wie würde eine Welt aussehen, in der<br />

es eben keine Möglichkeit mehr gibt, noch<br />

eben schnell eine Email zu verschicken, sich<br />

nicht sofort über die neuesten Börsenkurse<br />

und die aktuellsten Nachrichten zu informieren?<br />

Sicher hat der ein oder andere schon<br />

einmal ein paar Wochen oder sogar Monate<br />

ohne Internet verbracht, doch in solchen Situationen<br />

bleibt doch stets der Gedanke im<br />

Hinterkopf, dass es anderswo immer noch<br />

die Möglichkeit gibt, um online zu gehen.<br />

Doch was, wenn diese Alternative ebenso<br />

wegfällt? Wie gehen die Menschen damit<br />

um, wenn sie von heute auf morgen auf das<br />

Technik-Level des Prä-Internet-Zeitalters zurückgeworfen<br />

werden?<br />

Im privaten Bereich wird die Kommunikation<br />

erstmal nur noch über Briefe funktionieren,<br />

da auch das Telefonnetz, ob nun<br />

Handy oder Festnetz, ebenfalls vom Internet<br />

abhängig ist. Sobald es wieder analoge Vermittlungsstellen<br />

gibt, könnte es auch wieder<br />

Telefon geben, doch dies dauert seine Zeit.<br />

Neben der Kommunikation sind auch noch<br />

andere Bereiche des täglichen Lebens eingeschränkt:<br />

Waren können nur noch zu den<br />

Ladenöffnungszeiten eingekauft werden,<br />

Bestellungen aus Übersee sind nicht mehr<br />

möglich oder dauern im Zweifelsfall viel<br />

länger als zuvor. Gebrauchtwaren werden<br />

wieder auf dem Flohmarkt oder im Second-<br />

Hand-Shop gehandelt, wenn ebay für solche<br />

Transaktionen ausfällt. Überweisungen und<br />

andere Bankgeschäfte müssen wieder in der<br />

Bank selbst erledigt werden, da die Terminals<br />

in den Filialen und Online-Banking hinfällig<br />

sind. Das Tagesgeschehen erfährt man nur<br />

noch aus Tageszeitungen, dem Fernsehen<br />

und dem Radio, die Nachrichten müssen jedoch<br />

wieder altmodisch mittels Telegrafen<br />

übermittelt werden, und sind im Zweifelsfall<br />

nicht mehr so aktuell wie sie es heute sind,<br />

wo sofort auf jede Neuigkeit und Information<br />

reagiert werden kann. Dennoch werden die<br />

Printmedien einen ungeahnten Aufschwung<br />

erfahren, da sie die Konkurrenz aus dem<br />

Netz nicht mehr zu fürchten brauchen.<br />

Schlimmer wird es die Wirtschaft treffen.<br />

Ganze Branchen werden verschwinden oder<br />

sich neu orientieren müssen, denn in netzlosen<br />

Zeiten braucht niemand ein Online-Auktionshaus<br />

oder eine Suchmaschine. Lexikon-<br />

Verlage und öffentliche Bibliotheken werden<br />

sich wieder wachsender Beliebtheit erfreuen,<br />

da die Leute ihre Informationen nicht ad<br />

hoc im Internet abrufen können oder auch<br />

einfach eine Freizeitbeschäftigung suchen.<br />

Computerspiele sind nur noch offline möglich,<br />

Patches müssen kompliziert im Laden<br />

nachgekauft werden oder werden gar nicht<br />

mehr hergestellt.<br />

Die Finanzindustrie wird Probleme bekommen,<br />

da zum Einen die Börsenkurse von<br />

Internet-Unternehmen in den Keller gehen<br />

dürften, zum Anderen aber auch, weil sie<br />

aufgrund mangelnder Kommunikationswege<br />

nicht mehr schnell genug reagieren kann.<br />

Weltweite Geschäfte dürften so kaum noch<br />

möglich sein, es wird wieder viel mehr regionale<br />

und lokale Wirtschaftsbestrebungen<br />

geben wie noch im 19. Jahrhundert.<br />

Da die Menschen den Verlust des Internets<br />

und die daraus resultierenden Probleme<br />

nicht einfach hinnehmen werden, wird es<br />

auch zu politischen Unruhen kommen. Die<br />

Regierungen werden im Falle des Falles hart<br />

durchgreifen müssen, bürgerkriegsähnliche<br />

Zustände könnten die Folge sein. Länder, die<br />

heute noch nicht über eine gut ausgebaute<br />

Netzinfrastruktur verfügen, werden damit<br />

natürlich wesentlich weniger Probleme haben<br />

als Staaten, in denen heutzutage jeder<br />

bereits über einen privaten und fast immer<br />

auch einen beruflich genutzten Internetzugang<br />

verfügt.<br />

Nach und nach werden die Menschen sich<br />

jedoch auch an die veränderte Situation gewöhnen,<br />

spätestens wenn klar ist, dass das<br />

Internet auf der ganzen Welt nicht mehr<br />

zu retten ist, wird man nach Alternativen<br />

suchen. Man wird neue Netze mit verschiedenen<br />

Technologien aufbauen wie Funk<br />

o.Ä., die aber immer nur auf ein bestimmtes<br />

Gebiet begrenzt sind und scharf bewacht<br />

werden vom Militär oder privaten Sicherheitsdiensten,<br />

je nachdem wem das Rechenzentrum<br />

gehört. Wissenschaftler, die sich<br />

mit der Frage nach dem „Warum“ und dem<br />

„Wie geht es weiter“ beschäftigen, werden<br />

Unmengen an Forschungsgeldern erhalten,<br />

damit es wieder ein stabiles weltweites Netz<br />

gibt. Glücksritter, Unternehmer und auch<br />

zwielichtige Gestalten werden versuchen,<br />

Profit aus der neuen Situation zu schlagen,<br />

sei es zum Wohle anderer oder um in die eigene<br />

Tasche zu wirtschaften.<br />

Und was tust Du?<br />

Abenteuerideen<br />

Der W-Lan-Piratensender<br />

Die Spieler sind Tüftler und Bastler und<br />

gehören zu einer der Gruppen, die ein eigenes<br />

Funknetz aufgebaut haben, eine Art<br />

Seite 33


ANDUIN <strong>98</strong><br />

INSTANT ABENTEUER<br />

Piratensender, wie der Titel schon sagt. Ihr<br />

Netz steht jedem offen, der es nutzen will,<br />

das ganze zum Selbstkostenpreis, denn die<br />

Gruppe will ein Zeichen setzen gegen die<br />

neuen Provider, die nur auf Profit aus sind<br />

und die Inhalte, die in ihren Netzen kursieren.<br />

Aber nicht nur diese Leute machen ihnen das<br />

Leben schwer, auch jene, die den Zusammenbruch<br />

des Internets begrüßen und den<br />

jetzigen Status Quo mit allen Mitteln aufrecht<br />

erhalten wollen, zum Beispiel radikale<br />

religiöse und politische Gruppierungen jeder<br />

Couleur, bedrohen das neue Netz.<br />

Ersatzteile gesucht<br />

Die Charaktere sind auf der Suche nach<br />

Hardware wie Netzwerkkarten oder W-Lan-<br />

Donglen, denn in der Zukunft sind diese<br />

Dinge knapp geworden - warum sollte man<br />

schliesslich etwas herstellen, das niemand<br />

mehr benötigt? Also sind die Charaktere entweder<br />

als Mitarbeiter eines neuen Providers<br />

oder als „Freiberufler“ unterwegs, um die Ersatzteile<br />

zu besorgen – die inzwischen teurer<br />

sind als Gold und Diamanten, was nicht nur<br />

ehrliche Händler auf den Plan ruft.<br />

Matrix 2.0<br />

Die Charaktere finden auf ihrer Suche nach<br />

Möglichkeiten, das Internet wieder in Gang<br />

zu bringen, ein seltsames junges Mädchen,<br />

das scheinbar über Telepathie mit ihnen<br />

kommunizieren kann. Es stellt sich heraus,<br />

dass dieses Mädchen auch für das Internet<br />

Seite Seite 34 34<br />

einsetzbar wäre –<br />

aber können die<br />

Charaktere das mit<br />

ihrem Gewissen vereinbaren,<br />

oder sind<br />

sie nur scharf auf das<br />

Geld und den Ruhm,<br />

den ihnen diese Entdeckung<br />

einbringen<br />

würde?<br />

Virus im<br />

Netz<br />

Eine Horrorvariante<br />

von „Matrix 2.0“:<br />

Wir schreiben das<br />

Jahr 2187, das Netz<br />

war wesentlich höher<br />

entwickelt, als es<br />

heute ist, dennoch ist<br />

es zusammengebrochen.<br />

Eine weltweite<br />

Spezialistengruppe,<br />

deren Aufgabe es ist,<br />

sich um die Sicherheit<br />

des Netzes zu<br />

kümmern, hat eine<br />

Ahnung, was der Grund für diesen Ausfall<br />

sein könnte: Um den immer höher werdenden<br />

Anforderungen des Netzes gerecht zu<br />

werden, werden inzwischen Menschen als<br />

Ressource eingesetzt. Einer dieser Menschen<br />

ist erkrankt, er hat über seine Verbindungen<br />

die anderen Menschen im Netz angesteckt.<br />

Die Öffentlichkeit soll jedoch unter keinen<br />

Umständen jemals davon erfahren, daher<br />

hat die Gruppe die Charaktere angeheuert:<br />

Menschen, die nichts mehr zu verlieren<br />

haben, aber in Gebieten wie Schießen mit<br />

schweren Waffen oder Schlösser knacken<br />

einsame Spitze sind.<br />

Join the Pony Express!<br />

Da sich die Menschen ohne Internet<br />

wieder auf alternative und vielleicht auch<br />

altertümliche Kommunikationswege wie<br />

Telegrafen verlassen müssen, wird der Pony-<br />

Express (Für nähere Informationen: http://<br />

de.wikipedia.org/wiki/Pony_Express) wieder<br />

ins Leben gerufen. Die Charaktere sind junge<br />

Männer und Frauen, die aus den verschiedensten<br />

Gründen anheuern, sei es, weil sie<br />

einfach ein Abenteuer erleben wollen oder<br />

auch aus persönlichen Motiven (Die Liebste<br />

hat einen Anderen, sie müssen ihrem Vater/<br />

Bruder etwas beweisen, etc.). Natürlich sind<br />

die Bedingungen wie 1860, es gibt immer<br />

noch keine Waffen für die Reiter, doch die<br />

Route führt oft durch die abgelegensten und<br />

gefährlichsten Gebiete.<br />

Chaotische Welt<br />

Das Netz ist eben erst zusammengebrochen,<br />

noch weiss niemand, wie lange der<br />

Kollaps anhält und ob er tatsächlich globale<br />

Ausmaße angenommen hat. Während die<br />

Regierungen versuchen, die Lage unter Kontrolle<br />

zu halten, bricht auch noch das Stromnetz<br />

und die Wasserversorgung zusammen.<br />

Die Charaktere sind junge Leute auf einem<br />

Outdoor-Ausflug in die Berge, allesamt sind<br />

gut verdienend und können sich daher eine<br />

Art Luxus-Survival leisten mit teuren Schlafsäcken,<br />

neuem Gaskocher, vielen Vorräten<br />

und einer angenehm großen und teuer eingerichteten<br />

Berghütte. Aus dem Radio erfahren<br />

sie verzerrt davon, was passiert ist,<br />

doch kurze Zeit später werden sie selbst ins<br />

Geschehen gezogen: Plünderer belagern die<br />

Hütte, private Sicherheitsleute und die Polizei<br />

erscheinen, um die Ordnung wieder herzustellen,<br />

und Flüchtlinge versuchen, Einlass<br />

zu erhalten.<br />

Ausser Kontrolle<br />

Bei einer Militärübung sind mehrere Drohnen/Roboter,<br />

die über das Internet gesteuert<br />

werden, ausser Kontrolle geraten und bedrohen<br />

nun die Bevölkerung eines nahe gelegenen<br />

Dorfes. Die Charaktere müssen die<br />

Hightech-Geräte überlisten und einsammeln,<br />

bevor es zur Katastrophe kommt.<br />

Vielen Dank an die Teilnehmer des „Brainstormings“<br />

im Tanelorn-Forum!<br />

Abenteuer Mai 2009


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Das Dorf Schnutenbach<br />

EinE Dorfbeschreibung für Warhammer Fantasy<br />

TEXT: Karl - Heinz Zapf<br />

ILLUSTRATION: ISABel Kutsch<br />

Willkommen in<br />

Schnutenbach!<br />

Auf den folgenden Seiten findet sich die<br />

Beschreibungeiner relativ kleinen, aber<br />

nichtsdestotrotz für jeden WFRP-Spieler und<br />

vor allem Spielleiter sehr interessanten Ansiedlung.<br />

In den Gebäuden Schnutenbachs<br />

halten sich solche bemerkenswerten Persönlichkeiten<br />

auf wie z. B. ein Nurgle-Priester,<br />

ein tyrannischer Pferdezüchter, ein böser Dämonenbeschwörer,<br />

eine ganze Familie von<br />

freundlichen Mutanten und, und, und... Kurz,<br />

der richtige Platz für einige Abenteurer, um<br />

ein wenig Ruhe und Erholung zu finden!<br />

Aber natürlich treffen die Spieler hier auch<br />

normale Personen wie den Müller, einen<br />

Köhler, Holzfäller, Jäger und Fallensteller,<br />

Fischer, Bauern und eben alle Menschen<br />

an, die eine solche Ansiedlung erst zu dem<br />

machen, was sie ist; sogar ein paar Zwerge<br />

schauen ab und zu vorbei...<br />

Schnutenbach bietet einen hervorragenden<br />

Hintergrund für alle Arten von Erlebnissen.<br />

Es bleibt jedem Spielleiter wie üblich<br />

selbst überlassen, ob er die Gegebenheiten<br />

in Schnutenbach so belässt wie vorgegeben,<br />

einige abschwächt oder sogar noch weitere<br />

interessante Neuerungen einführt.<br />

Unser Anliegen war es lediglich, einen Ort<br />

als Ausgangspunkt für die unterschiedlichsten<br />

Abenteuer zu erschaffen!<br />

Wo liegt<br />

Schnutenbach?<br />

Die Ortschaft Schnutenbach liegt quasi<br />

direkt auf der Grenzlinie zwischen dem Empire<br />

und Kislev, gehört faktisch aber zu noch<br />

zu Ostermark. Die World’s Edge Mountains<br />

liegen in unmittelbarer Nachbarschaft und<br />

die beiden ehemaligen Zwergenfestungen<br />

Karak Ungor und Karak Kadrin liegen nur<br />

einige Tagesreisen entfernt, näher sogar als<br />

die nächstgelegenen größeren Ortschaften<br />

Bechafen, Krugenheim oder Waldenhof!<br />

Abenteuer<br />

Auch der Peak Pass, der direkt durch die<br />

World’s Edge Mountains in die Blasted Wastes<br />

führt, bietet den Einwohnern und Besuchern<br />

von Schnutenbach manchmal Anlass<br />

zur Sorge, kommt von dort und den Bergen<br />

im allgemeinen doch ab und an blutrünstiges<br />

Geschmeiß wie Orks, Goblins oder noch<br />

schlimmere Chaosbrut! Immerhin liegt eine<br />

Grenzfestung von Ostermark direkt am Ausgang<br />

des Peak Pass, so dass die meisten unerwünschten<br />

Eindringlinge zumindest rechtzeitig<br />

bemerkt werden... Schnutenbach hat<br />

seinen Namen vom kleinen Fluss Schnute,<br />

der mitten durch die Ortschaft fließt und in<br />

den World’s Edge Mountains entspringt.<br />

Normalerweise ist die Schnute ein ruhiger<br />

Fluss, im Frühling aber kann es durchaus zu<br />

stärkeren Strömungen kommen und bereits<br />

zweimal wurde die Holzbrücke, welche die<br />

beiden Teile Schnutenbachs miteinander verbindet,<br />

von tobendem Wasser mitgerissen!<br />

Der Fluss mündet späterin Kislev in den weit<br />

größeren Urskoy.<br />

Ein Führer durch<br />

Schnutenbach<br />

In diesem ersten Kapitel finden sich alle<br />

Informationen zu Schnutenbach und seinen<br />

Einwohnern. Ebenfalls hier aufgelistet sind<br />

die derzeitigen Besucher der Ortschaft sowie<br />

die Bewohner der umliegenden Gehöfte.<br />

Natürlich werden die Häuser und die meisten<br />

Personen nur kurz beschrieben, denn ansonsten<br />

würde der Umfang dieser Beschreibung<br />

zu sehr anwachsen und zudem dem<br />

Spielleiter jegliche freie Interpretation der<br />

Gegebenheiten nehmen...<br />

Die meisten Einwohner Schnutenbachs<br />

stammen aus dem Empire, aber ca. ein Drittel<br />

kommt aus Kislev.<br />

Beide Gruppen kommen sehr gut miteinander<br />

aus und es gibt zumindest in dieser Hinsicht<br />

fast keine Probleme.<br />

Zu vielen der wichtigeren Einwohner finden<br />

sich auf den nachfolgenden Seiten auch Bilder,<br />

die zum persönlichen Gebrauch kopiert<br />

und den Spielern vorgelegt werden können,<br />

damit sie vor Augen haben, wer ihnen denn<br />

da nun gegenübersteht.<br />

Das dunkle Geheimnis von Schnutenbach<br />

sollte auf jeden Fall nicht zu schnell aufgedeckt<br />

werden, denn dies kann der Abenteuergruppe<br />

so manche schlaflose Nacht bescheren<br />

und ist ein beständiger Schatten, der<br />

auf das beschauliche Dorfleben fällt...<br />

1. Der grinsende Oger<br />

Dies ist die einzige Kneipe in Schnutenbach<br />

und abends finden sich hier sowohl viele der<br />

Einwohner, wie auch die meisten durchreisenden<br />

Besucher ein, um bei einem Krug Bier<br />

oder einem Glas Wein den neuesten Klatsch<br />

auszutauschen oder weitgereisten Gästen<br />

zuzuhören.<br />

Das Gebäude hat zwei Stockwerke und<br />

die Wirtsleute Hilda und Meinhard Aulenbacher<br />

tun zusammen mit ihrer Tochter Ilse<br />

so ziemlich alles, um ihre Kundschaft zufriedenzustellen.<br />

Zwar sind sie in der glücklichen<br />

Lage, das einzige Etablissement dieser Art<br />

hier zu führen, dies nützen sie aber nicht<br />

aus. Im Gegenteil sorgen sie sogar öfter dafür,<br />

dass wandernde Spielleute, Barden oder<br />

Geschichtenerzähler einen Abstecher hierher<br />

etwas verlängern, um den Gästen eine<br />

angenehme Abwechslung zu bieten.Das Essen<br />

ist gut und reichhaltig und besteht aus<br />

Eintopf, Wild oder Fisch; die Getränkesind<br />

in Ordnung und bisweilen kann man sogar<br />

das starke Zwergenbier hier bekommen,<br />

wenn die Bewohner der ca. drei Tagesreisen<br />

entfernten Zwergenmine wieder einmal in<br />

Schnutenbach zu Besuch waren!<br />

Über dem Ausschank hängt eine große<br />

Keule, die wirklich jedem Besucher sofort<br />

ins Auge stechen muss. Der gemütliche und<br />

gutmütige Wirt wird es nicht müde, zu erzählen,<br />

dass vor vielen Jahren einmal ein Oger in<br />

Schnutenbach war, der bei ihm eingekehrt<br />

sei und nach einem guten Essen und sehr viel<br />

zu trinken so gut auf ihn zu sprechen war,<br />

dass er ihm diese Keule geschenkt habe und<br />

versprochen hat, eines Tages wieder einmal<br />

vorbeizuschauen; diese Geschichte ist tatsächlich<br />

wahr und Meinhard ist sehr stolz auf<br />

diese Begebenheit...<br />

Die rustikale Schankstube ist sehr einfach,<br />

aber zweckmäßig mit robusten Tischen und<br />

Stühlen eingerichtet und größtenteils mit<br />

Seite 35


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

Das Geheimnis von Schnutenbach<br />

Die Familien in Schnutenbach hüten ein düsteres Geheimnis, das sie vor allen „Außenseitern“ und Besuchern des Ortes auf<br />

jeden Fall verheimlichen wollen! Seit einigen Jahren beginnen viele der Neugeborenen im Dorf kurz nach der Geburt Anzeichen<br />

verschiedener Mutationen zu zeigen, was deren Eltern in tiefste Verzweiflung stürzt!<br />

Vor ca. zehn Jahren, als diese schrecklichen Vorfälle begannen, waren die Mutationen noch gering und kamen nur selten<br />

vor; doch im Laufe der Jahre nahm die Anzahl der so schrecklich veränderten Kinder immer weiter zu und viele Eltern – vor<br />

allem die Mütter – behielten ihre Kinder dennoch so lange wie möglich bei sich, nur um sie dann doch noch irgendwann im<br />

Wald auszusetzen...<br />

Dieses düstere Geheimnis tragen die Einwohner Schnutenbachs mit sich herum. Schon um ihrer eigenen Sicherheit willen<br />

müssen sie dies vor aussenstehenden Personen geheim halten, denn sonst würden Witch Hunters Schnutenbach nur so<br />

heimsuchen und viele Familien müssten um ihr Leben fürchten.<br />

Es leben einige mutierte Menschen in Schnutenbach, vor allem Kinder, die geringere Mutationen aufweisen, die kaum<br />

bemerkt werden; einige Kinder werden von ihren Müttern auch nach wie vor im Haus versteckt, wo sie ein trauriges Dasein<br />

fristen.<br />

Viele der ausgesetzten Mutanten starben, doch im Laufe der Zeit bildete sich im Wald nahe Schnutenbach, zwischen dem<br />

Dorf und den Bergen, eine kleine Kolonie von Überlebenden, die dort einigermaßen zufrieden hausen. Sie wollen den Menschen<br />

im Ort nichts Böses, sondern einfach nur am Leben bleiben!<br />

Aber einige der Mutanten wurden aufgrund ihrer Veränderungen und der Geschehnisse verbittert und niederträchtig und<br />

machen die Wälder um das Dorf unsicher, ohne jedoch eine wirkliche Bedrohung darzustellen...<br />

Die Ursache dieses „Fluchs“, wie die Einwohner Schnutenbachs es nennen, ist niemand anderes als der sogenannte Taal-<br />

Priester Cornelius Trautmann, der in Wahrheit dem verruchten Chaosgott Nurgle dient!<br />

Cornelius kam vor langer Zeit über den Peak Pass nach Ostermark und war begierig darauf, Krankheit und Fäulnis über die<br />

Menschen zu bringen.<br />

Doch er war klug genug, zu wissen, dass man ihn schnell fassen würde, wenn er offen vorginge. Daher suchte er sich Schnutenbach<br />

aus, um hier die erste Saat zu legen.<br />

Zuerst räumte er den alten Priester mit Hilfe einer heimtückischen Krankheit aus dem Weg und gab dann vor, der neue<br />

Priester zu sein. Kurze Zeit später tauchte eine ältere Frau auf, die sich schon bald im Dorf als Hebamme einen Namen machte<br />

und die Gefährtin von „Vater Cornelius“ ist. Kurz nach der Geburt bringt sie die Kinder zu ihm – angeblich zum rituellen<br />

Segen – und dort werden sie mit einem finsteren Ritual mit Hilfe von unbeschreiblich widerwärtigen Substanzen ihrem<br />

sicheren Untergang geweiht!.<br />

dunklem Holz verkleidet; ein großer, offener<br />

Kamin spendet im Winter behagliche Wärme.<br />

Im Obergeschoss leben Meinhard Aulenbacher<br />

und seine Familie. Falls die Gastwirtschaft<br />

und Kutschenstation einmal über zu<br />

wenig Zimmer verfügen sollte, stellt er gerne<br />

die notdürftig hergerichteten Gästezimmer<br />

oberhalb seiner Kneipe zur Verfügung...<br />

2. Fischersleute<br />

In diesem einstöckigen, schmucklosen<br />

Haus lebt die Familie Dickhut. Dabei handelt<br />

es sich um Erika und Waldemar Dickhut, sowie<br />

ihre Kinder Else, Gisela und Bernd, das<br />

Nesthäkchen.<br />

Waldemar ist ein mürrischer und ungemütlicher<br />

Zeitgenosse, der seine viel zu gutmütige<br />

Frau nach Kräften ausnutzt. Oft leidet die<br />

ganze Familie Not, weil er das durch das Fischen<br />

in der Schnute verdiente Geld im „Grinsenden<br />

Oger“ verprasst hat und bereits des<br />

öfteren musste der Krämer Kunibert Thaler<br />

Erika Dickhut mit Nahrungsmitteln aushelfen,<br />

sonst hätten die Kinder hungern müssen.<br />

3. Krämerladen<br />

Dieses schön hergerichtete, zweistöckige<br />

Seite 36<br />

Gebäude mit Anbau ist der einzige Laden in<br />

Schnutenbach, in denen die Dinge des täglichen<br />

Gebrauchs, wie Töpfe, Kerzen, Öl, Decken,<br />

Seile und ähnliches gekauft werden<br />

können. Im kleinen Anbau, der eher einem<br />

provisorischen Schuppen gleicht, verkauft<br />

der Inhaber Kunibert Thaler sogar einige<br />

Waffen und Rüstungsteile; diese sind allerdings<br />

in einem eher bedauerlichen Zustand<br />

und müssen erst noch hergerichtet werden,<br />

um wieder voll gebrauchsfähig zu sein.<br />

Kunibert lebt im oberen Stockwerk des<br />

Hauses.<br />

Er ist ein kleines Männchen mit einer dünnen<br />

Stimme, die leicht umkippt, falls er aufgeregt<br />

ist; und er regt sich oft auf, denn er<br />

kann Ungerechtigkeit nicht ertragen.<br />

Kurz, er ist eine Seele von Mensch und<br />

obendrein heimlich in Erika Dickhut verliebt,<br />

der er gerne unter die Arme greift – dies tut<br />

er aber grundsätzlich bei Leuten in Not, auch<br />

wenn ihn schon manche Gauner dabei übel<br />

betrogen und übers Ohr gehauen haben. Er<br />

geht allerlei Klatsch über ihn in Schnutenbach<br />

herum, und seine mühsam verborgene<br />

Zuneigung zu Erika ist dabei meistens das<br />

Hauptthema.<br />

4. Taal-Tempel<br />

Die Einwohner Schnutenbachs verehren<br />

Taal, was an diesem entlegenen Fleckchen<br />

Erde auch nicht weiter verwunderlich ist.<br />

Vor ungefähr zwölf Jahren kam ein neuer<br />

Priester in den Ort, kurz nachdem der vorherige<br />

an einer geheimnisvollen Krankheit<br />

gestorben war.<br />

Der Tempel Taals ist ein einstöckiges Gebäude,<br />

in dessen kleinem Anbau der Priester<br />

Cornelius Trautmann wohnt; er wird von den<br />

Dorfbewohnern meistens nur „Vater Cornelius“<br />

genannt.<br />

Das Gebäude ist relativ schmucklos aus<br />

Stein errichtet. Aus hohen und relativ schmalen<br />

Fenstern zu beiden Seiten fällt Tageslicht<br />

herein.<br />

Es gibt am Ende des Saals eine Statue,<br />

die Taal darstellen soll. Wird diese genauer<br />

untersucht, so fällt auf, dass sie einen eher<br />

leidenden Gesichtsausdruck zeigt und das<br />

Gestein irgendwie porös wirkt, was natürlich<br />

eine Alterserscheinung sein kann...<br />

Einmal in der Woche hält Cornelius Trautmann<br />

hier eine Messe zu Ehren Taals ab, weit<br />

seltener als sein Vorgänger es tat.<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Auch unterscheiden sich diese Messen<br />

voneinander, da Cornelius oft seltsame Ansichten<br />

vertritt und bisweilen sogar davon<br />

spricht, dass Seuchen und Krankheiten von<br />

Taal gesandt seien, um die Kranken und<br />

Schwachen auszumerzen! Die Starken und<br />

Treuen jedoch würden gestärkt und verändert<br />

aus diesem Test hervorgehen...<br />

Im Tempel werden auch die neugeborenen<br />

Kinder dem Gott geweiht, in einer Zeremonie,<br />

bei der nur die Hebamme und der<br />

Priester zugegen sein dürfen – auch dies war<br />

früher anders.<br />

Im einfachen, einstöckigen Anbau lebt der<br />

Priester.<br />

Die Einrichtungsgegenstände sehen alle<br />

relativ unbenutzt aus. Dies liegt daran, dass<br />

im Keller unter dem Häuschen die wirkliche<br />

Wohnung des Nurgle-Abgesandten liegt.<br />

Sie besteht aus einem stinkenden Strohlager<br />

und einem kleinen Altarraum mit einer<br />

Nurgle-Statuette aus grünem Gestein, das<br />

ständig eine klebrige, widerliche Flüssigkeit<br />

ausschwitzt.<br />

In dieser Kammer befinden sich auch mehrere<br />

abscheuliche Nurglings, die sich hier<br />

niedergelassen haben und jeden Eindringling<br />

Die Zeichen<br />

Taals<br />

Natürlich ist der Gott Taal<br />

erzürnt! Ein falscher Priester<br />

führt in seinem Tempel blasphemische<br />

Rituale durch.<br />

Daher hat er den Einwohnern<br />

Schnutenbachs Zeichen<br />

gesandt, die sie darauf hinweisen<br />

sollen, dass sie eine<br />

Schlange an ihrem Busen<br />

nähren:<br />

1) Bereits seit einiger Zeit<br />

beginnt das Wild in den Wäldern<br />

sich von der Ortschaft<br />

zu entfernen, so dass die<br />

Jagd immer schwieriger und<br />

zeitaufwendiger wird.<br />

2) Es kam in den letzten Jahren<br />

verstärkt zu Missernten.<br />

3) Einige Einwohner werden<br />

von Träumen heimgesucht,<br />

in denen ein mächtiger Bär<br />

durch den Ort streift, in den<br />

Tempel geht und dort die<br />

Taal-Statue zerschmettert.<br />

4) Ein Blitz schlägt während<br />

eines Sturmes in den Tempel<br />

ein.<br />

gnadenlos attackieren werden.<br />

Natürlich wird Cornelius Trautmann alles<br />

daran setzen, diesen geheimen Kellerraum<br />

verborgen zu halten...<br />

Hier unten trifft sich der Priester ab und zu<br />

mit der falschen Hebamme Hanna Seliger,<br />

um abscheuliche Riten zu Ehren seines dunklen<br />

Gottes abzuhalten.<br />

Hier finden sich auch einige versiegelte<br />

Fläschchen und Gläser mit den Absonderungen<br />

eines Great Unclean One sowie ein wenig<br />

gemahlenen Warpstone, die der falsche<br />

Priester dazu benutzt, die neugeborenen<br />

Kinder zu verpesten und zu mutieren...<br />

5. Bauernhof<br />

Auf diesem kleinen Hof lebt und arbeitet<br />

die Großfamilie Popov, bestehend aus den<br />

Großeltern Lioudmila und Leonid, den Eltern<br />

Jana und Bogdan und den Kindern Sofia,<br />

Petro, Vasilij und Georgi. Georgi, der jüngste<br />

Sohn, hat gerade erst laufen gelernt und<br />

weist fortschreitende Mutationen auf; er hat<br />

eine behaarte Haut und hervortretende Augen.<br />

Dennoch lassen die Eltern ihn auf dem<br />

Hof spielen, denn sie hoffen, dass ihr Nesthäkchen<br />

wieder gesund wird, wenn sie ihn<br />

nur oft genug zum Taal-Priester bringen – ein<br />

fataler Irrglaube, dem dummerweise viele<br />

Einwohner von Schnutenbach anhängen und<br />

damit unwissentlich ihren eigenen Untergang<br />

heraufbeschwören!<br />

Tagsüber arbeiten Bogdan, Petro und Vasilij<br />

auf den Feldern vor Schnutenbach, während<br />

Jana und Sofia die Tiere (einige Hühner,<br />

Schweine und Ziegen sowie eine Kuh) füttern<br />

und auf dem Hof arbeiten.<br />

Vasilij wird ab und zu als Dorfbüttel eingesetzt.<br />

Zwei große Hunde namens Valdis und Varlam<br />

bewachen den Hof, sind den Kindern<br />

gegenüber aber lammfromm; dummerweise<br />

haben sie die Angewohnheit, ab und zu auch<br />

einmal hinaus auf die Dorfstraße zu entwischen<br />

...<br />

6. Müller<br />

In dieser kleinen Wassermühle am Rande<br />

des Ortes lebt Adolf Eichbauer zusammen mit<br />

seiner Frau Maia, einer Kislevikin, und seinem<br />

hier geborenen Sohn Pjotr. Der Müller ist im<br />

Dorf nicht allzu gern gesehen und es ranken<br />

sich allerlei unheimliche oder zumindest<br />

merkwürdige Geschichten um ihn. Fremden<br />

gegenüber ist Adolf schweigsam bis feindselig,<br />

ganz im Gegensatz zu seiner liebenswürdigen<br />

und aufgeschlossenen jungen Frau. In<br />

der Tat verschwindet Adolf nachts bisweilen<br />

heimlich im Wald, um den dort liegenden,<br />

verborgenen Schrein des Waldgeistes Leshy<br />

aufzusuchen und ihm seine Aufwartung zu<br />

machen.<br />

Seine nächtlichen Spaziergänge blieben im<br />

Laufe der Zeit nicht unbemerkt und so entstanden<br />

nach und nach zahlreiche Gerüchte,<br />

die sich um den Müller und – zwangsläufig –<br />

auch seine Familie ranken.<br />

Adolf kennt eigentlich neben seiner Familie<br />

nur drei Menschen im Dorf, die er als<br />

Freunde bezeichnen würde: Großmutter<br />

Herrbruck, den Jäger Roman Zorin und den<br />

Köhler Meinhard Hauser.<br />

Diese besuchen zusammen mit ihm den alten<br />

Schrein und vermuten bereits seit geraumer<br />

Zeit, dass mit dem Taal-Priester irgend<br />

etwas nicht in Ordnung sein kann.<br />

Doch ihre Aussenseiter-Rolle in der Gemeinschaft<br />

macht es ihnen sehr schwer, ihren<br />

Zweifeln vor der Bevölkerung Nachdruck<br />

zu verleihen...<br />

7. Kutschstation und<br />

Rasthaus<br />

Hierbei handelt es sich um ein großes,<br />

zweistöckiges Gebäude mit einem Anbau,<br />

in dem Pferde und Karren sowie bis zu zwei<br />

Kutschen untergebracht werden können. Es<br />

ist bei weitem das größte und am gepflegtesten<br />

wirkende Haus im gesamten Ort.<br />

Auf einem Metallschild über dem Eingang<br />

ist ein Greif zu erkennen und die Aufschrift<br />

besagt: „Zum Greifennest“.<br />

Hier werden die Personen untergebracht,<br />

die mit den relativ häufig erscheinenden Kutschen<br />

aus Kislev anreisen, um dann weiter<br />

ins Herz von Ostermark zu fahren.<br />

Im Erdgeschoss befindet sich ein gemütlicher<br />

und relativ gediegen mit teuren Möbeln<br />

eingerichteter Aufenthaltsraum, in dem sich<br />

die Gäste abends im Schein eines großen<br />

Kerzenleuchters zusammenfinden können!<br />

Die Getränke und Speisen hier sind hervorragend,<br />

allerdings auch ziemlich überteuert.<br />

Das Rasthaus wird geleitet von Dieter Borsche<br />

und seiner Frau Hannelore.<br />

Beide sind auf ihren Vorteil aus und als geizig<br />

und geldgierig bekannt.<br />

Die beiden haben zwei Töchter, Brigitte<br />

und Dagmar, die sich selbst für die schönsten<br />

Perlen Schnutenbachs halten.<br />

In der Tat sind beide recht hübsch, aber leider<br />

durch die Erziehung ihrer Eltern auch nur<br />

auf Geld aus und charakterlich völlig verroht.<br />

Ein kleiner, steinerner Anbau hinter dem<br />

Abenteuer<br />

Seite 37


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

Haus bietet den<br />

Bediensteten Platz. Jeder von ihnen hat<br />

ein winziges Zimmer, das mehr einer Zelle<br />

gleicht, und wird fast wie ein Leibeigener behandelt.<br />

Hier leben Anatoly, der Stallknecht, Olga,<br />

die Köchin, und Irena, die Schankmaid.<br />

Vor allem Irena leidet unter den Schikanen<br />

der Familie Borsche...<br />

Gäste im Kutschhaus<br />

Isabelle - Eleonore Duvignaud<br />

Diese Person kleidet und benimmt sich wie<br />

eine adlige Dame aus Bretonia.<br />

Ihr Verhalten ist von nobler Vornehmheit<br />

und ihre Sprache klar und bestimmt.<br />

Ihre Kleidung ist von sehr guter Qualität,<br />

sie aber in keinster Weise übertrieben herausgeputzt.<br />

Sie spricht aber selten und fast gar nicht<br />

zu den übrigen Gästen, außer sie wird direkt<br />

angesprochen, und dann bricht sie das<br />

Gespräch meist höflich, aber bestimmt, ab.<br />

Falls sie jedoch ein wirklich faszinierendes<br />

und interessantes Thema geboten bekommt,<br />

hört sie gerne zu und kann selbst auch – für<br />

ihr Alter – erstaunlich viele Geschichten von<br />

ihrem Leben in Bretonia und von Reisen um<br />

die ganze bekannte Welt erzählen...<br />

Sie wirkt extrem jung und kann noch keine<br />

20 Jahre alt sein und hat die in Bretonia bei<br />

Adligen so beliebte bleiche Hautfarbe, die ihr<br />

ausgezeichnet steht. Sie hat ein hübsches,<br />

keckes Gesicht, wirkt aber durch ihre wissenden<br />

Augen und ihr Verhalten weit reifer, als<br />

sie es ihrem Aussehen nach sein kann. In der<br />

Tat handelt es sich bei dieser jungen Dame in<br />

Wahrheit um Genevieve Sandrine du Pointe<br />

du Lac Dieudonne, einen Vampir! Sie ist es,<br />

die vor geraumer Zeit zusammen mit einigen<br />

Gefährten und Oswald von Königswald, dem<br />

Kronprinz von Ostland, die Burg von Constant<br />

Drachenfels<br />

aufgesucht hat, dem größten Magier dieser<br />

Welt! Sie und Oswald boten diesem Hexenmeister<br />

die Stirn und kehrten als einzige<br />

zurück, um von ihren Abenteuern zu berichten.<br />

Seit damals reist der Vampir wieder allein<br />

und unter einem falschen Namen und<br />

nur durch einen Zufall ist sie gerade auf der<br />

Durchreise von Kislev ins Empire und macht<br />

in Schnutenbach Rast!<br />

Sie wird hier maximal zwei Tage bleiben,<br />

dann fährt die Kutsche weiter. Sie spürt, dass<br />

in diesem Ort irgendetwas nicht in Ordnung<br />

zu sein scheint und könnte durch sehr viel<br />

Überzeugungskraft oder einen guten Grund<br />

zum Bleiben und vielleicht sogar zur Hilfestellung<br />

in irgendeiner Form überredet werden.<br />

Genevieve ist eine tragische Gestalt, denn<br />

sie verabscheut das Vampirdasein an sich<br />

und ernährt sich daher nur von ihren zahlreichen<br />

Liebhabern, und nimmt dann nur Blut<br />

mit deren Einverständnis und nie genug, um<br />

sie zu töten.<br />

Sie hat schon sehr viel von dieser Welt gesehen,<br />

ist aber immer noch begierig darauf,<br />

durch neue und interessante Ereignisse aus<br />

dem monotonen Einerlei ihres unsterblichen<br />

Daseins gerissen zu werden...<br />

Bruder Egon Ottweiler<br />

Dieser feiste Priester gehört einem Tempel<br />

der Göttin Verena an, aber seine Zugehörigkeit<br />

zu diesem Orden ist größtenteils geheuchelt.<br />

Zwar handelt es sich bei ihm in der<br />

Tat um einen gebildeten Mann, doch schon<br />

seit einiger Zeit haben ihn weltliche Gelüste<br />

davon abgebracht, auf seinen Reisen nach<br />

neuem Wissen zu suchen und er verbringt<br />

die Zeit meist damit, sich den Wanst vollzuschlagen<br />

und<br />

zu viel zu trinken.<br />

Egon Ottweiler ist ein massiger Mann mit<br />

mehr als einem Doppelkinn, der in betrunkenem<br />

Zustand (und er ist fast jeden Abend<br />

betrunken) nicht an sich halten kann und ein<br />

liederliches Verhalten an den Tag legt. Er hat<br />

eine Schwäche für schöne Frauen und wird<br />

diese, unter dem Vorwand, ihren Wissensschatz<br />

zu erweitern, abends immer dazu<br />

bringen wollen, ihn in sein Gemach zu begleiten...<br />

Er trägt einfache Reisekleidung, die dringend<br />

wieder einer Wäsche bedürfte, und hat<br />

seinen Kopf bis auf einen kleinen Haarkranz<br />

kahlgeschoren.<br />

Sein aufgedunsenes Gesicht ziert ein ungepflegter<br />

Vollbart, in dem sich meistens Reste<br />

seiner letzten Mahlzeit finden lassen. Sein<br />

verbliebener Rest gesunden Menschenverstandes<br />

hält Bruder Egon davon ab, Isabelle-<br />

Eleonore Duvignaud seine „Aufwartung“<br />

zu machen, und er empfindet ihre Nähe als<br />

überaus beunruhigend und unheimlich...<br />

Johann-Ludwig von Reinshagen<br />

Dieser gutaussehende junge Mann befindet<br />

sich in der Begleitung einer in etwa<br />

gleichaltrigen Dame, die so gut wie nie im<br />

Schankraum zu sehen ist, sondern sich meist<br />

auf ihrem Doppelzimmer aufhält.<br />

Die beiden sind ein Liebespaar, aber obwohl<br />

seine Geliebte auch sehr vornehm angezogen<br />

ist, bemerkt ein aufmerksamer Beobachter<br />

an ihrem Verhalten, dass sie sicherlich nicht<br />

von adliger Herkunkt sein kann, wenngleich<br />

auch sie vornehm gekleidet ist und auch das<br />

eine oder andere teure Schmuckstück trägt.<br />

Johann-Ludwigs Vater erfuhr von ihrer Liaison<br />

und war außer sich vor Zorn!<br />

Er ging schließlich sogar so weit, seinem<br />

Sohn mit dem Tode des Liebchens zu drohen,<br />

wenn er diese Person aus dem gemeinen<br />

Volk weiterhin aufsuchen sollte...<br />

Daher können die beiden sich nur noch<br />

heimlich treffen und Schnutenbach ist ein<br />

Ort, wo Johann-Ludwig von Reinshagen sicher<br />

sein kann, dass ihn die Schergen seines<br />

Vaters nicht aufspüren werden... oder doch?<br />

ANTOINETTE DAMIENS<br />

Die junge, hübsche und freundliche Dame<br />

in Begleitung des Adligen stammt in der Tat<br />

aus dem gemeinen Volk.<br />

Allerdings ist sie so bezaubernd und liebreizend,<br />

dass jedermann dies gerne übersehen<br />

wird...<br />

Antoinette stammt ursprünglich aus Bretonia,<br />

doch kurz nach ihrer Geburt zogen<br />

ihre Eltern ins Empire, wo sie dann auch aufwuchs,<br />

da ihre ganze Familie nach einigen<br />

Jahren des Umherziehens schließlich in Altdorf<br />

sesshaft wurde.<br />

Als sie und Johann-Ludwig sich auf dem<br />

Marktplatz in Altdorf zufällig begegneten,<br />

war es für beide Liebe auf den ersten Blick!<br />

Nur der Hass des Vaters von Johann-Ludwig<br />

überschattet ihre ungewöhnliche Beziehung<br />

und Antoinette wirkt manchmal traurig<br />

und in sich gekehrt, denn sie musste ihre Eltern<br />

in Altdorf verlassen und sich für ihre Liebe<br />

entscheiden.<br />

Antoinette trägt schöne Kleider, die ihr<br />

von Johann-Ludwig gekauft wurden, und hat<br />

ihr langes, blondes Haar oftzu einem Zopf<br />

geflochten, eine mit Edelsteinen besetzte,<br />

silberne Halskette blitzt an ihrem anmutig<br />

geschwungenen Hals.<br />

Sie hat durchdringende, leuchtende blaue<br />

Augen und unzählige Sommersprossen<br />

um ihre Nase geben ihr stets ein etwas verschmitztes<br />

Aussehen...<br />

FRIEDRICH URSELMANN<br />

Der letzte Gast in diesem Rasthaus ist ein<br />

kleiner, hagerer Mann mit einem kümmerlichen<br />

Spitzbart, der ständig mit sauertöpfischer<br />

Miene herumläuft und seine Nase andauernd<br />

in anderer Leute Angelegenheiten<br />

zu stecken scheint! Tatsächlich ist Friedrich<br />

Urselmann in Schnutenbach kein Fremder,<br />

kassiert er doch alle paar Monate hier die<br />

Steuern ab, die sich nach der Höhe der Ein-<br />

Seite 38<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Die Landsknechte<br />

Irgendwann während des Aufenthaltes der Abenteurer im idyllischen Schnutenbach,<br />

ertönt auf einmal Gröhlen und Johlen von der Straße.<br />

Verantwortlich dafür ist ein Landsknecht-Haufen aus Kislev, der desertiert ist und nun<br />

durch die Dörfer zieht, in festem Bewusstsein, dass es hier niemanden gibt, der sich ihnen<br />

entgegenstellen wird. Bisher kam es bereits zu einigen Raubüberfällen, Schlägereien und<br />

Brandstiftungen, falls die Gruppe auf Widerstand stieß – dies genügte meist, die Dörfler<br />

zur Räson zu bringen!<br />

Allerdings ist die Stimmung bei den Landsknechten nicht besonders gut, denn sie ahnen,<br />

dass ihr Leben nicht immer so weitergehen kann und sie irgendwann von Recht und<br />

Gesetz zur Verantwortung gezogen werden, in der Tat sind sie erst vor kurzem unter<br />

Schimpf und Schande aus einer größeren Ansiedlung gejagt worden, als die Miliz sich dort<br />

zusammenrottete.<br />

Einige der Landsknechte würden auch vor einem Mord nicht zurückschrecken und es ist<br />

nur noch eine Frage der Zeit, bis sie einer Frau Gewalt antun werden! Ihr Anführer, Lutz<br />

Ackenheil, ist ein verschlagener und gewitzter Kämpfer und ist ebenso verdorben wie<br />

seine Männer...<br />

Alle Landsknechte tragen noch die Uniformen, die typisch sind für die Fußsoldaten aus Kislev,<br />

und ihr erster Weg wird sie in den „Grinsenden Oger“ führen, wo sie sich auf Kosten<br />

des Hauses hemmungslos betrinken werden und danach anfangen, Streit zu suchen.<br />

Es sind insgesamt fünf Landsknechte und natürlich ihr verschlagener Anführer Lutz Ackenheil,<br />

der nicht zögern wird, seine Leute im Stich zu lassen...<br />

Die Landsknechte werden ungefähr eine Woche im Dorf bleiben, dann ziehen sie wie<br />

üblich weiter.<br />

Ihr Verhalten gegenüber der Dorfbevölkerung wird während dieser Zeit immer roher und<br />

gewalttätiger!<br />

künfte der jeweiligen Person richten... Demzufolge<br />

ist er natürlich nicht gerade ein gerngesehener<br />

Gast, denn wer zahlt schon gerne<br />

Gold für jemanden, der so weit weg wohnt,<br />

dass man ihn bestenfalls vom Hörensagen<br />

kennt? Doch Friedrich ist unerbittlich!<br />

Er bleibt so lange in Schnutenbach, bis alle<br />

steuerpflichtigen Einwohner gezahlt haben,<br />

und wenn es auch nur ein paar Brass Pennies<br />

sind! Gäste in Schnutenbach werden<br />

natürlich auch abkassiert, denn immerhin<br />

befinden sie sich auf imperialem Boden und<br />

daher dürfen sie pro Kopf eine Gold Crown<br />

auf den Tisch legen. Friedrich hat übrigens<br />

keine Skrupel, zur Eintreibung der Schulden<br />

auch die Dorfmiliz zu verpflichten! Der Steuereintreiber<br />

kam bereits einige Tage vor der<br />

Kutsche hier an und macht nun von seinem<br />

Recht Gebrauch, kostenlos zu übernachten..<br />

8. Wohnhaus<br />

In diesem einstöckigen Gebäude, dessen<br />

Fenster Blumenkästen zieren, lebt die alte<br />

Waltraud Rasch, eine der schrecklichsten<br />

Klatschtanten des Ortes.<br />

Tagsüber sitzt sie meistens vor dem Haus<br />

oder schaut aus einem der offenen Fenster,<br />

um jedem Neuankömmling „wahre“ Geschichten<br />

über die Bewohner Schnutenbachs<br />

zu erzählen.<br />

Was davon wahr ist und was nicht, hängt<br />

jeweils davon ab, wie sie auf die jeweilige<br />

Person zu sprechen ist, zudem wird Waltraud<br />

langsam aber sicher senil und daher ist eigentlich<br />

kaum noch jemand im Dorf vor ihren<br />

Anfeindungen und erfundenen Verleumdungen<br />

sicher.<br />

Einzige Ausnahme ist da Natasha-Svetlana<br />

Ulanov, die während jedem ihrer Aufenthalte<br />

im Dorf bei der alten Frau vorbeikommt und<br />

sich mit ihr unterhält. Im Laufe der Zeit hat<br />

die einsame alte Frau sie wie eine Tochter zu<br />

lieben gelernt...<br />

9. Pension<br />

Dieses ehemals schöne, zweistöckige Gebäude<br />

scheint durch Wind und Wetter sehr<br />

gelitten zu haben und lässt nur noch erahnen,<br />

dass hier einmal wohlhabende Leute<br />

gewohnt haben müssen.<br />

In der Tat hat die Witwe Sigrid Anheier, die<br />

hier lebt, bereits weit bessere Tage gesehen.<br />

Zusammen mit ihrem Mann Albert kam sie<br />

vor vielen Jahren nach Schnutenbach und<br />

beide bauten sich hier eine Existenz auf.<br />

Ihr Mann half den Zwergen der nahebei<br />

gelegenen Mine und es gelang ihm, deren<br />

Vertrauen und später sogar ihren Respekt zu<br />

gewinnen.<br />

Schließlich arbeitete er als Gleichgestellter<br />

mit ihnen in der Mine und nach und nach<br />

konnten Sigrid und Albert soviel Geld sparen,<br />

dass sie sich dieses schöne Haus leisten<br />

konnten. Eines Tages jedoch kam Albert nicht<br />

mehr von der Mine nach Hause!<br />

Sein Leichnam wurde nie gefunden, und es<br />

geht das Gerücht, Mutanten hätten ihn getötet.<br />

Dies ist nicht wahr: Der Pferdezüchter<br />

Konrad-Ludwig Weisgerber, mit dem Albert<br />

in der Vergangenheit bereits mehrmals aneinandergeraten<br />

war, hatte den jungen Mann<br />

von seinen Knechten töten lassenund seinen<br />

Körper im Wald versteckt!<br />

Der Tod ihres Mannes war für Sigrid eine<br />

Katastrophe. Nicht nur, dass sie ihn sehr vermisste,<br />

das Geld für den Lebensunterhalt<br />

wurde auch bald knapp, so dass sie begann,<br />

die leerstehenden Zimmer des Hauses für<br />

Reisende zur Verfügung zu stellen.<br />

Die Unterkunft bei ihr ist bei weitem am<br />

günstigsten in ganz Schnutenbach und das<br />

Essen ist zwar einfach, aber immer schmackhaft.<br />

Zudem ist Sigrid zwar eine Frau fortgeschrittenen<br />

Alters, aber auf eine stille Weise<br />

immer noch anziehend.<br />

Zur Zeit lebt ein Reisender namens Sebastian<br />

Scharnhorst hier, der aber nur abends das<br />

Haus verlässt und oft in der Nähe des Taal-<br />

Tempels gesehen werden kann.<br />

Er spricht nur wenig und seine Kleidung ist<br />

typisch für einen Hexenjäger, was bei den<br />

Einwohnern Schnutenbachs für eine gehörige<br />

Portion Angst sorgt!<br />

Sebastian wird auch vorgeben, ein Hexenjäger<br />

zu sein, falls er darauf angesprochen<br />

wird. In Wahrheit ist er allerdings ein Diener<br />

des Chaosgottes Tzeentch, der hierher gesandt<br />

wurde, weil diesem die Veränderungen<br />

der Kinder in diesem Dorf auf Dauer nicht<br />

entgehen konnten!<br />

Der sogenannte Hexenjäger verdächtigt<br />

bereits die Hebamme, aber auch der Taal-<br />

Priester ist ihm nicht ganz geheuer. Falls er<br />

erfährt, dass hier der Chaosgott Nurgle seine<br />

verpesteten Klauen im Spiel hat, könnte er<br />

kurzfristig sogar zu einem Verbündeten der<br />

Abenteurer werden....<br />

10. Bauernhof<br />

Auf diesem Hof lebt der Bauer Christian<br />

Bernstorff zusammen mit seiner Frau Lieselotte<br />

und ihren Kindern Hans, Franz, Susanne<br />

und Anna.<br />

Die Großmütter der beiden sind ebenfalls<br />

noch am Leben und halten die Familie mit ihren<br />

Launen auf Trab.<br />

Der Bauernhof wird von Christian und seinem<br />

ältesten Sohn Hans vorbildlich geführt<br />

Abenteuer<br />

Seite 39


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

und sie sind besonders stolz auf ihren Kuhstall,<br />

denn damit stellen sie die Milchversorgung<br />

von ganz Schnutenbach sicher!<br />

Vor allem die Kuh Agnatha ist ein wahres<br />

Prachtexemplar und wird von Christian<br />

Bernstorff oft bei Stammtischgesprächen im<br />

„Grinsenden Oger“ hochgelobt.<br />

Der jüngere Sohn, Franz, dient den ganzen<br />

Tag als Mitglied der Dorfmiliz. Auch die Familie<br />

Bernstorff hatte in den letzten Jahren<br />

Probleme mit dem Nachwuchs, zwei Kinder<br />

wurden von ihnen schweren Herzens im<br />

Wald ausgesetzt, denn die auftretenden Mutationen<br />

wurden immer schlimmer! Ihr jüngstes<br />

Kind, Anna, scheint bis auf extrem helle<br />

Haut, weiße Haare und rote Augen normal zu<br />

sein...<br />

11. Rathaus<br />

Das Rathaus Schnutenbachs ist alles andere<br />

als ein imposantes Gebäude. Eine einfache,<br />

zweistöckigeStruktur, die von außen kaum<br />

erkennen lässt, dass hier der Bürgermeister<br />

Ortwin Bockenfeld lebt und arbeitet.<br />

Im Keller befinden sich einige provisorische<br />

Kerkerzellen, die aber meistens nur zur Ausnüchterung<br />

für betrunkene Dorfbewohner<br />

verwendet werden, und ein Zimmer im Erdgeschoss<br />

dient als Aufenthaltsraum der Dorfmiliz,<br />

von der meist ein Mann zugegen ist.<br />

Dem Bürgermeister, der lediglich eine<br />

willenlose Marionette des einflussreichen<br />

Pferdezüchters Konrad-Ludwig Weisgerber<br />

ist und keine eigene Meinung zu besitzen<br />

scheint, steht der Schreiber Friedrich Kampfer<br />

zur Seite. Friedrich ist einer der wenigen<br />

im Ort, die des Schreibens mächtig sind, und<br />

daher hat er seinen Posten hier schon sehr<br />

lange. Es missfällt dem alten Mann, wie sehr<br />

Konrad-Ludwig Weisgerber die Geschicke<br />

Schnutenbachs leitet und er ahnt, dass die<br />

letzten Wahlen allesamt von diesem manipuliert<br />

wurden, hat aber zuviel Angst, um<br />

etwas zu sagen. Friedrich lebt in einer kleinen<br />

Kammer im hinteren Teil des Hauses. Der<br />

Bürgermeister und seine Frau Barbara, eine<br />

schwergewichtige und herrische Person, sowie<br />

die Kinder Martha, Tobias und Uwe leben<br />

im Obergeschoss.<br />

Tobias arbeitet bei der Dorfmiliz, ist während<br />

seiner Dienstzeiten aber meist betrunken<br />

im „Grinsenden Oger“ anzutreffen...<br />

Seite 40<br />

12. Fischersleute<br />

In diesem einstöckigen Haus wohnt die<br />

Großfamilie Ortlieb, die aus den Großeltern<br />

Yuri und Gundula, dem Vater Walther, den<br />

Töchtern Ilse, Lotte und Astrid sowie den<br />

Söhnen Detlef, Volkhart und Rüdiger besteht.<br />

Die Frau von Walther Ortlieb, Adelheid,<br />

kam vor einigen Jahren ums Leben, als sie bei<br />

Hochwasser in der Schnute ertrank, während<br />

sie ihre Tochter Astrid retten wollte, die beim<br />

Spiel hineingefallen war.<br />

Ihr Mann ist seitdem verbittert und einsam<br />

und da ihn auch Geldsorgen plagen, flüchtet<br />

er sich oft in den Alkohol.<br />

Daher gehen nun meist Detlef und Volkhart<br />

zum Fischen in die Schnute, denn ihr<br />

Vater hasst den kleinen Fluss mittlerweile<br />

regelrecht! Die Familie versteckt die kleine<br />

Astrid im Haus, denn sie trägt ein drittes<br />

Auge mitten auf der Stirn. Die Kleine ist aber<br />

ansonsten völlig normal und der Liebling von<br />

Ilse und Lotte, die alles tun würden, um sie zu<br />

beschützen. Ausserdem glauben sie, dass sie<br />

dies ihrer Mutter schuldig sind, denn schließlich<br />

ist sie gestorben, als sie Astrid nach einer<br />

Flucht aus dem Haus gerettet hat...<br />

13. Schmiede<br />

Der heiße Odem des Feuers und das metallische<br />

Schlagen des Schmiedehammers sind<br />

untrennbar mit diesem einstöckigen Gebäude<br />

mit Anbau verbunden.<br />

Hier lebt und arbeitet Dietmar Furtwangler,<br />

der bullige Schmied des Dorfes. Jeden<br />

Tag kann man den muskulösen und hochgewachsenen<br />

Mann mit seiner glänzenden<br />

Glatze und dem imposanten Schnauzbart in<br />

der Schmiede stehen sehen, wo er Hufeisen<br />

anfertigt, Nägel und Pfeilspitzen gießt oder<br />

durchreisenden Abenteurern Waffen fertigt<br />

oder ab und zu auch Rüstungen repariert.<br />

Dietmar ist ein freundlicher Geselle mit einer<br />

polternden Art und seine Freundschaft<br />

zu gewinnen ist sicherlich nicht allzu schwer.<br />

Er ist Junggeselle und seit einiger Zeit schon<br />

in die bezaubernde Natasha-Svetlana Ulanov<br />

verliebt, aber trotz seiner offenen Art viel<br />

zu schüchtern, ihr dies zu gestehen. Zudem<br />

weiß er, dass sie bisher alle Anträge abgelehnt<br />

hat, da sie sich – nach ihren Worten –<br />

um ihre kranke Familie kümmern muss...<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

14. Lederwaren<br />

Dieses zweistöckige Haus beherbergt einen<br />

kleinen Laden im unteren Stockwerk, in<br />

welchem der Lederbearbeiter Valentin Yakushenko<br />

mit seiner Frau Ophelia und den beiden<br />

Söhnen Jitka und Jonas Felle gerbt und<br />

Leder bearbeitet! Sie können sich über Arbeit<br />

nicht beklagen, denn bis vor kurzem waren<br />

die Wälder noch voller Bären und Wölfe und<br />

für einen schönen, warmen Pelz ist im Winter<br />

immer Bedarf in Schnutenbach. So konnte<br />

sich die Familie ein einigermaßen gutes Leben<br />

aufbauen. Dies entschädigt sie gewissermaßen<br />

dafür, dass in ihrer Gerberei stets ein<br />

ziemlich übler Geruch herrscht...<br />

Aber auch über dieser Familie hängt ein<br />

düsterer Schatten: Die letzten beiden Kinder<br />

Ophelias, eine Tochter und ein Sohn, mussten<br />

wegen ihrer Missbildungen im Wald ausgesetzt<br />

werden, was ihrer Mutter das Herz<br />

gebrochen hat.<br />

Seitdem ist die einst so lebenslustige Frau<br />

nur noch ein Schatten ihrer selbst, verlässt<br />

kaum noch das Haus und scheint nur noch<br />

auf ihren Tod zu warten.<br />

Ihre Familie und vor allem ihr Mann tun alles,<br />

um ihr den Lebenswillen wiederzugeben,<br />

aber bisher ohne Erfolg.<br />

Falls sie jedoch wüsste, dass ihre Kinder in<br />

der Mutantenkolonie gesund und am Leben<br />

wären, könnte sie wieder Sinn im Leben finden...<br />

15. Holzfäller<br />

Diese einstöckige Haus beherbergt Stepan<br />

Solovi, einen zwar bärbeißigen, aber<br />

dennoch liebenswerten Holzfäller aus dem<br />

Lande Kislev, der hier ein neues Zuhause gefunden<br />

hat. Er ist seit kurzem mit Tamara verheiratet,<br />

die schwanger ist und bald ihr Kind<br />

erwartet...<br />

16. Bauernhof<br />

Hier lebt und arbeitet die Familie Winterhagen.<br />

Der Hof scheint gut geführt zu werden<br />

und mehrere Katzen schleichen Tag und<br />

Nacht auf dem Gelände herum.<br />

Das Oberhaupt ist der Großvater namens<br />

William Winterhagen, der ein strenges Regime<br />

führt, aber nur das Beste für seine Familie<br />

im Sinn hat.<br />

Leider führt dies immer häufiger zum Streit<br />

mit seinem Sohn Frederick und der Schwiegertochter<br />

Monika, die langsam aber sicher<br />

ihr eigenes Leben führen wollen.<br />

William ist ein strenger Gläubiger der Old<br />

Faith und verbietet es seiner Familie, die Messe<br />

im Taal-Tempel zu besuchen, was auch des<br />

öfteren Anlass für Streitigkeiten ist.<br />

Immerhin hat er alle damit – ohne es zu<br />

wissen – vor einem schrecklichen Schicksal<br />

bewahrt und die Kinder namens Peter, Klaus,<br />

Bernhard und Luise sind gesund und munter<br />

und ohne jegliche Anzeichen von Mutationen,<br />

was William nur in seiner Meinung bestätigt,<br />

dass der Glaube der Old Faith sie alle<br />

beschützt...<br />

Allerdings ist der älteste Sohn Fredericks,<br />

Peter, geistig zurückgeblieben und wandert<br />

des öfteren ziellos im Ort umher, was natürlich<br />

auch schon Stoff für jede erdenkliche Art<br />

von Klatsch war...<br />

17. Hebamme<br />

In diesem kleinen Haus, das dem Pferdezüchter<br />

Konrad-Ludwig Weisgerber gehört<br />

und das auf Betreiben des Taal-Priesters<br />

Cornelius Trautmann vermietet wurde, lebt<br />

die alte Hanna Seliger. Dieses liebenswerte<br />

Mütterchen kam kurz nach der Ankunft des<br />

neuen Taal-Priesters in Schnutenbach an und<br />

mühte sich sofort, das Vertrauen der Einwohner<br />

zu gewinnen. Dies gelang ihr auch durch<br />

ihre fürsorgliche und mütterliche Art. Hanna<br />

hat stets für jeden ein offenes Ohr und ist bereit,<br />

sich die Nöte und Sorgen aller Einwohner<br />

gerne anzuhören und Trost zu spenden.<br />

Dies ist allerdings zu schön, um wahr zu sein!<br />

In Wahrheit ist Hanna Seliger die verdorbene<br />

Komplizin des falschen Taal-Priesters!<br />

Auch sie dient dem Chaosgott Nurgle und<br />

trägt aktiven Anteil an der steigenden Mutationsrate<br />

im kleinen Dorf Schnutenbach. Sie<br />

bringt die neugeborenen Kinder so bald als<br />

möglich zu Cornelius Trautmann, der ihnen<br />

dann widerwärtige Substanzen einflößt und<br />

in einem schrecklichen Ritual Nurgle weiht.<br />

Viele sterben an den Krankheiten und Mutationen,<br />

doch ebenso viele überleben und<br />

sind schrecklich entstellt, so dass sie von ihren<br />

entsetzten und unglücklichen Eltern im<br />

Wald ausgesetzt oder gar getötet werden...<br />

Es gibt nichts im Haus der Hebamme, was auf<br />

ihren finsteren Hintergrund schließen lassen<br />

Abenteuer<br />

Seite 41


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

würde, und alles im Haus sieht seltsam unbenutzt<br />

aus, so dass das Gebäude insgesamt einen<br />

eher unbewohnten Eindruck macht.<br />

18. Wohnhaus<br />

In diesem heruntergekommenen, einstöckigen<br />

Gebäude lebt der ehemalige Reisende<br />

und Glücksritter Karlfried Sontheimer.<br />

Der einäugige, ungepflegt wirkende Mann<br />

pflegt jedem bei jeder sich bietenden Gelegenheit<br />

die Abenteuer seines Lebens vorzutragen,<br />

die so übertrieben sind, dass sie unmöglich<br />

wahr sein können!<br />

Er ist jeden Abend im „Grinsenden Oger“<br />

anzutreffen und für ein Freibier ist er nur zu<br />

gerne bereit, dem freundlichen Spender den<br />

ganzen Abend lang von seinen Abenteuern<br />

zu erzählen...<br />

19. Fischersleute<br />

Dies ist ein schmuckloses Fachwerkhaus,<br />

vor dem fast den ganzen Tag (und einen großen<br />

Teil des Abends) das alte Ehepaar Joachim<br />

und Hilda Dockhorn sitzen.<br />

Ihre erwachsenen Söhne und Töchter namens<br />

Egon, Dieter, Albert, Judith und Ilse<br />

erledigen die gesamte Arbeit und sind oft<br />

am Ufer der Schnute oder mit einem kleinen<br />

Boot unterwegs, um Fische zu fangen.<br />

Albert ist ein freiwilliges Mitglied der Dorfmiliz<br />

und daher ab und zu im Rathaus anzutreffen.<br />

Die Tochter Judith ist die einzige richtige<br />

Freundin von Natasha-Svetlana Ulanov in<br />

Schnutenbach und fragt sich schon seit langer<br />

Zeit, was für ein Geheimnis diese wohl<br />

sogar vor ihr verbergen mag.<br />

Judith hat Natasha-Svetlana einmal beim<br />

Bad in der Schnute überrascht, und diese<br />

war damals völlig entsetzt und hatte sich<br />

schnell angezogen, noch ehe das erstaunte<br />

Mädchen überhaupt wirklich nahe herangekommen<br />

war...<br />

20. Wohnhaus<br />

In diesem Gebäude lebt die Soldatin Leonora<br />

Mororov aus Praag. Sie ist vom Bürgermeister<br />

fest angestellt worden, als sie auf<br />

einer Reise hier vorbeikam, und soll nun für<br />

die Ausbildung der Dorfmiliz sorgen.<br />

Leonora ist eine hervorragende Kriegerin,<br />

hat aber schon lange genug vom Blutvergießen.<br />

Eine lange Narbe läuft quer durch ihr wettergegerbtes<br />

Gesicht, das von einer herben<br />

Schönheit ist. Eines ihrer grauen Augen<br />

wurde durch diese Wunde zerstört, weswegen<br />

sie eine Augenklappe trägt. Ihr langes,<br />

braunes Haar ist bereits von frühen grauen<br />

Strähnen durchzogen, sie trägt es meist zu<br />

einem Zopf geflochten. Leonora Mororov<br />

zog nach unzähligen schrecklichen Erlebnissen<br />

aus Praag fort und wanderte einige Zeit<br />

durch Kislev, nur um dann hier zu landen. Sie<br />

genießt die Ruhe im Ort und gilt als schweigsame<br />

Einzelgängerin, wird aber von allen mit<br />

großem Respekt behandelt...<br />

21. Bader<br />

Schnutenbach besitzt den besonderen<br />

Luxus eines Baders, der allerdings auch die<br />

Funktionen Arzt, Zahnarzt, Apotheker und<br />

Barbier ausübt.<br />

In dem zweistöckigen Haus lebt und arbeitet<br />

Dietrich Masthoff, ein Mann mittleren<br />

Alters, der wegen einiger kleinerer Vergehen<br />

aus Middenheim flüchten musste und<br />

hier, weitab von allen großen Städten, ein<br />

neues Zuhause gefunden hat. Durch seine<br />

verschiedenen Lehrstellen in Middenheim ist<br />

Dietrich durchaus ein einigermaßen fähiger<br />

Arzt, wenn es ihm auch wegen seiner Faulheit<br />

immer versagt war, wirkliche Größe zu<br />

erlangen.<br />

Er ist im Dorf angesehen und beliebt, denn<br />

er gibt gerne Geschichten von den großen<br />

Städten wie Middenheim, Nuln oder Altdorf<br />

zum besten, in denen er ja überall bereits<br />

war, wobei er natürlich die Streitigkeiten mit<br />

seinen diversen Lehrmeistern verschweigt.<br />

Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich<br />

der Laden des selbsternannten Arztes, in<br />

dem sowohl Verletzungen behandelt, wie<br />

auch Haare geschnitten werden!<br />

Ein falsches Ärzte-Diplom aus Middenheim<br />

hängt an der Wand, das jedoch von einem<br />

aufmerksamen Abenteurer (INT-Test, aber<br />

nur erlaubt, wenn er Law besitzt) als Fälschung<br />

entlarvt werden kann.<br />

22. Schreinerei<br />

Dieses große Anwesen am Fluss gehört<br />

Jens Hitzfeld, der nach dem Pferdezüchter<br />

Konrad-Ludwig Weisgerber der wohl reichste<br />

und einflussreichste Mann im Dorf sein<br />

dürfte. Er folgte bereits früh der Devise, dass<br />

in so einem entlegenen Örtchen wie Schnutenbach<br />

immer Bedarf an verarbeitetem<br />

Holz bestehen müsste, was auch tatsächlich<br />

der Fall war.<br />

Demzufolge begann Jens Hitzfeld als einfacher<br />

Holzfäller, bis er nach und nach eine kleine<br />

Schreinerei für Möbel, aber auch Balken<br />

für Häuserdecken und ähnliches aufzubauen<br />

begann.<br />

Feste und Feiertage<br />

Natürlich gibt es auch in Schnutenbach<br />

viele größere und kleinere Feiern, auf der<br />

fast alle Dörfler zusammenkommen und<br />

es sich trotz ihres beschwerlichen Lebens<br />

einmal gutgehen lassen! Die typischen<br />

Feiertage aus dem Empire, die hier gepflegt<br />

werden, sind:<br />

Mitterfruhl<br />

Auch in Schnutenbach wird das Nahen<br />

des Sommers gefeiert. Auf dem Marktplatz<br />

werden hierfür ein Holzpodest und<br />

mehrere lange Tische und Bänke aufgestellt.<br />

Dann werden Obstschalen bereitet, es<br />

gibt gebratenen Ochsen am Spieß, Ströme<br />

von Bier und Wein und jede Menge<br />

Kuchen und Torten!<br />

Das Fest geht bis spät in die Nacht und<br />

wird von Musik und Tanz untermalt. Die<br />

Legende sagt, wer sich an Mitterfuhl verliebt,<br />

wird sein Leben lang glücklich sein...<br />

Mondstille<br />

Dies ist im ganzen Empire ein großes Fest<br />

und wird auch in diesem kleinen Dorf<br />

von ganzem Herzen gefeiert, schließlich<br />

markiert es den Wendepunkt des Winters<br />

und ein nahendes Ende der harten Zeit, in<br />

der so manch ein Dorfbewohner um sein<br />

Leben bangen musste.<br />

In allen Fenstern des Dorfes werden<br />

Kerzen aufgestellt und der gesamte<br />

Dorfplatz wird von Fackeln beleuchtet.<br />

Ein mächtiges Lagerfeuer prasselt hier<br />

und das Fest beginntnach Einbruch der<br />

Dunkelheit, wenn sich alle Dörfler am<br />

Dorfausgang versammeln und mit brennenden<br />

Kerzen feierlich bis zum Dorfplatz<br />

marschieren.<br />

Dort gibt es meist eine kurze Ansprache<br />

des jeweiligen Dorfoberhaupts, ehe die<br />

Dörfler an den aufgestellten Tischen<br />

Platz nehmen und die eigentliche Feier<br />

beginnen kann.<br />

Das Fest Mondstille dauert die ganze<br />

Nacht bis zum Sonnenaufgang. Erst dann<br />

werden alle Lichter gelöscht.Die Legende<br />

sagt, dass, falls eine Kerze im Fenster<br />

Da sich sonst niemand im Ort für die Holzbearbeitung<br />

interessierte oder genug Zeit<br />

dafür aufwenden konnte, schuftete er oft<br />

Tag und Nacht, um den Bedarf an günstigen<br />

und robusten Möbelstücken zu decken.<br />

Heute läuft seine Schreinerei immer noch<br />

sehr gut, denn die Holzdächer des Dorfes be-<br />

Seite 42<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Natürlich könnte Calinar vom Erlös dieser<br />

Verkäufe nicht lange leben, denn die wenigen<br />

Bögen, die er hier verkauft, bringen nicht<br />

so viel ein.<br />

In Wahrheit ist Calinar auf der Flucht vor<br />

seinem eigenen Volk! Calinar ist kein Waldelf,<br />

wie er es vorgibt, sondern ein Dunkelelf! Allerdings<br />

hat er sich – so unglaublich das auch<br />

klingen mag – von den dunklen Pfaden seines<br />

Volkes abgewandt. Früher war er allerdings<br />

ein Assassine und ergebener Gefolgsmann<br />

des Gottes Khaine, bis ihm eines Tages<br />

aufgetragen wurde, seine eigene Familie zu<br />

töten...<br />

Calinar tat es, doch bereits kurz darauf<br />

starben alle jene, die ihn durch diese Tat prüfen<br />

wollten, einen grausamen Tod. Danach<br />

musste er fliehen und nahm im Laufe der Zeit<br />

die Tarnung als Waldelf an, bis er irgendwann<br />

einmal schließlich in Schnutenbach landete.<br />

Der Dunkelelf möchte nur seine Ruhe und<br />

geht jedem Ärger so weit wie möglich aus<br />

dem Wege, um seine Tarnung nicht zu verlieren.<br />

Sollte seiner neuen Heimat allerdings<br />

Gefahr drohen, so wird er sie – entgegen seiner<br />

früheren Art – erbittert verteidigen! Er ist<br />

des Davonlaufens müde...<br />

Übrigens kommt er einigermaßen – für<br />

einen Elfen sogar erstaunlich – gut mit den<br />

Zwergen der nahegelegenen Mine aus, die<br />

von Anfang an erstaunt und überrascht waren,<br />

wie viel er über den Bergbau wusste...<br />

Bei seinen Streifzügen durch die Wälder<br />

entdeckte Calinar Mesmeris eines Tages<br />

zwangsläufig auch den Turm des Zauberers<br />

Reinhold Reggenhard, von dem sich die Dorfbewohner<br />

nur im Flüsterton erzählen. Nach<br />

und nach besuchte Calinar den Zauberkundigen<br />

häufiger, denn die beiden hatten einander<br />

viel zu erzählen und konnten – jeder auf<br />

seine selbstsüchtige Weise – viel voneinander<br />

lernen... Der Dunkelelf fertigt ausgezeichnete<br />

Bögen, die er mit feinen Schnitzereien verziert,<br />

welche die Belastbarkeit des Bogens in<br />

keinster Weise verringern. Auf Wunsch und<br />

bei besonders guter Bezahlung (doppelter<br />

Preis) kann er sogar Bögen anfertigen, die<br />

mehr Schaden verursachen als normal (der<br />

Benutzer muss dann mindestens einen DEXwährend<br />

des Festes ausgehen sollte,<br />

bald eine Person in diesem Haus sterben<br />

wird...<br />

Schlachtfest<br />

Diese Feier mit dem etwas seltsamen Namen<br />

ist einzigartig in Schnutenbach. Im<br />

Frühjahr schlachtet jeder von den Bauern,<br />

der es sich leisten kann, ein Tier, lässt es<br />

in ein Fass ausbluten und veranstaltet<br />

dann in seinem Hof ein kleines Fest. Es ist<br />

aber schon vorgekommen, dass zu dieser<br />

Zeit ankommende Reisende einen etwas<br />

merkwürdigen Eindruck von diesem Dorf<br />

bekommen haben, denn Fässer voller<br />

Blut, die am Rande der Straße stehen,<br />

und zudem blutverschmierte Männer mit<br />

Schlachtermessern lassen allerlei Vermutungen<br />

zu...<br />

Das Blut wird eine Nacht stehengelassen<br />

und am nächsten Morgen darf sich jeder<br />

Einwohner Schnutenbachs eine Schöpfkelle<br />

davon holen und es trinken: Dies soll<br />

angeblich Krankheiten fernhalten!<br />

Taalstanz<br />

Dieses Fest ist nur in diesem Landstrich<br />

verbreitet und im Empire selbst relativ<br />

unbekannt.<br />

Es entstand wohl aus einem alten, überlieferten<br />

Fest zu Ehren Leshy’s, wurde<br />

aber recht schnell zu einer Feier für den<br />

Gott Taal umgewandelt!<br />

Die jungen, unverheirateten Burschen<br />

Schnutenbachs ziehen sich gegen Abend<br />

zurück und legen Felle und Pelze sowie<br />

furchterregende Masken an, so dass sie<br />

fast schon wie Beastmen aussehen.<br />

Nachts kommen sie dann schreiend und<br />

brüllend ins Dorf und „terrorisieren“ die<br />

Einwohner mit Schabernack und allerlei<br />

derben Scherzen. Das Fest findet seinen<br />

Höhepunkt gegen Mitternacht, wenn<br />

die unverheirateten Frauen des Dorfs<br />

einen Tanz auf dem Dorfplatz beginnen,<br />

um die „Geister“ zu besänftigen. Dabei<br />

werden die Burschen in ihren Kostümen<br />

lammfromm und werden dann unter dem<br />

Applaus und Gelächter der Einwohner<br />

von den Frauen aus dem Dorf getrieben...<br />

nötigen ab und an immer wieder einer Reparatur<br />

und so kann Jens zusammen mit seinen<br />

Söhnen Rüdger und Tobias in eine gesicherte<br />

Zukunft blicken.<br />

Allerdings hat sein Werdegang Spuren im<br />

Charakter von Jens Hitzfeld hinterlassen: Er<br />

ist ein herrischer, jähzorniger und hochmütiger<br />

Mensch, der glaubt, mit Geld alles erreichen<br />

zu können!<br />

Vor allem seine viel jüngere Frau Valentyna<br />

Puchkov und seine Töchter Gisela und Gabi<br />

müssen unter den Launen ihres Vaters leiden.<br />

Tobias Hitzfeld ist seit langem in Judith<br />

Dockhorn verliebt und die beiden treffen sich<br />

abends heimlich am Rande des Dorfes, da<br />

sein Vater eine solche Beziehung zu den einfachen<br />

Dockhorns niemals billigen würde...<br />

23. Bäcker<br />

Dieses schön hergerichtete, zweistöckige<br />

Gebäude hat ein Metallschild über dem Eingang<br />

baumeln, auf dem ein großer Laib Brot<br />

abgebildet ist.<br />

Wie nicht besonders schwer zu erraten<br />

war, wird hier Brot gebacken und verkauft.<br />

Bis vor einigen Jahren bereiteten die meisten<br />

Schnutenbacher ihr Brot noch selbst zu,<br />

doch als Volkhart Schleier zusammen mit<br />

seiner Frau Marlies in den Ort zog, sollte sich<br />

dies ändern.<br />

Volkhart traf eine Vereinbarung mit<br />

dem Müller und begann schon bald, weit<br />

schmackhafteres Brot zu backen, als dies in<br />

den kleinen, oftmals improvisierten Öfen der<br />

Schnutenbacher möglich war.<br />

Natürlich backen einige Einwohner ihr tägliches<br />

Brot immer noch selbst, aber der Großteil<br />

kauft mittlerweile bei Volkhart Schleier.<br />

Das Ehepaar Schleier hat eine Tochter<br />

namens Angelika, die zusammen mit ihnen<br />

hierhergezogen ist und die mit dem Leben in<br />

diesem kleinen Dorf immer noch nichts anzufangen<br />

weiß.<br />

Sie ist unzufrieden und missgünstig und<br />

verbreitet meist erfundenen oder hemmungslos<br />

übertriebenen Klatsch.<br />

n letzter Zeit hat sie es vor allem auf Natasha-Svetlana<br />

Ulanov abgesehen, denn sie<br />

weiß, dass hinter der scheuen Art des Mädchens,<br />

das sich kaum jemals länger als eine<br />

Stunde im Dorf sehen lässt, ein interessantes<br />

Geheimnnis verbergen muss!<br />

Die Kinder der Familie, welche nach ihrer<br />

Ankunft hier im Dorf geboren wurden, mutierten<br />

bereits kurze Zeit nach ihrer Geburt<br />

und waren obendrein von schweren, widernatürlichen<br />

Krankheiten gekennzeichnet.<br />

Auf Anraten des Taal-Priesters setzte Volkhart<br />

alle Kinder im Wald aus, ohne dass seine<br />

Frau davon wusste.<br />

Beide sind beunruhigt und vermuten, dass<br />

es hier irgend etwas geben muss – vielleicht<br />

eine alte Kultstätte – welche einen Zauberbann<br />

oder Fluch über das Dorf gebracht<br />

hat...<br />

24. Bogner<br />

In diesem kleinen Häuschen lebt der Elf<br />

Calinar Mesmeris. Allerdings ist er eher selten<br />

hier im Ort zu finden, sondern meist in<br />

den umliegenden Feldern und Wäldern anzutreffen,<br />

wo er nach geeignetem Holz für seine<br />

hervorragenden Langbögen sucht.<br />

Abenteuer<br />

Seite 43


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

Wert von 50 und einen S-Wert von 6 haben,<br />

um den Langbogen mit S 5 zu benutzen)!<br />

25. Wohnhaus<br />

In diesem Gebäude lebt die Witwe Helene<br />

Aderhold, deren Gemahl vor kurzer Zeit gestorben<br />

ist. Ihre Ehe blieb ohne Nachkommen<br />

und so lebt sie nun alleine in einem Haus<br />

voller Erinnerungen.<br />

Sie ist immer an Geschichten aus aller<br />

Welt interessiert und weiß auch einiges über<br />

Schnutenbach und seine Umgebung zu berichten.<br />

Helene verdient sich ein wenig Geld durch<br />

Schneiderarbeiten und näht auf Wunsch auch<br />

ausgefallenere Gewandungen. Mit ihr im<br />

Haus leben drei Katzen namens Miez, Maunz<br />

und Schnurr, aber eigentlich finden sich hier<br />

regelmäßig alle Katzen des Dorfes ein, denn<br />

sie wissen, dass die gutherzige Helene für sie<br />

immer einen Brocken Fleisch übrig hat...<br />

26. Bauernhof<br />

Auf diesem relativ kleinen Hof lebt die Familie<br />

Landsteiner. Das Familienoberhaupt ist<br />

Edgar Landsteiner, der allerdings gewaltig<br />

unter dem Pantoffel seiner Frau Anke Landsteiner<br />

steht. Dennoch führen die beiden<br />

eine glückliche Ehe und ihre Kinder Adelheid,<br />

Hildegard, Ernst und Erich verbrachten eine<br />

glückliche Kindheit in Schnutenbach.<br />

Nur ihre jüngsten Kinder, Joachim und Johanna,<br />

machen den beiden etwas Sorgen.<br />

Joachim scheint andauernd krank zu sein<br />

und es erscheinen in regelmäßigen Abständen<br />

nässende und eiternde Pusteln auf seinem<br />

Körper, die von Mal zu Mal schlimmer zu<br />

werden scheinen, und das Mädchen Johanna<br />

hat kleine Federn am ganzen Körper.<br />

Da die Familie Landsteiner aber gläubige<br />

Anhänger Taals sind und regelmäßig die Messe<br />

besuchen, hoffen sie zuversichtlich, dass<br />

bald eine Besserung eintreten wird...<br />

27. Wohnhaus<br />

Hier wohnt der aus Kislev stammende Piatras<br />

Rakovich, der sich seinen Lebensunterhalt<br />

damit verdient, abends des öfteren im<br />

„Grinsenden Oger“ seine Laute zu spielen<br />

und größtenteils kislevikische Volksweisen<br />

vorzutragen. Ab und an wird er auch in die<br />

Kutschstation gebeten, meist dann, wenn<br />

Adlige aus seiner Heimat dort verkehren und<br />

es den hochwohlgeborenen Herren zu langweilig<br />

wird; für diese Fälle hat er erstaunlich<br />

schöne Lieder parat, die mit den sonstigen<br />

derben Trinkliedern nichts zu tun haben...<br />

Seite 44<br />

Das Gebäude, in dem Piatras lebt, ist einstöckig<br />

und ein Fachwerkhaus. Er benötigt nur<br />

ein Zimmer, in dem er lebt und schläft.Ordnung<br />

ist für ihn ein Fremdwort. Er ist abends<br />

of bei der Familie Yakushenko zu Gast, denen<br />

er gerne seine Lieder vorspielt.<br />

Er tut dies vor allem für Ophelia, denn er<br />

weiß, dass sie allen Trost brauchen kann, den<br />

es gibt und so hat sich im Laufe der Zeit eine<br />

innige Freundschaft entwickelt, die von beiden<br />

Seiten gepflegt wird...<br />

28. Leerstehendes<br />

Haus<br />

In dieser verfallenen Ruine, von der nur<br />

noch der Keller und das Erdgeschoss erhalten<br />

sind, soll es angeblich spuken. Zwar wird<br />

diese Geschichte von den Einheimischen mit<br />

einem Lächeln erzählt, aber dies liegt vor<br />

allem daran, dass der „Geist“ bisher noch<br />

keinen Schaden angerichtet hat. Ansonsten<br />

würden die sehr abergläubischen Einwohner,<br />

die ohnehin durch die Vorkommnisse der<br />

letzten Zeit arg mitgenommen und misstrauisch<br />

sind, bestimmt etwas unternehmen.<br />

In der Tat glauben die meisten Schnutenbacher,<br />

dass es sich beim Treiben um dieses<br />

leere Haus am Ortsrand um die heimlichen<br />

Treffen junger Liebespärchen oder Lausbuben<br />

handelt.<br />

Und das ist auch wirklich so...<br />

29. Imker<br />

In diesem einstöckigen Gebäude lebt der<br />

Imker Waldemar Eggebrecht zusammen mit<br />

seiner Frau Sofya und seinen Töchtern Lilia,<br />

Irina und Anya.<br />

Waldemar ist ein aufbrausender, aber<br />

humorvoller Mann im mittleren Alter, der<br />

schnell in Rage gerät, aber ebenso schnell<br />

wieder verzeihen kann.<br />

Seine Frau Sofya, die er vor einigen Jahren<br />

geheiratet hat, ist eine stille und zierliche Person,<br />

die aber viel dazu beiträgt, ihn ruhiger<br />

werden zu lassen. Seinen größten Wunsch<br />

aber, nämlich einen Sohn, konnte sie ihm bisher<br />

nicht erfüllen, aber er nimmt es mit Fassung,<br />

denn er liebt seine Töchter über alles.<br />

Leider zeigt auch Anya, die Jüngste, Zeichen<br />

von Krankheit und ihre Haut wird immer<br />

dunkler (durch die Mutation Black Skin)...<br />

Waldemar hat seine Bienenstöcke außerhalb<br />

des Dorfes auf einem kleinen Hügel stehen,<br />

umgeben von großen Blumenwiesen,<br />

und da in Schnutenbach Zucker – wie in den<br />

meisten Dörfern und Städten des Empire<br />

– ziemlich rar ist, macht er trotz niedriger<br />

Preise ein gutes Geschäft, so dass er den Lebensunterhalt<br />

für seine Familie sichern kann.<br />

Seine älteste Tochter Lilia ist oft auf der Blumenwiese<br />

unterwegs, wo sie sich ins Gras<br />

legt und vor sich hin träumt, wenn sie ihrem<br />

Vater nicht bei der Arbeit hilft...<br />

30. Jäger<br />

Hier lebt der Jäger Fritz Tagwerker, ein<br />

grimmiger, unangenehmer Zeitgenosse, der<br />

abends im „Grinsenden Oger“ gerne einen<br />

über den Durst trinkt.<br />

Das einstöckige Haus wirkt von außen ungepflegt,<br />

innen ist es jedoch überraschend<br />

sauber.<br />

Hierfür ist Astrid Bottner verantwortlich,<br />

die als Waise in Schnutenbach aufwuchs und<br />

geistig ein wenig zurückgeblieben ist.<br />

Da Fritz Tagwerker wusste, dass er mit Sicherheit<br />

keine Frau in Schnutenbach bekommen<br />

würde, holte er sich Astrid ins Haus, die<br />

vorher als Magd bei den verschiedenen Bauernhöfen<br />

gearbeitet hatte, bis sie alt genug<br />

war, auf eigenen Beinen zu stehen.<br />

Obwohl Astrid nicht sehr intelligent ist,<br />

weiß sie, dass Fritz kein guter Mann ist, denn<br />

obwohl sie für ihn kocht und putzt, schlägt<br />

er sie allzu oft – vor allem, wenn er wieder<br />

einmal betrunken ist oder auf der Jagd kein<br />

Glück hatte.<br />

Fritz ist, im Gegensatz zu Astrid, im Dorf<br />

nicht beliebt und alle bedauern die junge<br />

Frau, wagen aber nichts zu sagen, denn der<br />

Jäger ist als brutaler Schläger bekannt...<br />

In den letzten Wochen hatte Fritz Tagwerker<br />

immer weniger Glück bei der Jagd und<br />

verdächtigt nun Roman Zorin, den zweiten<br />

Jäger Schnutenbachs, irgend etwas gegen<br />

ihn ausgeheckt zu haben.<br />

Hinzu kommt die Tatsache, dass Romans<br />

Jagdglück scheinbar trotz dem mangelnden<br />

Wild nicht nachgelassen hat und er immer<br />

wieder erjagte Tiere ins Dorf bringt<br />

31. GroSSmutter Herrbruck<br />

Dieses kleine, windschiefe und oft nur<br />

notdürftig reparierte Häuschen am äußersten<br />

Rande Schnutenbachs ist das Heim von<br />

„Großmutter“ Adelheid Herrbruck, deren Alter<br />

nur noch sehr schwer abzuschätzen ist.<br />

Sie läuft gebeugt und unter Keuchen und<br />

Husten und unter ihrem schlohweißem Haar<br />

befindet sich ein Gesicht, das von tiefen Furchen<br />

durchzogen ist.<br />

Die grauen Augen in diesem Gesicht blicken<br />

aber noch sehr klar und scharf und scheinen<br />

einem Gegenüber direkt ins Herz zu sehen...<br />

Adelheid wird spaßeshalber in Schnuten-<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

bach als Hexe bezeichnet, wahr ist, dass sie<br />

mit den Bewohnern des Ortes – sieht man<br />

vom Köhler, dem Müller und dem Jäger Roman<br />

Zorin einmal ab, nicht viel zu tun hat<br />

und lieber mit ihrem schwarzen Raben Pavilis<br />

spricht.<br />

Und es ist in der Tat so, dass Großmutter<br />

Herrbruck nicht zu den Messen des Priesters<br />

erscheint, da sie dem Alten Glauben angehört<br />

und obendrein schon lange mutmaßt,<br />

dass Cornelius Trautmann nicht der Mensch<br />

ist, der er zu sein vorgibt! Das Haus von Adelheid<br />

besteht nur aus einem großen Raum, in<br />

dem auch ihre Tiere – eine Ziege, zwei Hühner<br />

und natürlich der Rabe, leben.<br />

Demzufolge ist der Geruch in der Wohnstube<br />

eher als markant- herb zu bezeichnen,<br />

aber daran stört sie sich nicht.<br />

Von den Deckenbalken baumeln allerlei<br />

getrocknete Kräuterbündel, mehrere ausgestopfte<br />

Tiere sitzen auf den Regalen an den<br />

Wänden und ein großer Topf neben dem offenen<br />

Kamin dient als Kochgeschirr.<br />

Großmutter Herrbruck ist die einzige im<br />

Dorf, die vom Schicksal von Natasha-Svetlana<br />

Ulanov weiß und sie bedauert das junge<br />

Mädchen von ganzem Herzen, das sich<br />

so aufopferungsvoll um die ganze Familie<br />

kümmert und nie ein normales Leben führen<br />

wird. Natasha-Svetlana kommt öfter zu der<br />

alten Frau, denn ihre Familie benötigt wegen<br />

ihrer Krankheiten und Mutationen sehr oft<br />

Medizin, die sie kostenlos in Form von Kräutern<br />

von Adelheid erhält. Großmütterchen<br />

versteht sich erstaunlich gut mit dem Gnom<br />

Jerome LaFontaine aus der kleinen Ansiedlung<br />

Stammheim, den sie aber nur sehr selten<br />

sieht.<br />

Adelheid Herrbruck ist eine alte Frau mit<br />

einem großen Erfahrungsschatz und von beachtlicher<br />

Intelligenz mit einem kleinen und<br />

überaus nützlichen Vorrat an vorbereiteten<br />

Tränken, die eine sehr wertvolle Verbündete<br />

sein kann – aber ihr Vertrauen ist gewiss<br />

nicht leicht zu erringen...<br />

32. Pensionär<br />

In diesem kleinen Fachwerkhaus wohnt Jochen<br />

Sauer, ein ehemaliger Abenteurer, der<br />

in seiner Jugend viele Reisen unternommen<br />

hat und einige (wahre) Geschichten zu erzählen<br />

hat – falls ihn jemand danach fragt.<br />

Jochen ist ein alter Mann, der nicht sonderlich<br />

kontaktfreudig ist und abends meist<br />

ein wenig abseits im „Grinsenden Oger“ sitzt<br />

und versonnen in seinen Bierhumpen blickt.<br />

Er sah auf seinem abenteuerlichen Eskapaden<br />

zu viele seiner Freunde sterben, unter<br />

anderem auch seine einzige große Liebe, und<br />

bei seiner letzten Reise verlor er sein Bein im<br />

Kampf gegen eine Orkhorde, so dass er nun<br />

mit einem Holzfuß laufen muss.<br />

Er hat sich hier in Schnutenbach – fern von<br />

vielen oft quälenden Erinnerungen – niedergelassen<br />

und mittlerweile ist seine verschlossene,<br />

wenn auch höfliche, Art von den Einwohnern<br />

akzeptiert worden.<br />

In letzter Zeit ist er gegenüber Leonora<br />

Mororov ein wenig aufgetaut und unterhält<br />

sich angeregt mit ihr, was ansonsten gar<br />

nicht seine Art ist.<br />

In seinem kleinen Haus bewahrt er die Reste<br />

seiner Zeit als Abenteurer auf: Rüstung,<br />

Waffen und diverse Erinnerungsstücke. Falls<br />

Schnutenbach in Gefahr sein sollte, wäre er<br />

einer der wenigen erfahrenen – wenn auch<br />

durch sein Holzbein behinderten – Kämpfer<br />

im Ort...<br />

Gehöfte und<br />

Häuser auSSerhalb<br />

Schnutenbachs<br />

33. Pferdezucht<br />

Auf diesem großen Anwesen außerhalb<br />

Schnutenbachs lebt die Familie Weisgerber,<br />

reiche Pferdezüchter von zweifelhaftem Ruf.<br />

Der Vater, Konrad-Ludwig Weisgerber, entdeckte<br />

bereits früh die Möglichkeit, auf den<br />

ausgedehnten Wiesen Reitpferde für die Reiterei<br />

in Kislev zu züchten und nach einigen<br />

Rückschlägen brachte er es dann auch zustande,<br />

einen Vertrag auszuhandeln, so dass<br />

ihm auf Jahre hinaus die Abnahme seiner Tiere<br />

gesichert ist!<br />

Das Haus ist dreistöckig und wirkt mehr<br />

wie eine Villa – wenn auch protzig und einigermaßen<br />

geschmacklos – denn ein gewöhnliches<br />

Wohnhaus.<br />

Große Anbauten, zumeist Pferdeställe,<br />

gruppieren sich um das Wohngebäude, auf<br />

dessen Veranda das Familienoberhaupt<br />

abends gerne mal ein Pfeifchen raucht.<br />

Die Weiden der Pferde sind eingezäunt und<br />

befinden sich rings um die Ansammlung von<br />

Gebäuden. Neben Konrad-Ludwig Weisgerber<br />

wohnen hier sein Vater Gotthold sowie<br />

die Mutter seiner Frau namens Helga Pfender;<br />

die beiden können sich auch nach allen<br />

Jahren des Zusammenlebens auf den Tod<br />

nicht ausstehen und sind ununterbrochen<br />

am streiten! Die Gemahlin Konrads heißt Brigitte<br />

Weisgerber und ist ebenso übellaunig<br />

und herrschsüchtig wie ihr Ehemann – Geld<br />

verdirbt eben doch den Charakter...<br />

Zusammen mit ihnen leben hier ihre Kinder<br />

Bertha, Kathe, Winfried, Raimund und Christoph.<br />

Vor allem die Söhne sind im Dorf gefürchtete<br />

Raufbolde und gehen keinem Streit aus<br />

dem Weg.<br />

Sie sind, ebenso wie ihr Vater, der Ansicht,<br />

dass man für Geld alles bekommen kann und<br />

benehmen sich dementsprechend! Raimund<br />

hat ein Auge auf Irina Eggbrecht, die Tochter<br />

des Imkers, geworfen und nimmt ihre<br />

Zurückweisungen mit immer größerem Zorn<br />

entgegen – es kann nicht mehr lange dauern,<br />

bis sich seine Wut in einer Gewalttat entlädt.<br />

In einem kleinen Anbau am Hauptgebäude<br />

leben die Knechte Lothar, Egon, Jochen, Jens<br />

und Peter, die zwar unter der Tyrannei ihres<br />

Dienstherrn zu leiden haben, dies aber nur zu<br />

gerne an den Dörflern auslassen. Ebenfalls<br />

hier wohnen die Mägde Regina, Gabi und<br />

Sabine, die sich meistens nur weit weg von<br />

diesem Ort wünschen...<br />

Konrad-Ludwig Weisgerber lebt nur dafür,<br />

möglichst viel Einfluss und Geld zu erlangen<br />

und reitet oft zusammen mit seinen Söhnen<br />

durch Schnutenbach, um die Einwohner wissen<br />

zu lassen, dass er hier der „Herr“ ist!<br />

In der Tat besitzt er eigentlich den Großteil<br />

Schnutenbachs, denn das Land ringsum<br />

gehört ihm und er könnte theoretisch sogar<br />

Wegzoll für die Straße ins Dorf kassieren,<br />

wenn er es wollte...<br />

Konrad-Ludwig und seine Familie sind einflussreiche<br />

und auch gefährliche Personen<br />

und das Familienoberhaupt schreckt auch<br />

vor einem Mord nicht zurück, vorausgesetzt,<br />

dies dient seinen Plänen!<br />

34. Bauernhof<br />

Auf diesem heruntergekommen wirkenden,<br />

umzäunten Hof lebt die Familie Ulanov.<br />

Die meisten Einwohner Schnutenbachs wissen,<br />

dass diese Einwanderer aus Kislev schon<br />

sehr lange hier leben und sich ebenso lange<br />

noch nie haben im Dorf sehen lassen!<br />

Nur die erwachsene, liebreizende Tochter<br />

Natasha-Svetlana Ulanov kommt regelmäßig<br />

in Schnutenbach vorbei, um größere Einkäufe<br />

zu erledigen, verschwindet aber ebenso<br />

rasch wieder...<br />

Natasha-Svetlana ist mit Abstand das hübscheste<br />

Mädchen in der ganzen Umgebung<br />

(manche sagen, im ganzen Empire) und bietet<br />

mit ihren hüftlangen, blondgelockten<br />

Haaren, den giftgrünen Augen und ihrem<br />

sympathischen und bezaubernden Gesicht<br />

wirklich Anlass, mehr als einmal hinzublicken.<br />

Abenteuer<br />

Seite 45


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

Aber jeder in Schnutenbach weiß ebenfalls,<br />

dass sie bisher alle der unzähligen Heiratsanträge<br />

der Dorfburschen zurückgewiesen hat,<br />

da sie sich um ihre Familie kümmern müsse,<br />

die teilweise krank sei und der Pflege bedürfe!<br />

Dies ist noch nicht einmal gelogen, kommt<br />

aber auch bei weitem nicht an die tragische<br />

Wahrheit heran...<br />

Die gesamte Familie Ulanov unterliegt<br />

schrecklichen Krankheiten und Mutationen,<br />

da die Großeltern lange Zeit in Kislev gelebt<br />

und ohne es zu wissen über Jahre hinweg<br />

nahe einem großen Klumpen Warpstone gewohnt<br />

hatten!<br />

Dies blieb für sie vorerst noch ohne größeren<br />

Folgen, denn die Mutationen setzten erst<br />

spät ein – ihre Kinder jedoch waren bereits<br />

schrecklich veränderte Wesen, die sich verstecken<br />

mussten.<br />

Schließlich wurden sie doch entdeckt und<br />

mussten fliehen. Ihr Weg führte sie hierher,<br />

wo sie sich in einem leerstehenden Gehöft<br />

niederließen.<br />

Auch die Nachkommen der Kinder der<br />

Großeltern Ulanov sind teilweise schrecklich<br />

entstellt, was man von der jüngsten Tochter,<br />

Natasha-Svetlana, allerdings auf den ersten<br />

Blick nicht behaupten kann.<br />

Natasha-Svetlana opfert sich für ihre Familie<br />

auf, denn sie weiß, dass allein sie in der<br />

„Außenwelt“ als normaler Mensch durchgehen<br />

kann.<br />

Doch der Grund, warum sie bisher alle Heiratsanträge<br />

zurückgewiesen hat, liegt noch<br />

weit tiefer. Zwar ist sie auf den ersten Blick<br />

ein wirklich wunderschönes und reizendes<br />

Mädchen, doch würde sie ein Freier entblößt<br />

sehen, so käme das Gesicht zum Vorschein,<br />

das auf der Höhe ihres Bauches sitzt.<br />

Dies ist Natasha-Svetlanas „Schwester“<br />

Larissa-Lilia, mit der sie sich oft unterhält (immerhin<br />

verbringen sie ja auch sehr viel Zeit<br />

miteinander)...<br />

Die übrigen Mitglieder der Familie Ulanov<br />

sind: Großvater Yuri Ulanov, leidet unter Bestial<br />

Face und Snake Tail, Großmutter Tatyana,<br />

leidet unter Birds Feet und Crest. Dann ist<br />

da der Vater von Natasha-Svetlana namens<br />

Vitali, er leidet unter Cloven Hooves und Eyestalks,<br />

seine Frau Lyuba ist Headless.<br />

Die übrigen Kinder sind Vadim – er hat<br />

Horns und ein Featureless Face – Vladas, der<br />

unter einem Long Neck und Multiple Arms<br />

leidet, sowie Zoya, die ein Rearranged Face<br />

besitzt. Den schrecklichsten Anblick der Familie<br />

bietet aber Mira Ulanov, die Multiple<br />

Heads besitzt und zudem ein Crossbreed mit<br />

Seite 46<br />

einer Giant Spider ist!<br />

Sie hält sich vor Scham sogar vom Rest der<br />

Familie fern und lebt im Stall... Immerhin hat<br />

auch Natasha-Svetlana noch weitere Mutationen:<br />

Sie verfügt über eine Mane of Hair und<br />

einen Massive Intellect! Die gesamte Familie<br />

Ulanov weiß, dass es nur eine Frage der Zeit<br />

ist, bis sie wieder einmal entdeckt werden<br />

und fliehen müssen.<br />

Dabei wird es wieder einmal keinen interessieren,<br />

wie sehr sie selbst unter ihren Mutationen<br />

zu leiden haben und einfach nur in<br />

Ruhe und Frieden leben möchten...<br />

In letzter Zeit ist Mira Ulanov manchmal<br />

heimlich bei Nacht aus dem Stall verschwunden,<br />

sie hat Kontakt zu den Mutanten im<br />

Wald aufgenommen und überlegt, sich ihnen<br />

anzuschließen! Falls der Bauernhof längere<br />

Zeit beobachtet wird, so fallen die vielen, teils<br />

stark mutierten Tiere auf, die hier gehalten<br />

werden – so haben die Ziegen z. B. mehrere<br />

Köpfe und die Hühner Tentakel als Beine, die<br />

Hofhunde nur eines oder drei Augen usw.<br />

35. Jäger<br />

In dieser kleinen Holzhütte direkt am<br />

Waldrand lebt der Jäger Roman Zorin, ein<br />

schweigsamer, aber freundlicher und hilfsbereiter<br />

Geselle, dessen Gesicht ein prächtiger<br />

Vollbart ziert und der auch sonst am ganzen<br />

Körper ziemlich behaart zu sein scheint. Vor<br />

der Hütte hängen meist einige Bärenfelle<br />

und aufgehängte, erlegte Kaninchen oder<br />

sonstiges Wild, das Roman aber meist in<br />

Schnutenbach verkauft. Da Roman Zorin ein<br />

Einzelgänger ist, kursieren über ihn natürlich<br />

einige Gerüchte im Dorf: Er sei ein Zauberer,<br />

ein Tiermensch oder – wie absurd – ein Werwolf!<br />

Wenn Roman solche Geschichten zu Ohren<br />

kommen, lacht er laut und herzhaft darüber<br />

und blickt sein Gegenüber nur mit einem<br />

Blick an, der diesem kalte Schauer über<br />

den Rücken jagt... In der Tat ist Roman Zorin<br />

wirklich ein Werwolf, er hat seinen Fluch<br />

aber relativ gut unter Kontrolle und nutzt seine<br />

Gabe zur Gestaltwandlung meist nur, um<br />

sich in manchen Nächten den Kitzel der Jagd<br />

und des Reißens der Beute zu genehmigen!<br />

Er kennt sich daher in den umliegenden Wäldern<br />

wirklich hervorragend aus und besucht<br />

ab und zu den Schrein zu Ehren Leshy’s, um<br />

ihm Tribut zu zollen. Er weiß auch, dass im<br />

Wald eine ständig wachsende Kolonie von<br />

friedlichen Mutanten existiert, hält sich aber<br />

von ihr fern... Roman Zorin bewegt sich auch<br />

in menschlicher Gestalt so lautlos, als würde<br />

er den Boden nicht berühren, was einige<br />

Leute in Schnutenbach schon lange nervös<br />

macht. Er kann ganz ausgezeichnet mit dem<br />

Kurzbogen umgehen und ist, wenn man erst<br />

einmal sein Vertrauen gewonnen hat, so höflich<br />

und freundlich, dass allein diese Tatsache<br />

ihn schon wieder merkwürdig erscheinen<br />

lässt...<br />

Stets bei ihm ist sein getreuer Wolfshund<br />

Shota, bei dem es sich natürlich um einen<br />

waschechten Wolf handelt.<br />

36.Köhler<br />

In dieser entlegenen Köhlerhütte im Wald<br />

wohnt der alte Ortwin Schliemann.<br />

Meist kann man neben der Hütte einen gewaltigen<br />

Haufen von aufgeschichtetem Holz<br />

finden, in dem es knackt und prasselt.<br />

Darin wird dann unter großer Hitze und<br />

Druck und mit viel Geschick seitens Ortwin<br />

Holzkohle hergestellt, die bei den Schnutenbachern<br />

sehr begehrt ist.<br />

Ortwin ist ein lebenslanger Junggeselle<br />

und ein wirklich eigenbrötlerischer Kauz,<br />

der niemanden in seine Hütte lässt und die<br />

Wälder als sein Eigentum betrachtet, die er<br />

gerade mal mit Roman Zorin teilen würde.<br />

Sollte man doch einmal in ein Gespräch mit<br />

ihm verwickelt werden – was schwierig ist,<br />

denn er kommt nur selten ins Dorf, um Kohle<br />

abzuliefern und in der Nähe seiner Hütte<br />

bedroht er jeden „Eindringling“ mit einer<br />

steinalten Blunderbuss – so ist er extrem<br />

wortkarg, doch sollte die Sprache auf Frauen<br />

kommen, so lässt er an ihnen kein gutes Haar<br />

(dabei handelt es sich übrigens um sein Lieblingsthema)!<br />

Auch Ortwin ist ab und zu beim Schrein<br />

Leshy’s anzutreffen und einmal im Jahr besucht<br />

er auch den ansonsten fast vergessenen<br />

Schrein Vodyanoy’s...<br />

37. Bauernhof<br />

Auf diesem großen Hof, der von ausgedehnten<br />

Wiesen voller Obstbäume umgeben<br />

ist, lebt und arbeitet die Familie Berghaus.<br />

Das Familienoberhaupt ist Karlfried Berghaus,<br />

ein dicker, gemütlicher Mann mit einem<br />

offenen und freundlichen Gesicht.<br />

Er isst gerne und viel und daher ist er auch<br />

seit langer Zeit glücklich mit Gunhild verheiratet,<br />

die ebenso wie er eine Vorliebe für gutes<br />

Essen hat und zudem auch gerne kocht!<br />

Ihre Kinder Veronika und Armin sind ebenso<br />

wie sie etwas pummliger geraten, doch<br />

der jüngste Sohn Ernst scheint ganz und gar<br />

aus der Art zu schlagen: Er ist spindeldürr und<br />

obendrein geistig etwas zurückgeblieben<br />

(dies kommt allerdings daher, dass er unter<br />

den Mutationen Thin und Moronic leidet)...<br />

Das einzige, was Karlfried wirklich aus der<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Fassung bringen kann, ist es, wenn irgendwelche<br />

Dorfrabauken sich wieder einmal ungefragt<br />

über seine Obstbäume hermachen,<br />

dann kann er trotz seiner enormen Leibesfülle<br />

nämlich ziemlich flink hinter den Obstdieben<br />

herlaufen!<br />

38. Magierturm<br />

Der Zauberkundige Reinhold Reggenhard<br />

bewohnt dieses imposante Gebäude, das<br />

in einer kleinen Senke inmitten des Waldes<br />

steht; es dauert von Schnutenbach aus immerhin<br />

einen ganzen Tag zu Fuß, um den<br />

Turm des Zauberkundigen zu erreichen<br />

(obwohl es den Dorfbewohnern weit lieber<br />

wäre, dieses Bauwerk stünde am anderen<br />

Ende der Welt).<br />

Ein kleiner Ausläufer der Schnute plätschert<br />

munter an diesem wuchtigen Steingebäude<br />

vorbei, das sich drei Stockwerke hoch<br />

erhebt und hier irgendwie fehl am Platze<br />

wirkt... Überhaupt scheint auf der gesamten<br />

Lichtung eine unheimliche Atmosphäre zu<br />

liegen, aber dies kann natürlich auch reine<br />

Einbildung sein.<br />

Falls an der wuchtigen, metallbeschlagenen<br />

und stets versperrten Tür geklopft wird,<br />

so öffnet sich nach einiger Zeit ein Guckloch,<br />

durch das ein junger Mann blickt.<br />

Er fragt nach dem Begehr der Besucher und<br />

wird sie erst nach Rücksprache mit seinem<br />

Meister in den Turm vorlassen; bei diesem<br />

Mann handelt es sich um Norbert Lohenflug,<br />

den Lehrling des Zauberers.<br />

Falls Reinhold Reggenhard die Besucher<br />

empfängt (und dies ist maximal zu 25% der<br />

Fall), so führt Norbert sie die Treppe hinauf<br />

in eine kleine Kammer, in der allerlei Regale<br />

mit seltsamen magischen Schriften stehen.<br />

Falls die Bücher wirklich gründlich unter die<br />

Lupe genommen werden, so fallen vor allem<br />

die Titel „Beherrschung der Wesen des Abgrunds“,<br />

„Das magische Einmaleins der Beschwörung“<br />

sowie „Der Pakt und die Macht“<br />

ins Auge. Allerdings wird immer entweder<br />

Norbert Lohenflug oder der Magier selbst<br />

anwesend sein.<br />

Reinhold Reggenhard hält sich bei den<br />

meisten Gelegenheiten im Keller auf, wo er<br />

seine magischen Beschwörungszirkel aufgemalt<br />

hat und sämtliche Rituale durchführt.<br />

Der Zauberer kleidet sich in erlesene, weite<br />

Gewänder in satten Farben, meist Purpur,<br />

Rot und Dunkelblau, wobei die Farben voneinader<br />

meist durch goldene oder silberne<br />

Fäden deutlich abgegrenzt sind.<br />

Der Magier hat lange, wallende schwarze<br />

Haare, einen sauber gestutzten schwarzen<br />

Bart und an einem seiner Ohren baumelt<br />

ein silberner Ohrring in Form eines Pentagramms.<br />

Auffällig an Reinhold ist auch seine<br />

Verhaltensweise gegenüber Frauen, die er<br />

noch abschätziger behandelt und meist geflissentlich<br />

übersieht (er leidet unter der Disorder<br />

Animosity)...<br />

Stets auf seiner Schulter ist sein getreuer<br />

Homunkulus Marat, der ihm bei allen passenden<br />

und unpassenden Gelegenheiten etwas<br />

ins Ohr zu flüstern scheint.<br />

Reinhold Reggenhard umgibt eine Aura<br />

der Selbstsicherheit und Macht und er ist<br />

arrogant und herablassend, dass allein seine<br />

Gestik schon als Beleidigung aufgefasst werden<br />

kann, auch ohne dass nur ein Wort von<br />

seiner Seite gefallen wäre.<br />

Dieser Zauberkundige ist sich seines Status<br />

bewusst und wird sich nur auf etwaige<br />

Geschäfte oder Handel einlassen, wenn er<br />

gleichwertig dafür entlohnt wird.<br />

Interesse bekundet er nur an magischem<br />

Wissen aller Art und einzig und allein andere<br />

Zauberer können ab und zu seine Arroganz<br />

etwas mildern, vor allem, wenn sie wirklich<br />

einnehmende und für ihn interessante Persönlichkeiten<br />

sind.<br />

Für alle anderen, zum Beispiel Bittsteller<br />

aus dem Dorf, hat er nur sein gefürchtetes<br />

Heben der Augenbrauen und mitleidiges Lächeln<br />

übrig...<br />

Reinhold Reggenhard ist ein mächtiger<br />

Dämonenbeschwörer, der hier, fernab von<br />

jeglicher Zivilisation und irgendwelchen störenden<br />

Hexenjägern, seinem Gewerbe nachgehen<br />

und sein Wissen vergrößern kann.<br />

Sein Schüler Norbert dient dabei vor allem<br />

dazu, ihm neue Informationen und Bücher<br />

der Beschwörungskunst zu beschaffen, koste<br />

es, was es wolle; aber Reinhold Reggenhard<br />

entlohnt den Lehrling dafür durchaus<br />

auch durch die Übermittlung von magischem<br />

Wissen.<br />

Neben seiner Besessenheit im Bereich der<br />

Beschwörungen versucht sich Reinhold Reggenhard<br />

bereits seit einigen Jahren an dem<br />

schwierigen und fast in Vergessenheit geratenen<br />

Bereich der Erschaffung von magisch<br />

animierten Geschöpfen; sein erster Erfolg in<br />

diesem Bereich war der Homunkulus Marat,<br />

später kamen dann Rüstungen hinzu, die ihm<br />

nun ebenfalls als Wachen für seinen Turm<br />

dienen!<br />

Dieser Zauberer ist so wissendurstig, dass<br />

es fast schon ans Dämonische grenzt und er<br />

tut nichts ohne eine ihm passend erscheinende<br />

Gegenleistung.<br />

Obwohl er selbstsüchtig und skrupellos ist,<br />

besitzt er doch einen gewissen Ehrekodex,<br />

denn er weiß, dass es Personen gibt, auf die<br />

er in der Zukunft vielleicht wieder zurückgreifen<br />

muss! Ansonsten ist er bei der Durchführung<br />

seiner Pläne aber absolut gnadenlos...<br />

Er findet einen gleichwertigen Gesprächspartner<br />

im Dunkelelfen Calinar Mesmeris,<br />

der ihm bereits viele wirklich wissenswerte<br />

Dinge über das Leben und die Magie der Dunkelelfen<br />

erzählen konnte.<br />

Calinar ist vielleicht sogar die einzige Person,<br />

für die Reinhold Reggenhard einmal von<br />

seiner egoistischen Haltung ein wenig abkommen<br />

könnte.<br />

Der Zauberkundige ist über seine Umgebung<br />

bestens informiert, denn er überlässt<br />

nichts dem Zufall.<br />

So weiß er von dem Schrein Leshy’s und<br />

dem Schrein Vodyanoy’s, wobei er letzterem<br />

regelmäßige Besuche abstattet. Der bösartige<br />

Naturgeist amüsiert ihn mit seinem<br />

plump-bösartigen Charakter...<br />

Obendrein steht in seinem Studierzimmer<br />

ein riesiger magischer Spiegel (All-seeing<br />

Mirror), dessen kleineres Gegenstück der<br />

Lehrling Reggenhards stets bei sich trägt,<br />

so dass dem Dämonenbeschwörer wirklich<br />

möglich nichts entgeht!<br />

Natürlich ist er auch über die Mutanten im<br />

Wald informiert und beobachtet die Familie<br />

Ulanov aus der Ferne mit Interesse, weiß er<br />

doch, dass es nur eine Frage der Zeit sein<br />

wird, bis sie entdeckt werden.<br />

Der Magierturm beherbergt im Keller den<br />

Ritualraum des Dämonenbeschwörers, im<br />

Erdgeschoss lebt und arbeitet sein Lehrling.<br />

Der erste Stock beinhaltet die Bibliothek,<br />

wobei ausgesuchte Werke und der gesamte<br />

magische Wissensschatz sich im obersten<br />

Stockwerk befinden, dort hat Reinhold Reggenhard<br />

sein luxuriös eingerichtetes Zimmer,<br />

denn er hasst nichts mehr als Armut!<br />

Der Turm wird unter anderem auch von drei<br />

gebundenen Lesser Demons beschützt, die<br />

Reinhold schon vor langer Zeit beschworen<br />

hat.<br />

Sie sind normalerweise immer um ihn herum,<br />

aber durch einen speziellen Zauberspruch<br />

bleiben sie unsichtbar, es sei denn, ihr<br />

Meister wünscht ihr Eingreifen, in welchem<br />

Falle sie sofort sichtbar werden und mit dämonischem<br />

Gebrüll angreifen; allerdings ist<br />

dies wirklich so ziemlich die letzte Maßnahme,<br />

die der Zauberer ergreifen wird...<br />

Es fällt schwer zu glauben, dass ein Zauberkundiger<br />

von solcher Machtfülle wie<br />

Reinhold Reggenhard hier in selbstauferlegter<br />

Zurückgezogenheit lebt, aber er kann in<br />

diesem entlegenen Winkel der Welt in aller<br />

Ruhe Studien betreiben, Pläne schmieden<br />

Abenteuer<br />

Seite 47


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

Schnutenbach .. und darüber hinaus!<br />

Es gibt einige Orte in der Umgebung des Dörfchens Schnutenbach, die für die Abenteurer von Interesse sein dürften: Da gibt<br />

es zunächst mal den Magierturm des Zauberers Reinhold Reggenhard, der sich ca. eine Tagesreise zu Fuß in nordwestlicher<br />

Richtung erhebt und wo die Gruppe einen lukrativen Auftrag erhalten können (siehe das Abenteuer „Die Mission des Magiers“);<br />

desweiteren befindet sich im Osten am Fuße der nahen Ausläufer der World’s Edge Mountains eine kleine, fast schon<br />

verlassene Zwergensiedlung namens Karim-A-Kazzor bei der sich ein kurzer Besuch ebenfalls lohnen könnte (im Abenteuer<br />

„Die Expedition der Zwerge“).<br />

Rings um Schnutenbach herum – einige sogar in Sichtweite des Dorfes – liegen mehrere Gehöfte, die teilweise durch Palisadenzäune<br />

notdürftig gesichert sind; tief im nahen Wald hingegen und ganz und gar nicht sichtbar liegt eine Siedlung ausgestoßener<br />

Mutanten („Von Mäusen und Monstren“), die eigentlich nur ihre Ruhe wollen...<br />

Zwei Tage Fußmarsch bringen die Abenteurer in die kleinen Ortschaften Siechenthal und Torfloch, wo sie ein geheimnisvolles<br />

Verschwinden aufklären und gegen eine alptraumartige Kreatur kämpfen müssen (im Abenteuer „Im Moor des Verderbens“);<br />

hierbei kann die Abenteurergruppe übrigens auch die Herrin dieses Landstrichs kennen lernen, nämlich die Baronin<br />

Miriam-Veronika von Geissler, die sich aber in Schnutenbach fast nie blicken lässt.<br />

Weit schlimmer aber geht es zu bei den unglückseligen Bewohner des Dorfes Galgenweiler, das in einem Talkessel namens<br />

Finsterklamm einige Tagesreisen in südöstlicher Richtung liegt (siehe „Das Dorf der Verdammten“)!<br />

Haben die Abenteurer das Sumpfgebiet genannt „Der Pfuhl“ im Norden Schnutenbachs hinter sich gelassen, gelangen sie<br />

in eine verrufene Gegend, die den schicksalsschwangeren Namen „Knochenhügel“ trägt („In den Klauen der Echsen“), wo<br />

seltsame und gefährliche Geschöpfe ihr Unwesen treiben...<br />

Aber auch in Schnutenbach selbst kann man sich nur sehr bedingt sicher fühlen, wenn das Böse von außen in den kleinen<br />

Ort eindringt (im Abenteuer „Der Zirkus des Schreckens“). Erwähnenswert sind sicherlich auch noch die Goldgräbersiedlung<br />

Goldenhofen am Fuße von Karim- A-Kazzor und natürlich das von Goblins belagerte Palisadendorf Stammheim an der Grenze<br />

des Great Forest...<br />

Ganz in der Nähe der befestigten Holzfällersiedlung Stammheim wiederum liegt auf einem Bergausläufer namens Nebelgrat<br />

die verlassene und verfallene Burg Altenklam, auf der angeblich Geister umgehen („Spuk auf Burg Altenklamm“). Einen wirklich<br />

entsetzlichen Plan müssen die Abenteurer dann nahe dem versunkenen und fast schon vergessenen Dorf Lurchenweiher<br />

vereiteln („Der Klang des Untergangs“) Hilfe von unbeschreiblich widerwärtigen Substanzen ihrem sicheren Untergang<br />

geweiht!.<br />

und sein Wissen vervollkommnen, um dann<br />

vielleicht irgendwann Rache zu nehmen an<br />

jenen, die ihn verlacht und schlussendlich<br />

verfolgt haben,<br />

Wichtige Orte in<br />

der weiteren<br />

Umgebung Schnutenbachs<br />

39. Zigeunerlager<br />

Direkt vor dem Dorf Schnutenbach liegt ein<br />

Lager von bunt angemalten Pferdekarren, in<br />

dem auch zahlreiche Zelte aufgestellt sind.<br />

Lagerfeuer brennen dort Tag und Nacht<br />

und bisweilen ins Dorf. Dies ist das Lager der<br />

Zigeunersippe von Mikhail Orlov, die fast in<br />

jedem Jahr hier einmal für einige Wochen ihr<br />

Lager aufschlägt, ehe sie weiter in Richtung<br />

des Empire ziehen. Insgesamt besteht die<br />

Gruppe aus 24 Personen, inklusive Kinder.<br />

Ein Abstecher ins Zigeunerlager kann sehr<br />

aufregend sein, wenn auch die meisten Dorfbewohner<br />

dringend davon abraten werden.<br />

Das Gemecker von Ziegen, das Brüllen von<br />

Eseln und das Wiehern der wenigen Pferde<br />

schallt durch das ganze Lager, was die Zigeuner<br />

aber scheinbar in keinster Weise stört...<br />

Alle Besucher werden herzlich begrüßt, am<br />

Essen, Tanz und Gesang teilzunehmen und<br />

die Zigeunermädchen sind größtenteils von<br />

einer rassigen, wilden Schönheit, der Männer<br />

leicht zum Opfer fallen.<br />

So mag es auch nicht verwundern, wenn<br />

am nächsten Morgen der größte Teil der Barschaft<br />

eines willensschwachen Liebeskranken<br />

verschwunden ist und die Zigeuner ihre<br />

Unschuld beteuern. Sollte man länger auf<br />

diesem Thema herumreiten, werden sie wütend<br />

und fühlen sich in ihrer Ehre gekränkt,<br />

und dies kann unter Umständen gefährlich<br />

werden... Allerdings ist ein Abend im Zigeunerlager<br />

wirklich ein besonderes Erlebnis<br />

und die Gastfreundschaft ist in dieser Hinsicht<br />

durchaus ernst gemeint.<br />

Flackernde Flammen des Lagerfeuers,<br />

dazu die wilde, fremdländische Musik, eigenartig<br />

gewürzte Speisen und Wein sowie der<br />

Tanz der schönen Zigeunermädchen können<br />

durchaus eine reizvolle Abwechslung zum<br />

Dorfleben bieten! Der Anführer der Sippe,<br />

Mikhail, besucht bei seinem Abstecher hierher<br />

mindestens einmal Großmutter Herrbruck,<br />

um ihr seine Aufwartung zu machen.<br />

Ein gerngesehener Gast im Lager ist Roman<br />

Zorin, der bei den wilden Feiern meist zugegen<br />

ist...<br />

Vor einigen Jahren erhielt Mikhail Orlov ein<br />

Amulett von Adelheid Herrbruck geschenkt,<br />

mit dem sie nichts zu tun haben wollte, von<br />

dem sie aber wusste, dass es dem Zigeuner<br />

eventuell im Falle großer Gefahr das Leben<br />

retten könnte. Daher schenkte sie es ihm.<br />

Es handelt sich um ein Metallamulett voller<br />

seltsamer, zweideutiger Symbole, auf dessen<br />

Vorderseite aus Glas eine Frau mit Klauenhänden<br />

abngebildet ist. Wird dieses Glas<br />

zerbrochen, so erscheint eine Daemonette,<br />

die sofort alle Gegner des Amulett-Trägers<br />

attackiert und danach verschwindet. Hinterher<br />

ist das Amulett nutzlos...<br />

40. Mutantenansiedlung<br />

Mitten im Wald um Schnutenbach liegt gut<br />

versteckt ein kleines Lager von Mutanten.<br />

Es entstand vor ungefähr zwölf Jahren, also<br />

kurz nachdem der falsche Taal-Priester begonnen<br />

hatte, die Neugeborenen mit schädlichen<br />

Substanzen zu behandeln und schändliche<br />

Rituale zu Ehren seine Gottes Nurgle<br />

abzuhalten!<br />

Damals wurde das erste grauenhaft veränderte<br />

Kleinkind von seinen Eltern im Wald<br />

ausgesetzt.<br />

Eigentlich wäre es dort gestorben, aber<br />

eine umherziehende Mutantenhorde, die bis<br />

Seite 48<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht war, fand<br />

das Kind. Die Anführerin dieser kleinen Gruppe<br />

namens Margaret Mautner beschloss,<br />

dass die Zeit des sinnlosen Umherziehens ein<br />

Ende haben sollte, und begann, sich um das<br />

Kind zu kümmern...<br />

Die Mutanten errichteten in den Ruinen<br />

einer ehemaligen kleinen Garnison ein Lager,<br />

das bald schon durch die Ankunft neuer mutierter<br />

Kinder anwachsen sollte! Heute zählt<br />

die größtenteils friedliche Kolonie immerhin<br />

27 Mitglieder, wobei die meisten natürlich<br />

Kinder und Halbwüchsige sind.<br />

Margaret – oder „Mutter Margaret“, wie<br />

sie von allen ihren „Kindern“ genannt wird –<br />

kümmert sich nach wie vor voller Mutterstolz<br />

um den Nachwuchs der Dörfler und ihre getreuen<br />

Gefolgsleute ziehen aus, um Nahrung<br />

in Form von Wild oder heimlich gestohlenem<br />

Getreide, Obst oder Gemüse herbeizuschaffen.<br />

Erst in letzter Zeit kam ein Mitglied der<br />

Mutantensippe – ein ehemaliger Gärtner –<br />

auf die Idee, in der Umgebung der Ruinen<br />

selbst anzupflanzen und in spätetestens einem<br />

Jahr ist die Gruppe wahrscheinlich völlig<br />

selbständig und nicht mehr auf kleine und<br />

gefährliche Raubzüge angewiesen... Im Laufe<br />

der Jahre wurden die einstmals so scheuen<br />

und vorsichtigen Mutanten ein wenig<br />

sorglos, denn sie befürchten hier am Rande<br />

der zivilisierten Welt keine Entdeckung mehr.<br />

Zu lange leben sie nun schon unbehelligt... Es<br />

gibt aber auch einige unter ihnen, die ihre<br />

Zuneigung zum Chaos, das sie so veränderte,<br />

nicht mehr länger geheimhalten möchten<br />

und sich immer stärker gegen ihre Anführerin<br />

auflehnen!<br />

Diese Mutanten sind gefährlich und warten<br />

nur auf ihre Chance, mordend und brandschatzend<br />

loszuziehen.<br />

41. Der Schrein Leshy’s<br />

Eine gute Wegstrecke von ca. einer Stunde<br />

von Schnutenbach entfernt, liegt im Wald<br />

auf einer kleinen Lichtung der Schrein des<br />

Naturgeistes Leshy, der vor allem in Kislev<br />

angebetet wird.<br />

Der Schrein sieht auf den ersten Blick aus<br />

wie ein vom Blitz gespaltener Baum, aus dessen<br />

beiden so entstandenen Wipfeln Blätter<br />

spießen. Bei genauerer Betrachtung sind allerdings<br />

zwei Dinge zu bemerken:<br />

Der Baumstamm sieht aus wie ein verzerrtes<br />

Abbild eines Lebewesens und auf<br />

der Rinde finden sich seltsame Symbole, die<br />

aber fester Bestandteil des Baumes zu sein<br />

scheinen, also offenbar nicht eingeschnitzt<br />

worden sind!<br />

Ein kleiner Teich findet sich ebenfalls auf<br />

dieser Lichtung.<br />

Es ist aber fast unmöglich, den Naturgeist<br />

Leshy dazu zu bringen, hier zu erscheinen.<br />

Die einzigen, die dazu im Dorf in der Lage<br />

sind und das nötige Wissen hierzu besitzen,<br />

sind Großmutter Herrbruck und Roman Zorin,<br />

beide werden dies aber nur im äußersten<br />

Notfall tun. Sie wissen, dass Leshy zwar ein<br />

humorvoller, aber ebenso leicht erzürnter<br />

Geist ist, der nur aus guten Gründen gerufen<br />

werden will.<br />

Nun mag man zwar annehmen, dass ihm<br />

das Wohl des Waldes am Herzen liegt, aber<br />

sofern nicht irgendwelche riesigen Horden<br />

von Bösewichtern gewaltige Flächen von<br />

Wald roden sollten, wird er es kaum bemerken,<br />

wenn sich solche Wesen in seinem Gebiet<br />

herumtreiben.<br />

Leshy ist von gewaltiger Größe und sieht<br />

aus wie ein gewaltiger Mensch, der einen ungepflegten,<br />

langen Bart trägt, dem zwei Hörner<br />

aus der Stirne wachsen und dessen Haut<br />

wie Rinde wirkt.<br />

Er besitzt ein großes magisches Potential<br />

und kann zahlreiche Elementalist-, Druidicund<br />

Illusionist-Sprüche anwenden. Seine<br />

Ankunft wird immer angekündigt von einem<br />

gewaltigen Tier, nämlich „Vater Bär“, der in<br />

jedem Fall die Sprache jener Person spricht,<br />

die ihn gerufen hat.<br />

Der Naturgeist Leshy hat nur eine große<br />

Schwäche: Er wettet für sein Leben gern!<br />

Allerdings geht er meist nur auf Wetten ein,<br />

bei denen er eine große Chance hat, sie zu<br />

gewinnen...<br />

Dies ist aber immerhin eine Möglichkeit,<br />

ihn zur Hilfe zu bewegen.<br />

42. Der Schrein<br />

Vodyanoy’s<br />

Dieser steinerne Schrein, der im Dunkeln in<br />

einem kränklichen grünen Licht schimmert,<br />

steht einsam und verlassen inmitten eines<br />

ausgedehnten Sumpfgebietes.<br />

Diese Sümpfe sind etwa eine halbe Tagesreise<br />

von Schnutenbach entfernt, wenn<br />

jemand aus dem Ort sich direkt in Richtung<br />

Kislev wendet.<br />

Dort strömen einige kleine Flüsse und unzählige<br />

Bäche zusammen und machen den<br />

Untergrund erst schlammig und feucht, dann<br />

zu einem äußerst gefährlichen Sumpf!<br />

Auf dem Schrein wachsen Moose, Farne<br />

und Pilzkulturen, die aber allesamt irgendwie<br />

unnatürlich – oder besser, sehr ungewöhnlich<br />

– wirken.<br />

Vodyanoy selbst sieht im Prinzip aus wie<br />

eine annähernd menschenähnliche, gewaltige<br />

Kröte!<br />

Diese Kreatur erscheint immer aus der Tiefe<br />

eines Tümpels und wirkt durch ihre sanfte,<br />

einschmeichelnde Stimme irgendwie vertrauenserweckend,<br />

was allerdings nur einer<br />

der unzähligen tödlichen Tricks dieses bösartigen<br />

Naturgeistes ist.<br />

Ein Handel mit ihm wirkt sich meist extrem<br />

negativ für die Person aus, die sich auf das<br />

Wort Vodyanoy’s verläßt, oft treibt ihre aufgedunsene<br />

Wasserleiche dann ewig in einem<br />

Tümpel umher, bis irgendein Aasfresser sich<br />

ihrer erbarmt...<br />

Dieser Naturgeist beherrscht einige Battle<br />

Magic-, Elemental- und Illusionist-Zauber und<br />

besitzt obendrein eine besondere Fähigkeit:<br />

Der Vodyanoy kann eine Person dermaßen<br />

einlullen, dass ihr eine WP-Probe gelingen<br />

muss, oder sie vertraut seine Aktionen und<br />

Worten, bis sie vom Gegenteil überzeugt<br />

wird (und dies ist meist nur sehr schwer zu<br />

erreichen).<br />

Von den Bewohnern Schnutenbachs wissen<br />

nur Großmutter Herrbruck und Calinar<br />

Mesmeris um die Möglichkeit, diesen Naturgeist<br />

zu beschwören, und beide werden<br />

davon abraten; allerdings besteht bei einem<br />

Besuch an seinem Schrein pro anwesender<br />

Person immerhin eine 5%-Chance, dass Vodyanoy<br />

neugierig wird und einfach so vorbeischaut...<br />

Allerdings bietet dieses Sumpfgebiet, das<br />

von allen Dorfbewohnern gemieden und nur<br />

als „der Pfuhl“ bezeichnet wird, auch noch<br />

einige andere unangenehme Überraschungen<br />

für allzu neugierige oder wagemutige<br />

Reisende.<br />

Denn an diesem entlegenen Fleckchen Erde<br />

ist der ideale Platz für lichtscheues Gesindel<br />

und Chaosgezücht, so wie etwa eine Gruppe<br />

aus dem Volk der Fimir, die dieses Sumpfgebiet<br />

zu ihrem Gebiet erkoren haben.<br />

Da ohnehin meist ein dunstiger Nebel über<br />

der gesamten Gegend liegt, kommt dies ihren<br />

Lebensgewohnheiten sehr entgegen.<br />

Das Lager der Fimir liegt auf einer größeren,<br />

leicht mit Büschen und Bäumen bewachsenen<br />

Insel im Sumpf. Dort steht eine alte,<br />

längst vergessene Ruine, die früher einmal<br />

eine kleine Grenzfestung der Menschen war<br />

und nun notdürftig von den Fimir wiederhergestellt<br />

wurde. Späher marschieren in Dreiergruppen<br />

bei Tag und Nacht um die Gegend<br />

dieser Insel durch den Sumpf und die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Entdeckung beträgt pro<br />

Tag, den sich eine Gruppe hier aufhält, 10% +<br />

jeweils 5% pro Mitglied der Gruppe.<br />

Die Patrouillen bestehen meist aus zwei<br />

Abenteuer<br />

Seite 49


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

Angehörigen der niedrigsten Fimir-Kaste,<br />

nämlich den Shearl, die von einem Fimir-Krieger,<br />

dem Fimm, angeführt werden. Sollte<br />

eine Patrouille längere Zeit überfällig sein, so<br />

werden Suchtrupps losgeschickt, die normalerweise<br />

fast nur aus Fimm und einigen Fimir-<br />

Magiern, den Dirach, bestehen werden.<br />

43. Karim-A-Kazzor<br />

Folgt man von Schnutenbach aus der Straße<br />

in Richtung der World’s Edge Mountains,<br />

so trifft man zwangsläufig nach ca. drei Tagesreisen<br />

in den ersten Ausläufern des Gebirges<br />

auf die Zwergensiedlung Karim-A-Kazzor,<br />

von wo tagsüber stets der Lärm geschäftigen<br />

Treibens zum Pfad herüberdringt!<br />

Nachts schimmern einige anheimelnde<br />

Lichter aus den Zwergenbauten, die natürlich<br />

alle aus dem Gestein herausgehämmert oder<br />

zumindest aus festen Steinquadern erbaut<br />

wurden, und zwergische Gesänge rühmen<br />

hallend die vergangenen, glorreichen Tage...<br />

In acht Gebäuden leben hier 14 Zwerge, der<br />

Großteil davon männlichen Geschlechts.<br />

Sie treiben zwar ab und zu Handel mit den<br />

Schnutenbachern, sind Fremden gegenüber<br />

aber misstrauisch bis zum Verfolgungswahn<br />

und werden erst vertrauensselig, wenn<br />

ihnen irgendwie bewiesen wird, dass ein<br />

bestimmer Fremder keine Gefahr für sie<br />

und ihre Mine darstellt. Immerhin achten<br />

auch sie das Gebot der Gastfreundschaft<br />

und Wanderer, die bei ihnen Rast<br />

machen, können in einem der nur halbfertigen<br />

Häuser zumindest eine Nacht<br />

bleiben! Viele der Zwerge, die hier früher<br />

einmal gelebt haben, sind mittlerweile<br />

abgewandert, denn die Mithril-Mine ist<br />

schon seit vielen Jahren nicht mehr so<br />

ergiebig, dass sich die Aufrechterhaltung<br />

einer größeren Ansiedlung wirklich lohnen<br />

würde. Leider sind auch viele Krieger<br />

weggezogen und daher sind die zurückgebliebenen<br />

Einwohner immer wieder<br />

anfällig gegen Angriffe aus dem Gebirge,<br />

wo bisweilen Orcs, Goblins und Skaven<br />

ihr Unwesen treiben... Auch dies hat dazu<br />

geführt, dass nur noch wenige Zwerge<br />

hier leben, diese jedoch harren entschlossen<br />

aus, denn für viele ist diese kleine<br />

Siedlung so etwas wie ein neues Zuhause<br />

geworden.<br />

Andere hoffen immer noch, dass sie<br />

wieder auf eine große Mithril-Ader stoßen,<br />

was von einigen besonders eifrigen Zwergen<br />

immer wieder prophezeit wird!<br />

Abends trifft man sich in der Kneipe „Zum<br />

Fass“, in der es bestes Zwergenbier zu trinken<br />

gibt, wenn auch die Speisekarte<br />

Seite 50<br />

sonst nicht sonderlich viele Genüsse hergibt.<br />

Der zwar nicht gewählte, aber von allen<br />

anerkannte Führer der Zwerge ist Khazim<br />

Durakin, ein uralter Zwerg mit schlohweißem<br />

Bart, den er kunstvoll zu zwei prächtigen<br />

Zöpfen geflochten trägt.<br />

44. Goldenhofen<br />

Diese kleine Ansiedlung am Fuße des Berges,<br />

in dem die Zwerge von Karim-A-Kazzor<br />

ihre Heimstatt haben, verdient den Namen<br />

„Dorf“ eigentlich nicht wirklich – es sei denn,<br />

man möchte eine Ansammlung windschiefer<br />

und heruntergekommener Holzhütten so bezeichnen...<br />

Und wenn ein Wanderer dann die<br />

Einwohner dieser Siedlung mit dem überaus<br />

unpassenden Namen Goldenhofen zum ersten<br />

Male sieht, kann er getrost behaupten,<br />

dass sie allesamt voll und ganz hierher passen,<br />

denn sie sind eine Bande verwahrloster<br />

Haderlumpen und sehen allesamt aus wie<br />

Halsabschneider und Totschläger – dummerweise<br />

ist dieser erste Eindruck gar nicht so<br />

falsch!<br />

Den ganzen Tag über kann man hier rund<br />

ein Dutzend zerlumpter und heruntergekommener<br />

Männer sehen, die in der Schnute verzweifelt<br />

nach Goldklumpen suchen!<br />

Viele von ihnen sind hierher gekommen mit<br />

der Hoffnung, dass es dort, wo Zwerge leben,<br />

ganz einfach auch viel Gold geben muss!<br />

Die Tatsache, dass die Minenarbeiter hier<br />

nach einem ganz anderen Edelmetall suchen,<br />

will den abgerissenen Gesellen Goldenhofens<br />

einfach nicht in den Kopf und tatsächlich<br />

wurden bereits einige winzige Goldbrocken<br />

gefunden, die bei der Mithril-Suche der Zwerge<br />

von der Schnute mitgeschwemmt worden<br />

sind...<br />

Immer wenn es wieder einmal vorkommt<br />

dass tatsächlich Gold gefunden wird, kommt<br />

es mit absoluter Sicherheit zu Schlägereien<br />

und bisweilen auch Mord und Totschlag unter<br />

den Bewohnern Goldenhofens.<br />

Fast alle die hier leben haben eine kriminelle<br />

Vergangenheit und haben sich hier<br />

lediglich zusammengefunden, um unterzutauchen<br />

oder einfach weil sie keine andere<br />

Bleibe haben; die windschiefen und krude<br />

zusammengezimmerten Hütten sind nun ihr<br />

neues Zuhause geworden und alle paar Wochen<br />

machen sich einige von ihnen auf den<br />

Weg nach Schnutenbach, um dort bei Kunibert<br />

Thaler die kleinen Goldbrocken gegen<br />

Nahrungsmittel und Ausrüstungsteile einzutauschen.<br />

Die meisten der Goldsucher haben<br />

schon lange bemerkt, dass sie hier vergebens<br />

auf ihr Glück warten, doch wohin sonst sollten<br />

sie gehen..?<br />

Goldenhofen hat zwar keinen richtigen<br />

Dorfvorsteher, aber ein wilder Bursche namens<br />

Wolfram hat derzeit die Führung an<br />

sich gerissen und versucht, möglichst viel<br />

für sich dabei herauszuschlagen.<br />

Wer aufbegehrt wird von ihm schlicht<br />

und ergreifend verprügelt, bis wieder<br />

Ruhe eingekehrt ist – so hat Goldenhofen<br />

zwar eine gewisse Ordnung erhalten,<br />

aber natürlich lässt sich Wolfram für seine<br />

„Arbeit“ bezahlen und es gibt hier im<br />

Moment niemanden, der ihm gewachsen<br />

wäre...<br />

45. Stammheim<br />

Bei dem Dorf mit dem treffenden Namen<br />

Stammheim handelt es sich um eine<br />

kleine Siedlung direkt an der Grenze der<br />

östlichsten Ausläufer des Great Forest.<br />

Obwohl eine große Schneise in den<br />

Wald geschlagen worden ist und um das<br />

Dorf überall lediglich noch Baumstümpfe<br />

umherstehen, wirkt der düstere Wald immer<br />

noch überaus bedrohlich und scheint<br />

sich finster wieder näher an die Ansiedlung<br />

heranzudrängen!<br />

Man erreicht die Holzfällersiedlung über einen<br />

breiten, schlecht befestigten Pfad wenn<br />

man in Richtung Talabheim – der nächsten<br />

größeren Stadt – reist; zu Fuß sind dies annähernd<br />

vier Tagesreisen und man tut gut<br />

daran, nicht ohne bewaffnete Begleitung<br />

zu marschieren, denn der Pfad führt fast die<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

ganze Zeit über durch bewaldetes Gebiet,<br />

das regelrecht versucht ist mit Grünhäuten<br />

und weit schlimmerem Geschmeiß..<br />

Stammheim selbst ist weitaus besser befestigt<br />

als Schnutenbach und es liegt direkt<br />

an einem Ausläufer der Schnute, der wiederum<br />

in den Talabec mündet.<br />

Der Fluss wurde aufgestaut und bildet<br />

einen mit Wasser gefüllten Verteidigungsgraben<br />

um das Dorf, das zudem auf einem<br />

künstlich aufgehäuften Erdhügel liegt und<br />

mit oben zugespitzten Holzpalisaden umgeben<br />

ist.<br />

Im unteren, tieferen Teil und weit größeren<br />

Teil der Siedlung befinden sich die weit meisten<br />

Gebäude und nur eine einzige hölzerne<br />

Zugbrücke führt dort hinein, die zudem Tag<br />

und Nacht von einigen Männern der Miliz bewacht<br />

wird: Hier findet sich unter anderem<br />

der Ulric-Schrein, die Stallungen, der Brunnen,<br />

die Werkstätten der wenigen Handwerker<br />

und Wohnhäuser der Baumfäller.<br />

Ein deutlich höherer Erdhügel, zudem man<br />

wiederum nur über eine steil ansteigende<br />

Holzbrücke hinauf kommt, beherbergt den<br />

Wehrturm, zu dem sich die Bewohner Stammheims<br />

in Zeiten der Not flüchten können und<br />

der wesentlich besser verteidigt werden<br />

kann. Der ebenfalls aus Holz erbaute wuchtige<br />

Turm steht solide auf dicken Holzpfählen<br />

und ist ebenfalls von einem hohen Palisadenzaun<br />

– in diesem Falle sogar mit eigenem<br />

Wehrgang – umgeben. In diesem Wehrturm<br />

lebt in friedlichen Zeiten der jeweilige Dorfvorsteher,<br />

zur Zeit ein ehemaliger Soldat namens<br />

Ottokar Schwindlicht; er hat sich seine<br />

Kammer im oberen Teil des zweistöckigen<br />

Gebäudes eingerichtet, die untere Halle bietet<br />

mehr als genug Platz für sämtliche Dorfbewohner<br />

und besitzt auch eine Kammer, in<br />

der Vorräte für Notzeiten gesammelt werden...<br />

Die Siedlung Stammheim trägt ihren<br />

Namen deshalb, weil hier fast alle Bewohner<br />

von der Holzfällerei leben: Im östlichen Teil<br />

des Great Forest gibt es angeblich besonders<br />

gutes und widerstandsfähiges Holz, das von<br />

den Arbeitern geschlagen und dann mit der<br />

Hilfe von Seilen zu riesigen Holzbündeln gebunden<br />

wird; diese wiederum werden dann<br />

mit Hilfe des Talabec nach Talabheim verbracht,<br />

wo die ortsansässigen Holzverarbeiter<br />

einen relativ guten Preis dafür bezahlen<br />

(von dem natürlich nur ein winziger Bruchteil<br />

bei den schwer schuftenden Männern<br />

in Stammheim ankommt). Allerdings gibt es<br />

seit einiger Zeit erhebliche Probleme mit den<br />

im nahen Wald hausenden Goblins!<br />

Eine beharrliche Grünhaut-Sippe namens<br />

„Grimmzähne“ hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

die menschliche Ansiedlung in ihrem<br />

Gebiet dem Erdboden gleich zu machen (es<br />

dauerte übrigens Jahre, bis die ziemlich dämlichen<br />

Goblins überhaupt bemerkten, dass<br />

sie überhaupt da war)...<br />

Normalerweise sind die kleinwüchsigen<br />

Gesellen für das Dorf selbst eher lästig als<br />

gefährlich, da es ihnen an der Ausrüstung<br />

und Ausdauer fehlt, sie einzunehmen oder<br />

effektiv zu belagern, allerdings lauern sie den<br />

Holzfällertrupps auf, wenn diese im Wald unterwegs<br />

sind und es gab nun doch schon einige<br />

Todesfälle und viele Verletzte unter den<br />

Dorfbewohnern.<br />

In den letzten Wochen und Monaten wurden<br />

die Befestigungsanlagen verstärkt, da<br />

es den Golbin-Wolfreitern tatsächlich einmal<br />

gelungen war, durch das offene Tor einzudringen<br />

und es lange genug zu halten, bis<br />

ihre Gefährten aus dem Wald ebenfalls eindringen<br />

konnten!<br />

Es folgte ein langer und blutiger Kampf,<br />

der vor allem dadurch entschieden werden<br />

konnte, dass der ortsansässige Alchimist<br />

Jerome LaFontaine eingriff und mit<br />

Hilfe seiner Zauberei und diverser Tricks<br />

die Goblins in die Flucht schlug; zwar hatten<br />

die Grünhäute nur den unteren Teil<br />

des Dorfes erobern können, doch wer<br />

vermochte schon zu sagen, ob auch die<br />

höher gelegene Wehranlage ihnen zum<br />

Opfer gefallen wäre?<br />

Seither lebt die Bevölkerung Stammheims<br />

sozusagen in ständiger Angst davor,<br />

dass so etwas noch einmal passiert<br />

und die Holzfällertruppe verlässt den Ort<br />

nur noch in Begleitung von mindestens<br />

einem Jäger und einem Kämpfer, um<br />

wenigstens ein klein wenig geschützt zu<br />

sein...<br />

Besonders auffällig für jemanden,<br />

der zum ersten Male nach Stammheim<br />

kommt, ist übrigens die Tatsache, dass<br />

sich innerhalb der Holzpalisaden der<br />

Siedlung unglaublich viele Katzen aller Art<br />

tummeln.<br />

Vor einigen Jahren wütete hier eine ganz<br />

furchtbare Rattenplage und der damalige<br />

Dorfvorsteher hatte eines Tages die geniale<br />

Idee, von einem reisenden Händler ein Katzenpärchen<br />

zu kaufen, um der Nagetiere<br />

endlich Herr zu werden; dies klappte auch<br />

eigentlich ganz hervorragend, nur vermehrten<br />

sich auch die Katzen ziemlich schnell<br />

und stellen nun eine eigentlich weit größere<br />

Plage dar als die Ratten, die fast nirgendwo<br />

mehr zu finden sind! Man kann daher in<br />

Stammheim kaum einen Schritt vor den anderen<br />

setzen, ohne eine miauende, fauchende<br />

oder buckelnde Katze aufzuscheuchen...<br />

Das ganze Leben in Stammheim geht eigentlich<br />

im Normalfall seinen gewohnten, monotonen<br />

und für die Bewohner der Siedlung<br />

anstrengenden Gang: Frühmorgens beim<br />

ersten Hahnenschrei aufstehen, ein karges<br />

Frühtsück zu sich nehmen und hinaus auf die<br />

wenigen verbliebenen Felder oder aber in<br />

den Wald, um Holz zu schlagen. Dabei müssen<br />

die Menschen hier immer auf der Hut vor<br />

umherschleichenden Goblins sein...<br />

Im Ort selbst kann man gegen Abend solche<br />

Personen treffen wie den alten, ziemlich<br />

weisen (und jetzt arbeitslosen) Rattenfänger<br />

Frank Stadelheim, den aufgrund einer schlimmen<br />

Hautkrankheit noch übler als ohnehin<br />

üblich stinkenden Gerber Ludwig Lobwasser<br />

oder den fleißigen und immerzu am Ausbessern<br />

der Holzpalisade arbeitenden Schreiner<br />

Konrad Kistenmacher; aber natürlich gibt es<br />

auch so manche Frau in Stammheim, die hier<br />

entweder die Hausarbeit verrichtet, die Kinder<br />

hütet oder aber mit nach draußen geht,<br />

um die Felder zu bestellen oder Holz zu schlagen:<br />

Die junge und überaus attraktive Witwe<br />

Marion Munzenburg, die stämmige und<br />

leicht mit einem Mann zu verwechselnde Luise<br />

Ropnack und die zierliche Näherin Kristiane<br />

Wuttke sind nur einige wenige Beispiele...<br />

Nach dem Leben in Schnutenbach dürfte<br />

übrigens so manchem Besucher in dieser<br />

winzigen und abgelegenen Ansiedlung irgendwann<br />

einmal auffallen, dass die Menschen<br />

hier wirklich keinerlei Anzeichen von<br />

irgendwelchen Mutationen aufweisen.<br />

a. Haus des Alchimisten<br />

Dieses relativ neue Gebäude besteht fast<br />

Abenteuer<br />

Seite 51


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

ausschließlich aus Stein und es wurde von<br />

den Einwohnern Stammheims mühevoll zu<br />

Ehren ihres „Retters“ Jerome LaFontaine<br />

errichtet.<br />

Es sticht aus den hier normal üblichen einfachen<br />

Holzbauwerken dadurch natürlich<br />

deutlich hervor und aus seinem Innern dringen<br />

meist auch seltsame und beunruhigende<br />

Geräusche, gewaltige Explosionen sind<br />

durchaus auch schon vorgekommen, die der<br />

Alchimist aber ohne bleibende Schäden überstanden<br />

hat!<br />

Aber auch der Bewohner dieses Gebäudes<br />

sieht völlig anders aus als die meisten Bewohner<br />

Stammheims, schließlich handelt es sich<br />

bei Jerome La- Fontaine um einen Gnom! Er<br />

war auf der Reise durch das Empire und seine<br />

Reisegesellschaft wurde überfallen, lediglich<br />

er konnte fliehen und sich im Wald verstecken,<br />

wo ihn aber bald schon einige Goblins<br />

aufspürten und verfolgten; am Ende seiner<br />

Kräfte stieß er auf einen Holzfällertrupp, der<br />

die Grünhäute verjagen und ihn somit retten<br />

konnte.<br />

Seither lebt er in Stammheim; einerseits,<br />

um sich für seine Lebensrettung zu bedanken,<br />

andererseits weil er Goblins hasst und<br />

nun versucht, sich an diesen zu rächen...<br />

Das Haus des Alchimisten ist nur einstöckig<br />

und beherbergt ein sehr spartanisch eingerichtetes<br />

Labor,<br />

da Jerome die<br />

meisten hierfür<br />

nötigen Gegenstände<br />

an diesem<br />

entlegenen Ort<br />

nicht bekommen<br />

kann und daher<br />

gezwungen war<br />

zu improvisieren;<br />

er selbst pflegt<br />

einen äußerst<br />

s p a r t a n i s c h e n<br />

L e b e n s w a n d e l<br />

und daher ist sein<br />

Bett nur durch einen<br />

Vorhang vom<br />

Rest des einzigen<br />

Raumes abgetrennt,<br />

in dem<br />

sich neben einem<br />

großen Tisch (auf<br />

dem sich das Laborzubehör<br />

befindet)<br />

nur noch<br />

ein Schreibpult<br />

sowie ein Schemel befindet. Der Gnom ist oft<br />

zu Gast bei den übrigen Einwohnern Stammheims<br />

und überall gern gesehen: Welche so<br />

kleine Ansiedlung kann schließlich von sich<br />

Seite 52<br />

behaupten, einen so ungewöhnlichen Bewohner<br />

zu haben?<br />

Jerome pflegt einen zwar unregelmäßigen,<br />

aber dafür umso freundschaftlichen Umgang<br />

mit der guten Großmutter Herrbruck<br />

aus Schnutenbach, die beiden können sich<br />

stundenlang über Kräuter und ihre jeweilige<br />

Anwendung unterhalten; obwohl die Chemie<br />

das Fachgebiet des Gnoms ist, hat er doch in<br />

einer stabilen Truhe einen relativ großen Vorrat<br />

an Tränken für Notfälle parat!<br />

Außerdem besitzt er einige Elixiere, Säuren<br />

und sogar Schwarzpulver, aus dem er Bomben<br />

zur Verteidigung Stammheims bastelt<br />

– kurz und gut, er führt ein wirklich großes<br />

Sortiment, bedenkt man seine Entfernung<br />

von der „zivilisierten“ Welt...<br />

b. Ulric-Schrein<br />

Hierbei handelt es sich um ein sehr kleines<br />

Bauwerk aus Holz neben dem sich ein ebenso<br />

kleiner Anbau befindet, in dem der junge<br />

Ulric-Priester Stammheims lebt.<br />

Obwohl der Schrein wirklich nicht sehr beeindruckend<br />

aussieht, so ist er doch sauber<br />

und ordentlich hergerichtet und ein wunderschön<br />

geschnitzter Wolfskopf prangt über<br />

dem immer offenen Eingang.<br />

Im Innern des Schreins befindet sich eine<br />

mannsgroße, ebenfalls geschnitzte Figur von<br />

Ulric, die allerdings<br />

etwas ungewöhnlich<br />

aussieht, denn<br />

auf den Schultern<br />

der Darstellung<br />

eines muskulösen<br />

Mannes thront ein<br />

Wolfskopf! In der<br />

Tat ist auch diese<br />

Statue meisterlich<br />

geschnitzt, und<br />

wenn man nicht<br />

deutlich sehen<br />

könnte, dass es sich<br />

um eine Holzfigur<br />

handelt, könnte<br />

man durchaus annehmen,<br />

der Gott<br />

selbst stehe hier<br />

vor einem...<br />

In den beiden hinteren<br />

Ecken des aus<br />

grob gezimmerten<br />

Holzstämmen gefertigten<br />

Gebäudes<br />

stehen in Nischen<br />

jeweils eine Figur von Taal, dem Bruder Ulrics,<br />

und Rhya, dessen Gemahlin; in einer großen<br />

und rußgeschwärzten Feuerschale in der<br />

Mitte des Schreins brennt bei Tag und Nacht<br />

ein loderndes Feuer, das niemals erlöschen<br />

darf. Dieses Feuer ist auch der Grund dafür,<br />

dass der einzige Raum in dem fensterlosen<br />

Holzgebäude noch dunkler ist als ohnehin<br />

schon, denn sämtliche Wände sind dadurch<br />

mit dicken Rußschichten geschwärzt...<br />

Sigismund Sauschläger heisst der Bursche,<br />

der in diesen entlegenen Winkel der Welt geschickt<br />

wurde um den Menschen dort „den<br />

Glauben an Ulric zurückzugeben“; Sigismund<br />

trat voller Enthusiasmus über eine solch<br />

wichtige Aufgabe seine Reise an und hat bis<br />

auf den heutigen Tag nichts von seiner gottgegebenen<br />

Zuversicht verloren. In Wahrheit<br />

wussten die Oberpriester in seinem früheren<br />

Tempel in Talabheim nur ganz einfach nicht,<br />

wohin mit dem allzu frömmlerischen jungen<br />

Mann, der obendrein so ganz und gar nicht<br />

in den dortigen Tempel zu passen schien:<br />

Denn Sigismund Sauschläger schielt und lispelt,<br />

was sich vor allem bei den vorgetragenen<br />

Gebeten als überaus störend bemerkbar<br />

machte, denn er konnte sowohl die Gebete<br />

nicht fehlerfrei ablesen noch sie einigermaßen<br />

verständlich aussprechen – also schob<br />

man einfach ihn in diese Wildnis ab, wo er<br />

vermutlich sogar noch zu irgend etwas nütze<br />

sein konnte!<br />

In Stammheim angekommen richtete der<br />

junge Priester sich sogleich häuslich ein und<br />

begann damit, sich nützlich zu machen; er<br />

hilft den Menschen sowohl in Glaubensfragen,<br />

leitet Rituale für Verstorbene, geht bei<br />

der Arbeit zur Hand und führt vor allem alle<br />

Neuankömmlinge durch die kleine Holzfällersiedlung.<br />

Dies führt des öfteren zu unfreiwillig<br />

komischen Szenen, denn Sigismund lispelt<br />

so stark, dass er nur die wenigsten Namen<br />

der Bewohner Stammheims richtig aussprechen<br />

kann...<br />

c. Stallungen<br />

Die Stallungen Stammheims sind zwei<br />

lanngezogene Bauwerke, in denen neben<br />

den Pferden in einer Dachkammer auch der<br />

Stallknecht Detlef Liebermeister, ber den in<br />

Stammheim kaum etwas bekannt ist.<br />

Die Pferde der Holzfällerfamilien sind in<br />

kleinen Holzabteilen untergebracht und es<br />

obliegt dem Stallknecht, sie nach der Arbeit<br />

zu striegeln, ihnen zu fressen zu geben und<br />

auch ansonsten in den Ställen nach dem<br />

Rechten zu sehen. Die hier untergebrachten<br />

Tiere sind außerordentlich wichtig für<br />

Stammheim, denn sie ziehen die mächtigen<br />

Holzstämme aus der Tiefe des Waldes zum<br />

Fluss, wo sie dann zusammengebunden und<br />

in Richtung Talabheim auf den Weg geschickt<br />

werden!<br />

Deshalb findet man hier auch keine ed-<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

len Reitpferde, sondern alte, erfahrene und<br />

grobschlächtige Tiere, die vor allem als Zugtiere<br />

dienen.<br />

Lediglich Ottokar Schwindlich – der derzeitige<br />

Dorfvorsteher und Ex-Soldat – besitzt<br />

ein altes Schlachtross, mit dem er früher<br />

viele Kämpfe bestritten hat und das hier<br />

eine besonders große Box hat; allerdings<br />

sind Ausritte selten geworden und Kämpfe<br />

zu Pferd in dieser bewaldeten Gegend noch<br />

weit seltener...<br />

Beide Gebäude besitzen einen Heuschober,<br />

der über eine Leiter von unten erreicht<br />

werden kann.<br />

Hier wird das Futter für die Tiere eingelagert<br />

und in einem der Stallgebäude wurde<br />

nachträglich mit nicht benötigen Holzbrettern<br />

ein kleiner Verschlag angebracht, in dem<br />

der Stallknecht Detlef Liebermeister lebt.<br />

Der junge und überaus attraktive Mann<br />

kam eines Tages hier in der kleinen Ortschaft<br />

an und bat um Obdach und eine Arbeit.<br />

Zwar war er eigentlich viel zu gut angezogen<br />

für ihresgleichen, aber die Bewohner<br />

Stammheims nahmen ihn bei sich auf und da<br />

er ihnen freundlich und umgänglich genug erschien,<br />

bekam er nach kurzer Zeit die Arbeit<br />

des Stallburschen zugeteilt, nachdem der<br />

vorherige vom Heuschober hinabgestürzt<br />

und sich das Genick gebrochen hatte!<br />

Seither lebt er in seinem winzigen Bretterverschlag,<br />

der lediglich Platz für eine kleine<br />

Truhe und die Schlafpritsche bietet, und ist<br />

mit jedem in Stammheim befreundet...<br />

Doch natürlich ist Detlef alles andere als<br />

ein guter Mensch: Er war für den tragischen<br />

Tod des letzten Stallknechts<br />

verantwortlich und suchte hier nur<br />

Unterschlupf vor einigen Hexenjägern,<br />

die ihm bereits dicht auf der Spur waren!<br />

Detlef Liebermeister ist ein Chaos-<br />

Kultist und ergebener Anhänger des<br />

Gottes Slaneesh, der einst sogar einen<br />

hohen Rang eines geheimen Ordens<br />

namens „Die Geliebten des Meisters“<br />

aus Nuln innehatte, ehe dieser entdeckt<br />

wurde und er Hals über Kopf<br />

fliehen musste. In diesem entlegenen<br />

Winkel der Welt hofft er nun darauf,<br />

seinen Häschern entkommen zu sein,<br />

aber natürlich hat er keine Absichten,<br />

die Verehrung seines Meisters hier aufzugeben,<br />

ganz im Gegenteil: Detlef hat<br />

mit seinen umfangreichen Kenntnissen<br />

in der Kunst der Liebe schon so manche<br />

Frau in Stammheim beglückt und später<br />

auch deren Männer (er ist in dieser<br />

Hinsicht nicht gerade wählerisch, denn<br />

Slaneesh kennt solche kleinlichen Unterscheidungen<br />

nicht)!<br />

Obwohl Detlef versucht, hier nicht weiter<br />

aufzufallen, haben ihn seine fleischlichen Gelüste<br />

voll und ganz im Griff und er kann sich<br />

schlicht und einfach nicht beherrschen...<br />

Allerdings wissen die Bewohner(innen)<br />

Stammheims nichts davon, da jede Person<br />

von sich glaubt, sie sei die einzige, die in der<br />

kleinen Kammer des Stallknechts in völlig<br />

neue Spielarten der Lust eingeführt worden<br />

ist.<br />

Dummerweise ist es nur eine Frage der<br />

Zeit, bis dieses gefährliche Spielchen<br />

Detlefs wieder einmal auffliegt und<br />

er daher erneut fliehen muss! Unter<br />

einem losen Holzbrett bei der kleinen<br />

Truhe in seiner Kammer finden sich<br />

neben seiner guten Kleidung aus den<br />

besseren Tagen in Nuln auch einige<br />

exquisite und wertvolle Schmuckstücke<br />

sowie ein magischer Dolch, der<br />

dem Chaosgott geweiht ist und einige<br />

weitere Dinge, die nahelegen könnten,<br />

was der Stallknecht Stammheims in<br />

Wahrheit für ein verdorbenes und korrumpiertes<br />

Geschöpf der Mächte des<br />

Chaos ist...<br />

d. Gemeinschaftsküche<br />

Dieses Haus steht etwas abseits der<br />

anderen Gebäude, um die Brandgefahr<br />

von vornherein möglichst gering<br />

zu halten.<br />

Hier ist Franz-Xaver Pfannstiehl fast<br />

den ganzen Tag über anzutreffen, den<br />

der vierschrötige Mann kocht mit Hilfe<br />

einiger der Frauen für die gesamte Siedlung.<br />

Während früher die Ehefrauen des Holzfäller<br />

für diese gekocht haben, wurde dies<br />

schon recht bald als zu große Zeitverschwendung<br />

abgetan, denn es gab genug andere<br />

Arbeiten, die diese den gesamten Tag über<br />

verrichten mussten: Neben der schwierigen<br />

und mittlerweile auch gefährlichen Feldarbeit<br />

(die jetzt nur noch in Sichtweite der<br />

Siedlung ausgeübt wird) wurde es in letzter<br />

Zeit immer wichtiger, dass einige der Frauen<br />

wegen ihrer verletzten Männer Wachdienste<br />

übernahmen oder aber sogar mit den Männern<br />

ausgezogen sind, um Bäume zu fällen!<br />

Dies ist zwar eine ungewöhnliche Maßnahme,<br />

aber wegen der vielen Goblinüberfälle<br />

sind ständig Verletzte oder Tote zu beklagen<br />

und daher stehen die Frauen in Stammheim<br />

sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes ihren<br />

Mann...<br />

Die Dörfler finden sich jeden Abend in einem<br />

langgezogenen Anbau neben dem Küchengebäude<br />

zusammen, um dort nach dem<br />

kurzen Tischgebet des jungen Priesters zu<br />

essen. Franz-Xaver ist ein guter Bekannter<br />

von Ottokar Schwindlicht und war früher mit<br />

ihm bei der Armee als Feldkoch unterwegs,<br />

dementsprechend einfach aber nahrhaft sind<br />

auch die Gerichte, die er den Dorfbewohnern<br />

jeden Abend auftischt.<br />

Allerdings hat sich noch niemals jemand bei<br />

ihm darüber beschwert, denn alle Bewohner<br />

Stammheims wissen, dass der Koch mit dem<br />

wenigen an Nahrungsmitteln auskommen<br />

muss, was vorhanden ist und wegen der<br />

ständigen Bedrohung durch Goblins ist auch<br />

Abenteuer<br />

Seite 53


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Schnutenbach<br />

die früher regelmäßige Versorgung mit Wild<br />

nicht mehr gesichert... Franz-Xaver Pfannstiehl<br />

räuchert in seiner spärlichen Freizeit<br />

auch das erhaltene Fleisch, um es haltbar zu<br />

machen für den Fall eines erneuten Angriffs<br />

der Grünhäute oder sogar einer Belagerung;<br />

obwohl er ziemlich grimmig aussieht und sich<br />

auch nur sehr selten rasiert ist er ein herzensguter<br />

Mensch und kann ein guter Freund<br />

sein, wenn man seinen derben Armeehumor<br />

zu schätzen weiß...<br />

Der Koch besitzt auch ein Fuhrwerk mit<br />

den Überresten seiner ehemaligen Armeeküche,<br />

das er ab und zu aus den Stallungen<br />

holt, wenn die Holzfäller länger im Wald unterwegs<br />

sind und daher das Essen zu ihnen<br />

gebarcht werden muss; in diesem Falle wird<br />

Franz-Xaver eigentlich fast immer von seinem<br />

ehemaligen Kameraden Ottokar Schwindlicht<br />

begleitet.<br />

e. Wehrturm<br />

Die höher gelegene Wehranlage ist erst<br />

auf Anraten des hier auch lebenden Ottokar<br />

Schwindlicht entstanden, als die Überfälle<br />

der Goblins nach und nach immer schlimmer<br />

wurden und ist auch als deutlich jüngeren<br />

Datums zu erkennen.<br />

Der aus mächtigen Holstämmen errichtete<br />

und wuchtige Turm ist mit seinen zwei Stockwerken<br />

leicht groß genug, um allen Bewohnern<br />

Stammheims im Falle einer erneuten<br />

Attacke Schutz zu bieten und daher befindet<br />

sich auch im Erdgeschoss nur ein großer<br />

Raum, der mit derzeit an die Wand geschobenen<br />

Schlafpritschen eingerichtet ist.<br />

Eine große Kammer beherbergt haltbar gemachte<br />

Nahrungsmittel und es gibt sogar ein<br />

abgedecktes Brunnenloch, so dass selbst die<br />

Wasserversorgung während eines Angriffs<br />

gesichert ist.<br />

Ottokar Schwindlicht hat seine ganze Erfahrung<br />

als ehemaliger Soldat des Empire in<br />

dieses Bauwerk eingebracht und obwohl es<br />

natürlich alles andere als perfekt ist, so kann<br />

er doch völlig zu Recht stolz darauf sein; außer<br />

durch Zauberei ist es überaus unwahrscheinlich,<br />

dass Goblins in der Lage sind, diese<br />

kleine Wehranlage einzunehmen.<br />

Im oberen und etwas kleineren Stockwerk<br />

befinden sich neben dem Wohnraum Ottokars<br />

auch noch eine Kammer mit Waffen, vor<br />

allem selbst gefertigten Bögen und Pfeilen,<br />

sowie einige separate Gemächer für Verletzte...<br />

Ottokar selbst hat in Stammheim ein sehr<br />

angenehmes Leben und genießt es auch in<br />

vollen Zügen.<br />

Nach seiner Schinderei bei der Armee ist<br />

Seite 54<br />

er hier sein eigener Herr und so ziemlich jede<br />

Person im Ort tut, was er sagt; dabei hat Ottokar<br />

aber meistens wirklich die Interessen<br />

Stammheims und seiner wenigen Einwohner<br />

im Sinn, denn falls es diese kleine Ansiedlung<br />

irgendwann einmal nicht mehr geben sollte,<br />

dann müsste er womöglich wieder auf die<br />

Wanderschaft gehen oder sich als Söldner<br />

verdingen – ein Leben, das er mittlerweile<br />

zutiefst verabscheut...<br />

Zur Zeit schläft oft die Witwe eines vor<br />

einigen Monaten verstorbenen Holzfällers<br />

namens Anneliese Zweig bei ihm, was bei<br />

den übrigen Bewohnern Stammheims nicht<br />

gerade sehr gerne gesehen wird. Ottokar<br />

hingegen gefällt dies und er überlegt sich<br />

nun schon seit einiger Zeit, ob er nicht den<br />

Ulric-Priester Sigismund Sauschläger fragen<br />

soll, ob eine Heirat denn möglich ist – der altgediente<br />

Soldat hofft darauf, endlich richtig<br />

sesshaft zu werden...<br />

f. Jägerhaus<br />

Durch die räumlich doch ziemlich beengte<br />

Lage Stammheims haben auch die ansässigen<br />

Jäger aus der Not eine Tugend gemacht<br />

und sind in diese kleine Blockhütte gezogen.<br />

Bei den Jägern handelt es sich um Hubert<br />

Auerswald und Markus Schafthauser, die<br />

dritte Pritsche in dem einzigen Raum des<br />

Hauses bleibt seit einiger Zeit unbelegt, da<br />

ihr Freund Ansgar erst vor kurzer Zeit einem<br />

Hinterhalt der Goblins zum Opfer fiel...<br />

Die Kammer ist einfach, aber zweckdienlich<br />

eingerichtet und grob verarbeitete Felle<br />

bedecken viele Wände<br />

und den Boden;<br />

es gibt eine verrußte<br />

Kochstelle an einer<br />

der Wände, die jedoch<br />

selten benutzt<br />

wird, da die beiden<br />

entweder im Wald<br />

unterwegs sind oder<br />

abends wie der Rest<br />

der Dorfgemeinschaft<br />

bei Franz-<br />

Xaver Pfannstiehl<br />

essen.<br />

Markus Schafthauser<br />

überlegt seit einiger<br />

Zeit, mit seiner<br />

drallen Freundin Gundula<br />

– der Tochter<br />

des Grobschmieds<br />

Stammheims – zusammenzuziehen,<br />

er weiß jedoch noch<br />

nicht, wie er dies seinem<br />

alten Freund Hubert<br />

beibringen soll.<br />

Hubert wird von schlimmen Selbstvorwürfen<br />

geplagt, seit Ansgar getötet worden ist,<br />

da er ihn bei dem Angriff im Stich gelassen<br />

hat, was jedoch niemand im Ort weiß...<br />

Die beiden Männer sind ausgezeichnete<br />

Schützen und bei den Goblins durchaus gefürchtet,<br />

denn es kommt immer wieder vor,<br />

dass die Jäger sich lautlos an einige der Grünhäute<br />

anpirschen und einen tödlichen Schuss<br />

anbringen können, nur um dann spurlos wieder<br />

zu verschwinden!<br />

g. Dorfschmiede<br />

Dieses einstöckige Gebäude liegt sehr weit<br />

abseits von den anderen Häusern Stammheims<br />

und seine Grundmauern sind sogar aus<br />

Gestein errichtet; außerdem besitzt es Dachpfannen<br />

statt Stroh und hebt sich damit wirklich<br />

deutlich von den anderen Häusern ab. In<br />

der kleinen Dorfschmiede arbeitet Karlfried<br />

Keifschnabel, den man noch am ehesten daran<br />

erkennen kann, dass er den lieben langen<br />

Tag vor sich hin murrt und leise flucht...<br />

Karlfried hat sich mit seiner Schmiede natürlich<br />

auf die Bewohner Stammheims eingestellt,<br />

daher sind Hufeisen und das Beschlagen<br />

der Pferde auch seine Haupttätigkeit,<br />

aber auch die Anfertigung von Metallreifen<br />

für Fässer, Pflugscharen, Nägel und Messersowie<br />

Sensenklingen werden von ihm und<br />

seinem jungen und stets verschnupften Lehrjungen<br />

Bernhard übernommen.<br />

In letzter Zeit musste sich der ziemlich dicke<br />

Schmied allerdings auch damit beschäftigen,<br />

wie er<br />

schnell gute<br />

Waffen und<br />

Pfeilspitzen<br />

h e r s t e l l e n<br />

kann, denn<br />

seit die Goblins<br />

ihre Attacken<br />

verstärkt<br />

haben<br />

b e n ö t i g e n<br />

die Einwohner<br />

Stammheims<br />

dringend<br />

neue<br />

Waffen und<br />

wenigstens<br />

improvisierte<br />

Rüstungen!<br />

D i e<br />

S c h m i e d e<br />

selbst wird<br />

des Nachts<br />

von einem<br />

Abenteuer


Schnutenbach<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Zum Autor<br />

Die vorliegende Dorfbeschreibung<br />

stammt aus der<br />

Feder von Karl - Heinz Zapf,<br />

der auch schon das Abenteuer<br />

„Museum des Wahnsinns“<br />

(<strong>Anduin</strong> #97) geschrieben<br />

hat. Er betreut ausserdem<br />

auch unsere Liverollenspielecke.<br />

Mehr Infos und weitere<br />

Abenteuer findet ihr unter<br />

www.spieleschmiede.info.<br />

wuchtigen, zweiflügligen Tor verschlossen,<br />

denn Karlfried mag es gar nicht gerne, wenn<br />

jemand in seinem Eigentum herumstöbert;<br />

der Schmiederaum beherbergt neben den<br />

kleineren Kohle- und Eisenkammern (übrigens<br />

muss die Kohle immer von Ortwin<br />

Schliemann aus Schnutenbach bezogen werden,<br />

da der hiesige Köhler vor kurzem von<br />

Goblins getötet worden ist) auch noch den<br />

eigentlichen Arbeitsraum mit der großen, in<br />

die ganz aus Stein bestehende Rückwand<br />

eingelassenen Esse mit einem stets daneben<br />

liegenden großen Blasebalg.<br />

An der Wand stehen einfache Holzregale<br />

mit Behältnissen für Zangen, Hämmer und<br />

andere Werkzeuge sowie bereits feriggestellte<br />

Gegenstände wie Hufeisen oder Nägel.<br />

Außerdem steht hier noch ein Schleifstein,<br />

der mächtige Amboss, ein runder Holzstamm<br />

zum Aufziehen der Fassreifen und natürlich<br />

ein Wasserbecken zum Ausglühen der<br />

Schmiedestücke...<br />

Tagsüber kann man den mürrischen und<br />

scheinbar stets mit sich und der Welt unzufriedenen<br />

Karlfried Keifschnabel in seiner<br />

Schmiede hämmern hören, während der<br />

schwitzende Bernhard den Blasebalg bedient<br />

oder andere einfache Tätigkeiten verrichtet.<br />

Der feiste Schmied mit seiner Halbglatze<br />

und den wenigen<br />

meist schnweißnassen, schwarzen Haaren<br />

und dem stets unrasierten, verkniffenen Gesicht<br />

macht auf Fremde einen wenig freundlichen<br />

Eindruck, aber wenigstens versteht er<br />

sein Handwerk.<br />

Karlfried wohnt mit seinem Eheweib Brigitte<br />

in einem der normalen Wohnhäuser, hier<br />

hat auch der Lehrjunge Bernhard seine kleine<br />

Dachkammer...<br />

46. Die Knochenhügel<br />

Diese unheimliche und in unzähligen Legenden<br />

und Liedern verewigte Gegend trägt<br />

ihren unheilvollen Namen völlig zu Recht:<br />

Reist man von Schnutenbach aus direkt in<br />

Richtung Kislev – also nach Norden und entlang<br />

den schroffen Ausläufern der World’s<br />

Edge Mountains – so kommt man nach dem<br />

„Pfuhl“ in dieses düstere und nebelverhangene<br />

Gebiet, das beherrscht wird von einer<br />

Vielzahl von Hügelgräbern aller Art!<br />

Die „Knochenhügel“, die unter anderem<br />

auch den Namen „Schwarze Hügel“ traurige<br />

Berühmtheit erlangt haben, waren vor<br />

langer Zeit die Zeugen unzähliger großer<br />

Schlachten und Scharmützel, so dass die bleichen<br />

Knochen vieler Kreaturen immer noch<br />

vereinzelt aus dem Erdreich ragen... Ziemlich<br />

genau im Zentrum dieser schauerlichen<br />

Gegend – in der nur verkrüppelte Bäume<br />

wachsen und die von normalen Tiere gemieden<br />

wird – befindet sich eine weite Ebene in<br />

der die mittlerweile von kriechendem und<br />

hier allgegenwärtigen Unkraut überwucherten<br />

Gebeine; von diesem Ort geht eine fast<br />

spürbare Bedrohung aus und die Geister der<br />

gefallenen Kämpfer finden keine Ruhe, sondern<br />

beginnen Nacht für Nacht ihre letzte<br />

Schlacht erneut und jeder Lebende, der in<br />

diesen grausigen Mahlstrom von durchsichtigen<br />

Gestalten, halbrealen Geräuschen und<br />

dem erschreckend echt wirkenden Kampfgeschehen<br />

gerät läuft Gefahr, Schaden an<br />

Leib und Geist zu nehmen (CL-Test oder 1W6<br />

Insanity Points)! Doch damit leider noch<br />

nicht genug: Die meisten der Hügelgräber in<br />

den „Schwarzen Hügeln“ sind zwar wahrscheinlich<br />

wirklich angefüllt mit wertvollen<br />

Grabbeigaben aus alter Zeit, dennoch sind<br />

sie erstaunlich unberührt und erwecken den<br />

Eindruck, als hätten sich niemals Grabräuber<br />

an ihnen zu schaffen gemacht.<br />

In Wahrheit aber haben es natürlich viele<br />

wagemutige Diebe und Halsabschneider<br />

versucht, hier durch einen glücklichen Fund<br />

reicht zu werden, doch keiner von ihnen<br />

überlebte allzu lange in diesem Gebiet und<br />

ihre verstreuten Knochen sind meistens vor<br />

den Gräbern zu finden, in die sie einbrechen<br />

wollten...<br />

Unzählige grausame Bestien machen das<br />

verrufene Hügelland unsicher, Dire Wolves<br />

heulen bei Nacht den Mond an und gewaltige<br />

Jabberwocks streifen bei Tage hungrig umher<br />

– das größte Übel der „Knochenhügel“<br />

sind aber ohne jeden Zweifel die Horden von<br />

Untoten, die nicht in ihren Gräbern bleiben<br />

wollen und jedes Lebewesen erbarmungslos<br />

angreifen!<br />

Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die<br />

hier hausenden Untoten erstaunlich stark<br />

und widerstandsfähig sind und daher eine<br />

große Gefahr selbst für die erfahrensten<br />

Kämpfer von ihnen ausgeht.<br />

Prinzipiell sind hier alle abscheulichen Arten<br />

von Untoten anzutreffen: Von den widerwärtigen<br />

Zombies über gefräßige Ghouls<br />

bis hin zu machtvollen Vampires und nur<br />

ein unwissender Narr wird die Nacht in den<br />

„Knochenhügeln“verbringen...<br />

Es gibt zwei mehrere Machtfaktoren in<br />

diesem ausgedehnten Gebiet, das im Osten<br />

durch die World’s Edge Mountains, im Westen<br />

durch den Great Forest, im Süden durch<br />

den „Pfuhl“ und im Norden durch die nahe<br />

Grenze zu Kislev begrenzt wird: In den Bergen<br />

haust zum Beispiel der Dragon Grimmfang,<br />

der allerdings meistens schläft und<br />

dem die Anbetung einiger Lizardmen völlig<br />

ausreichend erscheint, im Zentrum des Hügellandes<br />

aber herrscht eine wirklich grausige<br />

Kreatur, die sogar Jagd auf die riesigen<br />

Jabberwocks macht und außer Grimmfang<br />

selbst wohl keine hier lebende Kreatur zu<br />

fürchten braucht! Hierbei handelt es sich<br />

um einen Undead Manticore, der durch den<br />

Einsatz unseliger Zauberei und dem Wirken<br />

der Chaoskräfte entstanden ist und diese Gegend<br />

schon seit langer Zeit unsicher macht!<br />

Zum Glück für die wenigen närrischen reisenden<br />

aber sind Begegnungen mit diesen<br />

beiden gefährlichen und todbringenden<br />

Kreaturen eher selten, weit häufiger haben<br />

sie es mit den hier überall umhertorkelnden<br />

Untoten zu tun, die weit stärker sind als gewöhnlich...<br />

Abenteuer<br />

Seite 55


ANDUIN <strong>98</strong><br />

NSC-Ecke<br />

NSC - Ecke<br />

Ein NSC für eure Kampagnen<br />

TEXT: LArs Hendrik Schilling<br />

ILLUSTRATION: Jennifer Lange<br />

GauSS, der Weise<br />

ohne Morgenland<br />

Genre: Moderne, Cyberpunk, Endzeit<br />

Name: Sein richtiger Name ist unbekannt<br />

und wird von ihm geheim gehalten. Ansprechen<br />

lässt er sich mit Gauß nach dem Mathematiker<br />

Carl Friedrich Gauß. Im Gespräch<br />

über ihn wird er häufig auch als das Orakel<br />

oder der Weise ohne Morgenland genannt.<br />

Alter: 36 Jahre<br />

Größe: 1,82 m<br />

Statur: schlank, hochgewachsen<br />

Haarfarbe: schwarz<br />

Augenfarbe: braun<br />

Beschreibung: Trotz der vielen Narben<br />

an seinem Leib, von der eine quer über sein<br />

kantiges Gesicht geht, hat Gauß eine sehr<br />

angenehme und vertrauenserweckende Ausstrahlung.<br />

Seine weiche Gesichtszüge und<br />

Seite 56<br />

die jederzeit ruhige und gefasste Haltung hat<br />

etwas sehr Beeindruckendes an sich.<br />

Sein Haar trägt Gauß sehr kurz. Die höchstens<br />

einen Zentimeter langen, tief schwarzen<br />

Stoppeln lassen seine hohe Stirn frei, wodurch<br />

seine Geheimratsecken offensichtlich<br />

sind.<br />

Der Weise ohne Morgenland bevorzugt<br />

einfache, robenartige Kleidung mit tiefen Taschen,<br />

die er sich selbst näht. Zusammengehalten<br />

werden diese Kleider durch eine Kordel<br />

ähnlich der einer Mönchstracht. Jedoch<br />

ist diese deutlich länger, so dass Gauß immer<br />

sechs Meter festes Seil bei sich hat.<br />

Niemand wusste, wer er war und woher er<br />

kam. Als Gauß in seinem momentanen Wohnort<br />

eine kleine Hütte bezog, die viele Jahre<br />

leer gestanden hatte, kannte ihn keiner.<br />

Doch der selbstlose Mann, dessen Wissen<br />

und Weisheit ihn zu einem guten Ratgeber<br />

und Helfer macht, wurde rasch weit bekannt<br />

und beliebt. Heute verlassen sich viele auf<br />

seinen Rat und seine Hilfe, was ihm den Beinamen<br />

das Orakel beschert hat.<br />

Neben seiner Weisheit und seiner Menschenkenntnis<br />

verfügt Gauß über enorme<br />

mathematische, wissenschaftliche und technische<br />

Kenntnisse. Deshalb könnte er sich<br />

einen sehr viel besseren Lebensstil erlauben,<br />

wenn er mit diesen Fähigkeiten sein Geld verdienen<br />

würde. Da er aber asketisch in einer<br />

kleinen Hütte wohnt, anstatt ein großer Herrenhaus<br />

mit weitem Garten zu bewohnen,<br />

wird er auch häufig als der Weise ohne Morgenland<br />

bezeichnet.<br />

Bekanntheitsgrad: Praktisch jeder kennt<br />

Gauß und hat das Orakel schon einmal um Rat<br />

gebeten. Viele Leute schulden ihm einen oder<br />

mehrere Gefallen oder stehen anderweitig in<br />

seiner Schuld. Obwohl er so bekannt ist, weiß<br />

offenbar wirklich niemand etwas über seine<br />

Vergangenheit. Der Weise ohne Morgenland<br />

ist somit ständig von einer Aura des Geheimnisses<br />

umgeben.<br />

Motivation: Gauß ist sehr altruistisch eingestellt<br />

und versucht immer, den Leuten zu<br />

helfen – vor allem, indem er sie berät. Dabei<br />

hält er wenig davon, den Menschen zu geben,<br />

was sie sich wünschen. Er versucht immer,<br />

ihnen zu geben, was sie brauchen.<br />

Wenn es in der Welt, in der man ihn einsetzt,<br />

logisch möglich ist, so ist Gauß erklärter<br />

Atheist. Zu seinen Grundsätzen gehört somit,<br />

dass die Menschen einander helfen müssen<br />

und für einander da sein müssen, denn da es<br />

keinen Gott gibt, wird es sonst niemand tun.<br />

Wenn Gauß jemandem hilft, so fordert er<br />

diesen Gefallen früher oder später wieder<br />

ein. Dadurch kann er auch oft helfen, indem<br />

er Bedürftige einfach an andere Leute weitervermittelt,<br />

die ihm noch etwas schuldig sind.<br />

Dem Weisen ohne Morgenland einen solchen<br />

eingeforderten Gefallen abzuschlagen,<br />

ist keine sonderlich gute Idee. Da sehr viele,<br />

teilweise auch sehr mächtige Leute das Urteil<br />

des Mannes schätzen, kann man sich plötzlich<br />

allein, ohne Kontakte oder gar verachtet<br />

sehen, wenn man Gauß’ Bitte ablehnt.<br />

Im Bezug auf seine eigene Lebensführung<br />

strebt Gauß eine gewisse Autarkie und Selbstversorgung<br />

an. Er lebt sehr asketisch, besitzt<br />

nur das Notwendigste und versucht immer,<br />

dieses auch selbst herzustellen. So näht er<br />

seine eigene Kleidung und gewinnt Trinkwasser<br />

durch das Auffangen von Regenwasser.<br />

Verhalten: Gauß ist jederzeit freundlich,<br />

sehr beherrscht und ruhig. Er handelt stets<br />

überlegt, was ihm dank seines überragenden<br />

Intellekts auch in Krisensituation sehr gut gelingt.<br />

Gauß ist praktisch bedürfnislos. Solange<br />

er weiterhin alles hat, was er zum Leben<br />

braucht, ist er glücklich. Dadurch ist er eine<br />

sehr ausgeglichene Person, deren Verhalten<br />

ständig ein starkes inneres Gleichgewicht erkennen<br />

lässt.<br />

Obwohl er eine sonderbare Form von Philanthrop<br />

ist, weiß Gauß die Einsamkeit ebenfalls<br />

zu schätzen. Nicht umsonst lebt er allein.<br />

Obwohl er viele, viele Bekannte hat und es<br />

jede Menge Leute gibt, die seinen Rat schätzen<br />

und ihm Gefallen schulden, hat Gauß keinerlei<br />

engere Kontakte. Von Freunden oder<br />

Geliebten des Weisen hat man bisher nichts<br />

gehört.<br />

Magie: Wenn es in der Welt, in der man ihn<br />

Mai 2009


NSC-Ecke<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

einsetzt, Magie geben sollte, so interessiert<br />

sich Gauß für sie, beherrscht sie jedoch nicht<br />

selbst. Aufgrund seines enormen Verständnisses<br />

von Wissenschaft und Technik kann er<br />

manchmal scheinbar magisch Dinge vollbringen<br />

– man denke an Clarkes drittes Gesetz:<br />

„Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie<br />

ist ununterscheidbar von Magie.“<br />

Gerüchte: „Gauß? Der kann euch sicher<br />

helfen. Der weiß fast alles.“ – „Wo er herkommt,<br />

weiß niemand. Nicht mal seinen richtigen<br />

Namen. Wenn ihr mich fragt, hat er mal<br />

was Schreckliches getan und sucht jetzt Vergebung.“<br />

– „Seht ihr die ganzen Narben am<br />

Leib des Orakels? Letztens hab ich gehört,<br />

die kommen von der Zeit, als mächtige Banden<br />

ihn verfolgten und seine ganze Familie<br />

ermordeten. Deshalb hält er jetzt auch seine<br />

Identität geheim.“<br />

Zitate: „In den unvorstellbaren Weiten<br />

des Universums haben die Menschen nur<br />

einander, sich zu helfen und zu unterstützen.“<br />

– „Es gibt so viel Schönheit in der Welt.<br />

Man muss nur wissen, wie man sie sichtbar<br />

macht.“ – „Die Frage ‚Wer bist du?’, die viele<br />

Philosophen immer und immer wieder stellen,<br />

scheint mir nicht annähernd so wichtig<br />

wie ‚Was bist du?’ Zu wissen, was es bedeutet<br />

Mensch zu sein und die Natur unserer<br />

Art zu kennen, ist vielleicht das nützlichste<br />

Wissen, das wir erringen können.“ – „Die<br />

Kreisfrequenz kann für die Beschreibung von<br />

Schwingungen verwendet werden, einfach<br />

weil jede harmonische Oszillation entlang<br />

einer Achse als Projektionseffekt der starren<br />

Rotation in der fünfdimensionalen Raumzeit<br />

aufgefasst werden kann. Durch Überlagerung<br />

verschiedener Bewegungen kann man<br />

natürlich jede Form von Schwingung als Rotation<br />

in n Dimensionen beschreiben.“<br />

Abenteuervorschläge: Gauß kann vor allem<br />

als unterstützender NSC genutzt werden, indem<br />

er den Charakteren bei einem Problem<br />

hilft. Wenn er dieses denn so einschätzt, dass<br />

die Spielercharaktere Hilfe brauchen bzw.<br />

verdienen. Da er so bedürfnislos ist, wird es<br />

da für die Charaktere besonders schwer, ihn<br />

zu Etwas zu bringen, was er nicht möchte. Sie<br />

haben kaum einen Ansatzpunkt. Höchstens<br />

Gewalt und Gauß hat viele, viele Freunde.<br />

Er kann dafür leicht den Aufhänger für zwei<br />

Abenteuer darstellen. Wenn man seine Hilfe<br />

benötigt, könnte er diesen Gefallen später<br />

zurückfordern.<br />

Abenteuer mit dem Weisen ohne Morgenland<br />

im Zentrum könnten sich um dessen rätselhafte<br />

Vergangenheit drehen.<br />

1 Zwei Anmerkungen des Autors: 1) Nein, das ich nicht erfunden,<br />

das stimmt wirklich. 2) Gauß redet nur dann so, wenn man<br />

sich mit im über ein solches wissenschaftliches Thema unterhält.<br />

Sonst spricht er gehobene Umgangssprache. Der Satz sollte vor<br />

allem verdeutlich, dass Gauß sich mit diesen Dingen wirklich gut<br />

auskennt<br />

Letzten Samstag<br />

Eine Cthulhoide Kurzgeschichte<br />

TEXT: Friederike Schmutzler<br />

Ich muss sie schon wieder angucken. Langsam<br />

werde ich nervös, wenn ich sie noch länger<br />

betrachte. Hat sie sich nicht eben verändert?<br />

Sie hat sich doch bewegt? Eben hatte<br />

dieses Gebilde doch noch eine andere Form,<br />

ganz sicher, eine glatte runde Kugel, eine Kugel,<br />

aber jetzt.. Da sind doch Arme und Beine,<br />

seltsam und viel zu viele davon..<br />

Und die Farbe.. die war doch vorher auch<br />

anders? Die war doch eben noch violett, ja<br />

natürlich, die war violett.. Nicht braunrot.<br />

Das sieht ja grotesk aus. Ich bin mir sicher,<br />

dass sie nicht diese Farbe hatte.. Nicht die<br />

Farbe von getrocknetem .. Blut?<br />

Jetzt erinnere ich mich wieder.<br />

An letzten Samstag.<br />

Wer hätte gedacht, dass ich mich eines Tages<br />

vor meiner Lavalampe fürchte?<br />

Wie immer waren wir zu viert: Christian,<br />

der den Ton angab, Benni, der Junior, der<br />

Christians Vorschläge unterstützte, Andreas,<br />

der ausser Fussball kein anderes Gesprächsthema<br />

hatte und ich, von dem Christian<br />

immer behauptete, er sei der Vernünftigste.<br />

Vielleicht stimmte das auch. An diesem<br />

Abend war ich es sicher nicht.<br />

Mai 2009<br />

Natürlich war es Christian, der die Idee hatte,<br />

raus zu gehen. Nach dem vierten Bier, der<br />

dritten Tüte Flips und der wievielten Runde<br />

Playstation war uns langweilig geworden,<br />

im Fernsehen lief nur Schrott, und auch die<br />

DVDs hatten wir alle durch. Also beschlossen<br />

wir, in die Stadt zu fahren. Irgendwo würden<br />

wir schon was finden, vielleicht gepflegt ein<br />

paar Cocktails schlürfen oder ein Besuch bei<br />

der Party von Tina, der heissen Blonden aus<br />

dem Psychologieseminar. Aber weder die<br />

Aussicht auf Sex on the Beach noch die auf<br />

Sex on the couch konnten uns wirklich locken.<br />

Es musste doch auch noch andere Sachen<br />

geben, die man unternehmen konnte.<br />

Andreas schlug grinsend vor, das wir doch<br />

alle in den örtlichen Puff gehen sollten, da<br />

wären wir schliesslich noch nie gewesen. Für<br />

einen Moment sahen wir ihn nur überrascht<br />

an, doch dann wurde auch diese Idee unter<br />

Gelächter verworfen.<br />

Während wir noch an der Haltestelle in<br />

der Stadt standen und über den weiteren<br />

Verlauf des Abends diskutierten, bemerkte<br />

ich, dass wir beobachtet wurden. An einer<br />

Strassenecke stand eine Gestalt im Halbdunkel<br />

und schien zu uns hinüber zu blicken. Ich<br />

machte Benni, der mir am nächsten stand,<br />

darauf aufmerksam, doch er zuckte nur mit<br />

den Schultern. „Ja und? Wird irgendein Penner<br />

sein,“ war seine Reaktion. Auch Andreas,<br />

der die Gestalt nun ebenfalls bemerkt hatte,<br />

schüttelte nur den Kopf, murmelte etwas<br />

von „Groupie“ und „geheime Verehrerin“<br />

und wandte sich dann wieder dem Gespräch<br />

zu. Mir war jedoch mulmig geworden, denn<br />

ich war mir sicher, dass es sich bei der Person<br />

an der Ecke weder um einen Obdachlosen<br />

noch um irgendein Mädchen handelte. Es<br />

war etwas anderes, etwas düsteres, doch ich<br />

war mir sicher, wenn ich den anderen sagte,<br />

das ich tatsächlich ANGST hatte vor einem<br />

Schatten im Dunklen, würden sie mich den<br />

Rest meines Lebens auslachen und als Pussy<br />

beschimpfen. So beschloss ich, die Schnauze<br />

zu halten und ging hinter den anderen her,<br />

die sich offensichtlich für einen Besuch in einer<br />

Oben-Ohne-Bar entschieden hatten, obwohl<br />

sie sich sicher waren, das sie weder die<br />

richtigen Klamotten trugen noch genügend<br />

Geld dafür hatten.<br />

Während ich neben Benni ging, der mir<br />

etwas von einem Splatterfilm erzählte, in<br />

dem zwei Kerle in einem versifften Keller<br />

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ANDUIN <strong>98</strong><br />

KURZGESCHICHTEN<br />

von einem Unsichtbaren gefangen gehalten<br />

werden, liess mich die Begegnung an<br />

der Haltestelle nicht los. Vielleicht hatte ich<br />

doch schon zuviel getrunken, oder irgendein<br />

Film hatte sich in meinem Unterbewusstsein<br />

festgesetzt. Plötzlich hörte ich ein Geräusch<br />

hinter mir, und erschrocken fuhr ich herum.<br />

Doch da war niemand; ausser dem protestierenden<br />

Benny, den ich angerempelt hatte,<br />

war nichts mehr zu hören.<br />

„Sucht ihr was?“<br />

Nicht hinter mir, sondern vor uns stand<br />

plötzlich eine Frau. Es war schwer, im Halbdunkel<br />

ihr Alter auszumachen, doch ich<br />

schätzte sie auf Anfang bis Mitte 20. Sie<br />

hatte lange schwarze Haare und ein blasses<br />

Gesicht, in dem ein paar nachtschwarze Augen<br />

belustigt funkelten. Ihr Mund wurde von<br />

einem leichten Lächeln umspielt, und als sie<br />

sprach, offenbarte sie Zähne, die so gleichmässig<br />

geformt und hell waren, das jedes<br />

Topmodel dafür gemordet hätte. Insgesamt<br />

wirkte ihr Gesicht so ebenmässig und schön,<br />

sie sah fast ein wenig maskenhaft aus. Ihrer<br />

Kleidung nach – schwarzer Hosenanzug und<br />

Bluse – war sie sicher Managerin oder Bankerin,<br />

obwohl hier in der Nähe keine grossen<br />

Firmen waren. „Na, ist das die von der Haltestelle?“<br />

wollte Andreas wissen und sah mich<br />

grinsend an. Ich zuckte nur mit den Achseln,<br />

denn wenn ich ehrlich sein sollte, so ganz<br />

sicher war ich mir nicht. Irgend etwas an ihr<br />

störte mich, vielleicht war ihr Lächeln zu perfekt,<br />

ihr Körper zu makellos.<br />

Oder vielleicht war es einfach die Tatsache,<br />

dass wir sie trotz ihrer hohen Hacken nicht<br />

hatten kommen hören.<br />

„Ich kenn einen coolen neuen Club, gleich<br />

hier in der Nähe.. habt ihr Bock, mit mir dahin<br />

zu gehen? Ihr seht so aus, als könntet ihr<br />

ein bißchen Action gebrauchen,“ meinte die<br />

Frau und fasste dabei schon nach Christians<br />

Hand. Der liess sich willig mitziehen – zu willig<br />

für meinen Geschmack – und die anderen<br />

folgten den beiden. Mir blieb ja nun nichts<br />

anderes übrig, also ging ich hinterher. Wohl<br />

war mir bei dem Gedanken, mit einer fremden<br />

Frau in irgendeinen obskuren „Club“ zu<br />

gehen, überhaupt nicht, aber was sollte uns<br />

schon gross passieren? Wir waren zu viert,<br />

und wir alle waren sportlich und nicht gerade<br />

klein. Vielleicht war die Gute irgend eine<br />

Marketingtussi, und sollte uns als Kunden<br />

für einen Club werben, wo wir zu überhöhten<br />

Preisen wässrige Cocktails und ein Monatsabo<br />

für was auch immer bekamen, oder,<br />

im schlimmsten Falle, gehörte sie zu einer<br />

Gangsterbande und um die nächste Ecke<br />

warteten ihre Kumpane, um uns unsere Geldbörsen<br />

abzunehmen.<br />

Meine Sorgen schienen jedoch zunächst<br />

unbegründet zu sein, denn es erwarteten<br />

uns keine Schläger, sondern nach ein paar<br />

Minuten Fussmarsch blieb unsere geheimnisvolle<br />

Führerin stehen und deutete auf ein etwas<br />

heruntergekommenes Haus, aus dessen<br />

Keller Musik und Geräusche zu uns herauf<br />

klangen. „Wir sind da! Willkommen im ‚Yellow<br />

King‘,“ verkündete sie lächelnd. Während<br />

ich noch feststellte, dass ich noch nie<br />

in diesem Viertel, geschweige denn in dieser<br />

Strasse, gewesen war, lief ich bereits hinter<br />

der Frau und meinen Freunden eine Treppe<br />

ins Souterrain hinab. Ein Türsteher erwartete<br />

uns, ein typischer Schrank mit Lederkleidung<br />

und Sonnenbrille, der uns nur abschätzig zu<br />

mustern schien und dann wortlos hinter unserer<br />

Gastgeberin hereinwinkte.<br />

Zunächst passierten wir einen Perlenvorhang,<br />

der bei jeder Bewegung leise Geräusche<br />

von sich gab. Schon hier schlug mir ein<br />

seltsamer süsslicher Geruch entgegen, der<br />

sich verstärkte, als ich den Vorhang als letzter<br />

beiseite geschoben hatte. Doch in dem<br />

merkwürdig schummrigen orange-gelben<br />

Licht, das von ein paar Strahlern an der Wand<br />

ausging, konnte ich nicht genau ausmachen,<br />

was diesen Duft verströmte. Waren es die<br />

seltsamen palmenähnlichen Pflanzen, die<br />

in hohen Blumenkübeln um die Säulen des<br />

Kellergewölbes arrangiert waren, und die<br />

so gar nicht nach den üblichen Dekoblumen<br />

aus dem Baumarkt aussahen, sondern.. lebendig?<br />

Die Blätter bewegten sich sogar,<br />

obwohl hier drin kein Luftzug ging. Neben<br />

einigen dieser eigentümlichen Palmen gab<br />

es Brunnen, die leise vor sich hin gurgelten.<br />

Im ersten Moment musste ich an ein chinesisches<br />

Restaurant denken, doch als ich dann<br />

an einem dieser Bassins vorbeiging, als unsere<br />

Gastgeberin uns an einen Tisch führte,<br />

bemerkte ich, dass die Flüssigkeit unmöglich<br />

Wasser sein konnte. Ihre Konsistenz war dafür<br />

viel zu dickflüssig, und die Farbe.. es war<br />

unmöglich, eine genaue Farbe festzustellen.<br />

Nur das beinahe aggressiv-giftige Leuchten<br />

der Strahler brach sich darin.<br />

Die Palmen und die Brunnen sowie die<br />

seltsamen Zeichen an den Wänden, die mir<br />

erst jetzt, als meine Augen sich an das Halbdunkel<br />

gewöhnt hatten, aufgefallen waren,<br />

erinnerten mich an eine Kneipe aus den 60er<br />

oder 70er Jahren. Ich wäre nicht überrascht<br />

gewesen, wenn jetzt Jimi Hendrix auf der<br />

Bühne erschienen wäre. Offensichtlich war<br />

aber diese LSD-Fantasie das Ziel des Innenarchitekten<br />

gewesen, denn als ich rechts<br />

und links neben einer Palme jeweils eine<br />

Lavalampe sah, in denen sich jeweils tieforangenes<br />

und gelbgrünes Wachs auf- und<br />

abbewegte, musste ich doch lächeln. Aber<br />

ich hatte nicht lange Zeit, die kleinen raketenförmigen<br />

Leuchten zu betrachten, denn<br />

die Frau winkte uns an einen grossen runden<br />

Tisch in einer Ecke. Im Halbkreis darum verlief<br />

eine schwarze Ledercouch, auf der wir<br />

fünf Platz nahmen. Während die geheimnisvolle<br />

Dame nach einer Bedienung Ausschau<br />

hielt, nutzte ich die Gelegenheit, mich weiter<br />

umzusehen. Neben der Eingangstür befand<br />

sich eine Bar, hinter der eine Gestalt – denn<br />

von unserem Platz konnte ich nicht sehen,<br />

ob es sich um einen Mann oder ein Frau handelte<br />

– Getränke ausschenkte. Auch die Gäste<br />

an der Theke waren schwer zu erkennen,<br />

ich glaubte, drei Personen zu zählen. Ausser<br />

uns befanden sich noch einige andere Leute<br />

im „Yellow King“, sie sassen ebenfalls in Nischen<br />

wie wir. Die meisten konnte ich nicht<br />

sehen, nur hören, als einige Gesprächsfetzen<br />

zu uns herüberwehten, aber an einem der Tische<br />

sah ich einen Arm, dessen Eigentümer<br />

sich offenbar zu räkeln schien. Eine Weile beobachtete<br />

ich die Hand, die sich drehte und<br />

winkte, doch dann musste ich blinzeln. Die<br />

Hand drehte sich einmal um sich selbst, als<br />

sei sie im Handgelenk losgeschraubt worden.<br />

So etwas war vollkommen unmöglich, selbst<br />

wenn man sehr gelenkig war. Vielleicht hatte<br />

mir das Licht einen Streich gespielt, aber als<br />

ich noch ein weiteres Mal hinsah, war neben<br />

der Hand noch etwas anderes zu sehen. Im<br />

Halbdunkel sah es aus wie ein grosser Fühler,<br />

doch als ich näher hinsah, fielen mir die Saugnäpfe<br />

an dem.. Ding auf.<br />

Es war ein Tentakel.<br />

„Hallo, wisst ihr schon, was ihr trinken<br />

wollt?“ Vollkommen unbemerkt war eine Kellnerin<br />

an unseren Tisch getreten. Sie lächelte<br />

freundlich und zückte recht professionell einen<br />

Block und einen Stift, aber irgend etwas<br />

mit ihr stimmte nicht. Ihre Bewegungen waren<br />

ruckartig, so als ob sie ihre Extremitäten<br />

nicht unter Kontrolle hätte, und ihre Klamotten<br />

wirkten so, als habe jemand ein Stylingmagazin<br />

gelesen und als Vorbild genommen,<br />

ohne recht zu wissen, welche Funktion die<br />

einzelnen Kleidungsstücke erfüllten. Die Ärmel<br />

waren zu kurz, der Ausschnitt schief, und<br />

die Hose bestand aus drei Teilen, es sah aus,<br />

als trüge sie eine Badehose mit angenähten<br />

Stoffröhren. Auch das Mädchen selbst wirkte<br />

seltsam, ihre Haut hatte einen seltsamen grünen<br />

Schimmer, und ich war mir sicher, dass<br />

das, was sich an ihren Ohren bewegte, kein<br />

Schmuck war.<br />

Die Kellnerin hatte Kiemen.<br />

Langsam wurde mir der ganze Laden unheimlich.<br />

In was für ein Etablissement hatte<br />

uns die seltsame Frau geführt? Was war das<br />

hier für eine Freakshow? Eigentlich war mir<br />

Seite 58<br />

Mai 2009


KURZGESCHICHTEN<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

das aber auch in diesem Moment egal, denn<br />

ich hatte plötzlich nur noch einen Gedanken:<br />

Weg hier! Ich wollte aufstehen, aber die Frau<br />

war schneller. Mit einem Satz – wie konnte<br />

sie das so schnell geschafft haben? – sprang<br />

sie auf der anderen Seite des Couchrondells<br />

auf und setzte sich neben mich. „Bleib doch,“<br />

meinte sie, während sie mir ihre Hand auf<br />

den Oberarm legte, und ihr Lächeln strahlte<br />

im Halbdunkel. Die seltsame Kellnerin war<br />

inzwischen verschwunden und mit einem Tablett<br />

zurückgekehrt, auf dem sie fünf Gläser<br />

mit einer bunten Flüssigkeit – es sah nach Tequila<br />

Sunrise aus – balancierte. „Trink etwas<br />

mit uns, das geht aufs Haus“. Die Fremde<br />

reichte mir eines der Getränke und nahm sich<br />

selbst auch eins, die fischige Kellnerin reichte<br />

derweil meinen Freunden ihre Cocktails.<br />

Ich war mir mit einem Mal unsicher, denn<br />

eigentlich wollte ich weg. Wollte ich wirklich?<br />

Als ich in die Augen der Frau blickte,<br />

unergründliche schwarze Tiefen, und dabei<br />

vorsichtig an meinem Getränk nippte, war<br />

ich mir gar nicht mehr so sicher. Solch ein<br />

wunderbares Geschöpf wie sie, sie konnte<br />

uns unter keinen Umständen etwas Böses<br />

wollen. Ausserdem schmeckte der Cocktail<br />

ganz wunderbar. Zwar überhaupt nicht wie<br />

Tequila Sunrise, ein wenig süss, ein wenig<br />

herb, aber so vollkommen, so.. perfekt. Wie<br />

alles hier – das Licht, die Deko, die Leute. Wie<br />

hatte ich nur auf die Idee kommen können,<br />

zu gehen?<br />

In diesem Moment begann auf einer kleinen<br />

Bühne direkt gegenüber von unserem<br />

Tisch eine Frau zu tanzen. Ihr Kostüm bestand<br />

aus einem ledernen hellbraunen Bikini-<br />

Oberteil und einem gleichfarbigen kurzen<br />

Röckchen, um den Hals, die Handgelenke<br />

und die Fussgelenke trug sie hölzerne Reifen<br />

in verschiedenen Maserungen, die leise im<br />

Takt klapperten. Ihre Gesichtszüge wirkten<br />

auf der einen Seite vertraut, aber gleichzeitig<br />

auch fremdartig. Die Musik, die sie begleitete,<br />

war ebenfalls absonderlich, eine Flöte war<br />

das Hauptinstrument, doch daneben waren<br />

Klänge zu hören, wie ich sie noch nie gehört<br />

hatte. Die Melodie war langsam und getragen,<br />

die Tänzerin bewegte sich lasziv zu dem<br />

Rhythmus ungesehener Trommeln. Jetzt<br />

mischte sich auch Chorgesang zu den Instrumenten,<br />

doch die Sprache, in der gesungen<br />

wurde, klang archaisch und grotesk, so als<br />

sei sie schon lange ausgestorben und nur für<br />

dieses eine Lied wiederbelebt worden.<br />

Ich war wie gelähmt von dieser wunderschönen<br />

Tänzerin, und es kam mir auch nicht<br />

komisch vor, als sie sich plötzlich vornüberbeugte<br />

und aus ihrem Rücken zwei schlangenartige<br />

Fühler hervorbrachen und sich anstelle<br />

der Tänzerin bewegten.<br />

Mai 2009<br />

Diese wirkte nun mehr wie eine leere Hülle,<br />

eine Marionette mit abgeschnittenen Fäden.<br />

Zu den Tentakeln gesellte sich plötzlich<br />

eine zweite Tänzerin. Sie war mit Sicherheit<br />

kein Mensch, denn aus ihrem Mund ragten<br />

Fangzähne, und anstelle von Fingernägeln<br />

besass sie lange dünne Krallen. Ein kleiner<br />

Teil meines Gehirns wusste, dass das hier<br />

alles längst nicht mehr normal war, Frauen<br />

mit Kiemen, und tentakelige Wesen auf der<br />

Bühne, aber irgendwie machte mir das alles<br />

nichts aus... die Musik war so angenehm, so<br />

beruhigend, und was auch immer die Kiemendame<br />

uns serviert hatte, es war so gut,<br />

dass ich unbedingt mehr davon wollte.<br />

Ein neues Glas von dem sonderbaren Getränk<br />

wurde mir gereicht, und ich trank es<br />

ohne zu überlegen, und kurz danach stand<br />

ein dritter Drink vor mir. Währenddessen<br />

vollführte die Frau mit den Krallen einen bizarren<br />

Tanz mit den Tentakeln, wie Schlangen<br />

ringelten sich ihre Enden liebkosend um<br />

ihren Hals. Plötzlich aber stieg die Tänzerin<br />

von der Bühne herunter und steuerte direkt<br />

auf unseren Tisch zu. Sie streckte einen ihrer<br />

schlanken Finger aus und deutete auf Benny,<br />

dabei lächelte sie, und als ich sie vom Nahen<br />

betrachtete, bemerkte ich, dass sie nicht nur<br />

Fangzähne besass, sondern dass ihr ganzes<br />

Gebiss das eines Raubtiers war. Mich schauderte<br />

kurz, mein Kumpel Benny jedoch stand<br />

auf, schob sich an uns vorbei und nahm die<br />

Hand der Frau. Ich bemerkte, dass sie unserer<br />

Gastgeberin zunickte, und diese lächelte<br />

nur wissend.<br />

Mir blieb jedoch nicht viel Zeit, darüber<br />

nachzudenken, denn die Tänzerin führte<br />

Benny jetzt auf die Bühne. Wie eine Zauberkünstlerin<br />

präsentierte sie ihn und liess ihn<br />

sich einmal um die eigene Achse drehen.<br />

Dann begann sie, seinen Pullover hochzuschieben<br />

und auszuziehen, kurz danach<br />

folgte sein T-Shirt, Benny liess das willenlos<br />

geschehen. Zu meinem Erstaunen verriet der<br />

Ausdruck in seinem Gesicht nur gleichgültiges<br />

Desinteresse. Achtlos warf sie die Kleidungsstücke<br />

zur Seite, und ich glaubte, ein<br />

kurzes Zischen aus ihrem Mund zu hören. Sie<br />

sprach jedoch kein Wort, sondern schaute<br />

immer nur kurz lächelnd in ihr Publikum, um<br />

sich zu vergewissern, dass alle Aufmerksamkeit<br />

ihr und dem halbnackten jungen Mann<br />

gehörte. Die hatte sie gewiss, denn wir alle<br />

waren gespannt, was nun folgen würde.<br />

Wie einen Fächer liess die seltsame Tänzerin<br />

ihre Finger an der linken Hand aufblitzen, mit<br />

der rechten Hand umfasste sie Bennys Schultern.<br />

Mit einem leisen Kichern streckte sie<br />

den linken Zeigefinger aus und zog die Kralle<br />

einmal diagonal über den Oberkörper meines<br />

Freundes. Für einen Moment war es still im<br />

Raum, selbst von Benny war kein Geräusch<br />

zu hören. Dann aber wurde er des Blutes gewahr,<br />

das aus dem Schnitt quoll, und auch<br />

auf seinen Lippen waren rote Tropfen zu<br />

sehen, als er sich zuckend verkrampfte und<br />

auf die Knie zu fallen drohte. Seine Augen<br />

verrieten tiefes Entsetzen, sein Mund verzog<br />

sich, als ob er anfangen wollte zu weinen,<br />

während er sich mit einer Hand den Bauch<br />

hielt, doch sein Lebenssaft rann ihm durch<br />

die Finger und fiel auf die Bretter der Bühne.<br />

Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle, und er<br />

taumelte auf die Frau zu. Diese hielt ihn fest<br />

und packte sein Gesicht, doch es war eine<br />

mehr als zärtliche Geste, wie sie es tat, und<br />

dann küsste sie ihn leidenschaftlich, bis seine<br />

Krämpfe endlich aufhörten und er wie eine<br />

schlaffe Puppe zu Boden ging.<br />

Ich spürte, wie mein Magen zu revoltieren<br />

begann angesichts dieses grotesken Schauspiels.<br />

Diese Verrückte hatte nicht eben meinen<br />

Kumpel umgebracht, irgendwo musste<br />

eine versteckte Kamera sein, das ganze<br />

konnte doch nur ein Trick sein! Sicher waren<br />

die anderen alle in den Plan eingeweiht, und<br />

diese ganze Sache hier war ein abgekartetes<br />

Spiel, um mir einen gehörigen Schrecken<br />

einzujagen. Aber dann sah ich Andreas und<br />

Christian an, und auch ihre Augen waren<br />

schreck geweitet. Andreas würgte leise und<br />

unterdrückte einen Brechreiz, während Christian<br />

wie ein Irrer anfing, zu lachen. Unsere<br />

Gastgeberin aber lächelte nur zufrieden ihr<br />

perfektes Lächeln, und ich wusste mit einem<br />

Mal, dass SIE es gewesen war, die uns an der<br />

Haltestelle beobachtet hatte. Sie hatte diese<br />

Sache von Anfang an geplant, sie allein war<br />

schuld an Bennys Tod. Ich wollte mich auf sie<br />

stürzen und sie fragen, was für eine perverse<br />

Tussi sie doch war, doch ich konnte mich<br />

nicht rühren. Ich sah nur Bennys Leiche auf<br />

der Bühne, das Tentakelwesen und die Raubtierfrau<br />

waren inzwischen verschwunden,<br />

doch da lag er, die Augen noch immer weit<br />

geöffnet, seine Hände, sein Oberkörper und<br />

seine Hosen, alles voller Blut. Was sollte ich<br />

nur tun?<br />

In diesem Moment fiel mein Blick wieder<br />

auf die hellleuchtenden Lavalampen, die<br />

auch an unserem Tisch neben den Pflanzen<br />

standen. Das Wachs blubberte nicht mehr in<br />

Kugeln von oben nach unten, grässliche Wesen,<br />

die tatsächlich aus rotglühender Lava zu<br />

kommen schienen, schwammen nun in dem<br />

heissen Ölgemisch und winkten mir zu, während<br />

sie näher kamen. Ich wollte schreien,<br />

doch da hatten sie mich schon gepackt, und<br />

bevor ich noch etwas tun können, senkte<br />

sich eine gnädige Ohnmacht über mich und<br />

zog mich in eine tiefere Dunkelheit.<br />

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ANDUIN <strong>98</strong><br />

SUnny Valley<br />

Holidays in Sunny Valley<br />

Ein Szenario für Cthulhu Endzeit<br />

TEXT: Dario H.<br />

ILLUSTRATION: Dario H.<br />

Ein Setting für Cthulhu Now, über einen<br />

vorzeitig abgebrochenen Kanutrip, das<br />

Ende aller Tage und die Rückkehr der alten<br />

Götter.<br />

Vorbemerkung<br />

Willkommen in Sunny Valley. Bei diesem,<br />

seinem Namen mehr als gerecht werdenden,<br />

fiktiven Tal irgendwo an einem Ausläufer der<br />

Rocky Mountains handelt es sich um einen<br />

unheiligen Bastard aus einem gigantischen<br />

Naturpark und Disneyland.<br />

Seitdem das Naturdenkmal privatisiert und<br />

an die Sunnyparks Corporation verkauft wurde,<br />

betreibt diese die Umwandlung zu einem<br />

Freizeitpark mit allen Schikanen und für alle<br />

Geschmäcker. Im Norden des Tals, rund um<br />

die von der Firma hochgezogene Planstadt<br />

R o b e r t s v i l l e ,<br />

(nach Firmenchef<br />

Nelson Roberts)<br />

reihen sich<br />

Abenteuerparks,<br />

Glücksspielmeilen,<br />

Hotels und<br />

Golfplätze aneinander,<br />

ein Paradies<br />

für Pauschaltouristen,<br />

Senioren und<br />

viele Familien, ein<br />

bonbonfarbener Alptraum für viele andere.<br />

Je weiter man jedoch nach Südosten vordringt,<br />

desto verwilderter und naturbelassener<br />

wird das Areal. Zuerst kommen noch<br />

Zeltlager und Campingplätze, Reiterhöfe, ein<br />

paar kleinere Dörfer (eins davon eine reine<br />

Kulisse für Wildwest-Reenactment), Einrichtungen<br />

für Wildwasserrafting und romantische<br />

Rundfahrten mit einem dieser nachgebauten<br />

Schaufelraddampfer.<br />

Wenn man jedoch die im Zentrum des Tals<br />

gelegene Seenplatte hinter sich lässt, hat<br />

man nur noch reine WIldnis um sich. Dieser<br />

Teil von Sunny Valley zieht einen anderen<br />

Schlag Urlauber an, die ausgedehnte Kanutouren<br />

in den Urwald- und Sumpfgebieten<br />

des südlichen Tals unternehmen, abgeschnitten<br />

vom störenden Lärm der Zivilisation. Eine<br />

Seite 60<br />

dieser Gruppen sind die Spielercharaktere.<br />

Dieses Grüppchen aus naturversessenen<br />

Urlaubern hat soeben einen drei Wochen-<br />

Survivaltrip in den Sümpfen hinter sich, ohne<br />

Kontakt zur Aussenwelt (kein Handyempfang)<br />

und will eigentlich noch eine Woche<br />

länger bleiben. Doch ohne ihr Wissen haben<br />

sich in ihrer Abwesehenheit uralte Monster<br />

aus den Meeren erhoben und die Menschheit<br />

angegriffen. Ein roter Regen hat Kontinente<br />

überzogen und gefährliche Mutationen ausgelöst<br />

und die alte Ordnung ist zusammengebrochen.<br />

Während die Freunde in der Sonne<br />

dösen, werden woanders ganze Städte von<br />

titanischen Kreaturen dem Erdboden gleichgemacht<br />

und langsam schwappen auch die<br />

ersten Reaktionen auf die Katastrophe nach<br />

Sunny Valley über. Geifernde Monster treiben<br />

riesige Flüchtlingskolonnen vor sich her. Der<br />

Freizeitpark wird zur Zuflucht und dann zur<br />

Falle. Und als der rote Regen niedergeht und<br />

die Gruppe allmählich feststellt, dass etwas<br />

nicht stimmt, müssen sie in eine komplett<br />

veränderte Welt zurückkehren. Es liegt an<br />

den Spielern ob ihre Charaktere elendiglich<br />

krepieren werden, oder ihren Mitmenschen<br />

neue Hoffnung bringen und beim Verteidigen<br />

und Wiederaufbau der letzten Reste der<br />

menschlichen Zivilisation helfen.<br />

Der Plot von „Holidays in Sunny Valley“<br />

ist weitgehend offen. Die SCs bewegen sich<br />

über die Karte und versuchen sich nach Norden<br />

durchzuschlagen. Der bespielbare Raum<br />

ist abgeschlossen. Im Süden liegen die verseuchten<br />

Sümpfe, in Westen und Osten unüberwindbare<br />

Berge. Der einzige Ausgang<br />

aus dem Tal liegt also in Richtung Robertsville<br />

... und je weiter die Charaktere vorstoßen<br />

desto schlimmer wird es.<br />

Der eigentliche Reiz des Szenarios kommt<br />

aus dem Überlebenskampf in einer ehemals<br />

heilen Welt, der Konfrontation mit dem Unmöglichen<br />

und aus der Reaktion ganz normaler<br />

Leute auf die Katastrophe. Es ist als One<br />

Shot oder als Basis einer längeren Kampagne<br />

zu gebrauchen. Sunny Valley will kein komplett<br />

fertiges Abenteuer sein, sondern eine<br />

Inspiration für eine in einem festen Rahmen<br />

improvisierte Session.<br />

Ich gehe davon aus das der jeweilige SL<br />

seine Spieler und deren Vorlieben am Besten<br />

kennt und besser weiß was er ihnen vorsetzen<br />

will und kann. Grundsätzlich ist das mal<br />

eine Gelegenheit die übliche Subtilität von<br />

Cthulhu fallenzulassen<br />

und<br />

mit einem wilden<br />

Mix aus<br />

Monstern und<br />

anderen Schrecken<br />

zu spielen.<br />

Wer möchte<br />

kann auch gegen<br />

Ende sogar<br />

einen, wie<br />

Godzilla marodierenden,<br />

titanischen Alten<br />

(oder etwas vergleichbares) auftauchen<br />

lassen... solange die Gruppe Spass hat und in<br />

keine absolut auswegslosen Situationen hereinmanövriert<br />

wird ist alles erlaubt.<br />

Das ist überhaupt die wichtigste Grundregel<br />

des gesamten Settings: Monster! Monster!<br />

Monster! Zaubere alles aus dem Hut was<br />

dir stimmig erscheint.<br />

Wie alles beginnt<br />

Am Anfang des Abends werden die Charaktere<br />

gebaut. Dabei sollte es sich um durchschnittliche<br />

Menschen ohne Mythoserfahrung<br />

handeln die sich jetzt mindestens drei<br />

Wochen kennen. Es sollte abgeklärt werden<br />

wie deren Beziehung zueinander aussieht,<br />

Abenteuer


SUnny Valley<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

denn ihre Interaktion wird das Abenteuer bestimmt<br />

noch mehr tragen als die Konfrontation<br />

mit irgendwelchen sabbernden Schrecken<br />

aus der Tiefe. Diese Beziehungen sollten also<br />

nicht konfliktfrei sein.<br />

Es empfiehlt sich dieses Szenario sehr tödlich<br />

zu Spielen. Daher könnten Zweitcharaktere<br />

vorgebaut werden, am Besten weitere<br />

Touristen die als orientierungslose Flüchtlinge<br />

jederzeit von der Gruppe aufgegriffen<br />

werden können.<br />

Zu Beginn des Spiels sollte eine schöne Urlaubsatmosphäre<br />

beschrieben werden.<br />

Die SCs sind abgekämpft aber glücklich,<br />

entspannen sich in der Sonne während neben<br />

ihnen ihre Kanus trocknen. Langsam mischen<br />

sich ein paar irritierende Momente in die Idylle.<br />

Vielleicht finden sie seltsame Fussspuren,<br />

sehen einen Schemen im Wald, fangen einen<br />

merkwürdig mutierten Fisch oder es treiben<br />

seltsam viele tote Fische auf einer Ecke des<br />

Sees. Ein merkwürdiger Parasit verbeisst sich<br />

in das Bein eines im Wasser watenden Urlaubers.<br />

Aus heiterem Himmel durchbrechen<br />

Kampfflugzeuge den zuziehenden Himmel<br />

und bombardieren ein Ziel mitten im südlichen<br />

Naturpark das ein extrem lautstarkes,<br />

unmenschliches Brüllen von sich gibt. Die SCs<br />

werden verunsichert bis zu dem Punkt das<br />

sie beschließen frühzeitig umzukehren.<br />

Und dann setzt der Regen ein und die Flüsse<br />

färben sich rot.<br />

Der Ablauf der<br />

Apokalypse<br />

Zum besseren Verständnis habe ich den<br />

Ablauf des Erwachens der Alten in mehrere<br />

Phasen eingeteilt.<br />

Vorspiel<br />

Die Sterne stehen richtig, und langsam<br />

erwachen uralte, groteske Götter aus ihrem<br />

äonenalten Schlummer. Ihre, das kollektive<br />

Bewusstseine der Menschheit aufstörenden,<br />

Träume treiben hunderte labile Personen in<br />

den Wahnsinn und lassen die Suizidraten ansteigen.<br />

Amokläufe häufen sich. In unwirtlichen<br />

Gegenden rund um den Globus kommt<br />

es zu Zwischenfällen mit merkwürdigen Tieren<br />

und eine rote Algenpest breitet sich entlang<br />

der Pazifikküsten aus.<br />

Die Charaktere brechen auf nach Sunny Valley,<br />

mieten sich ihre Kanus und Ausrüstung<br />

und lassen die Zivilisation (und die Reichweite<br />

der Mobilfunkmasten)hinter sich.<br />

Die Wetterprognosen verkünden fast ausschließlich<br />

Sonne für den gesamten nächsten<br />

Monat.<br />

Erste Welle<br />

Fremdartige Lebewesen überschwemmen<br />

Sumpfgebiete und Strände und greifen vereinzelt<br />

Menschen an um sie zu verschleppen,<br />

zu töten und zu fressen. Sie bewegen sich<br />

eher noch im Geheimen (des Nachts, es gibt<br />

aber massenhafte Sichtungen die öffentlich<br />

nicht ernst genommen werden aber insgeheim<br />

auch bei offiziellen Stellen mehr als Beunruhigung<br />

auslösen.<br />

Währenddessen treten offensiv Kulte auf<br />

die eine Unterwerfung der Menschheit und<br />

die Apokalypse predigen, aber meistens<br />

nicht ernst genommen werden.<br />

Zweite Welle<br />

Es gibt offene Angriffe auf Fischerdörfer<br />

und Kleinstädte. Erdbeben, Meteore oder<br />

dergleichen zerstören vereinzelt Siedlungen.<br />

Mysteriöse Seuchen breiten sich aus. Wellen<br />

von Amokläufen und Terroranschlägen überfluten<br />

die Städte. Missverstandene Ursachen<br />

bringen die Welt vielleicht an den Rand eines<br />

neuen globalen Krieges. Während Zeitungen<br />

über die Ereignisse berichten aber nur haltlose<br />

Spekulationen bieten hüllen sich die Offiziellen<br />

in Schweigen oder geben uninformative<br />

Statements ab nach dem Muster „man<br />

werde sich darum kümmern“. Quarantäntetrupps<br />

und Soldaten werden in der Tat ausgeschickt<br />

und es kommt zu ersten Konfrontationen.<br />

Die Kulte treten nun offen auf und erhalten<br />

auf einmal regen Zulauf. Es kommt zu ersten<br />

Menschenopfern und Akten von Kannibalismus<br />

die manchmal sogar auf Video aufgezeichnet<br />

und veröffentlicht werden.<br />

Gewaltige Sturmfronten ballen sich über<br />

allen Weltmeeren zusammen.<br />

Dritte Welle<br />

Der rote Regen geht der sich als Sporen<br />

von den Algenfeldern erhoben hat geht<br />

weltweit nieder, und mit ihm tritt eine neue<br />

Seuche auf die schlimmer ist als jede vorangegangene.<br />

Menschen, Tiere und Pflanzen<br />

beginnen zu mutieren. Gleichzeitig kommt<br />

es zu Überschwemmungen, Kernkraftwerke<br />

explodieren, es kommt zu Waldbränden und<br />

Erdbeben.<br />

Gigantische Kreaturen wuchten ihre amorphen<br />

Leiber aus den Tiefen der See und<br />

trotzen der Sonne, bewegen sich auf das<br />

Festland zu und treiben ihre kleineren Geschöpfe<br />

vor sich her ins Landesinnere. Nukleare<br />

Waffen werden eingestzt. Die globale<br />

Kommunikation bricht zusammen und die<br />

Regierungen die es noch können verkünden<br />

eine außerirdische Invasion/ das Armageddon<br />

und ergreifen Notfallmaßnahmen oder<br />

senden ungehörte Kapitulationen. Städte<br />

werden evakuiert. Menschen fliehen panisch<br />

in die Wildnis (und damit auch Richtung Sunny<br />

Valley) oder werfen sich den Kulten in die<br />

Arme die nun völlig offen in den Bevölkerungszentren<br />

agieren aber auch keinen wirklichen<br />

Schutz bieten.<br />

Und am Himmel verblassen die Sterne<br />

nach und nach. Das Licht der Sonne beginnt<br />

sich abzuschwächen.<br />

- Das Spiel beginnt gegen Ende der dritten<br />

Welle.<br />

Vierte Welle<br />

Der Regen verändert dort wo er stark gefallen<br />

ist das Ökosystem, verseucht das Wasser<br />

und die Zonen an denen diese Veränderung<br />

schnell voranschreitet werden lebensfeindlich.<br />

Schlimmer noch die Zentren des Befalls,<br />

dort öffnen sich flimmernde Tore in andere<br />

Dimensionen, die Realität zerreißt und macht<br />

Platz für weitere Höllenkreaturen die die<br />

Länder überfluten. Auch fliegende Wesen<br />

peitschen jetzt die Luft mit ihren Schwingen<br />

und bringen den restlichen Flugverkehr nahezu<br />

zum Erliegen.<br />

Die Küstenregionen werden von Monstern<br />

kontrolliert, Abermillionen sind versklavt<br />

oder gestorben.<br />

An den Küsten beginnen seltsame Steingebilde<br />

aufzusteigen die jeder rationalen<br />

Geometrie trotzen. Die letzten Führungskräfte<br />

der Menschheit werfen sich entweder<br />

kollektiv in den Staub oder werden hineingetreten.<br />

Nur wenige schaffen es in den<br />

„Partisanenkriegs-Modus“ zu wechseln und<br />

kämpfen an dieser Front genauso gegen die<br />

Kulte, wie gegen die Monster. Die orientierungslosen<br />

Armeetruppen sind bald so vom<br />

Horror gebeutelt das sie bald genauso brutal<br />

und rücksichtslos agieren wie die Kulte, immer<br />

das größere Ziel des Widerstands gegen<br />

die „außerirdischen Monster“ im Kopf. Der<br />

Zweck heiligt die Mittel.<br />

Oft ziehen sie mit gewaltien Flüchtlingstrecks<br />

landeinwärts.<br />

Tag - und Nachtlicht gleichen einander<br />

immer weiter an bis nur noch ein zeitloses,<br />

schummriges Dämmerlicht vorherrscht.<br />

Sterne sind nicht mehr zu sehen, Mond und<br />

Sonne vage Flecken irgendwo unter einer<br />

dichten Wolkendecke. Es gibt keinen erkennbaren<br />

Unterschied zwischen Tag und Nacht<br />

mehr.<br />

Draußen kann man nicht mehr weit sehen,<br />

in dichten Wäldern und im inneren von Gebäuden<br />

benötigt man zusätzliche Lichtquellen.<br />

Funktionierende Infrastruktur wie Strom<br />

Abenteuer<br />

Seite 61


ANDUIN <strong>98</strong><br />

SUnny Valley<br />

und Wasser gibt es kaum noch irgendwo.<br />

Und ständig fällt der verdammte rote Regen<br />

und vergiftet weitere Reserven an klarem<br />

Wasser und Nahrung.<br />

Fünfte Welle<br />

Ab hier ist alles offen, aber eins ist sicher<br />

... die Epoche der Menschheit ist fürs Erste<br />

vorüber und die Welt wird einmal mehr von<br />

denselben unausprechlichen Kreaturen beherrscht<br />

die vor Millionen von Jahren von<br />

den Sternen herabgestiegen sind.<br />

Wie lange deren Herrschaft andauert ...<br />

liegt an dir, lieber SL.<br />

Vielleicht beschließen die Alten<br />

sich wieder in den Weltraum emporzuschwingen<br />

und überlassen<br />

ihre Diener und die Menschheit<br />

sich selbst. Vielleicht bilden sich<br />

Immunitäten gegen die Seuche<br />

und den roten Regen. Vielleicht<br />

rauft sich die Menscheit zusammen...<br />

dann gibt es eine reale<br />

Chance die Katastrophe zumindest<br />

teilweise zu überwinden.<br />

Wenn du lieber den absoluten<br />

Untergang zelebrieren möchtest,<br />

seis drum, aber gib deinen<br />

Spielern die Möglichkeit etwas<br />

zu verändern und zumindest<br />

Teilsiege zu erringen. Scheitern<br />

ist nur interessant wenn es nicht<br />

komplett unausweichlich erschienen<br />

ist. Lass also so oder so<br />

immer einen Hoffnungsschimmer<br />

und erreichbare Etappenziele<br />

um weiterzumachen, etwa:<br />

- eine Radiobotschaft die den<br />

Weg zu einem sicheren Ort beschreibt.<br />

- eine semieffektive Waffe gegen<br />

die Monster (zB Empfindlichkeit<br />

gegen- , Angst vor Feuer<br />

oder sauberem Wasser)<br />

- die Aussicht das alles nur vorrübergehend<br />

ist (vielleicht Information<br />

von einem Kultpriester)<br />

- eine geliebte Person die irgendwo<br />

in Sicherheit wartet<br />

bzw. aus Gefahr gerettet werden<br />

muss, oder eine Gruppe<br />

Flüchtlinge die auf die Hilfe der<br />

SCs angewiesen ist.<br />

- ein Lager mit Vorräten, Waffen,<br />

Medizin oder anderem<br />

Equipment das unter Zeitdruck<br />

geknackt werden will.<br />

- usw.<br />

Joytown<br />

Orte<br />

Es gibt zwei Karten, auf denen die Orte in<br />

Sunny Valley eingezeichnet sind. Eine für die<br />

Spieler, eine ganz normale Wegkarte für Touristen,<br />

und eine für den SL auf der die Veränderungen<br />

durch die Katastrophe eingezeichnet<br />

sind. Diese Karten sind Vektorgrafiken,<br />

sie lassen sich ohne Qualitätsverlust in einer<br />

beliebigen Größe ausdrucken, zB in A3 oder<br />

noch größer im Copyshop damit die Spieler<br />

das Gefühl eines richtigen Urlaubs - Faltplans<br />

haben können.<br />

Hier wird vor allem die SL-Map beschrieben,<br />

der Normalzustand (bzw die Erinnerung<br />

daran) dürfte leicht zu improvisieren sein.<br />

Camp<br />

Ceta<br />

President-General<br />

Winston Blake<br />

Crystal Lake<br />

Health Resort<br />

Pfadfindercamp<br />

Waschbären<br />

Reenactment<br />

Zone<br />

Pfadfindercamp<br />

Buntspechte<br />

Pleasure Resort<br />

Brent City<br />

Happy Land<br />

Resort<br />

Party Beach Happy Land<br />

Woodlark<br />

Camp<br />

Alpha<br />

Robertsville<br />

Silverspring<br />

Historische<br />

Bunkeranlage DD6<br />

Camp<br />

Delta<br />

Schaufelraddampfer-<br />

Route<br />

Camp<br />

Beta<br />

Greenburrough<br />

Colonel<br />

Summers<br />

Hope Resort<br />

Santiago<br />

Yachthafen<br />

Sportflughafen<br />

Yachtzone<br />

Die Karte ist in 4 Zonen unterteilt. Sümpfe<br />

(unten rechts), Wald (unten links), Gebirge<br />

und Wildwasserflüsse (oben rechts) und den<br />

Holiday Park (oben links).<br />

Allgemein gilt, das die Gruppe extrem<br />

langsam vorwärts kommen sollte. Das Tal<br />

ist zwar „nur“ etwa 100 Kilometer lang aber<br />

wenn man einen schnellen Strom aufwärts<br />

paddeln muss, mit Unwetter, Krankheit und<br />

Monsterangriffen zu kämpfen hat oder davon<br />

geschwächt ist kann man durchaus einige<br />

Tage brauchen. Evtl. muss die Gruppe<br />

auch Umwege machen, etwa um ein Krankenhaus<br />

aufzusuchen oder einem größeren<br />

Monster aus dem Weg zu gehen. Halte sie so<br />

lange auf, wie es dir passend erscheint und<br />

Mount Moira<br />

Heisse Quellen<br />

Western Town<br />

Lakeside<br />

Kirche der<br />

letzten Auferstehung<br />

Old Faithful<br />

Brightvale Peak<br />

Spa<br />

Historische<br />

Bunkeranlage DC3<br />

Historische<br />

Bunkeranlage AT9<br />

Camp<br />

Windsong Canyon<br />

Outside<br />

Sprinkle<br />

Falls<br />

Seite 62<br />

Abenteuer


SUnny Valley<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

wirf ihnen Steine in den Weg (oder schleimige<br />

Klumpen).<br />

Fraktionen<br />

Es gibt 3 große Gebiete, die von unterschiedlichen<br />

Fraktionen in Anspruch genommen<br />

werden, die sich gegeneinander<br />

bekämpfen. Sunny Valley ist nun ein Kriegsgebiet.<br />

Die vierte Armee des General-President<br />

Winston Blake hat den Nordwesten des Tals<br />

besetzt. Der General herrscht von Kalifornien<br />

aus über versprengte Truppen entlang der<br />

Rockies und hat sich nach der Zerstörung Washingtons<br />

durch ein „Etwas“ aus dem Meer<br />

zum neuen Präsidenten der USA ausgerufen.<br />

Er ist zwar der größte Garant auf Stabilität,<br />

aber das heisst nicht viel in diesen Zeiten. Um<br />

seine Männer bei der Stange zu halten, lässt<br />

er sie von Zeit zu Zeit in den Flüchtlingslagern<br />

plündern und vergewaltigen. In seinem<br />

Gebiet hat sich eine Art Neofeudalismus gebildet,<br />

in dem die regionalen Commanders<br />

quasi lokale Fürsten darstellen. Der Commander<br />

über Camp Alpha bei Robertsville ist niemand<br />

anderes als Sunnyparks-Chef Roberts<br />

persönlich.<br />

Die Truppen von Colonel Summers sind<br />

aus moralischen Gründen von Blakes Armee<br />

desertiert und kämpfen zusammen mit mutigen<br />

Flüchtlingen an drei Fronten. Sie sind<br />

zermürbt, aber die letzten Verteidiger demokratischer<br />

Ideale in der Gegend. Allerdings<br />

hat sich um den auf einmal wieder aktiven<br />

Vulkan Mount Moira ein geheimnisvolles Wesen<br />

breitgemacht das hypnotischen Einfluss<br />

auf Summers Männer ausübt und sie in den<br />

Wahnsinn treibt. Wenn es ihnen nicht gelingt,<br />

es aufzuhalten ist auch Summers Traum bald<br />

vorbei.<br />

Die Kirche der letzen Auferstehung ist ein<br />

Apokalypse-Kult, der christliche Lehren und<br />

den Kult der Alten miteinander verknüpft<br />

und enormen Zulauf genießt.<br />

Die Kirche ist Blake zwar militärisch unterlegen<br />

(auch wenn sie durchaus über militärisches<br />

Equipment verfügt), macht das aber<br />

wieder durch Gehirnwäsche und Propaganda<br />

wett. So betreibt sie noch einen funktionierenden<br />

Fernsehkanal.<br />

Außerdem hat sie merkwürdige Verbündete.<br />

Intelligentere Monster haben einen<br />

Pakt mit den Oberen der Kirche geschlossen.<br />

Gegen einen Zehnt an Flüchtlingen (die auf<br />

Nimmerwiedersehen verschwinden) unterstützen<br />

sie die Kirche in ihrem Kampf mit<br />

unheiliger Magie. Die Kirche nimmt auch Mutanten<br />

in ihre Reihen auf.<br />

Die Dörfer werden meistens verlassen oder<br />

von Monstern und Mutanten überrannt sein,<br />

wenn die Spieler dort eintreffen. Vielleicht<br />

halten sich aber auch noch ein paar wackere<br />

Überlebende auf ... und vielleicht wollen sie<br />

die Vorräte der Charaktere. Denn das Wasser<br />

der Flüsse ist verseucht, voller ekliger Parasiten<br />

und sorgt für Mutationen oder Vergiftungserscheinungen.<br />

Zeltplätze sind ähnlich. Für diese gilt übrigens,<br />

das sie im Norden eher große Campingplätze,<br />

im Süden dagegen einfach nur Orte<br />

für Kanutouristen, an denen diese ihre Zelte<br />

aufschlagen dürfen, markieren.<br />

Die häufigsten neuen Siedlungen sind<br />

Flüchtlingslager, als weiße Zelte gekennzeichnet.<br />

Baracken und notdürftige Zelte<br />

reihen sich aneinander. Es gibt weder ausreichend<br />

Wasser noch Nahrung. Die Flüchtlinge<br />

klammern sich an die Fraktionen, werden<br />

von diesen aber eher ausgebeutet als unterstützt,<br />

denn es ist nicht genug für alle da.<br />

Alle drei großen Fraktionen haben zwar Wasserfilteranlagen<br />

entwickelt aber die spucken<br />

nicht genug klares Wasser aus ... wer oben<br />

sitzt, tritt nach unten.<br />

In der Wildnis erstrecken sich bereits infizierte<br />

Zonen (rot überlagert) in denen die Natur<br />

sich bereits verformt hat. Bäume verwandeln<br />

sich in dunkelrote, fleischige Gebilde,<br />

mit im Dunkeln glühenden Pilzen überzogen,<br />

riesige Fliegen schwirren umher, krankhafte<br />

Fäulnis liegt in der Luft. Überall wimmelt<br />

es von abnormen Mutanten und Kreaturen<br />

die aus Portalen in jenseitige Abgründe ausgespuckt<br />

werden, in der Form gigantischer,<br />

zuckender Tore aus von Adern überzogenem<br />

Fleisch. Je weiter die Charaktere in diese Zonen<br />

vordringen, desto surrealer sollten sie<br />

werden.<br />

Die Zonen<br />

Die Sümpfe<br />

Das Abenteuer beginnt in den Sümpfen,<br />

ungefähr dort, wo das Sonnensymbol sich<br />

befindet und nimmt von da an langsam Fahrt<br />

auf. Die Spielercharaktere machen hier die<br />

ersten Erfahrungen mit den Monstern, sind<br />

aber völlig auf sich gestellt, weil es so gut<br />

wie keine anderen Menschen gibt.In jeder<br />

Region können sie natürlich auf vereinzelte<br />

Flüchtlinge treffen.<br />

Irgendwann werden sie diese Region<br />

zwangsweise verlassen müssen.<br />

Die Versorgungshütte<br />

Wenn die Charaktere zur Versorgungshütte<br />

unter Lakeside vorstoßen wollen, werden<br />

sie sich spontan in einem von Pilzen überwucherten<br />

Walstück wiederfinden in dessen<br />

matschigem Bodenparasiten krabbeln, die<br />

versuchen sich ins Hosenbein und dann unter<br />

die Haut der Verlorenen zu beißen, um dort<br />

zu nisten. Die Hütte selber wird von einem<br />

Ranger bewacht der nur noch aus einem Gewirr<br />

protoplasmatischer Schnüre besteht.<br />

Der Schaufelraddampfer<br />

Der Dampfer ist am Flussufer auf Grund gelauen<br />

und umgekippt. Von Süden kommend<br />

wirkt das Wrack normal, doch auf der Nordseite<br />

hat sich eine schleimige, schaumartige<br />

Masse festgesetzt, die das ganze Schiff<br />

durchwuchert. Um es herum im Wasser treiben<br />

die Leichen von Flüchtlingen. Wenn die<br />

Charaktere vorbeifahren werden sie sehen,<br />

wie sie Augenpaare aus dem inneren des<br />

Schiffes anstarren. Vielleicht werden sie auch<br />

leise Hilferufe oder laute Schmatzgeräusche<br />

hören die aus der Schleimmasse zu kommen<br />

scheinen.<br />

Endlich wieder<br />

Empfang<br />

Entlang der gestrichelten Linie haben die<br />

Charaktere wieder Handy/Radio-Empfang<br />

und können versuchen, herumzutelefonieren,<br />

wenn die Netze nicht tot sind. Da kann<br />

es ganz verschiedene Resultate geben.<br />

Sie können Freunde erreichen, die ihnen<br />

die Lage schildern, und sich mehr oder weniger<br />

in Sicherheit befinden (vielleicht genau<br />

im Moment des Telefonats nicht mehr).<br />

Wahrscheinlicher ist jedoch eine tote Leitung<br />

oder die Propaganda - Durchsage eines Kultes<br />

oder einer anderen Fraktion. Wohlmöglich<br />

hören sie sogar ein unerträgliches Kreischen<br />

in den Leitungen, eine hypnotische<br />

Stimme, die ihnen etwas einflüstert oder irgend<br />

etwas nimmt ab... vielleicht ein Flüchtling,<br />

der froh ist das er jetzt selbst um Hilfe<br />

rufen kann, vielleicht ein ... Monster?<br />

Das Dorf Lakeside ist komplett verwüstet.<br />

Hier hält sich niemand mehr auf, und bis auf<br />

ein bisschen Wasser und Nahrung in irgendwelchen<br />

versteckten Kühlschränken und<br />

Vorratskammern scheint alles wie tot. Aber<br />

es ist nirgendwo auch nur eine einzige Leiche<br />

zu sehen, und wenn die Nacht anbricht...<br />

Die Versorgungshütte nahe am Gebiet der<br />

Kirche ist noch frei von Monstern. Hier lebt<br />

ein älteres Hippie-Ehepaa,r das nicht einsieht<br />

sich in die Klauen der Fraktionen zu begeben<br />

und jeden Eindringling beschießt.<br />

Das Flüchtlingslager auf der anderen Flusseite<br />

ist ein einziges Massaker. Hier lebt nie-<br />

Abenteuer<br />

Seite 63


ANDUIN <strong>98</strong><br />

SUnny Valley<br />

mand mehr. Oder?<br />

Der Wald<br />

In den Wald könnten die Charaktere vorstoßen,<br />

wenn sie dringend ein Krankenhaus<br />

brauchen (Crystal Lake) oder vor irgendetwas<br />

in diese Richtung geflohen sind.<br />

In Woodlark leben einige gut bewaffnete,<br />

aber halb verhungerte und skrupellose Dorfbewohner<br />

noch. Sie sind hochgradig paranoid,<br />

weil jede Nacht neue Monster bei ihnen<br />

einfallen.<br />

In der Versorgungshütte an der Grenze zu<br />

den Sümpfen haben die Charaktere Glück.<br />

Sie ist unbewohnt und intakt.<br />

Die Pfadfindercamps stehen immer noch<br />

in Konkurrenz zueinander, aber es geht nicht<br />

mehr darum, die gegnerische Flagge zu stehlen.<br />

Die Waschbären, inzwischen allesamt<br />

zombiehafte Mutanten, sind viel schärfer auf<br />

die Gehirne der Buntspechte, die sich mit improvisierten<br />

Waffen und Überlebensmessern<br />

tapfer zur Wehr setzen.<br />

Silverspring ist ein verzweifeltes, verbarrikadiertes<br />

Loch voller abgebrannter Urlauber<br />

und Einwohner. Ein halb zwerstörter und fast<br />

nicht mehr fahrtüchtiger Schaufelraddampfer<br />

liegt hier vor Anker mit dem sie nach Norden<br />

könnten ... wäre nicht ein gigantisches<br />

Wesen dort draußen auf dem See und würde<br />

Schiffe angreifen. Was sie auch nicht wissen,<br />

ist, dass das Wrack eines zweiten Dampfers<br />

Seite 64<br />

den engen Fluss nach Norden hin blockiert.<br />

Crystal Lake selbst ist die Hölle ... ein blasenwerfender,<br />

blutroter See liegt vor dem<br />

wie ein Knochen davor aufragenden, weißen<br />

Krankenhausgebäude. Interessanterweise<br />

sind die Angestellten und Ärzte gar nicht so<br />

mutiert ... sieht man von Schwimmhäuten<br />

an den Fingern und einem frisch entdeckten<br />

sadistischen Trieb ab. Sie quälen die langsam<br />

mutierenden, senilen Patienten durch „Untersuchungen“<br />

langsam zu Tode.<br />

Die Berge und die<br />

Wildwasserflüsse<br />

Die Berge sind vor allem das Territorium<br />

der Kirche, deren „Brüder und Schwestern,<br />

Priester und Bischöfe“ eisern über die unwegigen<br />

Canyons herrschen. Vorstöße des Militärs<br />

kontern sie mit Guerillataktik und Terror,<br />

zum Beispiel Selbstmordattentaten durch<br />

unwiderruflich mutierte Flüchtlinge.<br />

Die ehemalige Western Town liegt am<br />

Rand eines überfluteten Gebiets.<br />

Die ehemalige Reenactment - Stadt, stilecht<br />

mit Saloon, Bestattungsinstitut, Hufschmiede<br />

und Sheriffsbüro ist jetzt verlassene<br />

und verminte Frontstadt. Quasi eine echte<br />

Western-Geisterstadt, in der eine Truppe der<br />

besten Kirchenkrieger auf den Feind wartet,<br />

die sich durchaus mit den Desperados von<br />

einst messen kann.<br />

In der Bunkeranlage DC3, ehemals einer<br />

von drei Übungsbunkern der Army, bevor<br />

das Gebiet in einen Naturpark umgewandelt<br />

wurde, haben sich verzweifelte Touristen mit<br />

sämtlichen Vorräten des Yachthafens und<br />

den Drogenvorräten eines lokalen Grossdealers<br />

eingesperrt und feiern eine Weltuntergangsorgie<br />

nach allen Regeln der Kunst. Die<br />

ausgelassene Feier hat bereits mehrere der<br />

Eingeschlossenen das Leben gekostet und<br />

wird nicht aufhören, bis alles verbraucht ist.<br />

Danach soll ein kollektiver Selbstmord folgen.<br />

Sprinkle Falls und Outside sind von verzweifelten<br />

Flüchtlingen überrannt, die alles<br />

tun würden, um von dort wegzukommen.<br />

Denn jede Nacht kommen die Monster und<br />

verschleppen einige von ihnen ins Unbekannte.<br />

Die Kirche hat das Gebiet jedoch mit Stacheldraht,<br />

Minen und Scheinwerfern abgeriegelt<br />

und schießt auf jeden, der es wagt zu<br />

flüchten. Outside beherbergt auch ein frisch<br />

aufgezogenes Kloster und ein provisorisches<br />

Lazarett.<br />

Old Faithful ist eine Wehrstadt. Strassensperren,<br />

Kampfhubschrauber mit frisch auf<br />

der Seite aufgemalten Kreuzen und Panzer<br />

bestimmen das Bild.<br />

Der Bunker AT9 ist die Kommandozentrale<br />

und die Propagandazentrale der Kirche. Was<br />

hier vorgeht, weiß man nicht, aber es soll einen<br />

riesigen Gefängnistrakt voller Flüchtlinge<br />

geben, der an die Inquisition vergangener<br />

Abenteuer


SUnny Valley<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Tage erinnert.<br />

Windsong Canyon bekommt ständig Zulauf<br />

von Flüchtlingen von außerhalb des<br />

Valleys. Das ehemalige Militärlager ist fest in<br />

der Hand der Kirche, allerdings bereiten die<br />

dort stationierten Ordensbrüder sich auf einen<br />

Angriff vor. Titanische Kreaturen (etwa<br />

Hausgröße) sollen in Richtung der Berge ziehen<br />

und alles auf ihrem Weg vernichten.<br />

Zwischen den Fraktionen liegt Brightvale<br />

Peak Spa, die letzte intakte Klinik und ein ehemaliger<br />

Wellness-Kurort. Es gibt ein unausgesprochenes<br />

Abkommen das Hospital, das<br />

von nimmermüden Ärzten betrieben wird,<br />

nicht anzugreifen und ab und zu mal mit einigen<br />

Medikamenten zu unterstützen. Dafür<br />

versorgen die Ärtze um Doctor Coleman jeden<br />

Patienten... der an die Reihe kommt. Die<br />

Schlange bis auf den Berggipfel ist schon fast<br />

ein eigenes Dorf, viele Patienten sterben, bevor<br />

sie den Aufstieg schaffen.<br />

Der Holiday Park<br />

Diese Ecke Sunny Valleys war bereits durch<br />

Sunnyparks Corporation erschlossen und in<br />

eine Reihe von Hotelstädten aller Klassen,<br />

kommerzielle Campingplätze und Theme<br />

Parks umgewandelt worden. Nun ist der<br />

Park überflutet, nachdem der Damm von Robertsville<br />

durch ein<br />

Erbeben zerschmettert<br />

wurde.<br />

Auf dem trockenen<br />

reihen sich Flüchtlings-<br />

und Militärlager<br />

aneinander.<br />

Die Siedlungen sind<br />

voller Ruinen, deren<br />

Erdgeschosse überflutet<br />

sind. In den<br />

oberen Geschossen<br />

leben oft noch Menschen,<br />

die sich mit<br />

Booten fortbewegen. Die Notbehausungen<br />

an Land reichen nicht mehr aus. Soldaten<br />

sind allgegenwärtig, aber anstelle das Gefühl<br />

von Sicherheit zu verbreiten machen sie den<br />

Flüchtlingen inzwischen fast mehr Angst als<br />

die Monster.<br />

Santiago wird von den Bergen aus durch<br />

die Truppen von Summers oder die Kirche<br />

immer wieder mit Artillerie beschossen und<br />

antwortet auf dieselbe Art.<br />

Es kontrolliert auch den Fluss über die Brücke,<br />

und dieser Brückenkopf der Armee hat<br />

schon viele Vorstöße der Kirche abfangen<br />

können. Allerdings schleichen sich immer<br />

wieder Terroristen an dem Dorf vorbei, weswegen<br />

die Wachmannschaft sich angewöhnt<br />

hat, erst zu schießen und dann zu fragen.<br />

Happy Land, der ehemalige Theme Park ist<br />

eins der desolatesten Gebiete. Seit der Überflutung<br />

verlassen, haben sich in den Geisterbahnen<br />

echte, überaus mörderische Spukgestalten<br />

eingerichtet. In den Schaltern sitzen<br />

stoische, traumatisierte Flüchtlinge und warten<br />

im Drogenrausch auf den Tod.<br />

Die Gegend um den einstmaligen Party<br />

Beach ist bizarr. Von weitem hat es den<br />

Anschein, als ob sich nichts geändet hätte.<br />

Nachts wird Feuerwerk abgebrannt, laute<br />

Musik wird gespielt. Allerdings nicht nur um<br />

zu feiern (was auch getan wird, die Leute<br />

tanzen sich regelrecht in Exstase und vergessen<br />

ihr Elend,) sondern in erster Linie um die<br />

Monster ernzuhalten.<br />

Joytown, die ehemalige Kasino und Bordell-Vorstadt<br />

von Robertsville erfüllt diesen<br />

Zweck nach wie vor, als hätte sich nie etwas<br />

geändert. Nur laufen jetzt viel mehr Besucher<br />

in Uniform als in Bermudas aufl. Hier befindet<br />

sich das Hauptquartier von Commander<br />

Roberts.<br />

Robertsville selbst ist komplett überflutet,<br />

der einzige Weg hinein und hinaus ist mit<br />

dem Kanu durch die Straßenzüge. Das haben<br />

sich viele Flüchtlinge zu Nutze gemacht da<br />

die Armee dorthin nicht so leicht vorstoßen<br />

kann und haben sich mittels einer besetzten<br />

Filteranlage für unabhängig erklärt. Roberts<br />

passt das natürlich überhaupt nicht, er hat<br />

sie Stadt umstellen lassen und lässt immer<br />

wieder Angriffe mit Patroullienbooten fahren.<br />

Zum Abschluss<br />

Sunny Valley ist,was du draus machst. Obwohl<br />

das Setting ziemlich düster und hoffnungslos<br />

scheint, können gerade die Spielercharaktere<br />

versuchen, diesem verlorenen<br />

Ort im Rahmen einer Kampagne wieder Hoffnung<br />

zurückzugeben.<br />

Ein Oneshot wird wohl eher so aussehen,<br />

dass sie es schaffen, von dort zu verschwinden<br />

und in eine ungewisse Zukunft aufbrechen.<br />

Aber auch das ist eine Leistung, denn<br />

wie man mit einem Blick auf die SL-Karte unschwer<br />

erkennen kann, ist das ganze Gebiet<br />

abgeriegelt.<br />

Viel Spass mit dem Ende aller Tage. ;)<br />

Abenteuer<br />

Seite 65


ANDUIN <strong>98</strong><br />

KURZGESCHICHTEN<br />

Diener<br />

Eine Kurzgeschichte<br />

TEXT: Kamillo Fitzek<br />

„So, jetzt sind wir allein, die feine Gesellschaft<br />

ist nun wohl vollzählig. Ich bin des Versteckens<br />

überdrüssig.“<br />

Seite 66<br />

„Hoffen wir es. Also, Ihr meint das wirklich<br />

ernst, was Ihr da vorhin gesagt habt? Euer<br />

Herr, mit Verlaub gesagt, kann doch wirklich<br />

nicht so dumm sein.“<br />

„Wenn ich es Euch doch sage, kaum hatte<br />

er den Stuhl von seinem alten Herrn inne, ritt<br />

er in die nächste Stadt und schnappte sich<br />

das, wie ich doch erwähnen muß, hübscheste<br />

Freudenmädchen der Stadt aus einem<br />

sehr exklusiven Etablissement, nicht ahnend,<br />

daß die Dame die Tochter des Magistrats ist.<br />

Dieser und einige Leibwächter sind übrigens<br />

dabei umgekommen, als sie versuchten, das<br />

Mädchen aus den Fingern meines Herrn zu<br />

befreien, denn er hatte einen guten Schwertkampflehrer,<br />

wenn Ihr versteht.“<br />

„Aber natürlich.“<br />

„Es gab halt einen kleinen Skandal in der<br />

Stadt, aber der Zorn auf meinen Fürsten hat<br />

doch überwogen und er kann sich in nächster<br />

Zeit dort auch nicht mehr blicken lassen, vor<br />

allem jetzt, wo das Mädchen versucht hat,<br />

ihn mit seinem eigenen Schwert im Schlaf zu<br />

erstechen, aber unglücklicherweise gestolpert<br />

ist und sich selber getötet hat. Eine Sauerei<br />

war das, sage ich Euch, und er hat erst<br />

am nächsten Morgen etwas gemerkt.“<br />

„Still, da kommt jemand!“<br />

Die Tür öffnete sich, und der Raum wurde<br />

von einem älteren Pärchen in Begleitung eines<br />

Dieners betreten. Licht begann, magisch<br />

den Raum zu erhellen.<br />

„Hast du nicht auch etwas gehört, Garon,<br />

oder irre ich mich?“ „Sicherlich nicht, aber<br />

hier ist nichts, möglicherweise eine Maus<br />

oder anderes Getier.“<br />

„Na ja, nicht wichtig, viel mehr interessiert<br />

mich, wie es im Büffetsaal weitergeht, ob diese<br />

beiden jungen Spunde es wirklich mit dem<br />

Grafen aufnehmen wollen. Ich hoffe nur, daß<br />

unsere arrogante Nachbarin sich mit uns in<br />

Verbindung setzt, um sich über den Ausgang<br />

dieses kleinen Streites zu unterhalten. Ein<br />

kleiner Empfang in einer Woche wäre fein,<br />

nicht wahr, Garon?“<br />

„Gewiß doch, was immer du wünscht, teure<br />

Elsbietha.“<br />

Die Tür schloß sich nach Aufnahme von<br />

Mänteln und sonstigen Mitbringseln, und<br />

das Licht erlosch.<br />

„Kaum sind alle da, schon gehen die Ersten<br />

wieder. So, weiter mit unserer Unterhaltung.“<br />

„Jaja, das war schon irgendwie amüsant,<br />

was Ihr da erzählt habt. Aber nun mal kurz<br />

zum aktuellen Geschehen hier. Also, der<br />

Grund der Anwesenheit meines Herrn ist<br />

eigentlich derselbe wie der Eures Fürsten.<br />

Nun, ich muß leider sagen, daß mein Herr<br />

von sehr hitziger Natur ist und gerne Streit<br />

sucht, wie schon sein Vater zuvor, was ihm<br />

den Tod eingebracht hat. Dieser Streit hier ist<br />

eigentlich lächerlich, es geht um eine ältere<br />

Grundstücksangelegenheit, die Legung von<br />

Grenzen, um ein kleines Waldgebiet. Normalerweise<br />

kann alles mit etwas gutem Willen<br />

und Gold geregelt werden, aber nein, mein<br />

Fürst muß alles persönlich nehmen.“<br />

„Nun ja, ich kann Euch verstehen, aber<br />

unser Los bleibt nun mal das der Diener, der<br />

Werkzeuge. Mein Herr hat auch irgend einen<br />

sinnlosen Streit initiiert, es sollen wohl Jäger<br />

des Grafen auf unserem Gelände gejagt<br />

haben, ohne daß eine Genehmigung meines<br />

Fürsten vorgelegen hat, und jetzt sieht man,<br />

wozu es kommen... Verdammt, schon wieder<br />

Adelspöbel... ruhig bleiben, dann entdeckt<br />

man uns nicht.“<br />

Die Tür öffnete sich wieder, ein Ritual wurde<br />

durchgeführt, wie es in den letzten Jahrhunderten<br />

viele hundert, gar tausende Male<br />

durchgeführt worden ist, unter wechselnden<br />

Teilnehmern. Drei Personen betraten den<br />

Raum, zwei erkennbar wohlbetuchtere und<br />

ein Diener.<br />

„Verdammt noch mal, Mirea, wieso können<br />

wir nicht noch etwas bleiben...“<br />

„Sei still, Harod, man flucht nicht, außerdem,<br />

du weißt ganz genau, daß wir morgen<br />

früh raus müssen, um unsere Tochter aus der<br />

Klosterschule abzuholen. Jetzt sei ein guter<br />

Mann und reiche mir meinen Mantel“<br />

„Ihr habt die Dame gehört, Bursche, aber<br />

zack! – Dabei habe ich mich so auf den weiteren<br />

Verlauf gefreut. Die beiden jungen<br />

Spunde können es niemals mit dem Grafen<br />

aufnehmen. Das Duell wird wohl nicht ausbleiben.<br />

Bursche, was hältst du denn davon?<br />

Oh Entschuldigung, dir fehlt ja die Zunge,<br />

ganz vergessen.“<br />

„Bist du endlich fertig mit den Kindereien?<br />

Los, Harod, die Pferde werden ungeduldig.“<br />

Die Tür wurde geschlossen und es wurde<br />

wieder dunkel.<br />

„So, langsam reicht’s mir, die Nächsten,<br />

welche unsere Konversation stören, kriegen<br />

es mit mir zu tun, da ist mir egal, was mein<br />

Herr meint.“<br />

„Ach komm‘, hör auf. Außerdem, ich glaube,<br />

bald werden uns unsere Herren suchen,<br />

wenn da ein Duell ansteht.“<br />

„Ja ja, Duelle, Zweikämpfe, provozierte<br />

Kleinkriege, habe alles schon durchgemacht.<br />

Meine Herren waren immer von leicht erregbarer<br />

Natur. Nicht, daß es immer geholfen<br />

hätte, eher weniger, aber man lernt es nie, es<br />

sei denn, es ist zu spät.“<br />

„Da mögt Ihr recht haben, war bei meinen<br />

vorherigen Herren ähnlich. Der Eine sagte<br />

allen Wilderern den Kampf an, sorgte für<br />

grausame Bestrafungen, steigerte sich da<br />

rein, bis, nun ja, bis er selber erlegt wurde. Irgendwie<br />

sinnlos. Der Nächste focht in einem<br />

Krieg, den er persönlich nahm, weil er auch<br />

auf seinem Land stattfand, er meinte zumindest,<br />

es wäre sein Land, und wurde zwischen<br />

den Fronten aufgerieben und so weiter und<br />

so fort.“<br />

„Irgendwie hört sich das ähnlich wie meine<br />

Vorgeschichte an. Mein erster Herr war<br />

ein sehr mächtiger Zauberer, der sogar fähig<br />

war, Dämonen zu beschwören. Nun, mit einem<br />

bekam er Streit und ließ gewisse Verteidigungen<br />

fallen, so daß der Dämon angreifen<br />

konnte und ihn umbrachte. Ich entkam nur<br />

knapp.<br />

Danach lief es ähnlich. Einer meiner Herren<br />

stritt sich mit einer Gruppe Zigeuner, tötete<br />

eine Tänzerin von ihnen, welche bei ihm getanzt<br />

hatte und nicht so wollte wie er, zog<br />

damit einen Fluch auf sich und krepierte langsam,<br />

natürlich nicht, bevor er die meisten Zigeuner<br />

gejagt und getötet hatte.<br />

Danach hatte ich eine nette Herrin, sehr<br />

gewandt mit Schwert und Zunge, erst verlor<br />

Mai 2009


KURZGESCHICHTEN<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

sie diese, dann ihren Arm, nachdem sie sich<br />

bei einer großen Feier mit einem “Freund“<br />

angelegt hatte. Dieser verstand keinen Spaß,<br />

nachdem sie ihn, als der Streit ausgeartet<br />

war, seiner Männlichkeit beraubt hat, was<br />

ich sehr amüsant fand. Nun, er konnte sie<br />

niederschlagen, trotz seiner Verletzung, ihr<br />

die Zunge herausschneiden und mit einem<br />

gemeinen Schwerthieb den Arm abtrennen,<br />

bevor einige nur Halbbetrunkene ihm den<br />

Garaus machten. Na ja, siehst du, bei mir<br />

sieht es ähnlich aus, aber hoffentlich wird es<br />

langsam besser.“<br />

„Irgendwie war mir klar, daß wir uns einmal<br />

treffen mußten. Sobald ich dich sah, wußte<br />

ich, daß da irgend eine Ähnlichkeit ist, als ob<br />

ich deine Gedanken lesen könnte –“<br />

„Wie auch bei mir –“<br />

„Still, hörst du das auch?“<br />

Durch die Tür hörte man eine dumpfe Stimme,<br />

die dem Hausherrn gehörte. Er rief nach<br />

zwei Sekundanten für seine Gäste und Herausforderer<br />

und ließ die Waffen holen.<br />

„Wird langsam Zeit, unseren Herren zur<br />

Seite zur stehen.“<br />

„Los geht’s.“<br />

Der nun folgende Kampf schien dem Betrachter<br />

etwas unfair, da zwei relativ gute<br />

Schwertkämpfer es gleichzeitig mit dem<br />

Hausherrn und Grafen aufnahmen.<br />

Doch dieser war sich der Tatsache bewußt,<br />

da er ebenfalls länger mit dem Schwert geübt<br />

hatte und hat um den Kampf in dieser<br />

Konstellation gebeten.<br />

Nun, der Kampf verlief ziemlich einseitig.<br />

Die beiden Heißsporne konnten nicht allzu<br />

gut miteinander agieren, wollten beide den<br />

Grafen erledigen, worauf dieser spekulierte.<br />

Er spielte mit den Fürsten und tötete beide.<br />

„Na ja, nicht der Tag unserer Herren.“<br />

„Ja, wir müssen uns neue suchen, aber vielleicht<br />

hat der Graf ja Verwendung für uns.“<br />

Der Graf ging nach gewonnenem Kampf zu<br />

den beiden Leichen und beugte sich jeweils<br />

hinunter. „Welche Ähnlichkeit die beiden<br />

Klingen der Toten haben,“ dachte er sich und<br />

nahm beide auf, um sie zu vergleichen.<br />

„Eigentlich stehen sie mir ganz gut,“ dachte<br />

er weiter, während die Gäste auf ihn tranken<br />

und die Leichen weggeschafft wurden.<br />

„Die beiden Waffen werden nicht nur Trophäen<br />

sein, sondern mir sicherlich auch anderweitig<br />

helfen können. Ich rieche die Magie<br />

in ihnen förmlich,“ murmelte er in seinen<br />

Schnurrbart und ging in sein Gemach.<br />

„Ja, und ich weiß auch ganz genau, wer<br />

Mai 2009<br />

als nächstes fällig ist. Diese ganze Horde von<br />

Kleinadeligen nervt mich schon lange. Die<br />

beiden heute waren nur der Anfang“<br />

„Hör mal, ich glaube, unser neuer Herr hat<br />

Großes vor.“<br />

„Ja durchaus, anscheinend ist er dazu noch<br />

fähiger als die letzten beiden und so wie es<br />

aussieht, bleiben wir auch noch zusammen.<br />

Wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren<br />

Freundschaft ist.“<br />

Und der Graf schlief ein und träumte von<br />

Tod, Gewalt und Rache...<br />

Hakims Kochecke<br />

Salbeiblätter ausgebacken<br />

Eine kleine schnelle Knabberei als Abwechslung<br />

zu den üblichen Kartoffelchips<br />

sind ausgebackene Salbeiblätter. Sie<br />

schmecken dazu besser und sind auch<br />

nicht ungesünder.<br />

Man braucht dafür diese Zutaten: 150 g<br />

Mehl, 0,25 l Milch, 1 Ei, Salz, 30-60 Blatt<br />

Salbei und 3 EL Öl.<br />

Nun wäscht man die frischen Salbeiblätter<br />

kurz unter fließend Wasser ab und trocknet<br />

sie anschließend mit Küchenpapier.<br />

Nun das Mehl mit der Milch gut verrühren,<br />

so dass keine Klümpchen mehr im Teig<br />

sind. Den Teig am besten eine Stunde ausquellen<br />

lassen, damit der Teig schön dick<br />

wird. Dann das Ei und eine Prise Salz in den<br />

Teig rühren. In einer beschichteten Pfanne<br />

das Öl erhitzen, danach die Salbeiblätter<br />

einzeln in den Teig tauchen und goldgelb<br />

ausbacken. Ausgebackene Salbeiblätter<br />

besser auf Küchenpapier abtropfen lassen.<br />

Seite 67


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Ritter und Magier<br />

Ritter und Magier<br />

text und Illustration: Matthias Byuken<br />

HABEN S IE EIN ZEITPARADOXON<br />

BEWIRKT,<br />

WÄHLEN S IE DIE 305. . .<br />

UND DER TROLL<br />

TRIFFT DICH. . .<br />

WAR DAS NICHT<br />

EIN ORK?<br />

ORK, OK!<br />

DER ORK TRIFFT<br />

DICH MIT DER AXT!<br />

WAR DAS NICHT EBEN<br />

NOCH EIN HAMMER?<br />

S IND S IE IN EINER PARALL-<br />

ELDIMENS ION GEFANGEN . .<br />

WÄHLEN S IE DIE 306. . .<br />

WOLLT IHR JETZT S PIELEN<br />

ODER RUMMECKERN?<br />

DER NÄCHS TE FREIE MITARBEITER<br />

IS T GLEICH FÜR S IE DA. . .<br />

ICH KOMME AUS<br />

DER ZUKUNFT!!!<br />

ACH<br />

NE!<br />

IHR WÜRFELS ET HAT DURCH S EINE<br />

UNWAHRSCHEINLICHKEITS KONZENTRATION<br />

EINEN RISS IM RAUM ZEIT GEFÜGE ERZEUGT.<br />

ÜBERGEBEN S IE MIR DAS ARTEFAKT UND<br />

S IE WERDEN ENTSCHÄDIGT WERDEN. . .<br />

MAN, INGO. DU HÄTTEST<br />

ALLES HABEN KÖNNEN.<br />

ANTIGRAVITATIONS<br />

GENERATOR!<br />

WARPANTRIEB!<br />

GOLDGEPRESS TES<br />

LATINUM!<br />

EINE EXEKUTOR!<br />

ICH HASS E<br />

HECKENS CHNEIDEN. . .<br />

*HEHE*<br />

Seite 68<br />

Mai 2009


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Rezensionen<br />

VORSTELLUNG UND BEWERTUNG VON SPIELEN, BÜCHERN UND MUSIK<br />

Fanzines<br />

Abenteuer(punkt) #3<br />

Tobias Looschelders<br />

Pünktlich zur RPC erschien im April die dritte<br />

Ausgabe des Fanzines Abenteuer(punkt).<br />

Leider haftet direkt dem Cover ein Druckfehler<br />

an, Allerhand Zeichen wurden durcheinandergeworfen.<br />

Aber halb so wild, der<br />

Fehler fällt auf den ersten Blick nicht auf und<br />

hat die schöne Coverillustration nicht in Mitleidenschaft<br />

gezogen. Allerdings ist auch das<br />

Papier des Einbandes nicht von überzeugender<br />

Qualität. Schon als mein Exemplar zwei<br />

Tage alt war, war das Papier an den Kanten<br />

so stark abgerieben, dass das Heft aussah,<br />

als sei es ein Jahr alt.<br />

Mai 2009<br />

Nichtsdestotrotz kann der 118 Seiten starke<br />

Inhalt mehr überzeugen als die Druckerei.<br />

Die Ausgabe beginnt mit einem Setting für<br />

Feng Shui, was sich recht interessant las, ich<br />

aber nicht verstanden habe. Es bleibt zu hoffen,<br />

dass das an meinen mangelnden Feng<br />

Shui-Kenntnissen lag.<br />

Es folgen drei Seiten Zufallstabellen, die<br />

auf einer besser Platz gefunden hätten. Anschließend<br />

wird ein neues Landungsboot für<br />

Traveller beschrieben. Besonders der detaillierte<br />

Plan macht das Material sehr brauchbar,<br />

nicht unbedingt nur für Traveller.<br />

Das Kernstück der Ausgabe ist allerdings<br />

das DSA-Abenteuer „Reise mit Umwegen“,<br />

was den Abenteuerwettbewerb „Auf Aves<br />

Spuren“ gewonnen hat. Es handelt sich dabei<br />

um ein Reiseabenteuer, welches sehr frei gestaltet<br />

ist. Für mich war es sehr erfrischend,<br />

das sicher mit Abstand ergebnisoffenste<br />

DSA-Abenteuer zu lesen! Der Schreibstil ist<br />

sehr gut und an so mancher Stelle sind neue<br />

Regeln integriert (z.B. für eine Verfolgungsjagd),<br />

die auch sehr solide umgesetzt sind. Die<br />

NSC sind detailliert beschrieben, besonderen<br />

Gefallen hatte ich an den Anweisungen, wie<br />

man diese rollenspielerisch umsetzen kann.<br />

Es sind auch noch einige optionale Ereignisse<br />

eingebunden, die der Spielleiter je nach Bedarf<br />

und Dramaturgie einbauen kann.<br />

Es schließen sich alternative Kampfregeln<br />

vom Hofrat für Traveller an. Ob die Regeln so<br />

kontrovers wie der Autor sind, kann ich allerdings<br />

nicht beurteilen.<br />

Danach jedenfalls beginnt ein Artikel namens<br />

„Gnomenideen“ bei dem mangels einer<br />

Einleitung eigentlich gar nicht klar wird,<br />

worum es genauer geht. Scheinbar gibt es<br />

keinen Systembezug, aber ein paar durchaus<br />

nette Ideen für Gnome.<br />

Drei neue Alienrassen für Forward... to<br />

Adventure! werden dann beschrieben. Mitsamt<br />

typischer Ausrüstung und allerhand<br />

Spielwerten. Darauf folgend werden im Artikel<br />

„Party like it‘s 2.0.2.9.“ Partyregeln für<br />

Cyberpunk dargelegt. Und das mit vielen, vielen<br />

Tabellen. Die Ausgabe schließt mit einem<br />

neuen Initiativesystem für das Nischenspiel<br />

Labyrinth Lord.<br />

Fazit<br />

Insgesamt täte ein schneller erkennbarer<br />

Systembezug bei einigen Artikeln dem Heft<br />

gut. Die Illustrationen haben größtenteils die<br />

Qualität von Fanzines aus den 80er-Jahren,<br />

ohne aber dabei denselben Charme zu haben.<br />

Mir persönlich war das Heft zu tabellenlastig,<br />

kaufen werde ich die Abenteuer(punkt)<br />

aber bestimmt auch weiterhin. Klares Kaufargument<br />

ist sicher das DSA-Abenteuer, das<br />

nicht zu Unrecht den Abenteuerwettbewerb<br />

gewonnen hat!<br />

Greifenklaue Nr. 7<br />

Friederike Schmutzler<br />

Pünktlich zur RPC im April in Köln erschien<br />

die Preview-Ausgaber der Greifenklaue #7.<br />

Wie die aktuelle <strong>Anduin</strong> hat sie als Schwerpunktthema<br />

„Endzeit“.<br />

Schon das Cover mit seiner Zeichnung<br />

von Dirk Kiersztan stimmt den Leser auf das<br />

Thema ein, und auch die Illustration auf der<br />

Umschlaginnenseite erinnert beinahe an die<br />

endzeitlichen Visionen des niederländischen<br />

Malers Hieronymus Bosch.<br />

Der erste Artikel, geschrieben von Oliver<br />

Fedtke (Der Ruf) beschäftigt sich mit der Frage,<br />

was Endzeit genau ist, und was ein endzeitliches<br />

Rollenspiel ausmacht anhand der<br />

Beispiele von Degenesis und Twilight 2000.<br />

Er erläutert den Begriff nicht nur vom religiösen<br />

Standpunkt einer biblischen Apokalypse,<br />

sondern auch „Endzeit“ als Genre der Unterhaltungsliteratur.<br />

So entsteht ein informativer<br />

und interessanter Bericht, der sich gut<br />

und leicht lesen lässt.<br />

Nun folgt „Flutopfer“, ein Abenteuer für<br />

Cthulhu Endzeit. Die Charaktere müssen sich<br />

durch das von Flutkatastrophen zerstörte<br />

Schleswig-Holstein kämpfen, um nach Husum<br />

zu gelangen, wo sie Sicherheit und Hilfe<br />

erwarten.<br />

Das Abenteuer liest sich wie eine Horrorgeschichte<br />

und macht richtig Lust darauf, es<br />

zu spielen. Handouts wie Karten und Briefen,<br />

die übrigens auch unter www.greifenklaue.<br />

de zum Download bereitstehen, unterstützen<br />

das Cthulhu-Feeling. Wer keine eigenen<br />

Charaktere bauen möchte, kann auf die vier<br />

mitgelieferten Pregens zurückgreifen. Sehr<br />

schön auch die Tatsache, dass auf einen auf<br />

den ersten Blick eher unspektakulären Ort<br />

wie Husum, Geburtsstadt des Schriftstellers<br />

Theodor Storm, zurückgegriffen wurde, und<br />

nicht Berlin oder New York im Mittelpunkt<br />

des Geschehens standen.<br />

Anschliessend folgt eine Systemvorstellung<br />

von Mutant Future, ein 2008 erschienenes<br />

Rollenspiel mit einem postapokalyptischen<br />

Hintergrund sowie eine Hintergrundbeschreibung<br />

für die Welt von Noordtyskland und ein<br />

Szenario. Mit einem leichten Augenzwinkern<br />

wird der Leser zunächst in das Norddeutschland<br />

des Jahres 3026 geführt und lernt Orte<br />

wie Hang-Over kennen, dessen Name sich<br />

angeblich aus der Tatsache ableitet, dass<br />

es eine so langweilige Stadt war, dass man<br />

sie nur betrunken ertragen konnte. Zu den<br />

Wertung<br />

Karten-, Brett- und Rollenspiele<br />

bewerten wir in den drei Kategorien<br />

Preis/Leistung (P/L), Aufmachung<br />

(AUF) und Spielspaß (SSP). Aus<br />

diesen Einzelnoten ergibt sich eine<br />

Gesamtwertung, die neben dem Titel<br />

des Spiels im Kasten angezeigt wird.<br />

Die Wertungsskala reicht von einem<br />

Punkt (sehr schlecht) bis sechs Punkte<br />

(genial).<br />

Abenteuer(punkt)<br />

5<br />

Art Rollenspiel<br />

Verlag Abenteuer(punkt)<br />

Sprache Deutsch<br />

Jahr 2009<br />

Preis 4,50 Euro<br />

Seite 69


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Rezensionen<br />

Greifenklaue #7<br />

5<br />

Art Rollenspiel<br />

Verlag Greifenklaue)<br />

Sprache Deutsch<br />

Jahr 2009<br />

Preis 3 Euro<br />

Ortsbeschreibungen gibt es noch Tabellen<br />

für Waffen, Ausrüstung, Transportkosten<br />

und Handelsgüter sowie eine Hexkarte. Das<br />

Szenario „Die Entführung“ spielt ebenfalls in<br />

Noordtyskland: Ein Biker namens Klaus heuert<br />

die Spieler an, seinen verschwundenen<br />

Bruder Klaus zu suchen, der so gänzlich aus<br />

der Art geschlagen ist und sein Brot als Archäologe<br />

verdient.<br />

Den Abschluss dieser Greifenklaue-Ausgabe<br />

bildet der einzige Artikel, der nicht<br />

schwerpunkt-bezogen ist. Es handelt sich um<br />

die Beschreibung von Immerschwinge, eine<br />

Stadt der Avariel-Elfen aus den Vergessenen<br />

Reichen für D & D. Sehr anschaulich wird die<br />

Stadt beschrieben, und der Bericht ist so<br />

gehalten, dass er auch für andere Settings<br />

durchaus nutzbar ist.<br />

Fazit<br />

Die Greifenklaue bietet neben wunderschönen<br />

Illustrationen und einem klaren Layout<br />

auch eine Menge Informationen, seien es<br />

Abenteuer oder Quellenmaterial. Besonders<br />

das Cthulhu-Abenteuer mit seinen sehr gut<br />

ausgearbeiteten Hintergrundinformationen<br />

ist hier hervorzuheben. Aber auch die Artikel<br />

zu Mutant Future, besonders die Weltbeschreibung<br />

und das Szenario, zaubern<br />

dem Leser ein Schmunzeln aufs Gesicht und<br />

lockern so das doch sonst so düstere Genre<br />

der Endzeit ein wenig auf.<br />

Spielleiten<br />

ChaosAmSpieltisch<br />

Das Buch Spielleiten von Dominic Wäsch,<br />

erschienen beim Label “ProIndie” von Red-<br />

Brick (inzwischen bei Prometheus Games,<br />

Anm. der Red.), will das Spielleiten leichter<br />

und spaßiger machen, dem Spielleiter Techniken<br />

an die Hand geben, kurz gesagt, dem<br />

Spielleiten seinen Schrecken nehmen.<br />

Der Inhalt ist aufgemacht wie ein klassisches<br />

Lehrbuch, so folgt jedem Kapitel neben<br />

Beispielen, eine Zusammenfassung und<br />

Übungen. Es behandelt die Themen Aufgaben<br />

des Spielleiters, die Spielgruppe und ihre<br />

Ansprüche, das Vorbereiten der Spielrunde,<br />

sowie das Leiten der selben.<br />

Das Buch selbst ist gegliedert in 5 Kapitel<br />

Seite 70<br />

sowie einen längeren Anhang (mit typischen<br />

Plot-Ideen und Lösungsvorschlägen der Aufgaben)<br />

Aufgaben, Recht und Pflichten<br />

Das erste Kapitel befasst sich mit den<br />

Aufgaben, versucht diese zusammenzufassen<br />

und einige genauer zu erläutern. Ebenso<br />

werden die Rechten und Pflichten eines<br />

Spielleiters besprochen, aber auch Absprachen<br />

innerhalb der Gruppe sind Thema.<br />

Die Spielgruppe<br />

Das zweite Kapitel hat die Spielgruppe<br />

zum Thema. Hier werden zu nächste die<br />

Law’schen Spielertypen vorgestellt, und an<br />

Hand dieser Einteilung typische Spielweisen<br />

des Spieler erläutert. Anhand der Spielertypen<br />

wird danach analysiert, wie wichtig die<br />

beiden Elemente Crunch-Bits und „spannende<br />

Geschichte“ für die einzelnen Spieler sind.<br />

Auch Problemspieler, sowie das Erfassen von<br />

Spielerinteressen mittels Flag Framing wird<br />

besprochen. Als letzter Punkt in diesem Kapitel<br />

wird das Thema Spielspaß innerhalb der<br />

Gruppe, sowie kreative Agenda besprochen.<br />

Leiten und Improvisieren<br />

Das dritte Kapitel bringt einem das Leiten<br />

der Spielrunde nahe. Das Kapitel fängt gleich<br />

mit einem ziemlichen Schocker an, so fordert<br />

es den Spielleiter auf, langweilig zu sein, seine<br />

raffinierten Pläne einfach nicht zu planen,<br />

ja sogar nichts zu tun. Danach wird dieses<br />

genauer erläutert, hin zu der Erklärung, dass<br />

man vor allem versuchen sollte, die Ideen der<br />

Spieler aufzugreifen, und die Stimmung sich<br />

entwickeln zu lassen. Es werden Techniken<br />

vorgestellt, wie man Ideen der Spieler einbindet,<br />

indem man diese einfach zulässt, diese<br />

eingeschränkt zulässt, oder diese ins Gegenteil<br />

verkehrt, ohne sie zu blockieren.<br />

Das Thema Ausspielen von wichtigen Szenen<br />

und Weglassen von unwichtigem wird<br />

behandelt, und die verschiedenen Stufen<br />

dieser Technik aufgeführt.<br />

Ein großer Block befasst sich mit dem Thema<br />

Improvisation, insbesondere Techniken<br />

zur Strukturierung einer Geschichte, zum Beispiel<br />

wie man Routinen passend durchbricht,<br />

oder dass man vor spannungsgeladenen Szenen<br />

Ruhe einkehren lassen sollte.<br />

Als letzter Punkt wird dem SL noch nahe<br />

gelegt, körperlich ausgeruht zum Spielen zu<br />

erscheinen, damit er seine volle Aufmerksamkeit<br />

den Spielern zu kommen lassen kann.<br />

Vorbereitung<br />

Das vierte, und umfangreichste, Kapitel behandelt<br />

die Vorbereitung, und steht scheinbar<br />

in Teilen im Widerspruch zum vorherigen<br />

Kapitel.<br />

Eine wichtige Prämisse in diesem Kapitel<br />

ist, dass die Vorbereitung möglichst wenig<br />

Zeit in Anspruch nimmt und gleichzeitig Spaß<br />

macht, aber auch das Ziel, dass das Spiel allen<br />

Spielern gefällt.<br />

Als erstes werden in diesem Kapitel die<br />

Abenteuergrundtypen kurz vorgestellt, sowie<br />

Mischformen derer (wobei die Kampagne<br />

in diesem Fall als eine Mischform aufgeführt<br />

wird).<br />

Es folgt die Vorstellung von inhaltlichen<br />

Strukturen und zentralen Konflikten, wobei<br />

hier besonders die 36 Zentralen Konflikte<br />

von Georges Polti hervorgehoben werden<br />

(und sei es nur dadurch, dass diese Teil des<br />

Anhangs sind).<br />

Danach folgen aufeinander aufbauend die<br />

Vorstellung von Mind-Map-Techniken, Relationship-Maps,<br />

sowie Conflict-Webs und wie<br />

man aus ihnen Abenteuer entwickeln kann.<br />

Anschließend wird die Entwicklung von<br />

Spielleiter-Charakteren besprochen, welche<br />

Rollen sie spielen können und welche Gruppen<br />

es gibt, wie wichtig die Ausarbeitung<br />

der einzelen Gruppen ist. Hier werden auch<br />

die Flaggen aus dem Kapitel zur Spielgruppe<br />

wieder aufgegriffen.<br />

Danach folgen Tipps, wie man eine schon<br />

angespannte Situation weiter eskalieren<br />

lässt, sowie die Gruppe in ein Dilemma führen<br />

kann.<br />

Abschließend werden noch die Aufgaben<br />

behandelt, welche ein Schauplatz eines<br />

Abenteuers haben kann..<br />

Techniken<br />

Das fünfte Kapitel behandelt Spieltechniken,<br />

und man kann es sich am besten als<br />

ein Kramskiste vorstellen, aus der jeder SL<br />

sich picken sollte, was er braucht. Hier sind<br />

Techniken zur Darstellung von Spielleiter-<br />

Charakteren untergebracht, Techniken um<br />

Tempo ins Spiel zu bringen, das Überlassen<br />

von NSCs an Spieler, und vieles mehr.<br />

Ein Teil des Kapitels befasst sich mit situationsabhängigen<br />

Entscheidungen, wie und<br />

wann man die Regeln biegen muss, um bestimmte<br />

Meta-Probleme (zum Beispiel Würfelorgien)<br />

zu verhindern, und gleichzeitig für<br />

die Spieler die Konsequenzen abschätzbar zu<br />

halten.<br />

Das Kapitel schließt sich mit der Vorstellung<br />

der vermeintlichst häufigsten Spielleiterfehlern,<br />

und der Erklärung, warum diese<br />

meist keine sind.<br />

Abschluss<br />

Der Anhang beinhaltet neben den 36<br />

zentralen Konflikten von Georges Polti die<br />

Mai 2009


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

Lösungen zu den Übungsaufgaben aus den<br />

einzelnen Kapiteln, besser gesagt Lösungsvorschlägen,<br />

sowie einer ausführlichen Literatur-<br />

und Linkliste.<br />

Layout<br />

Das Buch ist als 175seitiges Softcover aufgemacht.<br />

Der Umschlag ist in Blau gehalten<br />

mit orangenen Einwürfen. Das Layout ist<br />

klar und sauber, sowohl Schreibstil als auch<br />

Schrift einfach zu lesen. Insgesamt macht das<br />

Buch einen sehr professionellen Eindruck.<br />

Die Haltbarkeit ist leider etwas begrenzt,<br />

nach nur 2 Tagen Mitführens im Rucksack<br />

(als typischer Bahnfahrer lese ich viel unterwegs)<br />

ist das Buch weitestgehend verbogen,<br />

eine Ecke sogar verknickt.<br />

Kritik<br />

Das Buch behandelt auf eine kurzweilige<br />

Weise eine Reihe von Themen, die für jeden<br />

Spielleiter wichtig sind. Sehr zu loben ist, dass<br />

das Buch weder einem bestimmten Spielstil,<br />

noch einem bestimmten System den Vorzug<br />

gibt, sondern sehr allgemein bleibt, und die<br />

Beispiele aus vielen Genres kommen. Die<br />

Gliederung ist verständlich, und die Übungen<br />

meist hilfreich.<br />

Das vieles in dem Buch optional gehalten<br />

ist, und sich jeder Spielleiter die für sich passende<br />

Technik raussuchen kann, ist sehr praktisch,<br />

und verhindert eine Überfrachtung des<br />

ratsuchenden Spielleiters.<br />

Nachteilig an dem Buch ist sicherlich, dass<br />

die Entwicklung von Abenteuern (auch wenn<br />

sie einen Großteil des Buches ausmacht) an<br />

einigen Stellen ein bisschen zu kurz kommt.<br />

Das Kapitel ist zwar für jeden Spielleiter mit<br />

Erfahrung optimal, einem wirklich Anfänger<br />

ist aber oft damit nicht geholfen, hier sollte<br />

ergänzend “Methodische Spielleitung” von<br />

Florian Berger hinzugezogen werden.<br />

Was ich in dem Buch vollständig vermisst<br />

habe ich ein Kapitel zu Belohnung von Spieler,<br />

einzig und allein beim Thema Crunch Bits<br />

wurde es angerissen, aber da Crunch Bits<br />

nicht die einzige Möglichkeit (neben den<br />

allgegenwärtigen Erfahrungspunkten) sind,<br />

wären hier mehr sinnvoll gewesen.<br />

Als teilweise gewöhnungsbedürftig ist<br />

die komplette Übersetzung von englischen<br />

Spielleiten<br />

5<br />

Art Spielhilfe<br />

Verlag RedBrick / Prometheus<br />

Games<br />

Sprache Deutsch<br />

Jahr 2008<br />

Preis 16,95 Euro<br />

Mai 2009<br />

Fachbegriffen, da dabei vieles verloren geht<br />

(auch wenn die Übersetzung von Powergamer<br />

in Optimierer perfekt gelungen ist). So<br />

ist die Übersetzung von Butt-Kicker bei den<br />

Spielertypen in Frustbomber meiner Meinung<br />

nach unzureichend. Auch das anstelle<br />

des Ausdruckes Nicht-Spieler-Charakter<br />

(NSC) der Ausdruck Spielleiter-Charakter<br />

(SLC) gewählt wurde, ist immer dann sehr<br />

gewöhnungsbedürftig, wenn die Abkürzung<br />

benutzt wird.<br />

Fazit<br />

Für einen blutigen Anfänger ist dieses Buch<br />

sicherlich nur bedingt geeignet, da vieles,<br />

was einen Anfängerspielleiter beschäftigt<br />

nur sehr kurz angerissen wird. Für jemanden<br />

mit einiger Erfahrung im Spielleiten und<br />

Abenteuer selbst schreiben (und ich rede hier<br />

sicherlich von Monaten nicht von Jahren), ist<br />

dieses Buch ein große Hilfe, um seine Techniken<br />

zu verfeinern, aber auch um mehr über<br />

seiner Spieler zu erfahren. Die Einordnung<br />

von uns selbst in die Law’schen Spielertypen<br />

hat sehr viel Spaß in unsere Runde gebracht.<br />

Wer sich die ultimative Lösung für seine<br />

schwierige Spielrunde erhofft, wird sie hier<br />

nicht finden. Aber er kann Wege finden, mit<br />

den Problemen fertig zu werden, ohne dass<br />

sich die Runde auflösen muss.<br />

Als wichtigstes Ziel des Buches würde ich<br />

sagen, ist es, eine Spielrunde dahin zu bringen,<br />

dass alle Spaß haben am Spiel, Spieler<br />

wie Spielleiter gleichermaßen.<br />

Angst vor schwerer Sachliteratur oder<br />

langweiligem Lehrbuch braucht niemand zu<br />

haben, das Buch ist leicht zu lesen, die Beispiele<br />

lebensnah, und alles ist schnell nachvollziehbar.<br />

Das Buch ist, von wenigen kleinen Kritikpunkten<br />

abgesehen, rundumgelungen, und<br />

fast ein Muss für einen engagierten Spielleiter.<br />

Da es auch Webseiten gibt, die ähnliches<br />

bieten, nur fast.<br />

Warhammer 40k -<br />

Schattenjäger<br />

Friederike Schmutzler<br />

Wir schreiben das 41. Jahrhundert. Düstere<br />

Zeiten ziehen herauf, denn Abschaum und<br />

Irrgläubige bedrohen das Imperium. Die Inquisition<br />

hat alle Hände voll zu tun, und sie<br />

braucht Hilfe. Als Akolythen und Gehilfen eines<br />

Inquisitors stellen sich die Spieler in den<br />

Dienst des Imperators, um den wahren Glauben<br />

verteidigen. Die Heerscharen der Inquisition<br />

sind vielfältig, nicht nur der Beruf und die<br />

Karrierepfade, die ein Spieler auswählt, formen<br />

und prägen den Charakter, sondern auch<br />

die Welt,<br />

von der der<br />

C harakter<br />

s t a m m t .<br />

Zur Auswahl<br />

stehen<br />

Urzeitwelten,<br />

auf<br />

denen das<br />

Leben rauh<br />

und hart ist,<br />

die Makropolwelten<br />

mit ihren<br />

Megaplexen, auf denen ein Großteil der Bewohner<br />

niemals den Himmel sieht, imperiale<br />

Welten, denen in ihrer Vielfalt eines gemeinsam<br />

ist: die Treue zum Gott-Imperator, oder<br />

aber der Charakter ist ein Kind der Leere und<br />

auf einem der Schiffe geboren, die den Raum<br />

durchkreuzen. Hat man seine Heimatwelt<br />

gewählt, folgen die Werte bzw. Grundfähigkeiten<br />

wie Kampfgeschick oder Widerstand.<br />

Diese Werte werden mit 2W10 ausgewürfelt,<br />

je nach Heimatwelt wird noch ein Modifikator<br />

dazugezählt. Ausserdem kann der Spieler<br />

anhand einer Tabelle nachlesen, was der jeweilige<br />

Wert für seinen Charakter bedeutet,<br />

also ob es sich um einen schwächlichen oder<br />

einen überdurchschnittlichen SC handelt.<br />

Abhängig von der Herkunft können dann<br />

anschliessend Berufe gewählt werden, hier<br />

gibt es die folgenden Möglichkeiten: Abschaum<br />

wie Gangster, Diebe und Ausgestossene<br />

gibt es auf allen Welten sowie den<br />

Schiffen und Raumstationen der Kinder der<br />

Leere. Auch Assassinen finden sich in allen<br />

Welten, ebenso wie die imperialen Psioniker,<br />

jene Mitglieder der Inquisition, die über übernatürliche<br />

und fremdartige Kräfte verfügen.<br />

Soldaten, die Krieger und Kämpfer in Schattenjäger,<br />

findet man überall ausser bei den<br />

Kindern der Leere. Ausser ihnen können aber<br />

nur noch Bewohner der Makropolwelten<br />

den Beruf des Klerikers erlernen, die Angehörigen<br />

der Ekklesiarchie, der Priesterschaft<br />

des Imperiums. Nur von diesen beiden Welten<br />

kommen auch die anderen Geistlichen,<br />

die Techpriester, die das uralte Wissen über<br />

die Maschinen hüten und sich auch selbst<br />

in langwierigen Ritualen technische Komponenten<br />

einbauen lassen. Die Ordnungshüter<br />

des Imperiums, die Arbitratoren, kommen<br />

von allen Welten ausser den Urzeitwelten,<br />

genau wie die Gelehrten, die Adepten.<br />

Neben Grundfertigkeiten und Grundeigenschaften,<br />

die sich aus der Herkunftswelt<br />

ableiten wie zum Beispiel die Heimatsprache<br />

als Fertigkeit oder „Eiserner Magen“ als<br />

eine Eigenschaft bei Urzeitwelt-Bewohner<br />

beispielsweise, gibt es auch für jeden Beruf<br />

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Rezensionen<br />

Anfangsfertigkeiten, Anfangstalente und Anfangsausrüstung.<br />

Abschliessend bekommt<br />

der Charakter noch Lebenspunkte, die anzeigen,<br />

wieviel Schaden er erleiden kann,<br />

Schicksalspunkte, die für besondere Aufgaben<br />

benötigt werden, die Bewegungsrate in<br />

m pro Runde sowie das Anfangsvermögen,<br />

das monatliche Einkommen und Anfangs-<br />

Erfahrungspunkte. Jeder Charakter erhält zu<br />

Beginn 400 dieser Punkte, mit denen er sich<br />

neue Fertigkeiten und Talente kaufen oder<br />

vorhandene Werte steigern kann. Wer nicht<br />

weiss, was er steigern oder kaufen möchte<br />

oder einfach nicht lange suchen will, für den<br />

gibt es die „Schnellstart-Charaktere“: vier<br />

Steigerungen für jeden Beruf, die man sich<br />

mit den Anfangs-Erfahrungspunkten kaufen<br />

kann.<br />

Für die würfelfreudigen oder auch vielleicht<br />

phantasieloseren Spieler gibt es abschliessend<br />

noch einige Tabellen, mit denen<br />

sie das Aussehen, Alter, besondere Kennzeichen<br />

oder Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit<br />

auswürfeln können. Auch wenn ein Spieler<br />

vielleicht bereits ein festes Bild seines Charakters<br />

hat, so können diese Tabellen durchaus<br />

hilfreich sein.<br />

Sobald ein Charakter einige Erfahrungspunkte<br />

gesammelt hat, kann er aufsteigen.<br />

In Schattenjäger haben die Spieler drei Möglichkeiten,<br />

ihre Charaktere zu verbessern:<br />

durch Wertesteigerung oder die Verbesserung<br />

bzw. das Erlernen von Fertigkeiten und<br />

Talenten. Diese Dinge sind abhängig von den<br />

Rängen und Karrierepfaden, die ein Spieler<br />

gewählt hat. Ränge spiegeln die Erfahrung<br />

eines Charakters wieder, denn anhand der<br />

Erfahrungspunkte, die ein Spieler bereits<br />

ausgegeben hat, um seinen Charakter zu<br />

verbessern, lässt sich auch der Rang ablesen.<br />

Hat beispielsweise der Spieler eines Adepten<br />

bereits 3000 EP ausgegeben, so hat sein<br />

Charakter den Rang eines Scholars erreicht.<br />

In den Beschreibungen jedes einzelnen Karrierepfads<br />

finden sich Tabellen, aus denen<br />

abgelesen werden kann, welche Fertigkeiten<br />

und Talente auf dieser Rangstufe erwerbbar<br />

sind. Einige sind ohne Voraussetzungen<br />

möglich, für andere müssen erst bestimmte<br />

andere Fertigkeiten, Talente oder gesteigerte<br />

Werte erlangt werden.<br />

Nach der ausführlichen Beschreibung der<br />

Karrierepfade folgen zwei Kapitel zu Fertigkeiten<br />

und Talenten. Bei Fertigkeiten wird<br />

unterschieden zwischen Grundfertigkeiten,<br />

auf die jeder Charakter würfeln kann, und<br />

Ausbaufertigkeiten, die nur derjenige einsetzen<br />

kann, der sie tatsächlich auf seinem Charakterbogen<br />

stehen hat.<br />

Talente stehen in Schattenjäger für Spezialfertigkeiten<br />

wie Psikräfte oder die Fähigkeiten<br />

der Techpriester, allerdings wird<br />

ersteren auch ein ausführliches eigenes Kapitel<br />

gewidmet. Die Talente selbst stehen mit<br />

Voraussetzungen für ihren Erwerb und ihren<br />

Vorzügen in einer Tabelle, allerdings werden<br />

sie auch alle noch ausführlich erklärt.<br />

Nach Karrierepfad, Fertigkeiten und Talenten<br />

folgt die Ausrüstung. Neben Waffen, die<br />

die Charaktere in den verschiedensten Ausführungen<br />

erwerben können, gibt es Rüstungen,<br />

Kleidungsgegenstände, die nützlich<br />

sein können, Drogen und Verbrauchsgüter,<br />

Werkzeuge und Dienstleistungen zu kaufen<br />

so wie Cyberware in Form von Prothesen<br />

oder Implantaten.<br />

Für diejenigen unter den Spielern, die sich<br />

entschlossen haben, Psioniker zu spielen,<br />

folgen nun die Psikräfte. Es gibt nicht nur<br />

verschiedene Arten von Psionikern, sondern<br />

auch unterschiedliche Psi-Disziplinen wie<br />

zum Beispiel Biomantie. Psi-Kräfte anwenden<br />

ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden,<br />

denn sobald ein Psioniker seine Kräfte<br />

einsetzt, kann er auch jenen Wesen im Warp,<br />

die nur auf eine solche Gelegenheit warten,<br />

Tür und Tor öffnen. Würfelt der Spieler zum<br />

Beispiel eine Neun, so wird ein Psi-Phänomen<br />

eintreten, und wenn beim Auswürfeln des<br />

Phänomens mehr als 75 erreicht wird, so treten<br />

die „Gefahren des Warp“ in Kraft, die bis<br />

zur Auslöschung des Psionikers führen können.<br />

Wenn die Charaktere nun fertig erstellt<br />

sind, wird es Zeit, sie ins Spiel zu führen. Im<br />

Kapitel unter dieser Überschrift findet sich<br />

zunächst die Erklärung für Würfe gegen<br />

Werte. In Schattenjäger reicht es nicht nur,<br />

den Wert zu unterbieten oder zu treffen, es<br />

können auch Erfolgs – oder Misserfolgsgrade<br />

ermittelt werden, also wie gut oder wie<br />

schlecht ein Charakter seine Probe abgelegt<br />

hat, was natürlich Auswirkungen auf das<br />

weitere Spiel haben kann. Auch im Kampf<br />

kommt dieses System zum Einsatz, was das<br />

Spiel sehr dynamisch und cinematisch gestaltet.<br />

Desweiteren wird auch der Einsatz<br />

von Schicksalspunkten erklärt: ähnlich wie<br />

zum Beispiel Karmapunkte in Shadowrun 3<br />

können diese Punkte eingesetzt werden, um<br />

eine misslungene Probe ein zweites Mal zu<br />

würfeln oder ähnliches. Eingesetzte Punkte<br />

sind dann für die jeweilige Spielsitzung verloren<br />

und erst in der nächsten Runde wieder<br />

einsetzbar.<br />

Zusätzlich zu den Kampfregeln gibt es natürlich<br />

auch die Regeln für Schaden und Heilung.<br />

Erwähnenswert sind hier die kritischen<br />

Treffer, die zum tragen kommen, wenn ein<br />

Charakter mehr Schaden nimmt, als er noch<br />

Lebenspunkte besitzt. Es gibt vier verschiedene<br />

Arten von Schaden, die dann in Kraft<br />

treten können: Energie -, Explosions -, Wucht<br />

– oder Reißschaden, deren Auswirkungen<br />

auch abhängig ist von der Trefferzone (Kopf,<br />

Arm, Körper oder Bein). Hierzu gibt es 16 Tabellen,<br />

in denen genau beschrieben ist, was<br />

dem Charakter zustösst bei kritischem Schaden.<br />

Teilweise sind die Auswirkungen relativ<br />

harmlos und setzen die Figur nur für einige<br />

Zeit ausser Gefecht bzw. modifizieren die<br />

Mindestwürfe, doch viele Effekte sind sehr<br />

drastisch und tödlich.<br />

Doch nicht nur körperlich wird den Charakteren<br />

in Schattenjäger einiges zugemutet,<br />

auch ihre Seele ist in Gefahr, denn die Schrecken,<br />

die auf die Akolythen warten, sind<br />

vielfältig und führen sie in unaussprechliche<br />

Abgründe.<br />

Es beginnt mit Angst, die jeden Charakter<br />

befallen kann, wenn er in einer erschreckenden<br />

Situation einen Wurf auf Willenskraft<br />

nicht schafft. Dann wird die Schocktabelle<br />

konsultiert, aus der hervorgeht, wie der Charakter<br />

auf das Erlebnis reagiert.<br />

Während man sich von einem Schock und<br />

Angst noch sehr leicht und schnell erholen<br />

kann mittels eines neuen Willenskraft-Wurf,<br />

sieht es beim Wahnsinn schon anders aus.<br />

Dieser wird in Wahnsinnspunkten gemessen,<br />

und bei jeweils 10 Punkten muss der Charakter<br />

einen Traumawurf machen. Misslingt dieser,<br />

gibt es ein geistiges Trauma. Steigt der<br />

Wahnsinn, so kann es auch zu Geistesstörungen<br />

kommen wie zum Beispiel eine Phobie<br />

oder eine Zwangshandlung. Je wahnsinniger<br />

ein Charakter ist, desto schwieriger werden<br />

auch seine Würfe, um geistigen Traumata zu<br />

widerstehen. Sobald der Wahnsinn auf 100<br />

Punkte angestiegen ist, ist der Charakter ihm<br />

vollständig verfallen und somit nicht mehr<br />

spielbar.<br />

Ähnlich fürchterlich wie der Wahnsinn ist<br />

die Verderbnis. Verderbnispunkte funktionieren<br />

von der Systematik her wie Wahnsinnspunkte,<br />

doch erleidet man sie durch<br />

Erlebnisse mit den Wesen aus den Tiefen des<br />

Warps oder durch die Beobachtung finsterer<br />

Rituale. Während der Wahnsinn den Geist<br />

des Charakters bedroht, stellt die Verderbnis<br />

eine Gefahr für seine moralische Integrität<br />

dar. Mächtige Wesen wie Slaanesh, der Fürst<br />

der Lust, versuchen die Charaktere vom Pfad<br />

der Tugend abzubringen und sie zu finsteren<br />

Pakten zu überreden. Im Gegensatz<br />

zum Wahnsinn ist bei der Verderbnis auch<br />

am Körper eines Charakters zu sehen, wie<br />

sehr er schon verderbt wurde anhand von<br />

sogeannten Metastasen. Metastasenwürfe<br />

werden bei jeweils zehn Verderbnispunkten<br />

Seite 72<br />

Mai 2009


Rezensionen<br />

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gemacht.<br />

Verliert ein Charakter sogar mehr als 30<br />

Verderbnispunkte, muss er würfeln, ob er<br />

nicht auch noch eine Mutation davonträgt.<br />

Soweit wäre die Spielsystematik abgehandelt,<br />

die folgenden vier Kapitel bieten Hintergrundmaterial<br />

zur Spielwelt von Schattenjäger.<br />

Der Aufbau der Feudalordnung des<br />

Imperiums wird ebenso beschrieben wie die<br />

verschiedenen Arten von Planeten und die<br />

einzelnen Orden der Inquisition. Sternkarten<br />

und die Symbole der einzelnen Gruppierungen<br />

runden das Gesamtbild ab. Mögliche<br />

Gegner, ob nun Alien oder Ketzer, werden<br />

vorgestellt mit ihren Werten sowie ebenfalls<br />

mit Porträts, um zu illustrieren, mit wem es<br />

die Akolythen da zu tun bekommen können.<br />

Im letzten Kapitel findet sich das Abenteuer<br />

„Erleuchtung“, um sofort mit dem Spiel zu<br />

beginnen.<br />

Fazit<br />

Schattenjäger ist düster, tödlich und mit<br />

Sicherheit nichts für schwache Nerven. Auswirkungen<br />

wie zum Beispiel eine Explosion,<br />

die Kopf und Körper zerstört oder die Folgen<br />

von Wahnsinn und Verderbnis könnten den<br />

einen oder anderen Spieler abschrecken,<br />

auch wenn im Vorwort explizit darauf hingewiesen<br />

wird, dass Schattenjäger eben solche<br />

Themen anspricht. Wer sich darauf einlässt,<br />

findet eine fremdartige, doch faszinierende,<br />

endzeitliche Welt mit ausführlich ausgearbeiteten<br />

Regeln und Anmerkungen, ein cinematisches<br />

System, in dem nicht nur der Wurf,<br />

sondern auch seine Qualität entscheidet, wie<br />

eine Probe ausgeht, sowie Hintergrundmaterialien<br />

zur Spielwelt und den Fraktionen. Im<br />

Grunde genommen ist Schattenjäger sogar<br />

zwei Bücher in einem: zum einen das Grundregelwerk,<br />

dass auch von Rollenspielneulingen<br />

problemlos genutzt werden kann, durch<br />

seine klare Strukturierung in Form und Inhalt,<br />

viele Beispielen und die detaillierte Erklärung<br />

zu jedem Themengebiet, seien es nun die<br />

Charaktererschaffung, Psikräfte oder auch<br />

die Rolle des Spielleiters. Letzteres ist wieder<br />

ein guter Hinweis auf die Einsteigerfreundlichkeit<br />

von Schattenjäger, genau wie das<br />

Abenteuer im letzten Kapitel. Zum Anderen<br />

Schattenjäger<br />

5<br />

Art Rollenspiel<br />

Verlag Feder und Schwert<br />

Sprache Deutsch<br />

Jahr 2008<br />

Preis 49,95 Euro<br />

ist es aber auch ein Quellenbuch mit Informationen<br />

über die Welt des 41. Jahrtausends im<br />

Imperium und die Inquisition sowie zu den<br />

Feinden, die auf die Charaktere lauern. Mehr<br />

kann man von einem Grundregelwerk wirklich<br />

nicht verlangen!<br />

Heredium<br />

Friederike Schmutzler<br />

Was wäre<br />

wenn.. der<br />

Mond eines<br />

Tages vom<br />

Himmel fiele?<br />

Was zunächst<br />

ein<br />

wenig nach<br />

Kindermärchen<br />

klingt,<br />

ist in Heredium<br />

grausame<br />

Wahrheit geworden: Im Jahr 2190 stürzt<br />

der stille Begleiter auf die Erde und begräbt<br />

mehrere Millionen Menschen unter sich.<br />

Flutwellen und Erdbeben sind die Folge, das<br />

Antlitz der Erde wird sich für immer drastisch<br />

verändern. Zehn Jahre danach beginnen die<br />

Charaktere, sich ihren Weg in dieser Welt zu<br />

suchen, der Welt von Heredium.<br />

Schon vor dem Mondfall gab es bereits Veränderungen,<br />

die Tiere mutierten und wurden<br />

grösser, intelligenter und vor allen Dingen<br />

gefährlicher. Urwälder aus genetisch veränderten<br />

Bäumen bedecken Teile Mitteleuropas<br />

und Skandinaviens. Das Klima weltweit<br />

hat sich geändert, es ist wärmer als in den<br />

Jahren zuvor, ganze Landstriche sind unbewohnbar<br />

geworden oder zur Heimat grausamer<br />

Stämme wie den Bodysnatchern geworden.<br />

Auch das geographische Aussehen der<br />

Erde hat sich geändert, kein Kontinent sieht<br />

mehr aus wie früher. Länder sind unter den<br />

Wassermassen verschwunden, neue Gebirge<br />

wie das Tjukurrtjana, die „Welt gestaltende<br />

Traumzeit“, in Australien entstanden. Städte<br />

wurden zerstört und ihre Ruinen von marodierenden<br />

Banden übernommen, oder aber<br />

sie entstanden neu wie Eden oder Hirohito<br />

City. Die Gesamtbevölkerung der Erde ist<br />

erheblich geschrumpft, es leben inzwischen<br />

nur noch 60 Millionen Menschen, deren Leben<br />

sich an die neuen Gegebenheiten anpassen<br />

muss, jeder auf seine Weise.<br />

Afrika ist nun die Heimat der Hezekieliten,<br />

einer Gruppe von religiösen Stammesbrüdern,<br />

in deren Adern sich Naniten finden, die<br />

ihnen scheinbar übermenschliche Kräfte verleihen.<br />

Die Hezekieliten sind die zweitgrösste<br />

religiöse Gruppierung in Heredium, sie glauben<br />

an das Wort des Propheten Hezekiel und<br />

die Macht des Wassers. Sie sind hierarchisch<br />

gegliedert in Sebuloniten, die so etwas wie<br />

Laienbrüder oder Gemeindemitglieder sind,<br />

Manassari, die Missionare, Issacharten, die<br />

Glaubenskrieger, die dem Meer entsteigen,<br />

die Deikalhawa, Ausgestossene, die gegen<br />

das Wort Hezekiels verstossen haben und<br />

Zadokaner, die Hohepriester mit den beinahe<br />

magischen Fähigkeiten.<br />

Bis auf die Deikalhawa sind alle diese Gruppierungen<br />

auch spielbar. Zu jedem „Beruf“<br />

(auch bei den anderen Zivilisationen / Gruppierungen)<br />

finden sich neben Hintergrundinformationen<br />

entsprechende Spielwerte wie<br />

wichtige Attribute, automatische Fertigkeiten,<br />

Vorteile und Nachteile sowie die Ausrüstung.<br />

Die Hezekieliten sind eine der Gruppen in<br />

Heredium, deren Entwicklungslevel sich noch<br />

auf Stufe Eins befindet, ihr technischer und<br />

auch medizinischer Sachverstand entspricht<br />

dem Niveau des Mittelalters, Bewaffnung ist<br />

in Gegenden mit diesem Entwicklungslevel<br />

auch eher ein Knüppel als eine MP. Insgesamt<br />

gibt es vier Level, die von „rudimentär“<br />

bis zu „hochtechnisiert“ reichen. Das jeweilige<br />

Level einer Zivilisation wird bei dieser<br />

angegeben, es beschreibt unter anderem<br />

die Verfügbarkeit von Waffen, Waren und<br />

technischen Gerätschaften für das jeweilige<br />

Gebiet. aren auf Level I sind praktisch überall<br />

zu erhalten, Waren auf Level IV fast nur in<br />

Hirohito City.<br />

Die geheimnisvollen Debellatoren bevölkern<br />

vorrangig das vom Mondfall stark in<br />

Mitleidenschaft gezogene Nordamerika.<br />

Niemand weiss genau, was die Debellatoren<br />

sind, ob nur eine Mutation oder der nächste<br />

Sprung in der Evolution des Menschen.<br />

Feststeht, dass sie in den Gesellschaften der<br />

Nichtdebellatoren nicht gerne gesehen werden,<br />

so dass sie sich in ihre eigenen Habitate<br />

zurückgezogen haben. Das Ziel und Ideal<br />

der Debellatoren ist das Leben im Einklang<br />

mit der Natur, nicht von ungefähr ähneln sie<br />

daher wohl in ihrem Äusseren den nordamerikanischen<br />

Ureinwohnern. Die Debellatoren<br />

unterteilen sich in drei verschiedene Clans:<br />

Umbra, dessen Mitglieder ihren Schwerpunkt<br />

in ihren geistigen und intellektuellen<br />

Fähigkeite sehen, Tonitrus, die kriegerisch<br />

ausgerichtet sind, und Serpentis, die ruhigen<br />

ausgleichenden Nahkampfmeister. Die Clans<br />

pflegen untereinander ein freundschaftliches<br />

Verhältnis und heissen Mitglieder anderer<br />

Clans jederzeit willkommen.<br />

Unabhängig von ihrem Clan können die<br />

Debellatoren verschiedene Berufe erlernen:<br />

Proculator, eine Art Politiker, Faber, die<br />

Mai 2009<br />

Seite 73


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Rezensionen<br />

Seite 74<br />

Handwerker und Bauer, kurz: die Versorger<br />

der Gemeinschaft, Scriptor, die Hüter<br />

des Wissens und der Schriften, Venator, die<br />

Kundschafter, die die endlose Steppe durchstreifen<br />

und Proeliator, Beschützer und Krieger.<br />

Am anderen Ende der noch existenten<br />

Welt befindet sich das Revier der Raging Bull.<br />

Auch die Zugehörigkeit zu dieser Gruppierung<br />

ist meistens von einem gemeinsamen<br />

prägenden körperlichen Merkmal abhängig:<br />

Durch ihre meist ärmliche Herkunft und die<br />

daraus resultierende medizinische Versorgung<br />

haben fast alle Raging Bull Mutationen<br />

wie Kiemen, Knochenwaffen oder Albinismus.<br />

Die Raging Bull agieren als Freibeuter, moderne<br />

Piraten und Händler in einem an der<br />

Küste Australiens, sie sind Söldner (Mercs),<br />

Händler (Trader), Seefahrer (Seagull), Tüftler<br />

(Scrap) oder Assassinen (Silencer).<br />

Die zweite grosse religiöse Fraktion in Heredium<br />

ist die Nordallianz, die weite Teile des<br />

ehemaligen Europas umfasst. In der Hauptstadt<br />

Eden, dem ehemaligen Berlin, findet<br />

sich der Sitz der Hegemonialkirche, politisch<br />

wird der Staat jedoch von Kirche, Gardisten<br />

und Industriellen gleichermassen geleitet.<br />

Aus eben diesen drei Mächten, genannt Konzil,<br />

Kommissariat und Konsorotium, rekrutieren<br />

sich die spielbaren Berufe für Charaktere<br />

aus der Nordallianz: Zunächst die Akolythen,<br />

die vom kleinen Dorfpfarrer bis zum Bischof<br />

reichen können, dann die Inquisitoren, die<br />

auch 2200 immer noch gebraucht zu werden<br />

scheinen, die Allianzgardisten, Militärs<br />

und Krieger und die Postindustriellen, die ein<br />

wenig an die Industriellen und Fabrikbesitzer<br />

des späten 19. Jahrhunderts erinnern.<br />

Etwas ausserhalb dieser drei Pfeiler der<br />

Nordallianz-Gesellschaft scheinen die Pioniere<br />

zu stehen, Kundschafter und Arbeiter,<br />

die von den Postindustriellen angeheuert<br />

werden, um verwüstete Landstriche wieder<br />

begehbar zu machen für neue Fabriken oder<br />

um Strassen und Wege anzulegen.<br />

Während die Raging Bull und die Nordallianz<br />

schon wieder ein Entwicklungslevel der<br />

Stufe 3, modern, erreicht haben, ist es in<br />

Temora, der asiatischen Zivilisation, auf der<br />

höchsten Stufe. Dort leben die Menschen<br />

in der Biosphäre von Hirohito City, benannt<br />

nach ihrem Erbauer James Hirohito. Acht<br />

Millionen Menschen drängen sich unter der<br />

Kuppel, und heute wie damals gibt es inzwischen<br />

Platzprobleme. Die Kriminalitätsrate<br />

ist hoch, und so ist es kein Wunder, dass in<br />

Temora und Hirohito City neben dem Militär,<br />

den Temora Armed Forces, auch noch die<br />

Han No Hoqosha, Privatarmeen der herrschenden<br />

Familien, tätig sind. Desweiteren<br />

wird viel Wert auf Forschung und Wissenschaft<br />

gelegt, das Gebiet der Temora Tech<br />

Forces, deren Aufgabe primär allerdings ist,<br />

den Zentralrechner „Eye“ zu warten und zu<br />

betreuen, die jedoch auch Kampfdrohnen<br />

programmieren könnten, und des Temora<br />

Science Institute.<br />

Doch nicht jeder Charakter in Heredium<br />

lässt sich so einfach in eine Schublade aus Zivilisation<br />

und Beruf stecken. Es gibt auch diejenigen,<br />

die frei von Clans – oder Familienbanden<br />

durch die Welt streifen, die Nomaden. Es<br />

gibt sie in allen Gebieten des Planeten, ihre<br />

Berufswahl ist so frei wie ihre Lebensweise.<br />

Neben den fünf grossen Zivilisationen gibt<br />

es noch verschiedene Randgruppen wie<br />

die bereits erwähnten Bodysnatcher oder<br />

die Deikalhawa. Diese Gruppen findet man<br />

überall in der Welt, und manche von ihnen<br />

sind den grossen Fünf wohlgesonnen, doch<br />

andere sind geprägt von Hass auf die, denen<br />

es besser erging und dem Kampf um das tägliche<br />

Überleben.<br />

Auch untereinander sind sich die Hezekieliten,<br />

die Nordallianz, die Debellatoren, Temora<br />

und Raging Bull nicht grün. Bei jeder Zivilisation<br />

findet sich eine kurze Beschreibung,<br />

wie man den jeweils anderen gegenüber eingestellt<br />

ist, und es sind wenig freundschaftliche<br />

Gefühle dabei.<br />

So komplex und vielschichtig die Welt<br />

von Heredium ist, so einfach und klar ist die<br />

Spielmechanik. Aktionswürfe gegen einen<br />

vom Spielleiter festgelegten Zielwert, der<br />

zwischen 8 (leicht) und 36 („ein Stoßgebet<br />

wäre nicht schlecht“) reichen kann. Der Wurf<br />

selbst sicht zusammen aus Attribut und Fertigkeitswert,<br />

wobei die Würfelzahl der Höhe<br />

des Attributs entspricht und auf die Augenzahl<br />

der Fertigkeitswert anschliessend draufgerechnet<br />

wird. Vom Mechanismus wird darauf<br />

hingewiesen, dass Aktionswürfe auch<br />

eigentlich nur in Stresssituationen gerechtfertigt<br />

sind, andere Aktionen wird der Charakter<br />

schaffen.<br />

Über den Erfolg oder Misserfolg des Aktionswurfes<br />

entscheiden die entsprechenden<br />

Grade, die von „katastrophaler Fehlschlag“<br />

(Zielwert um -9 verfehlt) bis zu „nahezu perfekter<br />

Erfolg“ (Zielwert um +9 überwürfelt).<br />

Auch die Qualität des Wurfes muss nicht immer<br />

eingesetzt werden, der Spielleiter kann<br />

festlegen, bei welcher Art von Aktionswurf<br />

(z.B. ein Wettkampf) es wichtig ist, zu wissen,<br />

wie gut oder schlecht der Charakter abgeschnitten<br />

hat.<br />

Vergleichende Aktionen sind Würfe gegen<br />

den Wert eines Aktionswurfs z.B. eines NSC, erweiterte<br />

Aktionen sind Würfe gegen Zielwert<br />

und erfordern einen bestimmten Erfolgsgrad.<br />

Im Kampf kommen dazu noch Mehrfachaktionen,<br />

dies bedeutet, dass ein Charakter in<br />

einer Kampfrunde mehrere Aktionen durchführen<br />

kann. Dazu muss sein Attribut „Agilität“<br />

allerdings mehr als zwei Punkte betragen,<br />

pro Punkt über der Schwelle gibt es eine<br />

Aktion dazu. Allerdings erschwert sich der<br />

Wurf jedesmal, auf jede weiter Aktion gibt es<br />

einen Malus.<br />

Angriffe werden als vergleichende Proben<br />

gewürfelt, bei physischem Schaden die<br />

Kampffertigkeit plus Anzahl der Würfel in<br />

Höhe des Attributs gegen die physische Verteidigung<br />

des Opfers, bei mentalen Angriffen<br />

die entsprechende Fertigkeit gegen den<br />

mentalen Widerstand des Opfers.<br />

Alle weitern Kampfregeln wie Ausweichen,<br />

Blocken und Parieren oder Entwaffnen sind<br />

optionale Regeln.<br />

Wie bereits erwähnt, besitzt ein Charakter<br />

in Heredium Attribute und Fertigkeiten.<br />

Die Attribute können Werte zwischen eins<br />

(schwächlich und verkümmert) und vier<br />

(überdurchschnittlicher Spitzenwert) annehmen.<br />

Es gibt sechs primäre Attribute (Agilität,<br />

Konstitution, Kraft, Ausstrahlung, Intelligenz<br />

und Psyche) und sekundäre Attribute<br />

(Vitalität, Substanz, physische Verteidigung,<br />

mentaler Widerstand und Reaktionsvermögen),<br />

die aus den primären Attributen abgeleitet<br />

werden.<br />

Eine Besonderheit bei einem Heredium-<br />

Charakter sind die Aspektpunkte. Jeder<br />

Charakter startet mit sechs Aspektpunkten,<br />

die für verschiedene Dinge einsetzbar sind.<br />

Zum Beispiel kann man durch Ausgeben von<br />

Punkten entsprechend viele Würfel auf einen<br />

Erfolg drehen oder die Würfel eines Gegner<br />

zu einem Misserfolg. Auch die paranormalen<br />

Fähigkeiten der Hezekieliten, die Psi-Kräfte<br />

der Debellatoren, die Mutationen der Raging<br />

Bull, die Ektoware der Nordallianz und die<br />

Stimulanzien aus Temora können mit diesen<br />

Punkten erworben werden.<br />

Die Aspekte sollen dem Charakter mehr<br />

Tiefe verleihen und dienen, wie der Name<br />

schon sagt, als Persönlichkeitsaspekte. So<br />

kann aus einer Liste ausgewählt werden, ob<br />

der Charakter eher ein Perfektionist ist oder<br />

eher ein Skeptiker.<br />

Die Aspektpunkte regenerieren sich nach<br />

dem Schema „Ein Tag – ein Punkt“, spielt der<br />

Spieler seinen Aspekt jedoch besonders gut<br />

aus, kann der Spielleiter auch bestimmen,<br />

dass mehr Punkte regenerieren.<br />

Neben dem Persönlichkeitsaspekt gibt es<br />

noch eine andere Möglichkeit den Charakter<br />

Mai 2009


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

individuell und runder zu gestalten in Form<br />

von Vor – und Nachteilen. Jeder Charakter<br />

beginnt mit drei Punkten, wenn Nachteile<br />

gekauft werden, können mehr Vorteile erworben<br />

werden. Vorteile unterscheiden zwischen<br />

„Körperlich“, „Geistig“, „Sozial“ und<br />

„Kampf“, Nachteile nur zwischen den ersten<br />

drei. Ein möglicher Vorteil sind beispielsweise<br />

die Nanitenkräfte der Hezekieliten oder<br />

die Mutationen der Raging Bull, aber auch<br />

Dinge wie gute Menschenkenntnis oder Nahkampfmeisterschaft.<br />

Während die meisten Vor – und Nachteile<br />

für jeden Beruf erworben werden können,<br />

gibt es auch einige, die an den Beruf gekoppelt<br />

sind wie „Spürhund“ als Vorteil der Pioniere<br />

der Nordallianz oder das Chipimplantat<br />

der Einwohner Temoras.<br />

Berufungen können aus den oben erwähnten<br />

Berufen gewählt werden, falls ein Spieler<br />

keinen dieser Berufe erlernen möchte, kann<br />

er stattdessen einen Nomaden wählen.<br />

Neben einem ausführlichen Katalog für<br />

Waffen mit Tabellen für Initiative, Treffsicherheit,<br />

Schaden, Verteidigung, Reichweite<br />

sowie Munitionsart und Kapazität finden sich<br />

auch zu jeder Waffe eine Abbildung. Auch im<br />

Abschnitt für Rüstungen wird so vorgegangen.<br />

Neben Waffen und Rüstung gibt es in der<br />

Welt von Heredium noch andere wichtige<br />

Dinge zu kaufen wie Cleaning Tabs für Wasser,<br />

Fortbewegungsmittel, technologische<br />

Gerätschaften wie Holoprojektoren, Medizin<br />

und Nahrungsmittel, aber auch Rauschgifte<br />

und Giftstoffe sowie Dienstleistungen. Alle<br />

Tabellen mit Ausrüstungsgegenständen finden<br />

sich auch im Anhang wieder.<br />

Darüber hinaus finden sich noch Hintergrundinformationen<br />

über die Welt von Heredium.<br />

Die sogenannten Naoh-Mutationen,<br />

die schon vor dem Mondfall mutierten Tiere,<br />

werden vorgestellt mit Angabe ihrer Gefährlichkeit<br />

für den Menschen, aber auch einzelne<br />

Exemplare mit Werten. Für jede Zivilisation<br />

gibt es einen Beispielcharakter sowohl<br />

mit Hintergrund als auch mit fertigen Werten<br />

und einem Porträt. Auch die Ökologie und<br />

Geographie nach dem Mondfall wird für jeden<br />

Kontinent beschrieben.<br />

Heredium<br />

5<br />

Art Rollenspiel<br />

Verlag 13 Mann<br />

Sprache Deutsch<br />

Jahr 2008<br />

Preis 39,95 Euro<br />

Mai 2009<br />

Informationen zur Mechanik des Rollenspiels<br />

an sich und Informationen für den<br />

Spielleiter gibt es ebenfalls, wobei hier unter<br />

anderem auch die Regeln für Erfahrungspunkte,<br />

Bedrohungen und Verletzungen und<br />

die Werte für menschliche Gegner zusammengefasst<br />

sind.<br />

Abschliessend gibt es das Einstiegsabenteuer<br />

„Mondsplitter“, in dem die Charaktere<br />

den Mord an einer Gruppe Archäologen aufklären<br />

muss, die offenbar einigen Debellatoren<br />

in die Hände gefallen sind.<br />

Fazit<br />

Auf den ersten Blick ist Heredium ein neues<br />

und innovatives Rollenspiel, das durch<br />

seine komplexe und mit viel Liebe zum Detail<br />

ausgearbeiteten Hintergrundwelt, seine<br />

Regelarmut und sein angenehmes Layout<br />

– schon das schlichte, aber edle Cover fällt<br />

ins Auge - besticht. Vor allen Dingen die Idee<br />

des Mondfalls ist zumindest in der endzeitlichen<br />

Rollenspielwelt so wohl noch nie da gewesen,<br />

und die Katastrophe ist immer noch<br />

präsent in den Köpfen der Menschen. Die<br />

Charaktere können sich noch daran erinnern,<br />

dass es einmal anders, wenn vielleicht auch<br />

nicht besser war, was Heredium von anderen<br />

endzeitlichen Rollenspielen wie zum Beispiel<br />

Degenesis unterscheidet.<br />

Auf den zweiten Blick schleichen sich ein<br />

paar Kritikpunkte ein. Zum Beispiel ist das<br />

Berufssystem sehr starr, es gibt keine Möglichkeit,<br />

sich einen eigenen Beruf in einer Zivilisation<br />

zu erstellen. Einzige Alternative sind<br />

die Nomaden, doch vielleicht sagt dies nicht<br />

jedem zu. Da man durch die Berufungen Boni<br />

auf Fertigkeiten bekommt und Vor – und<br />

Nachteile auf die Berufungen bekommt,<br />

dürfte es sehr schwer werden, einen eigenen<br />

Beruf zu etablieren. Abgesehen davon<br />

greift hier die komplexe Hintergrundwelt,<br />

auch dies dürfte eigene Berufe erschweren.<br />

Auch das Magiesystem, in dem die Kräfte<br />

über Vorteilskosten, Aspektpunkte oder Erfahrungspunkte<br />

gekauft werden können, ist<br />

etwas verwirrend, eine einheitliche Punktwährung<br />

zum Beispiel in Form von Magiepunkten<br />

hätte mir besser gefallen.<br />

Wer jedoch über diese kleinen Schwächen<br />

hinwegsieht, sollte vor allen Dingen durch die<br />

einfachen Regeln auch als Rollenspielneuling<br />

viel Spass in der Welt von Heredium haben.<br />

Android<br />

Thomas Heinig<br />

Die Welt hat sich verändert, das Verbrechen<br />

nicht. Das ist der Untertitel von Android, einer<br />

auf‘s Brett gezwungenen Detektivgeschichte<br />

in einer düsteren Zukunft. Die Spieler schlüpfen<br />

in die<br />

Rollen von<br />

Ermittlern,<br />

die einen<br />

M o r d f a l l<br />

aufklären<br />

sollen. Das<br />

S z e n a r i o<br />

spielt in<br />

einer halbwegs<br />

nahen Zukunft in der fiktiven Stadt<br />

New Angeles. Das besondere an dieser Metropole<br />

ist, dass sie sich auf der Erde und<br />

dem Mond befindet - die Menschheit hat den<br />

nahen Himmelskörper nämlich inzwischen<br />

erschlossen und mit einer Art Fahrstuhl zugänglich<br />

gemacht.<br />

Auf dem Spielplan ist im oberen Bereich<br />

der Mond und im unteren die Erde zu sehen,<br />

darauf verschiedene Örtlichkeiten von New<br />

Angeles. Beide Hälften werden von fünf Örtlichkeiten<br />

verbunden - dem Aufzug.<br />

Jeder Spieler bekommt also eine Rolle zugewiesen<br />

und mit dieser einen Satz Karten.<br />

Zum einen sind dies helle und dunkle Schicksalskarten,<br />

zum anderen aber auch Sonderkarten<br />

und Karten, welche die Geschichte<br />

des Charakters erzählen. Das Besondere an<br />

Android ist nämlich, dass ganz stark versucht<br />

wird, eine stimmungsvolle Geschichte mit interessanten<br />

Charakteren aufzubauen. Jeder<br />

der Ermittler hat seine eigenen Wünsche und<br />

Ziele, aber auch Feinde und inneren Dämonen<br />

- und diese Komponenten haben immer<br />

wieder Einfluß auf die Spielmechanik, so dass<br />

Geschichte und Spiel ineinander verwoben<br />

werden.<br />

Die hellen Schicksalskarten sind dazu gedacht,<br />

dem eigenen Charakter etwas Gutes<br />

zu tun, bzw. Vorteile für sich auszuspielen.<br />

Die dunklen Karten hingegen richten sich<br />

gegen den jeweiligen Charakter. Deshalb<br />

zieht man auch keine eigenen dunklen Karten<br />

auf die Hand, sondern darf diese von den<br />

anderen Spielern ziehen und gegen sie verwenden.<br />

Die Karten haben Kosten, die beim<br />

Ausspielen bezahlt werden müssen - der dahinter<br />

stehende Mechanismus sorgt dafür,<br />

dass man nur dann wirklich effektiv Karten<br />

ausspielen kann, wenn man stets abwechselnd<br />

dunkle und helle Karten spielt.<br />

Zudem bekommt jeder Spieler ein „Fahrzeug“,<br />

genauer gesagt eine Schablone, die<br />

angibt wie weit man mit einem Bewegungspunkt<br />

kommen kann. Diese Fahrzeuge sind<br />

den Flugobjekten aus Blade Runner oder 5th<br />

Element sehr ähnlich, können aber nicht die<br />

Distanz zwischen Erde und Mond überbrücken.<br />

Möchte man die Örtlichkeit wechseln -<br />

und das macht man häufig - so wird die Scha-<br />

Seite 75


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Rezensionen<br />

blone angelegt und alle Orte in Reichweite<br />

der Schablone können angeflogen werden.<br />

Dabei haben die Charaktere unterschiedlich<br />

schnelle Gefährte - also verschieden lange<br />

Schablonen.<br />

Kommen wir aber endlich zu dem Mordfall.<br />

Es gilt aus einer Gruppe an Verdächtigen<br />

(stets einer mehr als Spieler) den Täter<br />

ausfindig zu machen. Dabei ist Android<br />

aber kein Deduktionsspiel wie z.B. Cluedo.<br />

Es steht nämlich nicht von Anfang an fest,<br />

wer die Tat verübt hat. Die Spieler sammeln<br />

stattdessen im Spielverlauf Beweise, die sie<br />

auf die Verdächtigen legen dürfen. Dadurch<br />

kristallisiert sich am Ende heraus, wer der Täter<br />

ist. Damit das Ganze Sinn machen kann,<br />

benötigen die Spieler natürlich einen Anreiz<br />

- hier in Form von zwei Karten, die bei Spielbeginn<br />

ausgeteilt werden. Eine zeigt einen<br />

der Verdächtigen als Täter und die andere<br />

einen Verdächtigen als Unschuldigen. Wenn<br />

am Ende der „eigene“ Täter tatsächlich das<br />

Verbrechen begangen hat - weil man ausreichend<br />

Beweise gegen ihn sammeln und auf<br />

ihn legen konnte - so bekommt man reichlich<br />

Siegpunkte. Deutlich weniger Siegpunkte bekommt<br />

man, wenn der eigene Unschuldige<br />

tatsächlich am Ende unschuldig ist.<br />

Die Spieler reisen auf dem Spielplan von<br />

Ort zu Ort auf der Jagd nach Beweisen. Hat<br />

man einen Beweis gesammelt kann man mit<br />

ihm verschiedene Aktionen auslösen. Entweder<br />

man zieht blind einen Beweismarker<br />

mit (negativen oder positiven) Zahlenwerten<br />

und legt diesen dann verdeckt auf einen<br />

Verdächtigen. Negative Werte erhöhen die<br />

Unschuld, positive jedoch die Schuld der Person.<br />

Oder man widmet sich dem Verschwörungspuzzle.<br />

Verschwörungspuzzle? Ja, die Welt von<br />

Android ist komplex. Und wie es sich für einen<br />

guten Mordfall gehört haben eventuell<br />

größere Organisationen ihre Finger mit im<br />

Spiel und das Ganze entpuppt sich als üble<br />

Konspiration. Im Verschwörungspuzzle können<br />

die Spieler versuchen, eine Verbindung<br />

zwischen dem Fall und einer (oder mehrerer)<br />

der Organisationen im Spiel zu knüpfen. Das<br />

bringt Sonderpunkte je nach Organisation<br />

für bestimmte zusätzliche Marken, die man<br />

ebenfalls auf dem Spielplan sammeln kann.<br />

Auf den Örtlichkeiten liegen nämlich nicht<br />

nur Beweise, sondern auch andere nützliche<br />

Dinge, wie Durchsuchungsbefehle, Nebencharaktere<br />

oder Gefallen. Letztere sind so etwas<br />

wie die Spielwährung. Mit Gefallen kann<br />

man sich verschiedene Dinge erkaufen, sei es<br />

besonders erdrückende Beweismittel, falsch<br />

aussagende Zeugen oder einen Blick in die<br />

Karten anderer Spieler. Und Gefallen können<br />

am Ende des Spiels Extrapunkte wert sein,<br />

wenn man sich beim Verschwörungspuzzle<br />

geschickt angestellt hat.<br />

Die ganze Komplexität der Spielwelt, der<br />

Möglichkeiten und der Spielmechanik soll hier<br />

gar nicht weiter erläutert werden, vor allem<br />

da die Regeln kostenlos direkt von der Seite<br />

von Fantasy Flight Games heruntergeladen<br />

werden können. Nur auf eine Sache möchte<br />

ich noch eingehen: die persönliche Geschichte<br />

der Ermittler. Nehmen wir zum Beispiel<br />

die psychisch begabte Klonfrau, Eigentum<br />

eines Konzerns, der ihre Reihe in Großproduktion<br />

herstellen möchte. Sie ist der Prototyp,<br />

eigentlich nur Besitz, aber dennoch zu<br />

Gefühlen fähig. Ein klassisches Thema. Eine<br />

der drei möglichen Geschichten für sie handelt<br />

von einem jungen Kunststudenten, für<br />

den sie Gefühle entwickelt. Dazu liegt vor<br />

dem Spieler eine Karte mit Informationen zu<br />

der Geschichte und zwei möglichen Pfaden<br />

wie sie sich entwickeln könnte - einem guten<br />

und einem schlechten. Der Spieler sollte<br />

nun versuchen, möglichst viele Counter für<br />

den positiven Weg zu sammeln, während die<br />

Mitspieler Counter für den schlechten Weg<br />

beisteuern können. Zu einem festgelegten<br />

Zeitpunkt wird nachgesehen, welcher Weg<br />

mehr Counter ansammeln konnte. Je nachdem<br />

wird die nächste Geschichtskarte aufgedeckt,<br />

wieder mit zwei möglichen Enden. Die<br />

Enden geben unterschiedlich viele Siegpunkte.<br />

So ist für unsere Klonin die erste Entscheidung,<br />

ob sie ihren Ursprung freiwillig erzählt<br />

oder ob der Student von anderen darauf gestoßen<br />

wird. Ganz am Ende steht entweder<br />

eine Liebesbeziehung oder Einsamkeit. Interessanterweise<br />

haben die verschiedenen Pfade<br />

der Geschichten auch direkten Einfluß auf<br />

die Spielmechanik, abseits der Siegpunkte.<br />

Nach einer festen Anzahl an Runden endet<br />

das Spiel und alle Beweise auf den Verdächtigen<br />

werden aufgedeckt und ausgewertet.<br />

Der Täter wird so ermittelt und es beginnt die<br />

Endabrechnung der Siegpunkte - unter anderem<br />

aus den Täterkarten, den Extrapunkten<br />

der Verschwörung, der persönlichen Geschichte<br />

und noch einigem mehr. Es dauert<br />

einige Zeit, bis man erfasst, welche Aktionen<br />

Siegpunkte bringen und wie man diese maximieren<br />

kann. Am Ende gewinnt jedenfalls<br />

der Spieler mit den meisten Siegpunkten.<br />

Die Aufmachung ist sehr gut gelungen,<br />

auch wenn man von der Fülle an unterschiedlichen<br />

Karten und Pappcountern erschlagen<br />

wird. Jedes Teil hat seinen Zweck und ist an<br />

sich sinnvoll, nur gibt es eben sehr viele verschiedene<br />

Teile. Auch die Anleitung, beinahe<br />

schon in Romanlänge, ist erstaunlich gut<br />

geschrieben und vermittelt die komplexen<br />

Android<br />

4<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Englisch<br />

Spieler 3 bis 5<br />

Alter ab 12 Jahre<br />

Jahr 2009<br />

Preis ca. 45 Euro<br />

Zusammenhänge überzeugend. Die Grafik ist<br />

sicherlich Geschmackssache, doch kann die<br />

comichafte Illustration auch Leute überzeugen,<br />

die eher auf realistische Darstellungen<br />

stehen. Besonders lobenswert sind die vielen<br />

Texte in der Anleitung und auf den Karten,<br />

die nur der Stimmung und der Geschichte<br />

dienen.<br />

Fazit<br />

Das Spiel ist ein echtes Mammutprojekt -<br />

ich habe selten zuvor ein so komplexes Brettspiel<br />

gesehen, das so viele Sachen gleichzeitig<br />

sein möchte. Auf einer Ebene ist es nur<br />

ein Ablaufen von Punkten auf dem Spielplan,<br />

doch gleichzeitig ist es auch ein Bluffspiel, ein<br />

Taktikspiel und vor allem eins: eine interaktive<br />

Geschichte. Die Charaktere sind interessant<br />

angelegt und es macht durchaus Spaß,<br />

die Welt von Android zu erkunden und in ihr<br />

einzutauchen. Doch irgend wann - nach ein<br />

paar Partien - hat man die Welt erforscht,<br />

die Dinge wiederholen sich. Was dann bleibt<br />

ist ein zwar interessantes aber auch langatmiges<br />

Brettspiel mit hoher Komplexität. Es<br />

gibt bestimmt Leute, denen das Ausfeilen<br />

einer optimalen Strategie für die Endwertung<br />

ungeheuer Spaß macht und die dieses<br />

Spiel lieben werden. Grund genug dafür haben<br />

sie auch. Nur frage ich mich ob es die<br />

Zeit wirklich wert ist, Android zu spielen. Es<br />

gibt eben andere Spiele, die für mich den<br />

gleichen Spielspaß mit weniger Leerlauf und<br />

zeitlichem Aufwand bringen. Oder Spiele, die<br />

genauso lange dauern, aber mir mehr Spaß<br />

machen. Dennoch ist Android auf jeden Fall<br />

einen Blick wert!<br />

Formula D<br />

Thomas Heinig<br />

Auf die Startfelder der Rennstrecken werden<br />

die Formel 1 Boliden geschoben, vereinzelt<br />

auch schon die Motoren gestartet. Bald<br />

schon versteht man sein eigenes Wort nicht<br />

mehr, die Massen auf der Zuschauertribüne<br />

fiebern ebenso wie die Fahrer auf das Startsignal.<br />

Blitzschnelle Reaktionen entscheiden<br />

über einen gekonnten Start, die langfristige<br />

Strategie über Sieg oder Niederlage. Willkommen<br />

im Rennzirkus von Formula D!<br />

Seite 76<br />

Mai 2009


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

S e i t<br />

e i n i g e n<br />

J a h r e n<br />

bekommt<br />

man nur<br />

n o c h<br />

Restexe<br />

m p l a r e<br />

des Rennspiels<br />

Formula<br />

Dé<br />

- wenn man Glück hat. Doch nun kommt von<br />

Asmodée endlich eine überarbeitete Neuauflage<br />

in die Läden, die zwar das „é“ im Namen<br />

verloren hat, dafür aber etliche Neuerungen<br />

mitbringt.<br />

Zunächst aber mal zum Altbekannten und<br />

kaum Veränderten: den Regeln des Spiels.<br />

Jeder Spieler übernimmt ein Fahrzeug und<br />

versucht es so schnell wie möglich ohne Totalschaden<br />

eine oder mehrere Runden über<br />

einen Parcour zu bringen. Die Rennstrecken<br />

sind den originalen Strecken der Formel 1<br />

nachempfunden und weisen enge und weite<br />

Kurven, Schikanen und lange Geraden auf.<br />

Jedes Fahrzeug hat sechs Gänge, denen jeweils<br />

ein Würfel zugewiesen ist. So darf man<br />

beispielsweise im ersten Gang einen Würfel<br />

mit 4 Seiten würfeln, der aber nur Zahlen von<br />

1 bis 2 zeigen wird. Im vierten Gang hingegen<br />

darf schon ein zwölfseitiger Würfel verwendet<br />

werden, der dann Zahlen von 7 bis 12<br />

zeigt. Die Würfelzahl gibt an, wie viele Felder<br />

ein Fahrzeug fahren muss. Deshalb entscheidet<br />

der Spieler vor dem Wurf, ob er einen<br />

Gang hochschalten, im aktuellen Gang bleiben<br />

oder einen oder mehrere Gänge (mehrere<br />

nur auf Kosten des Getriebs, doch dazu<br />

weiter unten mehr) runterschalten möchte.<br />

Bestünde die Rennstrecke nur aus Geraden,<br />

so bräuchte man wohl nie runterzuschalten<br />

und könnte fröhlich im sechsten Gang durchheizen.<br />

Doch da es Kurven gibt (und zwar<br />

nicht zu knapp) besteht die Notwendigkeit,<br />

auch mal vorsichtig nur wenige Felder zu fahren.<br />

An jeder Kurve ist angegeben, wie viele<br />

Pflicht-Stopps man in ihr ablegen muss. Eine<br />

einfache Kurve hat nur einen Pflicht-Stopp,<br />

während eine sehr schwere Schikane drei<br />

Formula D<br />

5<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Asmodée<br />

Sprache Deutsch<br />

Spieler 2 bis 10<br />

Alter ab 10 Jahre<br />

Jahr 2009<br />

Preis ca. 36 Euro<br />

Stopps benötigt. Das Fahrzeug muss also<br />

beim Durchfahren der Kurve so oft innerhalb<br />

der markierten Kurvenfelder nach dem<br />

Ziehen der Felder zum Stehen kommen. Wer<br />

sich daran nicht hält und ohne Erfüllung der<br />

Stopps aus der Kurve fährt wird bestraft.<br />

Jedes Fahrzeug hat in unterschiedlichen<br />

Kategorien wie Getriebe, Motor, Bremsen<br />

oder Reifen Konstuktionspunkte. Immer<br />

wenn eine Kategorie Schaden nimmt, werden<br />

Konstuktionspunkte abgegeben. Hat<br />

man in einer Kategorie keine Punkte mehr,<br />

so scheidet das Fahrzeug und damit der Spieler<br />

aus dem Rennen aus. Fährt man beispielsweise<br />

über eine Kurve hinaus, so muss man<br />

pro zu viel gefahrenem Feld einen Punkt bei<br />

den Reifen abgeben. Wahlweise kann man<br />

auch pro ausgegebenem Punkt bei Bremsen<br />

ein Feld weniger fahren - oder man mischt<br />

beide Varianten.<br />

Neben den Pflicht-Stopps ist das Verbot<br />

von Zig-Zag-Fahrten die wichtigste Regel. Sie<br />

besagt, dass man maximal zwei Spurwechsel<br />

und beide nur in die gleiche Richtung durchführen<br />

darf. Meist bestehen die Rennstrecken<br />

aus drei Spuren, so dass man also beispielsweise<br />

von ganz links nach ganz rechts<br />

wechseln darf (zwei Spurwechsel in gleicher<br />

Richtung), nicht aber anschließend wieder in<br />

die Mitte ziehen darf. Einzige Ausnahme ist<br />

das direkte Ausweichen eines Hindernisses<br />

(z.B. eines anderen Fahrzeugs).<br />

Das Spiel bietet weitere Regeln wie Wrackteile<br />

auf der Strecke, Wetterbedingungen,<br />

verschiedene Reifentypen, Konstuktion<br />

eigener Fahrzeuge oder Boxenstopps. Die<br />

meisten dieser Regeln lassen sich einzeln in<br />

das Spiel aufnehmen, so dass Einsteiger zunächst<br />

mit einem vereinfachten Regelsatz<br />

starten können und das Spiel später beliebig<br />

komplex werden lassen können.<br />

Zwar ist der Glücksfaktor beim Würfeln<br />

recht hoch, es zählt dennoch auch die richtige<br />

Strategie - besonders bei Rennen über<br />

mehrere Runden. Wer zu wagemutig fährt,<br />

verliert schnell seine Konstuktionspunkte<br />

und fliegt im schlimmsten Fall sogar aus dem<br />

Rennen. Es gilt also die richtige Mischung<br />

aus Mut und Sicherheit zu finden. Heraus<br />

kommen erstaunlich spannende und lustige<br />

Rennen, die tatsächlich ein wenig Formel 1<br />

Stimmung aufkommen lassen.<br />

Für Kenner der früheren Ausgabe sei erwähnt,<br />

dass es in den Regeln kaum Unterschiede<br />

gibt. Zwei Dinge, die mir aufgefallen<br />

sind: Benzin wurde komplett gestrichen und<br />

es müssen nun alle Spieler auf einen möglichen<br />

Motorschaden prüfen.<br />

Sehr wohl aber wurde die Aufmachung<br />

geändert. Sehr lobenswert ist, dass man alle<br />

Rennstrecken der alten Ausgabe weiterverwenden<br />

kann. Nur wurde das Design der neuen<br />

Strecken etwas angepasst und insgesamt<br />

kommen Packung und Anleitung bunter und<br />

comichafter daher. Grund dafür ist sicherlich<br />

auch die wirklich große Neuerung: neben<br />

Formel 1 Rennen dürfen nun auch Straßenrennen<br />

im Stile eines „Need for Speed“ bzw.<br />

„Fast and Furious“ gefahren werden. Dafür<br />

ist auf der Rückseite des Formel 1 Kurses von<br />

Monte Carlo auch eine Strecke durch das fiktive<br />

Race City zu finden - ganz dunkel gehalten<br />

da es sich natürlich um ein Nachtrennen<br />

handelt. Die Straßenkurse sind „verrückter“<br />

als die Standardkurse und bieten Verengungen,<br />

Schlaglöcher, eine Geschwindigkeitsmessung<br />

(bei welcher der Schnellste belohnt<br />

wird) und Tunneldurchfahrten.<br />

Die Regeln bleiben im Großen und Ganzen<br />

identisch, nur erhält jeder Spieler eine<br />

Schablone mit einem Comiccharakter ausgehändigt.<br />

Jeder Charakter hat eine eigene<br />

Sonderfähigkeit und eine andere Verteilung<br />

der Konstruktionspunkte. Und jedem Spieler<br />

steht einmal pro Runde ein Nitroboost zur<br />

Verfügung, bei dem er zusätzlich nach einem<br />

Wurf so viele Felder ziehen muss wie sein aktueller<br />

Gang ist.<br />

Die Aufmachung ist ordentlich, aber fast<br />

schon ein wenig zu bunt geraten. Die Charaktere<br />

sind sicherlich Geschmacksfrage, aber<br />

handwerklich gut gezeichnet. Und auch die<br />

Anleitung ist übersichtlich und weitestgehend<br />

fehlerfrei. Nur die kleinen Plastikwägen<br />

finde ich persönlich nicht so gelungen, da<br />

hätte es gerne auch etwas Hochwertigeres<br />

sein dürfen. Dafür liegen dem Spiel aber sieben<br />

Würfel bei.<br />

Inzwischen sind die ersten Streckenerweiterungen<br />

erschienen und weitere bereits angekündigt,<br />

so dass für Abwechslung gesorgt<br />

sein dürfte.<br />

Fazit<br />

Wer über den hohen Glücksfaktor hinwegsehen<br />

kann - und das kann ich bei diesem<br />

Spiel problemlos - der wird sehr viel Spaß mit<br />

Formula D haben. Besonders bei Renen mit<br />

vier bis acht Spielern kommt Spaß auf, weil<br />

sich die Fahrzeuge gegenseitig blockieren<br />

und behindern. Das Spiel mit neun oder zehn<br />

Spielern macht sicherlich auch Spaß, dauert<br />

aber entsprechend lange. Die neuen Straßenrennen<br />

sind eine nette Idee und ergänzen<br />

das Spiel - wer sie nicht mag kann sie einfach<br />

weglassen.<br />

Mai 2009<br />

Seite 77


ANDUIN <strong>98</strong><br />

Rezensionen<br />

Fury of Dracula<br />

Benedikt Heck<br />

Vielleicht kennt ihr noch das sehr erfolgreiche<br />

Brettspiel Scotland Yard, bei dem<br />

man Mister X durch London hetzt. Nach dem<br />

selben Prinzip funktioniert Fantasy Flight Games‘<br />

Fury of Dracula, nur dass man hier den<br />

Vampirfürsten durch ganz Europa jagt. So<br />

ist das Spielbrett eine altertümlich wirkende<br />

Landkarte auf der wichtige Städte vermerkt<br />

und mit Straßen und Bahnstrecken verbunden<br />

sind. Sowohl die 4 Jäger (Lord Godalming,<br />

Dr. Seward, Abraham van Helsing und<br />

Mina Harker) als auch Dracula werden durch<br />

ansehnliche Plastikfiguren dargestellt, wobei<br />

Draculas Figur meist nicht auf der Landkarte<br />

steht, sondern in einem Randbereich des Feldes.<br />

Wie für FFG üblich ist das Brett und die<br />

sonstigen Spielmaterialien hochwertig und<br />

sehr schön aufmacht inklusive einiger düsterer<br />

Illustrationen.<br />

Jede Spielrunde bewegt sich der Blutsauger<br />

im geheimen weiter und hinterlässt eine<br />

bis zu fünf Städte lange Spur aus Ortskarten<br />

mit seinen vorherigen Standorten plus der<br />

Karte für seinen derzeitigen Aufenthaltsort.<br />

Noch ältere Karten „fallen aus der Spur“, das<br />

heißt der Dracula-Spieler nimmt sie wieder<br />

an sich. An jedem Ort den er verlässt lässt<br />

er unangenehme Überraschungen für seine<br />

Verfolger zurück, wie etwa mordlüsterne Zigeuner<br />

aus seinem Gefolge, eine fehlleitende<br />

Zeitungsente, dichten Nebel oder gar einen<br />

neuen Vampir.<br />

Die Jäger arbeiten zusammen, um ihn zu<br />

fassen. Kommt einer von ihnen auf einen Ort<br />

der in Draculas Spur ist, wird dieser aufgedeckt,<br />

wodurch man natürlich Rückschlüsse<br />

auf seinen derzeitigen Aufenthaltsort ziehen<br />

kann. Im Gegensatz zu Mister X ist Dracula<br />

aber keineswegs wehrlos, wenn man ihn<br />

denn tatsächlich aufspürt. Manchmal ist es<br />

für den Dracula-Spieler sogar besser die Konfrontation<br />

zu suchen.<br />

Die Jäger gewinnen das Spiel indem sie<br />

Dracula endgültig vernichten, d.h. indem<br />

sie seine Blutspunkte im Kampf auf Null reduzieren.<br />

Dracula gewinnt das Spiel sobald<br />

er eine bestimmte Zahl von Siegespunkten<br />

Fury of Dracula<br />

5<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Deutsch<br />

Spieler 2 bis 5<br />

Alter ab 10 Jahre<br />

Jahr 2005<br />

Preis ca. 35 Euro<br />

erreicht hat – üblicher weise 6. Diese kann<br />

er auf drei verschiedene Arten erhalten: Er<br />

erhält zwei, wenn ein neuer Vampir aus der<br />

Spur fällt. Ebenfalls zwei bekommt er, wenn<br />

er einen Jäger im Kampf niedermacht. Dieser<br />

kann dann von einem Kloster in Kroatien aus<br />

neu starten. Zudem erhält er ohne sein Zutun<br />

im Laufe der Zeit Siegespunkte. Es gibt<br />

einen Zeitcounter der voranschreitet und die<br />

aktuelle Tageszeit anzeigt (was ausdrücklich<br />

nicht tatsächliche Reisezeiten wiedergibt).<br />

Immer wenn auf der Zeitanzeige ein neuer<br />

Tag anbricht erhält Dracula einen Siegespunkt.<br />

Außerdem ist die Anzeige wichtig,<br />

weil der Vampir und die Dinge, die er zurück<br />

lässt in der Nacht gefährlicher sind; tagsüber<br />

kann Dracula seine Kräfte nur deutlich eingeschränkt<br />

nutzen.<br />

Für jeden Siegespunkt, den Dracula erhält,<br />

bekommen seine Gegner aber auch einen<br />

Entschlossenheits-Punkt, die sie z.B. dazu<br />

nutzen können Orte in seiner Spur aufzudecken<br />

oder sich zu einem beliebigen Ort<br />

„teleportieren“. Durch diese hilfreichen Mittel<br />

bleibt den Jägern auch noch Hoffnung,<br />

wenn der Nosferatu sich dem Sieg in großen<br />

Sprüngen nähert. Dabei muss man genau<br />

abwägen, wann man sie einsetzt. Einerseits<br />

sind die Punkte sind zu kostbar um sie zu<br />

vergeuden. Andererseits kann es leicht passieren,<br />

dass man nicht mehr dazu kommt sie<br />

auszugeben, weil man hofft auch ohne ihre<br />

Hilfe Draculas Aufenthaltsort zu entdecken<br />

und sich die übrigen Jäger dann zu ihm teleportieren<br />

könnten.<br />

In jeder Stadt können die Jäger sich entweder<br />

Lebenspunkte regenerieren oder Karten<br />

ziehen. Welche Karten das sind, hängt von<br />

der Größe der Stadt ab. In kleinen Städten<br />

kann man nur Ereigniskarten ziehen, in Großstädten<br />

zusätzlich oder statt dessen auch<br />

Ausrüstungskarten. Die Ereigniskarten sind<br />

meist positiv für die Jäger, wie ein Vorteil im<br />

Kampf, eine schnellere Reise oder ein Ort<br />

aus Draculas Spur, der aufgedeckt wird. Ein<br />

Drittel sind aber Karten für Dracula, die ihm<br />

oder seinen Hinterlassenschaften Vorteile<br />

bringen; eine ist auch eine geradezu unverschämt<br />

gute Karte die ihn an einen beliebigen<br />

geheimen Ort verschwinden lässt. Da<br />

viele der Karten auch aufbewahrt und später<br />

gespielt werden, gibt es zwei Sorten und sie<br />

werden einfach von unten gezogen, damit<br />

man nicht erkennen kann, ob die nächste<br />

Karte eine für die Jäger oder für Dracula ist.<br />

Dazu kommt bei den Jägern Ausrüstung wie<br />

Pflöcke, Pistolen, Geweihtes Wasser oder<br />

Bluthunde. Diese sind verschieden nützlich<br />

gegen Dracula und seine Gefolgsleute, z.B.<br />

ist eine Pistole sehr gut gegen lebende Gegner,<br />

den Vampirfürsten kann sie aber nicht<br />

verletzen.<br />

Darüber hinaus verfügt jeder Jäger von<br />

vorne herein über gewisse individuelle Vorteile,<br />

die es ihm etwa erlauben Karten extra<br />

zu ziehen oder Würfe zu wiederholen.<br />

Einen Geschwindigkeitsvorteil erhalten die<br />

Jäger dadurch, dass sie die Eisenbahn benutzen,<br />

was der Graf für nicht standesgemäß<br />

hält. Die Reisegeschwindigkeit wird mittels<br />

eines speziellen Würfels ermittelt und die Benutzung<br />

der Bahn kann auch zum Aussetzen<br />

führen, wenn es zu ausgedehnten Passkontrollen<br />

kommt. Dieses Risiko müssen die Jäger<br />

aber gelegentlich eingehen, wenn Dracula ihnen<br />

nicht durch die Lappen gehen soll.<br />

Wie die Jäger hat aber auch Dracula gewisse<br />

Spezialfähigkeiten in Form von Karten, die<br />

es ihm unter anderem erlauben sich schneller<br />

fort zu bewegen, zu einem Ort in seiner Spur<br />

zurückzukehren oder sich zu „nähren“ - also<br />

Blut(spunkte) zu trinken. Allerdings kann er<br />

die besten dieser Fähigkeiten nur bei Nacht<br />

einsetzen und erst erneut, wenn die Spezialkarte<br />

wieder aus der Spur gefallen ist. Zudem<br />

kosten sie ihn einige Blutpunkte, schwächen<br />

ihn also direkt für einen Kampf mit einem Jäger.<br />

Ebenfalls mit solchen Kosten verbunden<br />

ist für Dracula die Reise über das Meer, allerdings<br />

verschafft sie ihm auch eine große<br />

Auswahl möglicher Fluchtorte und stellt oft<br />

die letzte Möglichkeit da den Jägern ohne<br />

Konflikt zu entkommen. Ein weiterer Vorteil<br />

ist, das Dracula auf dem Meer sicher ist, da es<br />

hier nie zu Kämpfen kommt. Um nicht unfair<br />

zu werden, sehen die Gegenspieler aber an<br />

der Kartenfarbe, falls Dracula sich aufs Meer<br />

zurückzieht.<br />

Rutscht ein Ort aus Draculas Spur, reift die<br />

Begegnung darauf, was Effekte im Sinne Draculas<br />

zur Folge hat - vor allem bei den Vampiren<br />

ist das entscheidend, da Dracula durch<br />

sie Siegespunkte erhält. Somit sind die Jäger<br />

auch veranlasst Draculas Spur abzugrasen,<br />

obwohl dort böse Überraschungen auf sie<br />

warten. Man läuft jedoch Gefahr so seine<br />

Zeit zu verschwenden, statt Dracula selbst<br />

aufzuspüren.<br />

Die Kämpfe laufen in Kampfrunden ab.<br />

Jede Runde wählen beide Kontrahenten<br />

eine Waffe, die sie nutzen, oder Aktion, die<br />

sie durchführen wollen. Dann wird gewürfelt<br />

wer der Sieger ist und die Auswirkung<br />

der Siegerkarte, die abhängig von der Karte<br />

des Gegners ist, wird durchgeführt. Der Abwechslung<br />

wegen darf man nicht zweimal<br />

hintereinander die selbe Karte wählen.<br />

Auch hierbei verfügt Dracula über übernatürliche<br />

und sehr mächtige Kräfte, die er<br />

Seite 78<br />

Mai 2009


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>98</strong><br />

nur nachts einsetzen kann. Man muss also,<br />

selbst wenn man ihn gefunden hat, manchmal<br />

noch überlegen, ob man es tatsächlich<br />

mit ihm aufnehmen kann, oder ob man lieber<br />

auf eine günstigere Tageszeit wartet.<br />

Fazit<br />

Das zu Beginn erwähnte Scotland Yard<br />

konnte ich nie sonderlich leiden. Fury of Dracula<br />

benutzt zwar die selbe Grundidee, hat<br />

sie jedoch weiter entwickelt und stark verbessert.<br />

Durch das Würfeln und die Karten ist<br />

das Zufallselement verstärkt worden, aber es<br />

sind auch neue taktische Optionen entstanden.<br />

Und letztlich ist die koordinierte Strategie<br />

der Verfolger und auch das Einschätzen<br />

des Gegners immer noch wichtiger als Glück.<br />

Die Interaktion zwischen den Spielern ist hier<br />

trotz der heimlichen Bewegung auf einem<br />

ordentlichen Maß, so dass man wirklich von<br />

einem Gesellschaftsspiel sprechen kann.<br />

Meiner bisherigen Spielerfahrung nach<br />

hat der Draculaspieler vielleicht geringfügig<br />

höhere Gewinnchancen, aber das lässt sich<br />

leicht je nach Wunsch über Siegespunkte anpassen.<br />

Alles in allem ein rundum empfehlenswertes<br />

Spiel, auch für Verächter der Vorlage wie<br />

mich.<br />

Le Havre<br />

Thomas Heinig<br />

Vor zwei<br />

Jahren versetzte<br />

uns<br />

Uwe Rosenberg<br />

mit<br />

seinem Spiel<br />

Agricola in<br />

die Rolle von<br />

Landwirten,<br />

die versuchen<br />

einen<br />

m ö g l i c h s t<br />

effizienten<br />

Hof aufzubauen.<br />

Das<br />

Spiel zeichnete<br />

sich durch seine hohe Variabilität und<br />

Komplexität aus und zählte zu den Überraschungshits<br />

des Jahres. Entsprechend hoch<br />

sind die Erwartungen an Rosenbergs neues<br />

Spiel.<br />

In Le Havre geht es nun darum, im Umkreis<br />

eines Hafens möglichst viel Geld zu machen.<br />

Wie schon in Agricola ist der Kern des Spiels<br />

die Verwaltung von Ressourcen. Auf dem<br />

dreiteiligen Spielplan findet sich mittig das<br />

Hafenbecken, in dem Schiffe auf einer geraden<br />

Linie einlaufen. Darüber finden sich Vor-<br />

Mai 2009<br />

ratsfelder und darunter Angebotsfelder, auf<br />

denen die verschiedensten Waren wie Korn,<br />

Vieh, Holz, Kohle, Lehm oder auch Geld liegen.<br />

Jeder Spieler bekommt nun ein Schiff<br />

und einen Personenstein seiner Farbe und<br />

einige Startressourcen. Anschließend fährt<br />

der Startspieler sein Schiff auf das erste der<br />

sieben Felder im Hafenbecken, auf denen<br />

stets zwei Ressourcen abgebildet sind. Je<br />

eine Ware dieser Ressourcen wird nun vom<br />

Vorrat auf das Angebot gelegt. Dies repräsentiert<br />

die Waren, die durch die Schiffe in<br />

die Stadt gebracht werden.<br />

Von Beginn an liegen drei Startgebäude<br />

offen aus, die den Spielern das Erbauen weiterer<br />

Gebäude erlauben. Auf drei Stapeln<br />

liegen diese weiteren Gebäude - ganz oben<br />

günstige Einstiegsgebäude und weiter unten<br />

teure, aber auch sehr nützliche fortgeschrittene<br />

Gebäude. So bekommt man beispielsweise<br />

auf dem Lehmhügel Lehm oder kann in<br />

der Ziegelei seine Lehm-Ressourcen in Ziegel<br />

umwandeln.<br />

Der Spieler hat nun die Wahl zwischen zwei<br />

Hauptaktionen: entweder er nimmt alle Ressourcen<br />

von einem Angebotsfeld in seinen<br />

Besitz oder er versetzt seinen Personenstein<br />

auf ein neues Gebäude um die dort verfügbare<br />

Aktion auszuführen. Zudem können einige<br />

Nebenaktionen durchgeführt werden, wie<br />

das Kaufen oder Verkaufen von Gebäuden.<br />

Nacheinander versetzen die Spieler nun<br />

jeweils ihr Schiff, füllen Ressourcen auf und<br />

führen ihre Aktionen durch, bis einer der<br />

Spieler auf das siebte Hafenbeckenfeld gelangt.<br />

Dies markiert das Rundenende und<br />

jeder Spieler muss die auf der Rundenkarte<br />

angezeigte Anzahl an Lebensmitteln aufbringen<br />

und abgeben. Wohl dem, der frühzeitig<br />

Fisch besorgt hat oder Korn in der Backstube<br />

zu Brot gewandelt hat. Wer nicht ausreichend<br />

Nahrung hat, der kann zur Not mit<br />

Geld kompensieren. Ist auch davon nicht<br />

ausreichend vorhanden, so muss der Spieler<br />

einen Schuldschein aufnehmen.<br />

Die Rundenkarte wird umgedreht und auf<br />

der Rückseite zeigt sich ein Schiffstyp - Holzschiff,<br />

Eisenschiff oder Stahlschiff. Diese Karte<br />

wird offen ausgelegt und kann nun ebenfalls<br />

gebaut oder gekauft werden. Ein Schiff bringt<br />

seinem Besitzer einen enormen Vorteil, denn<br />

es zählt bei Rundenende als automatische<br />

Nahrungsquelle. Damit ist eine bestimmte<br />

Menge an Nahrung sicher bezahlt und man<br />

muss sich nur noch um den Rest kümmern.<br />

Zudem können mit dem Schiff Ressourcen in<br />

dem Gebäude Reederei verkauft und zu Geld<br />

gemacht werden.<br />

Nach einer zuvor festgelegten Anzahl an<br />

Runden ist das Spiel beendet und der Spie-<br />

Le Havre<br />

4<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Lookout Games<br />

Sprache Deutsch<br />

Spieler 1 bis 5<br />

Alter ab 12 Jahre<br />

Jahr 2009<br />

Preis ca. 30 Euro<br />

ler mit dem größten Vermögen - es wird sein<br />

Barbesitz und der Wert seiner Gebäude und<br />

Schiffe addiert - gewinnt.<br />

Le Havre ist schneller erklärt als sein Vorgänger,<br />

aber ebenso schwer zu meistern.<br />

Es dauert einige Partien bis man sämtliche<br />

Handlungsmöglichkeiten überblickt - dies<br />

wird unter anderem dadurch ausgelöst,<br />

dass sich die Möglichkeiten im Spielverlauf<br />

immer weiter vermehren und man erst einmal<br />

kapieren muss, was wann machbar und<br />

sinnvoll ist. Sowohl der Umfang als auch die<br />

Gestaltung (ebenfalls vom Agricola-Zeichner<br />

Klemens Franz) des Spielmaterials ist gut gelungen,<br />

auch wenn die Thematik dieses Mal<br />

weniger „niedlich“ ist. Auch wenn es auf den<br />

ersten Blick nicht unbedingt stimmungsvoll<br />

ist, so verdienen die vielen Informationen,<br />

die das Spielmaterial liefert, ein großes Lob.<br />

Die Bedeutungen der Karten erschließen<br />

sich auch ohne einen Blick in das Regelheft,<br />

dort sind sie aber noch einmal ausführlich<br />

beschrieben. So gut das Spielmaterial auch<br />

ist, die Anleitung empfinde ich als weniger<br />

gelungen. Sie lässt einige Fragen offen und<br />

wird komplizierter als notwendig.<br />

Eine Anmerkung möchte ich noch zur<br />

Spielerzahl und der Spieldauer loswerden:<br />

Le Havre ist kein kurzes Spiel (auch nicht in<br />

der optionalen Kurzvariante). 30-45 Minuten<br />

pro Spieler muss man schon rechnen. Und<br />

vor dem Spiel mit 5 Spielern warnt sogar die<br />

Anleitung... ;)<br />

Fazit<br />

Das Thema Hafen ist mal etwas anderes<br />

und wurde gut umgesetzt. Die Verwaltung<br />

von Ressourcen, Gebäuden und Schiffen ist<br />

kurzweilig und kniffelig. Wer Spaß am Optimieren<br />

und Ausprobieren unterschiedlicher<br />

Taktiken hat und vor etwas Mikromanagement<br />

nicht zurückschreckt, der wird Le Havre<br />

sicherlich einiges abgewinnen können. Für<br />

mich ist aber Agricola das variablere und unterhaltsamere<br />

Spiel.<br />

Seite 79

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