Anduin 98
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Anduin 98
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ANDUIN <strong>98</strong><br />
Inhalt<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
E N D Z E I T<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>Anduin</strong><br />
Fanzine für phantastische Spiele<br />
Chefredakteurin<br />
F.Schmutzler<br />
Stellv. Chefredakteur<br />
T.Heinig<br />
Anschrift<br />
<strong>Anduin</strong><br />
Stuckstraße 6<br />
82319 Starnberg<br />
leserbriefe@anduin.de<br />
www.anduin.de<br />
Fleißige Helfer<br />
Autoren<br />
B. Heck, K.-H. Zapf, T. Heinig, T.<br />
Looschelders, B. Jaud, L.-H. Schilling,<br />
J. Lohr, K. Fitzek, F. Schmutzler, K.<br />
Prost, A. Schnell, D. H.<br />
Titelbild<br />
Patrick Soeder<br />
Zeichner<br />
J. Lange, C. Schlicht, I. Kutsch, D. H.<br />
Lektorat<br />
T. Looschelders, A. Schnell<br />
Hinweise<br />
Die Artikel in dieser Ausgabe stellen<br />
die Meinung der einzelnen Autoren dar<br />
und müssen nicht mit der Meinung der<br />
Redaktion übereinstimmen. Die Redaktion<br />
distanziert sich von Internetseiten<br />
mit verfassungswidrigen, radikalen oder<br />
pornographischen Inhalten. Die meisten in<br />
dieser Ausgabe genannten Produkte sind<br />
Warenzeichen ihrer jeweiligen Hersteller.<br />
Die Verwendung von geschützten Warenzeichen<br />
stellt keine Copyrightverletzung<br />
seitens der Redaktion dar, auch wenn diese<br />
ohne Kennzeichnung genannt werden.<br />
Nachdruck oder Wiederveröffentlichung<br />
(digital oder analog) – auch auszugsweise<br />
– nur mit schriftlicher Genehmigung der<br />
Redaktion. Ausdruck und Weitergabe für<br />
private Zwecke ausdrücklich erwünscht<br />
und erlaubt. Die Redaktion behält sich das<br />
Recht vor, eingesandte Artikel zu kürzen<br />
oder zu ändern. Die Rechte der eingesandten<br />
Artikel und Zeichnungen verbleiben<br />
beim Urheber. Die Redaktion der <strong>Anduin</strong><br />
erhält die Erlaubnis, die Werke im Rahmen<br />
des Fanprojekts <strong>Anduin</strong> zu veröffentlichen.<br />
Für unaufgefordert eingesandte<br />
Artikel kann keine Haftung übernommen<br />
werden.<br />
INHALT<br />
Abenteuer<br />
4 Operation Rio Tinto †<br />
Einstiegs-Abenteuer für das Endzeit-System Heredium. Die Gruppe wird von der Rio<br />
Tinto Group angeheuert und reist in die Uranmine Ranger mitten ins Outback, um dort<br />
die Überfalle der Ghostwalker auf die Mine endlich zu stoppen - und gerät dabei immer<br />
tiefer in die Verstrickungen um die Mine.<br />
17 Die Oase von Shadrya<br />
Nelvis, der Alwissende, ist tot! Er war ein gütiger, besonnener Herrscher, der Shadrya zu<br />
viel Wohlstand brachte. Seit kurzem herrscht sein Sohn Uztem über die Stadt, die<br />
mitten im Umbruch ist. Es droht Chaos, denn neuerdings wurden auch noch Gerüchte<br />
laut, es gäbe einen bedrohlichen Wassergeist in der Oase.<br />
24 Eden Metropolis †<br />
Im Jahre 2365 leben die Menschen nach einer grossen Katastrophe in einer postatomaren<br />
mittelalterlichen Gesellschaft. Der Rat wacht streng über die Einhaltung der<br />
Gesetze. Doch der Status Quo ist bedroht..<br />
35 Das Dorf Schnutenbach<br />
Eine Dorfbeschreibung für das Warhammer Fantasy Rollenspiel<br />
57 Holidays in Sunny Valley †<br />
Eine Kanutour wird zum Alptraum, denn die Sterne stehen richtig und die Apokalypse<br />
bricht über die beschauliche Welt von Sunny Valley herein<br />
Lesen & Spielen<br />
12 Systemvorstellung: Heredium † 31 Liverollenspielecke †<br />
Die Welt nach dem Mondfall<br />
Liverollenspiel nach Degenesis<br />
14 Nach dem Ende † 33 Instant - Abenteuer †<br />
Postapokalyptische Settings<br />
Eine Welt ohne Internet<br />
21 Systemvorstellung Fallout † 56 NSC-Ecke<br />
Postnukleare Computerspielreihe<br />
Charaktere für eure Spielrunden<br />
Kurzgeschichten & Comics<br />
27 Die Prinzessin im Rubin 66 Diener<br />
55 Letzten Samstag 68 Ritter und Magier<br />
Rezensionen<br />
69 Fanzines 75 Android<br />
70 Spielleiten 76 Formula D<br />
71 Schattenjäger † 78 Fury of Dracula<br />
73 Heredium † 79 Le Havre<br />
† = Artikel zum Schwerpunktthema<br />
Seite 2<br />
Mai 2009
DIE DRITTE SEITE<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Die dritte Seite<br />
VORWORT<br />
So, das ist sie nun also: Die erste <strong>Anduin</strong><br />
unter neuer Leitung.<br />
Vielleicht sollte ich mich noch einmal vorstellen<br />
für die, die mich noch nicht kennen.<br />
Mein Name ist Friederike (oder auch Niniane<br />
im Forum), ich bin 29 Jahre alt und spiele<br />
seit 2002 regelmässig Rollenspiele. Mein Einstiegssystem<br />
war ADND 2nd Edition, aber inzwischen<br />
habe ich eine ganze Menge ausprobiert:<br />
Shadowrun in der 3. Edition, Cthulhu,<br />
Dungeons and Dragons 3.5, 7. See, Power,<br />
Plüsch und Plunder, Fading Suns, Primetime<br />
Adventures, Liquid, My life with master, Degenesis..<br />
Seit 2007 bin ich im Tanelorn - Forum angemeldet,<br />
wo ich zum ersten Mal erfahren<br />
habe, dass es noch etwas anderes gibt als<br />
ADND und DSA.. Durch das Forum bin ich<br />
auch auf die <strong>Anduin</strong> gestossen, als diese<br />
Ende 2007 ins Tanelorn umgezogen ist.<br />
Meine erklärten Lieblingssysteme sind zur<br />
Zeit Shadowrun und Primetime Adventures,<br />
aber das kann sich jederzeit ändern, denn ich<br />
bin offen für alles und lerne gerne neue Systeme<br />
und Spiele kennen.<br />
Bei der <strong>Anduin</strong> bin ich seit 2007, zunächst<br />
als „freie Mitarbeiterin“ und seit 2008 als<br />
Mitglied der Redaktion. DIe Entscheidung,<br />
den Chefsessel von Tommy zu übernehmen,<br />
Mai 2009<br />
Nearby Gamers<br />
Würde es Euch nicht auch interessieren wo<br />
potenzielle Mitspieler für Eure Lieblingsspiele<br />
in der nähe wohnen? Oder wie weit<br />
Euer Lieblingssystem auf der Weltkugel<br />
verbreitet Fans hat? Auf der Seite von Nearby<br />
Gamers (http://nearbygamers.com)<br />
könnt Ihr in einer auf Google Maps basierenden<br />
Karte sehen, wo andere Spieler mit<br />
ähnlichen Interessen wohnen. Das funktionert,<br />
in dem sich jeder der sich auf der Seite<br />
anmeldet bestimmte Tags gibt, z.B. „World<br />
of Darkness“, „Descent“ oder „D&D“.<br />
Sucht man nun nach einem Tag, so erscheinen<br />
in der Karte alle Spieler mit diesem Tag.<br />
Für die <strong>Anduin</strong> haben wir folgende zwei<br />
Tags festgelegt: „<strong>Anduin</strong> Leser“ und „<strong>Anduin</strong><br />
Macher“. Wäre schön, wenn Ihr Euch<br />
auch anmeldet und diese Tags verwendet.<br />
war nicht leicht, aber ich habe sie bis jetzt<br />
nicht bereut.<br />
Das Schwerpunktthema „Endzeit“ ist dabei<br />
natürlich nur als Aspekt des Rollenspiels<br />
zu verstehen und nicht auf die <strong>Anduin</strong> zu<br />
münzen, denn es dies sollte doch nicht das<br />
Ende der <strong>Anduin</strong> sein, sondern vielmehr eine<br />
Art Neuanfang - zumindest für mich, und vielleicht<br />
auch für die <strong>Anduin</strong>.<br />
Ich habe in der kurzen Zeit eine Menge gelernt<br />
und erlebt: Die RPC in Köln, wo wir am<br />
Oldschool-Fanzine - Stand der Greifenklaue<br />
unterkommen durften und wo ich neben einigen<br />
Fans und unseren Partnern auch ein<br />
paar der „Grossen“ der deutschsprachigen<br />
Rollenspielszene kennenlernen durfte. Die<br />
Planung und die Organisation dieser Ausgabe<br />
mit dem Layouten und dem Schreiben<br />
und und und..<br />
Ich hoffe, dass ich einen guten ersten Eindruck<br />
machen konnte und dass dieser mit<br />
dieser Ausgabe bestehen bleibt.<br />
Es ist und war keine einfache Aufgabe,<br />
doch eine, die mir unglaublich am Herzen<br />
liegt und mir Freude bereitet. Natürlich bin<br />
ich auch nicht perfekt, deswegen freue ich<br />
mich über Anregungen und Kritik,; aber auch<br />
über Artikel rund um das Rollenspiel, Abenteuer<br />
zu den Schwerpunkten oder auch einfach<br />
so, Rezensionen zu Bücher, Spielen oder<br />
Musik oder Zeichnungen.<br />
Mailt einfach an leserbriefe@anduin.de<br />
oder flusskiesel@anduin.de oder schaut im<br />
Tanelorn-Rollenspielforum im <strong>Anduin</strong>-Bereich<br />
vorbei.<br />
Bald wartet schon Nummer 99 mit dem<br />
Schwerpunkt „Steampunk / Steamfantasy“<br />
und im Herbst ist es dann soweit: Die <strong>Anduin</strong><br />
#100 wird erscheinen. Aber bis dahin ist es<br />
noch ein weiter Weg. Ich hoffe, ihr geht ein<br />
Stück mit.<br />
Danksagung<br />
Ich möchte an dieser Stelle noch einigen<br />
Leuten danken, ohne die es diese Ausgabe<br />
sicher nicht in dieser Form gegeben hätte:<br />
an erster Stelle natürlich Tommy. Ohne ihn<br />
gäbe es keine <strong>Anduin</strong> in der heutigen Form.<br />
Er hat seinen Job als Chefredakteur fantastisch<br />
gemacht und mir die Einarbeitung sehr<br />
erleichtert. Vielen Dank für alles, Du hast<br />
grossartige Arbeit geleistet.<br />
Veranstaltungshinweis<br />
Vom 18. - 19. Juli 2009 veranstaltet der<br />
Verein „Die Legende e.V.“ in Kaiserslautern<br />
seine erste Rollenspielcon mit dem Titel<br />
„Legendenreich“.<br />
Veranstaltungsort ist das<br />
Hotel Alcatraz,<br />
Morlauterer Straße 1<br />
67657 Kaiserslautern<br />
Nähere Informationen findet ihr auch auf<br />
den Internetseiten zur Con:<br />
www.legendenreich.de<br />
meinem Freund Michael für seine Geduld,<br />
wenn ich bis in die Nacht gelayoutet habe<br />
und das Überprüfen meines Rechners, wenn<br />
dieser mal wieder nicht so wollte wie ich (und<br />
das wollte er leider oft..), und für seine Arbeit<br />
mit der Bildbearbeitung und dem Titelbild.<br />
Tobias für seine Hilfe bei RPC – Stand trotz<br />
Verletzung und das Lektorat, das Ausdrucken<br />
der Zeitung und die Buttons.<br />
Ingo von der Greifenklaue und Moritz, die<br />
es uns ermöglichten, auf der RPC präsent zu<br />
sein und uns dadurch die Chance gaben, Werbung<br />
für die <strong>Anduin</strong> zu machen<br />
Alex, der mich auf der RPC (natürlich nur<br />
im übertragenen Sinn) an die Hand genommen<br />
hat, um mich bei einigen Rollenspielverlagen<br />
vorzustellen und mir dadurch eine<br />
grosse Hilfe war<br />
Dario für die Layoutstunde<br />
Allen Autoren, die so fleissig Artikel, Abenteuer,<br />
Rezensionen und Kurzgeschichten geschrieben<br />
haben für diese Ausgabe<br />
allen Zeichnern für ihre wunderschönen<br />
Bilder, besonders Patrick für sein Titelbild.<br />
allen Lesern und Fans, die der <strong>Anduin</strong> über<br />
die Jahre hinweg so treu zur Seite standen.<br />
Anmerkung<br />
Auch zu dieser <strong>Anduin</strong> werdet ihr auf unserer<br />
Homepage wieder eine Ausgabe mit den<br />
Handouts finden.<br />
Seite 3
ANDUIN <strong>98</strong><br />
OPeration Rio Tinto<br />
Operation Rio Tinto<br />
Ein EInstiegsabenteuer für Heredium<br />
TEXT: Katharina Prost<br />
ILLUSTRATION: Christine Schlicht<br />
Mitten im Outback, in der Uranmine Ranger,<br />
tobt ein Machtkampf. Die Mine wurde<br />
von Ghostwalkern angegriffen und nur<br />
ein verzweifelter Funkspruch erreichte das<br />
Hauptquartier der Rio Tinto Group in Checkpoint.<br />
Der große Bulle will das nicht auf sich<br />
sitzen lassen und holt zum Gegenschlag aus.<br />
Die Mine ist alt, berühmt und ein Teil der<br />
Uranproduktion, welche die Raging Bulls für<br />
ihr Überleben brauchen. Doch was steckt<br />
hinter dem plötzlichen Angriff?<br />
Das Abenteuer „Operation Rio Tinto“ ist<br />
für 4-6 Charaktere aus allen Zivilisationen<br />
(auch in einer gemischten Gruppe) geeignet.<br />
Die Gruppe wird von der Rio Tinto Group angeheuert<br />
und reist in die Uranmine Ranger<br />
mitten ins Outback, um dort die Überfalle<br />
der Ghostwalker auf die Mine endlich zu<br />
stoppen - und gerät dabei immer tiefer in die<br />
Verstrickungen um die Mine.<br />
Hintergrund<br />
Die Rio Tinto Group ist der führende Marktriese<br />
auf dem Gebiet des australischen Bergbaus<br />
und stützt sich zum großen Teil auf die<br />
enormen Fördermengen von Uran, um die<br />
Raging Bull mit diesem Rohstoff zu versorgen.<br />
Uran bedeutet Energie, mit welcher die<br />
Raging Bull ihre Schiffe betreiben und ihre<br />
Kernkraftwerke versorgen, und letztendlich<br />
auch einen großen Anteil an Macht im Outback.<br />
Bis dato lief das Geschäft ganz gut, bis sich<br />
einige Ghostwalker in dem Gebiet um die<br />
Ranger Mine breit machten und anfingen die<br />
Mine zu überfallen. Sie gaben den Arbeitern<br />
die Wahl, die Mine bis Sonnenuntergang zu<br />
verlassen oder in ihr zu sterben. Dann, als sie<br />
des Nachts kamen, machten sie kurzerhand<br />
mit allen noch Anwesenden kurzen Prozess.<br />
Denn was die Mitglieder der Rio Tinto Group<br />
und der Raging Bull nicht wussten, war, dass<br />
die Mine, unweit des Mount Brockman gelegen,<br />
auf geheiligtem Land der Ghostwalker<br />
steht, das diese für sich wieder entdeckt hatten.<br />
Das Land ist für die Ghostwalker der Regenbogenschlange<br />
Ngalyod geweiht und<br />
Seite 4<br />
aus diesem Grund müssen sie das Land um<br />
den heiligen Berg schützen und den Raubbau<br />
und die Vergiftung des Wassers aufhalten,<br />
um ihren Gott milde zu stimmen und eine Rache<br />
durch die Regenbogenschlange Ngalyod<br />
zu verhindern.<br />
ÜBerBLICK ÜBER Die<br />
Handlung<br />
Die Charaktere werden in Checkpoint von<br />
der Rio Tinto Group angeworben, um sich um<br />
ein Problem in der Uranmine Ranger zu kümmern.<br />
Ghostwalker sollen die Mine überfallen<br />
haben. Die Förderungen wurden eingestellt<br />
und der Funkkontakt zur Mine wurde unterbrochen,<br />
so dass man nur weiß, dass dort in<br />
der Mine etwas gehörig falsch läuft. Die angeworbenen<br />
Charaktere werden schließlich mit<br />
einem LKW in das Minengebiet gefahren, wo<br />
sich der Fahrer aus dem Staub macht und die<br />
Charaktere alleine vor dem Eingang der Mine<br />
stehen lässt. Die Charaktere finden die Mine<br />
verwüstet vor und alles deutet auf schwere<br />
Kämpfe hin. Bei der Suche nach Überlebenden<br />
kann schließlich im Hauptgebäude ein<br />
Schwerverletzter gefunden werden, der<br />
dringender Versorgung bedarf. Währenddessen<br />
nähert sich ein kleiner Trupp Bewaffneter<br />
dem Gebäude. Beim Zusammenprall mit den<br />
Charakteren stellt sich heraus, dass es sich<br />
um Minenarbeiter handelt, die sich in einen<br />
Depotschacht zurückgezogen haben und<br />
nun selbst auf der Suche nach Überlebenden<br />
sind. Durch Nachfragen können die Charaktere<br />
erfahren, dass am Tag zuvor ein Ghostwalker<br />
die Mine betrat und die Minenarbeiter<br />
aufforderte die Mine zu verlassen, da dies<br />
das Land der Ghostwalker sei. Die Minenarbeiter<br />
haben den Wilden für seine Forderung<br />
ausgelacht und ihre Arbeit fortgesetzt. Mit<br />
einer letzten Drohung der Ghostwalker, sich<br />
ihr Recht zu nehmen, wenn die Arbeiter bis<br />
Sonnenuntergang nicht verschwunden sind,<br />
verschwand der Wilde. In der Nacht konnten<br />
sich die Minenarbeiter in einen Depotschacht<br />
retten, in dem sie sich nun verbarrikadiert<br />
haben. Wenn die Charaktere sich mit den<br />
Verletzten und den anderen Überlebenden<br />
in den Depotschacht, der den einzigen noch<br />
sicheren Platz in der Mine darstellt, zurück<br />
ziehen, können sie sich dort mit den weiteren<br />
Überlebenden beratschlagen. Weiterhin<br />
werden den Charakteren die Zeichnungen an<br />
den Wänden des Depotschachtes auffallen,<br />
die eindeutig von Ghostwalkern stammen,<br />
jedoch sehr alt und verwittert sind, so dass<br />
sie kaum noch deutbar sind. Zum Sonnenuntergang<br />
kommt schließlich erneut der Ghostwalker<br />
in die Mine und lässt sogar mit sich<br />
reden. Jedoch weicht er nicht von seinem<br />
Standpunkt ab, dass die Minenarbeiter die<br />
Mine aufgeben müssen. Sie würden sonst<br />
die Rache der Regenbogenschlange Ngalyod<br />
auf sich ziehen, die alles vernichten würde.<br />
Sollte es zu keiner Einigung mit den Charakteren<br />
kommen, werden die Ghostwalker in<br />
der Nacht erneut die Mine angreifen. Nun ist<br />
es an der Zeit, die Charaktere entscheiden zu<br />
lassen, ob sie die Mine aufgeben wollen und<br />
das angebotene Geld der Rio Tinto Group<br />
in den Wind schlagen, oder ob sie die Mine<br />
gegen die Wilden verteidigen wollen und<br />
schließlich auch die letzten Ghostwalker umbringen<br />
wollen, getreu dem Motto, Auge um<br />
Auge, Zahn um Zahn.<br />
Gerüchte und<br />
Personen<br />
Speedy Mc Gee<br />
Raging Bull - LKW-Fahrer der Rio<br />
Tinto Group<br />
Ein schnittiger junger Mann, der immer<br />
gerne eine Zigarette im Mund hat und mit<br />
seinem Hut, den Lederstiefeln und der Lederweste<br />
einfach nur stereotyp australisch<br />
wirkt. Doch kaum einer weiß, dass er genau<br />
dieses Gefühl genießt, was er bei den anderen<br />
hervorruft, und gerne einmal über die<br />
Stränge schlägt, wenn er sein schelmisches<br />
Grinsen aufsetzt.<br />
„Da unten in der Mine ist was ganz übles<br />
passiert, das kann ich euch sagen. Keine<br />
Ahnung was da genau los war, aber es muss<br />
was GROSSES gewesen sein. Hey Mann<br />
ey, die Leute da unten trotzen Dingos und<br />
den scheiß Krokodilen in den Tümpeln und<br />
halten immer noch die Fördermengen ein.<br />
Abenteuer
Operation Rio Tinto<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
uns da unten im Schacht verbarrikadiert. Da<br />
kommt nun nicht mal mehr ne verdammte<br />
Ratte rein. Also wo habt ihr euren Van,<br />
LKW oder was auch immer geparkt. Ich will<br />
nicht hier sein, wenn diese scheiß Wilden<br />
wieder kommen und den Rest von uns<br />
niedermetzeln.“<br />
Hey Mann, ich wird für euch nicht den Arsch<br />
riskieren. Also wenn ich euch da runter<br />
fahre, dann nur, weil ich dafür gut bezahlt<br />
werde. Hinfahren, Aussteigen und wenn ihr<br />
dann noch in 3 Tagen lebt, könnt ihr wieder<br />
einsteigen und ich nehm euch wieder mit<br />
nach Checkpoint, alles klar?“<br />
Ian Mc Gregor<br />
Raging Bull - Verletzter Minenarbeiter,<br />
Hauptgebäude<br />
Verbarrikadiert in einem Büro, hinter den<br />
Schreibtisch gedrückt, hält der Bull mit der<br />
einen Hand seine Schrotflinte, während er<br />
mit der anderen seine blutende Bauchwunde<br />
hält, die bereits das komplette Hemd mit dem<br />
roten Saft durchnässt hat. Er ist bewusstlos<br />
und muss schleunigst gerettet werden.<br />
Sobald er wieder bei Bewusstsein ist, stammelt<br />
er nur:<br />
„Scheiße, das waren die Wilden. Haben uns<br />
hinterrücks überfallen. Ich konnte mich hier<br />
im Büro verschanzen, nachdem ich einen<br />
Wilden abschütteln konnte. Für Skip konnte<br />
ich nichts mehr tun. Sind über ihn hergefallen,<br />
wie hungrige Dingos. Ausrotten müsste<br />
man die Wilden.“<br />
Russell Howard<br />
Raging Bull - Anführer des Spähtrupps<br />
Hauptgebäude<br />
Der hektische, von Panik erfüllte Blick passt<br />
so gar nicht zu dem stämmigen bärbeißigen<br />
Aussehen des kantigen Bullen, in dessen<br />
Hände gut ein ganzer Kinderkopf passt. Sein<br />
Blaumann ist von vielen schwarzen wie roten<br />
Flecken gekennzeichnet und seine frischen<br />
Narben und einige ausgeschlagene Haifischzähne<br />
sprechen Bände.<br />
„Gut, dass die Group mal Leute herschickt.<br />
Ich hoffe für euch, dass ihr was drauf habt.<br />
Sind nur noch ein paar von uns da. Haben<br />
Rupert Astor<br />
Raging Bull - Vorarbeiter der<br />
Mine Depotschacht<br />
Obszön fett, das ist wohl wirklich das erste<br />
was einem bei diesem Bullen einfällt. Immer<br />
etwas zwischen den Zähnen, auf dem<br />
er rumkauen kann und die Gewissheit, dass<br />
wenn sich seine Masse einmal in Bewegung<br />
setzt, vieles nur noch platt ist, liegt ihm immer<br />
ein dreckiger Scherz auf den Lippen,<br />
und er betitelt alle, die weniger auf den<br />
Rippen haben als er, als Jüngelchen, Kleiner<br />
oder Kleine.<br />
„Verdammt, wir halten hier schon die letzte<br />
beschissene Nacht die Stellung. Hab so viele<br />
von uns hier hergebracht wie nur ging,<br />
aber gegen diese Wilden scheint kein Kraut<br />
gewachsen zu sein. Ich hoffe, die Group<br />
hat euch was mitgegeben, womit wir den<br />
Wilden den Garaus machen können. Wir<br />
haben da gestern echt gute Leute verloren.<br />
Verdammt gute Leute.“<br />
Rutger Smith<br />
Raging Bull - Arzt der Mine<br />
Depotschacht<br />
Durch eine alte Brille, dessen Gläser<br />
schon hier und da gesprungen sind, blickt<br />
er mit sorgenvoller Miene von seiner Arbeit<br />
auf. Schweißperlen von der harten Arbeit<br />
rinnen seine Stirn hinab, während seine blutigen<br />
Hände zu einem alten abgenutzten Verband<br />
greifen.<br />
„Werden nicht mehr viele durchhalten,<br />
sag ich euch. Es wäre besser, wenn wir so<br />
schnell wie möglich hier verschwinden.<br />
Weiß der Geier, was die Ghostwalker hier<br />
wollen. Verdammt wir können ihnen immer<br />
noch in den Arsch treten, wenn wir erst in<br />
Checkpoint sind und in einer Kneipe einmal<br />
auf den Tisch hauen und die Jungs mobilisieren.“<br />
Collin<br />
Debellator - Sklave, Depotschacht<br />
Drahtig, aber doch mit einigen Muskeln<br />
von der harten Arbeit gezeichnet, kauert er<br />
ruhig auf einer Decke und schaut stoisch zur<br />
Höhlenwand.<br />
Abenteuer<br />
Seite 5
ANDUIN <strong>98</strong><br />
OPeration Rio Tinto<br />
„Wir sollten hier abhauen. Die Ghostwalker<br />
machen ernst und werden erst aufhören,<br />
bis wir weg sind oder tot im Sand von<br />
Dingos angenagt werden. Doch die Bullen<br />
wollen es nicht sehen, dass die Wilden mehr<br />
wollen als nur alle zu töten. Die wollen<br />
dieses Land für ihren Gott. Ihr Weg ist zwar<br />
falsch und gefährlich, da sie sich noch immer<br />
an ihre Götter klammern, aber das Ziel<br />
ist das richtige.““<br />
Unbekannter Ghostwalker<br />
- Vermittler<br />
Seine Haut so schwarz wie verbranntes<br />
Holz, während sich die weißen Muster auf<br />
seiner Haut klar und deutlich abzeichnen. Lediglich<br />
ein Stück Stoff hat er um die Lenden<br />
Seite 6<br />
geschwungen, während er sein Gewicht auf<br />
einen einfachen Holzstab abstützt und deutlich<br />
zu erkennen ist, dass er unbewaffnet ist.<br />
„Dies unser Land. Bullen müssen gehen.<br />
Wir kommen im Namen von Ngalyod, der<br />
Schlange die den Himmel farbig macht<br />
und uns Wasser gibt. Ngalyods Zorn wird<br />
größer. Ihr müsst verschwinden, damit wir<br />
Ngalyod besänftigen. Wenn ihr nicht gehen.<br />
Wir werden kämpfen und euch vertreiben.<br />
Wir müssen Welt vor Ngalyod Zorn retten.<br />
Bullen müssen verstehen.“<br />
MÖGLiCher EinStieg<br />
Es gibt verschiedene Einstiegsmöglichkeiten,<br />
warum die Charaktere in die Mine<br />
geschickt werden. Sind sie erst einmal in<br />
Australien und vorzugsweise Checkpoint<br />
angekommen, werden sie recht schnell von<br />
der Rio Tinto Group angeheuert, die ihren<br />
Hauptsitz in Checkpoint hat. Es ist ein Vorteil,<br />
wenn sich die Charaktere vorher bereits<br />
kennen. Wenn sie nicht bereits als Gruppe<br />
unterwegs sind, werden sie einzeln und aus<br />
unterschiedlichen Gründen angeworben<br />
oder ihr Weg führt aus privaten Gründen zur<br />
Rio Tinto Group. Für ein Einstiegsabenteuer<br />
eignet es sich am Besten, die Zusammenführung<br />
der Charaktere rückblendend auf dem<br />
Weg mit dem LKW zur Mine zu gestalten,<br />
um eine langwierige Zusammenführung in<br />
Checkpoint zu vermeiden.<br />
Die möglichen Gründe, derentwegen die<br />
Charaktere zur Rio Tinto Group kommen,<br />
hängen von Zivilisation, Berufung und der<br />
Ausgestaltung des Charakters ab.<br />
Hier sind einige Beispiele sowie allgemeine<br />
Ansätze:<br />
Allgemeine Ansätze<br />
Bote: Eine Nachricht oder einen Gegenstand<br />
überbringen.<br />
Kontakt: Jemanden treffen oder besuchen,<br />
Information besorgen.<br />
Rückkehr: Der Charakter stammt<br />
aus Checkpoint und kehrt nach Hause<br />
zurück.<br />
Geschäft: Der Charakter ist unterwegs<br />
um zu handeln. In der Regel will<br />
er bestimmte Ware kaufen oder verkaufen<br />
oder sucht ein bestimmtes Artefakt.<br />
Konflikt: Etwas stehlen, jemanden<br />
aushorchen oder eine offene Rechnung<br />
begleichen.<br />
Vermisst: Der Charakter steht einem<br />
der Minenarbeiter nahe und will bei der<br />
Aufklärung des Problems mit der Ranger<br />
Mine helfen und seinen Bekannten<br />
oder Verwandten finden.<br />
Arbeit: Die Charaktere brauchen<br />
Geld und der beste Weg um dies zu bekommen<br />
ist, sich Arbeit zu suchen.<br />
Spezifische Ansätze<br />
Nordallianz: Schulden im Auftrag der<br />
Nordallianz begleichen und sich dazu<br />
mit der Rio Tinto Group treffen.<br />
Aufklärung für die Kirche leisten und<br />
mehr über diese Ghostwalker herausfinden.<br />
Missionierung<br />
Industriespionage im Namen der<br />
Nordallianz durchführen<br />
Abenteuer
Operation Rio Tinto<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Debellatoren: Einen verschwundenen Debellator<br />
finden, dessen Spur sich bei der Rio<br />
Tinto Group verläuft.<br />
Schnell an Geld kommen, um das Gebiet<br />
der Raging Bull endlich verlassen zu können.<br />
Hezekieliten: Hezekiels Stimme folgen<br />
Schulden im Auftrag der Hezekieliten begleichen<br />
und sich dazu mit der Rio Tinto<br />
Group treffen.<br />
Einen verschwundenen Hezekieliten finden,<br />
dessen Spur sich bei der Rio Tinto Group<br />
verläuft.<br />
Temora: Schulden im Auftrag von Temora<br />
begleichen und sich dazu mit der Rio Tinto<br />
Group treffen.<br />
Industriespionage im Namen Temoras<br />
durchführen. Zwar sind die Raging Bull sehr<br />
viel unterentwickelter, aber man sollte jeden<br />
im Auge behalten. Vielleicht haben die Raging<br />
Bulls etwas in der Hinterhand<br />
Hochtechnologische, von den Raging Bull<br />
vermutlich geklaute Geräte finden.<br />
Raging Bull: Einen verschwundenen Verwandten<br />
oder Bekannten in der Mine aufspüren.<br />
Ein seltenes Ersatzteil für einen Scrap besorgen.<br />
Vorbereitung<br />
Als Vorbereitung für den Spielleiter empfiehlt<br />
es sich, einige Profile für Gegner bereit<br />
zu halten (Ghostwalker), sowie sich mit<br />
Checkpoint und Australien im Allgemeinen<br />
vertraut zu machen.<br />
1. Der Bulle holt zum<br />
Schlag aus<br />
Die weite Prärie. Immer wieder ausgetrocknete<br />
Büsche, Staubwolken und die sengende<br />
australische Sonne im Nacken, während<br />
sich der alte LKW bei jedem Schlagloch der<br />
schlecht in Schuss gehaltenen Straße wie ein<br />
altes bockiges Maultier aufbäumt. Zur Linken<br />
erstreckt sich ein plattgewalztes ehemaliges<br />
Flugfeld, dessen Flugzeuge langsam vor sich<br />
hin verrotten oder bereits ausgeschlachtet<br />
und skelettiert in der Mittagshitze wie gestrandete<br />
Walskelette wirken. Hin und wieder<br />
meint man einen Dingo in den Trümmern<br />
sitzen zu sehen, der die Neuankömmlinge<br />
taktierend beobachtet. Die Gewehre werden<br />
sicherheitshalber durchgeladen, während<br />
der LKW weiter jedes Schlagloch nimmt.<br />
Die Charaktere reisen bereits seit Stunden<br />
durch das australische Outback. Ihr Ziel: Die<br />
Ranger Uranmine, aus der die Rio Tinto Group<br />
letzte Nacht einen verzweifelten Funkspruch<br />
abfangen konnte. Seither kann man niemanden<br />
mehr in der Mine erreichen. Die Rio Tinto<br />
Group hat schnell gehandelt und eine extrem<br />
hohe und verführerische Prämie für diejenigen<br />
ausgesetzt, die sich um das Problem mit<br />
den Ghostwalkern in der Mine kümmern.<br />
Vielleicht führen die Charaktere aber auch<br />
private Gründe in die Mine, wie ein verschollener<br />
Verwandter. Egal, was sie dazu bewegt<br />
hat, nun nähern sie sich mit jeder weiteren<br />
Meile der Uranmine, von der sie lediglich wissen,<br />
dass sie von Ghostwalkern angegriffen<br />
wurde und sie diese ausrotten sollen, damit<br />
die Mine wieder in Betrieb genommen werden<br />
kann. Ihr Fahrer, Speedy Mc Gee ist ein<br />
schnittiger junger Mann, der immer gerne<br />
eine Zigarette im Mund hat und mit seinem<br />
Hut, den Lederstiefeln und der Lederweste<br />
einfach nur stereotyp australisch wirkt, wird<br />
zwar nicht so gesprächig auf der Fahrt sein,<br />
jedoch eines schnell klar stellen, wenn er die<br />
Charaktere zur Mine fährt:<br />
„Da unten in der Mine ist was ganz übles<br />
passiert, das kann ich euch sagen. Keine<br />
Ahnung was da genau los war, aber es muss<br />
was GROSSES gewesen sein. Hey Mann ey,<br />
die Leute da unten trotzen Dingos und den<br />
scheiß Krokodilen in den Tümpeln und halten<br />
immer noch die Fördermengen ein. Hey<br />
Mann, ich würd für euch nicht den Arsch<br />
riskieren. Also wenn ich euch da runter<br />
fahre, dann nur, weil ich dafür gut bezahlt<br />
werde. Hinfahren, Aussteigen und wenn ihr<br />
dann noch in 3 Tagen lebt, könnt ihr wieder<br />
einsteigen und ich nehm euch wieder mit<br />
nach Checkpoint, alles klar?“<br />
Die Aussichten sind klar. Hinfahren, sich<br />
um das Problem kümmern und dann wieder<br />
abgeholt zu werden. Und vielleicht ist auch<br />
schon diese Aussicht ein möglicher Auslöser<br />
für das eine oder andere mulmige Bauchgefühl.<br />
Alleine im Outback. Mit einer Mine voller<br />
Probleme, Wilde, die einen ans Leder wollen,<br />
aber dennoch eine verführerische Prämie,<br />
die am Ende des Weges winkt.<br />
Plötzlich frischt der Wind auf und Wolken<br />
türmen sich zu einer schwarzen Front, ehe<br />
eine Legion von Regentropfen auf die Erde<br />
niederprasselt und die erdige Fahrbahn zu<br />
einer Rutschpartie werden lässt. Eine weitere<br />
halbe Stunde vergeht, ehe der Himmel<br />
wieder aufklart und ein einzelner Regenbogen<br />
den Horizont erhellt. Der LKW hält<br />
ruckelnd an. Man ist endlich am Ziel und in<br />
einer Talsenke erstreckt sich das Gebiet der<br />
Ranger Mine mit ihren Gruben, Wasserdämmen<br />
und Verarbeitungsanlagen.<br />
2. Die Mine<br />
Hier wurde die Natur gefügig gemacht.<br />
Die Raging Bull haben Gruben in die Erde<br />
getrieben, um ihr mit Baggern und Tiefladern<br />
ihre Schätze entreißen zu können.<br />
Das Wasser haben sie zu künstlichen Seen<br />
gestaut, damit sich das radioaktive Material<br />
auswaschen kann, ehe das Wasser weiter<br />
in die Flüsse geleitet werden wird. Die<br />
Mine muss irgendwann vor dem Mondfall<br />
noch eindrucksvoller gewesen sein. Der<br />
Fahrer, Speedy Mc Gee, hat euch von dem<br />
Flugfeld erzählt, an dem ihr vorbeigefahren<br />
seid und von einer längst aufgegebenen<br />
Siedlung in der Nähe der Mine. Heute leben<br />
die Minenarbeiter im Verwaltungsgebäude<br />
und einigen Schächten der Mine. Das Land<br />
ist zu gefährlich geworden, um die Siedlung<br />
wieder neu zu beleben.<br />
Während der LKW sich erneut in Bewegung<br />
setzt, um sich aus dem Staub zu machen, wie<br />
Speedy Mc Gee es bereits auf der Fahrt angekündigt<br />
hatte, bemerken die Charaktere<br />
von dort aus, dass der Angriff letzte Nacht<br />
scheinbar schlimmer war, als die Rio Tinto<br />
Group zuerst geglaubt hat.<br />
Vereinzelt liegen Leichen in der sengenden<br />
Sonne auf den Geröllfeldern und werden in<br />
aller Ruhe von einigen Dingos angefressen.<br />
Hier und da läuft Öl aus einem Bagger aus<br />
und ein Tieflader wurde von einem großen<br />
Stein getroffen, der das Fahrerhaus komplett<br />
zerstört hat.<br />
Sollten die Charaktere auf die Idee kommen,<br />
die herumliegenden Leichen durchstöbern<br />
zu wollen, so werden sie zwangsweise<br />
mit den Dingos Bekanntschaft machen, die<br />
ihr Futter nicht so einfach hergeben werden<br />
(Werte der Dingos im Anhang).<br />
3. Das Verwaltungsgebäude<br />
Überall blättert an den Wänden schon die<br />
Tapete ab. Geröll, kaputte Möbel, die man<br />
in aller Eile zu Barrikaden aufgetürmt hat,<br />
versperren hier und da das Vorrankommen.<br />
Blutlachen, um die sich bereits Fliegen<br />
scharen und Pfeile, die in der Wand stecken,<br />
sowie der eine oder andere tote Körper<br />
lassen nichts Gutes erahnen.<br />
Wenn sich die Charaktere hier fernab der<br />
Dingos die Mühe machen, einige der Leichen<br />
zu untersuchen, wird ihnen schnell auffallen,<br />
dass der Ein oder Andere lediglich durch einen<br />
einzigen Pfeil zu Tode gekommen zu sein<br />
scheint.<br />
Mit einem erfolgreichen Wurf auf Intelligenz<br />
+ Naturwissenschaften oder Medizin<br />
gegen eine ZW von 12 werden die Charaktere<br />
schnell merken, dass die Pfeilspitzen vergif-<br />
Abenteuer<br />
Seite 7
ANDUIN <strong>98</strong><br />
OPeration Rio Tinto<br />
tet waren.<br />
Im Verwaltungshaus, das schon recht gut<br />
zerstört wurde, findet man schließlich auch<br />
in einem verbarrikadierten Büro einen Überlebenden.<br />
Der Mann klammert sich ängstlich<br />
an seine Schrotflinte und hält mit der anderen<br />
Hand seine Bauchwunde, die bereits das<br />
komplette Hemd mit dem roten Saft durchnässt<br />
hat.<br />
Ian Mc Gregor heißt der arme Teufel und<br />
ist Arbeiter in der Mine. Er muss schnell versorgt<br />
werden und stellt für die Charaktere<br />
keine wirklich Gefahr dar, da die Schrotflinte<br />
nicht einmal mehr geladen ist. Bei einem gelungen<br />
Wurf auf Intelligenz + Medizin gegen<br />
eine ZW von 12 kann er stabilisiert werden,<br />
sodass er zu mindestens für kurze Zeit ansprechbar<br />
ist. Desweiteren können die Charaktere<br />
ein Medikit im Büro finden, dass sie<br />
für seine Versorgung nutzen können, sofern<br />
sie selbst keines zur Hand haben.<br />
Seite 8<br />
„Scheiße, das waren die Wilden. Haben uns<br />
nachts hinterrücks überfallen. Ich konnte<br />
mich hier im Büro verschanzen, nachdem<br />
ich einen Wilden abschütteln konnte. Für<br />
Skip konnte ich nichts mehr tun. Sind über<br />
ihn hergefallen, wie hungrige Dingos. Ausrotten<br />
müsste man die Wilden.“<br />
Viel mehr kann Ian Mc Gregor den Charakteren<br />
auch nicht mitteilen. Bleibt nur die<br />
Frage: Wo sind die anderen Minenarbeiter<br />
abgeblieben?<br />
Bei einer erfolgreichen Probe auf Psyche +<br />
Aufmerksamkeit gegen eine ZW von 12 hören<br />
die Charaktere, wie sich draußen Steingeröll<br />
in Bewegung gesetzt hat.<br />
Ein schneller Blick aus dem Fenster verrät<br />
den Charakteren, dass sie mit Ian Mc Gregor<br />
doch nicht ganz alleine in der Mine sind.<br />
Schnell bewegten sich drei bewaffnete Männer<br />
durch das Minengelände, deren Arbeitskleidung<br />
deutliche Spuren der vergangenen<br />
Nacht trugen. Einer von ihnen hat sogar<br />
einen mit Blut getränkten Verband um seinen<br />
linken Arm. Behände bewegten sich die<br />
drei immer schneller auf das Hauptgebäude<br />
zu, während sie immer wieder Schutz im<br />
Schatten der großen Baufahrzeuge suchten,<br />
ehe sie aus ihrem Schatten erneut hervorsprangen.<br />
Stetig ihr einziges Ziel im Auge.<br />
Das Hauptgebäude.<br />
Nun müssen die Charaktere schnell entscheiden,<br />
wie sie mit der Situation umgehen.<br />
Die sich nähernden Männer stehen unter<br />
Stress und werden auf alles schießen, was<br />
ihnen zu voreilig vor die Flinte läuft.<br />
So können die Charaktere zum Beispiel<br />
bei dem verletzten Ian auf den Spähtrupp<br />
warten oder ihn an der Tür in Empfang nehmen.<br />
Sollten die Charaktere jedoch den Männern<br />
einen Hinterhalt stellen wollen, wird es<br />
zwangsläufig auf eine Konfrontation hinaus<br />
laufen (Werte für den Spähtrupp im Anhang).<br />
Nach einem mehr oder minder freundlichen<br />
Zusammentreffen beider Gruppen und<br />
Klärung der Fronten, beruhigen sich die Männer<br />
recht schnell. Der Anführer des kleinen<br />
Trupps stellt sich als Russell Howard vor.<br />
Ein stämmiger und bärbeißig aussehender<br />
Raging Bull, in dessen Hände gut ein ganzer<br />
Kinderkopf passt. Sein Blaumann ist von<br />
vielen schwarzen wie roten Flecken gekennzeichnet<br />
und seine frischen Narben und einige<br />
ausgeschlagene Haifischzähne sprechen<br />
Bände.<br />
„Gut, dass die Group mal Leute herschickt.<br />
Ich hoffe für euch, dass ihr was drauf habt.<br />
Sind nur noch ein paar von uns da. Haben<br />
uns da unten im Schacht verbarrikadiert. Da<br />
kommt nun nicht mal mehr ne verdammte<br />
Ratte rein. Also wo habt ihr euren Van,<br />
LKW oder was auch immer geparkt. Ich will<br />
nicht hier sein, wenn diese scheiß Wilden<br />
wieder kommen und den Rest von uns<br />
niedermetzeln.“<br />
Sobald die Charaktere zugeben, dass ihr<br />
LKW Fahrer sie einfach hier gelassen hat,<br />
wird Russell fluchend gegen das nächst beste<br />
Objekt treten. Seine Wut ist deutlich zu<br />
spüren.<br />
„Packen wir´s an. Schaffen wir das arme<br />
Schwein Ian hier weg und versorgen uns<br />
noch mit dem Nötigsten und dann so<br />
schnell wie nichts in den Depotschacht.<br />
Rupert wird das ganze sicherlich sehr<br />
interessieren. Bin gespannt, wie ihr unsere<br />
Ärsche retten wollt.“<br />
Mit diesen Worten machen sich die drei<br />
Bulls auch direkt an ihre Arbeit und nehmen<br />
alles an nützlichen Dingen mit, die sie unten<br />
im Depotschacht gebrauchen können (z.B.<br />
Nahrung, Trinkwasser, Munition).<br />
4. Der Depotschacht<br />
Ein schmaler Serpentinenweg führt hinab in<br />
einen der Minenkessel, an dessen Ende ein<br />
kleiner Schacht den Weg in den Berg öffnet.<br />
Schummriges flackerndes Licht von wankenden<br />
Lampen erhellt den verwitterten<br />
Schacht, in welchem sich alte Fässer in<br />
rostigen Regalen stapeln, aus welchen eine<br />
neongrünliche Substanz tropft. Hätte man<br />
einen Geigerzähler bei sich, würde die Nadel<br />
wohl nicht mehr zu Ruhe kommen. Doch<br />
das kümmert hier niemanden. Hier zählt<br />
nur noch das nackte Überleben. So wurden<br />
einige lecke Fässer aus den Regalen genommen<br />
und auf ihnen Sandsäcke als eine<br />
provisorische Barriere vor den anstürmenden<br />
Feinden aufgetürmt.<br />
Eine lähmende Ruhe vor dem Sturm erfüllt<br />
den Raum, in dem lediglich eine Hand voll<br />
Bewaffneter den Ausgang mit müden Augen<br />
bewachen, während ein einzelner provisorischer<br />
Arzt versucht bei den Verletzten<br />
zu retten, was zu retten ist, und sollte dies<br />
nicht ausreichen, so trägt man diejenigen<br />
einfach weiter in den Berg hinein. Weiter<br />
hinten im Schacht drängen sich dagegen<br />
auf provisorischen Matten Verletzte sowie<br />
übermüdete Arbeiter und Sklaven, die mit<br />
leeren Augen an die mit fremd aussehenden<br />
Zeichnungen beschmierten Wände starren.<br />
Einzig ein Mann versucht die Moral noch<br />
hochzuhalten. Es ist der Vorarbeiter Rupert<br />
Astor, welcher gleichzeitig Kommandant<br />
dieses letzten Restes von Minenarbeitern<br />
ist.<br />
Massig genug um für zwei Bulls durchzugehen,<br />
stellt er sich schließlich den<br />
Neuankömmlingen in den Weg. Der Geruch<br />
von Schweiß und Blut hat sich mit seinen<br />
eigenen Ausdünstungen zu einem schweren<br />
Parfum vermengt, dass einem direkt als Begrüßung<br />
entgegen weht und das nur noch<br />
von seinem permanenten Zigarrenatem<br />
getoppt werden kann.<br />
„Verdammt, wir halten hier schon die letzte<br />
beschissene Nacht die Stellung. Hab so viele<br />
von uns hier hergebracht wie nur ging,<br />
aber gegen diese Wilden scheint kein Kraut<br />
gewachsen zu sein. Ich hoffe die Group<br />
hat euch was mitgegeben, womit wir den<br />
Wilden den Garaus machen können. Wir<br />
haben da gestern echt gute Leute verloren.<br />
Verdammt gute Leute.“<br />
Die Charaktere können sich nun in einem<br />
Gespräch mit Rupert oder direkt im Depotschacht<br />
ein genaues Bild über die Lage der<br />
überlebenden Minenarbeiter machen.<br />
Die Lage kann man getrost als finster einstufen.<br />
Insgesamt sind noch 11 Arbeiter mit<br />
dem Vorarbeiter und dem Spähtrupp zusammen<br />
halbwegs kampftauglich, sieht man<br />
von kleineren Verletzungen ab. Jedoch ist<br />
ihre Moral nicht gerade die Beste und viele<br />
wollen einfach nur noch weg, wollen jedoch<br />
ihre verletzten Kameraden nicht im Stich lassen<br />
und somit als Feigling und Kameradenschwein<br />
gelten.<br />
Ebenso kann man ein paar Worte mit dem<br />
einzigen Arzt vor Ort wechseln. Sein Name<br />
ist Rutger Smith.<br />
Durch eine alte Brille, deren Gläser schon<br />
hier und da gesprungen sind, blickt er<br />
Abenteuer
Operation Rio Tinto<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
mit sorgenvoller Miene von seiner Arbeit<br />
auf. Schweißperlen von der harten Arbeit<br />
rinnen seine Stirn hinab, während seine<br />
blutigen Hände zu einem alten abgenutzten<br />
Verband greifen.<br />
„Werden nicht mehr viele durchhalten,<br />
sag ich euch. Es wäre besser, wenn wir so<br />
schnell wie möglich hier verschwinden.<br />
Weiß der Geier was die Ghostwalker hier<br />
wollen. Verdammt wir können ihnen immer<br />
noch in den Arsch treten, wenn wir erst<br />
in Checkpoint sind und in einer Kneipe<br />
einmal auf den Tisch hauen und die Jungs<br />
mobilisieren.“<br />
Einer der wenigen auffälligen und definitiv<br />
nicht nach einem Raging Bull aussehenden<br />
Leuten, ist der junge Debellator und Sklave<br />
Collin, welcher drahtig, aber doch mit einigen<br />
Muskeln von der harten Arbeit gezeichnet,<br />
ruhig auf einer Decke kauert und stoisch<br />
zur Höhlenwand schaut.<br />
„Wir sollten hier abhauen. Die Ghostwalker<br />
machen ernst und werden erst aufhören,<br />
bis wir weg sind oder tot im Sand von<br />
Dingos angenagt werden. Doch die Bulls<br />
wollen es nicht sehen, dass die Wilden<br />
mehr wollen als nur alle zu töten. Die wollen<br />
dieses Land für ihren Gott. Ihr Weg ist<br />
zwar falsch und gefährlich, da sie sich noch<br />
immer an ihre Götter klammern, aber das<br />
Ziel ist das richtige.“<br />
Den Charakteren werden die vielen seltsamen<br />
Zeichnungen an den Höhlenwänden<br />
auffallen und spätestens wenn sie mit Collin<br />
sprechen, werden sie auf das Bild aufmerksam,<br />
das der junge Debellator die ganze Zeit<br />
mit seinen Augen fixiert, so dass er die Charaktere<br />
nicht einmal beim Gespräch anblickt.<br />
Es ist die verwaschene Zeichnung einer<br />
Schlange mit Flügeln, die über den Wolken<br />
zu schweben scheint. Sollte das die Gottheit<br />
sein, von der der junge Debellator geredet<br />
hat?<br />
5. Dämmerung<br />
Die Sonne sinkt unaufhörlich, während<br />
die Schatten länger werden und die Erde<br />
blutrot färben, als Vorbote einer blutigen<br />
Nacht. Als schließlich einer der Wachen<br />
plötzlich panisch ausruft. „DA! Er ist wieder<br />
da.“ Ein unbekannter Mann geht ruhig den<br />
Serpentinenweg hinunter. Seine Haut ist<br />
so schwarz wie verbranntes Holz, während<br />
sich die weißen Muster auf seiner Haut<br />
klar und deutlich abzeichnen. Lediglich ein<br />
Stück Stoff hat er um die Lenden geschwungen,<br />
während er sein Gewicht auf einen<br />
einfachen Holzstab abstützt und deutlich<br />
zu erkennen ist, dass er unbewaffnet ist.<br />
Schließlich bleibt er in der Nähe des Eingangs<br />
zum Depotschacht stehen, so dass<br />
man ihn gut sehen kann, und setzt an zu<br />
sprechen.<br />
„Dies unser Land. Bullen müssen gehen.<br />
Wir kommen im Namen von Ngalyod, der<br />
Schlange die den Himmel farbig macht<br />
und uns Wasser gibt. Ngalyods Zorn wird<br />
größer. Ihr müsst verschwinden, damit wir<br />
Ngalyod besänftigen. Wenn ihr nicht gehen.<br />
Wir werden kämpfen und euch vertreiben.<br />
Wir müssen Welt vor Ngalyod Zorn retten.<br />
Bullen müssen verstehen.“<br />
Nun können sich die Charaktere entscheiden<br />
was sie als Nächstes tun. Das Englisch<br />
des Ghostwalkers ist sehr gebrochen, so<br />
dass sich eine weiter führende Unterhaltung<br />
als schwierig erweisen könnte, aber nicht<br />
unmöglich ist, da der Ghostwalker wirklich<br />
versucht, die Minenarbeiter zu einem friedlichen<br />
Rückzug zu bewegen.<br />
Wäre es besser die Mine mit den Überlebenden<br />
nun vor Sonnenuntergang zu verlassen<br />
oder stellt man sich zum Kampf? Diese<br />
Frage stellt sich nun.<br />
Die Charaktere müssen abwägen, ob sie<br />
nun die Prämie der Rio Tinto Group einstreichen<br />
und die gestorbenen Bulls rächen oder<br />
klein bei geben, vielleicht der Einschätzung<br />
des Arztes recht geben oder vielleicht sogar<br />
über die Worte des Debellators und die<br />
Zeichnung nachdenken und die fette Prämie<br />
der Rio Tinto Group ausschlagen und die<br />
Ghostwalker gewähren lassen.<br />
Es ist an den Charakteren, die Weichen für<br />
die Zukunft zu stellen.<br />
6. Der Abzug<br />
Gesetzt den Fall, die Charaktere entscheiden<br />
sich für einen friedlichen Abzug, werden<br />
die Ghostwalker sie gewähren lassen, so<br />
dass sie unbehelligt die Miene mit einem der<br />
letzten noch halbwegs fahrtüchtig gemachten<br />
Fahrzeuge verlassen und die Verletzten<br />
abtransportieren können.<br />
Die Prämie können sie sich nun abschminken<br />
und der Gedanke, dass die Rio Tinto<br />
Group alles andere als erfreut sein dürfte,<br />
dass die Ranger Uranmine geräumt wurde,<br />
überschatten die Freude, aus diesem Hexenkessel<br />
noch einmal lebend entkommen zu<br />
sein.<br />
6.1 Anknüpfungspunkte<br />
Die Rio Tinto Group ist wirklich alles andere<br />
als erfreut über den Abzug der Arbeiter und<br />
macht die Charaktere dafür verantwortlich.<br />
Die geretteten Arbeiter legen aus diesem<br />
Grund schon vor dem Erreichen von Checkpoint<br />
den Charakteren nahe, am besten das<br />
nächste Schiff zu nehmen und Checkpoint so<br />
schnell wie möglich zu verlassen, ehe es sich<br />
die Rio Tinto Group überlegt die Charaktere<br />
als zusätzliche „freiwillige“ Arbeiter in einer<br />
anderen Mine einzusetzen als Schadensersatz<br />
für ihre Ausfälle in der Ranger Uranmine.<br />
Auf alle Fälle könnte der Name Rio Tinto<br />
Group noch für lange Zeit den Charakteren<br />
den Schlaf rauben und für einige Alpträume<br />
und Silencer, sorgen die den Charakteren auf<br />
Schritt und Tritt folgen.<br />
Man hätte es sich vorher überlegen sollen,<br />
sich mit der Rio Tinto Group einzulassen.<br />
7. Die Nacht<br />
Sollten die Zeichen auf Krieg stehen, wird<br />
der Kampf hart und dreckig und die Charaktere<br />
müssen sich einiges ausdenken, da die<br />
Ghostwalker ihrerseits ihre strategisch günstige<br />
Position am Kessel nutzen werden, um<br />
mit vergifteten Pfeilen und Blasrohren die<br />
Gegner langsam zu zermürben und einige<br />
durch Vergiftungen auszuschalten.<br />
Die Ghostwalker werden unter allen Umständen<br />
vermeiden, in den Nahkampf mit<br />
den Bulls zu gehen, da sie ausrüstungstechnisch<br />
immer noch die schlechteren Karten<br />
haben und erst einmal den Serpentinenweg<br />
hinunter in den Kessel bewältigen müssen,<br />
wo sie ein ideales Ziel abgeben würden.<br />
Sollte der Kampf nicht so recht in Gang<br />
kommen, so können die Ghostwalker durch<br />
einen geheimen Eingang in den Schacht eindringen,<br />
der in ein altes Höhlensystem mündet,<br />
das die Bulls nie erkundet haben, und<br />
so die Charaktere hinterrücks überraschen,<br />
während sie mit den Ghostwalkern am Kessel<br />
beschäftigt sind.<br />
Die Anzahl der Ghostwalker ist hierbei variabel,<br />
da der Kampf auf alle Fälle spannend<br />
gehalten werden soll.<br />
Sollten die Ghostwalker zu viele Verluste<br />
erleiden, werden sie sich schließlich zurückziehen.<br />
Die Ghostwalker haben sich sowieso<br />
auf eine längere Zermürbungstaktik eingerichtet<br />
(Werte der Ghostwalker im Anhang).<br />
8. Der nächste Morgen<br />
Langsam steigt der Feuerball zum Himmel<br />
empor, während ein sonniger Morgen die<br />
Grauen der letzten Nacht hinfort wischt<br />
und erste Lichtstrahlen in den Kessel wirft,<br />
die schließlich in den Depotschacht dringen.<br />
Die Charaktere haben tatsächlich die Nacht<br />
überlebt und können nun ihre Wunden ver-<br />
Abenteuer<br />
Seite 9
ANDUIN <strong>98</strong><br />
OPeration Rio Tinto<br />
sorgen und sich ein wenig<br />
ausruhen. Der nächste Angriff<br />
wird erst in der nächsten<br />
Nacht erwartet.<br />
Doch wollen sie wirklich<br />
bis zur nächsten Nacht und<br />
dem nächsten zermürbenden<br />
Kampf warten? Sollten<br />
die Ghostwalker durch<br />
den Hintereingang in den<br />
Schacht eingedrungen<br />
sein, ist ihre Lage dadurch<br />
alles andere als sicherer<br />
geworden.<br />
Die Charaktere können<br />
nun abermals abwägen,<br />
ob sie lieber abziehen<br />
oder bleiben wollen.<br />
Doch was ist mit den<br />
Ghostwalkern? Diese<br />
müssten sich ausruhen<br />
und ihre Verletzten versorgen<br />
und wenn sie jede<br />
Nacht angreifen, müsste<br />
ihr Versteck gar nicht so<br />
weit weg sein, so dass<br />
man dieses auch bei Tage<br />
angreifen könnte.<br />
Sollte keiner der Charaktere<br />
auf diese Idee<br />
kommen, so kann auch<br />
Rupert, der Minenarbeiter<br />
die Charaktere auf diese<br />
Möglichkeit stoßen.<br />
Durch die weiteren Verluste<br />
der Nacht, wird er<br />
den Charakteren jedoch<br />
nur 3 Leute mitgeben<br />
um sich um die Wilden<br />
zu kümmern, so denn die<br />
Charaktere auf seine Idee<br />
anspringen.<br />
Die Entscheidung liegt<br />
bei den Charakteren.<br />
(Sollten die Charaktere sich für den Abzug<br />
entscheiden, so gehen sie zu Abschnitt 6.)<br />
9. Mount Brockmann<br />
Die Sonne stieg mit jeder Stunde höher<br />
und erhitzte schnell den heißen Sand unter<br />
sich. Den Blutspuren konnten sie sehr gut<br />
folgen und als sie die Silhouette des Berges<br />
erkannten, der sich in der Nähe der Mine<br />
erhob, wussten sie, wohin die Ghostwalker<br />
geflüchtet waren.<br />
In der Stille der Mittagshitze erreichten<br />
sie schließlich den Schatten des Berges,<br />
während ein ausgetretener Weg ihnen den<br />
Seite 10<br />
weiteren Weg hinauf durch das Buschwerk<br />
und den roten Fels wies. Es dauerte nicht<br />
lange und sie rochen schließlich Rauch und<br />
hörten menschliche Stimmen und Kinderlachen.<br />
War es möglich? Hatten sie tatsächlich das<br />
Lager der Wilden entdeckt? Und waren da<br />
nicht auch Kinder?<br />
Die Charaktere könnten nun in einem<br />
Dilemma stecken. Sie hatten sich mit den<br />
Kriegern angelegt und nun lag vor ihnen das<br />
Lager mit einem ganzen Familienclan mit<br />
Frauen und Kindern. Konnten sie wirklich unschuldige<br />
Frauen und Kinder angreifen?<br />
Wenn sich die Charaktere noch einmal versichern<br />
wollen, so genügt eine erfolgreiche<br />
Probe auf Agilität + Heimlichkeit mit einer<br />
ZW gegen die 8 um sich anzuschleichen und<br />
eine Gruppe aus Kindern, Frauen, Alten und<br />
Verletzten angesichtig zu werden, in deren<br />
Mitte sich einige Krieger ausruhen und wahrscheinlich<br />
nicht einmal im Traum an einen<br />
Angriff denken würden.<br />
Ein letztes Mal wird ihnen die Entscheidung<br />
aufgelastet zu wählen. Es war eine Sache mit<br />
den angreifenden Kriegern zu kämpfen, aber<br />
nun liegen die Dinge ein wenig anders.<br />
Wie werden sich die Charaktere entscheiden?<br />
Die Ghostwalker haben nun, wo sie sich<br />
Abenteuer
Operation Rio Tinto<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
am Verwundbarsten zeigen, nicht die leiseste<br />
Chance.<br />
(Sollten die Charaktere sich für den Abzug<br />
entscheiden, so gehen sie zu Abschnitt 6.)<br />
9.1 Anknüpfungspunkte<br />
Sollten die Charaktere wirklich so wenig<br />
Skrupel haben und über den Familienclan<br />
herfallen, wird es ihnen die Rio Tinto Group<br />
danken und ihnen nach ihrer Ankunft in<br />
Checkpoint die versprochene Prämie geben.<br />
Die Minenarbeiter würden recht unterschiedlich<br />
auf so eine Geschichte reagieren.<br />
Einige arbeiten zwar hart für die Rio Tinto<br />
Group, hätten jedoch große Skrupel vor so<br />
einer Tat und würden die Charaktere nun in<br />
einem ganz anderen Licht sehen und auch so<br />
behandeln, obwohl die Charaktere eigentlich<br />
zur Rettung der Minenarbeiter kamen. Man<br />
hätte schließlich auch einfach so abziehen<br />
können.<br />
Die Produktion in der Ranger Uranmine<br />
kann mit der endgültigen Klärung des Problems<br />
schnell wieder aufgenommen werden<br />
und die Charaktere haben nun einen mächtigen<br />
Verbündeten in Form der Rio Tinto<br />
Group, den man nicht unterschätzen sollte.<br />
Doch wird sich das Gewissen der Charaktere<br />
irgendwann wieder melden und sich vielleicht<br />
in Form von Alpträumen und Schatten<br />
aus der Traumzeit rächen?<br />
Anhänge<br />
Dingo<br />
Der Dingo ist ein australischer Wildhund,<br />
der ausgewachsen bis zu 30 Kg schwer<br />
wird und vom Kopf aus über den gesamten<br />
Rumpf etwa 120cm misst. Im Normalfall ist<br />
der Dingo in einem Rudel zuhause, welches<br />
zwischen zehn und vierzig Tiere groß sein<br />
kann. Aus dem Rudel heraus bilden sich<br />
Jagdgemeinschaften, die sich um die Nahrungsversorgung<br />
kümmern. Vor der Naoh-<br />
Mutation fanden sich vor allem kleinere<br />
Nager auf dem Speiseplan der Tiere, in seltenen<br />
Fällen Kängurus. Heutzutage ist kein<br />
Lebewesen auf dem australischen Kontinent<br />
mehr vor den Dingos sicher. Die Jagdtaktiken<br />
der Tiere haben sich verändert und sind<br />
ausgeklügelter geworden. Zusätzlich sind<br />
Dingos bei annähernd gleicher Größe um nahezu<br />
50% schwerer geworden, wobei es sich<br />
bei der Gewichtszunahme größtenteils um<br />
Muskelmasse handelt. Dingos sind dadurch<br />
schneller, stärker und auch bisskräftiger geworden.<br />
Werte<br />
KR 3, AG 3, KO 3, IG 2, PS 1, AS 1<br />
VT 18, ST 9, RV 4, PV 16, MW 6, MAP 13 Aspektpunkte<br />
2<br />
Fertigkeiten<br />
Körperbeherrschung 3W6 + 7, Selbstbeherrschung<br />
1W6 + 5, Aufmerksamkeit 1W6 +<br />
6, Heimlichkeit 3W6 +4, Sinnesschärfe 1W6<br />
+10, Waffenloser Kampf 3W6 +8<br />
Bewaffnung / Angriffe<br />
Biss (Initiative +2 Treffsicherheit 3W6 + 10 /<br />
x2, Schaden 5)<br />
Rüstung<br />
Keine<br />
Mutationen / Spezialangriffe<br />
Mutierter Kiefer<br />
Die Kiefermuskeln und Knochenstruktur<br />
sind derart mutiert, dass der Dingo sehr viel<br />
kräftiger zubeißen und somit verheerenden<br />
Schaden anrichten kann. Er erhält einen Bonus<br />
von 1 auf den Schaden und 2 auf die Treffsicherheit.<br />
Mutiertes Muskelwachstum:<br />
Die Muskelfasern des Dingos sind mutiert.<br />
An fast allen Stellen des Körpers sind die<br />
Muskelstränge um ein vielfaches leistungsfähiger<br />
geworden. Der Dingo erhält einen Bonus<br />
von 1 auf die Attribute KR und AG.<br />
Spähtrupp<br />
Werte<br />
KR 3, AG 3, KO 2, IG 2, PS 2, AS 2<br />
VT 12, ST 6, RV 5, PV 15, MW 6, MAP 14,<br />
Aspektpunkte 3<br />
Fertigkeiten<br />
Athletik 3W6 +8, Aufmerksamkeit 2W6+4,<br />
Heimlichkeit 3W6+9, Körperbeherrschung<br />
3W6+6, Handwerk 3W6 +7 Nahkampfwaffen<br />
3W6+8, Schusswaffen 3W6 +8, Soziale Interaktion<br />
2W6 +3, Waffenloser Kampf 2W6 +4,<br />
Bewaffnung /Angriffe<br />
Kampfmesser (INI +1, TS 3W6+9 / x2, SCH<br />
2, VG 3W6+6)<br />
Karabiner 9mm (INI -1, TS 3W6+9 /x2, RW<br />
60/120/180,Ma: 5, Sch:8, Rüstungsbrechend<br />
2)<br />
Rüstung<br />
Splitterschutz (Schutzwert 5, Energieschutz<br />
2, Berhinderung-1 )<br />
Ghostwalker<br />
Region<br />
Australien<br />
Werte<br />
KR 2, AG 3, KO 2, IG 2, PS 2, AS 2<br />
VT 12, ST 6, RV 5, PV 11, MW 9, MAP 13, Aspektpunkte<br />
4<br />
Fertigkeiten<br />
Athletik 2W6 +2, Aufmerksamkeit 2W6+4,<br />
Empathie 2W6 +3, Heimlichkeit 3W6+9, Körperbeherrschung<br />
3W6+2 Nahkampfwaffen<br />
2W6+2, Projektilwaffen 3W6 +8, Selbstbeherrschung<br />
2W6 +3, Waffenloser Kampf<br />
2W6 +2, Wurfwaffen 3W6 + 8<br />
Bewaffnung /Angriffe<br />
Machete (INI +0, TS 2W6+2 / x1, SCH 5, VG<br />
2W6+1)<br />
Bumerang (INI +0, TS 3W6+8 /x1, RW<br />
10/20/30, SCH4)<br />
Langbogen (INI -1, TS 3W6+8 /x2, RW<br />
15/30/60, SCH 6)<br />
Rüstung<br />
Lederrüstung Schutzwert 2, Behinderung<br />
0 )<br />
Mutationen/Spezialangriffe/<br />
Besonderes<br />
Giftverstand: Ghostwalker tragen auf Pfeilspitzen<br />
und Klingen Gifte verschiedenster<br />
Arten auf. Eine Auswahl hierzu findet man im<br />
Kapitel 7 Katalog.<br />
Abenteuer<br />
Seite 11
ANDUIN <strong>98</strong><br />
SystemVorstellung<br />
Heredium<br />
Vom Mond, der Natur und Der NahrungsKette<br />
TEXT: ANdreas Schnell<br />
Heredium basiert auf einer fiktiven Realität,<br />
welche im Jahr 2200 angesiedelt ist.<br />
Die Welt wurde von umwälzenden Ereignissen<br />
gezeichnet, die nicht nur das Antlitz der<br />
Erde verändert haben, sondern auch das Verständnis<br />
der Menschen für sich selbst und<br />
ihre Umwelt. Heredium bietet somit nicht<br />
nur eine Möglichkeit, in einer durchaus vorstellbaren<br />
Zukunft zu spielen, sondern auch<br />
alle Höhen und Tiefen einer in sich gespaltenen,<br />
menschlichen Gesellschaft zu erleben.<br />
Dabei ist der Style postapokalyptisch, aber<br />
nicht düster, viel mehr positiv und mit dem<br />
Schimmer der Hoffnung versehen, mit den<br />
Zivilisationen, die sich aus den Trümmern der<br />
Vergangenheit erhoben haben, um etwas<br />
Neues, Besseres zu erschaffen. Dabei stehen<br />
viele Fragen offen, so zum Beispiel, ob es die<br />
Menschheit überhaupt verdient hat, weiterhin<br />
auf der Erde als Gast zu verweilen. Viele<br />
Situationen, die man in der Spielwelt von Heredium<br />
erleben wird, sprechen eine deutliche<br />
Sprache und schreien ein deutliches „Nein“<br />
in die Weite der entvölkerten Erde. Doch<br />
wenn die Menschheit eines gelernt hat, dann<br />
das, dass man bereit sein muss zu kämpfen,<br />
denn es geht um die letzte Chance und ein<br />
zweiter Platz wird nicht vergeben.<br />
Dabei ist es für den Spieler in Heredium einfach<br />
und vollkommen verständlich, warum<br />
die Dinge so sind wie sie sind. Warum? Es gibt<br />
so gut wie keine Unterschiede zwischen dem<br />
Spieler- und Charakterwissen. Der große Paukenschlag,<br />
das letzte Konzert, der Knall, die<br />
Katastrophe, wie immer man es auch nennen<br />
mag, wenn 90% der Weltbevölkerung mit einem<br />
Schlag in die ewigen Jagdgründe befördert<br />
werden und sich Kontinente verändern,<br />
dieser Moment ist erst zehn Jahre her. Die<br />
Charaktere wissen noch gut, wie es war, mit<br />
einer Tüte Chips vor der Glotze zu sitzen und<br />
Gott einen guten Mann sein zu lassen. Dinge<br />
haben sich schon vorher verändert, doch<br />
auch wenn die Menschheit erkannt hat, dass<br />
sie kämpfen muss, war sie vorher immer<br />
schon eines gewesen: ein Gewohnheitstier,<br />
dass erst zu seinem (Un-)Glück gezwungen<br />
werden musste. Veränderungen gab es<br />
schon vorher. Ankündigungen, dass es nicht<br />
mehr lange so weiter gehen wird, doch es<br />
Seite 12<br />
Die Erde und den Mond verbindet weitaus<br />
mehr, als eine helle Scheibe, die man ab und<br />
zu, des Nachts am Himmel sehen kann. Die<br />
Gezeiten sind nur ein Beispiel, wie eng der<br />
Erdtrabant mit dem blauen Planten verbunden<br />
ist. Als ob die Erde allein für die blinde<br />
Zerstörungswut der Menschen nicht mehr<br />
ausgereicht hätte, wird auch der Mond in<br />
Mitleidenschaft gezogen. Der dünn besiedelte<br />
Mond wird zerstört. Die Katastrophe,<br />
welche fortan als Mondfall in den Köpfen<br />
der Menschen eingebrannt bleibt, reduziert<br />
die weltweite Bevölkerung auf etwa 60 Millionen<br />
Menschen und verändert das Antlitz<br />
der Erde für immer. Der Mond wurde in Stücke<br />
gerisse und bleibt ab diesem Tag nur mit<br />
dem kümmerlichen Rest, was etwa die Hälfte<br />
der einstigen Größe ausmacht, am Himmelszelt<br />
bestehen. Die Erde wird aus ihrer Umlaufbahn<br />
entrückt, ein Regen aus Trümmern<br />
richtet Zerstörungen an, die der Mensch niehat<br />
niemanden interessiert, genau so wenig<br />
wie es in unserer heutigen Gesellschaft die<br />
Menschen interessiert, was in 20 oder 30 Jahren<br />
passiert. Das ist gut so, denn die Menschheit<br />
hat auch gelernt, dass man mit seinen<br />
eigenen Energiereserven sparsam umgehen<br />
muss, nur so gewinnt man den großen Jackpot,<br />
der noch vor einigen Jahrtausenden darin<br />
bestand, der tollste Mammutjäger zu sein<br />
und die gebärfreudigste Frau an den Haaren<br />
in die Höhle zu zerren. Und wenn sich etwas<br />
noch langsamer verändert als die Einstellung<br />
der Menschen zu ihrer Umwelt, so sind das<br />
die genetischen Informationen, die durch<br />
tausende Generationen hindurch an uns vererbt<br />
worden sind.<br />
Zurück zu den umwälzenden Ereignissen:<br />
es gab da zum Beispiel einen brillanten Wissenschaftler,<br />
der im Jahre 2055 ein Verfahren<br />
entwickelt hatte, das Schadstoffe aus der Luft<br />
filterte und das was niemand für möglich gehalten<br />
hatte, funktionierte doch tatsächlich.<br />
„Super“, dachten sich die Menschen. „Können<br />
wir weiterhin die Umwelt verpesten.“<br />
Leider wurde so viel Engagement, so viel<br />
Voraussicht, vielleicht aber auch so viel Dekadenz<br />
bestraft und für die restlichen Jahre, bis<br />
hin zu einer Katastrophe, die noch viel größer<br />
sein sollte, stand der Name Dr. Liun Tse<br />
Naoh für die Hölle auf Erden. Aufgrund von<br />
Nebenwirkungen dieses Verfahrens mutierte<br />
die Flora und Fauna auf der Erde so extrem,<br />
dass Millionen von Menschen starben. Wälder<br />
wuchsen mit irrsinniger Geschwindigkeit,<br />
schneller als man sie roden konnte. Tiere<br />
wurden schneller, größer und intelligenter,<br />
und es begann ein Prozess, der als die Naoh-<br />
Mutation in die Geschichte einging. Diese<br />
Mutation sorgte dafür, dass die Menschheit<br />
ihren Platz an der Spitze der Nahrungskette<br />
verlor und zwar an etwas, dass sie vormals<br />
bis aufs Blut bekämpft hatte: Die Natur.<br />
Die Menschen zogen sich Stück für Stück<br />
zurück. Verständlich, denn wer hat schon<br />
große Lust sich von einem Bären verspeisen<br />
zu lassen, der einen theoretisch auch noch<br />
in einer Partie Schach schlagen könnte? Ein<br />
anderer Prozess, der schon sehr viel länger<br />
an den Grundpfeilern der Menschheit genagt<br />
hatte, beschleunigte sich nun: die Abhängigkeit<br />
von der Technik.<br />
Knapp 80 Jahre später, der Kalender zeigt<br />
mittlerweile das Jahr 2130 an, passiert dann<br />
das, was der Menschheit mindestens genau<br />
so zu schaffen machte wie die Naoh-Mutation:<br />
der Mensch war nicht mehr der einzige,<br />
intelligente Zweibeiner. Da wagte es doch<br />
tatsächlich jemand, später kennt man sie unter<br />
dem Namen Debellatoren, die Krone der<br />
Schöpfung dem homo sapiens einfach vom<br />
Kopf zu reißen. Ein gesellschaftlicher Konflikt,<br />
wie er bisher nie da gewesen war, entzweite<br />
die Menschheit von innen heraus. Menschen,<br />
die sich selbst nicht mehr als solche bezeichneten,<br />
zweifelten all das an, was seit der Zeit<br />
des römischen Kaiserreiches so mühevoll<br />
aufgebaut wurde: Wut, Hass, Dekadenz und<br />
Zerstörungswut. Bis zu dem Zeitpunkt als<br />
niemand mehr über solche Dinge nachdenken<br />
konnte, nämlich im Jahr 2190, als die bisher<br />
größte Katastrophe über die Menschheit<br />
hereinbrach, konnte dieser blutige Konflikt<br />
nicht beendet werden und er schwelt noch<br />
im Jahre 2200 wie ein unterdrücktes Feuer,<br />
dass jederzeit wieder ausbrechen kann.<br />
Mai 2009
Systemvorstellung<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
mals für möglich gehalten hätte. Doch das<br />
Potpourri aus Katastrophen reißt nicht ab:<br />
Erdbeben, Überschwemmungen und Stürme<br />
fegen über die Erde und zerstören so<br />
gut wie alles, was jemals von menschlicher<br />
Hand erbaut worden ist.<br />
Der Mensch hatte sich seit der Naoh-Mutation<br />
in die Ballungszentren, die Burgen<br />
der Technik, zurückgezogen. Nun wurde<br />
ihm mit einem Schlag alles genommen:<br />
Technik, Sicherheit, Freunde und Familie.<br />
Konnte man sich vor dem Mondfall noch<br />
in einer trügerischen Sicherheit wähnen,<br />
wurde auch diese Illusion zerstört. Mensch<br />
und Tier prallen wieder aufeinander und<br />
der Mensch, der zwischenzeitlich in das<br />
untere Mittelfeld der Nahrungskette abgerutscht<br />
ist, muss sich damit abfinden, mehr<br />
Gejagter denn Jäger zu sein.<br />
Als Charakter in der Spielwelt von Heredium<br />
ist man in die Zivilisationen und Gruppierungen<br />
eingebettet, die entweder aus<br />
den Trümmern der Katastrophe entstanden<br />
sind oder sich aber, wie beispielsweise<br />
die Debellatoren, schon vorher herauskristallisiert<br />
haben. Dabei unterscheidet sich<br />
jede einzelne Zivilisation nicht nur in ihrer<br />
Ideologie, sondern auch in der Technik die<br />
sie benutzen kann oder will, ohne jedoch<br />
so weit voneinander entfernt zu sein, dass<br />
sie nicht miteinander kooperieren können<br />
oder vielleicht sogar müssen. Abseits aller<br />
Versuche einer neuen Zivilisationsbildung<br />
streifen auch Nomaden durch die gefährlichen<br />
Dschungel oder Steppen, aus denen<br />
die Erde im Jahre 2200 besteht. Als spielbarer<br />
Charakter befindet man sich im Falle<br />
des Nomaden jenseits der neuen Zivilisationen,<br />
ist nicht darin eingebunden, kann<br />
aber dennoch auf die eine oder andere<br />
Weise mit ihnen verknüpft sein.<br />
Was wären die Menschen, vor allem aber<br />
die Charaktere, ohne das besondere Etwas,<br />
ohne die Prise Salz in der Suppe, kurz<br />
gesagt: ohne besondere Kräfte? Die Frage<br />
mag jeder für sich beantworten, doch die<br />
Erde ist so gefährlich geworden, dass wir<br />
es nicht verantworten konnten, Charaktere<br />
in ihr auszusetzen, die sich nicht ihrer<br />
Haut wehren können. So bilden Mutationen,<br />
Psi-Kräfte, Ektoware, Stimulanzien<br />
und Nanitenwunder ein feines Sahnehäubchen,<br />
mit dem das Spielen noch eine Spur<br />
leckerer wird.<br />
Durch das Betteln und Flehen der vielen<br />
einsamen Würfel, die in Bechern und Beuteln<br />
dahin vegetierten, kamen wir auch<br />
nicht darum herum, ein Regelsystem zu<br />
entwerfen, welches den Gebrauch selbiger<br />
fördert. Da wir jedoch Freunde einfacher<br />
geometrischer Formen sind, haben wir<br />
uns dazu entschlossen, lediglich sechsseitige<br />
Würfel in die Welt von Heredium einzuladen.<br />
Damit es nicht zu unübersichtlich<br />
wird, reichen sogar vier Stück davon aus.<br />
Das Regelsystem ist so einfach wie es effektiv<br />
ist. Es soll das Rollenspiel unterstützen,<br />
es aber nicht kontrollieren. Hier steht<br />
in jedem Fall Simplizität vor Komplexität<br />
und dennoch lassen sich damit die allermeisten<br />
Situationen abdecken, in die man<br />
als Spieler oder Spielleiter kommen kann.<br />
Es soll gut genug sein um den Ansprüchen<br />
von Rollenspielveteranen zu genügen, jedoch<br />
auch einfach genug, um Neulingen<br />
keine Steine in den Weg zu legen. Eigentlich<br />
ist es so wie die Welt von Heredium:<br />
Geradeheraus, schnell und tödlich.<br />
Willkommen im Jahre 2200, willkommen<br />
bei Heredium.<br />
Veranstaltungshinweis<br />
Endlich ist es wieder soweit! Das Scheibenwelt-Fest<br />
2009:<br />
Feiert Eine Tolle Tsusammenkunft (kurz<br />
F.E.T.T.)<br />
heißt es diesmal, wenn wir auf einer echten<br />
Burg mit den Bewohnern und Besuchern<br />
der Unsichtbaren Universität „Des Zauberers<br />
Entschuldigung“ zelebrieren. Wieder<br />
versammeln sich mehr als zweihundert<br />
Scheibenwelt-Fans auf einem Haufen – es<br />
gibt Vorträge, Spiele und Shows rund um<br />
die flachste aller Welten – lasst auch ihr<br />
euch verzaubern?<br />
Prima, dann hätten wir da was für euch:<br />
Das Scheibenwelt-Fest 2009 vom 14.08. -<br />
16.08.09 auf der Burg Bilstein, zwischen<br />
Hagen und Siegen, bietet all das und Vieles<br />
mehr!<br />
- Kostet echtes Scheibenwelt-Essen!<br />
- Erlernt Schwertkampf und Mittelaltertanz,<br />
lauscht Liedern von der Scheibenwelt…<br />
- Probiert Scheibenwelt-Brett-, Karten- und<br />
Rollenspiele!<br />
- Bastelt euren eigenen Igor und lernt wie<br />
man aus altem Leder Neues schafft!<br />
- Diskutiert, lacht, trinkt und tanzt mit anderen<br />
Scheibenwelt-Fans!<br />
- Löchert Ehrengäste mit euren Fragen!<br />
- Und damit treiben wir uns selbst in den<br />
Ruin!<br />
Neugierig geworden? Dann besucht uns<br />
unter www.scheibenwelt-convention.de<br />
Die Anmeldung läuft! Alle Informationen,<br />
Preise, Wegbeschreibung, Fahrgemeinschaften<br />
und Kostümideen findet ihr über<br />
diese Seite! Noch mehr Fragen? Kommt in<br />
den Chat oder ins Fest-Forum!<br />
Mai 2009 Seite 13
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Hintergrund<br />
Nach dem Ende<br />
Eine Übersicht Über Postapokalyptische Settings<br />
TEXT: Benedikt Heck<br />
Dieser Artikel befasst sich weniger mit der<br />
Endzeit als vielmehr mit dem, was danach<br />
kommt, mit post-apokalyptischen Settings<br />
für Rollenspielkampagnen. Obwohl so ziemlich<br />
alles abgedeckt sein sollte, erhebt er<br />
keinen Anspruch darauf, dass sich jede Idee<br />
in eine der nachfolgenden Kategorien einordnen<br />
ließe, geschweige denn eindeutig. Er<br />
soll dem Aufzeigen möglicher Optionen dieses<br />
reichhaltigen Genres dienen. Einem Genre<br />
bei dem oft schon das nackte Überleben<br />
kompliziert genug ist, um seine Abenteuer<br />
darum zu spinnen.<br />
Allgemeines<br />
Unter einem post-apokalyptischen Setting<br />
verstehe ich eine Dystopie, in der die vorige<br />
Welt durch eine große Katastrophe oder<br />
eine Reihe von Katastrophen beinahe völlig<br />
zerstört wurde. Ein bisschen etwas muss natürlich<br />
noch vorhanden sein, sonst hätte man<br />
kein Material mehr für eine Kampagne.<br />
Die meisten post-apokalyptischen Settings<br />
gehen von unserer heutigen Welt aus, spielen<br />
aber in der Zukunft, wo sie weitgehend<br />
zerstört wurde. Eine Fantasy-Welt oder ein<br />
Planet eines interstellaren Imperiums können<br />
aber genauso verheert werden, wie auch<br />
unser Mittelalter. Auf unserer jetzigen Welt<br />
basierende Settings dürften den größten Eindruck<br />
auf Spieler machen, weil das Bekannte<br />
zerstört wird. Die naheliegendste Alternative<br />
ist daher eine andere bekannte Welt als Basis<br />
heran zu ziehen (Aventurien im 13. Zeitalter).<br />
Möglicherweise sind sich die Bewohner<br />
nicht einmal bewusst, die Überreste einer<br />
einst großen Zivilisation zu sein, besonders,<br />
wenn die Katastrophe schon lange her ist.<br />
Andererseits kann aber auch die Katastrophe<br />
selbst unbekannt sein. So könnten die SC eines<br />
Tages aufwachen und feststellen, dass<br />
alle Menschen außer ihnen und vielleicht ein<br />
paar anderen verschwunden sind.<br />
Dem post-apokalyptischen Genre ist in der<br />
Regel eine gewisse Depressivität inhärent.<br />
Das muss aber nicht unbedingt bedeuten,<br />
dass die Leute alle verzweifelt sind. Auch eine<br />
„Wir haben es überstanden!“-Einstellung ist<br />
möglich. „Es gibt viel zu tun, also packen wir<br />
es an!“ Manch einer sieht der Untergang der<br />
Seite 14<br />
alten Welt vielleicht sogar als Chance eine<br />
neuere, bessere zu schaffen.<br />
Oft spiegelt jedoch die verkommene Moral<br />
der Einwohner den Zustand ihrer zerstörten<br />
Welt wieder.<br />
Nach einiger Zeit werden sich neue Strukturen<br />
bilden, vermutlich recht archaische,<br />
wie etwa Gruppen in der Art von Stämmen.<br />
Die neu entstehenden Gruppen werden<br />
wahrscheinlich nach dem anfänglichen Chaos<br />
auch Regeln aufstellen. Aufgrund der harten<br />
Umgebung sind harte Strafen anzunehmen.<br />
Auch Regeln die im Zusammenhang mit der<br />
Katastrophe stehen sind sicherlich denkbar.<br />
Entweder solche, die an die veränderte Situation<br />
angepasst sind, z.B. um Trinkwasser<br />
schützen, wenn durch die Katastrophe fast<br />
alles Wasser vergiftet wurde, oder auch<br />
gänzlich sinnlose Regeln. Gerade wenn der<br />
Weltuntergang schon sehr lange her ist, kann<br />
er leicht einen mystischen, religiösen Charakter<br />
bekommen, nicht anders als für uns die<br />
Sintflut. Und es können Regeln befolgt werden,<br />
die früher mal einen Sinn ergaben, mittlerweile<br />
aber schon längst nicht mehr.<br />
Was eine post-apokalyptische Welt von<br />
einer unterscheidet die einfach direkt so ist,<br />
sind Relikte. Das können Gegenstände oder<br />
ganze Gebäude, nur Geschichten oder wenn<br />
das große Unglück noch nicht allzu lange her<br />
ist, sogar Personen sein, die noch aus der früheren<br />
Welt stammen. Ist die zerstörte „Basiswelt“<br />
bekannt und kein Fantasieprodukt,<br />
gibt es bei Relikten auch einen Wiedererkennungseffekt<br />
(wie die Freiheitsstatue beim<br />
Planeten der Affen).<br />
Manchmal ist ein Relikt eine Oase des<br />
Glücks, ein kleiner Rest der früheren, vergleichsweise<br />
paradiesischen Welt, die meist<br />
geheim und sagenhaft ist. Eine solche Oase<br />
kann natürlich auch neu geschaffen und kein<br />
Überbleibsel sein.<br />
Liegt die Katastrophe noch nicht lange zurück,<br />
ist die Chance hoch, dass noch reichhaltig<br />
Relikte vorhanden sind. Verbrauchsgüter<br />
werden ohne Nachschub jedoch rasch zu<br />
Seltenheit. Da der Zusammenbruch der Zivilisation<br />
leicht zu Anomie und dem Recht des<br />
Stärkeren führt gilt das auch und insbesondere<br />
für Munition. Gebrauchsgegenstände<br />
und Gebäude halten länger, aber auch nicht<br />
für immer. Das kann soweit führen, dass<br />
jemand der eine Pistole besitzt und damit<br />
umgehen kann allein dadurch schon zu einer<br />
lebenden Legende wird und degenerierte<br />
Mutanten eine Tankstelle als heilige Kultstätte<br />
ansehen.<br />
Letzteres Beispiel zeigt zwei weitere Dinge<br />
auf. Einmal, dass selbst wenn bestimmte Relikte<br />
noch vorhanden sind, ihr Sinn und ihre<br />
Funktionsweise in Vergessenheit geraten<br />
können. Dies kann natürlich eine Ursache<br />
für oben erwähnte sinnfreie Regeln sein.<br />
Ein Beispiel dafür wäre, wenn beim Geheul<br />
Jahrhunderte alter Sirenen ein Stamm einen<br />
bestimmten Ort aufsucht. Früher war es der<br />
Bombenalarm, doch schon lange gibt es keine<br />
Flugzeuge mehr und es ist nur eine Fehlfunktion<br />
oder gar ein hinterhältiger Feind,<br />
der die Sirenen aktiviert.<br />
Andererseits wird deutlich, dass Überbleibsel<br />
der Vergangenheit häufig in jetzige Dinge<br />
eingebunden werden. Ganz profan, wie<br />
wenn Maschinen ausgeschlachtet werden<br />
um neue (meist primitivere) zu konstruieren,<br />
oder auf einer kulturellen Ebene. Man kann<br />
sich leicht vorstellen, dass die Mona Lisa, die<br />
bei der Katastrophe gut geschützt wurde,<br />
im nächsten Zeitalter, in dem man Kunst als<br />
Unsinn ansieht, als das Abbild einer Gottheit<br />
betrachtet wird. So können die Relikte in<br />
einer neuen Gesellschaft sehr merkwürdige<br />
Positionen einnehmen.<br />
Es sei auch erwähnt, dass Relikte exzellente<br />
in-game-Belohnungen abgeben. Aus einer<br />
Zeit stammend in der Wirtschaft und Industrie<br />
blühten bzw. überhaupt existierten, können<br />
Relikte Dinge sein, die man im Setting<br />
keinesfalls herstellen kann. Aber selbst wenn<br />
es nichts wirklich Nützliches ist, können sie<br />
bei entsprechender Seltenheit einen großen<br />
Wert haben. Zumindest als eine Erinnerung,<br />
eine an bessere Zeiten oder aber eine Mahnung<br />
an das was schief gelaufen ist.<br />
Kosmische<br />
Katastrophe<br />
Ein Asteroideneinschlag kann ganze Landstriche<br />
zerschmettern, eine Feuerwand um<br />
den Globus jagen, gewaltige Erdbeben und<br />
Mai 2009
Hintergrund<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Flutwellen verursachen und den Himmel für<br />
Jahre mit Staub verdunkeln. Die Auswirkungen<br />
sind sehr unterschiedlich je nach seiner<br />
Beschaffenheit, Geschwindigkeit, wo und in<br />
welchem Winkel er aufschlägt, so dass man<br />
hier eine glaubwürdige Methode für eine<br />
Vielzahl von Szenarien hat.<br />
Es geht auch dezenter, z.B. durch eine<br />
Bahnstörung der Erdumlaufbahn. Die kann<br />
zu starken Klimaveränderungen führen.<br />
Es kann sehr heiß werden mit gefährlicher<br />
Strahlung von der Sonne, oder es kommt zu<br />
einer Eiszeit nie da gewesener Härte.<br />
Die kosmischen Katastrophen sind in der<br />
Regel lange Zeit vorher absehbar, d.h. man<br />
wird sich auf sie vorbereiten. Es werden vielleicht<br />
große unterirdische Anlagen gebaut,<br />
um sich darin zu verstecken. Und es wird vermutlich<br />
zu großen Flüchtlingsmengen kommen.<br />
Bei einem Asteroideneinschlag werden<br />
die Menschen natürlich möglichst weit weg<br />
von dem Aufschlagpunkt kommen wollen.<br />
Aber wenn es zu einer Flutwelle kommt ist<br />
auch Höhe ein großer Vorteil. Bei Klimaveränderungen<br />
wird man in solche geographischen<br />
Zonen fliehen wollen, in denen auch in<br />
Zukunft die Temperatur noch erträglich ist.<br />
Ein titanisches Desaster bei einem magischen<br />
Experiment könnte ähnliche Auswirkungen<br />
haben, aber ist vermutlich nicht so<br />
lang vorhersehbar.<br />
Nuklearer<br />
Holocaust<br />
Ein Atomkrieg (oder ein Zaubererkrieg)<br />
kann ganz ähnliche Auswirkungen wie ein<br />
Asteroideneinschlag haben nur eher wie ein<br />
Schwarm kleiner Asteroiden. Die Vorwarnzeit<br />
ist in der Regel aber sehr viel kürzer, sodass<br />
zumindest die breite Masse kaum Maßnahmen<br />
ergreifen kann (für hochrangige Personen<br />
dürfte für gewöhnlich ein komfortabler<br />
Bunker vorhanden sein).<br />
Mai 2009<br />
Ein zusätzliches Problem ist auch die Verstrahlung,<br />
die einen langsam verenden lassen<br />
kann. Klassischer weise erzeugt sie auch gefährliche<br />
Mutanten, die Jagd auf Menschen<br />
machen. Comics lehren uns zwar, dass Strahlungsmutationen<br />
zu Superkräften führen<br />
können, ohne dass sich sonst irgendein Makel<br />
ergibt, jedoch passt das meistens nicht zu<br />
einem post-apokalyptischen Setting.<br />
Auch nach der Katastrophe besteht wahrscheinlich<br />
ein großer Hass auf den früheren<br />
Gegner. Vielleicht aber auch auf die Verantwortlichen,<br />
also Politiker, Militärs, Zauberer,<br />
etc.<br />
In einem solchen Setting wäre das auftauchen<br />
von Restbeständen nuklearer Waffen/<br />
zerstörerischer Zauberformeln nahe liegend<br />
und würde sich organisch einfügen.<br />
Infektion<br />
Eine häufige Variante dieser Kategorie sind<br />
Zombies. Irgendetwas das Menschen transformiert,<br />
in etwas das dem Menschen schadet.<br />
Es können aber außerirdische Parasiten,<br />
Geister, die von Personen Besitz ergreifen<br />
können oder mystischer Nebel der wahnsinnig<br />
macht sein. In einer solchen Welt ist<br />
es oft nahezu unmöglich anderen zu trauen.<br />
Selbst andere SC stellen immer eine potentielle<br />
Gefahr dar. Aber auch wenn man weiß,<br />
dass jemand transformiert wurde, kann man<br />
leicht moralische Bedenken haben, gegen<br />
diese Vorzugehen – vor allem wenn eine<br />
Rückverwandlung möglich ist/scheint. Die<br />
Suche nach einer Möglichkeit Rückverwandlung<br />
zur ist neben dem eigenen Überleben<br />
das offensichtliche Ziel. Und es hält auch die<br />
Option zu einem richtigen Happy End bereit.<br />
Je nach dem wie viele Menschen infiziert<br />
und wie viele gestorben sind, kann bei einem<br />
günstigen Verhältnis die Apocalypse sogar<br />
größtenteils rückgängig gemacht werden.<br />
Monster<br />
Es kann selbstverständlich auch externe<br />
Feinde geben, die nie Menschen waren. Killerroboter,<br />
außerirdische Invasoren, Sternengezücht<br />
aus R‘lyeh oder Dämonen sind einige<br />
Beispiele. Earthdawn wäre ein Beispiel für<br />
ein solches Setting, und auch eins für ein sehr<br />
hoffnungsvolles. Dort kommt es alle paar<br />
tausend Jahre zu einer so genannten Plage,<br />
bei der dämonische Schrecken, die sich von<br />
Leid ernähren, auf die Welt kommen. Die intelligenten<br />
Wesen verstecken sich zu dieser<br />
Zeit in Kaers, magisch geschützten Höhlen,<br />
um dort das Ende der Plage abzuwarten. Bei<br />
dem Spiel schwächt sich die Plage zwar ab,<br />
hört aber nicht wie vorgesehen auf, so dass<br />
sich schließlich die ersten Wagemutigen dennoch<br />
herauswagen.<br />
Die äußere Bedrohung kann die Menschen<br />
eng zusammen schweißen, sie aber andererseits<br />
auch misstrauisch machen, falls es Menschen<br />
gibt, die mit den Monstern zusammen<br />
arbeiten oder getarnte Monster. Um nochmal<br />
Earthdawn heran zu ziehen: Dort arbeiten intelligente<br />
Wesen recht oft mit den Dämonen<br />
zusammen, diese erhalten dann ein Mal des<br />
Dämons das unter anderem bewirkt, dass sie<br />
nichts Schönes schaffen können. Daher zwingen<br />
die Leute Fremde oft eine Kunst, die sie<br />
beherrschen, auszuüben, um zu beweisen,<br />
dass sie nicht mit einem Dämon im Bunde<br />
sind. Bei „Terminator“ setzen die Menschen<br />
Hunde ein, um Androiden-Attentäter aufzuspüren.<br />
Trotzdem wird das Misstrauen, wenn die<br />
Monster nicht über solche erstaunliche Fähigkeiten<br />
wie Instant-Gehirnwäsche verfügen,<br />
nicht auf das Maß der Infektionsapokalypse<br />
steigen. Und selbst dann eher nicht, denn<br />
Spieler wissen, dass Spielleiter meist darauf<br />
verzichten sich allzu sehr in die Gedankenwelt<br />
der SCs einzumischen – bei der Infektion<br />
hat er ja aber manchmal „keine Wahl“ und<br />
diese Bedrohung ist durch das Setting schon<br />
deutlich vorgegeben.<br />
Ähnlich wie bei der Infektionsvariante gibt<br />
es bei den Monstern evtl. eine Chance auf<br />
eine Art Happy End, indem man die Monster<br />
einfach vertreibt oder ausrottet. Da die Opfer<br />
aber nicht rückverwandelt werden können,<br />
kann es kein ganz so positives Ende geben.<br />
Tatsächliche<br />
Apokalypse<br />
Man kann auch die ursprüngliche Akokalypse<br />
heranziehen – „Die Offenbarung“. Das<br />
Weltenende verursacht durch Gott selbst.<br />
Das scheint zunächst sehr endgültig, aber<br />
auch hier gibt es Möglichkeiten. Gott könnte<br />
nur „die Gerechten“ in den Himmel erretten<br />
und die Sünder auf der Erde lassen. Vielleicht<br />
wird die Erde dann allein durch die zurückgelassenen<br />
Menschen immer mehr zu einem<br />
höllischen Ort, vielleicht wandeln aber auch<br />
wirklich Teufel in Menschen- oder anderer<br />
Gestalt über die Erde. Vielleicht tut sich die<br />
Erde auf, die Flüsse werden zu Blut und Feuer<br />
regnet vom Himmel, vielleicht verschwinden<br />
„die Gerechten“ aber auch einfach spurlos<br />
und weiter geschieht nichts. Möglicherweise<br />
bringt diese Apokalypse auch für die auf der<br />
Erde zurückgebliebenen eine Art Unsterblichkeit<br />
mit sich, als Untote oder ruhelose<br />
Geister.<br />
Die SC könnten Engel oder fromme Menschen<br />
sein, die anderen helfen wollen in den<br />
Himmel zu gelangen, oder aber Sünder die<br />
es selbst versuchen, oder doch noch auf der<br />
Erde einigermaßen zurecht zu kommen.<br />
Ein göttliches Eingreifen ist eine elegante<br />
Möglichkeit für eine saubere Apokalypse,<br />
also so eine in der die Menschen einfach<br />
verschwinden ohne dass Gebäude, Straßen<br />
und Produktionsstätten vernichtet werden<br />
würden.<br />
Ein Rollenspiel zu dieser Thematik ist Der<br />
letzte Exodus, was aber doch eher Endzeit ist<br />
als post-apokalyptisch.<br />
Seite 15
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Hintergrund<br />
Gesellschaft -<br />
licher Verfall<br />
Diese Kategorie deckt die Kombination einer<br />
Vielzahl von Katastrophen ab, die sich gegenseitig<br />
verstärken und neue hervorrufen,<br />
was zum Kollaps der Zivilisation führt. Sie<br />
ist recht unspektakulär aber wahrscheinlich<br />
auch die realistischste Variante. Verheerende<br />
Kriege und Krankheiten, Ressourcenknappheit<br />
und Umweltkatastrophen, sowie meist<br />
ein genereller auch ethischer Verfall der Gesellschaft.<br />
Die Länder die von den Kriegen<br />
gebeutelt werden oder schlicht besonders<br />
arme Länder werden vermutlich Flüchtlingsströme<br />
ausspeien, die mit harten Gegenmaßnahmen<br />
beantwortet werden.<br />
Dieses Setting bietet einen sehr weichen<br />
Übergang zwischen normaler und post-apokalyptischer<br />
Welt.<br />
Schleichendes<br />
Ende<br />
Es kann zu einer Seuche oder etwas ähnlichem<br />
kommen, dass recht langsam ist aber<br />
(fast) nicht aufzuhalten. Die Auswirkungen<br />
können der Tod sein oder etwas anderes<br />
Dezimierendes wie Unfruchtbarkeit. Diese<br />
Kategorie ist am ehesten noch Endzeit, aber<br />
eine so lang gezogene, dass sie einem schon<br />
wie nach dem Ende vorkommt. Sie kann äußerst<br />
hoffnungslos sein, aber andererseits<br />
auch wie eine Utopie scheinen, bei der der<br />
schleichende Untergang nur wenigen bekannt<br />
oder klar ist. Ansonsten kann die extreme<br />
Aussichtslosigkeit sich leicht in Gewalt<br />
gegen andere oder sich selbst äußern.<br />
Filmempfehlungen<br />
Es gibt zahlreiche Filme, die für ein postapokalyptisches<br />
Setting als Inspiration dienen<br />
können. Einige möchte ich Euch hier ans<br />
Herz legen:<br />
Mad Max 1-3<br />
Die post-apokalyptischen Streifen schlechthin.<br />
Gehört zur Kategorie gesellschaftlicher<br />
Verfall mit einem großem Weltkrieg um Ölreserven.<br />
Der Verfall schreitet von Teil zu Teil<br />
voran, primitive Waffen lösen moderne ab.<br />
Planet der Affen<br />
Für eine post-apokalyptische Welt bei der<br />
die Bewohner nichts davon ahnen. Die spärlichen<br />
Relikte sind drei Männer und der Kopf<br />
der Freiheitsstatue.<br />
Dawn of the Dead<br />
Für einen kurzen Zeitraum direkt nach der<br />
Katastrophe. Mit Zombies.<br />
I am Legend-Verfilmungen<br />
Dreimal dieselbe Infektionsidee, aber in<br />
unterschiedlichen Varianten. In „Last man<br />
on earth“ verwandeln sich die Menschen in<br />
tumbe Monster, aber einige auch in Quasi-<br />
Menschen, die der Protagonist jedoch ebenso<br />
tötet. In „Omega Man“ werden alle zu<br />
mörderischen Anti-Technologie-Kultisten.<br />
In „I am Legend“ werden die Menschen zu<br />
agressiven und primitiven, aber doch nicht<br />
geistlosen Wesen.<br />
Children of Men<br />
Ist ein sehr anschauliches Beispiel für einen<br />
Schleichenden Verfall. Es werden aus unbekannten<br />
Gründen keine Kinder mehr geboren.<br />
Die Menschen sehen sich ohne Zukunft.<br />
Offensichtliche Abenteueridee inklusive: Ein<br />
Mädchen wird doch schwanger, aber droht<br />
zum Spielball politischer Interessen zu werden.<br />
Wall-E<br />
Zeigt, dass post-apokalyptisch auch lustig<br />
sein kann. Ein Müllbeseitigungsroboter ist<br />
das letzte Wesen auf der Erde. Die verkümmerten<br />
Menschen leben auf einem riesigen<br />
Kreuzfahrtraumschiff.<br />
Waterworld<br />
Für eine durch Klimaveränderungen überflutete<br />
Welt. Irgendwo gibt es aber das sagenhafte<br />
Dry Land, den letzten trockenen<br />
Fleck.<br />
Logan‘s Run<br />
Eine Utopie mit düsteren Seiten, die sich<br />
als post-apokalyptisch herausstellt, was für<br />
den Zuschauer recht einfach zu erkennen ist,<br />
nicht aber für die unwissenden Einwohner.<br />
Die Menschen leben in Kuppelstädten und<br />
ihr Computerherrscher verhindert, dass sie<br />
sie verlassen. Früher war dies sinnvoll, weil<br />
man außerhalb nicht überleben konnte, mittlerweile<br />
besteht aber draußen keine Gefahr<br />
mehr: eine sinnlose Regel.<br />
Seite Seite 16 16<br />
Abenteuer Mai 2009
Die Oase von Shadrya<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Die Oase von Shadrya<br />
Ein universelles Fantasyabenteuer<br />
Text: Tobias Looschelders<br />
Idee: Yvonne, Nicolas und Phillip Bergmann, Tobias Looschelders<br />
Zeichnung: Tristan Denecke<br />
Vorwort<br />
Dieses Abenteuer entstand innerhalb eines<br />
Workshops auf der KingCon im Februar<br />
in Duisburg. Meine Idee dabei war es, die<br />
Möglichkeiten eines Workshops einmal voll<br />
auszunutzen und etwas vom häufig anzutreffenden<br />
Vorlesungscharakter wegzukommen.<br />
Ich wollte damit die größere Kreativität einer<br />
Gruppe nutzen und es hat funktioniert!<br />
Nachdem wir uns auf ein Genre geeinigt<br />
hatten, überlegten wir uns den Schauplatz<br />
mit einigen Besonderheiten. Danach konzipierten<br />
wir die NSCs erstmal unabhängig<br />
voneinander und brachten sie dann am Ende<br />
in Beziehung zueinander.<br />
Vielen Dank nochmal an die Teilnehmer!<br />
Überblick<br />
Das Abenteuer ist bewusst universell gehalten,<br />
sodass es in verschiedenen Fantasywelten<br />
nutzbar sein soll. Natürlich ist es aber<br />
auch denkbar die Figuren und die Situation<br />
auch in ein anderes Genre zu übertragen.<br />
Damit der Spielleiter die NSCs perfekt auf<br />
sein System und die SC abstimmen kann,<br />
sind auch keine Werte für die Figuren angegeben.<br />
Viele Werte sollten sich aber aus der<br />
Beschreibung ergeben.<br />
Zusätzlich ist das Abenteuer offen und<br />
nicht linear gestaltet, um größtmögliche Dynamik<br />
zu gewährleisten. Es gibt also keine<br />
geradlinige Reihe von Ereignissen, sondern<br />
im Mittelpunkt des Abenteuers stehen die<br />
Charaktere mit ihren Zielen und Beziehungen<br />
zueinander. Kernstück des Abenteuers<br />
ist die relationship-map (siehe <strong>Anduin</strong> #94),<br />
auf dem alle NSCs in Beziehung zueinander<br />
gebracht sind. Es empfiehlt sich auch noch<br />
die Spielercharaktere einzeln oder als Gruppe<br />
darauf einzuzeichnen.<br />
Die Ausgangs -<br />
situation<br />
Nelvis, der Alwissende, ist tot! Er war ein<br />
gütiger, besonnener Herrscher, der Shadrya<br />
zu viel Wohlstand brachte. Seit kurzem<br />
herrscht sein Sohn Uztem über die Stadt.<br />
Abenteuer<br />
Zwar ist Uztem ein ruhmreicher Krieger,<br />
aber alles andere als ein guter Staatsmann.<br />
Die Charaktere erreichen eine Stadt mitten<br />
im Umbruch, der ins reine Chaos zu kippen<br />
droht. Denn neuerdings wurden auch noch<br />
Gerüchte laut, es gäbe einen bedrohlichen<br />
Wassergeist in der Oase.<br />
Und die Gerüchte sind wahr. Vor langer<br />
Zeit nämlich war Shadrya nur eine verfluchte<br />
Oase. Ein Überbleibsel einer vergangenen<br />
Zivilisation. Zu mancher Stunde kann man<br />
durch das Wasser hindurch noch die schemenhaften<br />
Umrisse der Ruinen sehen. Der<br />
Ruinen der alten Stadt, die der Geist in die<br />
Tiefe riss. Doch einst kam ein Magier, der die<br />
alten Riten beherrschte einen Geist zu bannen.<br />
Er bannte den Geist in das Gewässer<br />
und bestimmte eine Hüterin über den Geist.<br />
Seine Tat ermöglichte es, dass Reisende vom<br />
Wasser der Oase trinken konnten und schon<br />
bald erhob sich eine Stadt um den See der<br />
Oase. Shadrya wurde so eine sehr wichtige<br />
Stadt auf den größten Handelsrouten durch<br />
die Wüste.<br />
Seit jeher ist es Brauch, dass die örtlichen<br />
Priester Tieropfer am Fluss darbringen, um<br />
den Geist zu besänftigen. Am ersten Tag jeden<br />
Monats wird sogar ein Ochse geopfert<br />
und zu den Messen erscheinen immer viele<br />
Bürger. Besonders in diesen Tagen, da sich<br />
die Gerüchte um ein Aufbegehren des Geistes<br />
häufen.<br />
Shadrya ist seit den alten Tagen eine blühende<br />
Handelsstadt, jedes einflussreiche<br />
Handelshaus unterhält hier Niederlassungen.<br />
Seit dem Tod Nelvis, dem Allwissenden,<br />
sind die Bürger jedoch unzufrieden. Nachdem<br />
sich sein Sohn Uztem früh grobe Fehler<br />
geleistet hat, kündigten zwei große Handelshäuser<br />
ihre Verträge mit der Stadt auf<br />
und werden fortan andere Routen durch die<br />
Wüste wählen. Es regen sich erste Widerstandsbewegungen<br />
im Untergrund, doch zu<br />
offenen Auseinandersetzungen kam es bislang<br />
noch nicht.<br />
Dramatis Personae<br />
Jeder der Charaktere ist in drei Absätzen<br />
beschrieben.<br />
Im ersten Absatz sind die Persönlichkeit<br />
und die Ziele des Charakters umrissen.<br />
Im zweiten Absatz geht es um das Aussehen<br />
des NSCs und im dritten sind Tips zur<br />
Darstellung beschrieben.<br />
Dinala Gavnos<br />
Dinala wacht seit vielen Jahrhunderten<br />
darüber, dass die Zauber, die den Wassergeist<br />
in der Oase bannen, aufrechterhalten<br />
werden. Jedoch verdingt sie sich in der Stadt<br />
als Heilerin, um ihre wahre Aufgabe zu verschleiern.<br />
Sie hat sich in den Dieb Shufgard<br />
verliebt, weiß jedoch darum, dass sie sich<br />
aufgrund ihrer Funktion als Hüterin nicht auf<br />
solche weltlichen Belange einlassen darf und<br />
leidet darunter. Allerdings versucht sie dies<br />
genauso zu verbergen, wie ihre Funktion als<br />
Hüterin der Schutzzauber. Ihr Beruf als Heilerin<br />
ermöglicht ihr immer vor Ort zu sein, wo<br />
etwas passiert, ohne dass es besonders auffällt.<br />
Den Spielercharakteren sollten dies jedoch<br />
bemerken können. Etwa nach der Hälfte<br />
des Abenteuers, wird sie sich den Spielern<br />
zu erkennen geben und sie um ihre Hilfe ersuchen.<br />
Zuvor wird sie vergeblich versuchen<br />
Ni‘mari von seinem Vorhaben abzubringen<br />
den Geist freizulassen.<br />
Sie ist von bestechender altersloser Schönheit,<br />
kleidet sich aber sehr schlicht und<br />
schmucklos. Ihre Statur ist grazil, ihre Haut<br />
anmutig hell und ihre azurblauen Augen<br />
strahlen Wärme aus. Ihr glattes Haar ist von<br />
honigblonder Farbe. Einzig ihre Nase ist einen<br />
Deut zu spitz für ihre Gesichtsform.<br />
Wenn du Dinala spielst, schau jedem deiner<br />
Mitspieler lange in die Augen. Aber schau<br />
sofort weg, wenn du merkst, dass es ihm<br />
unangenehm wird. Versuche viel zu lächeln<br />
und sprich mit sanfter Stimme. Frag oft<br />
nach und gib dich sehr interessiert. Beschreibe<br />
ihre Anmut.<br />
Uztem Agara<br />
Uztem ist seit Kurzem der Herrscher Shadryas.<br />
Als er sich von den Beratern seines verstorbenen<br />
Vaters bevormundet gefühlt hat,<br />
Seite 17
ANDUIN <strong>98</strong><br />
DIe OAse von Shadrya<br />
entließ er sie alle. Aus einem Streit heraus,<br />
köpfte er sogar eigenhändig einen Großwesir<br />
und ließ seinen Kopf über die Palasttore<br />
hängen. Dem aufkeimenden Aufruhr in der<br />
Stadt will er mit solchen Methoden entgegentreten.<br />
Seine beiden verbliebenen Berater<br />
drängen darauf ihn mit einer einfachen<br />
Frau zu verheiraten, um sein Ansehen beim<br />
Volk zu stärken. Dabei dachten sie an die<br />
schöne Dinala.<br />
Er ist eine Hüne von einem Mann, gewissermaßen<br />
der Prototyp eines Kriegers. So<br />
überragt er die meisten anderen Männer,<br />
strotzt vor Muskeln und trägt sein schwarzes<br />
Haar lang. Er verzichtet auf die traditionellen<br />
Gewänder des Herrschers und zeigt sich in<br />
der Öffentlichkeit lieber mit seinen beiden<br />
Schwertern.<br />
Wenn du Uztem spielst, stell dir einen<br />
Barbarenhäuptling vor und spiele entsprechend:<br />
die Stimme muss immer fest<br />
und herrisch sein und du darfst niemals<br />
ins Schwafeln geraten. Drück den Rücken<br />
durch und nimm eine stattliche Haltung an.<br />
Dein Blick muss fest und hart sein.<br />
Yabir<br />
Es heißt, er sei der Hohepriester einer Religion<br />
gewesen und lebe nun im selbstgewählten<br />
Exil. Jetzt jedoch lebt er in den Bergen<br />
nahe der Stadt das Leben eines Eremiten.<br />
Doch dies scheint wirklich nur ein Gerücht<br />
zu sein, wenn man ihn sieht. Spätestens am<br />
Ende des Abenteuers sollten die Spieler merken,<br />
dass die Gerüchte stimmen. Denn aus<br />
dieser fernen Zeit hat er ein heiliges Artefakt<br />
behalten, das Zepter des Ur‘schutak (magisch<br />
aktive Charaktere können die Macht<br />
des Artefakts stark spüren). Jenes hat die<br />
Macht von zehn zum Tode verurteilten Magiern<br />
in sich gespeichert und Yabir plant diese<br />
auf den Geist zu übertragen. Yabir hat in einer<br />
vom Fieber geplagten Nacht eine Vision<br />
gehabt, dass der Geist ein gefangener alter<br />
Gott sei, den er nun befreien will. Er versucht<br />
erst das Vertrauen der Helden durch Gefälligkeiten<br />
und Informationen zu gewinnen um<br />
sie dann für seine Sache zu gewinnen, den<br />
Geist freizulassen. Dies versucht er jedoch<br />
subtil einzufädeln. Wenn ihm dies nicht gelingt,<br />
wird er versuchen die Spieler gegen<br />
Ni‘mari aufzuhetzen, um sich dann selbst daran<br />
zu machen den Geist mit seinem Artefakt<br />
zu befreien.<br />
Der Eremit ist eine sehnige Gestalt mit einem<br />
langem, verfilzten Bart. Er hüllt sich in<br />
eine schmutzige, ehemals weiße Kutte. Hervorstechend<br />
sind seine klaren, blauen Augen,<br />
die im Kontrast zu seinem fortgeschrittenen<br />
Alter stehen. Immer in seiner Begleitung befindet<br />
sich der 10jährige Bettlerjunge Serkan,<br />
der ihm bei seinen Gebrechen hilft.<br />
Wenn du Yabir spielst, sprich mit heiserer<br />
Stimme und sprich langsam. Fahre dir<br />
durch den zerzausten Bart und schau hin<br />
und wieder einfach abwesend in die Leere.<br />
Yabir spielst du am besten, wenn du einige<br />
mystisch klingende Sätze wie die folgenden<br />
zusammenhanglos einstreust:<br />
„Nehmt euch in Acht, wenn der Falke westwärts<br />
seine Kreise zieht.“<br />
„Tarael, der Ahnenvater, führt Karasdua<br />
zum letzten Gefecht.“<br />
„Beginnt nichts Neues am Tage, wenn die<br />
vier Lanzen des Nachts am Himmel stehen.“<br />
Ni‘mari<br />
Ni‘mari macht seit Jahrzehnten die unterschiedlichsten<br />
Geschäfte in der Stadt, kam<br />
aber erst durch Nelvis Tod zu spürbarem<br />
Einfluss. Die Unruhe in der Stadt ist für seine<br />
zwielichtigen Geschäfte ein ausgezeichneter<br />
Nährboden. Ni‘mari verspricht sich Schätze<br />
in der versunkenen Stadt und will deshalb<br />
den Wassergeist loswerden. Er hat bereits<br />
nach Magiern geschickt, die es vermögen,<br />
die Schutzzauber aufzuheben. Er wirbt bereits<br />
seit letztem Sommer um Dinala, seit er<br />
sich auf den ersten Blick unsterblich in sie<br />
verliebt hat. Er hat Olirius, den Zwergen, angestellt,<br />
um sie mit seinen feinen Gedichten<br />
zu becircen. Sein Anwesen findet sich nahe<br />
des Bronzetors in der Südstadt. Er bevorzugt<br />
es in einer Sänfte durch die Stadt getragen<br />
zu werden.<br />
Er ist ein stattlicher Mann von umso stattlicherer<br />
Körperfülle. An seinen Ohren und<br />
Wurstfingern prangen unzählige goldene<br />
Ringe. Seinen Schädel lässt er allmorgendlich<br />
Seite 18<br />
Abenteuer
Die Oase von Shadrya<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
beim Barbier kahl rasieren.<br />
Wenn du Ni‘mari spielst, sprich mit feiner,<br />
hoher Stimme und nimm möglichst viel<br />
Platz ein. Schmatze ruhig vernehmlich, um<br />
kurze Redepausen zu füllen, das gibt dem<br />
Charakter etwas Eigenes, wieder erkennbares.<br />
Und kneife stets skeptisch die Augen<br />
zusammen.<br />
Rammer<br />
Rammer ist der Name, den der Ork ehrfürchtig<br />
von einigen Widersachern bekommen<br />
hat. Sein wahrer Name ist Khargar von<br />
den Blutwölfen. Früher kontrollierte er mit<br />
seiner Schlägerbande nur einen kleinen Bezirk<br />
in der Stadt. Vor Kurzem wurde er jedoch<br />
von Uztem zum Steuereintreiber berufen.<br />
Dem zum Trotze hat er seine archaischen<br />
Methoden beibehalten und knöpft dem Volk<br />
viel zu viel Gold ab.<br />
Er ist ein untersetzter, dicker Ork, dem es<br />
dennoch nicht an Kraft mangelt. Seine blutunterlaufenen<br />
Augen unterstreichen seine<br />
gefährliche Erscheinung. Das lange Haar<br />
hängt ihm fettig ins Gesicht. Um seinen Hals<br />
baumelt ein halbes Dutzend Schutzamulette.<br />
Unter verschiedenen schäbigen Fellen, die er<br />
trägt, ist er mit einem Ringmantel gerüstet.<br />
Wenn du Rammer spielst, sprich mit rauer,<br />
kehliger Stimme. Benutze viele drohende<br />
und einschüchternde Gesten, auch wenn es<br />
gerade nicht unbedingt zum Satz passt und<br />
beweg dich möglichst nah an deine Mitspieler<br />
ran. Atme laut.<br />
Olirius KupferfuSS<br />
In ihm schlummern zwei Seelen: die eines<br />
Zwergen und die eines Poeten. Da er sich in<br />
seiner Sippe missverstanden fühlte, trat er<br />
zum Schein seine Wanderjahre als Handwerker<br />
an. In Wahrheit jedoch ist er als Barde<br />
unterwegs und will die Welt kennenlernen.<br />
Da ihm jedoch rasch das Gold zur Neige ging,<br />
musste er eine Anstellung bei Ni‘mari annehmen.<br />
Er schreibt in seinem Namen Gedichte<br />
und erledigt alle sonst anfallenden Arbeiten.<br />
Seit er in den Diensten Ni‘maris steht, wird<br />
er von vielen gemieden, obwohl er sonst ein<br />
sehr umgänglicher Kerl ist. Seine Stimmung<br />
schwankt oft zwischen der Freude eine neue<br />
Welt kennenzulernen und dem Joch für<br />
Ni‘mari arbeiten zu müssen.<br />
Olirius hat die typische Statur eines Zwergen.<br />
Sein Schnauzbart mit den gezwirbelten<br />
Enden ist besonders kunstvoll aus seinem<br />
Vollbart herausgearbeitet. Sein Haar hat einen<br />
leichten Rotstich und für gewöhnlich<br />
trägt er dazu passend einen fleckigen roten<br />
Filzhut.<br />
Olirius drückt sich sehr blumig aus und<br />
achtet allgemein sehr auf seine Sprache.<br />
Oftmals verbessert er auch einen Satz von<br />
ihm, so ihm ein klangvollerer einfällt. Wenn<br />
er trübselig gelaunt ist, ist er manches mal<br />
etwas zu aufdringlich. Versuch die Größe<br />
des Zwergen darzustellen, indem du zu<br />
deinen Mitspielern aufsiehst.<br />
Shufgard Nobis<br />
Shufgard ist ein talentierter Dieb, der sich<br />
die meiste Zeit des Jahres in Shadrya aufhält.<br />
Zumeist hält er sich mit Taschendiebstahl<br />
über Wasser, nur selten wagt er einen<br />
größeren Einbruch. Immer häufiger macht<br />
er Geschäfte mit dem Ork Rammer, doch er<br />
versucht sich stets unauffällig zu verhalten.<br />
Er hat – eher zufällig – davon erfahren, dass<br />
Dinala ihn liebt. Zwar erwidert er ihre Gefühle<br />
nicht, doch fühlt er sich seitdem für sie verantwortlich<br />
und passt auf sie auf.<br />
Er ist ein sehr ansehnlicher Mann, der kurz<br />
vor dem dreißigsten Lebensjahr steht. Seine<br />
Bewegungen sind elegant und seine Sprache<br />
beschwingt. Eine Narbe über seiner Oberlippe<br />
zeugt von einer einstigen Hasenscharte.<br />
Seine Kleidung ist die eines gewöhnlichen<br />
Wüstenbewohners. Er ist mit zwei schmalen<br />
Krummdolchen bewaffnet.<br />
Hab als Shufgard immer ein Kompliment<br />
für jedermann auf den Lippen und rede<br />
gern und viel. Sei dabei ruhig thematisch<br />
etwas unstet. Bemühe dich viel, aber eher<br />
langsam zu gestikulieren.<br />
Wie die Handlung<br />
verlaufen könnte<br />
Wie das Abenteuer verläuft, hängt stark<br />
davon ab, was die Spielercharaktere tun und<br />
was der Aufhänger des Abenteuers ist. Die<br />
Handlungen der NSCs sollten sich weitestgehend<br />
aus ihren Zielen ergeben. Daher sind<br />
hier nur noch ein paar vereinzelte Ideen für<br />
Szenen vorgeschlagen, um die Handlung in<br />
ruhigeren Phasen voranzutreiben. Für die<br />
meisten Szenen ist es wichtig, dass die entsprechenden<br />
NSCs durch andere Szenen zuvor<br />
schon bekannt gemacht wurden.<br />
Yabir tritt auf die<br />
Helden zu<br />
Diese Szene ist außerhalb der Stadt, am<br />
besten in den nahen Bergen in denen Yabir<br />
auch wohnt, am glaubwürdigsten. Ergibt es<br />
nicht, dass die Charaktere die Stadt einmal<br />
verlassen, werden sie von einem Bettlerjungen<br />
mit der Botschaft angesprochen „der<br />
weise Mann wolle ihnen einen Geleitspruch<br />
erteilen“. Gehen die Charaktere nicht darauf<br />
ein, wird Yabir am nächsten Tag irgendwo in<br />
der Stadt auf sie zutreten. Der Junge wird jedoch<br />
in beiden Fällen dabei sein, um Yabir zu<br />
stützen.<br />
Yabir gibt sich seiner Natur gemäß kryptisch,<br />
aber durchaus hilfsbereit und lässt der<br />
Gruppe zuerst Gelegenheit ihm drei Fragen<br />
zu stellen. Diese wird er mit vielen verworrenen<br />
Sätzen beantworten, es sollten allerdings<br />
auch die guten Informationen gut<br />
durchsickern. Dies ist besonders wichtig, da<br />
Yabir eine Option ist die Charaktere am Anfang<br />
des Abenteuers mit Informationen zu<br />
versorgen.<br />
Aufstand im Wesir-<br />
Aziz-Viertel<br />
Wesir Aziz war seiner Zeit kein angesehener<br />
Mann, doch er rang seinem Herrscher<br />
das Versprechen ab einen Stadtteil nach ihm<br />
zu benennen. So benannte Nelvis, der Alwissende,<br />
das Nordviertel mit seinen dicht gedrängten,<br />
windschiefen Holzbaracken nach<br />
seinem Wesir.<br />
Naturgemäß treffen die armen Viertel Unruhen<br />
am stärksten und so ist es das Wesir-<br />
Kasim-Viertel in dem der erste Aufstand gegen<br />
Uztem Agara ausbricht. Es bildet sich ein<br />
größer werdender Mob, der sich mit Steinen,<br />
Knüppeln und Fackeln bewaffnet und zum<br />
nächsten Wachhaus zieht. Dieses wird im<br />
Konflikt schnell in Brand gesetzt und die Wachen<br />
müssen sich nach kurzem Scharmützel<br />
zurückziehen. Uztem jedoch war gerade in<br />
einem Gespräch mit dem Ork Rammer und<br />
schickt diesen kurzentschlossen mit 50 Mann<br />
los, um den Aufstand niederzuschlagen.<br />
Die Szene birgt die Gefahr zu passiv zu werden,<br />
deshalb sollten die Spielercharaktere<br />
ungewollt zwischen die Fronten geraten, als<br />
sich die Lage immer schneller zuspitzt. Die<br />
Charaktere könnten versuchen zu schlichten<br />
oder sich in einer spannenden Szene aus<br />
dem Gefecht zurückziehen. Wortführer der<br />
Aufständischen ist der junge Rashid Basil, ein<br />
großer, vierschrötiger Mann mit strengem<br />
Gesicht und blassen Lippen. Der Versuch zu<br />
schlichten kann nur bei Rashid Früchte tragen,<br />
da Rammer Blut sehen will, gleich was<br />
geschieht.<br />
Dinalas erste Zaubervorbereitungen<br />
Dinala wird von einem der SC beobachtet,<br />
wie sie des Nachts zur Oase schleicht, die von<br />
den anderen Bürgern in der Dunkelheit gemieden<br />
wird. Sie führt dort einige vorbereitende<br />
mindere Ritualzauber durch, wenn sie<br />
Abenteuer<br />
Seite 19
ANDUIN <strong>98</strong><br />
DIe OAse von Shadrya<br />
nicht bemerkt, dass sie beobachtet wird (die<br />
Probe dazu sollte von mittlerer Schwierigkeit<br />
sein). Wenn Sie ihre Beobachter bemerkt,<br />
verschwindet sie jedoch bald in den Gassen<br />
der Stadt.<br />
Diese Szene sollte nicht zu früh im Abenteuer<br />
auftauchen, da ihr Charakter eine schöne<br />
Möglichkeit einer überraschenden Wendung<br />
bietet. Auch im späteren Verlauf sollte<br />
möglichst nicht direkt offenbar werden, dass<br />
sie ein Zauberritual vorbereitet. Die Szene<br />
sollte zuerst einmal ihren Charakter zweifelhaft<br />
erscheinen lassen.<br />
Der Geist regt sich<br />
Eines Nachts ist plötzlich ein merkwürdiges<br />
verzerrtes Grollen zu hören. Es erinnert<br />
an ein Donnergrollen und ist doch anders,<br />
zumal der Himmel völlig frei ist. Wenig später<br />
wird klar, dass die Geräusche von der Oase<br />
herrühren. Gespenstisches grünes Licht<br />
geht vom Wasser der Oase aus. Die Palmen<br />
schwanken unheilvoll hin und her, obwohl<br />
kein Wind weht. Nackte Angst herrscht bei<br />
den Bürgern im Ostviertel vor, das der Oase<br />
am nächsten gelegen ist. Doch niemand wagt<br />
sich das Haus zu verlassen. Die Straßen sind<br />
wie ausgestorben.<br />
Ni‘maris erstes<br />
Gedicht<br />
Am Abend erregt Ni‘mari Aufmerksamkeit,<br />
als er in der Öffentlichkeit mit erhobener<br />
Stimme vor Dinalas Haus ein Gedicht<br />
vorträgt. Begleitet wird er dabei von Olirius,<br />
der leise auf der Laute spielt und von einer<br />
Handvoll Schläger, die in der umstehenden<br />
Menge für Ruhe sorgen. Sie sind allerdings<br />
angewiesen dies möglichst unauffällig zu tun<br />
(für erfahrene Helden bemerken das jedoch<br />
bereits mit einer leichten Probe).<br />
Dinalas kleines Haus befindet sich auf der<br />
Webergasse an einer Kreuzung, wo reger<br />
Durchgangsverkehr herrscht. Sie verhält sich<br />
allen Regeln entsprechend höflich, bittet jedoch<br />
freundlich<br />
Einstiege ins<br />
Abenteuer<br />
Es gibt einige Möglichkeiten die Spielercharaktere<br />
in die Situation hineinzuführen.<br />
Gleichzeitig dienen die Aufhänger dazu, das<br />
Szenario für die SC persönlicher zu gestalten.<br />
Der Spielleiter sollte sich für seine Gruppe<br />
möglichst passende Aufhänger aussuchen.<br />
Olirius Kupferfuß könnte den Charakteren<br />
erst Trübsal blasend in einer der Schenken<br />
auffallen (zum Beispiel im „Feigenblatt“,<br />
einer Taverne mit vielen Sitzkissen und kleinen<br />
Mosaiktischen). Später könnte er ihnen<br />
– vielleicht betrunken – von seinem Kummer<br />
erzählen, dass er für einen gemeinen Kaufmann<br />
arbeiten müsse und in seinem Namen<br />
Gedichte schreibe.<br />
Wenn es in der Gruppe bereits früher schon<br />
einmal einen Bösewicht gab, der irgendwie<br />
entkommen konnte, könnte dieser den Platz<br />
von Ni‘mari in diesem Abenteuer einnehmen.<br />
Dadurch hätten die Charaktere direkt eine<br />
Motivation sich in die Geschehnisse einzumischen<br />
und es wäre persönlich.<br />
Einer der Charaktere könnte der Bruder<br />
von Shufgard, dem Dieb, sein. Dadurch<br />
würden sich möglicherweise interessante<br />
rollenspielerische Konflikte ergeben. Ein guter<br />
Einstieg dafür wäre, dass die Charaktere<br />
Shufgard scheinbar zufällig auf frischer Tat<br />
erwischen oder ein anderer SC ein Opfer<br />
seines Diebstahls wird. Diese Variante bietet<br />
sich besonders an, falls einer der Charaktere<br />
einen verschollenen Bruder in seinem Hintergrund<br />
erwähnt hat.<br />
Eine andere Möglichkeit wäre, dass die<br />
Charaktere einen der gefeuerten Berater Uztems<br />
treffen. Der ehemals wohlhabende Wesir<br />
Lamir Al‘Teib hat jetzt nur noch das, was<br />
er am Leib trägt. Aber er hängt zu sehr an<br />
seiner Geburtsstadt um einfach fortzugehen.<br />
Er hofft, dass ihm wieder seine alte Stellung<br />
zurückgegeben wird, wenn er die SC dazu<br />
bewegen kann, Ni‘maris Plan abzuwenden.<br />
Schön wäre auch, würden die Charaktere<br />
bspw. Olirius und den den Wesir kennen lernen,<br />
dann hätten sie gleich zwei verschiedene<br />
Blickwinkel auf die Angelegenheit.<br />
Ein Ausblick auf<br />
das Finale<br />
Natürlich hängt die Art des Finales ganz<br />
besonders stark mit den vorangegangenen<br />
Ereignissen zusammen. Aber als Location<br />
drängt sich die Oase förmlich auf. Vermutlich<br />
werden sich die Charaktere auf Dinalas Seite<br />
schlagen und gegen Ni‘maris Magier angehen<br />
müssen. Shufgard verspricht sich darum<br />
zu kümmern, dass seine Schläger abgelenkt<br />
sind. Dabei wird sich der Geist bereits kräftig<br />
regen. Es werden wahre Flutwellen aus<br />
dem Nichts über das Ufer peitschen. Palmen<br />
werden wie Strohhalme umknicken und fortgespült<br />
werden. Ein unnatürliches Donnergrollen<br />
wird sich aus den Fluten erheben und<br />
eine Massenpanik in der Stadt auslösen. Dort<br />
werden die Menschen schreiend in die Wüste<br />
rennen um dort Schutz vor „der Rache des<br />
Geistes“ zu suchen. Um das Chaos perfekt zu<br />
machen, taucht Yabir plötzlich auf, als sich<br />
das Blatt gerade zu Gunsten der SC wendet.<br />
Mit sich führt er das Zepter des Ur‘schutak,<br />
mit dessen Macht er den Geist, den er für einen<br />
alten Gott hält, stärken will.<br />
Was geschehen<br />
würde...<br />
..wenn die Spieler<br />
nicht eingreifen<br />
Die Unzufriedenheit der Bürger würde in<br />
einem großen offenen Aufstand gipfeln. Viele<br />
würden bei den blutigen Auseinandersetzungen<br />
mit der Stadtgarde ihr Leben lassen und<br />
Uztem würde nicht von seiner aggressiven<br />
Politik ablassen. Doch bevor der Aufstand<br />
niedergeschlagen wäre, wären Ni‘maris Magier<br />
in der Stadt, die umgehend beginnen<br />
würden die alten Schutzzauber zu brechen,<br />
um den Geist bekämpfen zu können. Dinala<br />
würde sich beim verzweifelten Kampf gegen<br />
die Mager opfern und sterben. Yabir würde<br />
sich einmischen, sobald der Schutz zerstört<br />
wäre und würde allein im Kampf gegen die<br />
Magier unterliegen.<br />
Der Wassergeist allerdings wäre in seinem<br />
Zorn viel mächtiger und würde gegen die<br />
Magier siegen. Er würde die Stadt zu großen<br />
Teilen vernichten und die Quelle wieder<br />
verfluchen. Uztem würde bis zu seinem Tod<br />
gegen den Geist kämpfen. Ni‘mari würde<br />
zwar gerade noch entkommen können, doch<br />
geleitet von Rachegelüsten würde Shufgard<br />
Dinalas Tod rächen und man würde nur noch<br />
Ni‘maris Leiche finden.<br />
Seite 20<br />
Abenteuer
Systemvorstellung<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Fallout<br />
Eine Post-Nukleare Rollenspielserie<br />
Text: Bernhard Phillipp Jaud<br />
Screenshots: BErnhard Phillipp Jaud; Tobias Looschelders; Bethesda Softworks<br />
Der Anfang vom<br />
Ende<br />
„Krieg, Krieg bleibt immer gleich.“, so<br />
beginnt jeder Teil der seit 12 Jahren wohl<br />
bekanntesten Endzeit-RPG Spielserie. Die<br />
Menschheit hat sich mit Atombomben zurück<br />
in die Höhlen gebombt. Zwar sind die<br />
Höhlen technisch fortgeschrittene Schutzbunker,<br />
sogenannte Vaults, dennoch ist der<br />
größte Teil der Erdoberfläche karge Wüste.<br />
Durch den Atomkrieg blieb die Welt in den<br />
50er Jahren stehen, und so sind im Jahre<br />
2161 Blechreklameschilder und ausgebrannte<br />
Straßenkreuzer präsent.<br />
Die Spiele<br />
Auch die Spiele bleiben zum Großteil gleich.<br />
Teil eins und zwei setzen<br />
auf die gleiche, isometrische<br />
Grafik und sehen sich<br />
deswegen sehr ähnlich,<br />
inhaltlich sind sie aufgrund<br />
unterschiedlicher Entwicklerteams<br />
sehr unterschiedlich.<br />
Der aktuelle dritte Teil<br />
wurde wieder von einem<br />
anderen Entwicklerteam<br />
erstellt und kommt in schicker<br />
3D-Grafik auf aktuelle<br />
Konsolen und den PC. Es<br />
gab noch 2 Teile, die von<br />
der traditionellen Serie<br />
abweichen, und daher<br />
als non-Canon betrachtet<br />
werden. Diese sind: Fallout Tactics: Brotherhood<br />
of Steel (ein Taktikshooter wahlweise<br />
in rundenbasiert oder in Echtzeit) und Fallout:<br />
Brotherhood of Steel (ein Actionshooter<br />
für Konsolen mit wenigen Rollenspielelementen).<br />
It’s S.P.E.C.I.A.L<br />
Abgesehen von den zwei non-Canon-<br />
Titeln benutzen alle Teile das sogenannte<br />
S.P.E.C.I.A.L-Rollenspielsystem. Dieses wurde<br />
extra für Fallout entwickelt nachdem die Verwendung<br />
von GURPS an Lizenzproblemen<br />
scheiterte. S.P.E.C.I.A.L steht für Strength<br />
(Stärke), Perception (Wahrnehmung), Endurance<br />
(Ausdauer), Charisma (Charisma), Intelligence<br />
(Intelligenz), Agility (Beweglichkeit)<br />
und Luck (Glück). Aus diesen sieben Attributen<br />
setzen sich die Grundwerte (Skills) des<br />
Chars zusammen, welche durch Prozentangaben<br />
dargestellt werden. Durch sogenannte<br />
„Perks“ (spezielle Fähigkeiten die nach<br />
jedem Levelaufstieg gewählt werden können)<br />
und „Traits“ (zwei Besonderheiten die<br />
bei der Charaktererstellung gewählt werden<br />
müssen, z.B. weniger Perks dafür schnellerer<br />
Levelaufstieg) können diese Werte weiter<br />
beeinflusst werden.<br />
Desweiteren spielt das Karma des Spielers<br />
eine große Rolle. So reagieren gute NPCs<br />
schnell feindlich auf „böse“ Spieler, oder<br />
Sklavenhändler handeln nicht mit „guten“<br />
Spielern. Das Karma ändert sich durch die<br />
Entscheidungen des Spielers laufend. So lässt<br />
sich fast jede Quest auf drei Arten lösen (Gut,<br />
Neutral, Böse). Nicht immer ist eindeutig,<br />
welche Entscheidung zu welchem Ergebnis<br />
führt, was dem Ganzen Spannung verleiht,<br />
wenn man versucht, ein gewisses Karma zu<br />
erhalten.<br />
Kämpfen um zu<br />
überleben<br />
Das Kampfsystem ist rundenbasiert und je<br />
nach Gewicht des Inventars, Beweglichkeit<br />
und anderen Faktoren sind die Aktionspunkte<br />
pro Runde beschränkt. Über einen gezielten<br />
Schuss, welcher mehr AP kostet, kann<br />
man versuchen, den Gegner an bestimmten<br />
Körperteilen zu verwunden. Je nach Schwierigkeit,<br />
den gewählten Körperteil zu treffen<br />
gibt es eine prozentuale Wahrscheinlichkeit,<br />
das Ziel zu treffen. Wenn man z.B. die Augen<br />
trifft, erblindet der Gegner und wird nur noch<br />
Zufallstreffer landen, wegen ihrer Größe sind<br />
sie natürlich schwer zu treffen. Alternativ<br />
kann man versuchen den Arm zu treffen oder<br />
dem Gegner die Waffe aus der Hand zu schießen.<br />
Umgekehrt kann auch der Gegner diese<br />
Taktik anwenden, was Kämpfe durchaus taktisch<br />
anspruchsvoll macht.<br />
Überleben um zu<br />
kämpfen<br />
Um auch nach heftigen Kämpfen nicht<br />
durchlöchert zu Boden zu sinken, stehen<br />
dem Spieler zahlreiche Medikamente<br />
und Drogen zur<br />
Verfügung. Beide können<br />
dauerhaft abhängig machen.<br />
Stimpaks zum Heilen,<br />
RadAway um Strahlung loszuwerden,<br />
Mentats um die<br />
Werte zu pushen, Jet - ein<br />
Amphetamininhalator - um<br />
kurzfristig seine Stärke zu<br />
erhöhen und noch sehr viele<br />
weitere chemische Produkte<br />
stehen hierfür zur Verfügung.<br />
Alternativ kann man<br />
sich mit Schlaf oder Essen<br />
heilen, welches allerdings<br />
immer in unterschiedlichen<br />
Dosen verstrahlt ist und somit auch negative<br />
Auswirkungen hat.<br />
Gadgets<br />
Auf der gefährlichen Reise stehen einem<br />
einige nützliche Utensilien und Waffen zur<br />
Verfügung.<br />
Der PIP-Boy ist ein Gerät das dem Wanderer<br />
mit Informationen zu seinen Fähigkeiten,<br />
seinem Gesundheitszustand, seinem Inventar<br />
und Karten der Umgebung versorgt. Im<br />
Spiel finden sich neben realen Waffen auch<br />
einige Energiewaffen und aus unterschiedlichen<br />
Teilen improvisierte Kampfmittel. Erwähnenswert<br />
ist auch noch das Garten Eden<br />
Erstellungs Kit (G.E.E.K). Es ist ein Koffer mit<br />
Mai Abenteuer 2009 Seite 21
ANDUIN <strong>98</strong><br />
SystemVorstellung<br />
Samen, Holodisks welche die Benutzung erklären,<br />
Düngemittel und ähnlichem, welcher<br />
an ausgesuchte Vaults geliefert wurde. Vault<br />
13 hatte aufgrund einer Falschlieferung 2<br />
G.E.E.K.s bekommen dafür keine Ersatzwasserchips.<br />
Stählerner Bruder<br />
Ein paar der wiederkehrenden Gruppierungen<br />
möchte ich auch noch erwähnen. Da<br />
wäre die Stählerne Bruderschaft (Brotherhood<br />
of Steel), eine Gruppierung die aus der<br />
ehemaligen US Army und einigen Wissenschaftlern<br />
hervorging. Sie wollen die Herrschaft<br />
über das Wasteland erringen und sind<br />
somit Erzfeinde der Enclave.<br />
Die Enclave ist aus der Vorkriegsregierung<br />
hervorgegangen und möchte die Welt von allem<br />
Unreinen befreien. Dazu zählen sie auch<br />
jeden Menschen der längere Zeit im Wasteland<br />
verbracht hat.<br />
Das nicht mehr existente Unternehmen<br />
Vault-Tec hatte von der Regierung den Auftrag<br />
122 Vaults zu bauen, des weiteren stellten<br />
sie Ausrüstung und Infomaterial für ein<br />
Leben nach der Apokalypse her.<br />
Fallout<br />
(1997 Interplay/Black<br />
Isle)<br />
Der erste Teil spielt im Jahre 2161. Man steuert<br />
den unglücklichen Bewohner des Vault 13,<br />
auf den das Los fiel, das Vault zu verlassen<br />
um nach einem Wasseraufbereitungschip<br />
zu suchen. Da der Chip im Vault defekt ist,<br />
werden die Vaultbewohner ohne aufbereitetes<br />
Wasser über kurz oder lang verdursten.<br />
Also macht sich der „Vaultbewohner“ (engl.<br />
Vault-Dweller) auf die Suche. Im Wasteland<br />
stößt er dann auf die unterschiedlichsten<br />
Freunde und Feinde. In beiden Kategorien<br />
finden sich Menschen, Ghule (Menschen, die<br />
die Strahlung entstellt und ihre Zellteilung<br />
extrem verlangsamt hat), Mutanten, Super-<br />
Mutanten (deren Entstehung ein Hauptthema<br />
der Serie ist) und viele andere Wesen. Der<br />
Spieler hat 150 Spieltage Zeit um den Ersatzchip<br />
zu finden und zurückzukehren, sonst<br />
endet das Spiel.<br />
Danach muss man dem Ursprung der Supermutanten<br />
nachgehen und entdeckt dabei<br />
den grausamen Plan des „Meisters“, welcher<br />
plant die Menschheit, mithilfe seines FEV-<br />
Virus in eine Armee der Supermutanten zu<br />
verwandeln. Nun kann man wählen ob man<br />
gegen den Meister kämpfen, ihm helfen oder<br />
einfach abwarten will bis die Vault von den<br />
Supermutanten überrannt wird. Wobei nur<br />
das Bekämpfen des Meisters zu einem Canon-Ende<br />
führt: Im Abspann wird der Vault-<br />
Dweller von den anderen Vaultbewohnern<br />
verstoßen, da er zu viel von der Welt gesehen<br />
hat und ein schlechtes Vorbild für die<br />
kommende Generation sein würde.<br />
Fallout ist ein sehr gutes Rollenspiel das<br />
sich vor allem durch seine dichte Story, seinen<br />
Umfang und seinen düsteren Humor<br />
auszeichnet. Es hatte allerdings wegen seiner<br />
drastischen Gewaltdarstellung (Gliedmaßen<br />
können abgeschossen werden, Kinder<br />
können getötet werden) von sich reden. Für<br />
den deutschen Markt wurde das Spiel drastisch<br />
geschnitten.<br />
Fallout 2<br />
(19<strong>98</strong> Interplay/Black<br />
Isle)<br />
Der zweite Teil wurde von einem anderen<br />
Programmierer-Team geschaffen und<br />
legt deshalb etwas düstereren Humor, eine<br />
Menge neuer Schauplätze, Monster, Gegenstände<br />
und in der ungeschnittenen Version,<br />
etwas mehr Gewalt an den Tag. Die Grafik<br />
blieb unangetastet, so war es möglich den<br />
zweiten Teil so schnell nach dem ersten zu<br />
veröffentlichen.<br />
Im Jahre 2241, also 80 Jahre nach der Handlung<br />
des ersten Teils, findet man sich vor der<br />
Halle der Prüfungen im Dorf Arroyo wieder.<br />
Diese Siedlung wurde von dem Vault-Dweller<br />
nach seinem Rauswurf aus der Vault gegründet.<br />
Diesmal spielt man das „Auserwählte<br />
Wesen“ (im Original „Chosen One“), einem<br />
direkten Nachfahren des Vault-Dwellers. Das<br />
Auserwählte Wesen soll ein Garten Eden Erstellungs<br />
Kit (G.E.E.K) aus Vault 13 besorgen,<br />
Seite 22<br />
Mai 2009
Systemvorstellung<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
da Arroyo von einer Dürre geplagt wird und<br />
die Siedler zu verhungern drohen. Mithilfe<br />
des G.E.E.Ks soll das Wasteland wieder<br />
fruchtbar gemacht werden. Allerdings hat<br />
sich das Ödland verändert, so sind Prostitution,<br />
Mafiageschäfte, Glückspiel und Drogen<br />
allgegenwärtig. Nur zu leicht wird man von<br />
der Fülle der Möglichkeiten von seiner Hauptaufgabe<br />
abgelenkt. Da ist es gut, dass es in<br />
diesem Teil keine Zeitbeschränkung mehr<br />
gibt. Hat man das G.E.E.K besorgt, stellt man<br />
fest dass die Bewohner Arroyos von der Enclave<br />
entführt wurden. Die Enclave hat das<br />
FEV-Virus aus dem ersten Teil modifiziert und<br />
möchte damit die Erde von allen genetischen<br />
Unreinheiten befreien. So das nur noch „reine“<br />
Menschen die Erde bevölkern. Nach der<br />
Vereitelung des Plans machen sich die Dorfbewohner<br />
in eine bessere Zukunft mit dem<br />
G.E.E.K. auf.<br />
Aufgrund des expliziten Inhalts des Spiels<br />
mussten für den deutschen Markt wieder<br />
viele Quests, Gewaltdarstellungen und natürlich<br />
die Kinder aus dem Spiel geschnitten<br />
werden. In zwei Hauptquests machte<br />
sich das Fehlen der Kinder sich bemerkbar.<br />
Ohne Patch konnten diese Quests nicht abgeschlossen<br />
werden. Das Spiel wurde für seinen<br />
umfangreichen Inhalt und seine Freiheit<br />
gelobt. Bemängelt wurde, dass Fallout 2 mit<br />
seinen Anspielungen auf die Popkultur kein<br />
echtes Fallout mehr wäre. Dennoch wird es,<br />
neben Baldurs Gate, als eines der besten<br />
RPGs von Black Isle gehalten.<br />
Fallout 3<br />
(2008 Bethesda Softworks<br />
/ ZeniMax)<br />
Während der Entwicklung von Fallout 3<br />
„Van Buren“ musste Interplay Konkurs anmelden.<br />
Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits zu 95% fertiggestellt.<br />
Nach dem Bankrott von Interplay kaufte<br />
Bethesda (The Elder Scrolls) die Rechte an<br />
Fallout, beschloss aber „Van Buren“ nicht<br />
weiter zu entwickeln. Stattdessen begannen<br />
sie mit der Engine von Oblivion ein völlig eigenes<br />
Spiel zu erstellen.<br />
Alles beginnt im Jahr 2277 mit der Geburt<br />
des Spielercharakters in der Vault 101 welche<br />
in der Umgebung von Washington D.C. liegt<br />
und eine der letzten ist welche in den 200<br />
Jahren nicht geöffnet wurde. Leider stirbt<br />
deine Mutter beider Geburt und dein Vater<br />
James, ein Wissenschaftler, muss dich nun<br />
alleine großziehen.<br />
Nun werden in kurzen Episoden, die die<br />
Entwicklung des Chars zeigen, werden durch<br />
einige Entscheidungen, in bestimmten Situationen,<br />
die Grundmerkmale festgelegt.<br />
Eines Tages weckt dich deine Jugendfreundin<br />
Amata und informiert dich dass dein Vater<br />
James aus der Vault geflohen ist. Da der<br />
Vaultaufseher dies für ein gefährliches Verbrechen<br />
hält, wird der Spieler zur Flucht aus<br />
der Vault gezwungen und ist forthin auf der<br />
Suche nach seinem Vater. Über lange Reisen<br />
in den Fußspuren des Wissenschaftlers entdeckt<br />
man viele Orte und erfährt von Projekt<br />
Purity. Ein Projekt das James mit anderen<br />
Wissenschaftlern des Wastelands begonnen<br />
hat, mit dem Ziel sauberes Wasser für das<br />
gesamte Ödland zu erschaffen. Das Spiel<br />
entwickelt sich zu einem Gewissensroulette,<br />
denn die Enclave möchte von dir dass du den<br />
modifizierten FEV-Virus aus Fallout 2 in die<br />
Wasseraufbereitungsanlage schleust und<br />
somit die Erde von allen genetischen Mutationen<br />
befreist. Andererseits hat doch jeder<br />
das Recht zu Leben und wenn du deine Entscheidung<br />
zu lange hinauszögerst explodiert<br />
Projekt Purity und die Chance auf sauberes<br />
Wasser ist vergeben.<br />
Fallout 3 setzt in mehreren Gesichtspunkten<br />
neue Maßstäbe für Computerrollenspiele.<br />
Zum einen ist die Grafik umwerfend, zum<br />
anderen gelingt der Spagat zwischen Echtzeitaction,<br />
taktischem Rundenkampf und<br />
Rollenspiel. Mit kommenden Erweiterungspaketen<br />
(Operation: Anchorage, The Pitt,<br />
Broken Steel) wird die Geschichte um den<br />
„einsamen Wanderer“ weitergesponnen.<br />
Zukunft<br />
Interplay wurde neugegründet und hat<br />
sich die Rechte für ein Fallout MMORPG gesichert.<br />
Laut den Vertragsbedingungen muss<br />
das Spiel spätestens am 4.April 2013 in den<br />
Läden stehen. Sonst verliert Interplay die<br />
Rechte am Fallout Onlinespiel. Für Fallout<br />
3 wurden 3 Downloadable Content Packs<br />
angekündigt, wovon das erste (Operation:<br />
Anchorage) bereits veröffentlicht wurde.<br />
The Pitt soll im März, Broken Steel im April<br />
erscheinen.<br />
Mai 2009 Seite 23
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Eden Metropolis<br />
Eden Metropolis<br />
Ein universelles Endzeitabenteuer<br />
Text: Friederike Schmutzler<br />
Zeichnungen: Jennifer Lange<br />
Einleitung<br />
Wir schreiben das Jahr 2365 A.D. oder vielmehr<br />
das Jahr 262 einer neuen Zeitrechnung.<br />
Diese begann, als eine grosse atomare Katastrophe<br />
die Erde heimsuchte und ganze Länder<br />
entvölkerte und auf Jahrtausende unbewohnbar<br />
machte. Die Welt, wie wir sie heute<br />
kennen, gibt es nicht mehr. Einige der Überlebenden<br />
zogen sich aus den zerstörten Städten<br />
Europas aufs Land zurück und begannen<br />
dort, wo es noch möglich war, ein Leben wie<br />
ihre Vorväter vor bald 1000 Jahren mit Ackerbau<br />
und Viehzucht. Technik und elektrische<br />
Maschinen sind verpönt und werden gemieden.<br />
Im allgemeinen Sprachgebrauch bürgert<br />
sich bald der Name „Terseca“ (Terra secura<br />
= lat. „sicheres Land“) oder „Das Land“<br />
für diese Gegend ein. Über die Menschen<br />
in Terseca herrscht eine Institution, die sich<br />
„Der Rat“ nennt. Ihre Mitglieder sind noch<br />
niemals persönlich in Erscheinung getreten,<br />
sie lassen sich von sogenannten Ratsverwaltern<br />
und ihren seltsamen hochgewachsenen<br />
schwarzen Soldaten vertreten. Der Rat<br />
ist weltlicher wie geistlicher Herrscher, sein<br />
Wort ist Gesetz, sollte es noch so hart oder<br />
unverständlich erscheinen. So werden zum<br />
Beispiel immer wieder vorkommende Mutationen<br />
nicht geduldet, auch Artefakte, die<br />
aus der Zeit vor dem „Feuer“ stammen, oder<br />
Leute, die sich für diese interessieren, werden<br />
verbannt. Nichts soll mehr an die Zeit vor<br />
der Katastrophe erinnern.<br />
Während die Menschen unter der Herrschaft<br />
des „Rates“ auf dem Land oberflächlich<br />
betrachtet ein recht beschauliches Leben<br />
führen, gibt es auch noch Überlebende in den<br />
Städten. Dort herrscht das Recht des Stärkeren,<br />
wer kann, versucht zu fliehen, doch viele<br />
Städte sind abgeriegelt worden, da man in<br />
ihnen Seuchengefahr und erhöhte Strahlung<br />
vermutet. Hier gibt es noch die hochentwickelte<br />
Technologie des 22. Jahrhunderts, sie<br />
wird von Tüftlern immer weiter entwickelt<br />
und verbessert, wenn möglich. Rohstoffe<br />
und Nahrung sind ein knappes Gut, doch es<br />
gibt immer noch genug Wagemutige und Geschäftstüchtige,<br />
die sich um eine Versorgung<br />
mit diesen Dingen kümmern.<br />
Während die Leute auf dem Land nicht wissen,<br />
dass es ausser ihnen noch andere Menschen<br />
gibt, ist es den Bewohnern der Städte<br />
durchaus bewusst. Doch wer versucht, aufs<br />
Land zu entkommen, wird meistens von den<br />
Handlangern des Rates eingesperrt, wenn er<br />
es überhaupt so weit schafft, denn der Rat<br />
will unter allen Umständen verhindern, dass<br />
die Menschen auf dem Land erfahren, dass<br />
es noch etwas anderes gibt als ihr Leben.<br />
Ein Fremder im<br />
Paradies<br />
Die Spieler sind Jugendliche oder junge<br />
Leute, die in einem der Dörfer auf dem<br />
„Land“ leben. Obwohl ihr Leben zwar nicht<br />
einfach, aber beschaulich ist, fühlen sie sich<br />
unzufrieden. Sie sind sich sicher, dass es noch<br />
etwas anderes geben muss als nur ihre Bauernhöfe,<br />
Schmieden und Werkstätten, doch<br />
was es ist, können sie nicht genau sagen.<br />
Anmerkung für den Spielleiter/<br />
Spieler<br />
Auch wenn die Charaktergestaltung in<br />
diesem Abenteuer frei ist, so ist allen Charakteren<br />
jedoch gemeinsam, dass sie oder<br />
ihnen nahe stehende Personen bereits mit<br />
dem Rat in Konflikt geraten sind und nicht<br />
mehr unbedingt an die Richtigkeit dessen<br />
glauben, was man ihnen von klein auf eingetrichtert<br />
hat.<br />
Bis sie eines Tages bei einem Ausflug in den<br />
Wald in der Nähe ihres Dorfes – bezeichnenderweise<br />
wird es vom Ratsvertreter „Eden“<br />
genannt - einen bewusstlosen Mann finden,<br />
der ihnen vollkommen unbekannt ist. Nicht<br />
nur, dass sie ihn noch nie vorher in der Siedlung<br />
gesehen haben, auch seine Kleidung<br />
wirkt fremdartig: Er trägt schwarze dicke<br />
Hosen (Jeans, aber die kennen die Dorfbewohner<br />
nicht), ein schwarzes Oberteil und<br />
eine dunkle Lederweste. Ausserdem hat er<br />
um den Hals allerlei mechanischen und metallische<br />
Objekte hängen (Was genau, liegt<br />
im Ermessen und der Kreativität des Spielleiters,<br />
denkbar sind Dinge wie Schweisserbrille,<br />
ein Funkgerät, eine Digitaluhr, eine<br />
Kamera, etc., hauptsache, es sind Dinge, die<br />
es in Eden definitiv nicht gibt) und er trägt<br />
unter der Weste einen Waffengurt mit einer<br />
schweren Pistole, die Munition befindet sich<br />
in einem alten Armee - Rucksack, der neben<br />
ihm liegt. Das Gesicht des Mannes ist dreck –<br />
und blutverschmiert, auch seine Kleidung ist<br />
zerrissen, verschmutzt und blutstarrend.<br />
Anmerkung für den Spielleiter:<br />
Am besten beschreibst Du die Dinge so,<br />
als hättest Du sie auch noch nie vorher<br />
gesehen. Deine Spieler sollen sich ganz<br />
darauf einlassen, wirklich mittealterliche<br />
Dorfbevölkerung zu sein, die von ihren Oberen<br />
völlig im Dunkeln gelassen wird über<br />
alles. Lass sie auch ruhig einige Minuten die<br />
Ausrüstung des Fremden durchstöbern und<br />
untersuchen, bevor Du mit dem Abenteuer<br />
fortfährst.<br />
Nach einer Weile beginnt sich der Bewusstlose<br />
zu rühren Mit einer Wahrnehmungsprobe/Probe<br />
auf Intelligenz etc. werden die<br />
Spieler dies auch bemerken. Falls sie sich<br />
nicht dazu entscheiden, zu fliehen, wird der<br />
Fremde versuchen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.<br />
Mit einer weiteren Probe wird<br />
den Spielern auffallen, das der Mann dieselbe<br />
Sprache wie sie spricht. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten<br />
berichtet der Fremde<br />
dann, dass sein Name Robert McArrow ist,<br />
er stammt aus der Stadt New Metropolis,<br />
was er genau in der Nähe von Eden macht,<br />
will er den Charakteren jedoch erstmal nicht<br />
verraten.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Da es in diesem Abenteuer keine vorgegebenen<br />
Charaktere gibt, kann McArrow auch<br />
von einem Spieler übernommen werden.<br />
Möchten die Spieler alle Dorfbewohner<br />
spielen, wird der Fremde zum NSC.<br />
Gefahr<br />
und Heilung<br />
Den Charakteren ist bewusst, dass sie gegen<br />
die Gesetze des Rates verstossen, wenn<br />
sie den Fremden mit in ihr Dorf nehmen. Also<br />
müssen sie ihn verstecken, sie bringen ihn<br />
mit vereinten Kräften in eine Höhle im Wald.<br />
Da er jedoch verletzt ist und ausserdem keine<br />
Nahrung, frische Kleidung und warme<br />
Decken bei sich hat, müssen die SCs beides<br />
Seite 24<br />
Abenteuer
Eden Metropolis<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
herbeischaffen, natürlich nach Möglichkeit<br />
ungesehen und unbemerkt. Mit bestandener<br />
Heimlichkeits - /Schleichenprobe oder einer<br />
ähnlichen Probe wird es den Charakteren<br />
auch gelingen, die benötigten Dinge aus dem<br />
Dorf zu schmuggeln, doch eine misslungene<br />
Probe wird dazu führen, dass ein missgünstiger<br />
Siedler die Charaktere entdeckt und seine<br />
Entdeckung dem Ratsverwaltern mitteilt.<br />
Konsequenz wäre eine sofortige Verhaftung<br />
sowohl der Charaktere als auch des verletzten<br />
„Eindringlings“ und vermutlich die Todesstrafe<br />
für jeden aus der Gruppe. Sollte es<br />
soweit kommen, müssen die übrigen Mitglieder<br />
der Gruppe sich etwas einfallen lassen,<br />
entweder, sie versuchen, den Ratsverwalter<br />
zu überreden, ihre (n) Freund(e) freizulassen,<br />
oder sie versuchen es mit Heimlichkeit<br />
und/oder Schlösser öffnen, die anderen Charaktere<br />
aus dem nicht bewachten Gefängnis<br />
zu befreien. Dann ist allerdings eine sofortige<br />
Flucht angeraten, und der folgende Abschnitt<br />
wird dann während einer Rast in einem Versteck<br />
erzählt.<br />
Da es in Eden keine Technologie mehr<br />
gibt, ist auch die moderne Medizin verpönt,<br />
die Charaktere haben keine Antibiotika oder<br />
ähnliches, um die Wunden des Fremden zu<br />
versorgen, sondern müssen sich ganz auf die<br />
Naturheilkunde und Gebete verlassen. Charaktere<br />
mit Fähigkeiten wie Heilkunde oder<br />
erste Hilfe können natürlich Proben würfeln,<br />
ob sie McArrow besser versorgen können.<br />
Eine Geschichte<br />
von einer Stadt<br />
Sobald es ihm wieder etwas besser geht,<br />
erzählt McArrow den Charakteren von der<br />
Stadt und warum er auf dem Land ist.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Gib dem Spieler von McArrow die Infos aus<br />
der Einleitung zusätzlich zu dem folgenden<br />
Text auf einem eigenen Zettel, ansonsten<br />
lies sie einfach vor.<br />
McArrow ist 25 Jahre alt, was in dieser<br />
Welt bedeutet, dass er sich im besten Alter<br />
befindet. Er lebt gemeinsam mit seiner jüngeren<br />
Schwester in einem verfallenen Haus<br />
am Stadtrand von New Metropolis, es ist ein<br />
etwas ruhigeres Viertel, was soviel bedeutet,<br />
dass nicht jede Nacht Bandenkämpfe und<br />
blutige Unruhen auf den Strassen toben.<br />
Er verdient sein Geld als Händler, er ist eine<br />
Art Schieber, der von den Glücksrittern und<br />
Schmugglern bestimmte Waren ankauft, um<br />
sie in der Stadt weiterzuverkaufen, hauptsächlich<br />
hat er mit Gebrauchsgegenständen<br />
des täglichen Lebens gehandelt, keine Waffen<br />
oder Drogen. Eigentlich hat er ein gutes<br />
Leben, bis vor einiger Zeit seine Schwester,<br />
sein einziges noch lebendes Familienmitglied,<br />
schwer krank wurde. Die Stadtheiler,<br />
eine Mischung aus modernem Mediziner und<br />
Schamane, können ihr nicht helfen, wissen<br />
aber, dass es auf dem Land noch Möglichkeiten<br />
gibt in Form einer seltenen Pflanze<br />
namens Sonnenranke. Die grössten Vorkommen<br />
finden sich in den Gärten des Rates in einer<br />
Art Kloster in der Nähe des Dorfes Eden.<br />
Die meisten Schmuggler, die McArrow auf<br />
diese Pflanzen angesprochen hat, haben<br />
entweder gleich abgelehnt oder verlangen<br />
horrende Preise. Niemand will freiwillig das<br />
Einzugsgebiet des Rates betreten, da die<br />
meisten von dort nicht zurückkehren. Also<br />
blieb McArrow nichts anderes übrig, als<br />
selbst zu gehen, während er seine Schwester<br />
in der Obhut eines alten Freundes gelassen<br />
hat, der sich um sie kümmern will. Seine<br />
Verletzungen hat er sich bei dem Überfall<br />
durch eine Bande von Wegelagerern geholt,<br />
die dachten, dass es bei ihm etwas zu holen<br />
gäbe, er konnte ihnen jedoch entkommen.<br />
Bei der Nennung der Ratsgärten sollten<br />
die Charaktere aufhorchen. Sie wissen, dass<br />
es bei Todesstrafe verboten ist, dieses Gelände<br />
zu betreten, niemand ausser den Ratsverwaltern<br />
und ihren schwarzgekleideten Soldaten<br />
darf Gebäude und Gärten betreteten.<br />
Allerdings weiss auch niemand, warum diese<br />
rigorosen Strafen verhängt werden.<br />
Wenn McArrow sie um Hilfe bittet, werden<br />
sie ihn darauf hinweisen. Bittet er<br />
die Charaktere um Hilfe, sollte der<br />
Spieler des Händlers eine Probe<br />
auf Überzeugen oder Überreden<br />
oder etwas Vergleichbares durchführen,<br />
damit sie ihm bei seiner<br />
Suche helfen. Als Gegenleistung<br />
würde er ihnen technische Geräte<br />
überlassen oder die ganz Mutigen<br />
sogar mit zurück in die Stadt nehmen.<br />
Verbotene<br />
Gärten<br />
Der Hauptsitz des Rates befindet<br />
sich etwa drei Tagesreise von<br />
Eden entfernt, die Reise führt<br />
über neu ausgebaute, allerdings<br />
ungepflasterte Landstrassen.<br />
Anmerkung für den<br />
Spielleiter<br />
Schmücke die Gegend und die<br />
Reise auch nach Deinen eigenen<br />
Vorstellung aus.<br />
Es sind nur wenige Reisende<br />
unterwegs, da die Leute es vorziehen, unter<br />
sich zu bleiben. Allenfalls ein fliegender<br />
Händler, der von Dorf zu Dorf reist, um Töpfe,<br />
Schüsseln und ähnliche nützliche Dinge<br />
für den Haushalt zu verkaufen, dürfte anzutreffen<br />
sein. Er beachtet die Charaktere<br />
nicht weiter, allenfalls McArrows Rucksack<br />
entlock ihm eine Bemerkung. Da die Händler<br />
aber nicht unbedingt die besten Freunde des<br />
Rates sind, weil sie einen Teil ihrer Ware auch<br />
aus der Stadt beziehen, wird er sich hüten,<br />
etwas über den Fremden zu sagen.<br />
Nach etwa drei Viertel der Wegstrecke<br />
kommt das Gebäude in Sichtweite, es handelt<br />
sich um eine grosse Anlage, die in Hufeisenform<br />
angelegt wurde, im Hintergrund gibt es<br />
noch zwei Wirtschaftsgebäude rechts und<br />
links hinter dem Anwesen. Um das Anwesen<br />
herum befinden sich die Gärten. Vom Baustil<br />
her sieht es aus wie ein gelb getünchtes Barockschloss,<br />
allerdings wurden nachträgliche<br />
bauliche Massnahmen und Renovierungsarbeiten<br />
ohne den nötigen Sachverstand<br />
ausgeführt, so dass das Gebäude eher nach<br />
einem steingewordenen Flickenteppich aussieht.<br />
Um den Komplex herum ist eine ungefähr<br />
zwei Meter hoher Palisade gezogen, in der<br />
Mitte gibt es ein von zwei schwarzgekleideten<br />
Ratssoldaten bewachtes Tor. Dies ist ein<br />
möglicher Eingang, eine andere Möglichkeit<br />
wäre es, sich um die Palisade zu schleichen,<br />
ein Loch zu graben oder zu bohren und von<br />
Abenteuer<br />
Seite 25
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Eden Metropolis<br />
hinten das Gelände zu betreten.<br />
Wählen die Charaktere den Vordereingang,<br />
so werden sie von den Wachen gefangen<br />
genommen und in das Gebäude gebracht,<br />
Überreden und Überzeugen nutzt nichts, die<br />
Soldaten haben klare Anweisungen. Ein Einbruch<br />
im hinteren Bereich der Anlage bleibt<br />
zunächst unentdeckt, allerdings sind auch<br />
in den Gärten Wachen unterwegs, jeweils in<br />
Zweierteams. Insgesamt befinden sich sechs<br />
solcher Teams in den Gärten: Ein Team am<br />
Haupttor des Hauses, eins auf der Rückseite,<br />
jeweils eins vor einem der beiden Gewächshäuser<br />
und zwei Teams, die rund um die<br />
Anlage patroullieren. Sollten die Charaktere<br />
die Wachen länger beobachten, wird ihnen<br />
auffallen, dass diese keinen Wachwechsel<br />
vornehmen, sondern immer auf ihrem Posten<br />
bleiben.<br />
Mit einer bestandenen Wahrnehmungsprobe<br />
wird den Charakteren auffallen, dass<br />
die Wachleute alle exakt die gleiche Grösse,<br />
die gleiche abgetragene Kleidung und das<br />
gleiche Gesicht haben. Sie bewegen sich alle<br />
eher ruckartig und mechanisch, und ausser<br />
einem leisen Sirren oder einem metallischen<br />
Geräusch ist auch kein Ton von ihnen zu hören.<br />
Bei näherer Betrachtung fällt auf, das<br />
manche der Soldaten nur noch ein Auge<br />
haben und die leere Augenhöhle nur ein<br />
schwarzes Loch ist. Einem anderen fehlt ein<br />
Ohr oder es hängt nur noch an Drähten lose<br />
am Kopf, wieder andere beugen das Knie<br />
nicht mehr beim Vorwärts gehen, sondern<br />
stolpern eher vorwärts. Kurzum, alle Roboter<br />
scheinen seit Jahren nicht mehr gewartet<br />
worden zu sein, oder allerhöchstens notdürftig<br />
von jemandem, der keine Ahnung hatte<br />
von der Funktionsweise der hochkomplizierten<br />
Technologie, die hinter diesen Maschinen<br />
steckt.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Lass McArrow einen Zettel zukommen,<br />
das ihm die Idee kommt, dass er schon von<br />
solchen Wesen gehört hat. Aus den technischen<br />
Gerätschaften in seinem Rucksack<br />
kann er etwas bauen, mit dem er einen<br />
elektromagnetischen Impuls sendet bzw.<br />
einen Störsender bauen. Wird dieses Gerät<br />
eingesetzt, so stehen die Soldaten, die in<br />
Wirklichkeit Roboter sind, still und rühren<br />
sich nicht mehr.<br />
Der Verrat des<br />
Ratsverwalters<br />
Sobald die Roboter ausgeschaltet sind, ist<br />
der Weg zum Gewächshaus frei. Die Charaktere,<br />
mit Ausnahme von McArrow, werden<br />
jedoch erstmal furchtbar erschrocken sein,<br />
Seite 26<br />
haben sie doch noch nie zuvor mechanische<br />
Menschen gesehen. Nach einer Erklärung<br />
durch McArrow fällt ihnen auf, dass diese<br />
Wesen jedoch gar nicht zu den Vorgaben des<br />
Rats passen, dass es keinerlei technische Dinge<br />
mehr geben darf. Etwas stimmt hier ganz<br />
und gar nicht.<br />
Die Charaktere sollten nicht zu lange überlegen,<br />
mit einer erfolgreichen Wahrnehmungsprobe<br />
wird ihnen auffallen, dass sich<br />
ihnen jemand nähert. Es handelt sich hierbei<br />
jedoch nicht um einen weiteren Roboter, sondern<br />
um einen sehr alten, gebückt gehenden<br />
Mann, der die lange schwarz-silberne Robe<br />
eines Ratsverwalters trägt. Er scheint nicht<br />
nur vom Alter, sondern auch von Krankheit<br />
gezeichnet zu sein, er hustet des öfteren und<br />
macht lange Pausen beim Sprechen, um keuchend<br />
wieder Luft zu holen, seine Haut ist<br />
übersät mit alten Brandnarben. Er bittet die<br />
Charaktere, ihm zu folgen, da er ihnen etwas<br />
wichtiges zeigen müsse. Sollten sie ihm nicht<br />
folgen, wird er sich zu helfen wissen und die<br />
Eindringlinge ganz einfach töten lassen, ihm<br />
stehen weitere Robotersoldaten zur Verfügung,<br />
die sich im Gebäude befinden und von<br />
McArrows Impuls nicht betroffen waren. Allerdings<br />
sehen diese Roboter genauso mitgenommen<br />
aus wie diejenigen, die ausserhalb<br />
des Gebäudes auf Patrouille waren.<br />
Der Mann stellt sich schliesslich als Harold<br />
Perre vor, er ist der Erste Ratsverwalter. Er<br />
führt die Charaktere durch lange, verwohnte<br />
und verdreckte Gänge in eine Art Thronsaal,<br />
in dem sich ausser einem Vorhang, der<br />
kreisförmig in der Mitte des Raumes von der<br />
Decke hängt, nichts befindet. Hinter diesem<br />
Vorhang sind durch den Schein der Fackeln<br />
an den Wänden Silhouetten von Menschen,<br />
die an einem runden Tisch sitzen, sichtbar.<br />
Offensichtlich handelt es sich bei den Personen<br />
an diesem Tisch um den Rat.<br />
Perre teilt den Charakteren<br />
mit, dass der Rat<br />
sich nun ein Urteil überlegen<br />
wird, er wird es anschliessend<br />
übermitteln.<br />
Auch ohne bestandene<br />
Wahrnehmungsproben<br />
wird den Charakteren<br />
auffallen, dass der Erste<br />
Ratsverwalter etwas verschweigt<br />
und ausserdem<br />
macht er keinen besonders<br />
stabilen geistigen<br />
Eindruck. Er verdreht des<br />
öfteren die Augen und<br />
scheint Stimmen zu vernehmen,<br />
die ausser ihm<br />
niemand hören kann. Unter<br />
theatralischem Räuspern<br />
wird er jedoch den<br />
Charakteren dann das Urteil<br />
des Rates verkünden:<br />
Auf ihren Frevel kann es<br />
nur den Tod geben.<br />
Mit einer Probe auf Geschicklichkeit/Handwerk<br />
o.ä. kann McArrow versuchen,<br />
einen neuen Impuls<br />
zu geben, um die Roboter,<br />
die sich mit im Saal befinden,<br />
ebenfalls auszuschalten.<br />
Ansonsten müssen<br />
die Charaktere versuchen,<br />
sich mit improvisierten<br />
Waffen wie Knüppeln zu<br />
helfen. Sobald einer der<br />
Charaktere zu dem Vorhang<br />
vordringt und diesen<br />
lüften will, wird Perre<br />
Abenteuer
Eden Metropolis<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
mit letzter Kraft vorspringen und in einem<br />
letzten Schwächeanfall den Vorhang herunterreissen.<br />
Damit wird das Geheimnis des Rates ans<br />
Licht kommen, denn um den Tisch sitzen nur<br />
sieben mumifizierte Leichen. Der sterbende<br />
Perre offenbart den Charakteren, was wirklich<br />
geschehen ist: Er ist das jüngste und<br />
letzte noch lebende Mitglied des ursprünglichen<br />
Rates. Unter seiner Robe trägt er auf<br />
der Brust und an der Hüfte seltsame Gerätschaften,<br />
die ihm, wie er erklärt, ein langes<br />
Leben ermöglichen sollen. Diese Geräte und<br />
die Roboter stammen noch aus der Zeit vor<br />
dem „Feuer“, das Perre auch selbst miterlebt<br />
hat. Damit es nie wieder zu einer solchen Katastrophe<br />
kommt, hat er beschlossen, dass<br />
niemand dahinter kommen darf, dass die<br />
Mitglieder der Rates inzwischen alle nicht<br />
mehr leben und der Status Quo nur von einem<br />
alten kranken Mann erhalten und bewahrt<br />
wird.<br />
Epilog<br />
Mit diesem Wissen lässt Perre die Charaktere<br />
allein, er stirbt schliesslich. McArrow<br />
wird zwar seine Pflanzen bekommen, doch<br />
bei allen wird das Erlebte und Gehörte eine<br />
tiefe Erschütterung hinterlassen. Es bleibt<br />
den Bewohnern von Terseca überlassen, ob<br />
sie ihre Erkenntnis mit in die Dörfer nehmen<br />
und den Leuten erzählen, was sie gesehen<br />
haben, immer unter dem Vorbehalt, dass<br />
man ihnen nicht glauben wird und sie verjagt<br />
oder sogar noch Schlimmeres. Andererseits<br />
können sie sich McArrow anschliessen und<br />
nach New Metropolis gehen, doch sie werden<br />
immer im Hinterkopf das Wissen haben,<br />
dass der Rat von Terseca nicht mehr das ist,<br />
was er so lange Jahre vorzugeben schien.<br />
Die Prinzessin im Rubin<br />
EINE KURZGESCHICHTE<br />
TEXT: Jochen Lohr<br />
Das Stadtpalais der Adelsfamilie de Cadenet<br />
befand sich unweit des nördlichen Seine-<br />
Ufers einige Straßen östlich des Louvre, des<br />
früheren Königspalastes. Es war von etwa<br />
zwei Meter hohen Steinmauern und einem<br />
schönen, gut gepflegten Garten umgeben.<br />
Das Haupttor zur Straße hinaus war üblicherweise<br />
bewacht. Außerdem fuhren hier regelmäßig<br />
Kutschen entlang, insbesondere in<br />
Richtung Versailles oder von dort kommend.<br />
Luc Beauregard wählte deshalb den Weg<br />
durch das benachbarte Grundstück, dessen<br />
Anwohnerschaft gerade nicht anwesend<br />
war. Danach kletterte er über die mannshohe<br />
Mauer aus dunkelgrauem Stein, die an<br />
dieser Stelle vom Tor aus nicht einsehbar<br />
war, da das kleine Stadtschlösschen in der<br />
Mitte des Grundstücks die Sicht versperrte.<br />
Der dunkle, mit glanzlosen schwarzen Knöpfen<br />
versehene Mantel und der breitkrempige<br />
schwarze Hut, den er trug, ließen ihn dabei<br />
mit den Schatten der alten Eiche verschmelzen,<br />
die ihre Krone stolz über diesen Teil des<br />
Gartens ausbreitete.<br />
Am Haus angekommen hielt Luc inne, um<br />
nach einer guten Möglichkeit zu suchen, hinein<br />
zu gelangen, ohne Gefahr zu laufen,<br />
bemerkt zu werden. Die höheren Äste der Eiche,<br />
die etwa auf halbem Wege zwischen der<br />
Außenmauer des Grundstücks und der Hauswand<br />
aus dem Boden empor wuchs, ragten<br />
in etwa sechs Meter Höhe über einen Balkon<br />
hinweg. Dorthin musste er gelangen, so war<br />
sein Plan. Luc sprintete in Richtung der Hauswand,<br />
trippelte zwei Schritte an ihr hinauf<br />
und stieß sich dann ab, um an den untersten<br />
Ast zu hechten, der von dem mächtigen<br />
Baum in diese Richtung wuchs. Ein Klimmzug<br />
und eine kurze Kletterpartie später sprang<br />
er von einem weit ausladenden Ast auf den<br />
Balkon und verblieb dort, ruhig, still, um sich<br />
umzuhören.<br />
***<br />
Zwei Tage zuvor saß Luc, wie üblich beinahe<br />
abgebrannt, in einer Spelunke in der Nähe<br />
des Fischmarkts und war gerade dabei, seine<br />
letzten Sous für billigen Wein zu verprassen,<br />
als ein hoch gewachsener Fremder herein<br />
kam. Er war für diesen Ort viel zu gut gekleidet,<br />
in einer weißen Hose und ebenso weißen<br />
Schnallenschuhen, einem eleganten beigen<br />
Gehrock, unter dem die Spitze eines Degens<br />
hervorragte, sowie einem farblich gut mit<br />
dem Rock abgestimmten und obendrein mit<br />
einer langen grünen Feder verzierten Hut.<br />
Luc saß in einer hinteren Ecke der Kneipe und<br />
sah von dort, dass der Wirt auf die Frage, die<br />
der Fremde ihm stellte, nickte und herüber<br />
deutete. Der Dieb war sich nicht im Klaren<br />
darüber, ob er diesem Herren schon einmal<br />
etwas gestohlen oder ihn beraubt hatte. Ein<br />
ehemaliger Kunde konnte nur Ärger bedeuten.<br />
Doch um sich davon zu machen, war es<br />
zu spät.<br />
Der Mann schritt gemächlich auf die Ecke<br />
der Wirtschaft zu, in der Luc es sich bequem<br />
gemacht hatte. Langsam begann der Dieb,<br />
sich unbequem zu fühlen. Der Mann war so<br />
groß, dass er sich unter den vereinzelt von<br />
der Decke hängenden Öllampen ein wenig<br />
bücken musste, als er den engen Raum mit<br />
der niedrigen Decke durchquerte. Schließlich<br />
stand er auf der anderen Seite des Tisches,<br />
Luc gegenüber.<br />
„Monsieur Beauregard, nehme ich an“.<br />
„Stets zu Diensten, Monseignieur. Das<br />
heißt, stets außer jetzt gerade. Wisst ihr, ich<br />
habe -“. Bevor Luc den Satz beenden konnte,<br />
unterbrach ihn der Fremde. Für Luc war<br />
das nicht das Schlechteste, denn er wusste<br />
sowieso nicht, wie der den Satz hätte beenden<br />
sollen.<br />
„Das ist jetzt nicht von Belang.“ sprach der<br />
Fremde und verpasste seiner Stimme einen<br />
schärferen Tonfall.<br />
„Monsieur Beauregard, ich komme zu ihnen,<br />
weil ihre Fähigkeiten als Dieb und Einbrecher<br />
sich inzwischen ein klein wenig herumgesprochen<br />
haben. Ich darf mich doch<br />
setzen?“.<br />
Der Tonfall des Fremden war bei den letzten<br />
Worten wieder weniger unfreundlich,<br />
aber immer noch bestimmt. Beauregard<br />
deutete auf den Stuhl ihm gegenüber, doch<br />
der Mann wartete nicht, sondern griff, kaum<br />
dass er die Frage ausgesprochen hatte, nach<br />
dem Stuhl und zog ihn zu sich heran.<br />
Luc entspannte sich derweil wieder ein wenig.<br />
Hier schien es sich nicht um eines seiner<br />
früheren Opfer zu handeln, das ihn irgendwie<br />
ausfindig gemacht hatte und nun auf Rache<br />
oder wenigstens auf Wiedergutmachung<br />
Abenteuer<br />
Seite 27
ANDUIN <strong>98</strong><br />
KURZGESCHICHTEN<br />
des Schadens aus war – welch absurde Idee<br />
eigentlich, von ihm Geld zu verlangen. Nein,<br />
hier schien es sich vielmehr um einen potenziellen<br />
Auftraggeber zu handeln, sogar einen,<br />
der selbst gut betucht war und möglicherweise<br />
sogar eine Bezahlung bot, die seinen<br />
Fähigkeiten auch angemessen war.<br />
„Ein Krug Wein, Monseignieur?“ bot Luc<br />
dem Mann an, wohl verschweigend, dass er<br />
den Krug nicht mehr würde zahlen können.<br />
„Ich bin im Dienst, Beauregard. Außerdem<br />
bezweifle ich, dass der Wein hier meinen Ansprüchen<br />
genügt. Aber darum soll es in diesem<br />
Gespräch nicht gehen. Monsieur Beauregard,<br />
es gibt einen Mann, genauer gesagt ist<br />
es mein Herr, der daran interessiert ist, von<br />
ihren Fähigkeiten Gebrauch zu machen.“<br />
„Nun, im Augenblick bin ich recht beschäftigt,<br />
und könnte einen neuen Auftrag nur annehmen,<br />
wenn - „<br />
„Mein Herr zahlt Ihnen zehn Louis d‘or.“<br />
„Das ändert die Sachlage natürlich. Unter<br />
diesen Umständen, solange es sich nicht um<br />
Mord handelt oder darum, dem Dauphin sein<br />
Lieblingsspielzeug zu stehlen, stehe ich ihnen<br />
natürlich zur Verfügung.“ Den Gegenwert<br />
von zehn Goldmünzen bekam Luc in einem<br />
Jahr nicht zusammen.<br />
„Es handelt sich selbstverständlich um<br />
nichts dergleichen. Es ist lediglich so, dass<br />
das Stück, welches sie uns beschaffen sollen,<br />
einen für meinen Herrn recht hohen Wert besitzt.<br />
Sie als kleiner, wenn auch talentierter<br />
Gauner würden das Stück niemals zu einem<br />
angemessenen Preis veräußern können.<br />
Trotzdem hält mein Herr es für angemessen,<br />
ihnen eine Belohnung zu versprechen, die in<br />
etwa der Hälfte des Wertes entspricht, den<br />
das Stück für uns hat.“<br />
„So so. Dann erzählt doch einmal etwas<br />
mehr über den Gegenstand. Und über das<br />
Opfer. Man will ja wissen, mit wem man sich<br />
einlässt.“ Luc hatte Feuer gefangen. Ein Stück<br />
von diesem Wert würde seinen Ruf in ungeahnte<br />
Höhen schnellen lassen – oder Tiefen,<br />
je nachdem, wen man fragte. Dass der Fremde<br />
den Namen seines Herrn nicht preis gab,<br />
kam indes für Luc nicht überraschend. Wenn<br />
die reichen Herrn der Stadt Gesindel wie ihn<br />
anheuerten, um sich gegenseitig um ihr Hab<br />
und Gut zu bringen, so wollten sie für den<br />
Fall, dass der Dieb geschnappt und verhört<br />
wurde, keinesfalls mit Namen genannt werden.<br />
Zwar würde einem Straßenräuber und<br />
Einbrecher, wie Beauregard es war, wahrscheinlich<br />
niemand glauben, aber die hohen<br />
Herren zogen hier doch die sichere Variante<br />
vor.<br />
„Es handelt sich um die Tochter des Duc<br />
de Cadenet, Marianne. In ihrem Besitz befindet<br />
sich ein Rubin, etwa von der Größe eines<br />
Hühnereis. Er sollte kaum zu verwechseln<br />
sein. Wenn sie weitere Dinge stehlen wollen,<br />
ist das ihnen überlassen. Wir nehmen ihnen<br />
aber nur diesen Rubin ab und zahlen dafür<br />
die besagten zehn Louis d‘or.“<br />
„Einen Duc zu bestehlen, ist nicht gerade<br />
einfach. Vermutlich wird sein Haus bewacht.“<br />
Luc mochte keine Adligen. Selbst der niedere<br />
Adel umgab sich mit einem Prunk, der,<br />
schaute man auf die Armut, in der die Menschen<br />
jenseits der Paläste und Lustschlösser<br />
lebten, nur als Spott gegenüber dem Pöbel<br />
aufgefasst werden konnte. In dieser Hinsicht<br />
hatte er nicht die geringsten Skrupel. Allerdings<br />
wollte er abklopfen, ob der Auftraggeber<br />
ihn bereits mit Informationen versorgen<br />
konnte, die ihm helfen konnten, den Auftrag<br />
zu erfüllen. Das konnte er tatsächlich.<br />
„Wie es im Haus aussieht, kann ich Ihnen<br />
nicht sagen. Allerdings wird der Duc mitsamt<br />
seiner Anhängerschaft am Sonntag in Versailles<br />
weilen, da der Sonnenkönig zu einem<br />
Ball lädt. Ein großer Teil seiner Dienerschaft<br />
wird wie üblich mit ihm zum Königsschloss<br />
fahren. Das Haus wird also weitgehend leer<br />
sein.“<br />
„Das klingt machbar.“, erwiderte der Dieb,<br />
„aber ein Plan des Hauses würde die Sache<br />
doch sehr erleichtern. Ich möchte nicht alle<br />
Zimmer des Hauses nach dem Edelstein<br />
durchsuchen müssen.“<br />
Der Fremde zog einen kleinen Zettel aus<br />
der Innentasche seines Gehrocks und faltete<br />
ihn auf. Auf dem Zettel war ein Lageplan zu<br />
erkennen, wenn auch nur dünn gezeichnet.<br />
In einigen Zimmern waren Namen geschrieben.<br />
„Ihr könnt doch hoffentlich lesen, Monsieur<br />
Beauregard?“.<br />
„Selbstverständlich, Monseignieur.“<br />
„Nun, dann sollte dies wohl an Information<br />
genügen. Hier ist ein kleiner Vorschuss auf<br />
eure Bezahlung.“ sagte der Mann und legte<br />
einen kleinen Lederbeutel zwischen den beiden<br />
auf den Tisch. „Ich werde am Montag zur<br />
selben Zeit hier nach euch schauen. Wenn ich<br />
euch an diesem Ort nicht vorfinde, muss ich<br />
davon ausgehen, dass ihr meinen Herrn um<br />
das fragliche Stück betrügen möchtet.“<br />
„Nein, macht euch keine Gedanken. Ich<br />
werde hier sein. Ich habe schließlich einen<br />
Ruf zu verlieren.“<br />
„Nicht den besten, Monsieur Beauregard.<br />
Auf ein gutes Gelingen.“<br />
Mit diesen Worten erhob sich der hochgewachsene<br />
Fremde, tippte noch einmal<br />
zum Abschied mit dem Finger gegen den<br />
Rand seines Hutes, und begab sich, den Kopf<br />
wieder leicht eingezogen, zur Tür, während<br />
Beauregard bereits dabei war, den Wirt um<br />
einen neuen Krug mit Wein zu bitten, dieses<br />
Mal jedoch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit<br />
einen der besseren.<br />
***<br />
Sein Aufsetzen auf dem Balkon klang wie<br />
ein Paukenschlag in seinen Ohren nach, doch<br />
jetzt hörte er nichts weiter als sein Herz.<br />
Einbruch und Diebstahl waren für ihn, der<br />
in ärmlichen Verhältnissen auf den Straßen<br />
von Paris, der größten Stadt Europas, aufgewachsen<br />
war, zur Gewohnheit und zum wichtigsten<br />
Weg geworden, seinen Lebensunterhalt<br />
zu bestreiten. Bisher jedoch hatte er es<br />
noch nie gewagt, das Anwesen eines derart<br />
hoch gestellten Herrn wie des Duc de Cadenet<br />
mit seinem Besuch zu beehren. Er bevorzugte<br />
den niederen Adel, da solchen Leuten<br />
der Einfluss fehlte, die städtischen Beamten<br />
aus ihrem Dauerschlaf zu wecken und dazu<br />
zu bewegen, sich mit der Aufklärung eines<br />
Diebstahls zu beschäftigen.<br />
Die leichte kühle Brise, die durch die sternenklare<br />
Nacht reiste, war hier oben auf dem<br />
Balkon deutlich besser zu spüren, als unten<br />
im von der Mauer umgebenen Garten. Luc<br />
raffte sich nach ein paar Momenten der Ruhe<br />
auf und griff nach dem Diebeswerkzeug, dass<br />
er neben einem schweren Dolch und einer<br />
kurzen Pistole in einer kleinen Ledertasche<br />
am Gürtel hängen hatte. Wenige Augenblicke<br />
später war die Tür zum Flur geöffnet. Die<br />
brokatenen Vorhänge wurden nun vom Wind<br />
zu einem sanften Tanz angeregt. Luc spähte<br />
den Gang entlang nach links und rechts, um<br />
die Lage zu erkunden.<br />
Das obere Stockwerk schien menschenleer.<br />
Als Luc begann, langsam auf dem weichen,<br />
mit orientalischen Mustern verzierten<br />
Teppich in Richtung des Treppenhauses zu<br />
gehen, bemühte er sich trotzdem redlich um<br />
Heimlichkeit. Genau aus diesem Grund bemerkte<br />
er die beiden Männer, die langsamen<br />
Schrittes die Haupttreppe im Foyer herauf<br />
kamen, früh genug, um eine Tür zur linken<br />
Hand zu öffnen und sich in dem dahinter<br />
liegenden Zimmer zu verbergen. Durch kurzes<br />
Umschauen erkannte er, dass es sich um<br />
einen einfach eingerichteten leeren Schlafraum<br />
handelte.<br />
Luc hörte die Stimmen der beiden, die nun<br />
am oberen Ende der Treppe angekommen<br />
waren und den Flur entlang in seine Richtung<br />
gingen.<br />
„Jerome, ich sage dir, du solltest in Zukunft<br />
nicht während des Wachdienstes trinken.<br />
Seite 28<br />
Mai 2009
KURZGESCHICHTEN<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Nur gut, dass de Cadenet nicht im Haus ist.<br />
Du wärst keinen Tag länger mehr in seinen<br />
Diensten.“<br />
„Ahwas, passiert doch eh nischx.“ antwortete<br />
der andere, der offenkundig der Kontrolle<br />
über seine Zunge zumindest teilweise<br />
verlustig gegangen war.<br />
Die beiden hielten direkt vor der Tür, hinter<br />
der Luc sich verbarg. Der Dieb hielt den<br />
Atem an.<br />
„Schlaf dich erstmal aus. Der Duc wird sowieso<br />
nicht vor Montag abend zurück sein.<br />
Bis dahin schaffst du es auch, wieder nüchtern<br />
zu werden.<br />
Die schwere Klinke bewegte sich langsam<br />
nach unten, die Tür wurde geöffnet. Luc sah<br />
im Dunkel nur zwei einander stützende Gestalten,<br />
ohne direkt sagen zu können, wer<br />
nun der Nüchterne und wer der Betrunkene<br />
war. Er musste schnell handeln. Noch bevor<br />
die beiden ihn bemerkten, zog er den Dolch<br />
und hieb dem ersten der beiden den Knauf<br />
mit Wucht gegen das Kinn. Der Mann sackte<br />
stöhnend zusammen. Der andere jedoch,<br />
offensichtlich nüchtern, sprang direkt einen<br />
Schritt zurück und zog darauf seinen Degen.<br />
„Was soll das? Wer ist da?“<br />
Luc wusste, er musste flink sein. Die tödliche<br />
lange Klinge seines Kontrahenten würde<br />
ihm sonst den Gar aus machen. Er nahm den<br />
Mantel von den Schultern und sprang, sich<br />
mit Schwung um die eigene Achse drehend,<br />
dem Wachmann entgegen, dabei den Mantel<br />
über den Degen werfend, um der Klinge ihre<br />
Wirkung zu nehmen. Der Wachmann war<br />
nicht geistesgegenwärtig genug, um das Manöver<br />
vorauszusehen, und wurde überrumpelt.<br />
Auch er fing sich einen heftigen Schlag<br />
mit dem Knauf des Dolches ein, der ihn niederstreckte.<br />
Luc stand darauf im Flur und lauschte gespannt.<br />
Vermutlich war ansonsten niemand<br />
mehr zugegen, denn der Ausruf des Wachsoldaten<br />
wäre ansonsten wahrscheinlich<br />
gehört worden. Er zog die beiden reglosen<br />
Körper in den Raum, in dem er sich vorher<br />
verborgen hatte, und fesselte und knebelte<br />
die beiden. Dann begab er sich wieder auf<br />
den Weg zu seinem eigentlichen Ziel, dem<br />
Zimmer von Marianne de Cadenet, der Tochter<br />
des Herzogs.<br />
Nachdem er den Obergang am von Oberlichtern<br />
schwach beleuchteten Treppenhaus<br />
vorbei dem mit Stuck reichhaltig verzierten<br />
Flur nach links gefolgt war, stand der Einbrecher<br />
vor der Tür, hinter der sich, schenkte<br />
man dem Plan Glauben, den Luc von seinem<br />
Auftraggeber bekommen hatte, das Zimmer<br />
der jungen Dame de Cadenet befinden<br />
Mai 2009<br />
sollte. Luc griff nach dem goldglänzenden<br />
Knauf und drehte ihn vorsichtig. Das Zimmer<br />
war überraschenderweise nicht abgeschlossen.<br />
Er öffnete die Tür, die hierbei ein leises<br />
Knarren von sich gab, und betrat leise das<br />
Schlafgemach der jungen Mademoiselle de<br />
Cadenet.<br />
Das Zimmer war kleiner als erwartet. Neben<br />
dem Himmelbett, dessen seidene Vorhänge<br />
zugezogen waren, gab es hier noch<br />
einen Wandschrank, der nahezu die gesamte<br />
Länge des Raumes ausmachte, sowie einen<br />
eleganten, weiß lackierten Sekretär nebst<br />
des dazu passenden Stuhles. Auf diesem ließ<br />
Luc sich nun nieder, um die Fächer des Sekretärs<br />
zu durchsuchen. Nachdem er dort nichts<br />
fand außer einigen Schreibutensilien, versuchte<br />
er sich an der Tür des Sekretärs, die jedoch<br />
verschlossen war. Luc schaute sich um<br />
und erspähte eine Puderdose auf dem Sekretär.<br />
Er griff nach ihr, öffnete sie und wühlte<br />
ein wenig im Puder herum. Ein verzierter<br />
Messingschlüssel kam zum Vorschein. Wieso<br />
waren die Dinge nur immer so einfach?<br />
Der Schlüssel ließ sich leicht in dem hervorragend<br />
gearbeiteten Schloss drehen. Die Tür,<br />
offensichtlich nicht einwandfrei gearbeitet,<br />
schwang ihm entgegen. In der Ablage befand<br />
sich neben Spielsachen und Büchern auch<br />
eine große, reich mit Blattgold besetzte Kassette,<br />
in deren Schloss ein Schlüssel steckte.<br />
Luc griff nach der Kassette in der Annahme,<br />
es handelte sich um ein Schmuckkästchen.<br />
Überrascht vom enormen Gewicht der Kassette<br />
ließ er sie aus der Hand gleiten, so dass<br />
sie mit lautem Scheppern auf dem Boden<br />
knallte und aufsprang, was dazu führte, dass<br />
eine größere Anzahl an Schmuckstücken und<br />
Juwelen sich auf dem Boden verteilte.<br />
Mademoiselle de Cadenet fuhr in diesem<br />
Moment aus dem Schlaf empor, da dass<br />
Scheppern des Kästchens sie recht heftig geweckt<br />
hatte.<br />
„Wer ist da?“<br />
„Nur ein Einbrecher, Madame, nichts wirklich<br />
Beunruhigendes.“<br />
Ein spitzer, nicht zu lauter Schrei entfuhr<br />
der jungen Adligen.<br />
„Nicht so laut, man hört euch noch.“ Luc<br />
riss die Vorhänge des Himmelbettes beiseite<br />
und presste schnell die Hand auf den Mund<br />
des Mädchens. Sie war wohl knappe zwanzig<br />
Jahre alt und recht ansehnlich. Nein, sie war<br />
hübsch. Zumeist sah er Damen von Adel nur<br />
in bunten weiten Kleidern, aufgesteckten Frisuren<br />
und unter Mengen von Schminke, die<br />
sie bis zur Unkenntlichkeit maskierten. Diese<br />
Dame jedoch trug lediglich ihr Schlafgewand<br />
ohne jedweden Zierrat, was auch nicht verwundern<br />
mag, wenn man sich ins Gedächtnis<br />
ruft, wo sie sich befand. Ihr Haar fiel glatt<br />
über die Schultern, wie er es mochte, ohne<br />
all den modischen Firlefanz.<br />
Außerdem befand sich auf einer kleinen<br />
Ablage über dem Kopfende ein großer roter<br />
Edelstein. Der Dieb legte seinen Finger über<br />
den Mund und deutete dem Mädchen, zu<br />
schweigen.<br />
„Wieso seid ihr nicht auf dem Ball? Ich hätte<br />
gehofft, euch Ungemach zu ersparen, indem<br />
ich euch nicht antreffe.“ Langsam zog<br />
Luc die Hand zurück. Sie schaute ihn entgeistert<br />
an.<br />
„Sprecht, so lange ihr leise seid. Dann<br />
müsst ihr auch keine Angst haben. Nun?“ Luc<br />
hatte jetzt das Gefühl, die Situation im Griff<br />
zu haben. Das Mädchen schwieg.<br />
„Habt ihr doch Angst?“, fragte er. Sie nickte.<br />
„Ihr habt mich aber auch sehr erschreckt,<br />
Mademoiselle. Gestatten, Beauregard.“ Der<br />
Dieb stand auf und verbeugte sich. Das Mädchen<br />
schaute nur ungläubig.<br />
„Marianne de Cadenet.“<br />
Der Dieb zauberte ein galantes Lächeln in<br />
sein Gesicht, ein Lächeln, das nicht nur vom<br />
von einem honigblonden, gepflegten Bart<br />
umrandeten Mund ausging, sondern auch<br />
die azurblauen Augen, die selbst in der Dunkelheit<br />
noch zu strahlen schienen, mit einschloss.<br />
„So, da wir nun einander bekannt sind,<br />
können wir die Situation auch etwas entspannter<br />
angehen. Ich bin allerdings immer<br />
noch neugierig. Wieso seid ihr nicht auf dem<br />
Ball?“<br />
„Ich mache mir nichts aus Bällen. Das ist<br />
mir alles zu förmlich und langweilig. Also<br />
habe ich so getan, als sei ich krank.“<br />
„Nun, der Langeweile sind wir ja Herr geworden.“<br />
sagte Luc und schmunzelte dabei.<br />
Auch über Mariannes Gesicht zog nun ein<br />
Lächeln.<br />
„Nun, Marianne, ich kann nicht umhin, festzustellen,<br />
dass der eigentliche Grund meines<br />
Besuchs eher, sagen wir, geschäftlicher Natur<br />
ist. Um genau zu sein, ich kam speziell<br />
wegen dieses unscheinbaren Edelsteins, welcher<br />
sich dort auf der Ablage befindet.“<br />
„Nein, nicht diesen! Alle anderen, nur nicht<br />
diesen!“ Das eben noch ruhige, fast fröhliche<br />
Gesicht Mariannes wirkte auf einmal<br />
erschreckt, in ihrer Stimme schwang eine Mischung<br />
aus Panik und Empörung mit.<br />
„Eigentlich war der Plan genau anders herum.<br />
Ich wollte diesen und keinen anderen.<br />
Seite 29
ANDUIN <strong>98</strong><br />
KURZGESCHICHTEN<br />
Aber wenn ich mir‘s recht überlege, könnte<br />
ich die besten Teile dieser zwei Pläne...:“<br />
„Nein, Monsieur, ich beschwöre Euch!<br />
Nicht den Rubin!“<br />
„Mir scheint, die anderen Sachen, also die<br />
aus der Kassette, sind doch auch recht schön.<br />
Was liegt euch so viel an dem Stein?“<br />
„Die anderen Schmuckstücke sind mir egal.<br />
Ich trage sie, wenn ich es muss, sonst nicht.<br />
Aber wenn ich euch erzähle, was es mit dem<br />
Stein auf sich hat, lacht ihr mich nur aus. Bitte<br />
glaubt mir einfach, dass er zu wichtig für<br />
mich ist!“<br />
„Wenn ihr‘s mir nicht erzählt, habe ich allerdings<br />
keinen Grund, das gute Stück hier<br />
zu lassen. Es bringt mir eine Menge Geld ein.<br />
Geld ist zwar für mich beileibe nicht alles,<br />
aber ich möchte doch wissen, weshalb ich<br />
mir die Belohnung entgehen lasse.“<br />
Diese Logik beeindruckte das Mädchen.<br />
„Also gut.“ Marianne zögerte einen Moment,<br />
ehe sie weiter sprach. „Das hier habe<br />
ich sonst noch niemandem erzählt.“<br />
Sie holte noch einmal tief Luft, bevor sie ihr<br />
Geheimnis preis gab. „Eine Wahrsagerin hat<br />
mir verkündet, dass es einen zweiten solchen<br />
Stein gibt und dass der Träger dieses Steins<br />
mein Traummann sein soll.“<br />
Stille füllte den Raum, eine Stille von dieser<br />
unbehaglichen Sorte.<br />
„Und das glaubt ihr?“ Dem Dieb war ob der<br />
Naivität des Mädchens nicht nach Lachen zumute.<br />
„Ich wusste, dass ihr mich nicht ernst<br />
nehmt!“ Marianne griff nach dem Stein.<br />
„Aber ihr könnt es selbst sehen. Haltet den<br />
Stein gegen das Licht, dann seht ihr eine Gestalt<br />
im Rubin, eine tanzende Prinzessin.“<br />
Luc griff nach dem Stein. Im Dunkel des<br />
Schlafgemachs war natürlich nichts zu erkennen,<br />
doch die junge Adlige war bereits<br />
dabei, eine Kerze anzuzünden. Kaum dass<br />
sie entflammt war, hielt Luc den Stein gegen<br />
das Licht. Tatsächlich konnte man in dem funkelnden<br />
Stein eine Verunreinigung erkennen,<br />
die Ähnlichkeit mit der Form einer tanzenden<br />
Frau in einem weit ausladenden Ballkleid hatte.<br />
Außerdem konnte Luc nun, da die Kerze<br />
den Raum ein wenig erhellte, nicht umhin,<br />
festzustellen, dass Marianne de Cadenet in<br />
ihrem hauchdünnen Nachtgewand eine vorzügliche<br />
Figur abgab. Sie war wirklich bezaubernd.<br />
Und sie schien nicht den beim Hochadel<br />
üblichen Hang zur Dekadenz zu haben,<br />
schenkte man ihren Worten Glauben.<br />
„Eine rührende Geschichte. Wisst ihr noch<br />
zufällig, wo ihr die Wahrsagerin getroffen<br />
habt? Eine Frau, die solche Edelsteine verschenkt,<br />
würde ich nur zu gerne kennen lernen.“<br />
„Es war in einem Zirkus in Orléans. Ich bin<br />
meiner Gouvernante entwischt und habe mir<br />
die Stadt auf eigene Faust angeschaut. Naja,<br />
da war dieser Zirkus, die magische Manege<br />
des Maurice Maillot. Ich bin hingegangen,<br />
und nach der Vorstellung hat mich diese<br />
Dame angesprochen. Sie war etwas unheimlich,<br />
in schwarz gekleidet mit einem Schleier<br />
vorm Gesicht, und sie hatte einen komischen<br />
Akzent. Ich glaube, sie war Ausländerin. Sie<br />
erzählte mir diese Geschichte von den Rubinen,<br />
die zwei vom Schicksal Auserwählte zusammen<br />
bringen sollten.“<br />
„Ich glaube, ich muss nach Orléans. Vielleicht<br />
bekomme ich auch einen.“<br />
„Ihr macht euch immer noch über mich<br />
lustig.“<br />
„Ich gebe zu, dass ich Euch die Geschichte<br />
nicht glaube. Aber es war ein guter Versuch.<br />
Nun, während ich gehe, bitte ich Euch, keinen<br />
Lärm zu schlagen. Anderenfalls sähe ich mich<br />
gezwungen, härtere Maßnahmen zu ergreifen.<br />
Ich bin so freundlich, euch die anderen<br />
Schmuckstücke zu lassen. Den Rubin nehme<br />
ich allerdings an mich.“<br />
„Nein, bitte, Monsieur! Ich flehe euch an!“<br />
Marianne warf ihre Arme um den Mann und<br />
klammerte sich an ihn. „Alles, was ihr wollt!<br />
Nur nicht den Stein!“<br />
Luc zögerte. Was, wenn die Geschichte<br />
doch stimmte? Das Mädchen schien sie tatsächlich<br />
zu glauben. Außerdem fühlte sie sich<br />
sehr angenehm an in seinen Armen. Sie fing<br />
zudem noch an, ihn zu küssen. Sie schien alle<br />
Mittel nutzen zu wollen, die ihr gegeben waren.<br />
Nein, er konnte ihr das nicht antun. Er hatte<br />
einfach ein weiches Herz. Sie war besonders,<br />
das spürte er. Er würde ihre Hingabe<br />
belohnen.<br />
***<br />
In südwestlicher Richtung führte eine breite<br />
ungepflasterte Straße aus Paris heraus.<br />
Folgte man ihr, so gelangte man nach Orléans.<br />
Luc war nun einige Kilometer entlang<br />
dieser Straße gelaufen, durch weite Ackerlandschaften,<br />
die von Höfen und Weilern<br />
durchsetzt waren. Jetzt stand er auf einer<br />
kleinen Anhöhe und blickte zurück auf die<br />
Stadt, die bis dato sein Leben gewesen war.<br />
Paris war ein Moloch voller Menschen, mehrere<br />
hunderttausend an der Zahl. Die meisten<br />
waren bettelarm, während der Adel in eigenen<br />
Vierteln unter sich blieb und pausenlos<br />
Feste feierte, in denen man sich an Vergnügen<br />
und Verschwendung zu übertreffen<br />
suchte. Der Gestank innerhalb des größten<br />
Teils der Stadt, der vom offenen Kanalisationssystem<br />
in den Vierteln der armen Leute<br />
ausging, war für einen Menschen vom Land<br />
geradezu unerträglich, die vielen engen kleinen<br />
Gässchen gefährlich, spätestens nachdem<br />
die Sonne untergegangen war. Für Luc<br />
jedoch waren diese Gässchen Heimat, die er<br />
zurückließ. Aber er wusste, es musste sein. Er<br />
hatte keine Wahl.<br />
Luc fasste in die Innentasche seines Mantels,<br />
wie um sich zu vergewissern, ob das,<br />
was er dort verborgen hatte, noch an seinem<br />
Platz war. Er holte einen etwa taubeneigroßen<br />
roten Edelstein hervor, den Stein, den<br />
er seinem unbekannten Auftraggeber hätte<br />
aushändigen sollen. Das würde niemals geschehen,<br />
dafür würde er sorgen, genauso wie<br />
dafür, dass auch kein anderer der unzähligen<br />
Diebe, Gauner und Halunken, die sich in den<br />
ärmeren Gegenden der Stadt herumtrieben<br />
und die alle ihren Preis hatten, jemals Hand<br />
an den Stein, den Traum dieses bezaubernden<br />
Mädchens, legen konnte. Er befürchtete<br />
nur, sie würde es nicht verstehen, nicht<br />
erkennen, dass er den Stein nicht gestohlen<br />
hatte, sondern ihn nur für sie aufbewahrte,<br />
ihn beschützte und damit auch sie.<br />
In der Nacht, nachdem sie eingeschlafen<br />
war, hatte er ihr einen Brief geschrieben,<br />
in dem er ihr genau diese Dinge erklärte. Er<br />
schrieb ihr von dem Schwur, den er geleistet<br />
hatte auf die kleine Taschenbibel, die er auf<br />
ihrer Schreibfläche gefunden hatte, den Eid,<br />
sich auf die Suche zu begeben nach dem Gegenstück,<br />
und sollte es existieren, ihr zu bringen.<br />
Dies war für ihn, der es mit dem Glauben<br />
nicht so eng sah und Kirchen eigentlich nur<br />
aus beruflichen Gründen betrat, etwas sehr<br />
Besonderes, doch wusste er nicht, ob sie das<br />
begreifen würde. Nun war er auf dem Weg<br />
nach Orléans, der einzigen Spur, die er hatte.<br />
In Paris konnte er, nachdem er einen offensichtlich<br />
einflussreichen und betuchten Kunden<br />
geprellt hatte, sowieso nicht bleiben. Da<br />
bot es sich an, nach dem Zirkus zu suchen,<br />
mit dem diese spendable Wahrsagerin angeblich<br />
durch die Lande zog.<br />
Luc gab sich einen Ruck und wendete seinen<br />
Blick weg von der Stadt auf die Straße,<br />
die sich, staubig und ausgetrocknet von der<br />
sonnigen Hitze der letzten Tage, auf der anderen<br />
Seite der Anhöhe in ein flaches Tal hinab<br />
und der Welt entgegen schlängelte. Er<br />
atmete die Landluft, die der Wind ihm von<br />
Südwesten entgegen trug. Sie schmeckte<br />
nach Abenteuer.<br />
Seite 30<br />
Mai 2009
LIVEROLLENSPIELECKE<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Endzeitlarp<br />
Liverollenspiel in der Welt von Degenesis<br />
Text: Catha und Hannes<br />
Fotos: Catha<br />
Kalt weht der Wind über die entstellte<br />
Landschaft Borcas, was sich vor hunderten<br />
von Jahren einmal Deutschland nannte,<br />
ist schon lange nicht mehr. Die Natur hat<br />
sich gegen die Spezies Mensch gewendet.<br />
Zweckgemeinschaften halten den Einzelnen<br />
am Leben und geben ihm die Hoffnung, vielleicht<br />
eines Tages ohne die Frage „Und was<br />
nun?“ aufzuwachen. Bis dahin bestimmen<br />
Konsequenzen sein Leben, verändern ihn<br />
und vielleicht ja auch die Welt in der er existiert<br />
– Degenesis.<br />
Die in ganz Deutschland verstreute Szene<br />
ist noch nicht lange, erst seit ca. 3 Jahren,<br />
aktiv; doch sie etabliert sich mehr und mehr.<br />
Regelmäßig finden entsprechende Larps<br />
statt, die sich mehr oder manchmal weniger<br />
am Grundregelwerk orientieren. Das gilt für<br />
Story und Handlungen ebenso wie für die Bekleidung:<br />
Da gibt es den Spitalier, der bei jeder Witterung<br />
im schwarz-weißen Neoprenanzug<br />
herumläuft und dessen Molluske bei Versporungen<br />
selbstverständlich auch vibriert;<br />
der Schrotter, welcher den größten Technikmüll<br />
reparieren oder einem neuen Zweck zuführen<br />
kann und Kilos an Metall mit sich herumträgt;<br />
die Elster, die leicht bekleidet den<br />
Augenaufschlag übt und Massagen anbietet.<br />
Die Wiedertäufer sind schlagkräftige, teils<br />
leicht reizbare Charakter und die Hellvetiker<br />
sprechen – wie könnte es anders sein – im<br />
Schweizer Dialekt und kommen generell in<br />
Uniform daher.<br />
Degenesis-Endzeitlarp wird mit sehr viel<br />
Liebe zum Detail umgesetzt. Anfänger mit<br />
entsprechendem Interesse werden gern<br />
aufgenommen. In den Foren und persönlich<br />
greifen die erfahrenen Spieler den Anfängern<br />
gern unter die Arme – so manche Bekleidungsbastelfrage<br />
wird schon mal ausführlich<br />
am Telefon besprochen; ggf. trifft man sich<br />
zum gemeinsamen Basteln. Die Community<br />
ist nicht groß, aber stetig wachsend.<br />
Die Hauptproblematik ist, wie so oft, die<br />
Ortsfindung: Alt, aber nicht total zerfallen;<br />
keine Mittelalterromantik. Ein Bunker ist der<br />
Traum eines jeden Degenesis-Endzeitlarpers.<br />
Auch abgelegene Holzhütten und alte Burganlagen<br />
werden vereinnahmt und geendzeitet<br />
– notfalls residiert der Spitalier vor der<br />
Apokaschemme und die Schrotter nächtigen<br />
in Hängematten in den Bäumen.<br />
Endzeit, Baby!<br />
Gespielt wird meist nach DKWDDK und Opferregel.<br />
Das bedeutet: DKWDDK (Du kannst,<br />
was Du darstellen kannst) lässt dem Spieler<br />
bei der Erschaffung und dem Ausspielen des<br />
Charakters vollkommen freie Hand, ohne<br />
ihn durch ein Punktesystem zu begrenzen.<br />
Einzig die Fähigkeiten des Spielers bzw. die,<br />
Mai 2009<br />
Seite 31
ANDUIN <strong>98</strong><br />
LIVEROLLENSPIELECKE<br />
welche er glaubhaft darstellen kann,<br />
schränken seine Möglichkeiten ein. Der<br />
Schwerpunkt bei dieser Spielweise liegt<br />
somit eher auf der Entwicklung des<br />
Charakters der verkörperten Person<br />
und weniger auf dem Erringen von Erfahrungspunkten.<br />
In der Praxis bedeutet<br />
dies: Kann ein Charakter ein Schloss<br />
knacken, sollte der Spieler es entweder<br />
auch können oder sich darauf verstehen,<br />
den Vorgang zumindest darzustellen.<br />
Opferregel: Eine auf Fairness<br />
basierende punktfreie Art, gewalttätige<br />
Auseinandersetzungen im Larp zu<br />
klären. Der Angegriffene entscheidet,<br />
ob und wie schwer der Angriff ihn verletzt<br />
hat und spielt dem entsprechend<br />
die Situation aus.<br />
Neugierig geworden? Dann hier einige<br />
Links zu Foren und Bildern:<br />
Foren:<br />
www.reign-of-fantasy.de/eshaton<br />
www.conondemand.de<br />
www.fraktal-endzeit.de<br />
Fotos:<br />
www.childsmind.de (zu den Personenfotos<br />
durchklicken, Fotos von mehreren<br />
Larp´s)<br />
<strong>Anduin</strong> 99<br />
Im August erscheint unsere nächste Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Steampunk / Steamfantasy“.<br />
Dazu wird es voraussichtlich Material zu Opus Anima und Elyrion geben und noch vieles andere<br />
mehr. Wenn ihr etwas dazu beitragen möchtet, sei es ein Abenteuer oder Artikel zum Schwerpunkt, Rezensionen<br />
oder allgemein Berichte über Rollenspiel, dann schaut einfach in unser Forum im Tanelorn!<br />
Seite 32<br />
Mai 2009
INSTANT ABENTEUER<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Welt ohne Internet<br />
ein endzeitliches Szenario<br />
Text: Friederike Schmutzler<br />
Foto: Paul Moody / Flickr. com<br />
Vorbemerkung<br />
Das Internet ist aus unserem heutigen Leben<br />
nicht mehr wegzudenken. Ob es im privaten<br />
Bereich genutzt wird, um Emails nach<br />
Amerika zu senden, mit dem Kommilitonen<br />
in Australien zu chatten oder kostengünstig<br />
über Voice-over-IP zu telefonieren, zum Einkaufen<br />
bei ebay und Konsorten; oder in der<br />
freien Wirtschaft für Geschäfte in aller Welt,<br />
jederzeit und mit jedem, oder im Dienstleistungssektor<br />
mit elektronischer Steuererklärung<br />
oder Formulardownload bei Behörden:<br />
kaum etwas geht heute noch analog oder<br />
offline.<br />
Laut einer aktuellen Studie sind wir jedoch<br />
gar nicht mehr so weit davon entfernt, dass<br />
das Internet nicht mehr lange in der Form<br />
existieren könnte, in der wir es kennen.<br />
Amerikanische Experten warnen länger vor<br />
einem möglichen Zusammenbruch des Netze:<br />
„Danach könnte bereits im Jahr 2010 die<br />
schnelle Datenübertragung via Breitband im<br />
Internet einem Datenverkehrsinfarkt erliegen“<br />
(Quelle: http://www.tagesspiegel.de/<br />
medien-news/digital/Internet-Datenautobahn-Breitband;art303,2424894).<br />
Laut dieser<br />
zwar auch nicht ganz unumstrittenen Studie<br />
müsste viel mehr Geld in die Netz-Infrastruktur<br />
investiert werden, damit es eben nicht zu<br />
dem prognostizierten Kollaps kommt.<br />
Mai 2009<br />
Das Netz<br />
verschwindet –<br />
ein Szenario<br />
Doch wie würde eine Welt aussehen, in der<br />
es eben keine Möglichkeit mehr gibt, noch<br />
eben schnell eine Email zu verschicken, sich<br />
nicht sofort über die neuesten Börsenkurse<br />
und die aktuellsten Nachrichten zu informieren?<br />
Sicher hat der ein oder andere schon<br />
einmal ein paar Wochen oder sogar Monate<br />
ohne Internet verbracht, doch in solchen Situationen<br />
bleibt doch stets der Gedanke im<br />
Hinterkopf, dass es anderswo immer noch<br />
die Möglichkeit gibt, um online zu gehen.<br />
Doch was, wenn diese Alternative ebenso<br />
wegfällt? Wie gehen die Menschen damit<br />
um, wenn sie von heute auf morgen auf das<br />
Technik-Level des Prä-Internet-Zeitalters zurückgeworfen<br />
werden?<br />
Im privaten Bereich wird die Kommunikation<br />
erstmal nur noch über Briefe funktionieren,<br />
da auch das Telefonnetz, ob nun<br />
Handy oder Festnetz, ebenfalls vom Internet<br />
abhängig ist. Sobald es wieder analoge Vermittlungsstellen<br />
gibt, könnte es auch wieder<br />
Telefon geben, doch dies dauert seine Zeit.<br />
Neben der Kommunikation sind auch noch<br />
andere Bereiche des täglichen Lebens eingeschränkt:<br />
Waren können nur noch zu den<br />
Ladenöffnungszeiten eingekauft werden,<br />
Bestellungen aus Übersee sind nicht mehr<br />
möglich oder dauern im Zweifelsfall viel<br />
länger als zuvor. Gebrauchtwaren werden<br />
wieder auf dem Flohmarkt oder im Second-<br />
Hand-Shop gehandelt, wenn ebay für solche<br />
Transaktionen ausfällt. Überweisungen und<br />
andere Bankgeschäfte müssen wieder in der<br />
Bank selbst erledigt werden, da die Terminals<br />
in den Filialen und Online-Banking hinfällig<br />
sind. Das Tagesgeschehen erfährt man nur<br />
noch aus Tageszeitungen, dem Fernsehen<br />
und dem Radio, die Nachrichten müssen jedoch<br />
wieder altmodisch mittels Telegrafen<br />
übermittelt werden, und sind im Zweifelsfall<br />
nicht mehr so aktuell wie sie es heute sind,<br />
wo sofort auf jede Neuigkeit und Information<br />
reagiert werden kann. Dennoch werden die<br />
Printmedien einen ungeahnten Aufschwung<br />
erfahren, da sie die Konkurrenz aus dem<br />
Netz nicht mehr zu fürchten brauchen.<br />
Schlimmer wird es die Wirtschaft treffen.<br />
Ganze Branchen werden verschwinden oder<br />
sich neu orientieren müssen, denn in netzlosen<br />
Zeiten braucht niemand ein Online-Auktionshaus<br />
oder eine Suchmaschine. Lexikon-<br />
Verlage und öffentliche Bibliotheken werden<br />
sich wieder wachsender Beliebtheit erfreuen,<br />
da die Leute ihre Informationen nicht ad<br />
hoc im Internet abrufen können oder auch<br />
einfach eine Freizeitbeschäftigung suchen.<br />
Computerspiele sind nur noch offline möglich,<br />
Patches müssen kompliziert im Laden<br />
nachgekauft werden oder werden gar nicht<br />
mehr hergestellt.<br />
Die Finanzindustrie wird Probleme bekommen,<br />
da zum Einen die Börsenkurse von<br />
Internet-Unternehmen in den Keller gehen<br />
dürften, zum Anderen aber auch, weil sie<br />
aufgrund mangelnder Kommunikationswege<br />
nicht mehr schnell genug reagieren kann.<br />
Weltweite Geschäfte dürften so kaum noch<br />
möglich sein, es wird wieder viel mehr regionale<br />
und lokale Wirtschaftsbestrebungen<br />
geben wie noch im 19. Jahrhundert.<br />
Da die Menschen den Verlust des Internets<br />
und die daraus resultierenden Probleme<br />
nicht einfach hinnehmen werden, wird es<br />
auch zu politischen Unruhen kommen. Die<br />
Regierungen werden im Falle des Falles hart<br />
durchgreifen müssen, bürgerkriegsähnliche<br />
Zustände könnten die Folge sein. Länder, die<br />
heute noch nicht über eine gut ausgebaute<br />
Netzinfrastruktur verfügen, werden damit<br />
natürlich wesentlich weniger Probleme haben<br />
als Staaten, in denen heutzutage jeder<br />
bereits über einen privaten und fast immer<br />
auch einen beruflich genutzten Internetzugang<br />
verfügt.<br />
Nach und nach werden die Menschen sich<br />
jedoch auch an die veränderte Situation gewöhnen,<br />
spätestens wenn klar ist, dass das<br />
Internet auf der ganzen Welt nicht mehr<br />
zu retten ist, wird man nach Alternativen<br />
suchen. Man wird neue Netze mit verschiedenen<br />
Technologien aufbauen wie Funk<br />
o.Ä., die aber immer nur auf ein bestimmtes<br />
Gebiet begrenzt sind und scharf bewacht<br />
werden vom Militär oder privaten Sicherheitsdiensten,<br />
je nachdem wem das Rechenzentrum<br />
gehört. Wissenschaftler, die sich<br />
mit der Frage nach dem „Warum“ und dem<br />
„Wie geht es weiter“ beschäftigen, werden<br />
Unmengen an Forschungsgeldern erhalten,<br />
damit es wieder ein stabiles weltweites Netz<br />
gibt. Glücksritter, Unternehmer und auch<br />
zwielichtige Gestalten werden versuchen,<br />
Profit aus der neuen Situation zu schlagen,<br />
sei es zum Wohle anderer oder um in die eigene<br />
Tasche zu wirtschaften.<br />
Und was tust Du?<br />
Abenteuerideen<br />
Der W-Lan-Piratensender<br />
Die Spieler sind Tüftler und Bastler und<br />
gehören zu einer der Gruppen, die ein eigenes<br />
Funknetz aufgebaut haben, eine Art<br />
Seite 33
ANDUIN <strong>98</strong><br />
INSTANT ABENTEUER<br />
Piratensender, wie der Titel schon sagt. Ihr<br />
Netz steht jedem offen, der es nutzen will,<br />
das ganze zum Selbstkostenpreis, denn die<br />
Gruppe will ein Zeichen setzen gegen die<br />
neuen Provider, die nur auf Profit aus sind<br />
und die Inhalte, die in ihren Netzen kursieren.<br />
Aber nicht nur diese Leute machen ihnen das<br />
Leben schwer, auch jene, die den Zusammenbruch<br />
des Internets begrüßen und den<br />
jetzigen Status Quo mit allen Mitteln aufrecht<br />
erhalten wollen, zum Beispiel radikale<br />
religiöse und politische Gruppierungen jeder<br />
Couleur, bedrohen das neue Netz.<br />
Ersatzteile gesucht<br />
Die Charaktere sind auf der Suche nach<br />
Hardware wie Netzwerkkarten oder W-Lan-<br />
Donglen, denn in der Zukunft sind diese<br />
Dinge knapp geworden - warum sollte man<br />
schliesslich etwas herstellen, das niemand<br />
mehr benötigt? Also sind die Charaktere entweder<br />
als Mitarbeiter eines neuen Providers<br />
oder als „Freiberufler“ unterwegs, um die Ersatzteile<br />
zu besorgen – die inzwischen teurer<br />
sind als Gold und Diamanten, was nicht nur<br />
ehrliche Händler auf den Plan ruft.<br />
Matrix 2.0<br />
Die Charaktere finden auf ihrer Suche nach<br />
Möglichkeiten, das Internet wieder in Gang<br />
zu bringen, ein seltsames junges Mädchen,<br />
das scheinbar über Telepathie mit ihnen<br />
kommunizieren kann. Es stellt sich heraus,<br />
dass dieses Mädchen auch für das Internet<br />
Seite Seite 34 34<br />
einsetzbar wäre –<br />
aber können die<br />
Charaktere das mit<br />
ihrem Gewissen vereinbaren,<br />
oder sind<br />
sie nur scharf auf das<br />
Geld und den Ruhm,<br />
den ihnen diese Entdeckung<br />
einbringen<br />
würde?<br />
Virus im<br />
Netz<br />
Eine Horrorvariante<br />
von „Matrix 2.0“:<br />
Wir schreiben das<br />
Jahr 2187, das Netz<br />
war wesentlich höher<br />
entwickelt, als es<br />
heute ist, dennoch ist<br />
es zusammengebrochen.<br />
Eine weltweite<br />
Spezialistengruppe,<br />
deren Aufgabe es ist,<br />
sich um die Sicherheit<br />
des Netzes zu<br />
kümmern, hat eine<br />
Ahnung, was der Grund für diesen Ausfall<br />
sein könnte: Um den immer höher werdenden<br />
Anforderungen des Netzes gerecht zu<br />
werden, werden inzwischen Menschen als<br />
Ressource eingesetzt. Einer dieser Menschen<br />
ist erkrankt, er hat über seine Verbindungen<br />
die anderen Menschen im Netz angesteckt.<br />
Die Öffentlichkeit soll jedoch unter keinen<br />
Umständen jemals davon erfahren, daher<br />
hat die Gruppe die Charaktere angeheuert:<br />
Menschen, die nichts mehr zu verlieren<br />
haben, aber in Gebieten wie Schießen mit<br />
schweren Waffen oder Schlösser knacken<br />
einsame Spitze sind.<br />
Join the Pony Express!<br />
Da sich die Menschen ohne Internet<br />
wieder auf alternative und vielleicht auch<br />
altertümliche Kommunikationswege wie<br />
Telegrafen verlassen müssen, wird der Pony-<br />
Express (Für nähere Informationen: http://<br />
de.wikipedia.org/wiki/Pony_Express) wieder<br />
ins Leben gerufen. Die Charaktere sind junge<br />
Männer und Frauen, die aus den verschiedensten<br />
Gründen anheuern, sei es, weil sie<br />
einfach ein Abenteuer erleben wollen oder<br />
auch aus persönlichen Motiven (Die Liebste<br />
hat einen Anderen, sie müssen ihrem Vater/<br />
Bruder etwas beweisen, etc.). Natürlich sind<br />
die Bedingungen wie 1860, es gibt immer<br />
noch keine Waffen für die Reiter, doch die<br />
Route führt oft durch die abgelegensten und<br />
gefährlichsten Gebiete.<br />
Chaotische Welt<br />
Das Netz ist eben erst zusammengebrochen,<br />
noch weiss niemand, wie lange der<br />
Kollaps anhält und ob er tatsächlich globale<br />
Ausmaße angenommen hat. Während die<br />
Regierungen versuchen, die Lage unter Kontrolle<br />
zu halten, bricht auch noch das Stromnetz<br />
und die Wasserversorgung zusammen.<br />
Die Charaktere sind junge Leute auf einem<br />
Outdoor-Ausflug in die Berge, allesamt sind<br />
gut verdienend und können sich daher eine<br />
Art Luxus-Survival leisten mit teuren Schlafsäcken,<br />
neuem Gaskocher, vielen Vorräten<br />
und einer angenehm großen und teuer eingerichteten<br />
Berghütte. Aus dem Radio erfahren<br />
sie verzerrt davon, was passiert ist,<br />
doch kurze Zeit später werden sie selbst ins<br />
Geschehen gezogen: Plünderer belagern die<br />
Hütte, private Sicherheitsleute und die Polizei<br />
erscheinen, um die Ordnung wieder herzustellen,<br />
und Flüchtlinge versuchen, Einlass<br />
zu erhalten.<br />
Ausser Kontrolle<br />
Bei einer Militärübung sind mehrere Drohnen/Roboter,<br />
die über das Internet gesteuert<br />
werden, ausser Kontrolle geraten und bedrohen<br />
nun die Bevölkerung eines nahe gelegenen<br />
Dorfes. Die Charaktere müssen die<br />
Hightech-Geräte überlisten und einsammeln,<br />
bevor es zur Katastrophe kommt.<br />
Vielen Dank an die Teilnehmer des „Brainstormings“<br />
im Tanelorn-Forum!<br />
Abenteuer Mai 2009
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Das Dorf Schnutenbach<br />
EinE Dorfbeschreibung für Warhammer Fantasy<br />
TEXT: Karl - Heinz Zapf<br />
ILLUSTRATION: ISABel Kutsch<br />
Willkommen in<br />
Schnutenbach!<br />
Auf den folgenden Seiten findet sich die<br />
Beschreibungeiner relativ kleinen, aber<br />
nichtsdestotrotz für jeden WFRP-Spieler und<br />
vor allem Spielleiter sehr interessanten Ansiedlung.<br />
In den Gebäuden Schnutenbachs<br />
halten sich solche bemerkenswerten Persönlichkeiten<br />
auf wie z. B. ein Nurgle-Priester,<br />
ein tyrannischer Pferdezüchter, ein böser Dämonenbeschwörer,<br />
eine ganze Familie von<br />
freundlichen Mutanten und, und, und... Kurz,<br />
der richtige Platz für einige Abenteurer, um<br />
ein wenig Ruhe und Erholung zu finden!<br />
Aber natürlich treffen die Spieler hier auch<br />
normale Personen wie den Müller, einen<br />
Köhler, Holzfäller, Jäger und Fallensteller,<br />
Fischer, Bauern und eben alle Menschen<br />
an, die eine solche Ansiedlung erst zu dem<br />
machen, was sie ist; sogar ein paar Zwerge<br />
schauen ab und zu vorbei...<br />
Schnutenbach bietet einen hervorragenden<br />
Hintergrund für alle Arten von Erlebnissen.<br />
Es bleibt jedem Spielleiter wie üblich<br />
selbst überlassen, ob er die Gegebenheiten<br />
in Schnutenbach so belässt wie vorgegeben,<br />
einige abschwächt oder sogar noch weitere<br />
interessante Neuerungen einführt.<br />
Unser Anliegen war es lediglich, einen Ort<br />
als Ausgangspunkt für die unterschiedlichsten<br />
Abenteuer zu erschaffen!<br />
Wo liegt<br />
Schnutenbach?<br />
Die Ortschaft Schnutenbach liegt quasi<br />
direkt auf der Grenzlinie zwischen dem Empire<br />
und Kislev, gehört faktisch aber zu noch<br />
zu Ostermark. Die World’s Edge Mountains<br />
liegen in unmittelbarer Nachbarschaft und<br />
die beiden ehemaligen Zwergenfestungen<br />
Karak Ungor und Karak Kadrin liegen nur<br />
einige Tagesreisen entfernt, näher sogar als<br />
die nächstgelegenen größeren Ortschaften<br />
Bechafen, Krugenheim oder Waldenhof!<br />
Abenteuer<br />
Auch der Peak Pass, der direkt durch die<br />
World’s Edge Mountains in die Blasted Wastes<br />
führt, bietet den Einwohnern und Besuchern<br />
von Schnutenbach manchmal Anlass<br />
zur Sorge, kommt von dort und den Bergen<br />
im allgemeinen doch ab und an blutrünstiges<br />
Geschmeiß wie Orks, Goblins oder noch<br />
schlimmere Chaosbrut! Immerhin liegt eine<br />
Grenzfestung von Ostermark direkt am Ausgang<br />
des Peak Pass, so dass die meisten unerwünschten<br />
Eindringlinge zumindest rechtzeitig<br />
bemerkt werden... Schnutenbach hat<br />
seinen Namen vom kleinen Fluss Schnute,<br />
der mitten durch die Ortschaft fließt und in<br />
den World’s Edge Mountains entspringt.<br />
Normalerweise ist die Schnute ein ruhiger<br />
Fluss, im Frühling aber kann es durchaus zu<br />
stärkeren Strömungen kommen und bereits<br />
zweimal wurde die Holzbrücke, welche die<br />
beiden Teile Schnutenbachs miteinander verbindet,<br />
von tobendem Wasser mitgerissen!<br />
Der Fluss mündet späterin Kislev in den weit<br />
größeren Urskoy.<br />
Ein Führer durch<br />
Schnutenbach<br />
In diesem ersten Kapitel finden sich alle<br />
Informationen zu Schnutenbach und seinen<br />
Einwohnern. Ebenfalls hier aufgelistet sind<br />
die derzeitigen Besucher der Ortschaft sowie<br />
die Bewohner der umliegenden Gehöfte.<br />
Natürlich werden die Häuser und die meisten<br />
Personen nur kurz beschrieben, denn ansonsten<br />
würde der Umfang dieser Beschreibung<br />
zu sehr anwachsen und zudem dem<br />
Spielleiter jegliche freie Interpretation der<br />
Gegebenheiten nehmen...<br />
Die meisten Einwohner Schnutenbachs<br />
stammen aus dem Empire, aber ca. ein Drittel<br />
kommt aus Kislev.<br />
Beide Gruppen kommen sehr gut miteinander<br />
aus und es gibt zumindest in dieser Hinsicht<br />
fast keine Probleme.<br />
Zu vielen der wichtigeren Einwohner finden<br />
sich auf den nachfolgenden Seiten auch Bilder,<br />
die zum persönlichen Gebrauch kopiert<br />
und den Spielern vorgelegt werden können,<br />
damit sie vor Augen haben, wer ihnen denn<br />
da nun gegenübersteht.<br />
Das dunkle Geheimnis von Schnutenbach<br />
sollte auf jeden Fall nicht zu schnell aufgedeckt<br />
werden, denn dies kann der Abenteuergruppe<br />
so manche schlaflose Nacht bescheren<br />
und ist ein beständiger Schatten, der<br />
auf das beschauliche Dorfleben fällt...<br />
1. Der grinsende Oger<br />
Dies ist die einzige Kneipe in Schnutenbach<br />
und abends finden sich hier sowohl viele der<br />
Einwohner, wie auch die meisten durchreisenden<br />
Besucher ein, um bei einem Krug Bier<br />
oder einem Glas Wein den neuesten Klatsch<br />
auszutauschen oder weitgereisten Gästen<br />
zuzuhören.<br />
Das Gebäude hat zwei Stockwerke und<br />
die Wirtsleute Hilda und Meinhard Aulenbacher<br />
tun zusammen mit ihrer Tochter Ilse<br />
so ziemlich alles, um ihre Kundschaft zufriedenzustellen.<br />
Zwar sind sie in der glücklichen<br />
Lage, das einzige Etablissement dieser Art<br />
hier zu führen, dies nützen sie aber nicht<br />
aus. Im Gegenteil sorgen sie sogar öfter dafür,<br />
dass wandernde Spielleute, Barden oder<br />
Geschichtenerzähler einen Abstecher hierher<br />
etwas verlängern, um den Gästen eine<br />
angenehme Abwechslung zu bieten.Das Essen<br />
ist gut und reichhaltig und besteht aus<br />
Eintopf, Wild oder Fisch; die Getränkesind<br />
in Ordnung und bisweilen kann man sogar<br />
das starke Zwergenbier hier bekommen,<br />
wenn die Bewohner der ca. drei Tagesreisen<br />
entfernten Zwergenmine wieder einmal in<br />
Schnutenbach zu Besuch waren!<br />
Über dem Ausschank hängt eine große<br />
Keule, die wirklich jedem Besucher sofort<br />
ins Auge stechen muss. Der gemütliche und<br />
gutmütige Wirt wird es nicht müde, zu erzählen,<br />
dass vor vielen Jahren einmal ein Oger in<br />
Schnutenbach war, der bei ihm eingekehrt<br />
sei und nach einem guten Essen und sehr viel<br />
zu trinken so gut auf ihn zu sprechen war,<br />
dass er ihm diese Keule geschenkt habe und<br />
versprochen hat, eines Tages wieder einmal<br />
vorbeizuschauen; diese Geschichte ist tatsächlich<br />
wahr und Meinhard ist sehr stolz auf<br />
diese Begebenheit...<br />
Die rustikale Schankstube ist sehr einfach,<br />
aber zweckmäßig mit robusten Tischen und<br />
Stühlen eingerichtet und größtenteils mit<br />
Seite 35
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
Das Geheimnis von Schnutenbach<br />
Die Familien in Schnutenbach hüten ein düsteres Geheimnis, das sie vor allen „Außenseitern“ und Besuchern des Ortes auf<br />
jeden Fall verheimlichen wollen! Seit einigen Jahren beginnen viele der Neugeborenen im Dorf kurz nach der Geburt Anzeichen<br />
verschiedener Mutationen zu zeigen, was deren Eltern in tiefste Verzweiflung stürzt!<br />
Vor ca. zehn Jahren, als diese schrecklichen Vorfälle begannen, waren die Mutationen noch gering und kamen nur selten<br />
vor; doch im Laufe der Jahre nahm die Anzahl der so schrecklich veränderten Kinder immer weiter zu und viele Eltern – vor<br />
allem die Mütter – behielten ihre Kinder dennoch so lange wie möglich bei sich, nur um sie dann doch noch irgendwann im<br />
Wald auszusetzen...<br />
Dieses düstere Geheimnis tragen die Einwohner Schnutenbachs mit sich herum. Schon um ihrer eigenen Sicherheit willen<br />
müssen sie dies vor aussenstehenden Personen geheim halten, denn sonst würden Witch Hunters Schnutenbach nur so<br />
heimsuchen und viele Familien müssten um ihr Leben fürchten.<br />
Es leben einige mutierte Menschen in Schnutenbach, vor allem Kinder, die geringere Mutationen aufweisen, die kaum<br />
bemerkt werden; einige Kinder werden von ihren Müttern auch nach wie vor im Haus versteckt, wo sie ein trauriges Dasein<br />
fristen.<br />
Viele der ausgesetzten Mutanten starben, doch im Laufe der Zeit bildete sich im Wald nahe Schnutenbach, zwischen dem<br />
Dorf und den Bergen, eine kleine Kolonie von Überlebenden, die dort einigermaßen zufrieden hausen. Sie wollen den Menschen<br />
im Ort nichts Böses, sondern einfach nur am Leben bleiben!<br />
Aber einige der Mutanten wurden aufgrund ihrer Veränderungen und der Geschehnisse verbittert und niederträchtig und<br />
machen die Wälder um das Dorf unsicher, ohne jedoch eine wirkliche Bedrohung darzustellen...<br />
Die Ursache dieses „Fluchs“, wie die Einwohner Schnutenbachs es nennen, ist niemand anderes als der sogenannte Taal-<br />
Priester Cornelius Trautmann, der in Wahrheit dem verruchten Chaosgott Nurgle dient!<br />
Cornelius kam vor langer Zeit über den Peak Pass nach Ostermark und war begierig darauf, Krankheit und Fäulnis über die<br />
Menschen zu bringen.<br />
Doch er war klug genug, zu wissen, dass man ihn schnell fassen würde, wenn er offen vorginge. Daher suchte er sich Schnutenbach<br />
aus, um hier die erste Saat zu legen.<br />
Zuerst räumte er den alten Priester mit Hilfe einer heimtückischen Krankheit aus dem Weg und gab dann vor, der neue<br />
Priester zu sein. Kurze Zeit später tauchte eine ältere Frau auf, die sich schon bald im Dorf als Hebamme einen Namen machte<br />
und die Gefährtin von „Vater Cornelius“ ist. Kurz nach der Geburt bringt sie die Kinder zu ihm – angeblich zum rituellen<br />
Segen – und dort werden sie mit einem finsteren Ritual mit Hilfe von unbeschreiblich widerwärtigen Substanzen ihrem<br />
sicheren Untergang geweiht!.<br />
dunklem Holz verkleidet; ein großer, offener<br />
Kamin spendet im Winter behagliche Wärme.<br />
Im Obergeschoss leben Meinhard Aulenbacher<br />
und seine Familie. Falls die Gastwirtschaft<br />
und Kutschenstation einmal über zu<br />
wenig Zimmer verfügen sollte, stellt er gerne<br />
die notdürftig hergerichteten Gästezimmer<br />
oberhalb seiner Kneipe zur Verfügung...<br />
2. Fischersleute<br />
In diesem einstöckigen, schmucklosen<br />
Haus lebt die Familie Dickhut. Dabei handelt<br />
es sich um Erika und Waldemar Dickhut, sowie<br />
ihre Kinder Else, Gisela und Bernd, das<br />
Nesthäkchen.<br />
Waldemar ist ein mürrischer und ungemütlicher<br />
Zeitgenosse, der seine viel zu gutmütige<br />
Frau nach Kräften ausnutzt. Oft leidet die<br />
ganze Familie Not, weil er das durch das Fischen<br />
in der Schnute verdiente Geld im „Grinsenden<br />
Oger“ verprasst hat und bereits des<br />
öfteren musste der Krämer Kunibert Thaler<br />
Erika Dickhut mit Nahrungsmitteln aushelfen,<br />
sonst hätten die Kinder hungern müssen.<br />
3. Krämerladen<br />
Dieses schön hergerichtete, zweistöckige<br />
Seite 36<br />
Gebäude mit Anbau ist der einzige Laden in<br />
Schnutenbach, in denen die Dinge des täglichen<br />
Gebrauchs, wie Töpfe, Kerzen, Öl, Decken,<br />
Seile und ähnliches gekauft werden<br />
können. Im kleinen Anbau, der eher einem<br />
provisorischen Schuppen gleicht, verkauft<br />
der Inhaber Kunibert Thaler sogar einige<br />
Waffen und Rüstungsteile; diese sind allerdings<br />
in einem eher bedauerlichen Zustand<br />
und müssen erst noch hergerichtet werden,<br />
um wieder voll gebrauchsfähig zu sein.<br />
Kunibert lebt im oberen Stockwerk des<br />
Hauses.<br />
Er ist ein kleines Männchen mit einer dünnen<br />
Stimme, die leicht umkippt, falls er aufgeregt<br />
ist; und er regt sich oft auf, denn er<br />
kann Ungerechtigkeit nicht ertragen.<br />
Kurz, er ist eine Seele von Mensch und<br />
obendrein heimlich in Erika Dickhut verliebt,<br />
der er gerne unter die Arme greift – dies tut<br />
er aber grundsätzlich bei Leuten in Not, auch<br />
wenn ihn schon manche Gauner dabei übel<br />
betrogen und übers Ohr gehauen haben. Er<br />
geht allerlei Klatsch über ihn in Schnutenbach<br />
herum, und seine mühsam verborgene<br />
Zuneigung zu Erika ist dabei meistens das<br />
Hauptthema.<br />
4. Taal-Tempel<br />
Die Einwohner Schnutenbachs verehren<br />
Taal, was an diesem entlegenen Fleckchen<br />
Erde auch nicht weiter verwunderlich ist.<br />
Vor ungefähr zwölf Jahren kam ein neuer<br />
Priester in den Ort, kurz nachdem der vorherige<br />
an einer geheimnisvollen Krankheit<br />
gestorben war.<br />
Der Tempel Taals ist ein einstöckiges Gebäude,<br />
in dessen kleinem Anbau der Priester<br />
Cornelius Trautmann wohnt; er wird von den<br />
Dorfbewohnern meistens nur „Vater Cornelius“<br />
genannt.<br />
Das Gebäude ist relativ schmucklos aus<br />
Stein errichtet. Aus hohen und relativ schmalen<br />
Fenstern zu beiden Seiten fällt Tageslicht<br />
herein.<br />
Es gibt am Ende des Saals eine Statue,<br />
die Taal darstellen soll. Wird diese genauer<br />
untersucht, so fällt auf, dass sie einen eher<br />
leidenden Gesichtsausdruck zeigt und das<br />
Gestein irgendwie porös wirkt, was natürlich<br />
eine Alterserscheinung sein kann...<br />
Einmal in der Woche hält Cornelius Trautmann<br />
hier eine Messe zu Ehren Taals ab, weit<br />
seltener als sein Vorgänger es tat.<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Auch unterscheiden sich diese Messen<br />
voneinander, da Cornelius oft seltsame Ansichten<br />
vertritt und bisweilen sogar davon<br />
spricht, dass Seuchen und Krankheiten von<br />
Taal gesandt seien, um die Kranken und<br />
Schwachen auszumerzen! Die Starken und<br />
Treuen jedoch würden gestärkt und verändert<br />
aus diesem Test hervorgehen...<br />
Im Tempel werden auch die neugeborenen<br />
Kinder dem Gott geweiht, in einer Zeremonie,<br />
bei der nur die Hebamme und der<br />
Priester zugegen sein dürfen – auch dies war<br />
früher anders.<br />
Im einfachen, einstöckigen Anbau lebt der<br />
Priester.<br />
Die Einrichtungsgegenstände sehen alle<br />
relativ unbenutzt aus. Dies liegt daran, dass<br />
im Keller unter dem Häuschen die wirkliche<br />
Wohnung des Nurgle-Abgesandten liegt.<br />
Sie besteht aus einem stinkenden Strohlager<br />
und einem kleinen Altarraum mit einer<br />
Nurgle-Statuette aus grünem Gestein, das<br />
ständig eine klebrige, widerliche Flüssigkeit<br />
ausschwitzt.<br />
In dieser Kammer befinden sich auch mehrere<br />
abscheuliche Nurglings, die sich hier<br />
niedergelassen haben und jeden Eindringling<br />
Die Zeichen<br />
Taals<br />
Natürlich ist der Gott Taal<br />
erzürnt! Ein falscher Priester<br />
führt in seinem Tempel blasphemische<br />
Rituale durch.<br />
Daher hat er den Einwohnern<br />
Schnutenbachs Zeichen<br />
gesandt, die sie darauf hinweisen<br />
sollen, dass sie eine<br />
Schlange an ihrem Busen<br />
nähren:<br />
1) Bereits seit einiger Zeit<br />
beginnt das Wild in den Wäldern<br />
sich von der Ortschaft<br />
zu entfernen, so dass die<br />
Jagd immer schwieriger und<br />
zeitaufwendiger wird.<br />
2) Es kam in den letzten Jahren<br />
verstärkt zu Missernten.<br />
3) Einige Einwohner werden<br />
von Träumen heimgesucht,<br />
in denen ein mächtiger Bär<br />
durch den Ort streift, in den<br />
Tempel geht und dort die<br />
Taal-Statue zerschmettert.<br />
4) Ein Blitz schlägt während<br />
eines Sturmes in den Tempel<br />
ein.<br />
gnadenlos attackieren werden.<br />
Natürlich wird Cornelius Trautmann alles<br />
daran setzen, diesen geheimen Kellerraum<br />
verborgen zu halten...<br />
Hier unten trifft sich der Priester ab und zu<br />
mit der falschen Hebamme Hanna Seliger,<br />
um abscheuliche Riten zu Ehren seines dunklen<br />
Gottes abzuhalten.<br />
Hier finden sich auch einige versiegelte<br />
Fläschchen und Gläser mit den Absonderungen<br />
eines Great Unclean One sowie ein wenig<br />
gemahlenen Warpstone, die der falsche<br />
Priester dazu benutzt, die neugeborenen<br />
Kinder zu verpesten und zu mutieren...<br />
5. Bauernhof<br />
Auf diesem kleinen Hof lebt und arbeitet<br />
die Großfamilie Popov, bestehend aus den<br />
Großeltern Lioudmila und Leonid, den Eltern<br />
Jana und Bogdan und den Kindern Sofia,<br />
Petro, Vasilij und Georgi. Georgi, der jüngste<br />
Sohn, hat gerade erst laufen gelernt und<br />
weist fortschreitende Mutationen auf; er hat<br />
eine behaarte Haut und hervortretende Augen.<br />
Dennoch lassen die Eltern ihn auf dem<br />
Hof spielen, denn sie hoffen, dass ihr Nesthäkchen<br />
wieder gesund wird, wenn sie ihn<br />
nur oft genug zum Taal-Priester bringen – ein<br />
fataler Irrglaube, dem dummerweise viele<br />
Einwohner von Schnutenbach anhängen und<br />
damit unwissentlich ihren eigenen Untergang<br />
heraufbeschwören!<br />
Tagsüber arbeiten Bogdan, Petro und Vasilij<br />
auf den Feldern vor Schnutenbach, während<br />
Jana und Sofia die Tiere (einige Hühner,<br />
Schweine und Ziegen sowie eine Kuh) füttern<br />
und auf dem Hof arbeiten.<br />
Vasilij wird ab und zu als Dorfbüttel eingesetzt.<br />
Zwei große Hunde namens Valdis und Varlam<br />
bewachen den Hof, sind den Kindern<br />
gegenüber aber lammfromm; dummerweise<br />
haben sie die Angewohnheit, ab und zu auch<br />
einmal hinaus auf die Dorfstraße zu entwischen<br />
...<br />
6. Müller<br />
In dieser kleinen Wassermühle am Rande<br />
des Ortes lebt Adolf Eichbauer zusammen mit<br />
seiner Frau Maia, einer Kislevikin, und seinem<br />
hier geborenen Sohn Pjotr. Der Müller ist im<br />
Dorf nicht allzu gern gesehen und es ranken<br />
sich allerlei unheimliche oder zumindest<br />
merkwürdige Geschichten um ihn. Fremden<br />
gegenüber ist Adolf schweigsam bis feindselig,<br />
ganz im Gegensatz zu seiner liebenswürdigen<br />
und aufgeschlossenen jungen Frau. In<br />
der Tat verschwindet Adolf nachts bisweilen<br />
heimlich im Wald, um den dort liegenden,<br />
verborgenen Schrein des Waldgeistes Leshy<br />
aufzusuchen und ihm seine Aufwartung zu<br />
machen.<br />
Seine nächtlichen Spaziergänge blieben im<br />
Laufe der Zeit nicht unbemerkt und so entstanden<br />
nach und nach zahlreiche Gerüchte,<br />
die sich um den Müller und – zwangsläufig –<br />
auch seine Familie ranken.<br />
Adolf kennt eigentlich neben seiner Familie<br />
nur drei Menschen im Dorf, die er als<br />
Freunde bezeichnen würde: Großmutter<br />
Herrbruck, den Jäger Roman Zorin und den<br />
Köhler Meinhard Hauser.<br />
Diese besuchen zusammen mit ihm den alten<br />
Schrein und vermuten bereits seit geraumer<br />
Zeit, dass mit dem Taal-Priester irgend<br />
etwas nicht in Ordnung sein kann.<br />
Doch ihre Aussenseiter-Rolle in der Gemeinschaft<br />
macht es ihnen sehr schwer, ihren<br />
Zweifeln vor der Bevölkerung Nachdruck<br />
zu verleihen...<br />
7. Kutschstation und<br />
Rasthaus<br />
Hierbei handelt es sich um ein großes,<br />
zweistöckiges Gebäude mit einem Anbau,<br />
in dem Pferde und Karren sowie bis zu zwei<br />
Kutschen untergebracht werden können. Es<br />
ist bei weitem das größte und am gepflegtesten<br />
wirkende Haus im gesamten Ort.<br />
Auf einem Metallschild über dem Eingang<br />
ist ein Greif zu erkennen und die Aufschrift<br />
besagt: „Zum Greifennest“.<br />
Hier werden die Personen untergebracht,<br />
die mit den relativ häufig erscheinenden Kutschen<br />
aus Kislev anreisen, um dann weiter<br />
ins Herz von Ostermark zu fahren.<br />
Im Erdgeschoss befindet sich ein gemütlicher<br />
und relativ gediegen mit teuren Möbeln<br />
eingerichteter Aufenthaltsraum, in dem sich<br />
die Gäste abends im Schein eines großen<br />
Kerzenleuchters zusammenfinden können!<br />
Die Getränke und Speisen hier sind hervorragend,<br />
allerdings auch ziemlich überteuert.<br />
Das Rasthaus wird geleitet von Dieter Borsche<br />
und seiner Frau Hannelore.<br />
Beide sind auf ihren Vorteil aus und als geizig<br />
und geldgierig bekannt.<br />
Die beiden haben zwei Töchter, Brigitte<br />
und Dagmar, die sich selbst für die schönsten<br />
Perlen Schnutenbachs halten.<br />
In der Tat sind beide recht hübsch, aber leider<br />
durch die Erziehung ihrer Eltern auch nur<br />
auf Geld aus und charakterlich völlig verroht.<br />
Ein kleiner, steinerner Anbau hinter dem<br />
Abenteuer<br />
Seite 37
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
Haus bietet den<br />
Bediensteten Platz. Jeder von ihnen hat<br />
ein winziges Zimmer, das mehr einer Zelle<br />
gleicht, und wird fast wie ein Leibeigener behandelt.<br />
Hier leben Anatoly, der Stallknecht, Olga,<br />
die Köchin, und Irena, die Schankmaid.<br />
Vor allem Irena leidet unter den Schikanen<br />
der Familie Borsche...<br />
Gäste im Kutschhaus<br />
Isabelle - Eleonore Duvignaud<br />
Diese Person kleidet und benimmt sich wie<br />
eine adlige Dame aus Bretonia.<br />
Ihr Verhalten ist von nobler Vornehmheit<br />
und ihre Sprache klar und bestimmt.<br />
Ihre Kleidung ist von sehr guter Qualität,<br />
sie aber in keinster Weise übertrieben herausgeputzt.<br />
Sie spricht aber selten und fast gar nicht<br />
zu den übrigen Gästen, außer sie wird direkt<br />
angesprochen, und dann bricht sie das<br />
Gespräch meist höflich, aber bestimmt, ab.<br />
Falls sie jedoch ein wirklich faszinierendes<br />
und interessantes Thema geboten bekommt,<br />
hört sie gerne zu und kann selbst auch – für<br />
ihr Alter – erstaunlich viele Geschichten von<br />
ihrem Leben in Bretonia und von Reisen um<br />
die ganze bekannte Welt erzählen...<br />
Sie wirkt extrem jung und kann noch keine<br />
20 Jahre alt sein und hat die in Bretonia bei<br />
Adligen so beliebte bleiche Hautfarbe, die ihr<br />
ausgezeichnet steht. Sie hat ein hübsches,<br />
keckes Gesicht, wirkt aber durch ihre wissenden<br />
Augen und ihr Verhalten weit reifer, als<br />
sie es ihrem Aussehen nach sein kann. In der<br />
Tat handelt es sich bei dieser jungen Dame in<br />
Wahrheit um Genevieve Sandrine du Pointe<br />
du Lac Dieudonne, einen Vampir! Sie ist es,<br />
die vor geraumer Zeit zusammen mit einigen<br />
Gefährten und Oswald von Königswald, dem<br />
Kronprinz von Ostland, die Burg von Constant<br />
Drachenfels<br />
aufgesucht hat, dem größten Magier dieser<br />
Welt! Sie und Oswald boten diesem Hexenmeister<br />
die Stirn und kehrten als einzige<br />
zurück, um von ihren Abenteuern zu berichten.<br />
Seit damals reist der Vampir wieder allein<br />
und unter einem falschen Namen und<br />
nur durch einen Zufall ist sie gerade auf der<br />
Durchreise von Kislev ins Empire und macht<br />
in Schnutenbach Rast!<br />
Sie wird hier maximal zwei Tage bleiben,<br />
dann fährt die Kutsche weiter. Sie spürt, dass<br />
in diesem Ort irgendetwas nicht in Ordnung<br />
zu sein scheint und könnte durch sehr viel<br />
Überzeugungskraft oder einen guten Grund<br />
zum Bleiben und vielleicht sogar zur Hilfestellung<br />
in irgendeiner Form überredet werden.<br />
Genevieve ist eine tragische Gestalt, denn<br />
sie verabscheut das Vampirdasein an sich<br />
und ernährt sich daher nur von ihren zahlreichen<br />
Liebhabern, und nimmt dann nur Blut<br />
mit deren Einverständnis und nie genug, um<br />
sie zu töten.<br />
Sie hat schon sehr viel von dieser Welt gesehen,<br />
ist aber immer noch begierig darauf,<br />
durch neue und interessante Ereignisse aus<br />
dem monotonen Einerlei ihres unsterblichen<br />
Daseins gerissen zu werden...<br />
Bruder Egon Ottweiler<br />
Dieser feiste Priester gehört einem Tempel<br />
der Göttin Verena an, aber seine Zugehörigkeit<br />
zu diesem Orden ist größtenteils geheuchelt.<br />
Zwar handelt es sich bei ihm in der<br />
Tat um einen gebildeten Mann, doch schon<br />
seit einiger Zeit haben ihn weltliche Gelüste<br />
davon abgebracht, auf seinen Reisen nach<br />
neuem Wissen zu suchen und er verbringt<br />
die Zeit meist damit, sich den Wanst vollzuschlagen<br />
und<br />
zu viel zu trinken.<br />
Egon Ottweiler ist ein massiger Mann mit<br />
mehr als einem Doppelkinn, der in betrunkenem<br />
Zustand (und er ist fast jeden Abend<br />
betrunken) nicht an sich halten kann und ein<br />
liederliches Verhalten an den Tag legt. Er hat<br />
eine Schwäche für schöne Frauen und wird<br />
diese, unter dem Vorwand, ihren Wissensschatz<br />
zu erweitern, abends immer dazu<br />
bringen wollen, ihn in sein Gemach zu begleiten...<br />
Er trägt einfache Reisekleidung, die dringend<br />
wieder einer Wäsche bedürfte, und hat<br />
seinen Kopf bis auf einen kleinen Haarkranz<br />
kahlgeschoren.<br />
Sein aufgedunsenes Gesicht ziert ein ungepflegter<br />
Vollbart, in dem sich meistens Reste<br />
seiner letzten Mahlzeit finden lassen. Sein<br />
verbliebener Rest gesunden Menschenverstandes<br />
hält Bruder Egon davon ab, Isabelle-<br />
Eleonore Duvignaud seine „Aufwartung“<br />
zu machen, und er empfindet ihre Nähe als<br />
überaus beunruhigend und unheimlich...<br />
Johann-Ludwig von Reinshagen<br />
Dieser gutaussehende junge Mann befindet<br />
sich in der Begleitung einer in etwa<br />
gleichaltrigen Dame, die so gut wie nie im<br />
Schankraum zu sehen ist, sondern sich meist<br />
auf ihrem Doppelzimmer aufhält.<br />
Die beiden sind ein Liebespaar, aber obwohl<br />
seine Geliebte auch sehr vornehm angezogen<br />
ist, bemerkt ein aufmerksamer Beobachter<br />
an ihrem Verhalten, dass sie sicherlich nicht<br />
von adliger Herkunkt sein kann, wenngleich<br />
auch sie vornehm gekleidet ist und auch das<br />
eine oder andere teure Schmuckstück trägt.<br />
Johann-Ludwigs Vater erfuhr von ihrer Liaison<br />
und war außer sich vor Zorn!<br />
Er ging schließlich sogar so weit, seinem<br />
Sohn mit dem Tode des Liebchens zu drohen,<br />
wenn er diese Person aus dem gemeinen<br />
Volk weiterhin aufsuchen sollte...<br />
Daher können die beiden sich nur noch<br />
heimlich treffen und Schnutenbach ist ein<br />
Ort, wo Johann-Ludwig von Reinshagen sicher<br />
sein kann, dass ihn die Schergen seines<br />
Vaters nicht aufspüren werden... oder doch?<br />
ANTOINETTE DAMIENS<br />
Die junge, hübsche und freundliche Dame<br />
in Begleitung des Adligen stammt in der Tat<br />
aus dem gemeinen Volk.<br />
Allerdings ist sie so bezaubernd und liebreizend,<br />
dass jedermann dies gerne übersehen<br />
wird...<br />
Antoinette stammt ursprünglich aus Bretonia,<br />
doch kurz nach ihrer Geburt zogen<br />
ihre Eltern ins Empire, wo sie dann auch aufwuchs,<br />
da ihre ganze Familie nach einigen<br />
Jahren des Umherziehens schließlich in Altdorf<br />
sesshaft wurde.<br />
Als sie und Johann-Ludwig sich auf dem<br />
Marktplatz in Altdorf zufällig begegneten,<br />
war es für beide Liebe auf den ersten Blick!<br />
Nur der Hass des Vaters von Johann-Ludwig<br />
überschattet ihre ungewöhnliche Beziehung<br />
und Antoinette wirkt manchmal traurig<br />
und in sich gekehrt, denn sie musste ihre Eltern<br />
in Altdorf verlassen und sich für ihre Liebe<br />
entscheiden.<br />
Antoinette trägt schöne Kleider, die ihr<br />
von Johann-Ludwig gekauft wurden, und hat<br />
ihr langes, blondes Haar oftzu einem Zopf<br />
geflochten, eine mit Edelsteinen besetzte,<br />
silberne Halskette blitzt an ihrem anmutig<br />
geschwungenen Hals.<br />
Sie hat durchdringende, leuchtende blaue<br />
Augen und unzählige Sommersprossen<br />
um ihre Nase geben ihr stets ein etwas verschmitztes<br />
Aussehen...<br />
FRIEDRICH URSELMANN<br />
Der letzte Gast in diesem Rasthaus ist ein<br />
kleiner, hagerer Mann mit einem kümmerlichen<br />
Spitzbart, der ständig mit sauertöpfischer<br />
Miene herumläuft und seine Nase andauernd<br />
in anderer Leute Angelegenheiten<br />
zu stecken scheint! Tatsächlich ist Friedrich<br />
Urselmann in Schnutenbach kein Fremder,<br />
kassiert er doch alle paar Monate hier die<br />
Steuern ab, die sich nach der Höhe der Ein-<br />
Seite 38<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Die Landsknechte<br />
Irgendwann während des Aufenthaltes der Abenteurer im idyllischen Schnutenbach,<br />
ertönt auf einmal Gröhlen und Johlen von der Straße.<br />
Verantwortlich dafür ist ein Landsknecht-Haufen aus Kislev, der desertiert ist und nun<br />
durch die Dörfer zieht, in festem Bewusstsein, dass es hier niemanden gibt, der sich ihnen<br />
entgegenstellen wird. Bisher kam es bereits zu einigen Raubüberfällen, Schlägereien und<br />
Brandstiftungen, falls die Gruppe auf Widerstand stieß – dies genügte meist, die Dörfler<br />
zur Räson zu bringen!<br />
Allerdings ist die Stimmung bei den Landsknechten nicht besonders gut, denn sie ahnen,<br />
dass ihr Leben nicht immer so weitergehen kann und sie irgendwann von Recht und<br />
Gesetz zur Verantwortung gezogen werden, in der Tat sind sie erst vor kurzem unter<br />
Schimpf und Schande aus einer größeren Ansiedlung gejagt worden, als die Miliz sich dort<br />
zusammenrottete.<br />
Einige der Landsknechte würden auch vor einem Mord nicht zurückschrecken und es ist<br />
nur noch eine Frage der Zeit, bis sie einer Frau Gewalt antun werden! Ihr Anführer, Lutz<br />
Ackenheil, ist ein verschlagener und gewitzter Kämpfer und ist ebenso verdorben wie<br />
seine Männer...<br />
Alle Landsknechte tragen noch die Uniformen, die typisch sind für die Fußsoldaten aus Kislev,<br />
und ihr erster Weg wird sie in den „Grinsenden Oger“ führen, wo sie sich auf Kosten<br />
des Hauses hemmungslos betrinken werden und danach anfangen, Streit zu suchen.<br />
Es sind insgesamt fünf Landsknechte und natürlich ihr verschlagener Anführer Lutz Ackenheil,<br />
der nicht zögern wird, seine Leute im Stich zu lassen...<br />
Die Landsknechte werden ungefähr eine Woche im Dorf bleiben, dann ziehen sie wie<br />
üblich weiter.<br />
Ihr Verhalten gegenüber der Dorfbevölkerung wird während dieser Zeit immer roher und<br />
gewalttätiger!<br />
künfte der jeweiligen Person richten... Demzufolge<br />
ist er natürlich nicht gerade ein gerngesehener<br />
Gast, denn wer zahlt schon gerne<br />
Gold für jemanden, der so weit weg wohnt,<br />
dass man ihn bestenfalls vom Hörensagen<br />
kennt? Doch Friedrich ist unerbittlich!<br />
Er bleibt so lange in Schnutenbach, bis alle<br />
steuerpflichtigen Einwohner gezahlt haben,<br />
und wenn es auch nur ein paar Brass Pennies<br />
sind! Gäste in Schnutenbach werden<br />
natürlich auch abkassiert, denn immerhin<br />
befinden sie sich auf imperialem Boden und<br />
daher dürfen sie pro Kopf eine Gold Crown<br />
auf den Tisch legen. Friedrich hat übrigens<br />
keine Skrupel, zur Eintreibung der Schulden<br />
auch die Dorfmiliz zu verpflichten! Der Steuereintreiber<br />
kam bereits einige Tage vor der<br />
Kutsche hier an und macht nun von seinem<br />
Recht Gebrauch, kostenlos zu übernachten..<br />
8. Wohnhaus<br />
In diesem einstöckigen Gebäude, dessen<br />
Fenster Blumenkästen zieren, lebt die alte<br />
Waltraud Rasch, eine der schrecklichsten<br />
Klatschtanten des Ortes.<br />
Tagsüber sitzt sie meistens vor dem Haus<br />
oder schaut aus einem der offenen Fenster,<br />
um jedem Neuankömmling „wahre“ Geschichten<br />
über die Bewohner Schnutenbachs<br />
zu erzählen.<br />
Was davon wahr ist und was nicht, hängt<br />
jeweils davon ab, wie sie auf die jeweilige<br />
Person zu sprechen ist, zudem wird Waltraud<br />
langsam aber sicher senil und daher ist eigentlich<br />
kaum noch jemand im Dorf vor ihren<br />
Anfeindungen und erfundenen Verleumdungen<br />
sicher.<br />
Einzige Ausnahme ist da Natasha-Svetlana<br />
Ulanov, die während jedem ihrer Aufenthalte<br />
im Dorf bei der alten Frau vorbeikommt und<br />
sich mit ihr unterhält. Im Laufe der Zeit hat<br />
die einsame alte Frau sie wie eine Tochter zu<br />
lieben gelernt...<br />
9. Pension<br />
Dieses ehemals schöne, zweistöckige Gebäude<br />
scheint durch Wind und Wetter sehr<br />
gelitten zu haben und lässt nur noch erahnen,<br />
dass hier einmal wohlhabende Leute<br />
gewohnt haben müssen.<br />
In der Tat hat die Witwe Sigrid Anheier, die<br />
hier lebt, bereits weit bessere Tage gesehen.<br />
Zusammen mit ihrem Mann Albert kam sie<br />
vor vielen Jahren nach Schnutenbach und<br />
beide bauten sich hier eine Existenz auf.<br />
Ihr Mann half den Zwergen der nahebei<br />
gelegenen Mine und es gelang ihm, deren<br />
Vertrauen und später sogar ihren Respekt zu<br />
gewinnen.<br />
Schließlich arbeitete er als Gleichgestellter<br />
mit ihnen in der Mine und nach und nach<br />
konnten Sigrid und Albert soviel Geld sparen,<br />
dass sie sich dieses schöne Haus leisten<br />
konnten. Eines Tages jedoch kam Albert nicht<br />
mehr von der Mine nach Hause!<br />
Sein Leichnam wurde nie gefunden, und es<br />
geht das Gerücht, Mutanten hätten ihn getötet.<br />
Dies ist nicht wahr: Der Pferdezüchter<br />
Konrad-Ludwig Weisgerber, mit dem Albert<br />
in der Vergangenheit bereits mehrmals aneinandergeraten<br />
war, hatte den jungen Mann<br />
von seinen Knechten töten lassenund seinen<br />
Körper im Wald versteckt!<br />
Der Tod ihres Mannes war für Sigrid eine<br />
Katastrophe. Nicht nur, dass sie ihn sehr vermisste,<br />
das Geld für den Lebensunterhalt<br />
wurde auch bald knapp, so dass sie begann,<br />
die leerstehenden Zimmer des Hauses für<br />
Reisende zur Verfügung zu stellen.<br />
Die Unterkunft bei ihr ist bei weitem am<br />
günstigsten in ganz Schnutenbach und das<br />
Essen ist zwar einfach, aber immer schmackhaft.<br />
Zudem ist Sigrid zwar eine Frau fortgeschrittenen<br />
Alters, aber auf eine stille Weise<br />
immer noch anziehend.<br />
Zur Zeit lebt ein Reisender namens Sebastian<br />
Scharnhorst hier, der aber nur abends das<br />
Haus verlässt und oft in der Nähe des Taal-<br />
Tempels gesehen werden kann.<br />
Er spricht nur wenig und seine Kleidung ist<br />
typisch für einen Hexenjäger, was bei den<br />
Einwohnern Schnutenbachs für eine gehörige<br />
Portion Angst sorgt!<br />
Sebastian wird auch vorgeben, ein Hexenjäger<br />
zu sein, falls er darauf angesprochen<br />
wird. In Wahrheit ist er allerdings ein Diener<br />
des Chaosgottes Tzeentch, der hierher gesandt<br />
wurde, weil diesem die Veränderungen<br />
der Kinder in diesem Dorf auf Dauer nicht<br />
entgehen konnten!<br />
Der sogenannte Hexenjäger verdächtigt<br />
bereits die Hebamme, aber auch der Taal-<br />
Priester ist ihm nicht ganz geheuer. Falls er<br />
erfährt, dass hier der Chaosgott Nurgle seine<br />
verpesteten Klauen im Spiel hat, könnte er<br />
kurzfristig sogar zu einem Verbündeten der<br />
Abenteurer werden....<br />
10. Bauernhof<br />
Auf diesem Hof lebt der Bauer Christian<br />
Bernstorff zusammen mit seiner Frau Lieselotte<br />
und ihren Kindern Hans, Franz, Susanne<br />
und Anna.<br />
Die Großmütter der beiden sind ebenfalls<br />
noch am Leben und halten die Familie mit ihren<br />
Launen auf Trab.<br />
Der Bauernhof wird von Christian und seinem<br />
ältesten Sohn Hans vorbildlich geführt<br />
Abenteuer<br />
Seite 39
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
und sie sind besonders stolz auf ihren Kuhstall,<br />
denn damit stellen sie die Milchversorgung<br />
von ganz Schnutenbach sicher!<br />
Vor allem die Kuh Agnatha ist ein wahres<br />
Prachtexemplar und wird von Christian<br />
Bernstorff oft bei Stammtischgesprächen im<br />
„Grinsenden Oger“ hochgelobt.<br />
Der jüngere Sohn, Franz, dient den ganzen<br />
Tag als Mitglied der Dorfmiliz. Auch die Familie<br />
Bernstorff hatte in den letzten Jahren<br />
Probleme mit dem Nachwuchs, zwei Kinder<br />
wurden von ihnen schweren Herzens im<br />
Wald ausgesetzt, denn die auftretenden Mutationen<br />
wurden immer schlimmer! Ihr jüngstes<br />
Kind, Anna, scheint bis auf extrem helle<br />
Haut, weiße Haare und rote Augen normal zu<br />
sein...<br />
11. Rathaus<br />
Das Rathaus Schnutenbachs ist alles andere<br />
als ein imposantes Gebäude. Eine einfache,<br />
zweistöckigeStruktur, die von außen kaum<br />
erkennen lässt, dass hier der Bürgermeister<br />
Ortwin Bockenfeld lebt und arbeitet.<br />
Im Keller befinden sich einige provisorische<br />
Kerkerzellen, die aber meistens nur zur Ausnüchterung<br />
für betrunkene Dorfbewohner<br />
verwendet werden, und ein Zimmer im Erdgeschoss<br />
dient als Aufenthaltsraum der Dorfmiliz,<br />
von der meist ein Mann zugegen ist.<br />
Dem Bürgermeister, der lediglich eine<br />
willenlose Marionette des einflussreichen<br />
Pferdezüchters Konrad-Ludwig Weisgerber<br />
ist und keine eigene Meinung zu besitzen<br />
scheint, steht der Schreiber Friedrich Kampfer<br />
zur Seite. Friedrich ist einer der wenigen<br />
im Ort, die des Schreibens mächtig sind, und<br />
daher hat er seinen Posten hier schon sehr<br />
lange. Es missfällt dem alten Mann, wie sehr<br />
Konrad-Ludwig Weisgerber die Geschicke<br />
Schnutenbachs leitet und er ahnt, dass die<br />
letzten Wahlen allesamt von diesem manipuliert<br />
wurden, hat aber zuviel Angst, um<br />
etwas zu sagen. Friedrich lebt in einer kleinen<br />
Kammer im hinteren Teil des Hauses. Der<br />
Bürgermeister und seine Frau Barbara, eine<br />
schwergewichtige und herrische Person, sowie<br />
die Kinder Martha, Tobias und Uwe leben<br />
im Obergeschoss.<br />
Tobias arbeitet bei der Dorfmiliz, ist während<br />
seiner Dienstzeiten aber meist betrunken<br />
im „Grinsenden Oger“ anzutreffen...<br />
Seite 40<br />
12. Fischersleute<br />
In diesem einstöckigen Haus wohnt die<br />
Großfamilie Ortlieb, die aus den Großeltern<br />
Yuri und Gundula, dem Vater Walther, den<br />
Töchtern Ilse, Lotte und Astrid sowie den<br />
Söhnen Detlef, Volkhart und Rüdiger besteht.<br />
Die Frau von Walther Ortlieb, Adelheid,<br />
kam vor einigen Jahren ums Leben, als sie bei<br />
Hochwasser in der Schnute ertrank, während<br />
sie ihre Tochter Astrid retten wollte, die beim<br />
Spiel hineingefallen war.<br />
Ihr Mann ist seitdem verbittert und einsam<br />
und da ihn auch Geldsorgen plagen, flüchtet<br />
er sich oft in den Alkohol.<br />
Daher gehen nun meist Detlef und Volkhart<br />
zum Fischen in die Schnute, denn ihr<br />
Vater hasst den kleinen Fluss mittlerweile<br />
regelrecht! Die Familie versteckt die kleine<br />
Astrid im Haus, denn sie trägt ein drittes<br />
Auge mitten auf der Stirn. Die Kleine ist aber<br />
ansonsten völlig normal und der Liebling von<br />
Ilse und Lotte, die alles tun würden, um sie zu<br />
beschützen. Ausserdem glauben sie, dass sie<br />
dies ihrer Mutter schuldig sind, denn schließlich<br />
ist sie gestorben, als sie Astrid nach einer<br />
Flucht aus dem Haus gerettet hat...<br />
13. Schmiede<br />
Der heiße Odem des Feuers und das metallische<br />
Schlagen des Schmiedehammers sind<br />
untrennbar mit diesem einstöckigen Gebäude<br />
mit Anbau verbunden.<br />
Hier lebt und arbeitet Dietmar Furtwangler,<br />
der bullige Schmied des Dorfes. Jeden<br />
Tag kann man den muskulösen und hochgewachsenen<br />
Mann mit seiner glänzenden<br />
Glatze und dem imposanten Schnauzbart in<br />
der Schmiede stehen sehen, wo er Hufeisen<br />
anfertigt, Nägel und Pfeilspitzen gießt oder<br />
durchreisenden Abenteurern Waffen fertigt<br />
oder ab und zu auch Rüstungen repariert.<br />
Dietmar ist ein freundlicher Geselle mit einer<br />
polternden Art und seine Freundschaft<br />
zu gewinnen ist sicherlich nicht allzu schwer.<br />
Er ist Junggeselle und seit einiger Zeit schon<br />
in die bezaubernde Natasha-Svetlana Ulanov<br />
verliebt, aber trotz seiner offenen Art viel<br />
zu schüchtern, ihr dies zu gestehen. Zudem<br />
weiß er, dass sie bisher alle Anträge abgelehnt<br />
hat, da sie sich – nach ihren Worten –<br />
um ihre kranke Familie kümmern muss...<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
14. Lederwaren<br />
Dieses zweistöckige Haus beherbergt einen<br />
kleinen Laden im unteren Stockwerk, in<br />
welchem der Lederbearbeiter Valentin Yakushenko<br />
mit seiner Frau Ophelia und den beiden<br />
Söhnen Jitka und Jonas Felle gerbt und<br />
Leder bearbeitet! Sie können sich über Arbeit<br />
nicht beklagen, denn bis vor kurzem waren<br />
die Wälder noch voller Bären und Wölfe und<br />
für einen schönen, warmen Pelz ist im Winter<br />
immer Bedarf in Schnutenbach. So konnte<br />
sich die Familie ein einigermaßen gutes Leben<br />
aufbauen. Dies entschädigt sie gewissermaßen<br />
dafür, dass in ihrer Gerberei stets ein<br />
ziemlich übler Geruch herrscht...<br />
Aber auch über dieser Familie hängt ein<br />
düsterer Schatten: Die letzten beiden Kinder<br />
Ophelias, eine Tochter und ein Sohn, mussten<br />
wegen ihrer Missbildungen im Wald ausgesetzt<br />
werden, was ihrer Mutter das Herz<br />
gebrochen hat.<br />
Seitdem ist die einst so lebenslustige Frau<br />
nur noch ein Schatten ihrer selbst, verlässt<br />
kaum noch das Haus und scheint nur noch<br />
auf ihren Tod zu warten.<br />
Ihre Familie und vor allem ihr Mann tun alles,<br />
um ihr den Lebenswillen wiederzugeben,<br />
aber bisher ohne Erfolg.<br />
Falls sie jedoch wüsste, dass ihre Kinder in<br />
der Mutantenkolonie gesund und am Leben<br />
wären, könnte sie wieder Sinn im Leben finden...<br />
15. Holzfäller<br />
Diese einstöckige Haus beherbergt Stepan<br />
Solovi, einen zwar bärbeißigen, aber<br />
dennoch liebenswerten Holzfäller aus dem<br />
Lande Kislev, der hier ein neues Zuhause gefunden<br />
hat. Er ist seit kurzem mit Tamara verheiratet,<br />
die schwanger ist und bald ihr Kind<br />
erwartet...<br />
16. Bauernhof<br />
Hier lebt und arbeitet die Familie Winterhagen.<br />
Der Hof scheint gut geführt zu werden<br />
und mehrere Katzen schleichen Tag und<br />
Nacht auf dem Gelände herum.<br />
Das Oberhaupt ist der Großvater namens<br />
William Winterhagen, der ein strenges Regime<br />
führt, aber nur das Beste für seine Familie<br />
im Sinn hat.<br />
Leider führt dies immer häufiger zum Streit<br />
mit seinem Sohn Frederick und der Schwiegertochter<br />
Monika, die langsam aber sicher<br />
ihr eigenes Leben führen wollen.<br />
William ist ein strenger Gläubiger der Old<br />
Faith und verbietet es seiner Familie, die Messe<br />
im Taal-Tempel zu besuchen, was auch des<br />
öfteren Anlass für Streitigkeiten ist.<br />
Immerhin hat er alle damit – ohne es zu<br />
wissen – vor einem schrecklichen Schicksal<br />
bewahrt und die Kinder namens Peter, Klaus,<br />
Bernhard und Luise sind gesund und munter<br />
und ohne jegliche Anzeichen von Mutationen,<br />
was William nur in seiner Meinung bestätigt,<br />
dass der Glaube der Old Faith sie alle<br />
beschützt...<br />
Allerdings ist der älteste Sohn Fredericks,<br />
Peter, geistig zurückgeblieben und wandert<br />
des öfteren ziellos im Ort umher, was natürlich<br />
auch schon Stoff für jede erdenkliche Art<br />
von Klatsch war...<br />
17. Hebamme<br />
In diesem kleinen Haus, das dem Pferdezüchter<br />
Konrad-Ludwig Weisgerber gehört<br />
und das auf Betreiben des Taal-Priesters<br />
Cornelius Trautmann vermietet wurde, lebt<br />
die alte Hanna Seliger. Dieses liebenswerte<br />
Mütterchen kam kurz nach der Ankunft des<br />
neuen Taal-Priesters in Schnutenbach an und<br />
mühte sich sofort, das Vertrauen der Einwohner<br />
zu gewinnen. Dies gelang ihr auch durch<br />
ihre fürsorgliche und mütterliche Art. Hanna<br />
hat stets für jeden ein offenes Ohr und ist bereit,<br />
sich die Nöte und Sorgen aller Einwohner<br />
gerne anzuhören und Trost zu spenden.<br />
Dies ist allerdings zu schön, um wahr zu sein!<br />
In Wahrheit ist Hanna Seliger die verdorbene<br />
Komplizin des falschen Taal-Priesters!<br />
Auch sie dient dem Chaosgott Nurgle und<br />
trägt aktiven Anteil an der steigenden Mutationsrate<br />
im kleinen Dorf Schnutenbach. Sie<br />
bringt die neugeborenen Kinder so bald als<br />
möglich zu Cornelius Trautmann, der ihnen<br />
dann widerwärtige Substanzen einflößt und<br />
in einem schrecklichen Ritual Nurgle weiht.<br />
Viele sterben an den Krankheiten und Mutationen,<br />
doch ebenso viele überleben und<br />
sind schrecklich entstellt, so dass sie von ihren<br />
entsetzten und unglücklichen Eltern im<br />
Wald ausgesetzt oder gar getötet werden...<br />
Es gibt nichts im Haus der Hebamme, was auf<br />
ihren finsteren Hintergrund schließen lassen<br />
Abenteuer<br />
Seite 41
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
würde, und alles im Haus sieht seltsam unbenutzt<br />
aus, so dass das Gebäude insgesamt einen<br />
eher unbewohnten Eindruck macht.<br />
18. Wohnhaus<br />
In diesem heruntergekommenen, einstöckigen<br />
Gebäude lebt der ehemalige Reisende<br />
und Glücksritter Karlfried Sontheimer.<br />
Der einäugige, ungepflegt wirkende Mann<br />
pflegt jedem bei jeder sich bietenden Gelegenheit<br />
die Abenteuer seines Lebens vorzutragen,<br />
die so übertrieben sind, dass sie unmöglich<br />
wahr sein können!<br />
Er ist jeden Abend im „Grinsenden Oger“<br />
anzutreffen und für ein Freibier ist er nur zu<br />
gerne bereit, dem freundlichen Spender den<br />
ganzen Abend lang von seinen Abenteuern<br />
zu erzählen...<br />
19. Fischersleute<br />
Dies ist ein schmuckloses Fachwerkhaus,<br />
vor dem fast den ganzen Tag (und einen großen<br />
Teil des Abends) das alte Ehepaar Joachim<br />
und Hilda Dockhorn sitzen.<br />
Ihre erwachsenen Söhne und Töchter namens<br />
Egon, Dieter, Albert, Judith und Ilse<br />
erledigen die gesamte Arbeit und sind oft<br />
am Ufer der Schnute oder mit einem kleinen<br />
Boot unterwegs, um Fische zu fangen.<br />
Albert ist ein freiwilliges Mitglied der Dorfmiliz<br />
und daher ab und zu im Rathaus anzutreffen.<br />
Die Tochter Judith ist die einzige richtige<br />
Freundin von Natasha-Svetlana Ulanov in<br />
Schnutenbach und fragt sich schon seit langer<br />
Zeit, was für ein Geheimnis diese wohl<br />
sogar vor ihr verbergen mag.<br />
Judith hat Natasha-Svetlana einmal beim<br />
Bad in der Schnute überrascht, und diese<br />
war damals völlig entsetzt und hatte sich<br />
schnell angezogen, noch ehe das erstaunte<br />
Mädchen überhaupt wirklich nahe herangekommen<br />
war...<br />
20. Wohnhaus<br />
In diesem Gebäude lebt die Soldatin Leonora<br />
Mororov aus Praag. Sie ist vom Bürgermeister<br />
fest angestellt worden, als sie auf<br />
einer Reise hier vorbeikam, und soll nun für<br />
die Ausbildung der Dorfmiliz sorgen.<br />
Leonora ist eine hervorragende Kriegerin,<br />
hat aber schon lange genug vom Blutvergießen.<br />
Eine lange Narbe läuft quer durch ihr wettergegerbtes<br />
Gesicht, das von einer herben<br />
Schönheit ist. Eines ihrer grauen Augen<br />
wurde durch diese Wunde zerstört, weswegen<br />
sie eine Augenklappe trägt. Ihr langes,<br />
braunes Haar ist bereits von frühen grauen<br />
Strähnen durchzogen, sie trägt es meist zu<br />
einem Zopf geflochten. Leonora Mororov<br />
zog nach unzähligen schrecklichen Erlebnissen<br />
aus Praag fort und wanderte einige Zeit<br />
durch Kislev, nur um dann hier zu landen. Sie<br />
genießt die Ruhe im Ort und gilt als schweigsame<br />
Einzelgängerin, wird aber von allen mit<br />
großem Respekt behandelt...<br />
21. Bader<br />
Schnutenbach besitzt den besonderen<br />
Luxus eines Baders, der allerdings auch die<br />
Funktionen Arzt, Zahnarzt, Apotheker und<br />
Barbier ausübt.<br />
In dem zweistöckigen Haus lebt und arbeitet<br />
Dietrich Masthoff, ein Mann mittleren<br />
Alters, der wegen einiger kleinerer Vergehen<br />
aus Middenheim flüchten musste und<br />
hier, weitab von allen großen Städten, ein<br />
neues Zuhause gefunden hat. Durch seine<br />
verschiedenen Lehrstellen in Middenheim ist<br />
Dietrich durchaus ein einigermaßen fähiger<br />
Arzt, wenn es ihm auch wegen seiner Faulheit<br />
immer versagt war, wirkliche Größe zu<br />
erlangen.<br />
Er ist im Dorf angesehen und beliebt, denn<br />
er gibt gerne Geschichten von den großen<br />
Städten wie Middenheim, Nuln oder Altdorf<br />
zum besten, in denen er ja überall bereits<br />
war, wobei er natürlich die Streitigkeiten mit<br />
seinen diversen Lehrmeistern verschweigt.<br />
Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich<br />
der Laden des selbsternannten Arztes, in<br />
dem sowohl Verletzungen behandelt, wie<br />
auch Haare geschnitten werden!<br />
Ein falsches Ärzte-Diplom aus Middenheim<br />
hängt an der Wand, das jedoch von einem<br />
aufmerksamen Abenteurer (INT-Test, aber<br />
nur erlaubt, wenn er Law besitzt) als Fälschung<br />
entlarvt werden kann.<br />
22. Schreinerei<br />
Dieses große Anwesen am Fluss gehört<br />
Jens Hitzfeld, der nach dem Pferdezüchter<br />
Konrad-Ludwig Weisgerber der wohl reichste<br />
und einflussreichste Mann im Dorf sein<br />
dürfte. Er folgte bereits früh der Devise, dass<br />
in so einem entlegenen Örtchen wie Schnutenbach<br />
immer Bedarf an verarbeitetem<br />
Holz bestehen müsste, was auch tatsächlich<br />
der Fall war.<br />
Demzufolge begann Jens Hitzfeld als einfacher<br />
Holzfäller, bis er nach und nach eine kleine<br />
Schreinerei für Möbel, aber auch Balken<br />
für Häuserdecken und ähnliches aufzubauen<br />
begann.<br />
Feste und Feiertage<br />
Natürlich gibt es auch in Schnutenbach<br />
viele größere und kleinere Feiern, auf der<br />
fast alle Dörfler zusammenkommen und<br />
es sich trotz ihres beschwerlichen Lebens<br />
einmal gutgehen lassen! Die typischen<br />
Feiertage aus dem Empire, die hier gepflegt<br />
werden, sind:<br />
Mitterfruhl<br />
Auch in Schnutenbach wird das Nahen<br />
des Sommers gefeiert. Auf dem Marktplatz<br />
werden hierfür ein Holzpodest und<br />
mehrere lange Tische und Bänke aufgestellt.<br />
Dann werden Obstschalen bereitet, es<br />
gibt gebratenen Ochsen am Spieß, Ströme<br />
von Bier und Wein und jede Menge<br />
Kuchen und Torten!<br />
Das Fest geht bis spät in die Nacht und<br />
wird von Musik und Tanz untermalt. Die<br />
Legende sagt, wer sich an Mitterfuhl verliebt,<br />
wird sein Leben lang glücklich sein...<br />
Mondstille<br />
Dies ist im ganzen Empire ein großes Fest<br />
und wird auch in diesem kleinen Dorf<br />
von ganzem Herzen gefeiert, schließlich<br />
markiert es den Wendepunkt des Winters<br />
und ein nahendes Ende der harten Zeit, in<br />
der so manch ein Dorfbewohner um sein<br />
Leben bangen musste.<br />
In allen Fenstern des Dorfes werden<br />
Kerzen aufgestellt und der gesamte<br />
Dorfplatz wird von Fackeln beleuchtet.<br />
Ein mächtiges Lagerfeuer prasselt hier<br />
und das Fest beginntnach Einbruch der<br />
Dunkelheit, wenn sich alle Dörfler am<br />
Dorfausgang versammeln und mit brennenden<br />
Kerzen feierlich bis zum Dorfplatz<br />
marschieren.<br />
Dort gibt es meist eine kurze Ansprache<br />
des jeweiligen Dorfoberhaupts, ehe die<br />
Dörfler an den aufgestellten Tischen<br />
Platz nehmen und die eigentliche Feier<br />
beginnen kann.<br />
Das Fest Mondstille dauert die ganze<br />
Nacht bis zum Sonnenaufgang. Erst dann<br />
werden alle Lichter gelöscht.Die Legende<br />
sagt, dass, falls eine Kerze im Fenster<br />
Da sich sonst niemand im Ort für die Holzbearbeitung<br />
interessierte oder genug Zeit<br />
dafür aufwenden konnte, schuftete er oft<br />
Tag und Nacht, um den Bedarf an günstigen<br />
und robusten Möbelstücken zu decken.<br />
Heute läuft seine Schreinerei immer noch<br />
sehr gut, denn die Holzdächer des Dorfes be-<br />
Seite 42<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Natürlich könnte Calinar vom Erlös dieser<br />
Verkäufe nicht lange leben, denn die wenigen<br />
Bögen, die er hier verkauft, bringen nicht<br />
so viel ein.<br />
In Wahrheit ist Calinar auf der Flucht vor<br />
seinem eigenen Volk! Calinar ist kein Waldelf,<br />
wie er es vorgibt, sondern ein Dunkelelf! Allerdings<br />
hat er sich – so unglaublich das auch<br />
klingen mag – von den dunklen Pfaden seines<br />
Volkes abgewandt. Früher war er allerdings<br />
ein Assassine und ergebener Gefolgsmann<br />
des Gottes Khaine, bis ihm eines Tages<br />
aufgetragen wurde, seine eigene Familie zu<br />
töten...<br />
Calinar tat es, doch bereits kurz darauf<br />
starben alle jene, die ihn durch diese Tat prüfen<br />
wollten, einen grausamen Tod. Danach<br />
musste er fliehen und nahm im Laufe der Zeit<br />
die Tarnung als Waldelf an, bis er irgendwann<br />
einmal schließlich in Schnutenbach landete.<br />
Der Dunkelelf möchte nur seine Ruhe und<br />
geht jedem Ärger so weit wie möglich aus<br />
dem Wege, um seine Tarnung nicht zu verlieren.<br />
Sollte seiner neuen Heimat allerdings<br />
Gefahr drohen, so wird er sie – entgegen seiner<br />
früheren Art – erbittert verteidigen! Er ist<br />
des Davonlaufens müde...<br />
Übrigens kommt er einigermaßen – für<br />
einen Elfen sogar erstaunlich – gut mit den<br />
Zwergen der nahegelegenen Mine aus, die<br />
von Anfang an erstaunt und überrascht waren,<br />
wie viel er über den Bergbau wusste...<br />
Bei seinen Streifzügen durch die Wälder<br />
entdeckte Calinar Mesmeris eines Tages<br />
zwangsläufig auch den Turm des Zauberers<br />
Reinhold Reggenhard, von dem sich die Dorfbewohner<br />
nur im Flüsterton erzählen. Nach<br />
und nach besuchte Calinar den Zauberkundigen<br />
häufiger, denn die beiden hatten einander<br />
viel zu erzählen und konnten – jeder auf<br />
seine selbstsüchtige Weise – viel voneinander<br />
lernen... Der Dunkelelf fertigt ausgezeichnete<br />
Bögen, die er mit feinen Schnitzereien verziert,<br />
welche die Belastbarkeit des Bogens in<br />
keinster Weise verringern. Auf Wunsch und<br />
bei besonders guter Bezahlung (doppelter<br />
Preis) kann er sogar Bögen anfertigen, die<br />
mehr Schaden verursachen als normal (der<br />
Benutzer muss dann mindestens einen DEXwährend<br />
des Festes ausgehen sollte,<br />
bald eine Person in diesem Haus sterben<br />
wird...<br />
Schlachtfest<br />
Diese Feier mit dem etwas seltsamen Namen<br />
ist einzigartig in Schnutenbach. Im<br />
Frühjahr schlachtet jeder von den Bauern,<br />
der es sich leisten kann, ein Tier, lässt es<br />
in ein Fass ausbluten und veranstaltet<br />
dann in seinem Hof ein kleines Fest. Es ist<br />
aber schon vorgekommen, dass zu dieser<br />
Zeit ankommende Reisende einen etwas<br />
merkwürdigen Eindruck von diesem Dorf<br />
bekommen haben, denn Fässer voller<br />
Blut, die am Rande der Straße stehen,<br />
und zudem blutverschmierte Männer mit<br />
Schlachtermessern lassen allerlei Vermutungen<br />
zu...<br />
Das Blut wird eine Nacht stehengelassen<br />
und am nächsten Morgen darf sich jeder<br />
Einwohner Schnutenbachs eine Schöpfkelle<br />
davon holen und es trinken: Dies soll<br />
angeblich Krankheiten fernhalten!<br />
Taalstanz<br />
Dieses Fest ist nur in diesem Landstrich<br />
verbreitet und im Empire selbst relativ<br />
unbekannt.<br />
Es entstand wohl aus einem alten, überlieferten<br />
Fest zu Ehren Leshy’s, wurde<br />
aber recht schnell zu einer Feier für den<br />
Gott Taal umgewandelt!<br />
Die jungen, unverheirateten Burschen<br />
Schnutenbachs ziehen sich gegen Abend<br />
zurück und legen Felle und Pelze sowie<br />
furchterregende Masken an, so dass sie<br />
fast schon wie Beastmen aussehen.<br />
Nachts kommen sie dann schreiend und<br />
brüllend ins Dorf und „terrorisieren“ die<br />
Einwohner mit Schabernack und allerlei<br />
derben Scherzen. Das Fest findet seinen<br />
Höhepunkt gegen Mitternacht, wenn<br />
die unverheirateten Frauen des Dorfs<br />
einen Tanz auf dem Dorfplatz beginnen,<br />
um die „Geister“ zu besänftigen. Dabei<br />
werden die Burschen in ihren Kostümen<br />
lammfromm und werden dann unter dem<br />
Applaus und Gelächter der Einwohner<br />
von den Frauen aus dem Dorf getrieben...<br />
nötigen ab und an immer wieder einer Reparatur<br />
und so kann Jens zusammen mit seinen<br />
Söhnen Rüdger und Tobias in eine gesicherte<br />
Zukunft blicken.<br />
Allerdings hat sein Werdegang Spuren im<br />
Charakter von Jens Hitzfeld hinterlassen: Er<br />
ist ein herrischer, jähzorniger und hochmütiger<br />
Mensch, der glaubt, mit Geld alles erreichen<br />
zu können!<br />
Vor allem seine viel jüngere Frau Valentyna<br />
Puchkov und seine Töchter Gisela und Gabi<br />
müssen unter den Launen ihres Vaters leiden.<br />
Tobias Hitzfeld ist seit langem in Judith<br />
Dockhorn verliebt und die beiden treffen sich<br />
abends heimlich am Rande des Dorfes, da<br />
sein Vater eine solche Beziehung zu den einfachen<br />
Dockhorns niemals billigen würde...<br />
23. Bäcker<br />
Dieses schön hergerichtete, zweistöckige<br />
Gebäude hat ein Metallschild über dem Eingang<br />
baumeln, auf dem ein großer Laib Brot<br />
abgebildet ist.<br />
Wie nicht besonders schwer zu erraten<br />
war, wird hier Brot gebacken und verkauft.<br />
Bis vor einigen Jahren bereiteten die meisten<br />
Schnutenbacher ihr Brot noch selbst zu,<br />
doch als Volkhart Schleier zusammen mit<br />
seiner Frau Marlies in den Ort zog, sollte sich<br />
dies ändern.<br />
Volkhart traf eine Vereinbarung mit<br />
dem Müller und begann schon bald, weit<br />
schmackhafteres Brot zu backen, als dies in<br />
den kleinen, oftmals improvisierten Öfen der<br />
Schnutenbacher möglich war.<br />
Natürlich backen einige Einwohner ihr tägliches<br />
Brot immer noch selbst, aber der Großteil<br />
kauft mittlerweile bei Volkhart Schleier.<br />
Das Ehepaar Schleier hat eine Tochter<br />
namens Angelika, die zusammen mit ihnen<br />
hierhergezogen ist und die mit dem Leben in<br />
diesem kleinen Dorf immer noch nichts anzufangen<br />
weiß.<br />
Sie ist unzufrieden und missgünstig und<br />
verbreitet meist erfundenen oder hemmungslos<br />
übertriebenen Klatsch.<br />
n letzter Zeit hat sie es vor allem auf Natasha-Svetlana<br />
Ulanov abgesehen, denn sie<br />
weiß, dass hinter der scheuen Art des Mädchens,<br />
das sich kaum jemals länger als eine<br />
Stunde im Dorf sehen lässt, ein interessantes<br />
Geheimnnis verbergen muss!<br />
Die Kinder der Familie, welche nach ihrer<br />
Ankunft hier im Dorf geboren wurden, mutierten<br />
bereits kurze Zeit nach ihrer Geburt<br />
und waren obendrein von schweren, widernatürlichen<br />
Krankheiten gekennzeichnet.<br />
Auf Anraten des Taal-Priesters setzte Volkhart<br />
alle Kinder im Wald aus, ohne dass seine<br />
Frau davon wusste.<br />
Beide sind beunruhigt und vermuten, dass<br />
es hier irgend etwas geben muss – vielleicht<br />
eine alte Kultstätte – welche einen Zauberbann<br />
oder Fluch über das Dorf gebracht<br />
hat...<br />
24. Bogner<br />
In diesem kleinen Häuschen lebt der Elf<br />
Calinar Mesmeris. Allerdings ist er eher selten<br />
hier im Ort zu finden, sondern meist in<br />
den umliegenden Feldern und Wäldern anzutreffen,<br />
wo er nach geeignetem Holz für seine<br />
hervorragenden Langbögen sucht.<br />
Abenteuer<br />
Seite 43
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
Wert von 50 und einen S-Wert von 6 haben,<br />
um den Langbogen mit S 5 zu benutzen)!<br />
25. Wohnhaus<br />
In diesem Gebäude lebt die Witwe Helene<br />
Aderhold, deren Gemahl vor kurzer Zeit gestorben<br />
ist. Ihre Ehe blieb ohne Nachkommen<br />
und so lebt sie nun alleine in einem Haus<br />
voller Erinnerungen.<br />
Sie ist immer an Geschichten aus aller<br />
Welt interessiert und weiß auch einiges über<br />
Schnutenbach und seine Umgebung zu berichten.<br />
Helene verdient sich ein wenig Geld durch<br />
Schneiderarbeiten und näht auf Wunsch auch<br />
ausgefallenere Gewandungen. Mit ihr im<br />
Haus leben drei Katzen namens Miez, Maunz<br />
und Schnurr, aber eigentlich finden sich hier<br />
regelmäßig alle Katzen des Dorfes ein, denn<br />
sie wissen, dass die gutherzige Helene für sie<br />
immer einen Brocken Fleisch übrig hat...<br />
26. Bauernhof<br />
Auf diesem relativ kleinen Hof lebt die Familie<br />
Landsteiner. Das Familienoberhaupt ist<br />
Edgar Landsteiner, der allerdings gewaltig<br />
unter dem Pantoffel seiner Frau Anke Landsteiner<br />
steht. Dennoch führen die beiden<br />
eine glückliche Ehe und ihre Kinder Adelheid,<br />
Hildegard, Ernst und Erich verbrachten eine<br />
glückliche Kindheit in Schnutenbach.<br />
Nur ihre jüngsten Kinder, Joachim und Johanna,<br />
machen den beiden etwas Sorgen.<br />
Joachim scheint andauernd krank zu sein<br />
und es erscheinen in regelmäßigen Abständen<br />
nässende und eiternde Pusteln auf seinem<br />
Körper, die von Mal zu Mal schlimmer zu<br />
werden scheinen, und das Mädchen Johanna<br />
hat kleine Federn am ganzen Körper.<br />
Da die Familie Landsteiner aber gläubige<br />
Anhänger Taals sind und regelmäßig die Messe<br />
besuchen, hoffen sie zuversichtlich, dass<br />
bald eine Besserung eintreten wird...<br />
27. Wohnhaus<br />
Hier wohnt der aus Kislev stammende Piatras<br />
Rakovich, der sich seinen Lebensunterhalt<br />
damit verdient, abends des öfteren im<br />
„Grinsenden Oger“ seine Laute zu spielen<br />
und größtenteils kislevikische Volksweisen<br />
vorzutragen. Ab und an wird er auch in die<br />
Kutschstation gebeten, meist dann, wenn<br />
Adlige aus seiner Heimat dort verkehren und<br />
es den hochwohlgeborenen Herren zu langweilig<br />
wird; für diese Fälle hat er erstaunlich<br />
schöne Lieder parat, die mit den sonstigen<br />
derben Trinkliedern nichts zu tun haben...<br />
Seite 44<br />
Das Gebäude, in dem Piatras lebt, ist einstöckig<br />
und ein Fachwerkhaus. Er benötigt nur<br />
ein Zimmer, in dem er lebt und schläft.Ordnung<br />
ist für ihn ein Fremdwort. Er ist abends<br />
of bei der Familie Yakushenko zu Gast, denen<br />
er gerne seine Lieder vorspielt.<br />
Er tut dies vor allem für Ophelia, denn er<br />
weiß, dass sie allen Trost brauchen kann, den<br />
es gibt und so hat sich im Laufe der Zeit eine<br />
innige Freundschaft entwickelt, die von beiden<br />
Seiten gepflegt wird...<br />
28. Leerstehendes<br />
Haus<br />
In dieser verfallenen Ruine, von der nur<br />
noch der Keller und das Erdgeschoss erhalten<br />
sind, soll es angeblich spuken. Zwar wird<br />
diese Geschichte von den Einheimischen mit<br />
einem Lächeln erzählt, aber dies liegt vor<br />
allem daran, dass der „Geist“ bisher noch<br />
keinen Schaden angerichtet hat. Ansonsten<br />
würden die sehr abergläubischen Einwohner,<br />
die ohnehin durch die Vorkommnisse der<br />
letzten Zeit arg mitgenommen und misstrauisch<br />
sind, bestimmt etwas unternehmen.<br />
In der Tat glauben die meisten Schnutenbacher,<br />
dass es sich beim Treiben um dieses<br />
leere Haus am Ortsrand um die heimlichen<br />
Treffen junger Liebespärchen oder Lausbuben<br />
handelt.<br />
Und das ist auch wirklich so...<br />
29. Imker<br />
In diesem einstöckigen Gebäude lebt der<br />
Imker Waldemar Eggebrecht zusammen mit<br />
seiner Frau Sofya und seinen Töchtern Lilia,<br />
Irina und Anya.<br />
Waldemar ist ein aufbrausender, aber<br />
humorvoller Mann im mittleren Alter, der<br />
schnell in Rage gerät, aber ebenso schnell<br />
wieder verzeihen kann.<br />
Seine Frau Sofya, die er vor einigen Jahren<br />
geheiratet hat, ist eine stille und zierliche Person,<br />
die aber viel dazu beiträgt, ihn ruhiger<br />
werden zu lassen. Seinen größten Wunsch<br />
aber, nämlich einen Sohn, konnte sie ihm bisher<br />
nicht erfüllen, aber er nimmt es mit Fassung,<br />
denn er liebt seine Töchter über alles.<br />
Leider zeigt auch Anya, die Jüngste, Zeichen<br />
von Krankheit und ihre Haut wird immer<br />
dunkler (durch die Mutation Black Skin)...<br />
Waldemar hat seine Bienenstöcke außerhalb<br />
des Dorfes auf einem kleinen Hügel stehen,<br />
umgeben von großen Blumenwiesen,<br />
und da in Schnutenbach Zucker – wie in den<br />
meisten Dörfern und Städten des Empire<br />
– ziemlich rar ist, macht er trotz niedriger<br />
Preise ein gutes Geschäft, so dass er den Lebensunterhalt<br />
für seine Familie sichern kann.<br />
Seine älteste Tochter Lilia ist oft auf der Blumenwiese<br />
unterwegs, wo sie sich ins Gras<br />
legt und vor sich hin träumt, wenn sie ihrem<br />
Vater nicht bei der Arbeit hilft...<br />
30. Jäger<br />
Hier lebt der Jäger Fritz Tagwerker, ein<br />
grimmiger, unangenehmer Zeitgenosse, der<br />
abends im „Grinsenden Oger“ gerne einen<br />
über den Durst trinkt.<br />
Das einstöckige Haus wirkt von außen ungepflegt,<br />
innen ist es jedoch überraschend<br />
sauber.<br />
Hierfür ist Astrid Bottner verantwortlich,<br />
die als Waise in Schnutenbach aufwuchs und<br />
geistig ein wenig zurückgeblieben ist.<br />
Da Fritz Tagwerker wusste, dass er mit Sicherheit<br />
keine Frau in Schnutenbach bekommen<br />
würde, holte er sich Astrid ins Haus, die<br />
vorher als Magd bei den verschiedenen Bauernhöfen<br />
gearbeitet hatte, bis sie alt genug<br />
war, auf eigenen Beinen zu stehen.<br />
Obwohl Astrid nicht sehr intelligent ist,<br />
weiß sie, dass Fritz kein guter Mann ist, denn<br />
obwohl sie für ihn kocht und putzt, schlägt<br />
er sie allzu oft – vor allem, wenn er wieder<br />
einmal betrunken ist oder auf der Jagd kein<br />
Glück hatte.<br />
Fritz ist, im Gegensatz zu Astrid, im Dorf<br />
nicht beliebt und alle bedauern die junge<br />
Frau, wagen aber nichts zu sagen, denn der<br />
Jäger ist als brutaler Schläger bekannt...<br />
In den letzten Wochen hatte Fritz Tagwerker<br />
immer weniger Glück bei der Jagd und<br />
verdächtigt nun Roman Zorin, den zweiten<br />
Jäger Schnutenbachs, irgend etwas gegen<br />
ihn ausgeheckt zu haben.<br />
Hinzu kommt die Tatsache, dass Romans<br />
Jagdglück scheinbar trotz dem mangelnden<br />
Wild nicht nachgelassen hat und er immer<br />
wieder erjagte Tiere ins Dorf bringt<br />
31. GroSSmutter Herrbruck<br />
Dieses kleine, windschiefe und oft nur<br />
notdürftig reparierte Häuschen am äußersten<br />
Rande Schnutenbachs ist das Heim von<br />
„Großmutter“ Adelheid Herrbruck, deren Alter<br />
nur noch sehr schwer abzuschätzen ist.<br />
Sie läuft gebeugt und unter Keuchen und<br />
Husten und unter ihrem schlohweißem Haar<br />
befindet sich ein Gesicht, das von tiefen Furchen<br />
durchzogen ist.<br />
Die grauen Augen in diesem Gesicht blicken<br />
aber noch sehr klar und scharf und scheinen<br />
einem Gegenüber direkt ins Herz zu sehen...<br />
Adelheid wird spaßeshalber in Schnuten-<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
bach als Hexe bezeichnet, wahr ist, dass sie<br />
mit den Bewohnern des Ortes – sieht man<br />
vom Köhler, dem Müller und dem Jäger Roman<br />
Zorin einmal ab, nicht viel zu tun hat<br />
und lieber mit ihrem schwarzen Raben Pavilis<br />
spricht.<br />
Und es ist in der Tat so, dass Großmutter<br />
Herrbruck nicht zu den Messen des Priesters<br />
erscheint, da sie dem Alten Glauben angehört<br />
und obendrein schon lange mutmaßt,<br />
dass Cornelius Trautmann nicht der Mensch<br />
ist, der er zu sein vorgibt! Das Haus von Adelheid<br />
besteht nur aus einem großen Raum, in<br />
dem auch ihre Tiere – eine Ziege, zwei Hühner<br />
und natürlich der Rabe, leben.<br />
Demzufolge ist der Geruch in der Wohnstube<br />
eher als markant- herb zu bezeichnen,<br />
aber daran stört sie sich nicht.<br />
Von den Deckenbalken baumeln allerlei<br />
getrocknete Kräuterbündel, mehrere ausgestopfte<br />
Tiere sitzen auf den Regalen an den<br />
Wänden und ein großer Topf neben dem offenen<br />
Kamin dient als Kochgeschirr.<br />
Großmutter Herrbruck ist die einzige im<br />
Dorf, die vom Schicksal von Natasha-Svetlana<br />
Ulanov weiß und sie bedauert das junge<br />
Mädchen von ganzem Herzen, das sich<br />
so aufopferungsvoll um die ganze Familie<br />
kümmert und nie ein normales Leben führen<br />
wird. Natasha-Svetlana kommt öfter zu der<br />
alten Frau, denn ihre Familie benötigt wegen<br />
ihrer Krankheiten und Mutationen sehr oft<br />
Medizin, die sie kostenlos in Form von Kräutern<br />
von Adelheid erhält. Großmütterchen<br />
versteht sich erstaunlich gut mit dem Gnom<br />
Jerome LaFontaine aus der kleinen Ansiedlung<br />
Stammheim, den sie aber nur sehr selten<br />
sieht.<br />
Adelheid Herrbruck ist eine alte Frau mit<br />
einem großen Erfahrungsschatz und von beachtlicher<br />
Intelligenz mit einem kleinen und<br />
überaus nützlichen Vorrat an vorbereiteten<br />
Tränken, die eine sehr wertvolle Verbündete<br />
sein kann – aber ihr Vertrauen ist gewiss<br />
nicht leicht zu erringen...<br />
32. Pensionär<br />
In diesem kleinen Fachwerkhaus wohnt Jochen<br />
Sauer, ein ehemaliger Abenteurer, der<br />
in seiner Jugend viele Reisen unternommen<br />
hat und einige (wahre) Geschichten zu erzählen<br />
hat – falls ihn jemand danach fragt.<br />
Jochen ist ein alter Mann, der nicht sonderlich<br />
kontaktfreudig ist und abends meist<br />
ein wenig abseits im „Grinsenden Oger“ sitzt<br />
und versonnen in seinen Bierhumpen blickt.<br />
Er sah auf seinem abenteuerlichen Eskapaden<br />
zu viele seiner Freunde sterben, unter<br />
anderem auch seine einzige große Liebe, und<br />
bei seiner letzten Reise verlor er sein Bein im<br />
Kampf gegen eine Orkhorde, so dass er nun<br />
mit einem Holzfuß laufen muss.<br />
Er hat sich hier in Schnutenbach – fern von<br />
vielen oft quälenden Erinnerungen – niedergelassen<br />
und mittlerweile ist seine verschlossene,<br />
wenn auch höfliche, Art von den Einwohnern<br />
akzeptiert worden.<br />
In letzter Zeit ist er gegenüber Leonora<br />
Mororov ein wenig aufgetaut und unterhält<br />
sich angeregt mit ihr, was ansonsten gar<br />
nicht seine Art ist.<br />
In seinem kleinen Haus bewahrt er die Reste<br />
seiner Zeit als Abenteurer auf: Rüstung,<br />
Waffen und diverse Erinnerungsstücke. Falls<br />
Schnutenbach in Gefahr sein sollte, wäre er<br />
einer der wenigen erfahrenen – wenn auch<br />
durch sein Holzbein behinderten – Kämpfer<br />
im Ort...<br />
Gehöfte und<br />
Häuser auSSerhalb<br />
Schnutenbachs<br />
33. Pferdezucht<br />
Auf diesem großen Anwesen außerhalb<br />
Schnutenbachs lebt die Familie Weisgerber,<br />
reiche Pferdezüchter von zweifelhaftem Ruf.<br />
Der Vater, Konrad-Ludwig Weisgerber, entdeckte<br />
bereits früh die Möglichkeit, auf den<br />
ausgedehnten Wiesen Reitpferde für die Reiterei<br />
in Kislev zu züchten und nach einigen<br />
Rückschlägen brachte er es dann auch zustande,<br />
einen Vertrag auszuhandeln, so dass<br />
ihm auf Jahre hinaus die Abnahme seiner Tiere<br />
gesichert ist!<br />
Das Haus ist dreistöckig und wirkt mehr<br />
wie eine Villa – wenn auch protzig und einigermaßen<br />
geschmacklos – denn ein gewöhnliches<br />
Wohnhaus.<br />
Große Anbauten, zumeist Pferdeställe,<br />
gruppieren sich um das Wohngebäude, auf<br />
dessen Veranda das Familienoberhaupt<br />
abends gerne mal ein Pfeifchen raucht.<br />
Die Weiden der Pferde sind eingezäunt und<br />
befinden sich rings um die Ansammlung von<br />
Gebäuden. Neben Konrad-Ludwig Weisgerber<br />
wohnen hier sein Vater Gotthold sowie<br />
die Mutter seiner Frau namens Helga Pfender;<br />
die beiden können sich auch nach allen<br />
Jahren des Zusammenlebens auf den Tod<br />
nicht ausstehen und sind ununterbrochen<br />
am streiten! Die Gemahlin Konrads heißt Brigitte<br />
Weisgerber und ist ebenso übellaunig<br />
und herrschsüchtig wie ihr Ehemann – Geld<br />
verdirbt eben doch den Charakter...<br />
Zusammen mit ihnen leben hier ihre Kinder<br />
Bertha, Kathe, Winfried, Raimund und Christoph.<br />
Vor allem die Söhne sind im Dorf gefürchtete<br />
Raufbolde und gehen keinem Streit aus<br />
dem Weg.<br />
Sie sind, ebenso wie ihr Vater, der Ansicht,<br />
dass man für Geld alles bekommen kann und<br />
benehmen sich dementsprechend! Raimund<br />
hat ein Auge auf Irina Eggbrecht, die Tochter<br />
des Imkers, geworfen und nimmt ihre<br />
Zurückweisungen mit immer größerem Zorn<br />
entgegen – es kann nicht mehr lange dauern,<br />
bis sich seine Wut in einer Gewalttat entlädt.<br />
In einem kleinen Anbau am Hauptgebäude<br />
leben die Knechte Lothar, Egon, Jochen, Jens<br />
und Peter, die zwar unter der Tyrannei ihres<br />
Dienstherrn zu leiden haben, dies aber nur zu<br />
gerne an den Dörflern auslassen. Ebenfalls<br />
hier wohnen die Mägde Regina, Gabi und<br />
Sabine, die sich meistens nur weit weg von<br />
diesem Ort wünschen...<br />
Konrad-Ludwig Weisgerber lebt nur dafür,<br />
möglichst viel Einfluss und Geld zu erlangen<br />
und reitet oft zusammen mit seinen Söhnen<br />
durch Schnutenbach, um die Einwohner wissen<br />
zu lassen, dass er hier der „Herr“ ist!<br />
In der Tat besitzt er eigentlich den Großteil<br />
Schnutenbachs, denn das Land ringsum<br />
gehört ihm und er könnte theoretisch sogar<br />
Wegzoll für die Straße ins Dorf kassieren,<br />
wenn er es wollte...<br />
Konrad-Ludwig und seine Familie sind einflussreiche<br />
und auch gefährliche Personen<br />
und das Familienoberhaupt schreckt auch<br />
vor einem Mord nicht zurück, vorausgesetzt,<br />
dies dient seinen Plänen!<br />
34. Bauernhof<br />
Auf diesem heruntergekommen wirkenden,<br />
umzäunten Hof lebt die Familie Ulanov.<br />
Die meisten Einwohner Schnutenbachs wissen,<br />
dass diese Einwanderer aus Kislev schon<br />
sehr lange hier leben und sich ebenso lange<br />
noch nie haben im Dorf sehen lassen!<br />
Nur die erwachsene, liebreizende Tochter<br />
Natasha-Svetlana Ulanov kommt regelmäßig<br />
in Schnutenbach vorbei, um größere Einkäufe<br />
zu erledigen, verschwindet aber ebenso<br />
rasch wieder...<br />
Natasha-Svetlana ist mit Abstand das hübscheste<br />
Mädchen in der ganzen Umgebung<br />
(manche sagen, im ganzen Empire) und bietet<br />
mit ihren hüftlangen, blondgelockten<br />
Haaren, den giftgrünen Augen und ihrem<br />
sympathischen und bezaubernden Gesicht<br />
wirklich Anlass, mehr als einmal hinzublicken.<br />
Abenteuer<br />
Seite 45
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
Aber jeder in Schnutenbach weiß ebenfalls,<br />
dass sie bisher alle der unzähligen Heiratsanträge<br />
der Dorfburschen zurückgewiesen hat,<br />
da sie sich um ihre Familie kümmern müsse,<br />
die teilweise krank sei und der Pflege bedürfe!<br />
Dies ist noch nicht einmal gelogen, kommt<br />
aber auch bei weitem nicht an die tragische<br />
Wahrheit heran...<br />
Die gesamte Familie Ulanov unterliegt<br />
schrecklichen Krankheiten und Mutationen,<br />
da die Großeltern lange Zeit in Kislev gelebt<br />
und ohne es zu wissen über Jahre hinweg<br />
nahe einem großen Klumpen Warpstone gewohnt<br />
hatten!<br />
Dies blieb für sie vorerst noch ohne größeren<br />
Folgen, denn die Mutationen setzten erst<br />
spät ein – ihre Kinder jedoch waren bereits<br />
schrecklich veränderte Wesen, die sich verstecken<br />
mussten.<br />
Schließlich wurden sie doch entdeckt und<br />
mussten fliehen. Ihr Weg führte sie hierher,<br />
wo sie sich in einem leerstehenden Gehöft<br />
niederließen.<br />
Auch die Nachkommen der Kinder der<br />
Großeltern Ulanov sind teilweise schrecklich<br />
entstellt, was man von der jüngsten Tochter,<br />
Natasha-Svetlana, allerdings auf den ersten<br />
Blick nicht behaupten kann.<br />
Natasha-Svetlana opfert sich für ihre Familie<br />
auf, denn sie weiß, dass allein sie in der<br />
„Außenwelt“ als normaler Mensch durchgehen<br />
kann.<br />
Doch der Grund, warum sie bisher alle Heiratsanträge<br />
zurückgewiesen hat, liegt noch<br />
weit tiefer. Zwar ist sie auf den ersten Blick<br />
ein wirklich wunderschönes und reizendes<br />
Mädchen, doch würde sie ein Freier entblößt<br />
sehen, so käme das Gesicht zum Vorschein,<br />
das auf der Höhe ihres Bauches sitzt.<br />
Dies ist Natasha-Svetlanas „Schwester“<br />
Larissa-Lilia, mit der sie sich oft unterhält (immerhin<br />
verbringen sie ja auch sehr viel Zeit<br />
miteinander)...<br />
Die übrigen Mitglieder der Familie Ulanov<br />
sind: Großvater Yuri Ulanov, leidet unter Bestial<br />
Face und Snake Tail, Großmutter Tatyana,<br />
leidet unter Birds Feet und Crest. Dann ist<br />
da der Vater von Natasha-Svetlana namens<br />
Vitali, er leidet unter Cloven Hooves und Eyestalks,<br />
seine Frau Lyuba ist Headless.<br />
Die übrigen Kinder sind Vadim – er hat<br />
Horns und ein Featureless Face – Vladas, der<br />
unter einem Long Neck und Multiple Arms<br />
leidet, sowie Zoya, die ein Rearranged Face<br />
besitzt. Den schrecklichsten Anblick der Familie<br />
bietet aber Mira Ulanov, die Multiple<br />
Heads besitzt und zudem ein Crossbreed mit<br />
Seite 46<br />
einer Giant Spider ist!<br />
Sie hält sich vor Scham sogar vom Rest der<br />
Familie fern und lebt im Stall... Immerhin hat<br />
auch Natasha-Svetlana noch weitere Mutationen:<br />
Sie verfügt über eine Mane of Hair und<br />
einen Massive Intellect! Die gesamte Familie<br />
Ulanov weiß, dass es nur eine Frage der Zeit<br />
ist, bis sie wieder einmal entdeckt werden<br />
und fliehen müssen.<br />
Dabei wird es wieder einmal keinen interessieren,<br />
wie sehr sie selbst unter ihren Mutationen<br />
zu leiden haben und einfach nur in<br />
Ruhe und Frieden leben möchten...<br />
In letzter Zeit ist Mira Ulanov manchmal<br />
heimlich bei Nacht aus dem Stall verschwunden,<br />
sie hat Kontakt zu den Mutanten im<br />
Wald aufgenommen und überlegt, sich ihnen<br />
anzuschließen! Falls der Bauernhof längere<br />
Zeit beobachtet wird, so fallen die vielen, teils<br />
stark mutierten Tiere auf, die hier gehalten<br />
werden – so haben die Ziegen z. B. mehrere<br />
Köpfe und die Hühner Tentakel als Beine, die<br />
Hofhunde nur eines oder drei Augen usw.<br />
35. Jäger<br />
In dieser kleinen Holzhütte direkt am<br />
Waldrand lebt der Jäger Roman Zorin, ein<br />
schweigsamer, aber freundlicher und hilfsbereiter<br />
Geselle, dessen Gesicht ein prächtiger<br />
Vollbart ziert und der auch sonst am ganzen<br />
Körper ziemlich behaart zu sein scheint. Vor<br />
der Hütte hängen meist einige Bärenfelle<br />
und aufgehängte, erlegte Kaninchen oder<br />
sonstiges Wild, das Roman aber meist in<br />
Schnutenbach verkauft. Da Roman Zorin ein<br />
Einzelgänger ist, kursieren über ihn natürlich<br />
einige Gerüchte im Dorf: Er sei ein Zauberer,<br />
ein Tiermensch oder – wie absurd – ein Werwolf!<br />
Wenn Roman solche Geschichten zu Ohren<br />
kommen, lacht er laut und herzhaft darüber<br />
und blickt sein Gegenüber nur mit einem<br />
Blick an, der diesem kalte Schauer über<br />
den Rücken jagt... In der Tat ist Roman Zorin<br />
wirklich ein Werwolf, er hat seinen Fluch<br />
aber relativ gut unter Kontrolle und nutzt seine<br />
Gabe zur Gestaltwandlung meist nur, um<br />
sich in manchen Nächten den Kitzel der Jagd<br />
und des Reißens der Beute zu genehmigen!<br />
Er kennt sich daher in den umliegenden Wäldern<br />
wirklich hervorragend aus und besucht<br />
ab und zu den Schrein zu Ehren Leshy’s, um<br />
ihm Tribut zu zollen. Er weiß auch, dass im<br />
Wald eine ständig wachsende Kolonie von<br />
friedlichen Mutanten existiert, hält sich aber<br />
von ihr fern... Roman Zorin bewegt sich auch<br />
in menschlicher Gestalt so lautlos, als würde<br />
er den Boden nicht berühren, was einige<br />
Leute in Schnutenbach schon lange nervös<br />
macht. Er kann ganz ausgezeichnet mit dem<br />
Kurzbogen umgehen und ist, wenn man erst<br />
einmal sein Vertrauen gewonnen hat, so höflich<br />
und freundlich, dass allein diese Tatsache<br />
ihn schon wieder merkwürdig erscheinen<br />
lässt...<br />
Stets bei ihm ist sein getreuer Wolfshund<br />
Shota, bei dem es sich natürlich um einen<br />
waschechten Wolf handelt.<br />
36.Köhler<br />
In dieser entlegenen Köhlerhütte im Wald<br />
wohnt der alte Ortwin Schliemann.<br />
Meist kann man neben der Hütte einen gewaltigen<br />
Haufen von aufgeschichtetem Holz<br />
finden, in dem es knackt und prasselt.<br />
Darin wird dann unter großer Hitze und<br />
Druck und mit viel Geschick seitens Ortwin<br />
Holzkohle hergestellt, die bei den Schnutenbachern<br />
sehr begehrt ist.<br />
Ortwin ist ein lebenslanger Junggeselle<br />
und ein wirklich eigenbrötlerischer Kauz,<br />
der niemanden in seine Hütte lässt und die<br />
Wälder als sein Eigentum betrachtet, die er<br />
gerade mal mit Roman Zorin teilen würde.<br />
Sollte man doch einmal in ein Gespräch mit<br />
ihm verwickelt werden – was schwierig ist,<br />
denn er kommt nur selten ins Dorf, um Kohle<br />
abzuliefern und in der Nähe seiner Hütte<br />
bedroht er jeden „Eindringling“ mit einer<br />
steinalten Blunderbuss – so ist er extrem<br />
wortkarg, doch sollte die Sprache auf Frauen<br />
kommen, so lässt er an ihnen kein gutes Haar<br />
(dabei handelt es sich übrigens um sein Lieblingsthema)!<br />
Auch Ortwin ist ab und zu beim Schrein<br />
Leshy’s anzutreffen und einmal im Jahr besucht<br />
er auch den ansonsten fast vergessenen<br />
Schrein Vodyanoy’s...<br />
37. Bauernhof<br />
Auf diesem großen Hof, der von ausgedehnten<br />
Wiesen voller Obstbäume umgeben<br />
ist, lebt und arbeitet die Familie Berghaus.<br />
Das Familienoberhaupt ist Karlfried Berghaus,<br />
ein dicker, gemütlicher Mann mit einem<br />
offenen und freundlichen Gesicht.<br />
Er isst gerne und viel und daher ist er auch<br />
seit langer Zeit glücklich mit Gunhild verheiratet,<br />
die ebenso wie er eine Vorliebe für gutes<br />
Essen hat und zudem auch gerne kocht!<br />
Ihre Kinder Veronika und Armin sind ebenso<br />
wie sie etwas pummliger geraten, doch<br />
der jüngste Sohn Ernst scheint ganz und gar<br />
aus der Art zu schlagen: Er ist spindeldürr und<br />
obendrein geistig etwas zurückgeblieben<br />
(dies kommt allerdings daher, dass er unter<br />
den Mutationen Thin und Moronic leidet)...<br />
Das einzige, was Karlfried wirklich aus der<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Fassung bringen kann, ist es, wenn irgendwelche<br />
Dorfrabauken sich wieder einmal ungefragt<br />
über seine Obstbäume hermachen,<br />
dann kann er trotz seiner enormen Leibesfülle<br />
nämlich ziemlich flink hinter den Obstdieben<br />
herlaufen!<br />
38. Magierturm<br />
Der Zauberkundige Reinhold Reggenhard<br />
bewohnt dieses imposante Gebäude, das<br />
in einer kleinen Senke inmitten des Waldes<br />
steht; es dauert von Schnutenbach aus immerhin<br />
einen ganzen Tag zu Fuß, um den<br />
Turm des Zauberkundigen zu erreichen<br />
(obwohl es den Dorfbewohnern weit lieber<br />
wäre, dieses Bauwerk stünde am anderen<br />
Ende der Welt).<br />
Ein kleiner Ausläufer der Schnute plätschert<br />
munter an diesem wuchtigen Steingebäude<br />
vorbei, das sich drei Stockwerke hoch<br />
erhebt und hier irgendwie fehl am Platze<br />
wirkt... Überhaupt scheint auf der gesamten<br />
Lichtung eine unheimliche Atmosphäre zu<br />
liegen, aber dies kann natürlich auch reine<br />
Einbildung sein.<br />
Falls an der wuchtigen, metallbeschlagenen<br />
und stets versperrten Tür geklopft wird,<br />
so öffnet sich nach einiger Zeit ein Guckloch,<br />
durch das ein junger Mann blickt.<br />
Er fragt nach dem Begehr der Besucher und<br />
wird sie erst nach Rücksprache mit seinem<br />
Meister in den Turm vorlassen; bei diesem<br />
Mann handelt es sich um Norbert Lohenflug,<br />
den Lehrling des Zauberers.<br />
Falls Reinhold Reggenhard die Besucher<br />
empfängt (und dies ist maximal zu 25% der<br />
Fall), so führt Norbert sie die Treppe hinauf<br />
in eine kleine Kammer, in der allerlei Regale<br />
mit seltsamen magischen Schriften stehen.<br />
Falls die Bücher wirklich gründlich unter die<br />
Lupe genommen werden, so fallen vor allem<br />
die Titel „Beherrschung der Wesen des Abgrunds“,<br />
„Das magische Einmaleins der Beschwörung“<br />
sowie „Der Pakt und die Macht“<br />
ins Auge. Allerdings wird immer entweder<br />
Norbert Lohenflug oder der Magier selbst<br />
anwesend sein.<br />
Reinhold Reggenhard hält sich bei den<br />
meisten Gelegenheiten im Keller auf, wo er<br />
seine magischen Beschwörungszirkel aufgemalt<br />
hat und sämtliche Rituale durchführt.<br />
Der Zauberer kleidet sich in erlesene, weite<br />
Gewänder in satten Farben, meist Purpur,<br />
Rot und Dunkelblau, wobei die Farben voneinader<br />
meist durch goldene oder silberne<br />
Fäden deutlich abgegrenzt sind.<br />
Der Magier hat lange, wallende schwarze<br />
Haare, einen sauber gestutzten schwarzen<br />
Bart und an einem seiner Ohren baumelt<br />
ein silberner Ohrring in Form eines Pentagramms.<br />
Auffällig an Reinhold ist auch seine<br />
Verhaltensweise gegenüber Frauen, die er<br />
noch abschätziger behandelt und meist geflissentlich<br />
übersieht (er leidet unter der Disorder<br />
Animosity)...<br />
Stets auf seiner Schulter ist sein getreuer<br />
Homunkulus Marat, der ihm bei allen passenden<br />
und unpassenden Gelegenheiten etwas<br />
ins Ohr zu flüstern scheint.<br />
Reinhold Reggenhard umgibt eine Aura<br />
der Selbstsicherheit und Macht und er ist<br />
arrogant und herablassend, dass allein seine<br />
Gestik schon als Beleidigung aufgefasst werden<br />
kann, auch ohne dass nur ein Wort von<br />
seiner Seite gefallen wäre.<br />
Dieser Zauberkundige ist sich seines Status<br />
bewusst und wird sich nur auf etwaige<br />
Geschäfte oder Handel einlassen, wenn er<br />
gleichwertig dafür entlohnt wird.<br />
Interesse bekundet er nur an magischem<br />
Wissen aller Art und einzig und allein andere<br />
Zauberer können ab und zu seine Arroganz<br />
etwas mildern, vor allem, wenn sie wirklich<br />
einnehmende und für ihn interessante Persönlichkeiten<br />
sind.<br />
Für alle anderen, zum Beispiel Bittsteller<br />
aus dem Dorf, hat er nur sein gefürchtetes<br />
Heben der Augenbrauen und mitleidiges Lächeln<br />
übrig...<br />
Reinhold Reggenhard ist ein mächtiger<br />
Dämonenbeschwörer, der hier, fernab von<br />
jeglicher Zivilisation und irgendwelchen störenden<br />
Hexenjägern, seinem Gewerbe nachgehen<br />
und sein Wissen vergrößern kann.<br />
Sein Schüler Norbert dient dabei vor allem<br />
dazu, ihm neue Informationen und Bücher<br />
der Beschwörungskunst zu beschaffen, koste<br />
es, was es wolle; aber Reinhold Reggenhard<br />
entlohnt den Lehrling dafür durchaus<br />
auch durch die Übermittlung von magischem<br />
Wissen.<br />
Neben seiner Besessenheit im Bereich der<br />
Beschwörungen versucht sich Reinhold Reggenhard<br />
bereits seit einigen Jahren an dem<br />
schwierigen und fast in Vergessenheit geratenen<br />
Bereich der Erschaffung von magisch<br />
animierten Geschöpfen; sein erster Erfolg in<br />
diesem Bereich war der Homunkulus Marat,<br />
später kamen dann Rüstungen hinzu, die ihm<br />
nun ebenfalls als Wachen für seinen Turm<br />
dienen!<br />
Dieser Zauberer ist so wissendurstig, dass<br />
es fast schon ans Dämonische grenzt und er<br />
tut nichts ohne eine ihm passend erscheinende<br />
Gegenleistung.<br />
Obwohl er selbstsüchtig und skrupellos ist,<br />
besitzt er doch einen gewissen Ehrekodex,<br />
denn er weiß, dass es Personen gibt, auf die<br />
er in der Zukunft vielleicht wieder zurückgreifen<br />
muss! Ansonsten ist er bei der Durchführung<br />
seiner Pläne aber absolut gnadenlos...<br />
Er findet einen gleichwertigen Gesprächspartner<br />
im Dunkelelfen Calinar Mesmeris,<br />
der ihm bereits viele wirklich wissenswerte<br />
Dinge über das Leben und die Magie der Dunkelelfen<br />
erzählen konnte.<br />
Calinar ist vielleicht sogar die einzige Person,<br />
für die Reinhold Reggenhard einmal von<br />
seiner egoistischen Haltung ein wenig abkommen<br />
könnte.<br />
Der Zauberkundige ist über seine Umgebung<br />
bestens informiert, denn er überlässt<br />
nichts dem Zufall.<br />
So weiß er von dem Schrein Leshy’s und<br />
dem Schrein Vodyanoy’s, wobei er letzterem<br />
regelmäßige Besuche abstattet. Der bösartige<br />
Naturgeist amüsiert ihn mit seinem<br />
plump-bösartigen Charakter...<br />
Obendrein steht in seinem Studierzimmer<br />
ein riesiger magischer Spiegel (All-seeing<br />
Mirror), dessen kleineres Gegenstück der<br />
Lehrling Reggenhards stets bei sich trägt,<br />
so dass dem Dämonenbeschwörer wirklich<br />
möglich nichts entgeht!<br />
Natürlich ist er auch über die Mutanten im<br />
Wald informiert und beobachtet die Familie<br />
Ulanov aus der Ferne mit Interesse, weiß er<br />
doch, dass es nur eine Frage der Zeit sein<br />
wird, bis sie entdeckt werden.<br />
Der Magierturm beherbergt im Keller den<br />
Ritualraum des Dämonenbeschwörers, im<br />
Erdgeschoss lebt und arbeitet sein Lehrling.<br />
Der erste Stock beinhaltet die Bibliothek,<br />
wobei ausgesuchte Werke und der gesamte<br />
magische Wissensschatz sich im obersten<br />
Stockwerk befinden, dort hat Reinhold Reggenhard<br />
sein luxuriös eingerichtetes Zimmer,<br />
denn er hasst nichts mehr als Armut!<br />
Der Turm wird unter anderem auch von drei<br />
gebundenen Lesser Demons beschützt, die<br />
Reinhold schon vor langer Zeit beschworen<br />
hat.<br />
Sie sind normalerweise immer um ihn herum,<br />
aber durch einen speziellen Zauberspruch<br />
bleiben sie unsichtbar, es sei denn, ihr<br />
Meister wünscht ihr Eingreifen, in welchem<br />
Falle sie sofort sichtbar werden und mit dämonischem<br />
Gebrüll angreifen; allerdings ist<br />
dies wirklich so ziemlich die letzte Maßnahme,<br />
die der Zauberer ergreifen wird...<br />
Es fällt schwer zu glauben, dass ein Zauberkundiger<br />
von solcher Machtfülle wie<br />
Reinhold Reggenhard hier in selbstauferlegter<br />
Zurückgezogenheit lebt, aber er kann in<br />
diesem entlegenen Winkel der Welt in aller<br />
Ruhe Studien betreiben, Pläne schmieden<br />
Abenteuer<br />
Seite 47
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
Schnutenbach .. und darüber hinaus!<br />
Es gibt einige Orte in der Umgebung des Dörfchens Schnutenbach, die für die Abenteurer von Interesse sein dürften: Da gibt<br />
es zunächst mal den Magierturm des Zauberers Reinhold Reggenhard, der sich ca. eine Tagesreise zu Fuß in nordwestlicher<br />
Richtung erhebt und wo die Gruppe einen lukrativen Auftrag erhalten können (siehe das Abenteuer „Die Mission des Magiers“);<br />
desweiteren befindet sich im Osten am Fuße der nahen Ausläufer der World’s Edge Mountains eine kleine, fast schon<br />
verlassene Zwergensiedlung namens Karim-A-Kazzor bei der sich ein kurzer Besuch ebenfalls lohnen könnte (im Abenteuer<br />
„Die Expedition der Zwerge“).<br />
Rings um Schnutenbach herum – einige sogar in Sichtweite des Dorfes – liegen mehrere Gehöfte, die teilweise durch Palisadenzäune<br />
notdürftig gesichert sind; tief im nahen Wald hingegen und ganz und gar nicht sichtbar liegt eine Siedlung ausgestoßener<br />
Mutanten („Von Mäusen und Monstren“), die eigentlich nur ihre Ruhe wollen...<br />
Zwei Tage Fußmarsch bringen die Abenteurer in die kleinen Ortschaften Siechenthal und Torfloch, wo sie ein geheimnisvolles<br />
Verschwinden aufklären und gegen eine alptraumartige Kreatur kämpfen müssen (im Abenteuer „Im Moor des Verderbens“);<br />
hierbei kann die Abenteurergruppe übrigens auch die Herrin dieses Landstrichs kennen lernen, nämlich die Baronin<br />
Miriam-Veronika von Geissler, die sich aber in Schnutenbach fast nie blicken lässt.<br />
Weit schlimmer aber geht es zu bei den unglückseligen Bewohner des Dorfes Galgenweiler, das in einem Talkessel namens<br />
Finsterklamm einige Tagesreisen in südöstlicher Richtung liegt (siehe „Das Dorf der Verdammten“)!<br />
Haben die Abenteurer das Sumpfgebiet genannt „Der Pfuhl“ im Norden Schnutenbachs hinter sich gelassen, gelangen sie<br />
in eine verrufene Gegend, die den schicksalsschwangeren Namen „Knochenhügel“ trägt („In den Klauen der Echsen“), wo<br />
seltsame und gefährliche Geschöpfe ihr Unwesen treiben...<br />
Aber auch in Schnutenbach selbst kann man sich nur sehr bedingt sicher fühlen, wenn das Böse von außen in den kleinen<br />
Ort eindringt (im Abenteuer „Der Zirkus des Schreckens“). Erwähnenswert sind sicherlich auch noch die Goldgräbersiedlung<br />
Goldenhofen am Fuße von Karim- A-Kazzor und natürlich das von Goblins belagerte Palisadendorf Stammheim an der Grenze<br />
des Great Forest...<br />
Ganz in der Nähe der befestigten Holzfällersiedlung Stammheim wiederum liegt auf einem Bergausläufer namens Nebelgrat<br />
die verlassene und verfallene Burg Altenklam, auf der angeblich Geister umgehen („Spuk auf Burg Altenklamm“). Einen wirklich<br />
entsetzlichen Plan müssen die Abenteurer dann nahe dem versunkenen und fast schon vergessenen Dorf Lurchenweiher<br />
vereiteln („Der Klang des Untergangs“) Hilfe von unbeschreiblich widerwärtigen Substanzen ihrem sicheren Untergang<br />
geweiht!.<br />
und sein Wissen vervollkommnen, um dann<br />
vielleicht irgendwann Rache zu nehmen an<br />
jenen, die ihn verlacht und schlussendlich<br />
verfolgt haben,<br />
Wichtige Orte in<br />
der weiteren<br />
Umgebung Schnutenbachs<br />
39. Zigeunerlager<br />
Direkt vor dem Dorf Schnutenbach liegt ein<br />
Lager von bunt angemalten Pferdekarren, in<br />
dem auch zahlreiche Zelte aufgestellt sind.<br />
Lagerfeuer brennen dort Tag und Nacht<br />
und bisweilen ins Dorf. Dies ist das Lager der<br />
Zigeunersippe von Mikhail Orlov, die fast in<br />
jedem Jahr hier einmal für einige Wochen ihr<br />
Lager aufschlägt, ehe sie weiter in Richtung<br />
des Empire ziehen. Insgesamt besteht die<br />
Gruppe aus 24 Personen, inklusive Kinder.<br />
Ein Abstecher ins Zigeunerlager kann sehr<br />
aufregend sein, wenn auch die meisten Dorfbewohner<br />
dringend davon abraten werden.<br />
Das Gemecker von Ziegen, das Brüllen von<br />
Eseln und das Wiehern der wenigen Pferde<br />
schallt durch das ganze Lager, was die Zigeuner<br />
aber scheinbar in keinster Weise stört...<br />
Alle Besucher werden herzlich begrüßt, am<br />
Essen, Tanz und Gesang teilzunehmen und<br />
die Zigeunermädchen sind größtenteils von<br />
einer rassigen, wilden Schönheit, der Männer<br />
leicht zum Opfer fallen.<br />
So mag es auch nicht verwundern, wenn<br />
am nächsten Morgen der größte Teil der Barschaft<br />
eines willensschwachen Liebeskranken<br />
verschwunden ist und die Zigeuner ihre<br />
Unschuld beteuern. Sollte man länger auf<br />
diesem Thema herumreiten, werden sie wütend<br />
und fühlen sich in ihrer Ehre gekränkt,<br />
und dies kann unter Umständen gefährlich<br />
werden... Allerdings ist ein Abend im Zigeunerlager<br />
wirklich ein besonderes Erlebnis<br />
und die Gastfreundschaft ist in dieser Hinsicht<br />
durchaus ernst gemeint.<br />
Flackernde Flammen des Lagerfeuers,<br />
dazu die wilde, fremdländische Musik, eigenartig<br />
gewürzte Speisen und Wein sowie der<br />
Tanz der schönen Zigeunermädchen können<br />
durchaus eine reizvolle Abwechslung zum<br />
Dorfleben bieten! Der Anführer der Sippe,<br />
Mikhail, besucht bei seinem Abstecher hierher<br />
mindestens einmal Großmutter Herrbruck,<br />
um ihr seine Aufwartung zu machen.<br />
Ein gerngesehener Gast im Lager ist Roman<br />
Zorin, der bei den wilden Feiern meist zugegen<br />
ist...<br />
Vor einigen Jahren erhielt Mikhail Orlov ein<br />
Amulett von Adelheid Herrbruck geschenkt,<br />
mit dem sie nichts zu tun haben wollte, von<br />
dem sie aber wusste, dass es dem Zigeuner<br />
eventuell im Falle großer Gefahr das Leben<br />
retten könnte. Daher schenkte sie es ihm.<br />
Es handelt sich um ein Metallamulett voller<br />
seltsamer, zweideutiger Symbole, auf dessen<br />
Vorderseite aus Glas eine Frau mit Klauenhänden<br />
abngebildet ist. Wird dieses Glas<br />
zerbrochen, so erscheint eine Daemonette,<br />
die sofort alle Gegner des Amulett-Trägers<br />
attackiert und danach verschwindet. Hinterher<br />
ist das Amulett nutzlos...<br />
40. Mutantenansiedlung<br />
Mitten im Wald um Schnutenbach liegt gut<br />
versteckt ein kleines Lager von Mutanten.<br />
Es entstand vor ungefähr zwölf Jahren, also<br />
kurz nachdem der falsche Taal-Priester begonnen<br />
hatte, die Neugeborenen mit schädlichen<br />
Substanzen zu behandeln und schändliche<br />
Rituale zu Ehren seine Gottes Nurgle<br />
abzuhalten!<br />
Damals wurde das erste grauenhaft veränderte<br />
Kleinkind von seinen Eltern im Wald<br />
ausgesetzt.<br />
Eigentlich wäre es dort gestorben, aber<br />
eine umherziehende Mutantenhorde, die bis<br />
Seite 48<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht war, fand<br />
das Kind. Die Anführerin dieser kleinen Gruppe<br />
namens Margaret Mautner beschloss,<br />
dass die Zeit des sinnlosen Umherziehens ein<br />
Ende haben sollte, und begann, sich um das<br />
Kind zu kümmern...<br />
Die Mutanten errichteten in den Ruinen<br />
einer ehemaligen kleinen Garnison ein Lager,<br />
das bald schon durch die Ankunft neuer mutierter<br />
Kinder anwachsen sollte! Heute zählt<br />
die größtenteils friedliche Kolonie immerhin<br />
27 Mitglieder, wobei die meisten natürlich<br />
Kinder und Halbwüchsige sind.<br />
Margaret – oder „Mutter Margaret“, wie<br />
sie von allen ihren „Kindern“ genannt wird –<br />
kümmert sich nach wie vor voller Mutterstolz<br />
um den Nachwuchs der Dörfler und ihre getreuen<br />
Gefolgsleute ziehen aus, um Nahrung<br />
in Form von Wild oder heimlich gestohlenem<br />
Getreide, Obst oder Gemüse herbeizuschaffen.<br />
Erst in letzter Zeit kam ein Mitglied der<br />
Mutantensippe – ein ehemaliger Gärtner –<br />
auf die Idee, in der Umgebung der Ruinen<br />
selbst anzupflanzen und in spätetestens einem<br />
Jahr ist die Gruppe wahrscheinlich völlig<br />
selbständig und nicht mehr auf kleine und<br />
gefährliche Raubzüge angewiesen... Im Laufe<br />
der Jahre wurden die einstmals so scheuen<br />
und vorsichtigen Mutanten ein wenig<br />
sorglos, denn sie befürchten hier am Rande<br />
der zivilisierten Welt keine Entdeckung mehr.<br />
Zu lange leben sie nun schon unbehelligt... Es<br />
gibt aber auch einige unter ihnen, die ihre<br />
Zuneigung zum Chaos, das sie so veränderte,<br />
nicht mehr länger geheimhalten möchten<br />
und sich immer stärker gegen ihre Anführerin<br />
auflehnen!<br />
Diese Mutanten sind gefährlich und warten<br />
nur auf ihre Chance, mordend und brandschatzend<br />
loszuziehen.<br />
41. Der Schrein Leshy’s<br />
Eine gute Wegstrecke von ca. einer Stunde<br />
von Schnutenbach entfernt, liegt im Wald<br />
auf einer kleinen Lichtung der Schrein des<br />
Naturgeistes Leshy, der vor allem in Kislev<br />
angebetet wird.<br />
Der Schrein sieht auf den ersten Blick aus<br />
wie ein vom Blitz gespaltener Baum, aus dessen<br />
beiden so entstandenen Wipfeln Blätter<br />
spießen. Bei genauerer Betrachtung sind allerdings<br />
zwei Dinge zu bemerken:<br />
Der Baumstamm sieht aus wie ein verzerrtes<br />
Abbild eines Lebewesens und auf<br />
der Rinde finden sich seltsame Symbole, die<br />
aber fester Bestandteil des Baumes zu sein<br />
scheinen, also offenbar nicht eingeschnitzt<br />
worden sind!<br />
Ein kleiner Teich findet sich ebenfalls auf<br />
dieser Lichtung.<br />
Es ist aber fast unmöglich, den Naturgeist<br />
Leshy dazu zu bringen, hier zu erscheinen.<br />
Die einzigen, die dazu im Dorf in der Lage<br />
sind und das nötige Wissen hierzu besitzen,<br />
sind Großmutter Herrbruck und Roman Zorin,<br />
beide werden dies aber nur im äußersten<br />
Notfall tun. Sie wissen, dass Leshy zwar ein<br />
humorvoller, aber ebenso leicht erzürnter<br />
Geist ist, der nur aus guten Gründen gerufen<br />
werden will.<br />
Nun mag man zwar annehmen, dass ihm<br />
das Wohl des Waldes am Herzen liegt, aber<br />
sofern nicht irgendwelche riesigen Horden<br />
von Bösewichtern gewaltige Flächen von<br />
Wald roden sollten, wird er es kaum bemerken,<br />
wenn sich solche Wesen in seinem Gebiet<br />
herumtreiben.<br />
Leshy ist von gewaltiger Größe und sieht<br />
aus wie ein gewaltiger Mensch, der einen ungepflegten,<br />
langen Bart trägt, dem zwei Hörner<br />
aus der Stirne wachsen und dessen Haut<br />
wie Rinde wirkt.<br />
Er besitzt ein großes magisches Potential<br />
und kann zahlreiche Elementalist-, Druidicund<br />
Illusionist-Sprüche anwenden. Seine<br />
Ankunft wird immer angekündigt von einem<br />
gewaltigen Tier, nämlich „Vater Bär“, der in<br />
jedem Fall die Sprache jener Person spricht,<br />
die ihn gerufen hat.<br />
Der Naturgeist Leshy hat nur eine große<br />
Schwäche: Er wettet für sein Leben gern!<br />
Allerdings geht er meist nur auf Wetten ein,<br />
bei denen er eine große Chance hat, sie zu<br />
gewinnen...<br />
Dies ist aber immerhin eine Möglichkeit,<br />
ihn zur Hilfe zu bewegen.<br />
42. Der Schrein<br />
Vodyanoy’s<br />
Dieser steinerne Schrein, der im Dunkeln in<br />
einem kränklichen grünen Licht schimmert,<br />
steht einsam und verlassen inmitten eines<br />
ausgedehnten Sumpfgebietes.<br />
Diese Sümpfe sind etwa eine halbe Tagesreise<br />
von Schnutenbach entfernt, wenn<br />
jemand aus dem Ort sich direkt in Richtung<br />
Kislev wendet.<br />
Dort strömen einige kleine Flüsse und unzählige<br />
Bäche zusammen und machen den<br />
Untergrund erst schlammig und feucht, dann<br />
zu einem äußerst gefährlichen Sumpf!<br />
Auf dem Schrein wachsen Moose, Farne<br />
und Pilzkulturen, die aber allesamt irgendwie<br />
unnatürlich – oder besser, sehr ungewöhnlich<br />
– wirken.<br />
Vodyanoy selbst sieht im Prinzip aus wie<br />
eine annähernd menschenähnliche, gewaltige<br />
Kröte!<br />
Diese Kreatur erscheint immer aus der Tiefe<br />
eines Tümpels und wirkt durch ihre sanfte,<br />
einschmeichelnde Stimme irgendwie vertrauenserweckend,<br />
was allerdings nur einer<br />
der unzähligen tödlichen Tricks dieses bösartigen<br />
Naturgeistes ist.<br />
Ein Handel mit ihm wirkt sich meist extrem<br />
negativ für die Person aus, die sich auf das<br />
Wort Vodyanoy’s verläßt, oft treibt ihre aufgedunsene<br />
Wasserleiche dann ewig in einem<br />
Tümpel umher, bis irgendein Aasfresser sich<br />
ihrer erbarmt...<br />
Dieser Naturgeist beherrscht einige Battle<br />
Magic-, Elemental- und Illusionist-Zauber und<br />
besitzt obendrein eine besondere Fähigkeit:<br />
Der Vodyanoy kann eine Person dermaßen<br />
einlullen, dass ihr eine WP-Probe gelingen<br />
muss, oder sie vertraut seine Aktionen und<br />
Worten, bis sie vom Gegenteil überzeugt<br />
wird (und dies ist meist nur sehr schwer zu<br />
erreichen).<br />
Von den Bewohnern Schnutenbachs wissen<br />
nur Großmutter Herrbruck und Calinar<br />
Mesmeris um die Möglichkeit, diesen Naturgeist<br />
zu beschwören, und beide werden<br />
davon abraten; allerdings besteht bei einem<br />
Besuch an seinem Schrein pro anwesender<br />
Person immerhin eine 5%-Chance, dass Vodyanoy<br />
neugierig wird und einfach so vorbeischaut...<br />
Allerdings bietet dieses Sumpfgebiet, das<br />
von allen Dorfbewohnern gemieden und nur<br />
als „der Pfuhl“ bezeichnet wird, auch noch<br />
einige andere unangenehme Überraschungen<br />
für allzu neugierige oder wagemutige<br />
Reisende.<br />
Denn an diesem entlegenen Fleckchen Erde<br />
ist der ideale Platz für lichtscheues Gesindel<br />
und Chaosgezücht, so wie etwa eine Gruppe<br />
aus dem Volk der Fimir, die dieses Sumpfgebiet<br />
zu ihrem Gebiet erkoren haben.<br />
Da ohnehin meist ein dunstiger Nebel über<br />
der gesamten Gegend liegt, kommt dies ihren<br />
Lebensgewohnheiten sehr entgegen.<br />
Das Lager der Fimir liegt auf einer größeren,<br />
leicht mit Büschen und Bäumen bewachsenen<br />
Insel im Sumpf. Dort steht eine alte,<br />
längst vergessene Ruine, die früher einmal<br />
eine kleine Grenzfestung der Menschen war<br />
und nun notdürftig von den Fimir wiederhergestellt<br />
wurde. Späher marschieren in Dreiergruppen<br />
bei Tag und Nacht um die Gegend<br />
dieser Insel durch den Sumpf und die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Entdeckung beträgt pro<br />
Tag, den sich eine Gruppe hier aufhält, 10% +<br />
jeweils 5% pro Mitglied der Gruppe.<br />
Die Patrouillen bestehen meist aus zwei<br />
Abenteuer<br />
Seite 49
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
Angehörigen der niedrigsten Fimir-Kaste,<br />
nämlich den Shearl, die von einem Fimir-Krieger,<br />
dem Fimm, angeführt werden. Sollte<br />
eine Patrouille längere Zeit überfällig sein, so<br />
werden Suchtrupps losgeschickt, die normalerweise<br />
fast nur aus Fimm und einigen Fimir-<br />
Magiern, den Dirach, bestehen werden.<br />
43. Karim-A-Kazzor<br />
Folgt man von Schnutenbach aus der Straße<br />
in Richtung der World’s Edge Mountains,<br />
so trifft man zwangsläufig nach ca. drei Tagesreisen<br />
in den ersten Ausläufern des Gebirges<br />
auf die Zwergensiedlung Karim-A-Kazzor,<br />
von wo tagsüber stets der Lärm geschäftigen<br />
Treibens zum Pfad herüberdringt!<br />
Nachts schimmern einige anheimelnde<br />
Lichter aus den Zwergenbauten, die natürlich<br />
alle aus dem Gestein herausgehämmert oder<br />
zumindest aus festen Steinquadern erbaut<br />
wurden, und zwergische Gesänge rühmen<br />
hallend die vergangenen, glorreichen Tage...<br />
In acht Gebäuden leben hier 14 Zwerge, der<br />
Großteil davon männlichen Geschlechts.<br />
Sie treiben zwar ab und zu Handel mit den<br />
Schnutenbachern, sind Fremden gegenüber<br />
aber misstrauisch bis zum Verfolgungswahn<br />
und werden erst vertrauensselig, wenn<br />
ihnen irgendwie bewiesen wird, dass ein<br />
bestimmer Fremder keine Gefahr für sie<br />
und ihre Mine darstellt. Immerhin achten<br />
auch sie das Gebot der Gastfreundschaft<br />
und Wanderer, die bei ihnen Rast<br />
machen, können in einem der nur halbfertigen<br />
Häuser zumindest eine Nacht<br />
bleiben! Viele der Zwerge, die hier früher<br />
einmal gelebt haben, sind mittlerweile<br />
abgewandert, denn die Mithril-Mine ist<br />
schon seit vielen Jahren nicht mehr so<br />
ergiebig, dass sich die Aufrechterhaltung<br />
einer größeren Ansiedlung wirklich lohnen<br />
würde. Leider sind auch viele Krieger<br />
weggezogen und daher sind die zurückgebliebenen<br />
Einwohner immer wieder<br />
anfällig gegen Angriffe aus dem Gebirge,<br />
wo bisweilen Orcs, Goblins und Skaven<br />
ihr Unwesen treiben... Auch dies hat dazu<br />
geführt, dass nur noch wenige Zwerge<br />
hier leben, diese jedoch harren entschlossen<br />
aus, denn für viele ist diese kleine<br />
Siedlung so etwas wie ein neues Zuhause<br />
geworden.<br />
Andere hoffen immer noch, dass sie<br />
wieder auf eine große Mithril-Ader stoßen,<br />
was von einigen besonders eifrigen Zwergen<br />
immer wieder prophezeit wird!<br />
Abends trifft man sich in der Kneipe „Zum<br />
Fass“, in der es bestes Zwergenbier zu trinken<br />
gibt, wenn auch die Speisekarte<br />
Seite 50<br />
sonst nicht sonderlich viele Genüsse hergibt.<br />
Der zwar nicht gewählte, aber von allen<br />
anerkannte Führer der Zwerge ist Khazim<br />
Durakin, ein uralter Zwerg mit schlohweißem<br />
Bart, den er kunstvoll zu zwei prächtigen<br />
Zöpfen geflochten trägt.<br />
44. Goldenhofen<br />
Diese kleine Ansiedlung am Fuße des Berges,<br />
in dem die Zwerge von Karim-A-Kazzor<br />
ihre Heimstatt haben, verdient den Namen<br />
„Dorf“ eigentlich nicht wirklich – es sei denn,<br />
man möchte eine Ansammlung windschiefer<br />
und heruntergekommener Holzhütten so bezeichnen...<br />
Und wenn ein Wanderer dann die<br />
Einwohner dieser Siedlung mit dem überaus<br />
unpassenden Namen Goldenhofen zum ersten<br />
Male sieht, kann er getrost behaupten,<br />
dass sie allesamt voll und ganz hierher passen,<br />
denn sie sind eine Bande verwahrloster<br />
Haderlumpen und sehen allesamt aus wie<br />
Halsabschneider und Totschläger – dummerweise<br />
ist dieser erste Eindruck gar nicht so<br />
falsch!<br />
Den ganzen Tag über kann man hier rund<br />
ein Dutzend zerlumpter und heruntergekommener<br />
Männer sehen, die in der Schnute verzweifelt<br />
nach Goldklumpen suchen!<br />
Viele von ihnen sind hierher gekommen mit<br />
der Hoffnung, dass es dort, wo Zwerge leben,<br />
ganz einfach auch viel Gold geben muss!<br />
Die Tatsache, dass die Minenarbeiter hier<br />
nach einem ganz anderen Edelmetall suchen,<br />
will den abgerissenen Gesellen Goldenhofens<br />
einfach nicht in den Kopf und tatsächlich<br />
wurden bereits einige winzige Goldbrocken<br />
gefunden, die bei der Mithril-Suche der Zwerge<br />
von der Schnute mitgeschwemmt worden<br />
sind...<br />
Immer wenn es wieder einmal vorkommt<br />
dass tatsächlich Gold gefunden wird, kommt<br />
es mit absoluter Sicherheit zu Schlägereien<br />
und bisweilen auch Mord und Totschlag unter<br />
den Bewohnern Goldenhofens.<br />
Fast alle die hier leben haben eine kriminelle<br />
Vergangenheit und haben sich hier<br />
lediglich zusammengefunden, um unterzutauchen<br />
oder einfach weil sie keine andere<br />
Bleibe haben; die windschiefen und krude<br />
zusammengezimmerten Hütten sind nun ihr<br />
neues Zuhause geworden und alle paar Wochen<br />
machen sich einige von ihnen auf den<br />
Weg nach Schnutenbach, um dort bei Kunibert<br />
Thaler die kleinen Goldbrocken gegen<br />
Nahrungsmittel und Ausrüstungsteile einzutauschen.<br />
Die meisten der Goldsucher haben<br />
schon lange bemerkt, dass sie hier vergebens<br />
auf ihr Glück warten, doch wohin sonst sollten<br />
sie gehen..?<br />
Goldenhofen hat zwar keinen richtigen<br />
Dorfvorsteher, aber ein wilder Bursche namens<br />
Wolfram hat derzeit die Führung an<br />
sich gerissen und versucht, möglichst viel<br />
für sich dabei herauszuschlagen.<br />
Wer aufbegehrt wird von ihm schlicht<br />
und ergreifend verprügelt, bis wieder<br />
Ruhe eingekehrt ist – so hat Goldenhofen<br />
zwar eine gewisse Ordnung erhalten,<br />
aber natürlich lässt sich Wolfram für seine<br />
„Arbeit“ bezahlen und es gibt hier im<br />
Moment niemanden, der ihm gewachsen<br />
wäre...<br />
45. Stammheim<br />
Bei dem Dorf mit dem treffenden Namen<br />
Stammheim handelt es sich um eine<br />
kleine Siedlung direkt an der Grenze der<br />
östlichsten Ausläufer des Great Forest.<br />
Obwohl eine große Schneise in den<br />
Wald geschlagen worden ist und um das<br />
Dorf überall lediglich noch Baumstümpfe<br />
umherstehen, wirkt der düstere Wald immer<br />
noch überaus bedrohlich und scheint<br />
sich finster wieder näher an die Ansiedlung<br />
heranzudrängen!<br />
Man erreicht die Holzfällersiedlung über einen<br />
breiten, schlecht befestigten Pfad wenn<br />
man in Richtung Talabheim – der nächsten<br />
größeren Stadt – reist; zu Fuß sind dies annähernd<br />
vier Tagesreisen und man tut gut<br />
daran, nicht ohne bewaffnete Begleitung<br />
zu marschieren, denn der Pfad führt fast die<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
ganze Zeit über durch bewaldetes Gebiet,<br />
das regelrecht versucht ist mit Grünhäuten<br />
und weit schlimmerem Geschmeiß..<br />
Stammheim selbst ist weitaus besser befestigt<br />
als Schnutenbach und es liegt direkt<br />
an einem Ausläufer der Schnute, der wiederum<br />
in den Talabec mündet.<br />
Der Fluss wurde aufgestaut und bildet<br />
einen mit Wasser gefüllten Verteidigungsgraben<br />
um das Dorf, das zudem auf einem<br />
künstlich aufgehäuften Erdhügel liegt und<br />
mit oben zugespitzten Holzpalisaden umgeben<br />
ist.<br />
Im unteren, tieferen Teil und weit größeren<br />
Teil der Siedlung befinden sich die weit meisten<br />
Gebäude und nur eine einzige hölzerne<br />
Zugbrücke führt dort hinein, die zudem Tag<br />
und Nacht von einigen Männern der Miliz bewacht<br />
wird: Hier findet sich unter anderem<br />
der Ulric-Schrein, die Stallungen, der Brunnen,<br />
die Werkstätten der wenigen Handwerker<br />
und Wohnhäuser der Baumfäller.<br />
Ein deutlich höherer Erdhügel, zudem man<br />
wiederum nur über eine steil ansteigende<br />
Holzbrücke hinauf kommt, beherbergt den<br />
Wehrturm, zu dem sich die Bewohner Stammheims<br />
in Zeiten der Not flüchten können und<br />
der wesentlich besser verteidigt werden<br />
kann. Der ebenfalls aus Holz erbaute wuchtige<br />
Turm steht solide auf dicken Holzpfählen<br />
und ist ebenfalls von einem hohen Palisadenzaun<br />
– in diesem Falle sogar mit eigenem<br />
Wehrgang – umgeben. In diesem Wehrturm<br />
lebt in friedlichen Zeiten der jeweilige Dorfvorsteher,<br />
zur Zeit ein ehemaliger Soldat namens<br />
Ottokar Schwindlicht; er hat sich seine<br />
Kammer im oberen Teil des zweistöckigen<br />
Gebäudes eingerichtet, die untere Halle bietet<br />
mehr als genug Platz für sämtliche Dorfbewohner<br />
und besitzt auch eine Kammer, in<br />
der Vorräte für Notzeiten gesammelt werden...<br />
Die Siedlung Stammheim trägt ihren<br />
Namen deshalb, weil hier fast alle Bewohner<br />
von der Holzfällerei leben: Im östlichen Teil<br />
des Great Forest gibt es angeblich besonders<br />
gutes und widerstandsfähiges Holz, das von<br />
den Arbeitern geschlagen und dann mit der<br />
Hilfe von Seilen zu riesigen Holzbündeln gebunden<br />
wird; diese wiederum werden dann<br />
mit Hilfe des Talabec nach Talabheim verbracht,<br />
wo die ortsansässigen Holzverarbeiter<br />
einen relativ guten Preis dafür bezahlen<br />
(von dem natürlich nur ein winziger Bruchteil<br />
bei den schwer schuftenden Männern<br />
in Stammheim ankommt). Allerdings gibt es<br />
seit einiger Zeit erhebliche Probleme mit den<br />
im nahen Wald hausenden Goblins!<br />
Eine beharrliche Grünhaut-Sippe namens<br />
„Grimmzähne“ hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />
die menschliche Ansiedlung in ihrem<br />
Gebiet dem Erdboden gleich zu machen (es<br />
dauerte übrigens Jahre, bis die ziemlich dämlichen<br />
Goblins überhaupt bemerkten, dass<br />
sie überhaupt da war)...<br />
Normalerweise sind die kleinwüchsigen<br />
Gesellen für das Dorf selbst eher lästig als<br />
gefährlich, da es ihnen an der Ausrüstung<br />
und Ausdauer fehlt, sie einzunehmen oder<br />
effektiv zu belagern, allerdings lauern sie den<br />
Holzfällertrupps auf, wenn diese im Wald unterwegs<br />
sind und es gab nun doch schon einige<br />
Todesfälle und viele Verletzte unter den<br />
Dorfbewohnern.<br />
In den letzten Wochen und Monaten wurden<br />
die Befestigungsanlagen verstärkt, da<br />
es den Golbin-Wolfreitern tatsächlich einmal<br />
gelungen war, durch das offene Tor einzudringen<br />
und es lange genug zu halten, bis<br />
ihre Gefährten aus dem Wald ebenfalls eindringen<br />
konnten!<br />
Es folgte ein langer und blutiger Kampf,<br />
der vor allem dadurch entschieden werden<br />
konnte, dass der ortsansässige Alchimist<br />
Jerome LaFontaine eingriff und mit<br />
Hilfe seiner Zauberei und diverser Tricks<br />
die Goblins in die Flucht schlug; zwar hatten<br />
die Grünhäute nur den unteren Teil<br />
des Dorfes erobern können, doch wer<br />
vermochte schon zu sagen, ob auch die<br />
höher gelegene Wehranlage ihnen zum<br />
Opfer gefallen wäre?<br />
Seither lebt die Bevölkerung Stammheims<br />
sozusagen in ständiger Angst davor,<br />
dass so etwas noch einmal passiert<br />
und die Holzfällertruppe verlässt den Ort<br />
nur noch in Begleitung von mindestens<br />
einem Jäger und einem Kämpfer, um<br />
wenigstens ein klein wenig geschützt zu<br />
sein...<br />
Besonders auffällig für jemanden,<br />
der zum ersten Male nach Stammheim<br />
kommt, ist übrigens die Tatsache, dass<br />
sich innerhalb der Holzpalisaden der<br />
Siedlung unglaublich viele Katzen aller Art<br />
tummeln.<br />
Vor einigen Jahren wütete hier eine ganz<br />
furchtbare Rattenplage und der damalige<br />
Dorfvorsteher hatte eines Tages die geniale<br />
Idee, von einem reisenden Händler ein Katzenpärchen<br />
zu kaufen, um der Nagetiere<br />
endlich Herr zu werden; dies klappte auch<br />
eigentlich ganz hervorragend, nur vermehrten<br />
sich auch die Katzen ziemlich schnell<br />
und stellen nun eine eigentlich weit größere<br />
Plage dar als die Ratten, die fast nirgendwo<br />
mehr zu finden sind! Man kann daher in<br />
Stammheim kaum einen Schritt vor den anderen<br />
setzen, ohne eine miauende, fauchende<br />
oder buckelnde Katze aufzuscheuchen...<br />
Das ganze Leben in Stammheim geht eigentlich<br />
im Normalfall seinen gewohnten, monotonen<br />
und für die Bewohner der Siedlung<br />
anstrengenden Gang: Frühmorgens beim<br />
ersten Hahnenschrei aufstehen, ein karges<br />
Frühtsück zu sich nehmen und hinaus auf die<br />
wenigen verbliebenen Felder oder aber in<br />
den Wald, um Holz zu schlagen. Dabei müssen<br />
die Menschen hier immer auf der Hut vor<br />
umherschleichenden Goblins sein...<br />
Im Ort selbst kann man gegen Abend solche<br />
Personen treffen wie den alten, ziemlich<br />
weisen (und jetzt arbeitslosen) Rattenfänger<br />
Frank Stadelheim, den aufgrund einer schlimmen<br />
Hautkrankheit noch übler als ohnehin<br />
üblich stinkenden Gerber Ludwig Lobwasser<br />
oder den fleißigen und immerzu am Ausbessern<br />
der Holzpalisade arbeitenden Schreiner<br />
Konrad Kistenmacher; aber natürlich gibt es<br />
auch so manche Frau in Stammheim, die hier<br />
entweder die Hausarbeit verrichtet, die Kinder<br />
hütet oder aber mit nach draußen geht,<br />
um die Felder zu bestellen oder Holz zu schlagen:<br />
Die junge und überaus attraktive Witwe<br />
Marion Munzenburg, die stämmige und<br />
leicht mit einem Mann zu verwechselnde Luise<br />
Ropnack und die zierliche Näherin Kristiane<br />
Wuttke sind nur einige wenige Beispiele...<br />
Nach dem Leben in Schnutenbach dürfte<br />
übrigens so manchem Besucher in dieser<br />
winzigen und abgelegenen Ansiedlung irgendwann<br />
einmal auffallen, dass die Menschen<br />
hier wirklich keinerlei Anzeichen von<br />
irgendwelchen Mutationen aufweisen.<br />
a. Haus des Alchimisten<br />
Dieses relativ neue Gebäude besteht fast<br />
Abenteuer<br />
Seite 51
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
ausschließlich aus Stein und es wurde von<br />
den Einwohnern Stammheims mühevoll zu<br />
Ehren ihres „Retters“ Jerome LaFontaine<br />
errichtet.<br />
Es sticht aus den hier normal üblichen einfachen<br />
Holzbauwerken dadurch natürlich<br />
deutlich hervor und aus seinem Innern dringen<br />
meist auch seltsame und beunruhigende<br />
Geräusche, gewaltige Explosionen sind<br />
durchaus auch schon vorgekommen, die der<br />
Alchimist aber ohne bleibende Schäden überstanden<br />
hat!<br />
Aber auch der Bewohner dieses Gebäudes<br />
sieht völlig anders aus als die meisten Bewohner<br />
Stammheims, schließlich handelt es sich<br />
bei Jerome La- Fontaine um einen Gnom! Er<br />
war auf der Reise durch das Empire und seine<br />
Reisegesellschaft wurde überfallen, lediglich<br />
er konnte fliehen und sich im Wald verstecken,<br />
wo ihn aber bald schon einige Goblins<br />
aufspürten und verfolgten; am Ende seiner<br />
Kräfte stieß er auf einen Holzfällertrupp, der<br />
die Grünhäute verjagen und ihn somit retten<br />
konnte.<br />
Seither lebt er in Stammheim; einerseits,<br />
um sich für seine Lebensrettung zu bedanken,<br />
andererseits weil er Goblins hasst und<br />
nun versucht, sich an diesen zu rächen...<br />
Das Haus des Alchimisten ist nur einstöckig<br />
und beherbergt ein sehr spartanisch eingerichtetes<br />
Labor,<br />
da Jerome die<br />
meisten hierfür<br />
nötigen Gegenstände<br />
an diesem<br />
entlegenen Ort<br />
nicht bekommen<br />
kann und daher<br />
gezwungen war<br />
zu improvisieren;<br />
er selbst pflegt<br />
einen äußerst<br />
s p a r t a n i s c h e n<br />
L e b e n s w a n d e l<br />
und daher ist sein<br />
Bett nur durch einen<br />
Vorhang vom<br />
Rest des einzigen<br />
Raumes abgetrennt,<br />
in dem<br />
sich neben einem<br />
großen Tisch (auf<br />
dem sich das Laborzubehör<br />
befindet)<br />
nur noch<br />
ein Schreibpult<br />
sowie ein Schemel befindet. Der Gnom ist oft<br />
zu Gast bei den übrigen Einwohnern Stammheims<br />
und überall gern gesehen: Welche so<br />
kleine Ansiedlung kann schließlich von sich<br />
Seite 52<br />
behaupten, einen so ungewöhnlichen Bewohner<br />
zu haben?<br />
Jerome pflegt einen zwar unregelmäßigen,<br />
aber dafür umso freundschaftlichen Umgang<br />
mit der guten Großmutter Herrbruck<br />
aus Schnutenbach, die beiden können sich<br />
stundenlang über Kräuter und ihre jeweilige<br />
Anwendung unterhalten; obwohl die Chemie<br />
das Fachgebiet des Gnoms ist, hat er doch in<br />
einer stabilen Truhe einen relativ großen Vorrat<br />
an Tränken für Notfälle parat!<br />
Außerdem besitzt er einige Elixiere, Säuren<br />
und sogar Schwarzpulver, aus dem er Bomben<br />
zur Verteidigung Stammheims bastelt<br />
– kurz und gut, er führt ein wirklich großes<br />
Sortiment, bedenkt man seine Entfernung<br />
von der „zivilisierten“ Welt...<br />
b. Ulric-Schrein<br />
Hierbei handelt es sich um ein sehr kleines<br />
Bauwerk aus Holz neben dem sich ein ebenso<br />
kleiner Anbau befindet, in dem der junge<br />
Ulric-Priester Stammheims lebt.<br />
Obwohl der Schrein wirklich nicht sehr beeindruckend<br />
aussieht, so ist er doch sauber<br />
und ordentlich hergerichtet und ein wunderschön<br />
geschnitzter Wolfskopf prangt über<br />
dem immer offenen Eingang.<br />
Im Innern des Schreins befindet sich eine<br />
mannsgroße, ebenfalls geschnitzte Figur von<br />
Ulric, die allerdings<br />
etwas ungewöhnlich<br />
aussieht, denn<br />
auf den Schultern<br />
der Darstellung<br />
eines muskulösen<br />
Mannes thront ein<br />
Wolfskopf! In der<br />
Tat ist auch diese<br />
Statue meisterlich<br />
geschnitzt, und<br />
wenn man nicht<br />
deutlich sehen<br />
könnte, dass es sich<br />
um eine Holzfigur<br />
handelt, könnte<br />
man durchaus annehmen,<br />
der Gott<br />
selbst stehe hier<br />
vor einem...<br />
In den beiden hinteren<br />
Ecken des aus<br />
grob gezimmerten<br />
Holzstämmen gefertigten<br />
Gebäudes<br />
stehen in Nischen<br />
jeweils eine Figur von Taal, dem Bruder Ulrics,<br />
und Rhya, dessen Gemahlin; in einer großen<br />
und rußgeschwärzten Feuerschale in der<br />
Mitte des Schreins brennt bei Tag und Nacht<br />
ein loderndes Feuer, das niemals erlöschen<br />
darf. Dieses Feuer ist auch der Grund dafür,<br />
dass der einzige Raum in dem fensterlosen<br />
Holzgebäude noch dunkler ist als ohnehin<br />
schon, denn sämtliche Wände sind dadurch<br />
mit dicken Rußschichten geschwärzt...<br />
Sigismund Sauschläger heisst der Bursche,<br />
der in diesen entlegenen Winkel der Welt geschickt<br />
wurde um den Menschen dort „den<br />
Glauben an Ulric zurückzugeben“; Sigismund<br />
trat voller Enthusiasmus über eine solch<br />
wichtige Aufgabe seine Reise an und hat bis<br />
auf den heutigen Tag nichts von seiner gottgegebenen<br />
Zuversicht verloren. In Wahrheit<br />
wussten die Oberpriester in seinem früheren<br />
Tempel in Talabheim nur ganz einfach nicht,<br />
wohin mit dem allzu frömmlerischen jungen<br />
Mann, der obendrein so ganz und gar nicht<br />
in den dortigen Tempel zu passen schien:<br />
Denn Sigismund Sauschläger schielt und lispelt,<br />
was sich vor allem bei den vorgetragenen<br />
Gebeten als überaus störend bemerkbar<br />
machte, denn er konnte sowohl die Gebete<br />
nicht fehlerfrei ablesen noch sie einigermaßen<br />
verständlich aussprechen – also schob<br />
man einfach ihn in diese Wildnis ab, wo er<br />
vermutlich sogar noch zu irgend etwas nütze<br />
sein konnte!<br />
In Stammheim angekommen richtete der<br />
junge Priester sich sogleich häuslich ein und<br />
begann damit, sich nützlich zu machen; er<br />
hilft den Menschen sowohl in Glaubensfragen,<br />
leitet Rituale für Verstorbene, geht bei<br />
der Arbeit zur Hand und führt vor allem alle<br />
Neuankömmlinge durch die kleine Holzfällersiedlung.<br />
Dies führt des öfteren zu unfreiwillig<br />
komischen Szenen, denn Sigismund lispelt<br />
so stark, dass er nur die wenigsten Namen<br />
der Bewohner Stammheims richtig aussprechen<br />
kann...<br />
c. Stallungen<br />
Die Stallungen Stammheims sind zwei<br />
lanngezogene Bauwerke, in denen neben<br />
den Pferden in einer Dachkammer auch der<br />
Stallknecht Detlef Liebermeister, ber den in<br />
Stammheim kaum etwas bekannt ist.<br />
Die Pferde der Holzfällerfamilien sind in<br />
kleinen Holzabteilen untergebracht und es<br />
obliegt dem Stallknecht, sie nach der Arbeit<br />
zu striegeln, ihnen zu fressen zu geben und<br />
auch ansonsten in den Ställen nach dem<br />
Rechten zu sehen. Die hier untergebrachten<br />
Tiere sind außerordentlich wichtig für<br />
Stammheim, denn sie ziehen die mächtigen<br />
Holzstämme aus der Tiefe des Waldes zum<br />
Fluss, wo sie dann zusammengebunden und<br />
in Richtung Talabheim auf den Weg geschickt<br />
werden!<br />
Deshalb findet man hier auch keine ed-<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
len Reitpferde, sondern alte, erfahrene und<br />
grobschlächtige Tiere, die vor allem als Zugtiere<br />
dienen.<br />
Lediglich Ottokar Schwindlich – der derzeitige<br />
Dorfvorsteher und Ex-Soldat – besitzt<br />
ein altes Schlachtross, mit dem er früher<br />
viele Kämpfe bestritten hat und das hier<br />
eine besonders große Box hat; allerdings<br />
sind Ausritte selten geworden und Kämpfe<br />
zu Pferd in dieser bewaldeten Gegend noch<br />
weit seltener...<br />
Beide Gebäude besitzen einen Heuschober,<br />
der über eine Leiter von unten erreicht<br />
werden kann.<br />
Hier wird das Futter für die Tiere eingelagert<br />
und in einem der Stallgebäude wurde<br />
nachträglich mit nicht benötigen Holzbrettern<br />
ein kleiner Verschlag angebracht, in dem<br />
der Stallknecht Detlef Liebermeister lebt.<br />
Der junge und überaus attraktive Mann<br />
kam eines Tages hier in der kleinen Ortschaft<br />
an und bat um Obdach und eine Arbeit.<br />
Zwar war er eigentlich viel zu gut angezogen<br />
für ihresgleichen, aber die Bewohner<br />
Stammheims nahmen ihn bei sich auf und da<br />
er ihnen freundlich und umgänglich genug erschien,<br />
bekam er nach kurzer Zeit die Arbeit<br />
des Stallburschen zugeteilt, nachdem der<br />
vorherige vom Heuschober hinabgestürzt<br />
und sich das Genick gebrochen hatte!<br />
Seither lebt er in seinem winzigen Bretterverschlag,<br />
der lediglich Platz für eine kleine<br />
Truhe und die Schlafpritsche bietet, und ist<br />
mit jedem in Stammheim befreundet...<br />
Doch natürlich ist Detlef alles andere als<br />
ein guter Mensch: Er war für den tragischen<br />
Tod des letzten Stallknechts<br />
verantwortlich und suchte hier nur<br />
Unterschlupf vor einigen Hexenjägern,<br />
die ihm bereits dicht auf der Spur waren!<br />
Detlef Liebermeister ist ein Chaos-<br />
Kultist und ergebener Anhänger des<br />
Gottes Slaneesh, der einst sogar einen<br />
hohen Rang eines geheimen Ordens<br />
namens „Die Geliebten des Meisters“<br />
aus Nuln innehatte, ehe dieser entdeckt<br />
wurde und er Hals über Kopf<br />
fliehen musste. In diesem entlegenen<br />
Winkel der Welt hofft er nun darauf,<br />
seinen Häschern entkommen zu sein,<br />
aber natürlich hat er keine Absichten,<br />
die Verehrung seines Meisters hier aufzugeben,<br />
ganz im Gegenteil: Detlef hat<br />
mit seinen umfangreichen Kenntnissen<br />
in der Kunst der Liebe schon so manche<br />
Frau in Stammheim beglückt und später<br />
auch deren Männer (er ist in dieser<br />
Hinsicht nicht gerade wählerisch, denn<br />
Slaneesh kennt solche kleinlichen Unterscheidungen<br />
nicht)!<br />
Obwohl Detlef versucht, hier nicht weiter<br />
aufzufallen, haben ihn seine fleischlichen Gelüste<br />
voll und ganz im Griff und er kann sich<br />
schlicht und einfach nicht beherrschen...<br />
Allerdings wissen die Bewohner(innen)<br />
Stammheims nichts davon, da jede Person<br />
von sich glaubt, sie sei die einzige, die in der<br />
kleinen Kammer des Stallknechts in völlig<br />
neue Spielarten der Lust eingeführt worden<br />
ist.<br />
Dummerweise ist es nur eine Frage der<br />
Zeit, bis dieses gefährliche Spielchen<br />
Detlefs wieder einmal auffliegt und<br />
er daher erneut fliehen muss! Unter<br />
einem losen Holzbrett bei der kleinen<br />
Truhe in seiner Kammer finden sich<br />
neben seiner guten Kleidung aus den<br />
besseren Tagen in Nuln auch einige<br />
exquisite und wertvolle Schmuckstücke<br />
sowie ein magischer Dolch, der<br />
dem Chaosgott geweiht ist und einige<br />
weitere Dinge, die nahelegen könnten,<br />
was der Stallknecht Stammheims in<br />
Wahrheit für ein verdorbenes und korrumpiertes<br />
Geschöpf der Mächte des<br />
Chaos ist...<br />
d. Gemeinschaftsküche<br />
Dieses Haus steht etwas abseits der<br />
anderen Gebäude, um die Brandgefahr<br />
von vornherein möglichst gering<br />
zu halten.<br />
Hier ist Franz-Xaver Pfannstiehl fast<br />
den ganzen Tag über anzutreffen, den<br />
der vierschrötige Mann kocht mit Hilfe<br />
einiger der Frauen für die gesamte Siedlung.<br />
Während früher die Ehefrauen des Holzfäller<br />
für diese gekocht haben, wurde dies<br />
schon recht bald als zu große Zeitverschwendung<br />
abgetan, denn es gab genug andere<br />
Arbeiten, die diese den gesamten Tag über<br />
verrichten mussten: Neben der schwierigen<br />
und mittlerweile auch gefährlichen Feldarbeit<br />
(die jetzt nur noch in Sichtweite der<br />
Siedlung ausgeübt wird) wurde es in letzter<br />
Zeit immer wichtiger, dass einige der Frauen<br />
wegen ihrer verletzten Männer Wachdienste<br />
übernahmen oder aber sogar mit den Männern<br />
ausgezogen sind, um Bäume zu fällen!<br />
Dies ist zwar eine ungewöhnliche Maßnahme,<br />
aber wegen der vielen Goblinüberfälle<br />
sind ständig Verletzte oder Tote zu beklagen<br />
und daher stehen die Frauen in Stammheim<br />
sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes ihren<br />
Mann...<br />
Die Dörfler finden sich jeden Abend in einem<br />
langgezogenen Anbau neben dem Küchengebäude<br />
zusammen, um dort nach dem<br />
kurzen Tischgebet des jungen Priesters zu<br />
essen. Franz-Xaver ist ein guter Bekannter<br />
von Ottokar Schwindlicht und war früher mit<br />
ihm bei der Armee als Feldkoch unterwegs,<br />
dementsprechend einfach aber nahrhaft sind<br />
auch die Gerichte, die er den Dorfbewohnern<br />
jeden Abend auftischt.<br />
Allerdings hat sich noch niemals jemand bei<br />
ihm darüber beschwert, denn alle Bewohner<br />
Stammheims wissen, dass der Koch mit dem<br />
wenigen an Nahrungsmitteln auskommen<br />
muss, was vorhanden ist und wegen der<br />
ständigen Bedrohung durch Goblins ist auch<br />
Abenteuer<br />
Seite 53
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Schnutenbach<br />
die früher regelmäßige Versorgung mit Wild<br />
nicht mehr gesichert... Franz-Xaver Pfannstiehl<br />
räuchert in seiner spärlichen Freizeit<br />
auch das erhaltene Fleisch, um es haltbar zu<br />
machen für den Fall eines erneuten Angriffs<br />
der Grünhäute oder sogar einer Belagerung;<br />
obwohl er ziemlich grimmig aussieht und sich<br />
auch nur sehr selten rasiert ist er ein herzensguter<br />
Mensch und kann ein guter Freund<br />
sein, wenn man seinen derben Armeehumor<br />
zu schätzen weiß...<br />
Der Koch besitzt auch ein Fuhrwerk mit<br />
den Überresten seiner ehemaligen Armeeküche,<br />
das er ab und zu aus den Stallungen<br />
holt, wenn die Holzfäller länger im Wald unterwegs<br />
sind und daher das Essen zu ihnen<br />
gebarcht werden muss; in diesem Falle wird<br />
Franz-Xaver eigentlich fast immer von seinem<br />
ehemaligen Kameraden Ottokar Schwindlicht<br />
begleitet.<br />
e. Wehrturm<br />
Die höher gelegene Wehranlage ist erst<br />
auf Anraten des hier auch lebenden Ottokar<br />
Schwindlicht entstanden, als die Überfälle<br />
der Goblins nach und nach immer schlimmer<br />
wurden und ist auch als deutlich jüngeren<br />
Datums zu erkennen.<br />
Der aus mächtigen Holstämmen errichtete<br />
und wuchtige Turm ist mit seinen zwei Stockwerken<br />
leicht groß genug, um allen Bewohnern<br />
Stammheims im Falle einer erneuten<br />
Attacke Schutz zu bieten und daher befindet<br />
sich auch im Erdgeschoss nur ein großer<br />
Raum, der mit derzeit an die Wand geschobenen<br />
Schlafpritschen eingerichtet ist.<br />
Eine große Kammer beherbergt haltbar gemachte<br />
Nahrungsmittel und es gibt sogar ein<br />
abgedecktes Brunnenloch, so dass selbst die<br />
Wasserversorgung während eines Angriffs<br />
gesichert ist.<br />
Ottokar Schwindlicht hat seine ganze Erfahrung<br />
als ehemaliger Soldat des Empire in<br />
dieses Bauwerk eingebracht und obwohl es<br />
natürlich alles andere als perfekt ist, so kann<br />
er doch völlig zu Recht stolz darauf sein; außer<br />
durch Zauberei ist es überaus unwahrscheinlich,<br />
dass Goblins in der Lage sind, diese<br />
kleine Wehranlage einzunehmen.<br />
Im oberen und etwas kleineren Stockwerk<br />
befinden sich neben dem Wohnraum Ottokars<br />
auch noch eine Kammer mit Waffen, vor<br />
allem selbst gefertigten Bögen und Pfeilen,<br />
sowie einige separate Gemächer für Verletzte...<br />
Ottokar selbst hat in Stammheim ein sehr<br />
angenehmes Leben und genießt es auch in<br />
vollen Zügen.<br />
Nach seiner Schinderei bei der Armee ist<br />
Seite 54<br />
er hier sein eigener Herr und so ziemlich jede<br />
Person im Ort tut, was er sagt; dabei hat Ottokar<br />
aber meistens wirklich die Interessen<br />
Stammheims und seiner wenigen Einwohner<br />
im Sinn, denn falls es diese kleine Ansiedlung<br />
irgendwann einmal nicht mehr geben sollte,<br />
dann müsste er womöglich wieder auf die<br />
Wanderschaft gehen oder sich als Söldner<br />
verdingen – ein Leben, das er mittlerweile<br />
zutiefst verabscheut...<br />
Zur Zeit schläft oft die Witwe eines vor<br />
einigen Monaten verstorbenen Holzfällers<br />
namens Anneliese Zweig bei ihm, was bei<br />
den übrigen Bewohnern Stammheims nicht<br />
gerade sehr gerne gesehen wird. Ottokar<br />
hingegen gefällt dies und er überlegt sich<br />
nun schon seit einiger Zeit, ob er nicht den<br />
Ulric-Priester Sigismund Sauschläger fragen<br />
soll, ob eine Heirat denn möglich ist – der altgediente<br />
Soldat hofft darauf, endlich richtig<br />
sesshaft zu werden...<br />
f. Jägerhaus<br />
Durch die räumlich doch ziemlich beengte<br />
Lage Stammheims haben auch die ansässigen<br />
Jäger aus der Not eine Tugend gemacht<br />
und sind in diese kleine Blockhütte gezogen.<br />
Bei den Jägern handelt es sich um Hubert<br />
Auerswald und Markus Schafthauser, die<br />
dritte Pritsche in dem einzigen Raum des<br />
Hauses bleibt seit einiger Zeit unbelegt, da<br />
ihr Freund Ansgar erst vor kurzer Zeit einem<br />
Hinterhalt der Goblins zum Opfer fiel...<br />
Die Kammer ist einfach, aber zweckdienlich<br />
eingerichtet und grob verarbeitete Felle<br />
bedecken viele Wände<br />
und den Boden;<br />
es gibt eine verrußte<br />
Kochstelle an einer<br />
der Wände, die jedoch<br />
selten benutzt<br />
wird, da die beiden<br />
entweder im Wald<br />
unterwegs sind oder<br />
abends wie der Rest<br />
der Dorfgemeinschaft<br />
bei Franz-<br />
Xaver Pfannstiehl<br />
essen.<br />
Markus Schafthauser<br />
überlegt seit einiger<br />
Zeit, mit seiner<br />
drallen Freundin Gundula<br />
– der Tochter<br />
des Grobschmieds<br />
Stammheims – zusammenzuziehen,<br />
er weiß jedoch noch<br />
nicht, wie er dies seinem<br />
alten Freund Hubert<br />
beibringen soll.<br />
Hubert wird von schlimmen Selbstvorwürfen<br />
geplagt, seit Ansgar getötet worden ist,<br />
da er ihn bei dem Angriff im Stich gelassen<br />
hat, was jedoch niemand im Ort weiß...<br />
Die beiden Männer sind ausgezeichnete<br />
Schützen und bei den Goblins durchaus gefürchtet,<br />
denn es kommt immer wieder vor,<br />
dass die Jäger sich lautlos an einige der Grünhäute<br />
anpirschen und einen tödlichen Schuss<br />
anbringen können, nur um dann spurlos wieder<br />
zu verschwinden!<br />
g. Dorfschmiede<br />
Dieses einstöckige Gebäude liegt sehr weit<br />
abseits von den anderen Häusern Stammheims<br />
und seine Grundmauern sind sogar aus<br />
Gestein errichtet; außerdem besitzt es Dachpfannen<br />
statt Stroh und hebt sich damit wirklich<br />
deutlich von den anderen Häusern ab. In<br />
der kleinen Dorfschmiede arbeitet Karlfried<br />
Keifschnabel, den man noch am ehesten daran<br />
erkennen kann, dass er den lieben langen<br />
Tag vor sich hin murrt und leise flucht...<br />
Karlfried hat sich mit seiner Schmiede natürlich<br />
auf die Bewohner Stammheims eingestellt,<br />
daher sind Hufeisen und das Beschlagen<br />
der Pferde auch seine Haupttätigkeit,<br />
aber auch die Anfertigung von Metallreifen<br />
für Fässer, Pflugscharen, Nägel und Messersowie<br />
Sensenklingen werden von ihm und<br />
seinem jungen und stets verschnupften Lehrjungen<br />
Bernhard übernommen.<br />
In letzter Zeit musste sich der ziemlich dicke<br />
Schmied allerdings auch damit beschäftigen,<br />
wie er<br />
schnell gute<br />
Waffen und<br />
Pfeilspitzen<br />
h e r s t e l l e n<br />
kann, denn<br />
seit die Goblins<br />
ihre Attacken<br />
verstärkt<br />
haben<br />
b e n ö t i g e n<br />
die Einwohner<br />
Stammheims<br />
dringend<br />
neue<br />
Waffen und<br />
wenigstens<br />
improvisierte<br />
Rüstungen!<br />
D i e<br />
S c h m i e d e<br />
selbst wird<br />
des Nachts<br />
von einem<br />
Abenteuer
Schnutenbach<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Zum Autor<br />
Die vorliegende Dorfbeschreibung<br />
stammt aus der<br />
Feder von Karl - Heinz Zapf,<br />
der auch schon das Abenteuer<br />
„Museum des Wahnsinns“<br />
(<strong>Anduin</strong> #97) geschrieben<br />
hat. Er betreut ausserdem<br />
auch unsere Liverollenspielecke.<br />
Mehr Infos und weitere<br />
Abenteuer findet ihr unter<br />
www.spieleschmiede.info.<br />
wuchtigen, zweiflügligen Tor verschlossen,<br />
denn Karlfried mag es gar nicht gerne, wenn<br />
jemand in seinem Eigentum herumstöbert;<br />
der Schmiederaum beherbergt neben den<br />
kleineren Kohle- und Eisenkammern (übrigens<br />
muss die Kohle immer von Ortwin<br />
Schliemann aus Schnutenbach bezogen werden,<br />
da der hiesige Köhler vor kurzem von<br />
Goblins getötet worden ist) auch noch den<br />
eigentlichen Arbeitsraum mit der großen, in<br />
die ganz aus Stein bestehende Rückwand<br />
eingelassenen Esse mit einem stets daneben<br />
liegenden großen Blasebalg.<br />
An der Wand stehen einfache Holzregale<br />
mit Behältnissen für Zangen, Hämmer und<br />
andere Werkzeuge sowie bereits feriggestellte<br />
Gegenstände wie Hufeisen oder Nägel.<br />
Außerdem steht hier noch ein Schleifstein,<br />
der mächtige Amboss, ein runder Holzstamm<br />
zum Aufziehen der Fassreifen und natürlich<br />
ein Wasserbecken zum Ausglühen der<br />
Schmiedestücke...<br />
Tagsüber kann man den mürrischen und<br />
scheinbar stets mit sich und der Welt unzufriedenen<br />
Karlfried Keifschnabel in seiner<br />
Schmiede hämmern hören, während der<br />
schwitzende Bernhard den Blasebalg bedient<br />
oder andere einfache Tätigkeiten verrichtet.<br />
Der feiste Schmied mit seiner Halbglatze<br />
und den wenigen<br />
meist schnweißnassen, schwarzen Haaren<br />
und dem stets unrasierten, verkniffenen Gesicht<br />
macht auf Fremde einen wenig freundlichen<br />
Eindruck, aber wenigstens versteht er<br />
sein Handwerk.<br />
Karlfried wohnt mit seinem Eheweib Brigitte<br />
in einem der normalen Wohnhäuser, hier<br />
hat auch der Lehrjunge Bernhard seine kleine<br />
Dachkammer...<br />
46. Die Knochenhügel<br />
Diese unheimliche und in unzähligen Legenden<br />
und Liedern verewigte Gegend trägt<br />
ihren unheilvollen Namen völlig zu Recht:<br />
Reist man von Schnutenbach aus direkt in<br />
Richtung Kislev – also nach Norden und entlang<br />
den schroffen Ausläufern der World’s<br />
Edge Mountains – so kommt man nach dem<br />
„Pfuhl“ in dieses düstere und nebelverhangene<br />
Gebiet, das beherrscht wird von einer<br />
Vielzahl von Hügelgräbern aller Art!<br />
Die „Knochenhügel“, die unter anderem<br />
auch den Namen „Schwarze Hügel“ traurige<br />
Berühmtheit erlangt haben, waren vor<br />
langer Zeit die Zeugen unzähliger großer<br />
Schlachten und Scharmützel, so dass die bleichen<br />
Knochen vieler Kreaturen immer noch<br />
vereinzelt aus dem Erdreich ragen... Ziemlich<br />
genau im Zentrum dieser schauerlichen<br />
Gegend – in der nur verkrüppelte Bäume<br />
wachsen und die von normalen Tiere gemieden<br />
wird – befindet sich eine weite Ebene in<br />
der die mittlerweile von kriechendem und<br />
hier allgegenwärtigen Unkraut überwucherten<br />
Gebeine; von diesem Ort geht eine fast<br />
spürbare Bedrohung aus und die Geister der<br />
gefallenen Kämpfer finden keine Ruhe, sondern<br />
beginnen Nacht für Nacht ihre letzte<br />
Schlacht erneut und jeder Lebende, der in<br />
diesen grausigen Mahlstrom von durchsichtigen<br />
Gestalten, halbrealen Geräuschen und<br />
dem erschreckend echt wirkenden Kampfgeschehen<br />
gerät läuft Gefahr, Schaden an<br />
Leib und Geist zu nehmen (CL-Test oder 1W6<br />
Insanity Points)! Doch damit leider noch<br />
nicht genug: Die meisten der Hügelgräber in<br />
den „Schwarzen Hügeln“ sind zwar wahrscheinlich<br />
wirklich angefüllt mit wertvollen<br />
Grabbeigaben aus alter Zeit, dennoch sind<br />
sie erstaunlich unberührt und erwecken den<br />
Eindruck, als hätten sich niemals Grabräuber<br />
an ihnen zu schaffen gemacht.<br />
In Wahrheit aber haben es natürlich viele<br />
wagemutige Diebe und Halsabschneider<br />
versucht, hier durch einen glücklichen Fund<br />
reicht zu werden, doch keiner von ihnen<br />
überlebte allzu lange in diesem Gebiet und<br />
ihre verstreuten Knochen sind meistens vor<br />
den Gräbern zu finden, in die sie einbrechen<br />
wollten...<br />
Unzählige grausame Bestien machen das<br />
verrufene Hügelland unsicher, Dire Wolves<br />
heulen bei Nacht den Mond an und gewaltige<br />
Jabberwocks streifen bei Tage hungrig umher<br />
– das größte Übel der „Knochenhügel“<br />
sind aber ohne jeden Zweifel die Horden von<br />
Untoten, die nicht in ihren Gräbern bleiben<br />
wollen und jedes Lebewesen erbarmungslos<br />
angreifen!<br />
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die<br />
hier hausenden Untoten erstaunlich stark<br />
und widerstandsfähig sind und daher eine<br />
große Gefahr selbst für die erfahrensten<br />
Kämpfer von ihnen ausgeht.<br />
Prinzipiell sind hier alle abscheulichen Arten<br />
von Untoten anzutreffen: Von den widerwärtigen<br />
Zombies über gefräßige Ghouls<br />
bis hin zu machtvollen Vampires und nur<br />
ein unwissender Narr wird die Nacht in den<br />
„Knochenhügeln“verbringen...<br />
Es gibt zwei mehrere Machtfaktoren in<br />
diesem ausgedehnten Gebiet, das im Osten<br />
durch die World’s Edge Mountains, im Westen<br />
durch den Great Forest, im Süden durch<br />
den „Pfuhl“ und im Norden durch die nahe<br />
Grenze zu Kislev begrenzt wird: In den Bergen<br />
haust zum Beispiel der Dragon Grimmfang,<br />
der allerdings meistens schläft und<br />
dem die Anbetung einiger Lizardmen völlig<br />
ausreichend erscheint, im Zentrum des Hügellandes<br />
aber herrscht eine wirklich grausige<br />
Kreatur, die sogar Jagd auf die riesigen<br />
Jabberwocks macht und außer Grimmfang<br />
selbst wohl keine hier lebende Kreatur zu<br />
fürchten braucht! Hierbei handelt es sich<br />
um einen Undead Manticore, der durch den<br />
Einsatz unseliger Zauberei und dem Wirken<br />
der Chaoskräfte entstanden ist und diese Gegend<br />
schon seit langer Zeit unsicher macht!<br />
Zum Glück für die wenigen närrischen reisenden<br />
aber sind Begegnungen mit diesen<br />
beiden gefährlichen und todbringenden<br />
Kreaturen eher selten, weit häufiger haben<br />
sie es mit den hier überall umhertorkelnden<br />
Untoten zu tun, die weit stärker sind als gewöhnlich...<br />
Abenteuer<br />
Seite 55
ANDUIN <strong>98</strong><br />
NSC-Ecke<br />
NSC - Ecke<br />
Ein NSC für eure Kampagnen<br />
TEXT: LArs Hendrik Schilling<br />
ILLUSTRATION: Jennifer Lange<br />
GauSS, der Weise<br />
ohne Morgenland<br />
Genre: Moderne, Cyberpunk, Endzeit<br />
Name: Sein richtiger Name ist unbekannt<br />
und wird von ihm geheim gehalten. Ansprechen<br />
lässt er sich mit Gauß nach dem Mathematiker<br />
Carl Friedrich Gauß. Im Gespräch<br />
über ihn wird er häufig auch als das Orakel<br />
oder der Weise ohne Morgenland genannt.<br />
Alter: 36 Jahre<br />
Größe: 1,82 m<br />
Statur: schlank, hochgewachsen<br />
Haarfarbe: schwarz<br />
Augenfarbe: braun<br />
Beschreibung: Trotz der vielen Narben<br />
an seinem Leib, von der eine quer über sein<br />
kantiges Gesicht geht, hat Gauß eine sehr<br />
angenehme und vertrauenserweckende Ausstrahlung.<br />
Seine weiche Gesichtszüge und<br />
Seite 56<br />
die jederzeit ruhige und gefasste Haltung hat<br />
etwas sehr Beeindruckendes an sich.<br />
Sein Haar trägt Gauß sehr kurz. Die höchstens<br />
einen Zentimeter langen, tief schwarzen<br />
Stoppeln lassen seine hohe Stirn frei, wodurch<br />
seine Geheimratsecken offensichtlich<br />
sind.<br />
Der Weise ohne Morgenland bevorzugt<br />
einfache, robenartige Kleidung mit tiefen Taschen,<br />
die er sich selbst näht. Zusammengehalten<br />
werden diese Kleider durch eine Kordel<br />
ähnlich der einer Mönchstracht. Jedoch<br />
ist diese deutlich länger, so dass Gauß immer<br />
sechs Meter festes Seil bei sich hat.<br />
Niemand wusste, wer er war und woher er<br />
kam. Als Gauß in seinem momentanen Wohnort<br />
eine kleine Hütte bezog, die viele Jahre<br />
leer gestanden hatte, kannte ihn keiner.<br />
Doch der selbstlose Mann, dessen Wissen<br />
und Weisheit ihn zu einem guten Ratgeber<br />
und Helfer macht, wurde rasch weit bekannt<br />
und beliebt. Heute verlassen sich viele auf<br />
seinen Rat und seine Hilfe, was ihm den Beinamen<br />
das Orakel beschert hat.<br />
Neben seiner Weisheit und seiner Menschenkenntnis<br />
verfügt Gauß über enorme<br />
mathematische, wissenschaftliche und technische<br />
Kenntnisse. Deshalb könnte er sich<br />
einen sehr viel besseren Lebensstil erlauben,<br />
wenn er mit diesen Fähigkeiten sein Geld verdienen<br />
würde. Da er aber asketisch in einer<br />
kleinen Hütte wohnt, anstatt ein großer Herrenhaus<br />
mit weitem Garten zu bewohnen,<br />
wird er auch häufig als der Weise ohne Morgenland<br />
bezeichnet.<br />
Bekanntheitsgrad: Praktisch jeder kennt<br />
Gauß und hat das Orakel schon einmal um Rat<br />
gebeten. Viele Leute schulden ihm einen oder<br />
mehrere Gefallen oder stehen anderweitig in<br />
seiner Schuld. Obwohl er so bekannt ist, weiß<br />
offenbar wirklich niemand etwas über seine<br />
Vergangenheit. Der Weise ohne Morgenland<br />
ist somit ständig von einer Aura des Geheimnisses<br />
umgeben.<br />
Motivation: Gauß ist sehr altruistisch eingestellt<br />
und versucht immer, den Leuten zu<br />
helfen – vor allem, indem er sie berät. Dabei<br />
hält er wenig davon, den Menschen zu geben,<br />
was sie sich wünschen. Er versucht immer,<br />
ihnen zu geben, was sie brauchen.<br />
Wenn es in der Welt, in der man ihn einsetzt,<br />
logisch möglich ist, so ist Gauß erklärter<br />
Atheist. Zu seinen Grundsätzen gehört somit,<br />
dass die Menschen einander helfen müssen<br />
und für einander da sein müssen, denn da es<br />
keinen Gott gibt, wird es sonst niemand tun.<br />
Wenn Gauß jemandem hilft, so fordert er<br />
diesen Gefallen früher oder später wieder<br />
ein. Dadurch kann er auch oft helfen, indem<br />
er Bedürftige einfach an andere Leute weitervermittelt,<br />
die ihm noch etwas schuldig sind.<br />
Dem Weisen ohne Morgenland einen solchen<br />
eingeforderten Gefallen abzuschlagen,<br />
ist keine sonderlich gute Idee. Da sehr viele,<br />
teilweise auch sehr mächtige Leute das Urteil<br />
des Mannes schätzen, kann man sich plötzlich<br />
allein, ohne Kontakte oder gar verachtet<br />
sehen, wenn man Gauß’ Bitte ablehnt.<br />
Im Bezug auf seine eigene Lebensführung<br />
strebt Gauß eine gewisse Autarkie und Selbstversorgung<br />
an. Er lebt sehr asketisch, besitzt<br />
nur das Notwendigste und versucht immer,<br />
dieses auch selbst herzustellen. So näht er<br />
seine eigene Kleidung und gewinnt Trinkwasser<br />
durch das Auffangen von Regenwasser.<br />
Verhalten: Gauß ist jederzeit freundlich,<br />
sehr beherrscht und ruhig. Er handelt stets<br />
überlegt, was ihm dank seines überragenden<br />
Intellekts auch in Krisensituation sehr gut gelingt.<br />
Gauß ist praktisch bedürfnislos. Solange<br />
er weiterhin alles hat, was er zum Leben<br />
braucht, ist er glücklich. Dadurch ist er eine<br />
sehr ausgeglichene Person, deren Verhalten<br />
ständig ein starkes inneres Gleichgewicht erkennen<br />
lässt.<br />
Obwohl er eine sonderbare Form von Philanthrop<br />
ist, weiß Gauß die Einsamkeit ebenfalls<br />
zu schätzen. Nicht umsonst lebt er allein.<br />
Obwohl er viele, viele Bekannte hat und es<br />
jede Menge Leute gibt, die seinen Rat schätzen<br />
und ihm Gefallen schulden, hat Gauß keinerlei<br />
engere Kontakte. Von Freunden oder<br />
Geliebten des Weisen hat man bisher nichts<br />
gehört.<br />
Magie: Wenn es in der Welt, in der man ihn<br />
Mai 2009
NSC-Ecke<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
einsetzt, Magie geben sollte, so interessiert<br />
sich Gauß für sie, beherrscht sie jedoch nicht<br />
selbst. Aufgrund seines enormen Verständnisses<br />
von Wissenschaft und Technik kann er<br />
manchmal scheinbar magisch Dinge vollbringen<br />
– man denke an Clarkes drittes Gesetz:<br />
„Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie<br />
ist ununterscheidbar von Magie.“<br />
Gerüchte: „Gauß? Der kann euch sicher<br />
helfen. Der weiß fast alles.“ – „Wo er herkommt,<br />
weiß niemand. Nicht mal seinen richtigen<br />
Namen. Wenn ihr mich fragt, hat er mal<br />
was Schreckliches getan und sucht jetzt Vergebung.“<br />
– „Seht ihr die ganzen Narben am<br />
Leib des Orakels? Letztens hab ich gehört,<br />
die kommen von der Zeit, als mächtige Banden<br />
ihn verfolgten und seine ganze Familie<br />
ermordeten. Deshalb hält er jetzt auch seine<br />
Identität geheim.“<br />
Zitate: „In den unvorstellbaren Weiten<br />
des Universums haben die Menschen nur<br />
einander, sich zu helfen und zu unterstützen.“<br />
– „Es gibt so viel Schönheit in der Welt.<br />
Man muss nur wissen, wie man sie sichtbar<br />
macht.“ – „Die Frage ‚Wer bist du?’, die viele<br />
Philosophen immer und immer wieder stellen,<br />
scheint mir nicht annähernd so wichtig<br />
wie ‚Was bist du?’ Zu wissen, was es bedeutet<br />
Mensch zu sein und die Natur unserer<br />
Art zu kennen, ist vielleicht das nützlichste<br />
Wissen, das wir erringen können.“ – „Die<br />
Kreisfrequenz kann für die Beschreibung von<br />
Schwingungen verwendet werden, einfach<br />
weil jede harmonische Oszillation entlang<br />
einer Achse als Projektionseffekt der starren<br />
Rotation in der fünfdimensionalen Raumzeit<br />
aufgefasst werden kann. Durch Überlagerung<br />
verschiedener Bewegungen kann man<br />
natürlich jede Form von Schwingung als Rotation<br />
in n Dimensionen beschreiben.“<br />
Abenteuervorschläge: Gauß kann vor allem<br />
als unterstützender NSC genutzt werden, indem<br />
er den Charakteren bei einem Problem<br />
hilft. Wenn er dieses denn so einschätzt, dass<br />
die Spielercharaktere Hilfe brauchen bzw.<br />
verdienen. Da er so bedürfnislos ist, wird es<br />
da für die Charaktere besonders schwer, ihn<br />
zu Etwas zu bringen, was er nicht möchte. Sie<br />
haben kaum einen Ansatzpunkt. Höchstens<br />
Gewalt und Gauß hat viele, viele Freunde.<br />
Er kann dafür leicht den Aufhänger für zwei<br />
Abenteuer darstellen. Wenn man seine Hilfe<br />
benötigt, könnte er diesen Gefallen später<br />
zurückfordern.<br />
Abenteuer mit dem Weisen ohne Morgenland<br />
im Zentrum könnten sich um dessen rätselhafte<br />
Vergangenheit drehen.<br />
1 Zwei Anmerkungen des Autors: 1) Nein, das ich nicht erfunden,<br />
das stimmt wirklich. 2) Gauß redet nur dann so, wenn man<br />
sich mit im über ein solches wissenschaftliches Thema unterhält.<br />
Sonst spricht er gehobene Umgangssprache. Der Satz sollte vor<br />
allem verdeutlich, dass Gauß sich mit diesen Dingen wirklich gut<br />
auskennt<br />
Letzten Samstag<br />
Eine Cthulhoide Kurzgeschichte<br />
TEXT: Friederike Schmutzler<br />
Ich muss sie schon wieder angucken. Langsam<br />
werde ich nervös, wenn ich sie noch länger<br />
betrachte. Hat sie sich nicht eben verändert?<br />
Sie hat sich doch bewegt? Eben hatte<br />
dieses Gebilde doch noch eine andere Form,<br />
ganz sicher, eine glatte runde Kugel, eine Kugel,<br />
aber jetzt.. Da sind doch Arme und Beine,<br />
seltsam und viel zu viele davon..<br />
Und die Farbe.. die war doch vorher auch<br />
anders? Die war doch eben noch violett, ja<br />
natürlich, die war violett.. Nicht braunrot.<br />
Das sieht ja grotesk aus. Ich bin mir sicher,<br />
dass sie nicht diese Farbe hatte.. Nicht die<br />
Farbe von getrocknetem .. Blut?<br />
Jetzt erinnere ich mich wieder.<br />
An letzten Samstag.<br />
Wer hätte gedacht, dass ich mich eines Tages<br />
vor meiner Lavalampe fürchte?<br />
Wie immer waren wir zu viert: Christian,<br />
der den Ton angab, Benni, der Junior, der<br />
Christians Vorschläge unterstützte, Andreas,<br />
der ausser Fussball kein anderes Gesprächsthema<br />
hatte und ich, von dem Christian<br />
immer behauptete, er sei der Vernünftigste.<br />
Vielleicht stimmte das auch. An diesem<br />
Abend war ich es sicher nicht.<br />
Mai 2009<br />
Natürlich war es Christian, der die Idee hatte,<br />
raus zu gehen. Nach dem vierten Bier, der<br />
dritten Tüte Flips und der wievielten Runde<br />
Playstation war uns langweilig geworden,<br />
im Fernsehen lief nur Schrott, und auch die<br />
DVDs hatten wir alle durch. Also beschlossen<br />
wir, in die Stadt zu fahren. Irgendwo würden<br />
wir schon was finden, vielleicht gepflegt ein<br />
paar Cocktails schlürfen oder ein Besuch bei<br />
der Party von Tina, der heissen Blonden aus<br />
dem Psychologieseminar. Aber weder die<br />
Aussicht auf Sex on the Beach noch die auf<br />
Sex on the couch konnten uns wirklich locken.<br />
Es musste doch auch noch andere Sachen<br />
geben, die man unternehmen konnte.<br />
Andreas schlug grinsend vor, das wir doch<br />
alle in den örtlichen Puff gehen sollten, da<br />
wären wir schliesslich noch nie gewesen. Für<br />
einen Moment sahen wir ihn nur überrascht<br />
an, doch dann wurde auch diese Idee unter<br />
Gelächter verworfen.<br />
Während wir noch an der Haltestelle in<br />
der Stadt standen und über den weiteren<br />
Verlauf des Abends diskutierten, bemerkte<br />
ich, dass wir beobachtet wurden. An einer<br />
Strassenecke stand eine Gestalt im Halbdunkel<br />
und schien zu uns hinüber zu blicken. Ich<br />
machte Benni, der mir am nächsten stand,<br />
darauf aufmerksam, doch er zuckte nur mit<br />
den Schultern. „Ja und? Wird irgendein Penner<br />
sein,“ war seine Reaktion. Auch Andreas,<br />
der die Gestalt nun ebenfalls bemerkt hatte,<br />
schüttelte nur den Kopf, murmelte etwas<br />
von „Groupie“ und „geheime Verehrerin“<br />
und wandte sich dann wieder dem Gespräch<br />
zu. Mir war jedoch mulmig geworden, denn<br />
ich war mir sicher, dass es sich bei der Person<br />
an der Ecke weder um einen Obdachlosen<br />
noch um irgendein Mädchen handelte. Es<br />
war etwas anderes, etwas düsteres, doch ich<br />
war mir sicher, wenn ich den anderen sagte,<br />
das ich tatsächlich ANGST hatte vor einem<br />
Schatten im Dunklen, würden sie mich den<br />
Rest meines Lebens auslachen und als Pussy<br />
beschimpfen. So beschloss ich, die Schnauze<br />
zu halten und ging hinter den anderen her,<br />
die sich offensichtlich für einen Besuch in einer<br />
Oben-Ohne-Bar entschieden hatten, obwohl<br />
sie sich sicher waren, das sie weder die<br />
richtigen Klamotten trugen noch genügend<br />
Geld dafür hatten.<br />
Während ich neben Benni ging, der mir<br />
etwas von einem Splatterfilm erzählte, in<br />
dem zwei Kerle in einem versifften Keller<br />
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KURZGESCHICHTEN<br />
von einem Unsichtbaren gefangen gehalten<br />
werden, liess mich die Begegnung an<br />
der Haltestelle nicht los. Vielleicht hatte ich<br />
doch schon zuviel getrunken, oder irgendein<br />
Film hatte sich in meinem Unterbewusstsein<br />
festgesetzt. Plötzlich hörte ich ein Geräusch<br />
hinter mir, und erschrocken fuhr ich herum.<br />
Doch da war niemand; ausser dem protestierenden<br />
Benny, den ich angerempelt hatte,<br />
war nichts mehr zu hören.<br />
„Sucht ihr was?“<br />
Nicht hinter mir, sondern vor uns stand<br />
plötzlich eine Frau. Es war schwer, im Halbdunkel<br />
ihr Alter auszumachen, doch ich<br />
schätzte sie auf Anfang bis Mitte 20. Sie<br />
hatte lange schwarze Haare und ein blasses<br />
Gesicht, in dem ein paar nachtschwarze Augen<br />
belustigt funkelten. Ihr Mund wurde von<br />
einem leichten Lächeln umspielt, und als sie<br />
sprach, offenbarte sie Zähne, die so gleichmässig<br />
geformt und hell waren, das jedes<br />
Topmodel dafür gemordet hätte. Insgesamt<br />
wirkte ihr Gesicht so ebenmässig und schön,<br />
sie sah fast ein wenig maskenhaft aus. Ihrer<br />
Kleidung nach – schwarzer Hosenanzug und<br />
Bluse – war sie sicher Managerin oder Bankerin,<br />
obwohl hier in der Nähe keine grossen<br />
Firmen waren. „Na, ist das die von der Haltestelle?“<br />
wollte Andreas wissen und sah mich<br />
grinsend an. Ich zuckte nur mit den Achseln,<br />
denn wenn ich ehrlich sein sollte, so ganz<br />
sicher war ich mir nicht. Irgend etwas an ihr<br />
störte mich, vielleicht war ihr Lächeln zu perfekt,<br />
ihr Körper zu makellos.<br />
Oder vielleicht war es einfach die Tatsache,<br />
dass wir sie trotz ihrer hohen Hacken nicht<br />
hatten kommen hören.<br />
„Ich kenn einen coolen neuen Club, gleich<br />
hier in der Nähe.. habt ihr Bock, mit mir dahin<br />
zu gehen? Ihr seht so aus, als könntet ihr<br />
ein bißchen Action gebrauchen,“ meinte die<br />
Frau und fasste dabei schon nach Christians<br />
Hand. Der liess sich willig mitziehen – zu willig<br />
für meinen Geschmack – und die anderen<br />
folgten den beiden. Mir blieb ja nun nichts<br />
anderes übrig, also ging ich hinterher. Wohl<br />
war mir bei dem Gedanken, mit einer fremden<br />
Frau in irgendeinen obskuren „Club“ zu<br />
gehen, überhaupt nicht, aber was sollte uns<br />
schon gross passieren? Wir waren zu viert,<br />
und wir alle waren sportlich und nicht gerade<br />
klein. Vielleicht war die Gute irgend eine<br />
Marketingtussi, und sollte uns als Kunden<br />
für einen Club werben, wo wir zu überhöhten<br />
Preisen wässrige Cocktails und ein Monatsabo<br />
für was auch immer bekamen, oder,<br />
im schlimmsten Falle, gehörte sie zu einer<br />
Gangsterbande und um die nächste Ecke<br />
warteten ihre Kumpane, um uns unsere Geldbörsen<br />
abzunehmen.<br />
Meine Sorgen schienen jedoch zunächst<br />
unbegründet zu sein, denn es erwarteten<br />
uns keine Schläger, sondern nach ein paar<br />
Minuten Fussmarsch blieb unsere geheimnisvolle<br />
Führerin stehen und deutete auf ein etwas<br />
heruntergekommenes Haus, aus dessen<br />
Keller Musik und Geräusche zu uns herauf<br />
klangen. „Wir sind da! Willkommen im ‚Yellow<br />
King‘,“ verkündete sie lächelnd. Während<br />
ich noch feststellte, dass ich noch nie<br />
in diesem Viertel, geschweige denn in dieser<br />
Strasse, gewesen war, lief ich bereits hinter<br />
der Frau und meinen Freunden eine Treppe<br />
ins Souterrain hinab. Ein Türsteher erwartete<br />
uns, ein typischer Schrank mit Lederkleidung<br />
und Sonnenbrille, der uns nur abschätzig zu<br />
mustern schien und dann wortlos hinter unserer<br />
Gastgeberin hereinwinkte.<br />
Zunächst passierten wir einen Perlenvorhang,<br />
der bei jeder Bewegung leise Geräusche<br />
von sich gab. Schon hier schlug mir ein<br />
seltsamer süsslicher Geruch entgegen, der<br />
sich verstärkte, als ich den Vorhang als letzter<br />
beiseite geschoben hatte. Doch in dem<br />
merkwürdig schummrigen orange-gelben<br />
Licht, das von ein paar Strahlern an der Wand<br />
ausging, konnte ich nicht genau ausmachen,<br />
was diesen Duft verströmte. Waren es die<br />
seltsamen palmenähnlichen Pflanzen, die<br />
in hohen Blumenkübeln um die Säulen des<br />
Kellergewölbes arrangiert waren, und die<br />
so gar nicht nach den üblichen Dekoblumen<br />
aus dem Baumarkt aussahen, sondern.. lebendig?<br />
Die Blätter bewegten sich sogar,<br />
obwohl hier drin kein Luftzug ging. Neben<br />
einigen dieser eigentümlichen Palmen gab<br />
es Brunnen, die leise vor sich hin gurgelten.<br />
Im ersten Moment musste ich an ein chinesisches<br />
Restaurant denken, doch als ich dann<br />
an einem dieser Bassins vorbeiging, als unsere<br />
Gastgeberin uns an einen Tisch führte,<br />
bemerkte ich, dass die Flüssigkeit unmöglich<br />
Wasser sein konnte. Ihre Konsistenz war dafür<br />
viel zu dickflüssig, und die Farbe.. es war<br />
unmöglich, eine genaue Farbe festzustellen.<br />
Nur das beinahe aggressiv-giftige Leuchten<br />
der Strahler brach sich darin.<br />
Die Palmen und die Brunnen sowie die<br />
seltsamen Zeichen an den Wänden, die mir<br />
erst jetzt, als meine Augen sich an das Halbdunkel<br />
gewöhnt hatten, aufgefallen waren,<br />
erinnerten mich an eine Kneipe aus den 60er<br />
oder 70er Jahren. Ich wäre nicht überrascht<br />
gewesen, wenn jetzt Jimi Hendrix auf der<br />
Bühne erschienen wäre. Offensichtlich war<br />
aber diese LSD-Fantasie das Ziel des Innenarchitekten<br />
gewesen, denn als ich rechts<br />
und links neben einer Palme jeweils eine<br />
Lavalampe sah, in denen sich jeweils tieforangenes<br />
und gelbgrünes Wachs auf- und<br />
abbewegte, musste ich doch lächeln. Aber<br />
ich hatte nicht lange Zeit, die kleinen raketenförmigen<br />
Leuchten zu betrachten, denn<br />
die Frau winkte uns an einen grossen runden<br />
Tisch in einer Ecke. Im Halbkreis darum verlief<br />
eine schwarze Ledercouch, auf der wir<br />
fünf Platz nahmen. Während die geheimnisvolle<br />
Dame nach einer Bedienung Ausschau<br />
hielt, nutzte ich die Gelegenheit, mich weiter<br />
umzusehen. Neben der Eingangstür befand<br />
sich eine Bar, hinter der eine Gestalt – denn<br />
von unserem Platz konnte ich nicht sehen,<br />
ob es sich um einen Mann oder ein Frau handelte<br />
– Getränke ausschenkte. Auch die Gäste<br />
an der Theke waren schwer zu erkennen,<br />
ich glaubte, drei Personen zu zählen. Ausser<br />
uns befanden sich noch einige andere Leute<br />
im „Yellow King“, sie sassen ebenfalls in Nischen<br />
wie wir. Die meisten konnte ich nicht<br />
sehen, nur hören, als einige Gesprächsfetzen<br />
zu uns herüberwehten, aber an einem der Tische<br />
sah ich einen Arm, dessen Eigentümer<br />
sich offenbar zu räkeln schien. Eine Weile beobachtete<br />
ich die Hand, die sich drehte und<br />
winkte, doch dann musste ich blinzeln. Die<br />
Hand drehte sich einmal um sich selbst, als<br />
sei sie im Handgelenk losgeschraubt worden.<br />
So etwas war vollkommen unmöglich, selbst<br />
wenn man sehr gelenkig war. Vielleicht hatte<br />
mir das Licht einen Streich gespielt, aber als<br />
ich noch ein weiteres Mal hinsah, war neben<br />
der Hand noch etwas anderes zu sehen. Im<br />
Halbdunkel sah es aus wie ein grosser Fühler,<br />
doch als ich näher hinsah, fielen mir die Saugnäpfe<br />
an dem.. Ding auf.<br />
Es war ein Tentakel.<br />
„Hallo, wisst ihr schon, was ihr trinken<br />
wollt?“ Vollkommen unbemerkt war eine Kellnerin<br />
an unseren Tisch getreten. Sie lächelte<br />
freundlich und zückte recht professionell einen<br />
Block und einen Stift, aber irgend etwas<br />
mit ihr stimmte nicht. Ihre Bewegungen waren<br />
ruckartig, so als ob sie ihre Extremitäten<br />
nicht unter Kontrolle hätte, und ihre Klamotten<br />
wirkten so, als habe jemand ein Stylingmagazin<br />
gelesen und als Vorbild genommen,<br />
ohne recht zu wissen, welche Funktion die<br />
einzelnen Kleidungsstücke erfüllten. Die Ärmel<br />
waren zu kurz, der Ausschnitt schief, und<br />
die Hose bestand aus drei Teilen, es sah aus,<br />
als trüge sie eine Badehose mit angenähten<br />
Stoffröhren. Auch das Mädchen selbst wirkte<br />
seltsam, ihre Haut hatte einen seltsamen grünen<br />
Schimmer, und ich war mir sicher, dass<br />
das, was sich an ihren Ohren bewegte, kein<br />
Schmuck war.<br />
Die Kellnerin hatte Kiemen.<br />
Langsam wurde mir der ganze Laden unheimlich.<br />
In was für ein Etablissement hatte<br />
uns die seltsame Frau geführt? Was war das<br />
hier für eine Freakshow? Eigentlich war mir<br />
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Mai 2009
KURZGESCHICHTEN<br />
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das aber auch in diesem Moment egal, denn<br />
ich hatte plötzlich nur noch einen Gedanken:<br />
Weg hier! Ich wollte aufstehen, aber die Frau<br />
war schneller. Mit einem Satz – wie konnte<br />
sie das so schnell geschafft haben? – sprang<br />
sie auf der anderen Seite des Couchrondells<br />
auf und setzte sich neben mich. „Bleib doch,“<br />
meinte sie, während sie mir ihre Hand auf<br />
den Oberarm legte, und ihr Lächeln strahlte<br />
im Halbdunkel. Die seltsame Kellnerin war<br />
inzwischen verschwunden und mit einem Tablett<br />
zurückgekehrt, auf dem sie fünf Gläser<br />
mit einer bunten Flüssigkeit – es sah nach Tequila<br />
Sunrise aus – balancierte. „Trink etwas<br />
mit uns, das geht aufs Haus“. Die Fremde<br />
reichte mir eines der Getränke und nahm sich<br />
selbst auch eins, die fischige Kellnerin reichte<br />
derweil meinen Freunden ihre Cocktails.<br />
Ich war mir mit einem Mal unsicher, denn<br />
eigentlich wollte ich weg. Wollte ich wirklich?<br />
Als ich in die Augen der Frau blickte,<br />
unergründliche schwarze Tiefen, und dabei<br />
vorsichtig an meinem Getränk nippte, war<br />
ich mir gar nicht mehr so sicher. Solch ein<br />
wunderbares Geschöpf wie sie, sie konnte<br />
uns unter keinen Umständen etwas Böses<br />
wollen. Ausserdem schmeckte der Cocktail<br />
ganz wunderbar. Zwar überhaupt nicht wie<br />
Tequila Sunrise, ein wenig süss, ein wenig<br />
herb, aber so vollkommen, so.. perfekt. Wie<br />
alles hier – das Licht, die Deko, die Leute. Wie<br />
hatte ich nur auf die Idee kommen können,<br />
zu gehen?<br />
In diesem Moment begann auf einer kleinen<br />
Bühne direkt gegenüber von unserem<br />
Tisch eine Frau zu tanzen. Ihr Kostüm bestand<br />
aus einem ledernen hellbraunen Bikini-<br />
Oberteil und einem gleichfarbigen kurzen<br />
Röckchen, um den Hals, die Handgelenke<br />
und die Fussgelenke trug sie hölzerne Reifen<br />
in verschiedenen Maserungen, die leise im<br />
Takt klapperten. Ihre Gesichtszüge wirkten<br />
auf der einen Seite vertraut, aber gleichzeitig<br />
auch fremdartig. Die Musik, die sie begleitete,<br />
war ebenfalls absonderlich, eine Flöte war<br />
das Hauptinstrument, doch daneben waren<br />
Klänge zu hören, wie ich sie noch nie gehört<br />
hatte. Die Melodie war langsam und getragen,<br />
die Tänzerin bewegte sich lasziv zu dem<br />
Rhythmus ungesehener Trommeln. Jetzt<br />
mischte sich auch Chorgesang zu den Instrumenten,<br />
doch die Sprache, in der gesungen<br />
wurde, klang archaisch und grotesk, so als<br />
sei sie schon lange ausgestorben und nur für<br />
dieses eine Lied wiederbelebt worden.<br />
Ich war wie gelähmt von dieser wunderschönen<br />
Tänzerin, und es kam mir auch nicht<br />
komisch vor, als sie sich plötzlich vornüberbeugte<br />
und aus ihrem Rücken zwei schlangenartige<br />
Fühler hervorbrachen und sich anstelle<br />
der Tänzerin bewegten.<br />
Mai 2009<br />
Diese wirkte nun mehr wie eine leere Hülle,<br />
eine Marionette mit abgeschnittenen Fäden.<br />
Zu den Tentakeln gesellte sich plötzlich<br />
eine zweite Tänzerin. Sie war mit Sicherheit<br />
kein Mensch, denn aus ihrem Mund ragten<br />
Fangzähne, und anstelle von Fingernägeln<br />
besass sie lange dünne Krallen. Ein kleiner<br />
Teil meines Gehirns wusste, dass das hier<br />
alles längst nicht mehr normal war, Frauen<br />
mit Kiemen, und tentakelige Wesen auf der<br />
Bühne, aber irgendwie machte mir das alles<br />
nichts aus... die Musik war so angenehm, so<br />
beruhigend, und was auch immer die Kiemendame<br />
uns serviert hatte, es war so gut,<br />
dass ich unbedingt mehr davon wollte.<br />
Ein neues Glas von dem sonderbaren Getränk<br />
wurde mir gereicht, und ich trank es<br />
ohne zu überlegen, und kurz danach stand<br />
ein dritter Drink vor mir. Währenddessen<br />
vollführte die Frau mit den Krallen einen bizarren<br />
Tanz mit den Tentakeln, wie Schlangen<br />
ringelten sich ihre Enden liebkosend um<br />
ihren Hals. Plötzlich aber stieg die Tänzerin<br />
von der Bühne herunter und steuerte direkt<br />
auf unseren Tisch zu. Sie streckte einen ihrer<br />
schlanken Finger aus und deutete auf Benny,<br />
dabei lächelte sie, und als ich sie vom Nahen<br />
betrachtete, bemerkte ich, dass sie nicht nur<br />
Fangzähne besass, sondern dass ihr ganzes<br />
Gebiss das eines Raubtiers war. Mich schauderte<br />
kurz, mein Kumpel Benny jedoch stand<br />
auf, schob sich an uns vorbei und nahm die<br />
Hand der Frau. Ich bemerkte, dass sie unserer<br />
Gastgeberin zunickte, und diese lächelte<br />
nur wissend.<br />
Mir blieb jedoch nicht viel Zeit, darüber<br />
nachzudenken, denn die Tänzerin führte<br />
Benny jetzt auf die Bühne. Wie eine Zauberkünstlerin<br />
präsentierte sie ihn und liess ihn<br />
sich einmal um die eigene Achse drehen.<br />
Dann begann sie, seinen Pullover hochzuschieben<br />
und auszuziehen, kurz danach<br />
folgte sein T-Shirt, Benny liess das willenlos<br />
geschehen. Zu meinem Erstaunen verriet der<br />
Ausdruck in seinem Gesicht nur gleichgültiges<br />
Desinteresse. Achtlos warf sie die Kleidungsstücke<br />
zur Seite, und ich glaubte, ein<br />
kurzes Zischen aus ihrem Mund zu hören. Sie<br />
sprach jedoch kein Wort, sondern schaute<br />
immer nur kurz lächelnd in ihr Publikum, um<br />
sich zu vergewissern, dass alle Aufmerksamkeit<br />
ihr und dem halbnackten jungen Mann<br />
gehörte. Die hatte sie gewiss, denn wir alle<br />
waren gespannt, was nun folgen würde.<br />
Wie einen Fächer liess die seltsame Tänzerin<br />
ihre Finger an der linken Hand aufblitzen, mit<br />
der rechten Hand umfasste sie Bennys Schultern.<br />
Mit einem leisen Kichern streckte sie<br />
den linken Zeigefinger aus und zog die Kralle<br />
einmal diagonal über den Oberkörper meines<br />
Freundes. Für einen Moment war es still im<br />
Raum, selbst von Benny war kein Geräusch<br />
zu hören. Dann aber wurde er des Blutes gewahr,<br />
das aus dem Schnitt quoll, und auch<br />
auf seinen Lippen waren rote Tropfen zu<br />
sehen, als er sich zuckend verkrampfte und<br />
auf die Knie zu fallen drohte. Seine Augen<br />
verrieten tiefes Entsetzen, sein Mund verzog<br />
sich, als ob er anfangen wollte zu weinen,<br />
während er sich mit einer Hand den Bauch<br />
hielt, doch sein Lebenssaft rann ihm durch<br />
die Finger und fiel auf die Bretter der Bühne.<br />
Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle, und er<br />
taumelte auf die Frau zu. Diese hielt ihn fest<br />
und packte sein Gesicht, doch es war eine<br />
mehr als zärtliche Geste, wie sie es tat, und<br />
dann küsste sie ihn leidenschaftlich, bis seine<br />
Krämpfe endlich aufhörten und er wie eine<br />
schlaffe Puppe zu Boden ging.<br />
Ich spürte, wie mein Magen zu revoltieren<br />
begann angesichts dieses grotesken Schauspiels.<br />
Diese Verrückte hatte nicht eben meinen<br />
Kumpel umgebracht, irgendwo musste<br />
eine versteckte Kamera sein, das ganze<br />
konnte doch nur ein Trick sein! Sicher waren<br />
die anderen alle in den Plan eingeweiht, und<br />
diese ganze Sache hier war ein abgekartetes<br />
Spiel, um mir einen gehörigen Schrecken<br />
einzujagen. Aber dann sah ich Andreas und<br />
Christian an, und auch ihre Augen waren<br />
schreck geweitet. Andreas würgte leise und<br />
unterdrückte einen Brechreiz, während Christian<br />
wie ein Irrer anfing, zu lachen. Unsere<br />
Gastgeberin aber lächelte nur zufrieden ihr<br />
perfektes Lächeln, und ich wusste mit einem<br />
Mal, dass SIE es gewesen war, die uns an der<br />
Haltestelle beobachtet hatte. Sie hatte diese<br />
Sache von Anfang an geplant, sie allein war<br />
schuld an Bennys Tod. Ich wollte mich auf sie<br />
stürzen und sie fragen, was für eine perverse<br />
Tussi sie doch war, doch ich konnte mich<br />
nicht rühren. Ich sah nur Bennys Leiche auf<br />
der Bühne, das Tentakelwesen und die Raubtierfrau<br />
waren inzwischen verschwunden,<br />
doch da lag er, die Augen noch immer weit<br />
geöffnet, seine Hände, sein Oberkörper und<br />
seine Hosen, alles voller Blut. Was sollte ich<br />
nur tun?<br />
In diesem Moment fiel mein Blick wieder<br />
auf die hellleuchtenden Lavalampen, die<br />
auch an unserem Tisch neben den Pflanzen<br />
standen. Das Wachs blubberte nicht mehr in<br />
Kugeln von oben nach unten, grässliche Wesen,<br />
die tatsächlich aus rotglühender Lava zu<br />
kommen schienen, schwammen nun in dem<br />
heissen Ölgemisch und winkten mir zu, während<br />
sie näher kamen. Ich wollte schreien,<br />
doch da hatten sie mich schon gepackt, und<br />
bevor ich noch etwas tun können, senkte<br />
sich eine gnädige Ohnmacht über mich und<br />
zog mich in eine tiefere Dunkelheit.<br />
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ANDUIN <strong>98</strong><br />
SUnny Valley<br />
Holidays in Sunny Valley<br />
Ein Szenario für Cthulhu Endzeit<br />
TEXT: Dario H.<br />
ILLUSTRATION: Dario H.<br />
Ein Setting für Cthulhu Now, über einen<br />
vorzeitig abgebrochenen Kanutrip, das<br />
Ende aller Tage und die Rückkehr der alten<br />
Götter.<br />
Vorbemerkung<br />
Willkommen in Sunny Valley. Bei diesem,<br />
seinem Namen mehr als gerecht werdenden,<br />
fiktiven Tal irgendwo an einem Ausläufer der<br />
Rocky Mountains handelt es sich um einen<br />
unheiligen Bastard aus einem gigantischen<br />
Naturpark und Disneyland.<br />
Seitdem das Naturdenkmal privatisiert und<br />
an die Sunnyparks Corporation verkauft wurde,<br />
betreibt diese die Umwandlung zu einem<br />
Freizeitpark mit allen Schikanen und für alle<br />
Geschmäcker. Im Norden des Tals, rund um<br />
die von der Firma hochgezogene Planstadt<br />
R o b e r t s v i l l e ,<br />
(nach Firmenchef<br />
Nelson Roberts)<br />
reihen sich<br />
Abenteuerparks,<br />
Glücksspielmeilen,<br />
Hotels und<br />
Golfplätze aneinander,<br />
ein Paradies<br />
für Pauschaltouristen,<br />
Senioren und<br />
viele Familien, ein<br />
bonbonfarbener Alptraum für viele andere.<br />
Je weiter man jedoch nach Südosten vordringt,<br />
desto verwilderter und naturbelassener<br />
wird das Areal. Zuerst kommen noch<br />
Zeltlager und Campingplätze, Reiterhöfe, ein<br />
paar kleinere Dörfer (eins davon eine reine<br />
Kulisse für Wildwest-Reenactment), Einrichtungen<br />
für Wildwasserrafting und romantische<br />
Rundfahrten mit einem dieser nachgebauten<br />
Schaufelraddampfer.<br />
Wenn man jedoch die im Zentrum des Tals<br />
gelegene Seenplatte hinter sich lässt, hat<br />
man nur noch reine WIldnis um sich. Dieser<br />
Teil von Sunny Valley zieht einen anderen<br />
Schlag Urlauber an, die ausgedehnte Kanutouren<br />
in den Urwald- und Sumpfgebieten<br />
des südlichen Tals unternehmen, abgeschnitten<br />
vom störenden Lärm der Zivilisation. Eine<br />
Seite 60<br />
dieser Gruppen sind die Spielercharaktere.<br />
Dieses Grüppchen aus naturversessenen<br />
Urlaubern hat soeben einen drei Wochen-<br />
Survivaltrip in den Sümpfen hinter sich, ohne<br />
Kontakt zur Aussenwelt (kein Handyempfang)<br />
und will eigentlich noch eine Woche<br />
länger bleiben. Doch ohne ihr Wissen haben<br />
sich in ihrer Abwesehenheit uralte Monster<br />
aus den Meeren erhoben und die Menschheit<br />
angegriffen. Ein roter Regen hat Kontinente<br />
überzogen und gefährliche Mutationen ausgelöst<br />
und die alte Ordnung ist zusammengebrochen.<br />
Während die Freunde in der Sonne<br />
dösen, werden woanders ganze Städte von<br />
titanischen Kreaturen dem Erdboden gleichgemacht<br />
und langsam schwappen auch die<br />
ersten Reaktionen auf die Katastrophe nach<br />
Sunny Valley über. Geifernde Monster treiben<br />
riesige Flüchtlingskolonnen vor sich her. Der<br />
Freizeitpark wird zur Zuflucht und dann zur<br />
Falle. Und als der rote Regen niedergeht und<br />
die Gruppe allmählich feststellt, dass etwas<br />
nicht stimmt, müssen sie in eine komplett<br />
veränderte Welt zurückkehren. Es liegt an<br />
den Spielern ob ihre Charaktere elendiglich<br />
krepieren werden, oder ihren Mitmenschen<br />
neue Hoffnung bringen und beim Verteidigen<br />
und Wiederaufbau der letzten Reste der<br />
menschlichen Zivilisation helfen.<br />
Der Plot von „Holidays in Sunny Valley“<br />
ist weitgehend offen. Die SCs bewegen sich<br />
über die Karte und versuchen sich nach Norden<br />
durchzuschlagen. Der bespielbare Raum<br />
ist abgeschlossen. Im Süden liegen die verseuchten<br />
Sümpfe, in Westen und Osten unüberwindbare<br />
Berge. Der einzige Ausgang<br />
aus dem Tal liegt also in Richtung Robertsville<br />
... und je weiter die Charaktere vorstoßen<br />
desto schlimmer wird es.<br />
Der eigentliche Reiz des Szenarios kommt<br />
aus dem Überlebenskampf in einer ehemals<br />
heilen Welt, der Konfrontation mit dem Unmöglichen<br />
und aus der Reaktion ganz normaler<br />
Leute auf die Katastrophe. Es ist als One<br />
Shot oder als Basis einer längeren Kampagne<br />
zu gebrauchen. Sunny Valley will kein komplett<br />
fertiges Abenteuer sein, sondern eine<br />
Inspiration für eine in einem festen Rahmen<br />
improvisierte Session.<br />
Ich gehe davon aus das der jeweilige SL<br />
seine Spieler und deren Vorlieben am Besten<br />
kennt und besser weiß was er ihnen vorsetzen<br />
will und kann. Grundsätzlich ist das mal<br />
eine Gelegenheit die übliche Subtilität von<br />
Cthulhu fallenzulassen<br />
und<br />
mit einem wilden<br />
Mix aus<br />
Monstern und<br />
anderen Schrecken<br />
zu spielen.<br />
Wer möchte<br />
kann auch gegen<br />
Ende sogar<br />
einen, wie<br />
Godzilla marodierenden,<br />
titanischen Alten<br />
(oder etwas vergleichbares) auftauchen<br />
lassen... solange die Gruppe Spass hat und in<br />
keine absolut auswegslosen Situationen hereinmanövriert<br />
wird ist alles erlaubt.<br />
Das ist überhaupt die wichtigste Grundregel<br />
des gesamten Settings: Monster! Monster!<br />
Monster! Zaubere alles aus dem Hut was<br />
dir stimmig erscheint.<br />
Wie alles beginnt<br />
Am Anfang des Abends werden die Charaktere<br />
gebaut. Dabei sollte es sich um durchschnittliche<br />
Menschen ohne Mythoserfahrung<br />
handeln die sich jetzt mindestens drei<br />
Wochen kennen. Es sollte abgeklärt werden<br />
wie deren Beziehung zueinander aussieht,<br />
Abenteuer
SUnny Valley<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
denn ihre Interaktion wird das Abenteuer bestimmt<br />
noch mehr tragen als die Konfrontation<br />
mit irgendwelchen sabbernden Schrecken<br />
aus der Tiefe. Diese Beziehungen sollten also<br />
nicht konfliktfrei sein.<br />
Es empfiehlt sich dieses Szenario sehr tödlich<br />
zu Spielen. Daher könnten Zweitcharaktere<br />
vorgebaut werden, am Besten weitere<br />
Touristen die als orientierungslose Flüchtlinge<br />
jederzeit von der Gruppe aufgegriffen<br />
werden können.<br />
Zu Beginn des Spiels sollte eine schöne Urlaubsatmosphäre<br />
beschrieben werden.<br />
Die SCs sind abgekämpft aber glücklich,<br />
entspannen sich in der Sonne während neben<br />
ihnen ihre Kanus trocknen. Langsam mischen<br />
sich ein paar irritierende Momente in die Idylle.<br />
Vielleicht finden sie seltsame Fussspuren,<br />
sehen einen Schemen im Wald, fangen einen<br />
merkwürdig mutierten Fisch oder es treiben<br />
seltsam viele tote Fische auf einer Ecke des<br />
Sees. Ein merkwürdiger Parasit verbeisst sich<br />
in das Bein eines im Wasser watenden Urlaubers.<br />
Aus heiterem Himmel durchbrechen<br />
Kampfflugzeuge den zuziehenden Himmel<br />
und bombardieren ein Ziel mitten im südlichen<br />
Naturpark das ein extrem lautstarkes,<br />
unmenschliches Brüllen von sich gibt. Die SCs<br />
werden verunsichert bis zu dem Punkt das<br />
sie beschließen frühzeitig umzukehren.<br />
Und dann setzt der Regen ein und die Flüsse<br />
färben sich rot.<br />
Der Ablauf der<br />
Apokalypse<br />
Zum besseren Verständnis habe ich den<br />
Ablauf des Erwachens der Alten in mehrere<br />
Phasen eingeteilt.<br />
Vorspiel<br />
Die Sterne stehen richtig, und langsam<br />
erwachen uralte, groteske Götter aus ihrem<br />
äonenalten Schlummer. Ihre, das kollektive<br />
Bewusstseine der Menschheit aufstörenden,<br />
Träume treiben hunderte labile Personen in<br />
den Wahnsinn und lassen die Suizidraten ansteigen.<br />
Amokläufe häufen sich. In unwirtlichen<br />
Gegenden rund um den Globus kommt<br />
es zu Zwischenfällen mit merkwürdigen Tieren<br />
und eine rote Algenpest breitet sich entlang<br />
der Pazifikküsten aus.<br />
Die Charaktere brechen auf nach Sunny Valley,<br />
mieten sich ihre Kanus und Ausrüstung<br />
und lassen die Zivilisation (und die Reichweite<br />
der Mobilfunkmasten)hinter sich.<br />
Die Wetterprognosen verkünden fast ausschließlich<br />
Sonne für den gesamten nächsten<br />
Monat.<br />
Erste Welle<br />
Fremdartige Lebewesen überschwemmen<br />
Sumpfgebiete und Strände und greifen vereinzelt<br />
Menschen an um sie zu verschleppen,<br />
zu töten und zu fressen. Sie bewegen sich<br />
eher noch im Geheimen (des Nachts, es gibt<br />
aber massenhafte Sichtungen die öffentlich<br />
nicht ernst genommen werden aber insgeheim<br />
auch bei offiziellen Stellen mehr als Beunruhigung<br />
auslösen.<br />
Währenddessen treten offensiv Kulte auf<br />
die eine Unterwerfung der Menschheit und<br />
die Apokalypse predigen, aber meistens<br />
nicht ernst genommen werden.<br />
Zweite Welle<br />
Es gibt offene Angriffe auf Fischerdörfer<br />
und Kleinstädte. Erdbeben, Meteore oder<br />
dergleichen zerstören vereinzelt Siedlungen.<br />
Mysteriöse Seuchen breiten sich aus. Wellen<br />
von Amokläufen und Terroranschlägen überfluten<br />
die Städte. Missverstandene Ursachen<br />
bringen die Welt vielleicht an den Rand eines<br />
neuen globalen Krieges. Während Zeitungen<br />
über die Ereignisse berichten aber nur haltlose<br />
Spekulationen bieten hüllen sich die Offiziellen<br />
in Schweigen oder geben uninformative<br />
Statements ab nach dem Muster „man<br />
werde sich darum kümmern“. Quarantäntetrupps<br />
und Soldaten werden in der Tat ausgeschickt<br />
und es kommt zu ersten Konfrontationen.<br />
Die Kulte treten nun offen auf und erhalten<br />
auf einmal regen Zulauf. Es kommt zu ersten<br />
Menschenopfern und Akten von Kannibalismus<br />
die manchmal sogar auf Video aufgezeichnet<br />
und veröffentlicht werden.<br />
Gewaltige Sturmfronten ballen sich über<br />
allen Weltmeeren zusammen.<br />
Dritte Welle<br />
Der rote Regen geht der sich als Sporen<br />
von den Algenfeldern erhoben hat geht<br />
weltweit nieder, und mit ihm tritt eine neue<br />
Seuche auf die schlimmer ist als jede vorangegangene.<br />
Menschen, Tiere und Pflanzen<br />
beginnen zu mutieren. Gleichzeitig kommt<br />
es zu Überschwemmungen, Kernkraftwerke<br />
explodieren, es kommt zu Waldbränden und<br />
Erdbeben.<br />
Gigantische Kreaturen wuchten ihre amorphen<br />
Leiber aus den Tiefen der See und<br />
trotzen der Sonne, bewegen sich auf das<br />
Festland zu und treiben ihre kleineren Geschöpfe<br />
vor sich her ins Landesinnere. Nukleare<br />
Waffen werden eingestzt. Die globale<br />
Kommunikation bricht zusammen und die<br />
Regierungen die es noch können verkünden<br />
eine außerirdische Invasion/ das Armageddon<br />
und ergreifen Notfallmaßnahmen oder<br />
senden ungehörte Kapitulationen. Städte<br />
werden evakuiert. Menschen fliehen panisch<br />
in die Wildnis (und damit auch Richtung Sunny<br />
Valley) oder werfen sich den Kulten in die<br />
Arme die nun völlig offen in den Bevölkerungszentren<br />
agieren aber auch keinen wirklichen<br />
Schutz bieten.<br />
Und am Himmel verblassen die Sterne<br />
nach und nach. Das Licht der Sonne beginnt<br />
sich abzuschwächen.<br />
- Das Spiel beginnt gegen Ende der dritten<br />
Welle.<br />
Vierte Welle<br />
Der Regen verändert dort wo er stark gefallen<br />
ist das Ökosystem, verseucht das Wasser<br />
und die Zonen an denen diese Veränderung<br />
schnell voranschreitet werden lebensfeindlich.<br />
Schlimmer noch die Zentren des Befalls,<br />
dort öffnen sich flimmernde Tore in andere<br />
Dimensionen, die Realität zerreißt und macht<br />
Platz für weitere Höllenkreaturen die die<br />
Länder überfluten. Auch fliegende Wesen<br />
peitschen jetzt die Luft mit ihren Schwingen<br />
und bringen den restlichen Flugverkehr nahezu<br />
zum Erliegen.<br />
Die Küstenregionen werden von Monstern<br />
kontrolliert, Abermillionen sind versklavt<br />
oder gestorben.<br />
An den Küsten beginnen seltsame Steingebilde<br />
aufzusteigen die jeder rationalen<br />
Geometrie trotzen. Die letzten Führungskräfte<br />
der Menschheit werfen sich entweder<br />
kollektiv in den Staub oder werden hineingetreten.<br />
Nur wenige schaffen es in den<br />
„Partisanenkriegs-Modus“ zu wechseln und<br />
kämpfen an dieser Front genauso gegen die<br />
Kulte, wie gegen die Monster. Die orientierungslosen<br />
Armeetruppen sind bald so vom<br />
Horror gebeutelt das sie bald genauso brutal<br />
und rücksichtslos agieren wie die Kulte, immer<br />
das größere Ziel des Widerstands gegen<br />
die „außerirdischen Monster“ im Kopf. Der<br />
Zweck heiligt die Mittel.<br />
Oft ziehen sie mit gewaltien Flüchtlingstrecks<br />
landeinwärts.<br />
Tag - und Nachtlicht gleichen einander<br />
immer weiter an bis nur noch ein zeitloses,<br />
schummriges Dämmerlicht vorherrscht.<br />
Sterne sind nicht mehr zu sehen, Mond und<br />
Sonne vage Flecken irgendwo unter einer<br />
dichten Wolkendecke. Es gibt keinen erkennbaren<br />
Unterschied zwischen Tag und Nacht<br />
mehr.<br />
Draußen kann man nicht mehr weit sehen,<br />
in dichten Wäldern und im inneren von Gebäuden<br />
benötigt man zusätzliche Lichtquellen.<br />
Funktionierende Infrastruktur wie Strom<br />
Abenteuer<br />
Seite 61
ANDUIN <strong>98</strong><br />
SUnny Valley<br />
und Wasser gibt es kaum noch irgendwo.<br />
Und ständig fällt der verdammte rote Regen<br />
und vergiftet weitere Reserven an klarem<br />
Wasser und Nahrung.<br />
Fünfte Welle<br />
Ab hier ist alles offen, aber eins ist sicher<br />
... die Epoche der Menschheit ist fürs Erste<br />
vorüber und die Welt wird einmal mehr von<br />
denselben unausprechlichen Kreaturen beherrscht<br />
die vor Millionen von Jahren von<br />
den Sternen herabgestiegen sind.<br />
Wie lange deren Herrschaft andauert ...<br />
liegt an dir, lieber SL.<br />
Vielleicht beschließen die Alten<br />
sich wieder in den Weltraum emporzuschwingen<br />
und überlassen<br />
ihre Diener und die Menschheit<br />
sich selbst. Vielleicht bilden sich<br />
Immunitäten gegen die Seuche<br />
und den roten Regen. Vielleicht<br />
rauft sich die Menscheit zusammen...<br />
dann gibt es eine reale<br />
Chance die Katastrophe zumindest<br />
teilweise zu überwinden.<br />
Wenn du lieber den absoluten<br />
Untergang zelebrieren möchtest,<br />
seis drum, aber gib deinen<br />
Spielern die Möglichkeit etwas<br />
zu verändern und zumindest<br />
Teilsiege zu erringen. Scheitern<br />
ist nur interessant wenn es nicht<br />
komplett unausweichlich erschienen<br />
ist. Lass also so oder so<br />
immer einen Hoffnungsschimmer<br />
und erreichbare Etappenziele<br />
um weiterzumachen, etwa:<br />
- eine Radiobotschaft die den<br />
Weg zu einem sicheren Ort beschreibt.<br />
- eine semieffektive Waffe gegen<br />
die Monster (zB Empfindlichkeit<br />
gegen- , Angst vor Feuer<br />
oder sauberem Wasser)<br />
- die Aussicht das alles nur vorrübergehend<br />
ist (vielleicht Information<br />
von einem Kultpriester)<br />
- eine geliebte Person die irgendwo<br />
in Sicherheit wartet<br />
bzw. aus Gefahr gerettet werden<br />
muss, oder eine Gruppe<br />
Flüchtlinge die auf die Hilfe der<br />
SCs angewiesen ist.<br />
- ein Lager mit Vorräten, Waffen,<br />
Medizin oder anderem<br />
Equipment das unter Zeitdruck<br />
geknackt werden will.<br />
- usw.<br />
Joytown<br />
Orte<br />
Es gibt zwei Karten, auf denen die Orte in<br />
Sunny Valley eingezeichnet sind. Eine für die<br />
Spieler, eine ganz normale Wegkarte für Touristen,<br />
und eine für den SL auf der die Veränderungen<br />
durch die Katastrophe eingezeichnet<br />
sind. Diese Karten sind Vektorgrafiken,<br />
sie lassen sich ohne Qualitätsverlust in einer<br />
beliebigen Größe ausdrucken, zB in A3 oder<br />
noch größer im Copyshop damit die Spieler<br />
das Gefühl eines richtigen Urlaubs - Faltplans<br />
haben können.<br />
Hier wird vor allem die SL-Map beschrieben,<br />
der Normalzustand (bzw die Erinnerung<br />
daran) dürfte leicht zu improvisieren sein.<br />
Camp<br />
Ceta<br />
President-General<br />
Winston Blake<br />
Crystal Lake<br />
Health Resort<br />
Pfadfindercamp<br />
Waschbären<br />
Reenactment<br />
Zone<br />
Pfadfindercamp<br />
Buntspechte<br />
Pleasure Resort<br />
Brent City<br />
Happy Land<br />
Resort<br />
Party Beach Happy Land<br />
Woodlark<br />
Camp<br />
Alpha<br />
Robertsville<br />
Silverspring<br />
Historische<br />
Bunkeranlage DD6<br />
Camp<br />
Delta<br />
Schaufelraddampfer-<br />
Route<br />
Camp<br />
Beta<br />
Greenburrough<br />
Colonel<br />
Summers<br />
Hope Resort<br />
Santiago<br />
Yachthafen<br />
Sportflughafen<br />
Yachtzone<br />
Die Karte ist in 4 Zonen unterteilt. Sümpfe<br />
(unten rechts), Wald (unten links), Gebirge<br />
und Wildwasserflüsse (oben rechts) und den<br />
Holiday Park (oben links).<br />
Allgemein gilt, das die Gruppe extrem<br />
langsam vorwärts kommen sollte. Das Tal<br />
ist zwar „nur“ etwa 100 Kilometer lang aber<br />
wenn man einen schnellen Strom aufwärts<br />
paddeln muss, mit Unwetter, Krankheit und<br />
Monsterangriffen zu kämpfen hat oder davon<br />
geschwächt ist kann man durchaus einige<br />
Tage brauchen. Evtl. muss die Gruppe<br />
auch Umwege machen, etwa um ein Krankenhaus<br />
aufzusuchen oder einem größeren<br />
Monster aus dem Weg zu gehen. Halte sie so<br />
lange auf, wie es dir passend erscheint und<br />
Mount Moira<br />
Heisse Quellen<br />
Western Town<br />
Lakeside<br />
Kirche der<br />
letzten Auferstehung<br />
Old Faithful<br />
Brightvale Peak<br />
Spa<br />
Historische<br />
Bunkeranlage DC3<br />
Historische<br />
Bunkeranlage AT9<br />
Camp<br />
Windsong Canyon<br />
Outside<br />
Sprinkle<br />
Falls<br />
Seite 62<br />
Abenteuer
SUnny Valley<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
wirf ihnen Steine in den Weg (oder schleimige<br />
Klumpen).<br />
Fraktionen<br />
Es gibt 3 große Gebiete, die von unterschiedlichen<br />
Fraktionen in Anspruch genommen<br />
werden, die sich gegeneinander<br />
bekämpfen. Sunny Valley ist nun ein Kriegsgebiet.<br />
Die vierte Armee des General-President<br />
Winston Blake hat den Nordwesten des Tals<br />
besetzt. Der General herrscht von Kalifornien<br />
aus über versprengte Truppen entlang der<br />
Rockies und hat sich nach der Zerstörung Washingtons<br />
durch ein „Etwas“ aus dem Meer<br />
zum neuen Präsidenten der USA ausgerufen.<br />
Er ist zwar der größte Garant auf Stabilität,<br />
aber das heisst nicht viel in diesen Zeiten. Um<br />
seine Männer bei der Stange zu halten, lässt<br />
er sie von Zeit zu Zeit in den Flüchtlingslagern<br />
plündern und vergewaltigen. In seinem<br />
Gebiet hat sich eine Art Neofeudalismus gebildet,<br />
in dem die regionalen Commanders<br />
quasi lokale Fürsten darstellen. Der Commander<br />
über Camp Alpha bei Robertsville ist niemand<br />
anderes als Sunnyparks-Chef Roberts<br />
persönlich.<br />
Die Truppen von Colonel Summers sind<br />
aus moralischen Gründen von Blakes Armee<br />
desertiert und kämpfen zusammen mit mutigen<br />
Flüchtlingen an drei Fronten. Sie sind<br />
zermürbt, aber die letzten Verteidiger demokratischer<br />
Ideale in der Gegend. Allerdings<br />
hat sich um den auf einmal wieder aktiven<br />
Vulkan Mount Moira ein geheimnisvolles Wesen<br />
breitgemacht das hypnotischen Einfluss<br />
auf Summers Männer ausübt und sie in den<br />
Wahnsinn treibt. Wenn es ihnen nicht gelingt,<br />
es aufzuhalten ist auch Summers Traum bald<br />
vorbei.<br />
Die Kirche der letzen Auferstehung ist ein<br />
Apokalypse-Kult, der christliche Lehren und<br />
den Kult der Alten miteinander verknüpft<br />
und enormen Zulauf genießt.<br />
Die Kirche ist Blake zwar militärisch unterlegen<br />
(auch wenn sie durchaus über militärisches<br />
Equipment verfügt), macht das aber<br />
wieder durch Gehirnwäsche und Propaganda<br />
wett. So betreibt sie noch einen funktionierenden<br />
Fernsehkanal.<br />
Außerdem hat sie merkwürdige Verbündete.<br />
Intelligentere Monster haben einen<br />
Pakt mit den Oberen der Kirche geschlossen.<br />
Gegen einen Zehnt an Flüchtlingen (die auf<br />
Nimmerwiedersehen verschwinden) unterstützen<br />
sie die Kirche in ihrem Kampf mit<br />
unheiliger Magie. Die Kirche nimmt auch Mutanten<br />
in ihre Reihen auf.<br />
Die Dörfer werden meistens verlassen oder<br />
von Monstern und Mutanten überrannt sein,<br />
wenn die Spieler dort eintreffen. Vielleicht<br />
halten sich aber auch noch ein paar wackere<br />
Überlebende auf ... und vielleicht wollen sie<br />
die Vorräte der Charaktere. Denn das Wasser<br />
der Flüsse ist verseucht, voller ekliger Parasiten<br />
und sorgt für Mutationen oder Vergiftungserscheinungen.<br />
Zeltplätze sind ähnlich. Für diese gilt übrigens,<br />
das sie im Norden eher große Campingplätze,<br />
im Süden dagegen einfach nur Orte<br />
für Kanutouristen, an denen diese ihre Zelte<br />
aufschlagen dürfen, markieren.<br />
Die häufigsten neuen Siedlungen sind<br />
Flüchtlingslager, als weiße Zelte gekennzeichnet.<br />
Baracken und notdürftige Zelte<br />
reihen sich aneinander. Es gibt weder ausreichend<br />
Wasser noch Nahrung. Die Flüchtlinge<br />
klammern sich an die Fraktionen, werden<br />
von diesen aber eher ausgebeutet als unterstützt,<br />
denn es ist nicht genug für alle da.<br />
Alle drei großen Fraktionen haben zwar Wasserfilteranlagen<br />
entwickelt aber die spucken<br />
nicht genug klares Wasser aus ... wer oben<br />
sitzt, tritt nach unten.<br />
In der Wildnis erstrecken sich bereits infizierte<br />
Zonen (rot überlagert) in denen die Natur<br />
sich bereits verformt hat. Bäume verwandeln<br />
sich in dunkelrote, fleischige Gebilde,<br />
mit im Dunkeln glühenden Pilzen überzogen,<br />
riesige Fliegen schwirren umher, krankhafte<br />
Fäulnis liegt in der Luft. Überall wimmelt<br />
es von abnormen Mutanten und Kreaturen<br />
die aus Portalen in jenseitige Abgründe ausgespuckt<br />
werden, in der Form gigantischer,<br />
zuckender Tore aus von Adern überzogenem<br />
Fleisch. Je weiter die Charaktere in diese Zonen<br />
vordringen, desto surrealer sollten sie<br />
werden.<br />
Die Zonen<br />
Die Sümpfe<br />
Das Abenteuer beginnt in den Sümpfen,<br />
ungefähr dort, wo das Sonnensymbol sich<br />
befindet und nimmt von da an langsam Fahrt<br />
auf. Die Spielercharaktere machen hier die<br />
ersten Erfahrungen mit den Monstern, sind<br />
aber völlig auf sich gestellt, weil es so gut<br />
wie keine anderen Menschen gibt.In jeder<br />
Region können sie natürlich auf vereinzelte<br />
Flüchtlinge treffen.<br />
Irgendwann werden sie diese Region<br />
zwangsweise verlassen müssen.<br />
Die Versorgungshütte<br />
Wenn die Charaktere zur Versorgungshütte<br />
unter Lakeside vorstoßen wollen, werden<br />
sie sich spontan in einem von Pilzen überwucherten<br />
Walstück wiederfinden in dessen<br />
matschigem Bodenparasiten krabbeln, die<br />
versuchen sich ins Hosenbein und dann unter<br />
die Haut der Verlorenen zu beißen, um dort<br />
zu nisten. Die Hütte selber wird von einem<br />
Ranger bewacht der nur noch aus einem Gewirr<br />
protoplasmatischer Schnüre besteht.<br />
Der Schaufelraddampfer<br />
Der Dampfer ist am Flussufer auf Grund gelauen<br />
und umgekippt. Von Süden kommend<br />
wirkt das Wrack normal, doch auf der Nordseite<br />
hat sich eine schleimige, schaumartige<br />
Masse festgesetzt, die das ganze Schiff<br />
durchwuchert. Um es herum im Wasser treiben<br />
die Leichen von Flüchtlingen. Wenn die<br />
Charaktere vorbeifahren werden sie sehen,<br />
wie sie Augenpaare aus dem inneren des<br />
Schiffes anstarren. Vielleicht werden sie auch<br />
leise Hilferufe oder laute Schmatzgeräusche<br />
hören die aus der Schleimmasse zu kommen<br />
scheinen.<br />
Endlich wieder<br />
Empfang<br />
Entlang der gestrichelten Linie haben die<br />
Charaktere wieder Handy/Radio-Empfang<br />
und können versuchen, herumzutelefonieren,<br />
wenn die Netze nicht tot sind. Da kann<br />
es ganz verschiedene Resultate geben.<br />
Sie können Freunde erreichen, die ihnen<br />
die Lage schildern, und sich mehr oder weniger<br />
in Sicherheit befinden (vielleicht genau<br />
im Moment des Telefonats nicht mehr).<br />
Wahrscheinlicher ist jedoch eine tote Leitung<br />
oder die Propaganda - Durchsage eines Kultes<br />
oder einer anderen Fraktion. Wohlmöglich<br />
hören sie sogar ein unerträgliches Kreischen<br />
in den Leitungen, eine hypnotische<br />
Stimme, die ihnen etwas einflüstert oder irgend<br />
etwas nimmt ab... vielleicht ein Flüchtling,<br />
der froh ist das er jetzt selbst um Hilfe<br />
rufen kann, vielleicht ein ... Monster?<br />
Das Dorf Lakeside ist komplett verwüstet.<br />
Hier hält sich niemand mehr auf, und bis auf<br />
ein bisschen Wasser und Nahrung in irgendwelchen<br />
versteckten Kühlschränken und<br />
Vorratskammern scheint alles wie tot. Aber<br />
es ist nirgendwo auch nur eine einzige Leiche<br />
zu sehen, und wenn die Nacht anbricht...<br />
Die Versorgungshütte nahe am Gebiet der<br />
Kirche ist noch frei von Monstern. Hier lebt<br />
ein älteres Hippie-Ehepaa,r das nicht einsieht<br />
sich in die Klauen der Fraktionen zu begeben<br />
und jeden Eindringling beschießt.<br />
Das Flüchtlingslager auf der anderen Flusseite<br />
ist ein einziges Massaker. Hier lebt nie-<br />
Abenteuer<br />
Seite 63
ANDUIN <strong>98</strong><br />
SUnny Valley<br />
mand mehr. Oder?<br />
Der Wald<br />
In den Wald könnten die Charaktere vorstoßen,<br />
wenn sie dringend ein Krankenhaus<br />
brauchen (Crystal Lake) oder vor irgendetwas<br />
in diese Richtung geflohen sind.<br />
In Woodlark leben einige gut bewaffnete,<br />
aber halb verhungerte und skrupellose Dorfbewohner<br />
noch. Sie sind hochgradig paranoid,<br />
weil jede Nacht neue Monster bei ihnen<br />
einfallen.<br />
In der Versorgungshütte an der Grenze zu<br />
den Sümpfen haben die Charaktere Glück.<br />
Sie ist unbewohnt und intakt.<br />
Die Pfadfindercamps stehen immer noch<br />
in Konkurrenz zueinander, aber es geht nicht<br />
mehr darum, die gegnerische Flagge zu stehlen.<br />
Die Waschbären, inzwischen allesamt<br />
zombiehafte Mutanten, sind viel schärfer auf<br />
die Gehirne der Buntspechte, die sich mit improvisierten<br />
Waffen und Überlebensmessern<br />
tapfer zur Wehr setzen.<br />
Silverspring ist ein verzweifeltes, verbarrikadiertes<br />
Loch voller abgebrannter Urlauber<br />
und Einwohner. Ein halb zwerstörter und fast<br />
nicht mehr fahrtüchtiger Schaufelraddampfer<br />
liegt hier vor Anker mit dem sie nach Norden<br />
könnten ... wäre nicht ein gigantisches<br />
Wesen dort draußen auf dem See und würde<br />
Schiffe angreifen. Was sie auch nicht wissen,<br />
ist, dass das Wrack eines zweiten Dampfers<br />
Seite 64<br />
den engen Fluss nach Norden hin blockiert.<br />
Crystal Lake selbst ist die Hölle ... ein blasenwerfender,<br />
blutroter See liegt vor dem<br />
wie ein Knochen davor aufragenden, weißen<br />
Krankenhausgebäude. Interessanterweise<br />
sind die Angestellten und Ärzte gar nicht so<br />
mutiert ... sieht man von Schwimmhäuten<br />
an den Fingern und einem frisch entdeckten<br />
sadistischen Trieb ab. Sie quälen die langsam<br />
mutierenden, senilen Patienten durch „Untersuchungen“<br />
langsam zu Tode.<br />
Die Berge und die<br />
Wildwasserflüsse<br />
Die Berge sind vor allem das Territorium<br />
der Kirche, deren „Brüder und Schwestern,<br />
Priester und Bischöfe“ eisern über die unwegigen<br />
Canyons herrschen. Vorstöße des Militärs<br />
kontern sie mit Guerillataktik und Terror,<br />
zum Beispiel Selbstmordattentaten durch<br />
unwiderruflich mutierte Flüchtlinge.<br />
Die ehemalige Western Town liegt am<br />
Rand eines überfluteten Gebiets.<br />
Die ehemalige Reenactment - Stadt, stilecht<br />
mit Saloon, Bestattungsinstitut, Hufschmiede<br />
und Sheriffsbüro ist jetzt verlassene<br />
und verminte Frontstadt. Quasi eine echte<br />
Western-Geisterstadt, in der eine Truppe der<br />
besten Kirchenkrieger auf den Feind wartet,<br />
die sich durchaus mit den Desperados von<br />
einst messen kann.<br />
In der Bunkeranlage DC3, ehemals einer<br />
von drei Übungsbunkern der Army, bevor<br />
das Gebiet in einen Naturpark umgewandelt<br />
wurde, haben sich verzweifelte Touristen mit<br />
sämtlichen Vorräten des Yachthafens und<br />
den Drogenvorräten eines lokalen Grossdealers<br />
eingesperrt und feiern eine Weltuntergangsorgie<br />
nach allen Regeln der Kunst. Die<br />
ausgelassene Feier hat bereits mehrere der<br />
Eingeschlossenen das Leben gekostet und<br />
wird nicht aufhören, bis alles verbraucht ist.<br />
Danach soll ein kollektiver Selbstmord folgen.<br />
Sprinkle Falls und Outside sind von verzweifelten<br />
Flüchtlingen überrannt, die alles<br />
tun würden, um von dort wegzukommen.<br />
Denn jede Nacht kommen die Monster und<br />
verschleppen einige von ihnen ins Unbekannte.<br />
Die Kirche hat das Gebiet jedoch mit Stacheldraht,<br />
Minen und Scheinwerfern abgeriegelt<br />
und schießt auf jeden, der es wagt zu<br />
flüchten. Outside beherbergt auch ein frisch<br />
aufgezogenes Kloster und ein provisorisches<br />
Lazarett.<br />
Old Faithful ist eine Wehrstadt. Strassensperren,<br />
Kampfhubschrauber mit frisch auf<br />
der Seite aufgemalten Kreuzen und Panzer<br />
bestimmen das Bild.<br />
Der Bunker AT9 ist die Kommandozentrale<br />
und die Propagandazentrale der Kirche. Was<br />
hier vorgeht, weiß man nicht, aber es soll einen<br />
riesigen Gefängnistrakt voller Flüchtlinge<br />
geben, der an die Inquisition vergangener<br />
Abenteuer
SUnny Valley<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Tage erinnert.<br />
Windsong Canyon bekommt ständig Zulauf<br />
von Flüchtlingen von außerhalb des<br />
Valleys. Das ehemalige Militärlager ist fest in<br />
der Hand der Kirche, allerdings bereiten die<br />
dort stationierten Ordensbrüder sich auf einen<br />
Angriff vor. Titanische Kreaturen (etwa<br />
Hausgröße) sollen in Richtung der Berge ziehen<br />
und alles auf ihrem Weg vernichten.<br />
Zwischen den Fraktionen liegt Brightvale<br />
Peak Spa, die letzte intakte Klinik und ein ehemaliger<br />
Wellness-Kurort. Es gibt ein unausgesprochenes<br />
Abkommen das Hospital, das<br />
von nimmermüden Ärzten betrieben wird,<br />
nicht anzugreifen und ab und zu mal mit einigen<br />
Medikamenten zu unterstützen. Dafür<br />
versorgen die Ärtze um Doctor Coleman jeden<br />
Patienten... der an die Reihe kommt. Die<br />
Schlange bis auf den Berggipfel ist schon fast<br />
ein eigenes Dorf, viele Patienten sterben, bevor<br />
sie den Aufstieg schaffen.<br />
Der Holiday Park<br />
Diese Ecke Sunny Valleys war bereits durch<br />
Sunnyparks Corporation erschlossen und in<br />
eine Reihe von Hotelstädten aller Klassen,<br />
kommerzielle Campingplätze und Theme<br />
Parks umgewandelt worden. Nun ist der<br />
Park überflutet, nachdem der Damm von Robertsville<br />
durch ein<br />
Erbeben zerschmettert<br />
wurde.<br />
Auf dem trockenen<br />
reihen sich Flüchtlings-<br />
und Militärlager<br />
aneinander.<br />
Die Siedlungen sind<br />
voller Ruinen, deren<br />
Erdgeschosse überflutet<br />
sind. In den<br />
oberen Geschossen<br />
leben oft noch Menschen,<br />
die sich mit<br />
Booten fortbewegen. Die Notbehausungen<br />
an Land reichen nicht mehr aus. Soldaten<br />
sind allgegenwärtig, aber anstelle das Gefühl<br />
von Sicherheit zu verbreiten machen sie den<br />
Flüchtlingen inzwischen fast mehr Angst als<br />
die Monster.<br />
Santiago wird von den Bergen aus durch<br />
die Truppen von Summers oder die Kirche<br />
immer wieder mit Artillerie beschossen und<br />
antwortet auf dieselbe Art.<br />
Es kontrolliert auch den Fluss über die Brücke,<br />
und dieser Brückenkopf der Armee hat<br />
schon viele Vorstöße der Kirche abfangen<br />
können. Allerdings schleichen sich immer<br />
wieder Terroristen an dem Dorf vorbei, weswegen<br />
die Wachmannschaft sich angewöhnt<br />
hat, erst zu schießen und dann zu fragen.<br />
Happy Land, der ehemalige Theme Park ist<br />
eins der desolatesten Gebiete. Seit der Überflutung<br />
verlassen, haben sich in den Geisterbahnen<br />
echte, überaus mörderische Spukgestalten<br />
eingerichtet. In den Schaltern sitzen<br />
stoische, traumatisierte Flüchtlinge und warten<br />
im Drogenrausch auf den Tod.<br />
Die Gegend um den einstmaligen Party<br />
Beach ist bizarr. Von weitem hat es den<br />
Anschein, als ob sich nichts geändet hätte.<br />
Nachts wird Feuerwerk abgebrannt, laute<br />
Musik wird gespielt. Allerdings nicht nur um<br />
zu feiern (was auch getan wird, die Leute<br />
tanzen sich regelrecht in Exstase und vergessen<br />
ihr Elend,) sondern in erster Linie um die<br />
Monster ernzuhalten.<br />
Joytown, die ehemalige Kasino und Bordell-Vorstadt<br />
von Robertsville erfüllt diesen<br />
Zweck nach wie vor, als hätte sich nie etwas<br />
geändert. Nur laufen jetzt viel mehr Besucher<br />
in Uniform als in Bermudas aufl. Hier befindet<br />
sich das Hauptquartier von Commander<br />
Roberts.<br />
Robertsville selbst ist komplett überflutet,<br />
der einzige Weg hinein und hinaus ist mit<br />
dem Kanu durch die Straßenzüge. Das haben<br />
sich viele Flüchtlinge zu Nutze gemacht da<br />
die Armee dorthin nicht so leicht vorstoßen<br />
kann und haben sich mittels einer besetzten<br />
Filteranlage für unabhängig erklärt. Roberts<br />
passt das natürlich überhaupt nicht, er hat<br />
sie Stadt umstellen lassen und lässt immer<br />
wieder Angriffe mit Patroullienbooten fahren.<br />
Zum Abschluss<br />
Sunny Valley ist,was du draus machst. Obwohl<br />
das Setting ziemlich düster und hoffnungslos<br />
scheint, können gerade die Spielercharaktere<br />
versuchen, diesem verlorenen<br />
Ort im Rahmen einer Kampagne wieder Hoffnung<br />
zurückzugeben.<br />
Ein Oneshot wird wohl eher so aussehen,<br />
dass sie es schaffen, von dort zu verschwinden<br />
und in eine ungewisse Zukunft aufbrechen.<br />
Aber auch das ist eine Leistung, denn<br />
wie man mit einem Blick auf die SL-Karte unschwer<br />
erkennen kann, ist das ganze Gebiet<br />
abgeriegelt.<br />
Viel Spass mit dem Ende aller Tage. ;)<br />
Abenteuer<br />
Seite 65
ANDUIN <strong>98</strong><br />
KURZGESCHICHTEN<br />
Diener<br />
Eine Kurzgeschichte<br />
TEXT: Kamillo Fitzek<br />
„So, jetzt sind wir allein, die feine Gesellschaft<br />
ist nun wohl vollzählig. Ich bin des Versteckens<br />
überdrüssig.“<br />
Seite 66<br />
„Hoffen wir es. Also, Ihr meint das wirklich<br />
ernst, was Ihr da vorhin gesagt habt? Euer<br />
Herr, mit Verlaub gesagt, kann doch wirklich<br />
nicht so dumm sein.“<br />
„Wenn ich es Euch doch sage, kaum hatte<br />
er den Stuhl von seinem alten Herrn inne, ritt<br />
er in die nächste Stadt und schnappte sich<br />
das, wie ich doch erwähnen muß, hübscheste<br />
Freudenmädchen der Stadt aus einem<br />
sehr exklusiven Etablissement, nicht ahnend,<br />
daß die Dame die Tochter des Magistrats ist.<br />
Dieser und einige Leibwächter sind übrigens<br />
dabei umgekommen, als sie versuchten, das<br />
Mädchen aus den Fingern meines Herrn zu<br />
befreien, denn er hatte einen guten Schwertkampflehrer,<br />
wenn Ihr versteht.“<br />
„Aber natürlich.“<br />
„Es gab halt einen kleinen Skandal in der<br />
Stadt, aber der Zorn auf meinen Fürsten hat<br />
doch überwogen und er kann sich in nächster<br />
Zeit dort auch nicht mehr blicken lassen, vor<br />
allem jetzt, wo das Mädchen versucht hat,<br />
ihn mit seinem eigenen Schwert im Schlaf zu<br />
erstechen, aber unglücklicherweise gestolpert<br />
ist und sich selber getötet hat. Eine Sauerei<br />
war das, sage ich Euch, und er hat erst<br />
am nächsten Morgen etwas gemerkt.“<br />
„Still, da kommt jemand!“<br />
Die Tür öffnete sich, und der Raum wurde<br />
von einem älteren Pärchen in Begleitung eines<br />
Dieners betreten. Licht begann, magisch<br />
den Raum zu erhellen.<br />
„Hast du nicht auch etwas gehört, Garon,<br />
oder irre ich mich?“ „Sicherlich nicht, aber<br />
hier ist nichts, möglicherweise eine Maus<br />
oder anderes Getier.“<br />
„Na ja, nicht wichtig, viel mehr interessiert<br />
mich, wie es im Büffetsaal weitergeht, ob diese<br />
beiden jungen Spunde es wirklich mit dem<br />
Grafen aufnehmen wollen. Ich hoffe nur, daß<br />
unsere arrogante Nachbarin sich mit uns in<br />
Verbindung setzt, um sich über den Ausgang<br />
dieses kleinen Streites zu unterhalten. Ein<br />
kleiner Empfang in einer Woche wäre fein,<br />
nicht wahr, Garon?“<br />
„Gewiß doch, was immer du wünscht, teure<br />
Elsbietha.“<br />
Die Tür schloß sich nach Aufnahme von<br />
Mänteln und sonstigen Mitbringseln, und<br />
das Licht erlosch.<br />
„Kaum sind alle da, schon gehen die Ersten<br />
wieder. So, weiter mit unserer Unterhaltung.“<br />
„Jaja, das war schon irgendwie amüsant,<br />
was Ihr da erzählt habt. Aber nun mal kurz<br />
zum aktuellen Geschehen hier. Also, der<br />
Grund der Anwesenheit meines Herrn ist<br />
eigentlich derselbe wie der Eures Fürsten.<br />
Nun, ich muß leider sagen, daß mein Herr<br />
von sehr hitziger Natur ist und gerne Streit<br />
sucht, wie schon sein Vater zuvor, was ihm<br />
den Tod eingebracht hat. Dieser Streit hier ist<br />
eigentlich lächerlich, es geht um eine ältere<br />
Grundstücksangelegenheit, die Legung von<br />
Grenzen, um ein kleines Waldgebiet. Normalerweise<br />
kann alles mit etwas gutem Willen<br />
und Gold geregelt werden, aber nein, mein<br />
Fürst muß alles persönlich nehmen.“<br />
„Nun ja, ich kann Euch verstehen, aber<br />
unser Los bleibt nun mal das der Diener, der<br />
Werkzeuge. Mein Herr hat auch irgend einen<br />
sinnlosen Streit initiiert, es sollen wohl Jäger<br />
des Grafen auf unserem Gelände gejagt<br />
haben, ohne daß eine Genehmigung meines<br />
Fürsten vorgelegen hat, und jetzt sieht man,<br />
wozu es kommen... Verdammt, schon wieder<br />
Adelspöbel... ruhig bleiben, dann entdeckt<br />
man uns nicht.“<br />
Die Tür öffnete sich wieder, ein Ritual wurde<br />
durchgeführt, wie es in den letzten Jahrhunderten<br />
viele hundert, gar tausende Male<br />
durchgeführt worden ist, unter wechselnden<br />
Teilnehmern. Drei Personen betraten den<br />
Raum, zwei erkennbar wohlbetuchtere und<br />
ein Diener.<br />
„Verdammt noch mal, Mirea, wieso können<br />
wir nicht noch etwas bleiben...“<br />
„Sei still, Harod, man flucht nicht, außerdem,<br />
du weißt ganz genau, daß wir morgen<br />
früh raus müssen, um unsere Tochter aus der<br />
Klosterschule abzuholen. Jetzt sei ein guter<br />
Mann und reiche mir meinen Mantel“<br />
„Ihr habt die Dame gehört, Bursche, aber<br />
zack! – Dabei habe ich mich so auf den weiteren<br />
Verlauf gefreut. Die beiden jungen<br />
Spunde können es niemals mit dem Grafen<br />
aufnehmen. Das Duell wird wohl nicht ausbleiben.<br />
Bursche, was hältst du denn davon?<br />
Oh Entschuldigung, dir fehlt ja die Zunge,<br />
ganz vergessen.“<br />
„Bist du endlich fertig mit den Kindereien?<br />
Los, Harod, die Pferde werden ungeduldig.“<br />
Die Tür wurde geschlossen und es wurde<br />
wieder dunkel.<br />
„So, langsam reicht’s mir, die Nächsten,<br />
welche unsere Konversation stören, kriegen<br />
es mit mir zu tun, da ist mir egal, was mein<br />
Herr meint.“<br />
„Ach komm‘, hör auf. Außerdem, ich glaube,<br />
bald werden uns unsere Herren suchen,<br />
wenn da ein Duell ansteht.“<br />
„Ja ja, Duelle, Zweikämpfe, provozierte<br />
Kleinkriege, habe alles schon durchgemacht.<br />
Meine Herren waren immer von leicht erregbarer<br />
Natur. Nicht, daß es immer geholfen<br />
hätte, eher weniger, aber man lernt es nie, es<br />
sei denn, es ist zu spät.“<br />
„Da mögt Ihr recht haben, war bei meinen<br />
vorherigen Herren ähnlich. Der Eine sagte<br />
allen Wilderern den Kampf an, sorgte für<br />
grausame Bestrafungen, steigerte sich da<br />
rein, bis, nun ja, bis er selber erlegt wurde. Irgendwie<br />
sinnlos. Der Nächste focht in einem<br />
Krieg, den er persönlich nahm, weil er auch<br />
auf seinem Land stattfand, er meinte zumindest,<br />
es wäre sein Land, und wurde zwischen<br />
den Fronten aufgerieben und so weiter und<br />
so fort.“<br />
„Irgendwie hört sich das ähnlich wie meine<br />
Vorgeschichte an. Mein erster Herr war<br />
ein sehr mächtiger Zauberer, der sogar fähig<br />
war, Dämonen zu beschwören. Nun, mit einem<br />
bekam er Streit und ließ gewisse Verteidigungen<br />
fallen, so daß der Dämon angreifen<br />
konnte und ihn umbrachte. Ich entkam nur<br />
knapp.<br />
Danach lief es ähnlich. Einer meiner Herren<br />
stritt sich mit einer Gruppe Zigeuner, tötete<br />
eine Tänzerin von ihnen, welche bei ihm getanzt<br />
hatte und nicht so wollte wie er, zog<br />
damit einen Fluch auf sich und krepierte langsam,<br />
natürlich nicht, bevor er die meisten Zigeuner<br />
gejagt und getötet hatte.<br />
Danach hatte ich eine nette Herrin, sehr<br />
gewandt mit Schwert und Zunge, erst verlor<br />
Mai 2009
KURZGESCHICHTEN<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
sie diese, dann ihren Arm, nachdem sie sich<br />
bei einer großen Feier mit einem “Freund“<br />
angelegt hatte. Dieser verstand keinen Spaß,<br />
nachdem sie ihn, als der Streit ausgeartet<br />
war, seiner Männlichkeit beraubt hat, was<br />
ich sehr amüsant fand. Nun, er konnte sie<br />
niederschlagen, trotz seiner Verletzung, ihr<br />
die Zunge herausschneiden und mit einem<br />
gemeinen Schwerthieb den Arm abtrennen,<br />
bevor einige nur Halbbetrunkene ihm den<br />
Garaus machten. Na ja, siehst du, bei mir<br />
sieht es ähnlich aus, aber hoffentlich wird es<br />
langsam besser.“<br />
„Irgendwie war mir klar, daß wir uns einmal<br />
treffen mußten. Sobald ich dich sah, wußte<br />
ich, daß da irgend eine Ähnlichkeit ist, als ob<br />
ich deine Gedanken lesen könnte –“<br />
„Wie auch bei mir –“<br />
„Still, hörst du das auch?“<br />
Durch die Tür hörte man eine dumpfe Stimme,<br />
die dem Hausherrn gehörte. Er rief nach<br />
zwei Sekundanten für seine Gäste und Herausforderer<br />
und ließ die Waffen holen.<br />
„Wird langsam Zeit, unseren Herren zur<br />
Seite zur stehen.“<br />
„Los geht’s.“<br />
Der nun folgende Kampf schien dem Betrachter<br />
etwas unfair, da zwei relativ gute<br />
Schwertkämpfer es gleichzeitig mit dem<br />
Hausherrn und Grafen aufnahmen.<br />
Doch dieser war sich der Tatsache bewußt,<br />
da er ebenfalls länger mit dem Schwert geübt<br />
hatte und hat um den Kampf in dieser<br />
Konstellation gebeten.<br />
Nun, der Kampf verlief ziemlich einseitig.<br />
Die beiden Heißsporne konnten nicht allzu<br />
gut miteinander agieren, wollten beide den<br />
Grafen erledigen, worauf dieser spekulierte.<br />
Er spielte mit den Fürsten und tötete beide.<br />
„Na ja, nicht der Tag unserer Herren.“<br />
„Ja, wir müssen uns neue suchen, aber vielleicht<br />
hat der Graf ja Verwendung für uns.“<br />
Der Graf ging nach gewonnenem Kampf zu<br />
den beiden Leichen und beugte sich jeweils<br />
hinunter. „Welche Ähnlichkeit die beiden<br />
Klingen der Toten haben,“ dachte er sich und<br />
nahm beide auf, um sie zu vergleichen.<br />
„Eigentlich stehen sie mir ganz gut,“ dachte<br />
er weiter, während die Gäste auf ihn tranken<br />
und die Leichen weggeschafft wurden.<br />
„Die beiden Waffen werden nicht nur Trophäen<br />
sein, sondern mir sicherlich auch anderweitig<br />
helfen können. Ich rieche die Magie<br />
in ihnen förmlich,“ murmelte er in seinen<br />
Schnurrbart und ging in sein Gemach.<br />
„Ja, und ich weiß auch ganz genau, wer<br />
Mai 2009<br />
als nächstes fällig ist. Diese ganze Horde von<br />
Kleinadeligen nervt mich schon lange. Die<br />
beiden heute waren nur der Anfang“<br />
„Hör mal, ich glaube, unser neuer Herr hat<br />
Großes vor.“<br />
„Ja durchaus, anscheinend ist er dazu noch<br />
fähiger als die letzten beiden und so wie es<br />
aussieht, bleiben wir auch noch zusammen.<br />
Wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren<br />
Freundschaft ist.“<br />
Und der Graf schlief ein und träumte von<br />
Tod, Gewalt und Rache...<br />
Hakims Kochecke<br />
Salbeiblätter ausgebacken<br />
Eine kleine schnelle Knabberei als Abwechslung<br />
zu den üblichen Kartoffelchips<br />
sind ausgebackene Salbeiblätter. Sie<br />
schmecken dazu besser und sind auch<br />
nicht ungesünder.<br />
Man braucht dafür diese Zutaten: 150 g<br />
Mehl, 0,25 l Milch, 1 Ei, Salz, 30-60 Blatt<br />
Salbei und 3 EL Öl.<br />
Nun wäscht man die frischen Salbeiblätter<br />
kurz unter fließend Wasser ab und trocknet<br />
sie anschließend mit Küchenpapier.<br />
Nun das Mehl mit der Milch gut verrühren,<br />
so dass keine Klümpchen mehr im Teig<br />
sind. Den Teig am besten eine Stunde ausquellen<br />
lassen, damit der Teig schön dick<br />
wird. Dann das Ei und eine Prise Salz in den<br />
Teig rühren. In einer beschichteten Pfanne<br />
das Öl erhitzen, danach die Salbeiblätter<br />
einzeln in den Teig tauchen und goldgelb<br />
ausbacken. Ausgebackene Salbeiblätter<br />
besser auf Küchenpapier abtropfen lassen.<br />
Seite 67
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Ritter und Magier<br />
Ritter und Magier<br />
text und Illustration: Matthias Byuken<br />
HABEN S IE EIN ZEITPARADOXON<br />
BEWIRKT,<br />
WÄHLEN S IE DIE 305. . .<br />
UND DER TROLL<br />
TRIFFT DICH. . .<br />
WAR DAS NICHT<br />
EIN ORK?<br />
ORK, OK!<br />
DER ORK TRIFFT<br />
DICH MIT DER AXT!<br />
WAR DAS NICHT EBEN<br />
NOCH EIN HAMMER?<br />
S IND S IE IN EINER PARALL-<br />
ELDIMENS ION GEFANGEN . .<br />
WÄHLEN S IE DIE 306. . .<br />
WOLLT IHR JETZT S PIELEN<br />
ODER RUMMECKERN?<br />
DER NÄCHS TE FREIE MITARBEITER<br />
IS T GLEICH FÜR S IE DA. . .<br />
ICH KOMME AUS<br />
DER ZUKUNFT!!!<br />
ACH<br />
NE!<br />
IHR WÜRFELS ET HAT DURCH S EINE<br />
UNWAHRSCHEINLICHKEITS KONZENTRATION<br />
EINEN RISS IM RAUM ZEIT GEFÜGE ERZEUGT.<br />
ÜBERGEBEN S IE MIR DAS ARTEFAKT UND<br />
S IE WERDEN ENTSCHÄDIGT WERDEN. . .<br />
MAN, INGO. DU HÄTTEST<br />
ALLES HABEN KÖNNEN.<br />
ANTIGRAVITATIONS<br />
GENERATOR!<br />
WARPANTRIEB!<br />
GOLDGEPRESS TES<br />
LATINUM!<br />
EINE EXEKUTOR!<br />
ICH HASS E<br />
HECKENS CHNEIDEN. . .<br />
*HEHE*<br />
Seite 68<br />
Mai 2009
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Rezensionen<br />
VORSTELLUNG UND BEWERTUNG VON SPIELEN, BÜCHERN UND MUSIK<br />
Fanzines<br />
Abenteuer(punkt) #3<br />
Tobias Looschelders<br />
Pünktlich zur RPC erschien im April die dritte<br />
Ausgabe des Fanzines Abenteuer(punkt).<br />
Leider haftet direkt dem Cover ein Druckfehler<br />
an, Allerhand Zeichen wurden durcheinandergeworfen.<br />
Aber halb so wild, der<br />
Fehler fällt auf den ersten Blick nicht auf und<br />
hat die schöne Coverillustration nicht in Mitleidenschaft<br />
gezogen. Allerdings ist auch das<br />
Papier des Einbandes nicht von überzeugender<br />
Qualität. Schon als mein Exemplar zwei<br />
Tage alt war, war das Papier an den Kanten<br />
so stark abgerieben, dass das Heft aussah,<br />
als sei es ein Jahr alt.<br />
Mai 2009<br />
Nichtsdestotrotz kann der 118 Seiten starke<br />
Inhalt mehr überzeugen als die Druckerei.<br />
Die Ausgabe beginnt mit einem Setting für<br />
Feng Shui, was sich recht interessant las, ich<br />
aber nicht verstanden habe. Es bleibt zu hoffen,<br />
dass das an meinen mangelnden Feng<br />
Shui-Kenntnissen lag.<br />
Es folgen drei Seiten Zufallstabellen, die<br />
auf einer besser Platz gefunden hätten. Anschließend<br />
wird ein neues Landungsboot für<br />
Traveller beschrieben. Besonders der detaillierte<br />
Plan macht das Material sehr brauchbar,<br />
nicht unbedingt nur für Traveller.<br />
Das Kernstück der Ausgabe ist allerdings<br />
das DSA-Abenteuer „Reise mit Umwegen“,<br />
was den Abenteuerwettbewerb „Auf Aves<br />
Spuren“ gewonnen hat. Es handelt sich dabei<br />
um ein Reiseabenteuer, welches sehr frei gestaltet<br />
ist. Für mich war es sehr erfrischend,<br />
das sicher mit Abstand ergebnisoffenste<br />
DSA-Abenteuer zu lesen! Der Schreibstil ist<br />
sehr gut und an so mancher Stelle sind neue<br />
Regeln integriert (z.B. für eine Verfolgungsjagd),<br />
die auch sehr solide umgesetzt sind. Die<br />
NSC sind detailliert beschrieben, besonderen<br />
Gefallen hatte ich an den Anweisungen, wie<br />
man diese rollenspielerisch umsetzen kann.<br />
Es sind auch noch einige optionale Ereignisse<br />
eingebunden, die der Spielleiter je nach Bedarf<br />
und Dramaturgie einbauen kann.<br />
Es schließen sich alternative Kampfregeln<br />
vom Hofrat für Traveller an. Ob die Regeln so<br />
kontrovers wie der Autor sind, kann ich allerdings<br />
nicht beurteilen.<br />
Danach jedenfalls beginnt ein Artikel namens<br />
„Gnomenideen“ bei dem mangels einer<br />
Einleitung eigentlich gar nicht klar wird,<br />
worum es genauer geht. Scheinbar gibt es<br />
keinen Systembezug, aber ein paar durchaus<br />
nette Ideen für Gnome.<br />
Drei neue Alienrassen für Forward... to<br />
Adventure! werden dann beschrieben. Mitsamt<br />
typischer Ausrüstung und allerhand<br />
Spielwerten. Darauf folgend werden im Artikel<br />
„Party like it‘s 2.0.2.9.“ Partyregeln für<br />
Cyberpunk dargelegt. Und das mit vielen, vielen<br />
Tabellen. Die Ausgabe schließt mit einem<br />
neuen Initiativesystem für das Nischenspiel<br />
Labyrinth Lord.<br />
Fazit<br />
Insgesamt täte ein schneller erkennbarer<br />
Systembezug bei einigen Artikeln dem Heft<br />
gut. Die Illustrationen haben größtenteils die<br />
Qualität von Fanzines aus den 80er-Jahren,<br />
ohne aber dabei denselben Charme zu haben.<br />
Mir persönlich war das Heft zu tabellenlastig,<br />
kaufen werde ich die Abenteuer(punkt)<br />
aber bestimmt auch weiterhin. Klares Kaufargument<br />
ist sicher das DSA-Abenteuer, das<br />
nicht zu Unrecht den Abenteuerwettbewerb<br />
gewonnen hat!<br />
Greifenklaue Nr. 7<br />
Friederike Schmutzler<br />
Pünktlich zur RPC im April in Köln erschien<br />
die Preview-Ausgaber der Greifenklaue #7.<br />
Wie die aktuelle <strong>Anduin</strong> hat sie als Schwerpunktthema<br />
„Endzeit“.<br />
Schon das Cover mit seiner Zeichnung<br />
von Dirk Kiersztan stimmt den Leser auf das<br />
Thema ein, und auch die Illustration auf der<br />
Umschlaginnenseite erinnert beinahe an die<br />
endzeitlichen Visionen des niederländischen<br />
Malers Hieronymus Bosch.<br />
Der erste Artikel, geschrieben von Oliver<br />
Fedtke (Der Ruf) beschäftigt sich mit der Frage,<br />
was Endzeit genau ist, und was ein endzeitliches<br />
Rollenspiel ausmacht anhand der<br />
Beispiele von Degenesis und Twilight 2000.<br />
Er erläutert den Begriff nicht nur vom religiösen<br />
Standpunkt einer biblischen Apokalypse,<br />
sondern auch „Endzeit“ als Genre der Unterhaltungsliteratur.<br />
So entsteht ein informativer<br />
und interessanter Bericht, der sich gut<br />
und leicht lesen lässt.<br />
Nun folgt „Flutopfer“, ein Abenteuer für<br />
Cthulhu Endzeit. Die Charaktere müssen sich<br />
durch das von Flutkatastrophen zerstörte<br />
Schleswig-Holstein kämpfen, um nach Husum<br />
zu gelangen, wo sie Sicherheit und Hilfe<br />
erwarten.<br />
Das Abenteuer liest sich wie eine Horrorgeschichte<br />
und macht richtig Lust darauf, es<br />
zu spielen. Handouts wie Karten und Briefen,<br />
die übrigens auch unter www.greifenklaue.<br />
de zum Download bereitstehen, unterstützen<br />
das Cthulhu-Feeling. Wer keine eigenen<br />
Charaktere bauen möchte, kann auf die vier<br />
mitgelieferten Pregens zurückgreifen. Sehr<br />
schön auch die Tatsache, dass auf einen auf<br />
den ersten Blick eher unspektakulären Ort<br />
wie Husum, Geburtsstadt des Schriftstellers<br />
Theodor Storm, zurückgegriffen wurde, und<br />
nicht Berlin oder New York im Mittelpunkt<br />
des Geschehens standen.<br />
Anschliessend folgt eine Systemvorstellung<br />
von Mutant Future, ein 2008 erschienenes<br />
Rollenspiel mit einem postapokalyptischen<br />
Hintergrund sowie eine Hintergrundbeschreibung<br />
für die Welt von Noordtyskland und ein<br />
Szenario. Mit einem leichten Augenzwinkern<br />
wird der Leser zunächst in das Norddeutschland<br />
des Jahres 3026 geführt und lernt Orte<br />
wie Hang-Over kennen, dessen Name sich<br />
angeblich aus der Tatsache ableitet, dass<br />
es eine so langweilige Stadt war, dass man<br />
sie nur betrunken ertragen konnte. Zu den<br />
Wertung<br />
Karten-, Brett- und Rollenspiele<br />
bewerten wir in den drei Kategorien<br />
Preis/Leistung (P/L), Aufmachung<br />
(AUF) und Spielspaß (SSP). Aus<br />
diesen Einzelnoten ergibt sich eine<br />
Gesamtwertung, die neben dem Titel<br />
des Spiels im Kasten angezeigt wird.<br />
Die Wertungsskala reicht von einem<br />
Punkt (sehr schlecht) bis sechs Punkte<br />
(genial).<br />
Abenteuer(punkt)<br />
5<br />
Art Rollenspiel<br />
Verlag Abenteuer(punkt)<br />
Sprache Deutsch<br />
Jahr 2009<br />
Preis 4,50 Euro<br />
Seite 69
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Rezensionen<br />
Greifenklaue #7<br />
5<br />
Art Rollenspiel<br />
Verlag Greifenklaue)<br />
Sprache Deutsch<br />
Jahr 2009<br />
Preis 3 Euro<br />
Ortsbeschreibungen gibt es noch Tabellen<br />
für Waffen, Ausrüstung, Transportkosten<br />
und Handelsgüter sowie eine Hexkarte. Das<br />
Szenario „Die Entführung“ spielt ebenfalls in<br />
Noordtyskland: Ein Biker namens Klaus heuert<br />
die Spieler an, seinen verschwundenen<br />
Bruder Klaus zu suchen, der so gänzlich aus<br />
der Art geschlagen ist und sein Brot als Archäologe<br />
verdient.<br />
Den Abschluss dieser Greifenklaue-Ausgabe<br />
bildet der einzige Artikel, der nicht<br />
schwerpunkt-bezogen ist. Es handelt sich um<br />
die Beschreibung von Immerschwinge, eine<br />
Stadt der Avariel-Elfen aus den Vergessenen<br />
Reichen für D & D. Sehr anschaulich wird die<br />
Stadt beschrieben, und der Bericht ist so<br />
gehalten, dass er auch für andere Settings<br />
durchaus nutzbar ist.<br />
Fazit<br />
Die Greifenklaue bietet neben wunderschönen<br />
Illustrationen und einem klaren Layout<br />
auch eine Menge Informationen, seien es<br />
Abenteuer oder Quellenmaterial. Besonders<br />
das Cthulhu-Abenteuer mit seinen sehr gut<br />
ausgearbeiteten Hintergrundinformationen<br />
ist hier hervorzuheben. Aber auch die Artikel<br />
zu Mutant Future, besonders die Weltbeschreibung<br />
und das Szenario, zaubern<br />
dem Leser ein Schmunzeln aufs Gesicht und<br />
lockern so das doch sonst so düstere Genre<br />
der Endzeit ein wenig auf.<br />
Spielleiten<br />
ChaosAmSpieltisch<br />
Das Buch Spielleiten von Dominic Wäsch,<br />
erschienen beim Label “ProIndie” von Red-<br />
Brick (inzwischen bei Prometheus Games,<br />
Anm. der Red.), will das Spielleiten leichter<br />
und spaßiger machen, dem Spielleiter Techniken<br />
an die Hand geben, kurz gesagt, dem<br />
Spielleiten seinen Schrecken nehmen.<br />
Der Inhalt ist aufgemacht wie ein klassisches<br />
Lehrbuch, so folgt jedem Kapitel neben<br />
Beispielen, eine Zusammenfassung und<br />
Übungen. Es behandelt die Themen Aufgaben<br />
des Spielleiters, die Spielgruppe und ihre<br />
Ansprüche, das Vorbereiten der Spielrunde,<br />
sowie das Leiten der selben.<br />
Das Buch selbst ist gegliedert in 5 Kapitel<br />
Seite 70<br />
sowie einen längeren Anhang (mit typischen<br />
Plot-Ideen und Lösungsvorschlägen der Aufgaben)<br />
Aufgaben, Recht und Pflichten<br />
Das erste Kapitel befasst sich mit den<br />
Aufgaben, versucht diese zusammenzufassen<br />
und einige genauer zu erläutern. Ebenso<br />
werden die Rechten und Pflichten eines<br />
Spielleiters besprochen, aber auch Absprachen<br />
innerhalb der Gruppe sind Thema.<br />
Die Spielgruppe<br />
Das zweite Kapitel hat die Spielgruppe<br />
zum Thema. Hier werden zu nächste die<br />
Law’schen Spielertypen vorgestellt, und an<br />
Hand dieser Einteilung typische Spielweisen<br />
des Spieler erläutert. Anhand der Spielertypen<br />
wird danach analysiert, wie wichtig die<br />
beiden Elemente Crunch-Bits und „spannende<br />
Geschichte“ für die einzelnen Spieler sind.<br />
Auch Problemspieler, sowie das Erfassen von<br />
Spielerinteressen mittels Flag Framing wird<br />
besprochen. Als letzter Punkt in diesem Kapitel<br />
wird das Thema Spielspaß innerhalb der<br />
Gruppe, sowie kreative Agenda besprochen.<br />
Leiten und Improvisieren<br />
Das dritte Kapitel bringt einem das Leiten<br />
der Spielrunde nahe. Das Kapitel fängt gleich<br />
mit einem ziemlichen Schocker an, so fordert<br />
es den Spielleiter auf, langweilig zu sein, seine<br />
raffinierten Pläne einfach nicht zu planen,<br />
ja sogar nichts zu tun. Danach wird dieses<br />
genauer erläutert, hin zu der Erklärung, dass<br />
man vor allem versuchen sollte, die Ideen der<br />
Spieler aufzugreifen, und die Stimmung sich<br />
entwickeln zu lassen. Es werden Techniken<br />
vorgestellt, wie man Ideen der Spieler einbindet,<br />
indem man diese einfach zulässt, diese<br />
eingeschränkt zulässt, oder diese ins Gegenteil<br />
verkehrt, ohne sie zu blockieren.<br />
Das Thema Ausspielen von wichtigen Szenen<br />
und Weglassen von unwichtigem wird<br />
behandelt, und die verschiedenen Stufen<br />
dieser Technik aufgeführt.<br />
Ein großer Block befasst sich mit dem Thema<br />
Improvisation, insbesondere Techniken<br />
zur Strukturierung einer Geschichte, zum Beispiel<br />
wie man Routinen passend durchbricht,<br />
oder dass man vor spannungsgeladenen Szenen<br />
Ruhe einkehren lassen sollte.<br />
Als letzter Punkt wird dem SL noch nahe<br />
gelegt, körperlich ausgeruht zum Spielen zu<br />
erscheinen, damit er seine volle Aufmerksamkeit<br />
den Spielern zu kommen lassen kann.<br />
Vorbereitung<br />
Das vierte, und umfangreichste, Kapitel behandelt<br />
die Vorbereitung, und steht scheinbar<br />
in Teilen im Widerspruch zum vorherigen<br />
Kapitel.<br />
Eine wichtige Prämisse in diesem Kapitel<br />
ist, dass die Vorbereitung möglichst wenig<br />
Zeit in Anspruch nimmt und gleichzeitig Spaß<br />
macht, aber auch das Ziel, dass das Spiel allen<br />
Spielern gefällt.<br />
Als erstes werden in diesem Kapitel die<br />
Abenteuergrundtypen kurz vorgestellt, sowie<br />
Mischformen derer (wobei die Kampagne<br />
in diesem Fall als eine Mischform aufgeführt<br />
wird).<br />
Es folgt die Vorstellung von inhaltlichen<br />
Strukturen und zentralen Konflikten, wobei<br />
hier besonders die 36 Zentralen Konflikte<br />
von Georges Polti hervorgehoben werden<br />
(und sei es nur dadurch, dass diese Teil des<br />
Anhangs sind).<br />
Danach folgen aufeinander aufbauend die<br />
Vorstellung von Mind-Map-Techniken, Relationship-Maps,<br />
sowie Conflict-Webs und wie<br />
man aus ihnen Abenteuer entwickeln kann.<br />
Anschließend wird die Entwicklung von<br />
Spielleiter-Charakteren besprochen, welche<br />
Rollen sie spielen können und welche Gruppen<br />
es gibt, wie wichtig die Ausarbeitung<br />
der einzelen Gruppen ist. Hier werden auch<br />
die Flaggen aus dem Kapitel zur Spielgruppe<br />
wieder aufgegriffen.<br />
Danach folgen Tipps, wie man eine schon<br />
angespannte Situation weiter eskalieren<br />
lässt, sowie die Gruppe in ein Dilemma führen<br />
kann.<br />
Abschließend werden noch die Aufgaben<br />
behandelt, welche ein Schauplatz eines<br />
Abenteuers haben kann..<br />
Techniken<br />
Das fünfte Kapitel behandelt Spieltechniken,<br />
und man kann es sich am besten als<br />
ein Kramskiste vorstellen, aus der jeder SL<br />
sich picken sollte, was er braucht. Hier sind<br />
Techniken zur Darstellung von Spielleiter-<br />
Charakteren untergebracht, Techniken um<br />
Tempo ins Spiel zu bringen, das Überlassen<br />
von NSCs an Spieler, und vieles mehr.<br />
Ein Teil des Kapitels befasst sich mit situationsabhängigen<br />
Entscheidungen, wie und<br />
wann man die Regeln biegen muss, um bestimmte<br />
Meta-Probleme (zum Beispiel Würfelorgien)<br />
zu verhindern, und gleichzeitig für<br />
die Spieler die Konsequenzen abschätzbar zu<br />
halten.<br />
Das Kapitel schließt sich mit der Vorstellung<br />
der vermeintlichst häufigsten Spielleiterfehlern,<br />
und der Erklärung, warum diese<br />
meist keine sind.<br />
Abschluss<br />
Der Anhang beinhaltet neben den 36<br />
zentralen Konflikten von Georges Polti die<br />
Mai 2009
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus den<br />
einzelnen Kapiteln, besser gesagt Lösungsvorschlägen,<br />
sowie einer ausführlichen Literatur-<br />
und Linkliste.<br />
Layout<br />
Das Buch ist als 175seitiges Softcover aufgemacht.<br />
Der Umschlag ist in Blau gehalten<br />
mit orangenen Einwürfen. Das Layout ist<br />
klar und sauber, sowohl Schreibstil als auch<br />
Schrift einfach zu lesen. Insgesamt macht das<br />
Buch einen sehr professionellen Eindruck.<br />
Die Haltbarkeit ist leider etwas begrenzt,<br />
nach nur 2 Tagen Mitführens im Rucksack<br />
(als typischer Bahnfahrer lese ich viel unterwegs)<br />
ist das Buch weitestgehend verbogen,<br />
eine Ecke sogar verknickt.<br />
Kritik<br />
Das Buch behandelt auf eine kurzweilige<br />
Weise eine Reihe von Themen, die für jeden<br />
Spielleiter wichtig sind. Sehr zu loben ist, dass<br />
das Buch weder einem bestimmten Spielstil,<br />
noch einem bestimmten System den Vorzug<br />
gibt, sondern sehr allgemein bleibt, und die<br />
Beispiele aus vielen Genres kommen. Die<br />
Gliederung ist verständlich, und die Übungen<br />
meist hilfreich.<br />
Das vieles in dem Buch optional gehalten<br />
ist, und sich jeder Spielleiter die für sich passende<br />
Technik raussuchen kann, ist sehr praktisch,<br />
und verhindert eine Überfrachtung des<br />
ratsuchenden Spielleiters.<br />
Nachteilig an dem Buch ist sicherlich, dass<br />
die Entwicklung von Abenteuern (auch wenn<br />
sie einen Großteil des Buches ausmacht) an<br />
einigen Stellen ein bisschen zu kurz kommt.<br />
Das Kapitel ist zwar für jeden Spielleiter mit<br />
Erfahrung optimal, einem wirklich Anfänger<br />
ist aber oft damit nicht geholfen, hier sollte<br />
ergänzend “Methodische Spielleitung” von<br />
Florian Berger hinzugezogen werden.<br />
Was ich in dem Buch vollständig vermisst<br />
habe ich ein Kapitel zu Belohnung von Spieler,<br />
einzig und allein beim Thema Crunch Bits<br />
wurde es angerissen, aber da Crunch Bits<br />
nicht die einzige Möglichkeit (neben den<br />
allgegenwärtigen Erfahrungspunkten) sind,<br />
wären hier mehr sinnvoll gewesen.<br />
Als teilweise gewöhnungsbedürftig ist<br />
die komplette Übersetzung von englischen<br />
Spielleiten<br />
5<br />
Art Spielhilfe<br />
Verlag RedBrick / Prometheus<br />
Games<br />
Sprache Deutsch<br />
Jahr 2008<br />
Preis 16,95 Euro<br />
Mai 2009<br />
Fachbegriffen, da dabei vieles verloren geht<br />
(auch wenn die Übersetzung von Powergamer<br />
in Optimierer perfekt gelungen ist). So<br />
ist die Übersetzung von Butt-Kicker bei den<br />
Spielertypen in Frustbomber meiner Meinung<br />
nach unzureichend. Auch das anstelle<br />
des Ausdruckes Nicht-Spieler-Charakter<br />
(NSC) der Ausdruck Spielleiter-Charakter<br />
(SLC) gewählt wurde, ist immer dann sehr<br />
gewöhnungsbedürftig, wenn die Abkürzung<br />
benutzt wird.<br />
Fazit<br />
Für einen blutigen Anfänger ist dieses Buch<br />
sicherlich nur bedingt geeignet, da vieles,<br />
was einen Anfängerspielleiter beschäftigt<br />
nur sehr kurz angerissen wird. Für jemanden<br />
mit einiger Erfahrung im Spielleiten und<br />
Abenteuer selbst schreiben (und ich rede hier<br />
sicherlich von Monaten nicht von Jahren), ist<br />
dieses Buch ein große Hilfe, um seine Techniken<br />
zu verfeinern, aber auch um mehr über<br />
seiner Spieler zu erfahren. Die Einordnung<br />
von uns selbst in die Law’schen Spielertypen<br />
hat sehr viel Spaß in unsere Runde gebracht.<br />
Wer sich die ultimative Lösung für seine<br />
schwierige Spielrunde erhofft, wird sie hier<br />
nicht finden. Aber er kann Wege finden, mit<br />
den Problemen fertig zu werden, ohne dass<br />
sich die Runde auflösen muss.<br />
Als wichtigstes Ziel des Buches würde ich<br />
sagen, ist es, eine Spielrunde dahin zu bringen,<br />
dass alle Spaß haben am Spiel, Spieler<br />
wie Spielleiter gleichermaßen.<br />
Angst vor schwerer Sachliteratur oder<br />
langweiligem Lehrbuch braucht niemand zu<br />
haben, das Buch ist leicht zu lesen, die Beispiele<br />
lebensnah, und alles ist schnell nachvollziehbar.<br />
Das Buch ist, von wenigen kleinen Kritikpunkten<br />
abgesehen, rundumgelungen, und<br />
fast ein Muss für einen engagierten Spielleiter.<br />
Da es auch Webseiten gibt, die ähnliches<br />
bieten, nur fast.<br />
Warhammer 40k -<br />
Schattenjäger<br />
Friederike Schmutzler<br />
Wir schreiben das 41. Jahrhundert. Düstere<br />
Zeiten ziehen herauf, denn Abschaum und<br />
Irrgläubige bedrohen das Imperium. Die Inquisition<br />
hat alle Hände voll zu tun, und sie<br />
braucht Hilfe. Als Akolythen und Gehilfen eines<br />
Inquisitors stellen sich die Spieler in den<br />
Dienst des Imperators, um den wahren Glauben<br />
verteidigen. Die Heerscharen der Inquisition<br />
sind vielfältig, nicht nur der Beruf und die<br />
Karrierepfade, die ein Spieler auswählt, formen<br />
und prägen den Charakter, sondern auch<br />
die Welt,<br />
von der der<br />
C harakter<br />
s t a m m t .<br />
Zur Auswahl<br />
stehen<br />
Urzeitwelten,<br />
auf<br />
denen das<br />
Leben rauh<br />
und hart ist,<br />
die Makropolwelten<br />
mit ihren<br />
Megaplexen, auf denen ein Großteil der Bewohner<br />
niemals den Himmel sieht, imperiale<br />
Welten, denen in ihrer Vielfalt eines gemeinsam<br />
ist: die Treue zum Gott-Imperator, oder<br />
aber der Charakter ist ein Kind der Leere und<br />
auf einem der Schiffe geboren, die den Raum<br />
durchkreuzen. Hat man seine Heimatwelt<br />
gewählt, folgen die Werte bzw. Grundfähigkeiten<br />
wie Kampfgeschick oder Widerstand.<br />
Diese Werte werden mit 2W10 ausgewürfelt,<br />
je nach Heimatwelt wird noch ein Modifikator<br />
dazugezählt. Ausserdem kann der Spieler<br />
anhand einer Tabelle nachlesen, was der jeweilige<br />
Wert für seinen Charakter bedeutet,<br />
also ob es sich um einen schwächlichen oder<br />
einen überdurchschnittlichen SC handelt.<br />
Abhängig von der Herkunft können dann<br />
anschliessend Berufe gewählt werden, hier<br />
gibt es die folgenden Möglichkeiten: Abschaum<br />
wie Gangster, Diebe und Ausgestossene<br />
gibt es auf allen Welten sowie den<br />
Schiffen und Raumstationen der Kinder der<br />
Leere. Auch Assassinen finden sich in allen<br />
Welten, ebenso wie die imperialen Psioniker,<br />
jene Mitglieder der Inquisition, die über übernatürliche<br />
und fremdartige Kräfte verfügen.<br />
Soldaten, die Krieger und Kämpfer in Schattenjäger,<br />
findet man überall ausser bei den<br />
Kindern der Leere. Ausser ihnen können aber<br />
nur noch Bewohner der Makropolwelten<br />
den Beruf des Klerikers erlernen, die Angehörigen<br />
der Ekklesiarchie, der Priesterschaft<br />
des Imperiums. Nur von diesen beiden Welten<br />
kommen auch die anderen Geistlichen,<br />
die Techpriester, die das uralte Wissen über<br />
die Maschinen hüten und sich auch selbst<br />
in langwierigen Ritualen technische Komponenten<br />
einbauen lassen. Die Ordnungshüter<br />
des Imperiums, die Arbitratoren, kommen<br />
von allen Welten ausser den Urzeitwelten,<br />
genau wie die Gelehrten, die Adepten.<br />
Neben Grundfertigkeiten und Grundeigenschaften,<br />
die sich aus der Herkunftswelt<br />
ableiten wie zum Beispiel die Heimatsprache<br />
als Fertigkeit oder „Eiserner Magen“ als<br />
eine Eigenschaft bei Urzeitwelt-Bewohner<br />
beispielsweise, gibt es auch für jeden Beruf<br />
Seite 71
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Rezensionen<br />
Anfangsfertigkeiten, Anfangstalente und Anfangsausrüstung.<br />
Abschliessend bekommt<br />
der Charakter noch Lebenspunkte, die anzeigen,<br />
wieviel Schaden er erleiden kann,<br />
Schicksalspunkte, die für besondere Aufgaben<br />
benötigt werden, die Bewegungsrate in<br />
m pro Runde sowie das Anfangsvermögen,<br />
das monatliche Einkommen und Anfangs-<br />
Erfahrungspunkte. Jeder Charakter erhält zu<br />
Beginn 400 dieser Punkte, mit denen er sich<br />
neue Fertigkeiten und Talente kaufen oder<br />
vorhandene Werte steigern kann. Wer nicht<br />
weiss, was er steigern oder kaufen möchte<br />
oder einfach nicht lange suchen will, für den<br />
gibt es die „Schnellstart-Charaktere“: vier<br />
Steigerungen für jeden Beruf, die man sich<br />
mit den Anfangs-Erfahrungspunkten kaufen<br />
kann.<br />
Für die würfelfreudigen oder auch vielleicht<br />
phantasieloseren Spieler gibt es abschliessend<br />
noch einige Tabellen, mit denen<br />
sie das Aussehen, Alter, besondere Kennzeichen<br />
oder Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit<br />
auswürfeln können. Auch wenn ein Spieler<br />
vielleicht bereits ein festes Bild seines Charakters<br />
hat, so können diese Tabellen durchaus<br />
hilfreich sein.<br />
Sobald ein Charakter einige Erfahrungspunkte<br />
gesammelt hat, kann er aufsteigen.<br />
In Schattenjäger haben die Spieler drei Möglichkeiten,<br />
ihre Charaktere zu verbessern:<br />
durch Wertesteigerung oder die Verbesserung<br />
bzw. das Erlernen von Fertigkeiten und<br />
Talenten. Diese Dinge sind abhängig von den<br />
Rängen und Karrierepfaden, die ein Spieler<br />
gewählt hat. Ränge spiegeln die Erfahrung<br />
eines Charakters wieder, denn anhand der<br />
Erfahrungspunkte, die ein Spieler bereits<br />
ausgegeben hat, um seinen Charakter zu<br />
verbessern, lässt sich auch der Rang ablesen.<br />
Hat beispielsweise der Spieler eines Adepten<br />
bereits 3000 EP ausgegeben, so hat sein<br />
Charakter den Rang eines Scholars erreicht.<br />
In den Beschreibungen jedes einzelnen Karrierepfads<br />
finden sich Tabellen, aus denen<br />
abgelesen werden kann, welche Fertigkeiten<br />
und Talente auf dieser Rangstufe erwerbbar<br />
sind. Einige sind ohne Voraussetzungen<br />
möglich, für andere müssen erst bestimmte<br />
andere Fertigkeiten, Talente oder gesteigerte<br />
Werte erlangt werden.<br />
Nach der ausführlichen Beschreibung der<br />
Karrierepfade folgen zwei Kapitel zu Fertigkeiten<br />
und Talenten. Bei Fertigkeiten wird<br />
unterschieden zwischen Grundfertigkeiten,<br />
auf die jeder Charakter würfeln kann, und<br />
Ausbaufertigkeiten, die nur derjenige einsetzen<br />
kann, der sie tatsächlich auf seinem Charakterbogen<br />
stehen hat.<br />
Talente stehen in Schattenjäger für Spezialfertigkeiten<br />
wie Psikräfte oder die Fähigkeiten<br />
der Techpriester, allerdings wird<br />
ersteren auch ein ausführliches eigenes Kapitel<br />
gewidmet. Die Talente selbst stehen mit<br />
Voraussetzungen für ihren Erwerb und ihren<br />
Vorzügen in einer Tabelle, allerdings werden<br />
sie auch alle noch ausführlich erklärt.<br />
Nach Karrierepfad, Fertigkeiten und Talenten<br />
folgt die Ausrüstung. Neben Waffen, die<br />
die Charaktere in den verschiedensten Ausführungen<br />
erwerben können, gibt es Rüstungen,<br />
Kleidungsgegenstände, die nützlich<br />
sein können, Drogen und Verbrauchsgüter,<br />
Werkzeuge und Dienstleistungen zu kaufen<br />
so wie Cyberware in Form von Prothesen<br />
oder Implantaten.<br />
Für diejenigen unter den Spielern, die sich<br />
entschlossen haben, Psioniker zu spielen,<br />
folgen nun die Psikräfte. Es gibt nicht nur<br />
verschiedene Arten von Psionikern, sondern<br />
auch unterschiedliche Psi-Disziplinen wie<br />
zum Beispiel Biomantie. Psi-Kräfte anwenden<br />
ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden,<br />
denn sobald ein Psioniker seine Kräfte<br />
einsetzt, kann er auch jenen Wesen im Warp,<br />
die nur auf eine solche Gelegenheit warten,<br />
Tür und Tor öffnen. Würfelt der Spieler zum<br />
Beispiel eine Neun, so wird ein Psi-Phänomen<br />
eintreten, und wenn beim Auswürfeln des<br />
Phänomens mehr als 75 erreicht wird, so treten<br />
die „Gefahren des Warp“ in Kraft, die bis<br />
zur Auslöschung des Psionikers führen können.<br />
Wenn die Charaktere nun fertig erstellt<br />
sind, wird es Zeit, sie ins Spiel zu führen. Im<br />
Kapitel unter dieser Überschrift findet sich<br />
zunächst die Erklärung für Würfe gegen<br />
Werte. In Schattenjäger reicht es nicht nur,<br />
den Wert zu unterbieten oder zu treffen, es<br />
können auch Erfolgs – oder Misserfolgsgrade<br />
ermittelt werden, also wie gut oder wie<br />
schlecht ein Charakter seine Probe abgelegt<br />
hat, was natürlich Auswirkungen auf das<br />
weitere Spiel haben kann. Auch im Kampf<br />
kommt dieses System zum Einsatz, was das<br />
Spiel sehr dynamisch und cinematisch gestaltet.<br />
Desweiteren wird auch der Einsatz<br />
von Schicksalspunkten erklärt: ähnlich wie<br />
zum Beispiel Karmapunkte in Shadowrun 3<br />
können diese Punkte eingesetzt werden, um<br />
eine misslungene Probe ein zweites Mal zu<br />
würfeln oder ähnliches. Eingesetzte Punkte<br />
sind dann für die jeweilige Spielsitzung verloren<br />
und erst in der nächsten Runde wieder<br />
einsetzbar.<br />
Zusätzlich zu den Kampfregeln gibt es natürlich<br />
auch die Regeln für Schaden und Heilung.<br />
Erwähnenswert sind hier die kritischen<br />
Treffer, die zum tragen kommen, wenn ein<br />
Charakter mehr Schaden nimmt, als er noch<br />
Lebenspunkte besitzt. Es gibt vier verschiedene<br />
Arten von Schaden, die dann in Kraft<br />
treten können: Energie -, Explosions -, Wucht<br />
– oder Reißschaden, deren Auswirkungen<br />
auch abhängig ist von der Trefferzone (Kopf,<br />
Arm, Körper oder Bein). Hierzu gibt es 16 Tabellen,<br />
in denen genau beschrieben ist, was<br />
dem Charakter zustösst bei kritischem Schaden.<br />
Teilweise sind die Auswirkungen relativ<br />
harmlos und setzen die Figur nur für einige<br />
Zeit ausser Gefecht bzw. modifizieren die<br />
Mindestwürfe, doch viele Effekte sind sehr<br />
drastisch und tödlich.<br />
Doch nicht nur körperlich wird den Charakteren<br />
in Schattenjäger einiges zugemutet,<br />
auch ihre Seele ist in Gefahr, denn die Schrecken,<br />
die auf die Akolythen warten, sind<br />
vielfältig und führen sie in unaussprechliche<br />
Abgründe.<br />
Es beginnt mit Angst, die jeden Charakter<br />
befallen kann, wenn er in einer erschreckenden<br />
Situation einen Wurf auf Willenskraft<br />
nicht schafft. Dann wird die Schocktabelle<br />
konsultiert, aus der hervorgeht, wie der Charakter<br />
auf das Erlebnis reagiert.<br />
Während man sich von einem Schock und<br />
Angst noch sehr leicht und schnell erholen<br />
kann mittels eines neuen Willenskraft-Wurf,<br />
sieht es beim Wahnsinn schon anders aus.<br />
Dieser wird in Wahnsinnspunkten gemessen,<br />
und bei jeweils 10 Punkten muss der Charakter<br />
einen Traumawurf machen. Misslingt dieser,<br />
gibt es ein geistiges Trauma. Steigt der<br />
Wahnsinn, so kann es auch zu Geistesstörungen<br />
kommen wie zum Beispiel eine Phobie<br />
oder eine Zwangshandlung. Je wahnsinniger<br />
ein Charakter ist, desto schwieriger werden<br />
auch seine Würfe, um geistigen Traumata zu<br />
widerstehen. Sobald der Wahnsinn auf 100<br />
Punkte angestiegen ist, ist der Charakter ihm<br />
vollständig verfallen und somit nicht mehr<br />
spielbar.<br />
Ähnlich fürchterlich wie der Wahnsinn ist<br />
die Verderbnis. Verderbnispunkte funktionieren<br />
von der Systematik her wie Wahnsinnspunkte,<br />
doch erleidet man sie durch<br />
Erlebnisse mit den Wesen aus den Tiefen des<br />
Warps oder durch die Beobachtung finsterer<br />
Rituale. Während der Wahnsinn den Geist<br />
des Charakters bedroht, stellt die Verderbnis<br />
eine Gefahr für seine moralische Integrität<br />
dar. Mächtige Wesen wie Slaanesh, der Fürst<br />
der Lust, versuchen die Charaktere vom Pfad<br />
der Tugend abzubringen und sie zu finsteren<br />
Pakten zu überreden. Im Gegensatz<br />
zum Wahnsinn ist bei der Verderbnis auch<br />
am Körper eines Charakters zu sehen, wie<br />
sehr er schon verderbt wurde anhand von<br />
sogeannten Metastasen. Metastasenwürfe<br />
werden bei jeweils zehn Verderbnispunkten<br />
Seite 72<br />
Mai 2009
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
gemacht.<br />
Verliert ein Charakter sogar mehr als 30<br />
Verderbnispunkte, muss er würfeln, ob er<br />
nicht auch noch eine Mutation davonträgt.<br />
Soweit wäre die Spielsystematik abgehandelt,<br />
die folgenden vier Kapitel bieten Hintergrundmaterial<br />
zur Spielwelt von Schattenjäger.<br />
Der Aufbau der Feudalordnung des<br />
Imperiums wird ebenso beschrieben wie die<br />
verschiedenen Arten von Planeten und die<br />
einzelnen Orden der Inquisition. Sternkarten<br />
und die Symbole der einzelnen Gruppierungen<br />
runden das Gesamtbild ab. Mögliche<br />
Gegner, ob nun Alien oder Ketzer, werden<br />
vorgestellt mit ihren Werten sowie ebenfalls<br />
mit Porträts, um zu illustrieren, mit wem es<br />
die Akolythen da zu tun bekommen können.<br />
Im letzten Kapitel findet sich das Abenteuer<br />
„Erleuchtung“, um sofort mit dem Spiel zu<br />
beginnen.<br />
Fazit<br />
Schattenjäger ist düster, tödlich und mit<br />
Sicherheit nichts für schwache Nerven. Auswirkungen<br />
wie zum Beispiel eine Explosion,<br />
die Kopf und Körper zerstört oder die Folgen<br />
von Wahnsinn und Verderbnis könnten den<br />
einen oder anderen Spieler abschrecken,<br />
auch wenn im Vorwort explizit darauf hingewiesen<br />
wird, dass Schattenjäger eben solche<br />
Themen anspricht. Wer sich darauf einlässt,<br />
findet eine fremdartige, doch faszinierende,<br />
endzeitliche Welt mit ausführlich ausgearbeiteten<br />
Regeln und Anmerkungen, ein cinematisches<br />
System, in dem nicht nur der Wurf,<br />
sondern auch seine Qualität entscheidet, wie<br />
eine Probe ausgeht, sowie Hintergrundmaterialien<br />
zur Spielwelt und den Fraktionen. Im<br />
Grunde genommen ist Schattenjäger sogar<br />
zwei Bücher in einem: zum einen das Grundregelwerk,<br />
dass auch von Rollenspielneulingen<br />
problemlos genutzt werden kann, durch<br />
seine klare Strukturierung in Form und Inhalt,<br />
viele Beispielen und die detaillierte Erklärung<br />
zu jedem Themengebiet, seien es nun die<br />
Charaktererschaffung, Psikräfte oder auch<br />
die Rolle des Spielleiters. Letzteres ist wieder<br />
ein guter Hinweis auf die Einsteigerfreundlichkeit<br />
von Schattenjäger, genau wie das<br />
Abenteuer im letzten Kapitel. Zum Anderen<br />
Schattenjäger<br />
5<br />
Art Rollenspiel<br />
Verlag Feder und Schwert<br />
Sprache Deutsch<br />
Jahr 2008<br />
Preis 49,95 Euro<br />
ist es aber auch ein Quellenbuch mit Informationen<br />
über die Welt des 41. Jahrtausends im<br />
Imperium und die Inquisition sowie zu den<br />
Feinden, die auf die Charaktere lauern. Mehr<br />
kann man von einem Grundregelwerk wirklich<br />
nicht verlangen!<br />
Heredium<br />
Friederike Schmutzler<br />
Was wäre<br />
wenn.. der<br />
Mond eines<br />
Tages vom<br />
Himmel fiele?<br />
Was zunächst<br />
ein<br />
wenig nach<br />
Kindermärchen<br />
klingt,<br />
ist in Heredium<br />
grausame<br />
Wahrheit geworden: Im Jahr 2190 stürzt<br />
der stille Begleiter auf die Erde und begräbt<br />
mehrere Millionen Menschen unter sich.<br />
Flutwellen und Erdbeben sind die Folge, das<br />
Antlitz der Erde wird sich für immer drastisch<br />
verändern. Zehn Jahre danach beginnen die<br />
Charaktere, sich ihren Weg in dieser Welt zu<br />
suchen, der Welt von Heredium.<br />
Schon vor dem Mondfall gab es bereits Veränderungen,<br />
die Tiere mutierten und wurden<br />
grösser, intelligenter und vor allen Dingen<br />
gefährlicher. Urwälder aus genetisch veränderten<br />
Bäumen bedecken Teile Mitteleuropas<br />
und Skandinaviens. Das Klima weltweit<br />
hat sich geändert, es ist wärmer als in den<br />
Jahren zuvor, ganze Landstriche sind unbewohnbar<br />
geworden oder zur Heimat grausamer<br />
Stämme wie den Bodysnatchern geworden.<br />
Auch das geographische Aussehen der<br />
Erde hat sich geändert, kein Kontinent sieht<br />
mehr aus wie früher. Länder sind unter den<br />
Wassermassen verschwunden, neue Gebirge<br />
wie das Tjukurrtjana, die „Welt gestaltende<br />
Traumzeit“, in Australien entstanden. Städte<br />
wurden zerstört und ihre Ruinen von marodierenden<br />
Banden übernommen, oder aber<br />
sie entstanden neu wie Eden oder Hirohito<br />
City. Die Gesamtbevölkerung der Erde ist<br />
erheblich geschrumpft, es leben inzwischen<br />
nur noch 60 Millionen Menschen, deren Leben<br />
sich an die neuen Gegebenheiten anpassen<br />
muss, jeder auf seine Weise.<br />
Afrika ist nun die Heimat der Hezekieliten,<br />
einer Gruppe von religiösen Stammesbrüdern,<br />
in deren Adern sich Naniten finden, die<br />
ihnen scheinbar übermenschliche Kräfte verleihen.<br />
Die Hezekieliten sind die zweitgrösste<br />
religiöse Gruppierung in Heredium, sie glauben<br />
an das Wort des Propheten Hezekiel und<br />
die Macht des Wassers. Sie sind hierarchisch<br />
gegliedert in Sebuloniten, die so etwas wie<br />
Laienbrüder oder Gemeindemitglieder sind,<br />
Manassari, die Missionare, Issacharten, die<br />
Glaubenskrieger, die dem Meer entsteigen,<br />
die Deikalhawa, Ausgestossene, die gegen<br />
das Wort Hezekiels verstossen haben und<br />
Zadokaner, die Hohepriester mit den beinahe<br />
magischen Fähigkeiten.<br />
Bis auf die Deikalhawa sind alle diese Gruppierungen<br />
auch spielbar. Zu jedem „Beruf“<br />
(auch bei den anderen Zivilisationen / Gruppierungen)<br />
finden sich neben Hintergrundinformationen<br />
entsprechende Spielwerte wie<br />
wichtige Attribute, automatische Fertigkeiten,<br />
Vorteile und Nachteile sowie die Ausrüstung.<br />
Die Hezekieliten sind eine der Gruppen in<br />
Heredium, deren Entwicklungslevel sich noch<br />
auf Stufe Eins befindet, ihr technischer und<br />
auch medizinischer Sachverstand entspricht<br />
dem Niveau des Mittelalters, Bewaffnung ist<br />
in Gegenden mit diesem Entwicklungslevel<br />
auch eher ein Knüppel als eine MP. Insgesamt<br />
gibt es vier Level, die von „rudimentär“<br />
bis zu „hochtechnisiert“ reichen. Das jeweilige<br />
Level einer Zivilisation wird bei dieser<br />
angegeben, es beschreibt unter anderem<br />
die Verfügbarkeit von Waffen, Waren und<br />
technischen Gerätschaften für das jeweilige<br />
Gebiet. aren auf Level I sind praktisch überall<br />
zu erhalten, Waren auf Level IV fast nur in<br />
Hirohito City.<br />
Die geheimnisvollen Debellatoren bevölkern<br />
vorrangig das vom Mondfall stark in<br />
Mitleidenschaft gezogene Nordamerika.<br />
Niemand weiss genau, was die Debellatoren<br />
sind, ob nur eine Mutation oder der nächste<br />
Sprung in der Evolution des Menschen.<br />
Feststeht, dass sie in den Gesellschaften der<br />
Nichtdebellatoren nicht gerne gesehen werden,<br />
so dass sie sich in ihre eigenen Habitate<br />
zurückgezogen haben. Das Ziel und Ideal<br />
der Debellatoren ist das Leben im Einklang<br />
mit der Natur, nicht von ungefähr ähneln sie<br />
daher wohl in ihrem Äusseren den nordamerikanischen<br />
Ureinwohnern. Die Debellatoren<br />
unterteilen sich in drei verschiedene Clans:<br />
Umbra, dessen Mitglieder ihren Schwerpunkt<br />
in ihren geistigen und intellektuellen<br />
Fähigkeite sehen, Tonitrus, die kriegerisch<br />
ausgerichtet sind, und Serpentis, die ruhigen<br />
ausgleichenden Nahkampfmeister. Die Clans<br />
pflegen untereinander ein freundschaftliches<br />
Verhältnis und heissen Mitglieder anderer<br />
Clans jederzeit willkommen.<br />
Unabhängig von ihrem Clan können die<br />
Debellatoren verschiedene Berufe erlernen:<br />
Proculator, eine Art Politiker, Faber, die<br />
Mai 2009<br />
Seite 73
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Rezensionen<br />
Seite 74<br />
Handwerker und Bauer, kurz: die Versorger<br />
der Gemeinschaft, Scriptor, die Hüter<br />
des Wissens und der Schriften, Venator, die<br />
Kundschafter, die die endlose Steppe durchstreifen<br />
und Proeliator, Beschützer und Krieger.<br />
Am anderen Ende der noch existenten<br />
Welt befindet sich das Revier der Raging Bull.<br />
Auch die Zugehörigkeit zu dieser Gruppierung<br />
ist meistens von einem gemeinsamen<br />
prägenden körperlichen Merkmal abhängig:<br />
Durch ihre meist ärmliche Herkunft und die<br />
daraus resultierende medizinische Versorgung<br />
haben fast alle Raging Bull Mutationen<br />
wie Kiemen, Knochenwaffen oder Albinismus.<br />
Die Raging Bull agieren als Freibeuter, moderne<br />
Piraten und Händler in einem an der<br />
Küste Australiens, sie sind Söldner (Mercs),<br />
Händler (Trader), Seefahrer (Seagull), Tüftler<br />
(Scrap) oder Assassinen (Silencer).<br />
Die zweite grosse religiöse Fraktion in Heredium<br />
ist die Nordallianz, die weite Teile des<br />
ehemaligen Europas umfasst. In der Hauptstadt<br />
Eden, dem ehemaligen Berlin, findet<br />
sich der Sitz der Hegemonialkirche, politisch<br />
wird der Staat jedoch von Kirche, Gardisten<br />
und Industriellen gleichermassen geleitet.<br />
Aus eben diesen drei Mächten, genannt Konzil,<br />
Kommissariat und Konsorotium, rekrutieren<br />
sich die spielbaren Berufe für Charaktere<br />
aus der Nordallianz: Zunächst die Akolythen,<br />
die vom kleinen Dorfpfarrer bis zum Bischof<br />
reichen können, dann die Inquisitoren, die<br />
auch 2200 immer noch gebraucht zu werden<br />
scheinen, die Allianzgardisten, Militärs<br />
und Krieger und die Postindustriellen, die ein<br />
wenig an die Industriellen und Fabrikbesitzer<br />
des späten 19. Jahrhunderts erinnern.<br />
Etwas ausserhalb dieser drei Pfeiler der<br />
Nordallianz-Gesellschaft scheinen die Pioniere<br />
zu stehen, Kundschafter und Arbeiter,<br />
die von den Postindustriellen angeheuert<br />
werden, um verwüstete Landstriche wieder<br />
begehbar zu machen für neue Fabriken oder<br />
um Strassen und Wege anzulegen.<br />
Während die Raging Bull und die Nordallianz<br />
schon wieder ein Entwicklungslevel der<br />
Stufe 3, modern, erreicht haben, ist es in<br />
Temora, der asiatischen Zivilisation, auf der<br />
höchsten Stufe. Dort leben die Menschen<br />
in der Biosphäre von Hirohito City, benannt<br />
nach ihrem Erbauer James Hirohito. Acht<br />
Millionen Menschen drängen sich unter der<br />
Kuppel, und heute wie damals gibt es inzwischen<br />
Platzprobleme. Die Kriminalitätsrate<br />
ist hoch, und so ist es kein Wunder, dass in<br />
Temora und Hirohito City neben dem Militär,<br />
den Temora Armed Forces, auch noch die<br />
Han No Hoqosha, Privatarmeen der herrschenden<br />
Familien, tätig sind. Desweiteren<br />
wird viel Wert auf Forschung und Wissenschaft<br />
gelegt, das Gebiet der Temora Tech<br />
Forces, deren Aufgabe primär allerdings ist,<br />
den Zentralrechner „Eye“ zu warten und zu<br />
betreuen, die jedoch auch Kampfdrohnen<br />
programmieren könnten, und des Temora<br />
Science Institute.<br />
Doch nicht jeder Charakter in Heredium<br />
lässt sich so einfach in eine Schublade aus Zivilisation<br />
und Beruf stecken. Es gibt auch diejenigen,<br />
die frei von Clans – oder Familienbanden<br />
durch die Welt streifen, die Nomaden. Es<br />
gibt sie in allen Gebieten des Planeten, ihre<br />
Berufswahl ist so frei wie ihre Lebensweise.<br />
Neben den fünf grossen Zivilisationen gibt<br />
es noch verschiedene Randgruppen wie<br />
die bereits erwähnten Bodysnatcher oder<br />
die Deikalhawa. Diese Gruppen findet man<br />
überall in der Welt, und manche von ihnen<br />
sind den grossen Fünf wohlgesonnen, doch<br />
andere sind geprägt von Hass auf die, denen<br />
es besser erging und dem Kampf um das tägliche<br />
Überleben.<br />
Auch untereinander sind sich die Hezekieliten,<br />
die Nordallianz, die Debellatoren, Temora<br />
und Raging Bull nicht grün. Bei jeder Zivilisation<br />
findet sich eine kurze Beschreibung,<br />
wie man den jeweils anderen gegenüber eingestellt<br />
ist, und es sind wenig freundschaftliche<br />
Gefühle dabei.<br />
So komplex und vielschichtig die Welt<br />
von Heredium ist, so einfach und klar ist die<br />
Spielmechanik. Aktionswürfe gegen einen<br />
vom Spielleiter festgelegten Zielwert, der<br />
zwischen 8 (leicht) und 36 („ein Stoßgebet<br />
wäre nicht schlecht“) reichen kann. Der Wurf<br />
selbst sicht zusammen aus Attribut und Fertigkeitswert,<br />
wobei die Würfelzahl der Höhe<br />
des Attributs entspricht und auf die Augenzahl<br />
der Fertigkeitswert anschliessend draufgerechnet<br />
wird. Vom Mechanismus wird darauf<br />
hingewiesen, dass Aktionswürfe auch<br />
eigentlich nur in Stresssituationen gerechtfertigt<br />
sind, andere Aktionen wird der Charakter<br />
schaffen.<br />
Über den Erfolg oder Misserfolg des Aktionswurfes<br />
entscheiden die entsprechenden<br />
Grade, die von „katastrophaler Fehlschlag“<br />
(Zielwert um -9 verfehlt) bis zu „nahezu perfekter<br />
Erfolg“ (Zielwert um +9 überwürfelt).<br />
Auch die Qualität des Wurfes muss nicht immer<br />
eingesetzt werden, der Spielleiter kann<br />
festlegen, bei welcher Art von Aktionswurf<br />
(z.B. ein Wettkampf) es wichtig ist, zu wissen,<br />
wie gut oder schlecht der Charakter abgeschnitten<br />
hat.<br />
Vergleichende Aktionen sind Würfe gegen<br />
den Wert eines Aktionswurfs z.B. eines NSC, erweiterte<br />
Aktionen sind Würfe gegen Zielwert<br />
und erfordern einen bestimmten Erfolgsgrad.<br />
Im Kampf kommen dazu noch Mehrfachaktionen,<br />
dies bedeutet, dass ein Charakter in<br />
einer Kampfrunde mehrere Aktionen durchführen<br />
kann. Dazu muss sein Attribut „Agilität“<br />
allerdings mehr als zwei Punkte betragen,<br />
pro Punkt über der Schwelle gibt es eine<br />
Aktion dazu. Allerdings erschwert sich der<br />
Wurf jedesmal, auf jede weiter Aktion gibt es<br />
einen Malus.<br />
Angriffe werden als vergleichende Proben<br />
gewürfelt, bei physischem Schaden die<br />
Kampffertigkeit plus Anzahl der Würfel in<br />
Höhe des Attributs gegen die physische Verteidigung<br />
des Opfers, bei mentalen Angriffen<br />
die entsprechende Fertigkeit gegen den<br />
mentalen Widerstand des Opfers.<br />
Alle weitern Kampfregeln wie Ausweichen,<br />
Blocken und Parieren oder Entwaffnen sind<br />
optionale Regeln.<br />
Wie bereits erwähnt, besitzt ein Charakter<br />
in Heredium Attribute und Fertigkeiten.<br />
Die Attribute können Werte zwischen eins<br />
(schwächlich und verkümmert) und vier<br />
(überdurchschnittlicher Spitzenwert) annehmen.<br />
Es gibt sechs primäre Attribute (Agilität,<br />
Konstitution, Kraft, Ausstrahlung, Intelligenz<br />
und Psyche) und sekundäre Attribute<br />
(Vitalität, Substanz, physische Verteidigung,<br />
mentaler Widerstand und Reaktionsvermögen),<br />
die aus den primären Attributen abgeleitet<br />
werden.<br />
Eine Besonderheit bei einem Heredium-<br />
Charakter sind die Aspektpunkte. Jeder<br />
Charakter startet mit sechs Aspektpunkten,<br />
die für verschiedene Dinge einsetzbar sind.<br />
Zum Beispiel kann man durch Ausgeben von<br />
Punkten entsprechend viele Würfel auf einen<br />
Erfolg drehen oder die Würfel eines Gegner<br />
zu einem Misserfolg. Auch die paranormalen<br />
Fähigkeiten der Hezekieliten, die Psi-Kräfte<br />
der Debellatoren, die Mutationen der Raging<br />
Bull, die Ektoware der Nordallianz und die<br />
Stimulanzien aus Temora können mit diesen<br />
Punkten erworben werden.<br />
Die Aspekte sollen dem Charakter mehr<br />
Tiefe verleihen und dienen, wie der Name<br />
schon sagt, als Persönlichkeitsaspekte. So<br />
kann aus einer Liste ausgewählt werden, ob<br />
der Charakter eher ein Perfektionist ist oder<br />
eher ein Skeptiker.<br />
Die Aspektpunkte regenerieren sich nach<br />
dem Schema „Ein Tag – ein Punkt“, spielt der<br />
Spieler seinen Aspekt jedoch besonders gut<br />
aus, kann der Spielleiter auch bestimmen,<br />
dass mehr Punkte regenerieren.<br />
Neben dem Persönlichkeitsaspekt gibt es<br />
noch eine andere Möglichkeit den Charakter<br />
Mai 2009
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
individuell und runder zu gestalten in Form<br />
von Vor – und Nachteilen. Jeder Charakter<br />
beginnt mit drei Punkten, wenn Nachteile<br />
gekauft werden, können mehr Vorteile erworben<br />
werden. Vorteile unterscheiden zwischen<br />
„Körperlich“, „Geistig“, „Sozial“ und<br />
„Kampf“, Nachteile nur zwischen den ersten<br />
drei. Ein möglicher Vorteil sind beispielsweise<br />
die Nanitenkräfte der Hezekieliten oder<br />
die Mutationen der Raging Bull, aber auch<br />
Dinge wie gute Menschenkenntnis oder Nahkampfmeisterschaft.<br />
Während die meisten Vor – und Nachteile<br />
für jeden Beruf erworben werden können,<br />
gibt es auch einige, die an den Beruf gekoppelt<br />
sind wie „Spürhund“ als Vorteil der Pioniere<br />
der Nordallianz oder das Chipimplantat<br />
der Einwohner Temoras.<br />
Berufungen können aus den oben erwähnten<br />
Berufen gewählt werden, falls ein Spieler<br />
keinen dieser Berufe erlernen möchte, kann<br />
er stattdessen einen Nomaden wählen.<br />
Neben einem ausführlichen Katalog für<br />
Waffen mit Tabellen für Initiative, Treffsicherheit,<br />
Schaden, Verteidigung, Reichweite<br />
sowie Munitionsart und Kapazität finden sich<br />
auch zu jeder Waffe eine Abbildung. Auch im<br />
Abschnitt für Rüstungen wird so vorgegangen.<br />
Neben Waffen und Rüstung gibt es in der<br />
Welt von Heredium noch andere wichtige<br />
Dinge zu kaufen wie Cleaning Tabs für Wasser,<br />
Fortbewegungsmittel, technologische<br />
Gerätschaften wie Holoprojektoren, Medizin<br />
und Nahrungsmittel, aber auch Rauschgifte<br />
und Giftstoffe sowie Dienstleistungen. Alle<br />
Tabellen mit Ausrüstungsgegenständen finden<br />
sich auch im Anhang wieder.<br />
Darüber hinaus finden sich noch Hintergrundinformationen<br />
über die Welt von Heredium.<br />
Die sogenannten Naoh-Mutationen,<br />
die schon vor dem Mondfall mutierten Tiere,<br />
werden vorgestellt mit Angabe ihrer Gefährlichkeit<br />
für den Menschen, aber auch einzelne<br />
Exemplare mit Werten. Für jede Zivilisation<br />
gibt es einen Beispielcharakter sowohl<br />
mit Hintergrund als auch mit fertigen Werten<br />
und einem Porträt. Auch die Ökologie und<br />
Geographie nach dem Mondfall wird für jeden<br />
Kontinent beschrieben.<br />
Heredium<br />
5<br />
Art Rollenspiel<br />
Verlag 13 Mann<br />
Sprache Deutsch<br />
Jahr 2008<br />
Preis 39,95 Euro<br />
Mai 2009<br />
Informationen zur Mechanik des Rollenspiels<br />
an sich und Informationen für den<br />
Spielleiter gibt es ebenfalls, wobei hier unter<br />
anderem auch die Regeln für Erfahrungspunkte,<br />
Bedrohungen und Verletzungen und<br />
die Werte für menschliche Gegner zusammengefasst<br />
sind.<br />
Abschliessend gibt es das Einstiegsabenteuer<br />
„Mondsplitter“, in dem die Charaktere<br />
den Mord an einer Gruppe Archäologen aufklären<br />
muss, die offenbar einigen Debellatoren<br />
in die Hände gefallen sind.<br />
Fazit<br />
Auf den ersten Blick ist Heredium ein neues<br />
und innovatives Rollenspiel, das durch<br />
seine komplexe und mit viel Liebe zum Detail<br />
ausgearbeiteten Hintergrundwelt, seine<br />
Regelarmut und sein angenehmes Layout<br />
– schon das schlichte, aber edle Cover fällt<br />
ins Auge - besticht. Vor allen Dingen die Idee<br />
des Mondfalls ist zumindest in der endzeitlichen<br />
Rollenspielwelt so wohl noch nie da gewesen,<br />
und die Katastrophe ist immer noch<br />
präsent in den Köpfen der Menschen. Die<br />
Charaktere können sich noch daran erinnern,<br />
dass es einmal anders, wenn vielleicht auch<br />
nicht besser war, was Heredium von anderen<br />
endzeitlichen Rollenspielen wie zum Beispiel<br />
Degenesis unterscheidet.<br />
Auf den zweiten Blick schleichen sich ein<br />
paar Kritikpunkte ein. Zum Beispiel ist das<br />
Berufssystem sehr starr, es gibt keine Möglichkeit,<br />
sich einen eigenen Beruf in einer Zivilisation<br />
zu erstellen. Einzige Alternative sind<br />
die Nomaden, doch vielleicht sagt dies nicht<br />
jedem zu. Da man durch die Berufungen Boni<br />
auf Fertigkeiten bekommt und Vor – und<br />
Nachteile auf die Berufungen bekommt,<br />
dürfte es sehr schwer werden, einen eigenen<br />
Beruf zu etablieren. Abgesehen davon<br />
greift hier die komplexe Hintergrundwelt,<br />
auch dies dürfte eigene Berufe erschweren.<br />
Auch das Magiesystem, in dem die Kräfte<br />
über Vorteilskosten, Aspektpunkte oder Erfahrungspunkte<br />
gekauft werden können, ist<br />
etwas verwirrend, eine einheitliche Punktwährung<br />
zum Beispiel in Form von Magiepunkten<br />
hätte mir besser gefallen.<br />
Wer jedoch über diese kleinen Schwächen<br />
hinwegsieht, sollte vor allen Dingen durch die<br />
einfachen Regeln auch als Rollenspielneuling<br />
viel Spass in der Welt von Heredium haben.<br />
Android<br />
Thomas Heinig<br />
Die Welt hat sich verändert, das Verbrechen<br />
nicht. Das ist der Untertitel von Android, einer<br />
auf‘s Brett gezwungenen Detektivgeschichte<br />
in einer düsteren Zukunft. Die Spieler schlüpfen<br />
in die<br />
Rollen von<br />
Ermittlern,<br />
die einen<br />
M o r d f a l l<br />
aufklären<br />
sollen. Das<br />
S z e n a r i o<br />
spielt in<br />
einer halbwegs<br />
nahen Zukunft in der fiktiven Stadt<br />
New Angeles. Das besondere an dieser Metropole<br />
ist, dass sie sich auf der Erde und<br />
dem Mond befindet - die Menschheit hat den<br />
nahen Himmelskörper nämlich inzwischen<br />
erschlossen und mit einer Art Fahrstuhl zugänglich<br />
gemacht.<br />
Auf dem Spielplan ist im oberen Bereich<br />
der Mond und im unteren die Erde zu sehen,<br />
darauf verschiedene Örtlichkeiten von New<br />
Angeles. Beide Hälften werden von fünf Örtlichkeiten<br />
verbunden - dem Aufzug.<br />
Jeder Spieler bekommt also eine Rolle zugewiesen<br />
und mit dieser einen Satz Karten.<br />
Zum einen sind dies helle und dunkle Schicksalskarten,<br />
zum anderen aber auch Sonderkarten<br />
und Karten, welche die Geschichte<br />
des Charakters erzählen. Das Besondere an<br />
Android ist nämlich, dass ganz stark versucht<br />
wird, eine stimmungsvolle Geschichte mit interessanten<br />
Charakteren aufzubauen. Jeder<br />
der Ermittler hat seine eigenen Wünsche und<br />
Ziele, aber auch Feinde und inneren Dämonen<br />
- und diese Komponenten haben immer<br />
wieder Einfluß auf die Spielmechanik, so dass<br />
Geschichte und Spiel ineinander verwoben<br />
werden.<br />
Die hellen Schicksalskarten sind dazu gedacht,<br />
dem eigenen Charakter etwas Gutes<br />
zu tun, bzw. Vorteile für sich auszuspielen.<br />
Die dunklen Karten hingegen richten sich<br />
gegen den jeweiligen Charakter. Deshalb<br />
zieht man auch keine eigenen dunklen Karten<br />
auf die Hand, sondern darf diese von den<br />
anderen Spielern ziehen und gegen sie verwenden.<br />
Die Karten haben Kosten, die beim<br />
Ausspielen bezahlt werden müssen - der dahinter<br />
stehende Mechanismus sorgt dafür,<br />
dass man nur dann wirklich effektiv Karten<br />
ausspielen kann, wenn man stets abwechselnd<br />
dunkle und helle Karten spielt.<br />
Zudem bekommt jeder Spieler ein „Fahrzeug“,<br />
genauer gesagt eine Schablone, die<br />
angibt wie weit man mit einem Bewegungspunkt<br />
kommen kann. Diese Fahrzeuge sind<br />
den Flugobjekten aus Blade Runner oder 5th<br />
Element sehr ähnlich, können aber nicht die<br />
Distanz zwischen Erde und Mond überbrücken.<br />
Möchte man die Örtlichkeit wechseln -<br />
und das macht man häufig - so wird die Scha-<br />
Seite 75
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Rezensionen<br />
blone angelegt und alle Orte in Reichweite<br />
der Schablone können angeflogen werden.<br />
Dabei haben die Charaktere unterschiedlich<br />
schnelle Gefährte - also verschieden lange<br />
Schablonen.<br />
Kommen wir aber endlich zu dem Mordfall.<br />
Es gilt aus einer Gruppe an Verdächtigen<br />
(stets einer mehr als Spieler) den Täter<br />
ausfindig zu machen. Dabei ist Android<br />
aber kein Deduktionsspiel wie z.B. Cluedo.<br />
Es steht nämlich nicht von Anfang an fest,<br />
wer die Tat verübt hat. Die Spieler sammeln<br />
stattdessen im Spielverlauf Beweise, die sie<br />
auf die Verdächtigen legen dürfen. Dadurch<br />
kristallisiert sich am Ende heraus, wer der Täter<br />
ist. Damit das Ganze Sinn machen kann,<br />
benötigen die Spieler natürlich einen Anreiz<br />
- hier in Form von zwei Karten, die bei Spielbeginn<br />
ausgeteilt werden. Eine zeigt einen<br />
der Verdächtigen als Täter und die andere<br />
einen Verdächtigen als Unschuldigen. Wenn<br />
am Ende der „eigene“ Täter tatsächlich das<br />
Verbrechen begangen hat - weil man ausreichend<br />
Beweise gegen ihn sammeln und auf<br />
ihn legen konnte - so bekommt man reichlich<br />
Siegpunkte. Deutlich weniger Siegpunkte bekommt<br />
man, wenn der eigene Unschuldige<br />
tatsächlich am Ende unschuldig ist.<br />
Die Spieler reisen auf dem Spielplan von<br />
Ort zu Ort auf der Jagd nach Beweisen. Hat<br />
man einen Beweis gesammelt kann man mit<br />
ihm verschiedene Aktionen auslösen. Entweder<br />
man zieht blind einen Beweismarker<br />
mit (negativen oder positiven) Zahlenwerten<br />
und legt diesen dann verdeckt auf einen<br />
Verdächtigen. Negative Werte erhöhen die<br />
Unschuld, positive jedoch die Schuld der Person.<br />
Oder man widmet sich dem Verschwörungspuzzle.<br />
Verschwörungspuzzle? Ja, die Welt von<br />
Android ist komplex. Und wie es sich für einen<br />
guten Mordfall gehört haben eventuell<br />
größere Organisationen ihre Finger mit im<br />
Spiel und das Ganze entpuppt sich als üble<br />
Konspiration. Im Verschwörungspuzzle können<br />
die Spieler versuchen, eine Verbindung<br />
zwischen dem Fall und einer (oder mehrerer)<br />
der Organisationen im Spiel zu knüpfen. Das<br />
bringt Sonderpunkte je nach Organisation<br />
für bestimmte zusätzliche Marken, die man<br />
ebenfalls auf dem Spielplan sammeln kann.<br />
Auf den Örtlichkeiten liegen nämlich nicht<br />
nur Beweise, sondern auch andere nützliche<br />
Dinge, wie Durchsuchungsbefehle, Nebencharaktere<br />
oder Gefallen. Letztere sind so etwas<br />
wie die Spielwährung. Mit Gefallen kann<br />
man sich verschiedene Dinge erkaufen, sei es<br />
besonders erdrückende Beweismittel, falsch<br />
aussagende Zeugen oder einen Blick in die<br />
Karten anderer Spieler. Und Gefallen können<br />
am Ende des Spiels Extrapunkte wert sein,<br />
wenn man sich beim Verschwörungspuzzle<br />
geschickt angestellt hat.<br />
Die ganze Komplexität der Spielwelt, der<br />
Möglichkeiten und der Spielmechanik soll hier<br />
gar nicht weiter erläutert werden, vor allem<br />
da die Regeln kostenlos direkt von der Seite<br />
von Fantasy Flight Games heruntergeladen<br />
werden können. Nur auf eine Sache möchte<br />
ich noch eingehen: die persönliche Geschichte<br />
der Ermittler. Nehmen wir zum Beispiel<br />
die psychisch begabte Klonfrau, Eigentum<br />
eines Konzerns, der ihre Reihe in Großproduktion<br />
herstellen möchte. Sie ist der Prototyp,<br />
eigentlich nur Besitz, aber dennoch zu<br />
Gefühlen fähig. Ein klassisches Thema. Eine<br />
der drei möglichen Geschichten für sie handelt<br />
von einem jungen Kunststudenten, für<br />
den sie Gefühle entwickelt. Dazu liegt vor<br />
dem Spieler eine Karte mit Informationen zu<br />
der Geschichte und zwei möglichen Pfaden<br />
wie sie sich entwickeln könnte - einem guten<br />
und einem schlechten. Der Spieler sollte<br />
nun versuchen, möglichst viele Counter für<br />
den positiven Weg zu sammeln, während die<br />
Mitspieler Counter für den schlechten Weg<br />
beisteuern können. Zu einem festgelegten<br />
Zeitpunkt wird nachgesehen, welcher Weg<br />
mehr Counter ansammeln konnte. Je nachdem<br />
wird die nächste Geschichtskarte aufgedeckt,<br />
wieder mit zwei möglichen Enden. Die<br />
Enden geben unterschiedlich viele Siegpunkte.<br />
So ist für unsere Klonin die erste Entscheidung,<br />
ob sie ihren Ursprung freiwillig erzählt<br />
oder ob der Student von anderen darauf gestoßen<br />
wird. Ganz am Ende steht entweder<br />
eine Liebesbeziehung oder Einsamkeit. Interessanterweise<br />
haben die verschiedenen Pfade<br />
der Geschichten auch direkten Einfluß auf<br />
die Spielmechanik, abseits der Siegpunkte.<br />
Nach einer festen Anzahl an Runden endet<br />
das Spiel und alle Beweise auf den Verdächtigen<br />
werden aufgedeckt und ausgewertet.<br />
Der Täter wird so ermittelt und es beginnt die<br />
Endabrechnung der Siegpunkte - unter anderem<br />
aus den Täterkarten, den Extrapunkten<br />
der Verschwörung, der persönlichen Geschichte<br />
und noch einigem mehr. Es dauert<br />
einige Zeit, bis man erfasst, welche Aktionen<br />
Siegpunkte bringen und wie man diese maximieren<br />
kann. Am Ende gewinnt jedenfalls<br />
der Spieler mit den meisten Siegpunkten.<br />
Die Aufmachung ist sehr gut gelungen,<br />
auch wenn man von der Fülle an unterschiedlichen<br />
Karten und Pappcountern erschlagen<br />
wird. Jedes Teil hat seinen Zweck und ist an<br />
sich sinnvoll, nur gibt es eben sehr viele verschiedene<br />
Teile. Auch die Anleitung, beinahe<br />
schon in Romanlänge, ist erstaunlich gut<br />
geschrieben und vermittelt die komplexen<br />
Android<br />
4<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Englisch<br />
Spieler 3 bis 5<br />
Alter ab 12 Jahre<br />
Jahr 2009<br />
Preis ca. 45 Euro<br />
Zusammenhänge überzeugend. Die Grafik ist<br />
sicherlich Geschmackssache, doch kann die<br />
comichafte Illustration auch Leute überzeugen,<br />
die eher auf realistische Darstellungen<br />
stehen. Besonders lobenswert sind die vielen<br />
Texte in der Anleitung und auf den Karten,<br />
die nur der Stimmung und der Geschichte<br />
dienen.<br />
Fazit<br />
Das Spiel ist ein echtes Mammutprojekt -<br />
ich habe selten zuvor ein so komplexes Brettspiel<br />
gesehen, das so viele Sachen gleichzeitig<br />
sein möchte. Auf einer Ebene ist es nur<br />
ein Ablaufen von Punkten auf dem Spielplan,<br />
doch gleichzeitig ist es auch ein Bluffspiel, ein<br />
Taktikspiel und vor allem eins: eine interaktive<br />
Geschichte. Die Charaktere sind interessant<br />
angelegt und es macht durchaus Spaß,<br />
die Welt von Android zu erkunden und in ihr<br />
einzutauchen. Doch irgend wann - nach ein<br />
paar Partien - hat man die Welt erforscht,<br />
die Dinge wiederholen sich. Was dann bleibt<br />
ist ein zwar interessantes aber auch langatmiges<br />
Brettspiel mit hoher Komplexität. Es<br />
gibt bestimmt Leute, denen das Ausfeilen<br />
einer optimalen Strategie für die Endwertung<br />
ungeheuer Spaß macht und die dieses<br />
Spiel lieben werden. Grund genug dafür haben<br />
sie auch. Nur frage ich mich ob es die<br />
Zeit wirklich wert ist, Android zu spielen. Es<br />
gibt eben andere Spiele, die für mich den<br />
gleichen Spielspaß mit weniger Leerlauf und<br />
zeitlichem Aufwand bringen. Oder Spiele, die<br />
genauso lange dauern, aber mir mehr Spaß<br />
machen. Dennoch ist Android auf jeden Fall<br />
einen Blick wert!<br />
Formula D<br />
Thomas Heinig<br />
Auf die Startfelder der Rennstrecken werden<br />
die Formel 1 Boliden geschoben, vereinzelt<br />
auch schon die Motoren gestartet. Bald<br />
schon versteht man sein eigenes Wort nicht<br />
mehr, die Massen auf der Zuschauertribüne<br />
fiebern ebenso wie die Fahrer auf das Startsignal.<br />
Blitzschnelle Reaktionen entscheiden<br />
über einen gekonnten Start, die langfristige<br />
Strategie über Sieg oder Niederlage. Willkommen<br />
im Rennzirkus von Formula D!<br />
Seite 76<br />
Mai 2009
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
S e i t<br />
e i n i g e n<br />
J a h r e n<br />
bekommt<br />
man nur<br />
n o c h<br />
Restexe<br />
m p l a r e<br />
des Rennspiels<br />
Formula<br />
Dé<br />
- wenn man Glück hat. Doch nun kommt von<br />
Asmodée endlich eine überarbeitete Neuauflage<br />
in die Läden, die zwar das „é“ im Namen<br />
verloren hat, dafür aber etliche Neuerungen<br />
mitbringt.<br />
Zunächst aber mal zum Altbekannten und<br />
kaum Veränderten: den Regeln des Spiels.<br />
Jeder Spieler übernimmt ein Fahrzeug und<br />
versucht es so schnell wie möglich ohne Totalschaden<br />
eine oder mehrere Runden über<br />
einen Parcour zu bringen. Die Rennstrecken<br />
sind den originalen Strecken der Formel 1<br />
nachempfunden und weisen enge und weite<br />
Kurven, Schikanen und lange Geraden auf.<br />
Jedes Fahrzeug hat sechs Gänge, denen jeweils<br />
ein Würfel zugewiesen ist. So darf man<br />
beispielsweise im ersten Gang einen Würfel<br />
mit 4 Seiten würfeln, der aber nur Zahlen von<br />
1 bis 2 zeigen wird. Im vierten Gang hingegen<br />
darf schon ein zwölfseitiger Würfel verwendet<br />
werden, der dann Zahlen von 7 bis 12<br />
zeigt. Die Würfelzahl gibt an, wie viele Felder<br />
ein Fahrzeug fahren muss. Deshalb entscheidet<br />
der Spieler vor dem Wurf, ob er einen<br />
Gang hochschalten, im aktuellen Gang bleiben<br />
oder einen oder mehrere Gänge (mehrere<br />
nur auf Kosten des Getriebs, doch dazu<br />
weiter unten mehr) runterschalten möchte.<br />
Bestünde die Rennstrecke nur aus Geraden,<br />
so bräuchte man wohl nie runterzuschalten<br />
und könnte fröhlich im sechsten Gang durchheizen.<br />
Doch da es Kurven gibt (und zwar<br />
nicht zu knapp) besteht die Notwendigkeit,<br />
auch mal vorsichtig nur wenige Felder zu fahren.<br />
An jeder Kurve ist angegeben, wie viele<br />
Pflicht-Stopps man in ihr ablegen muss. Eine<br />
einfache Kurve hat nur einen Pflicht-Stopp,<br />
während eine sehr schwere Schikane drei<br />
Formula D<br />
5<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Asmodée<br />
Sprache Deutsch<br />
Spieler 2 bis 10<br />
Alter ab 10 Jahre<br />
Jahr 2009<br />
Preis ca. 36 Euro<br />
Stopps benötigt. Das Fahrzeug muss also<br />
beim Durchfahren der Kurve so oft innerhalb<br />
der markierten Kurvenfelder nach dem<br />
Ziehen der Felder zum Stehen kommen. Wer<br />
sich daran nicht hält und ohne Erfüllung der<br />
Stopps aus der Kurve fährt wird bestraft.<br />
Jedes Fahrzeug hat in unterschiedlichen<br />
Kategorien wie Getriebe, Motor, Bremsen<br />
oder Reifen Konstuktionspunkte. Immer<br />
wenn eine Kategorie Schaden nimmt, werden<br />
Konstuktionspunkte abgegeben. Hat<br />
man in einer Kategorie keine Punkte mehr,<br />
so scheidet das Fahrzeug und damit der Spieler<br />
aus dem Rennen aus. Fährt man beispielsweise<br />
über eine Kurve hinaus, so muss man<br />
pro zu viel gefahrenem Feld einen Punkt bei<br />
den Reifen abgeben. Wahlweise kann man<br />
auch pro ausgegebenem Punkt bei Bremsen<br />
ein Feld weniger fahren - oder man mischt<br />
beide Varianten.<br />
Neben den Pflicht-Stopps ist das Verbot<br />
von Zig-Zag-Fahrten die wichtigste Regel. Sie<br />
besagt, dass man maximal zwei Spurwechsel<br />
und beide nur in die gleiche Richtung durchführen<br />
darf. Meist bestehen die Rennstrecken<br />
aus drei Spuren, so dass man also beispielsweise<br />
von ganz links nach ganz rechts<br />
wechseln darf (zwei Spurwechsel in gleicher<br />
Richtung), nicht aber anschließend wieder in<br />
die Mitte ziehen darf. Einzige Ausnahme ist<br />
das direkte Ausweichen eines Hindernisses<br />
(z.B. eines anderen Fahrzeugs).<br />
Das Spiel bietet weitere Regeln wie Wrackteile<br />
auf der Strecke, Wetterbedingungen,<br />
verschiedene Reifentypen, Konstuktion<br />
eigener Fahrzeuge oder Boxenstopps. Die<br />
meisten dieser Regeln lassen sich einzeln in<br />
das Spiel aufnehmen, so dass Einsteiger zunächst<br />
mit einem vereinfachten Regelsatz<br />
starten können und das Spiel später beliebig<br />
komplex werden lassen können.<br />
Zwar ist der Glücksfaktor beim Würfeln<br />
recht hoch, es zählt dennoch auch die richtige<br />
Strategie - besonders bei Rennen über<br />
mehrere Runden. Wer zu wagemutig fährt,<br />
verliert schnell seine Konstuktionspunkte<br />
und fliegt im schlimmsten Fall sogar aus dem<br />
Rennen. Es gilt also die richtige Mischung<br />
aus Mut und Sicherheit zu finden. Heraus<br />
kommen erstaunlich spannende und lustige<br />
Rennen, die tatsächlich ein wenig Formel 1<br />
Stimmung aufkommen lassen.<br />
Für Kenner der früheren Ausgabe sei erwähnt,<br />
dass es in den Regeln kaum Unterschiede<br />
gibt. Zwei Dinge, die mir aufgefallen<br />
sind: Benzin wurde komplett gestrichen und<br />
es müssen nun alle Spieler auf einen möglichen<br />
Motorschaden prüfen.<br />
Sehr wohl aber wurde die Aufmachung<br />
geändert. Sehr lobenswert ist, dass man alle<br />
Rennstrecken der alten Ausgabe weiterverwenden<br />
kann. Nur wurde das Design der neuen<br />
Strecken etwas angepasst und insgesamt<br />
kommen Packung und Anleitung bunter und<br />
comichafter daher. Grund dafür ist sicherlich<br />
auch die wirklich große Neuerung: neben<br />
Formel 1 Rennen dürfen nun auch Straßenrennen<br />
im Stile eines „Need for Speed“ bzw.<br />
„Fast and Furious“ gefahren werden. Dafür<br />
ist auf der Rückseite des Formel 1 Kurses von<br />
Monte Carlo auch eine Strecke durch das fiktive<br />
Race City zu finden - ganz dunkel gehalten<br />
da es sich natürlich um ein Nachtrennen<br />
handelt. Die Straßenkurse sind „verrückter“<br />
als die Standardkurse und bieten Verengungen,<br />
Schlaglöcher, eine Geschwindigkeitsmessung<br />
(bei welcher der Schnellste belohnt<br />
wird) und Tunneldurchfahrten.<br />
Die Regeln bleiben im Großen und Ganzen<br />
identisch, nur erhält jeder Spieler eine<br />
Schablone mit einem Comiccharakter ausgehändigt.<br />
Jeder Charakter hat eine eigene<br />
Sonderfähigkeit und eine andere Verteilung<br />
der Konstruktionspunkte. Und jedem Spieler<br />
steht einmal pro Runde ein Nitroboost zur<br />
Verfügung, bei dem er zusätzlich nach einem<br />
Wurf so viele Felder ziehen muss wie sein aktueller<br />
Gang ist.<br />
Die Aufmachung ist ordentlich, aber fast<br />
schon ein wenig zu bunt geraten. Die Charaktere<br />
sind sicherlich Geschmacksfrage, aber<br />
handwerklich gut gezeichnet. Und auch die<br />
Anleitung ist übersichtlich und weitestgehend<br />
fehlerfrei. Nur die kleinen Plastikwägen<br />
finde ich persönlich nicht so gelungen, da<br />
hätte es gerne auch etwas Hochwertigeres<br />
sein dürfen. Dafür liegen dem Spiel aber sieben<br />
Würfel bei.<br />
Inzwischen sind die ersten Streckenerweiterungen<br />
erschienen und weitere bereits angekündigt,<br />
so dass für Abwechslung gesorgt<br />
sein dürfte.<br />
Fazit<br />
Wer über den hohen Glücksfaktor hinwegsehen<br />
kann - und das kann ich bei diesem<br />
Spiel problemlos - der wird sehr viel Spaß mit<br />
Formula D haben. Besonders bei Renen mit<br />
vier bis acht Spielern kommt Spaß auf, weil<br />
sich die Fahrzeuge gegenseitig blockieren<br />
und behindern. Das Spiel mit neun oder zehn<br />
Spielern macht sicherlich auch Spaß, dauert<br />
aber entsprechend lange. Die neuen Straßenrennen<br />
sind eine nette Idee und ergänzen<br />
das Spiel - wer sie nicht mag kann sie einfach<br />
weglassen.<br />
Mai 2009<br />
Seite 77
ANDUIN <strong>98</strong><br />
Rezensionen<br />
Fury of Dracula<br />
Benedikt Heck<br />
Vielleicht kennt ihr noch das sehr erfolgreiche<br />
Brettspiel Scotland Yard, bei dem<br />
man Mister X durch London hetzt. Nach dem<br />
selben Prinzip funktioniert Fantasy Flight Games‘<br />
Fury of Dracula, nur dass man hier den<br />
Vampirfürsten durch ganz Europa jagt. So<br />
ist das Spielbrett eine altertümlich wirkende<br />
Landkarte auf der wichtige Städte vermerkt<br />
und mit Straßen und Bahnstrecken verbunden<br />
sind. Sowohl die 4 Jäger (Lord Godalming,<br />
Dr. Seward, Abraham van Helsing und<br />
Mina Harker) als auch Dracula werden durch<br />
ansehnliche Plastikfiguren dargestellt, wobei<br />
Draculas Figur meist nicht auf der Landkarte<br />
steht, sondern in einem Randbereich des Feldes.<br />
Wie für FFG üblich ist das Brett und die<br />
sonstigen Spielmaterialien hochwertig und<br />
sehr schön aufmacht inklusive einiger düsterer<br />
Illustrationen.<br />
Jede Spielrunde bewegt sich der Blutsauger<br />
im geheimen weiter und hinterlässt eine<br />
bis zu fünf Städte lange Spur aus Ortskarten<br />
mit seinen vorherigen Standorten plus der<br />
Karte für seinen derzeitigen Aufenthaltsort.<br />
Noch ältere Karten „fallen aus der Spur“, das<br />
heißt der Dracula-Spieler nimmt sie wieder<br />
an sich. An jedem Ort den er verlässt lässt<br />
er unangenehme Überraschungen für seine<br />
Verfolger zurück, wie etwa mordlüsterne Zigeuner<br />
aus seinem Gefolge, eine fehlleitende<br />
Zeitungsente, dichten Nebel oder gar einen<br />
neuen Vampir.<br />
Die Jäger arbeiten zusammen, um ihn zu<br />
fassen. Kommt einer von ihnen auf einen Ort<br />
der in Draculas Spur ist, wird dieser aufgedeckt,<br />
wodurch man natürlich Rückschlüsse<br />
auf seinen derzeitigen Aufenthaltsort ziehen<br />
kann. Im Gegensatz zu Mister X ist Dracula<br />
aber keineswegs wehrlos, wenn man ihn<br />
denn tatsächlich aufspürt. Manchmal ist es<br />
für den Dracula-Spieler sogar besser die Konfrontation<br />
zu suchen.<br />
Die Jäger gewinnen das Spiel indem sie<br />
Dracula endgültig vernichten, d.h. indem<br />
sie seine Blutspunkte im Kampf auf Null reduzieren.<br />
Dracula gewinnt das Spiel sobald<br />
er eine bestimmte Zahl von Siegespunkten<br />
Fury of Dracula<br />
5<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Deutsch<br />
Spieler 2 bis 5<br />
Alter ab 10 Jahre<br />
Jahr 2005<br />
Preis ca. 35 Euro<br />
erreicht hat – üblicher weise 6. Diese kann<br />
er auf drei verschiedene Arten erhalten: Er<br />
erhält zwei, wenn ein neuer Vampir aus der<br />
Spur fällt. Ebenfalls zwei bekommt er, wenn<br />
er einen Jäger im Kampf niedermacht. Dieser<br />
kann dann von einem Kloster in Kroatien aus<br />
neu starten. Zudem erhält er ohne sein Zutun<br />
im Laufe der Zeit Siegespunkte. Es gibt<br />
einen Zeitcounter der voranschreitet und die<br />
aktuelle Tageszeit anzeigt (was ausdrücklich<br />
nicht tatsächliche Reisezeiten wiedergibt).<br />
Immer wenn auf der Zeitanzeige ein neuer<br />
Tag anbricht erhält Dracula einen Siegespunkt.<br />
Außerdem ist die Anzeige wichtig,<br />
weil der Vampir und die Dinge, die er zurück<br />
lässt in der Nacht gefährlicher sind; tagsüber<br />
kann Dracula seine Kräfte nur deutlich eingeschränkt<br />
nutzen.<br />
Für jeden Siegespunkt, den Dracula erhält,<br />
bekommen seine Gegner aber auch einen<br />
Entschlossenheits-Punkt, die sie z.B. dazu<br />
nutzen können Orte in seiner Spur aufzudecken<br />
oder sich zu einem beliebigen Ort<br />
„teleportieren“. Durch diese hilfreichen Mittel<br />
bleibt den Jägern auch noch Hoffnung,<br />
wenn der Nosferatu sich dem Sieg in großen<br />
Sprüngen nähert. Dabei muss man genau<br />
abwägen, wann man sie einsetzt. Einerseits<br />
sind die Punkte sind zu kostbar um sie zu<br />
vergeuden. Andererseits kann es leicht passieren,<br />
dass man nicht mehr dazu kommt sie<br />
auszugeben, weil man hofft auch ohne ihre<br />
Hilfe Draculas Aufenthaltsort zu entdecken<br />
und sich die übrigen Jäger dann zu ihm teleportieren<br />
könnten.<br />
In jeder Stadt können die Jäger sich entweder<br />
Lebenspunkte regenerieren oder Karten<br />
ziehen. Welche Karten das sind, hängt von<br />
der Größe der Stadt ab. In kleinen Städten<br />
kann man nur Ereigniskarten ziehen, in Großstädten<br />
zusätzlich oder statt dessen auch<br />
Ausrüstungskarten. Die Ereigniskarten sind<br />
meist positiv für die Jäger, wie ein Vorteil im<br />
Kampf, eine schnellere Reise oder ein Ort<br />
aus Draculas Spur, der aufgedeckt wird. Ein<br />
Drittel sind aber Karten für Dracula, die ihm<br />
oder seinen Hinterlassenschaften Vorteile<br />
bringen; eine ist auch eine geradezu unverschämt<br />
gute Karte die ihn an einen beliebigen<br />
geheimen Ort verschwinden lässt. Da<br />
viele der Karten auch aufbewahrt und später<br />
gespielt werden, gibt es zwei Sorten und sie<br />
werden einfach von unten gezogen, damit<br />
man nicht erkennen kann, ob die nächste<br />
Karte eine für die Jäger oder für Dracula ist.<br />
Dazu kommt bei den Jägern Ausrüstung wie<br />
Pflöcke, Pistolen, Geweihtes Wasser oder<br />
Bluthunde. Diese sind verschieden nützlich<br />
gegen Dracula und seine Gefolgsleute, z.B.<br />
ist eine Pistole sehr gut gegen lebende Gegner,<br />
den Vampirfürsten kann sie aber nicht<br />
verletzen.<br />
Darüber hinaus verfügt jeder Jäger von<br />
vorne herein über gewisse individuelle Vorteile,<br />
die es ihm etwa erlauben Karten extra<br />
zu ziehen oder Würfe zu wiederholen.<br />
Einen Geschwindigkeitsvorteil erhalten die<br />
Jäger dadurch, dass sie die Eisenbahn benutzen,<br />
was der Graf für nicht standesgemäß<br />
hält. Die Reisegeschwindigkeit wird mittels<br />
eines speziellen Würfels ermittelt und die Benutzung<br />
der Bahn kann auch zum Aussetzen<br />
führen, wenn es zu ausgedehnten Passkontrollen<br />
kommt. Dieses Risiko müssen die Jäger<br />
aber gelegentlich eingehen, wenn Dracula ihnen<br />
nicht durch die Lappen gehen soll.<br />
Wie die Jäger hat aber auch Dracula gewisse<br />
Spezialfähigkeiten in Form von Karten, die<br />
es ihm unter anderem erlauben sich schneller<br />
fort zu bewegen, zu einem Ort in seiner Spur<br />
zurückzukehren oder sich zu „nähren“ - also<br />
Blut(spunkte) zu trinken. Allerdings kann er<br />
die besten dieser Fähigkeiten nur bei Nacht<br />
einsetzen und erst erneut, wenn die Spezialkarte<br />
wieder aus der Spur gefallen ist. Zudem<br />
kosten sie ihn einige Blutpunkte, schwächen<br />
ihn also direkt für einen Kampf mit einem Jäger.<br />
Ebenfalls mit solchen Kosten verbunden<br />
ist für Dracula die Reise über das Meer, allerdings<br />
verschafft sie ihm auch eine große<br />
Auswahl möglicher Fluchtorte und stellt oft<br />
die letzte Möglichkeit da den Jägern ohne<br />
Konflikt zu entkommen. Ein weiterer Vorteil<br />
ist, das Dracula auf dem Meer sicher ist, da es<br />
hier nie zu Kämpfen kommt. Um nicht unfair<br />
zu werden, sehen die Gegenspieler aber an<br />
der Kartenfarbe, falls Dracula sich aufs Meer<br />
zurückzieht.<br />
Rutscht ein Ort aus Draculas Spur, reift die<br />
Begegnung darauf, was Effekte im Sinne Draculas<br />
zur Folge hat - vor allem bei den Vampiren<br />
ist das entscheidend, da Dracula durch<br />
sie Siegespunkte erhält. Somit sind die Jäger<br />
auch veranlasst Draculas Spur abzugrasen,<br />
obwohl dort böse Überraschungen auf sie<br />
warten. Man läuft jedoch Gefahr so seine<br />
Zeit zu verschwenden, statt Dracula selbst<br />
aufzuspüren.<br />
Die Kämpfe laufen in Kampfrunden ab.<br />
Jede Runde wählen beide Kontrahenten<br />
eine Waffe, die sie nutzen, oder Aktion, die<br />
sie durchführen wollen. Dann wird gewürfelt<br />
wer der Sieger ist und die Auswirkung<br />
der Siegerkarte, die abhängig von der Karte<br />
des Gegners ist, wird durchgeführt. Der Abwechslung<br />
wegen darf man nicht zweimal<br />
hintereinander die selbe Karte wählen.<br />
Auch hierbei verfügt Dracula über übernatürliche<br />
und sehr mächtige Kräfte, die er<br />
Seite 78<br />
Mai 2009
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>98</strong><br />
nur nachts einsetzen kann. Man muss also,<br />
selbst wenn man ihn gefunden hat, manchmal<br />
noch überlegen, ob man es tatsächlich<br />
mit ihm aufnehmen kann, oder ob man lieber<br />
auf eine günstigere Tageszeit wartet.<br />
Fazit<br />
Das zu Beginn erwähnte Scotland Yard<br />
konnte ich nie sonderlich leiden. Fury of Dracula<br />
benutzt zwar die selbe Grundidee, hat<br />
sie jedoch weiter entwickelt und stark verbessert.<br />
Durch das Würfeln und die Karten ist<br />
das Zufallselement verstärkt worden, aber es<br />
sind auch neue taktische Optionen entstanden.<br />
Und letztlich ist die koordinierte Strategie<br />
der Verfolger und auch das Einschätzen<br />
des Gegners immer noch wichtiger als Glück.<br />
Die Interaktion zwischen den Spielern ist hier<br />
trotz der heimlichen Bewegung auf einem<br />
ordentlichen Maß, so dass man wirklich von<br />
einem Gesellschaftsspiel sprechen kann.<br />
Meiner bisherigen Spielerfahrung nach<br />
hat der Draculaspieler vielleicht geringfügig<br />
höhere Gewinnchancen, aber das lässt sich<br />
leicht je nach Wunsch über Siegespunkte anpassen.<br />
Alles in allem ein rundum empfehlenswertes<br />
Spiel, auch für Verächter der Vorlage wie<br />
mich.<br />
Le Havre<br />
Thomas Heinig<br />
Vor zwei<br />
Jahren versetzte<br />
uns<br />
Uwe Rosenberg<br />
mit<br />
seinem Spiel<br />
Agricola in<br />
die Rolle von<br />
Landwirten,<br />
die versuchen<br />
einen<br />
m ö g l i c h s t<br />
effizienten<br />
Hof aufzubauen.<br />
Das<br />
Spiel zeichnete<br />
sich durch seine hohe Variabilität und<br />
Komplexität aus und zählte zu den Überraschungshits<br />
des Jahres. Entsprechend hoch<br />
sind die Erwartungen an Rosenbergs neues<br />
Spiel.<br />
In Le Havre geht es nun darum, im Umkreis<br />
eines Hafens möglichst viel Geld zu machen.<br />
Wie schon in Agricola ist der Kern des Spiels<br />
die Verwaltung von Ressourcen. Auf dem<br />
dreiteiligen Spielplan findet sich mittig das<br />
Hafenbecken, in dem Schiffe auf einer geraden<br />
Linie einlaufen. Darüber finden sich Vor-<br />
Mai 2009<br />
ratsfelder und darunter Angebotsfelder, auf<br />
denen die verschiedensten Waren wie Korn,<br />
Vieh, Holz, Kohle, Lehm oder auch Geld liegen.<br />
Jeder Spieler bekommt nun ein Schiff<br />
und einen Personenstein seiner Farbe und<br />
einige Startressourcen. Anschließend fährt<br />
der Startspieler sein Schiff auf das erste der<br />
sieben Felder im Hafenbecken, auf denen<br />
stets zwei Ressourcen abgebildet sind. Je<br />
eine Ware dieser Ressourcen wird nun vom<br />
Vorrat auf das Angebot gelegt. Dies repräsentiert<br />
die Waren, die durch die Schiffe in<br />
die Stadt gebracht werden.<br />
Von Beginn an liegen drei Startgebäude<br />
offen aus, die den Spielern das Erbauen weiterer<br />
Gebäude erlauben. Auf drei Stapeln<br />
liegen diese weiteren Gebäude - ganz oben<br />
günstige Einstiegsgebäude und weiter unten<br />
teure, aber auch sehr nützliche fortgeschrittene<br />
Gebäude. So bekommt man beispielsweise<br />
auf dem Lehmhügel Lehm oder kann in<br />
der Ziegelei seine Lehm-Ressourcen in Ziegel<br />
umwandeln.<br />
Der Spieler hat nun die Wahl zwischen zwei<br />
Hauptaktionen: entweder er nimmt alle Ressourcen<br />
von einem Angebotsfeld in seinen<br />
Besitz oder er versetzt seinen Personenstein<br />
auf ein neues Gebäude um die dort verfügbare<br />
Aktion auszuführen. Zudem können einige<br />
Nebenaktionen durchgeführt werden, wie<br />
das Kaufen oder Verkaufen von Gebäuden.<br />
Nacheinander versetzen die Spieler nun<br />
jeweils ihr Schiff, füllen Ressourcen auf und<br />
führen ihre Aktionen durch, bis einer der<br />
Spieler auf das siebte Hafenbeckenfeld gelangt.<br />
Dies markiert das Rundenende und<br />
jeder Spieler muss die auf der Rundenkarte<br />
angezeigte Anzahl an Lebensmitteln aufbringen<br />
und abgeben. Wohl dem, der frühzeitig<br />
Fisch besorgt hat oder Korn in der Backstube<br />
zu Brot gewandelt hat. Wer nicht ausreichend<br />
Nahrung hat, der kann zur Not mit<br />
Geld kompensieren. Ist auch davon nicht<br />
ausreichend vorhanden, so muss der Spieler<br />
einen Schuldschein aufnehmen.<br />
Die Rundenkarte wird umgedreht und auf<br />
der Rückseite zeigt sich ein Schiffstyp - Holzschiff,<br />
Eisenschiff oder Stahlschiff. Diese Karte<br />
wird offen ausgelegt und kann nun ebenfalls<br />
gebaut oder gekauft werden. Ein Schiff bringt<br />
seinem Besitzer einen enormen Vorteil, denn<br />
es zählt bei Rundenende als automatische<br />
Nahrungsquelle. Damit ist eine bestimmte<br />
Menge an Nahrung sicher bezahlt und man<br />
muss sich nur noch um den Rest kümmern.<br />
Zudem können mit dem Schiff Ressourcen in<br />
dem Gebäude Reederei verkauft und zu Geld<br />
gemacht werden.<br />
Nach einer zuvor festgelegten Anzahl an<br />
Runden ist das Spiel beendet und der Spie-<br />
Le Havre<br />
4<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Lookout Games<br />
Sprache Deutsch<br />
Spieler 1 bis 5<br />
Alter ab 12 Jahre<br />
Jahr 2009<br />
Preis ca. 30 Euro<br />
ler mit dem größten Vermögen - es wird sein<br />
Barbesitz und der Wert seiner Gebäude und<br />
Schiffe addiert - gewinnt.<br />
Le Havre ist schneller erklärt als sein Vorgänger,<br />
aber ebenso schwer zu meistern.<br />
Es dauert einige Partien bis man sämtliche<br />
Handlungsmöglichkeiten überblickt - dies<br />
wird unter anderem dadurch ausgelöst,<br />
dass sich die Möglichkeiten im Spielverlauf<br />
immer weiter vermehren und man erst einmal<br />
kapieren muss, was wann machbar und<br />
sinnvoll ist. Sowohl der Umfang als auch die<br />
Gestaltung (ebenfalls vom Agricola-Zeichner<br />
Klemens Franz) des Spielmaterials ist gut gelungen,<br />
auch wenn die Thematik dieses Mal<br />
weniger „niedlich“ ist. Auch wenn es auf den<br />
ersten Blick nicht unbedingt stimmungsvoll<br />
ist, so verdienen die vielen Informationen,<br />
die das Spielmaterial liefert, ein großes Lob.<br />
Die Bedeutungen der Karten erschließen<br />
sich auch ohne einen Blick in das Regelheft,<br />
dort sind sie aber noch einmal ausführlich<br />
beschrieben. So gut das Spielmaterial auch<br />
ist, die Anleitung empfinde ich als weniger<br />
gelungen. Sie lässt einige Fragen offen und<br />
wird komplizierter als notwendig.<br />
Eine Anmerkung möchte ich noch zur<br />
Spielerzahl und der Spieldauer loswerden:<br />
Le Havre ist kein kurzes Spiel (auch nicht in<br />
der optionalen Kurzvariante). 30-45 Minuten<br />
pro Spieler muss man schon rechnen. Und<br />
vor dem Spiel mit 5 Spielern warnt sogar die<br />
Anleitung... ;)<br />
Fazit<br />
Das Thema Hafen ist mal etwas anderes<br />
und wurde gut umgesetzt. Die Verwaltung<br />
von Ressourcen, Gebäuden und Schiffen ist<br />
kurzweilig und kniffelig. Wer Spaß am Optimieren<br />
und Ausprobieren unterschiedlicher<br />
Taktiken hat und vor etwas Mikromanagement<br />
nicht zurückschreckt, der wird Le Havre<br />
sicherlich einiges abgewinnen können. Für<br />
mich ist aber Agricola das variablere und unterhaltsamere<br />
Spiel.<br />
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