Anduin 95
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Anduin 95
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ANDUIN <strong>95</strong><br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
FANTASY WELTEN<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>Anduin</strong><br />
Fanzine für phantastische Spiele<br />
Ausgabe Nr. <strong>95</strong>, Mai 2008<br />
Thema Fantasy Welten<br />
Anschrift<br />
Thomas Heinig<br />
Stuckstraße 6<br />
82319 Starnberg<br />
leserbriefe@anduin.de<br />
www.anduin.de<br />
Fleißige Helfer<br />
Autoren J. Hagen, M. Barreto,<br />
J. Schoska, F. Schmutzler, T. Schleer,<br />
V. Herfeld, A. Dotor, T. Hagler,<br />
J. Mang, F. Bongert, S. Koch,<br />
C. Maser, J. Ullrich, S. Holzmaier,<br />
T. Looschelders, A. Hartung,<br />
I. Schulze, P. Heinig, T. Heinig<br />
Titelbild D. Kufner<br />
Zeichner D. Kufner, K. Graf, Jim,<br />
M. Buyken, Dailor, J. Mang,<br />
J. Lange, A. Rexfort, S. Holzmaier,<br />
M. Hagel, K. Schad, T. Heinig<br />
Lektorat T. Looschelders,<br />
U. Zucker, T. Heinig<br />
Hinweise<br />
Die Artikel in dieser Ausgabe stellen<br />
die Meinung der einzelnen Autoren dar<br />
und müssen nicht mit der Meinung der<br />
Redaktion übereinstimmen. Die Redaktion<br />
distanziert sich von Internetseiten<br />
mit verfassungswidrigen, radikalen oder<br />
pornographischen Inhalten. Die meisten in<br />
dieser Ausgabe genannten Produkte sind<br />
Warenzeichen ihrer jeweiligen Hersteller.<br />
Die Verwendung von geschützten Warenzeichen<br />
stellt keine Copyrightverletzung<br />
seitens der Redaktion dar, auch wenn diese<br />
ohne Kennzeichnung genannt werden.<br />
Nachdruck oder Wiederveröffentlichung<br />
(digital oder analog) – auch auszugsweise<br />
– nur mit schriftlicher Genehmigung der<br />
Redaktion. Ausdruck und Weitergabe für<br />
private Zwecke ausrücklich erwünscht<br />
und erlaubt. Die Redaktion behält sich das<br />
Recht vor, eingesandte Artikel zu kürzen<br />
oder zu ändern. Die Rechte der eingesandten<br />
Artikel und Zeichnungen verbleiben<br />
beim Urheber. Die Redaktion der <strong>Anduin</strong><br />
erhält die Erlaubnis, die Werke in kostenlosen<br />
Projekten zu veröffentlichen. Für<br />
unaufgefordert eingesandte Artikel kann<br />
keine Haftung übernommen werden.<br />
† = Artikel zum Schwerpunktthema<br />
INHALT<br />
Inhalt<br />
Abenteuer<br />
4 Sommernachtstraum – Ein Abenteuer für Artesia †<br />
Die Charaktere werden mit einem Geist aus dem goldenen Zeitalter der Wälder von Erid<br />
Wold konfrontiert und haben die Chance, Teil einer Tragödie aus längst vergangener<br />
Zeit zu werden.<br />
22 Das Böse über der Stadt – Ein Abenteuer für Arcane Codex †<br />
Ein Kult plant, eine finstere Wesenheit namens Daenethor zu beschwören und stürtzt<br />
damit eine Stadt in Chaos. Blutopfer werden durchgeführt und eine mysteriöse Krankheit<br />
breitet sich aus.<br />
40 Das Erbe der Drachentöchter – Ein universelles Kurzabenteuer †<br />
Die beiden Zwillingstöchter des Fürsten von Dekandur sind in höchsten Nöten. Ihr böser<br />
Vetter hat ihren Vater ermordet. Und das, obwohl sie einen uralten Schatz hüten: Das<br />
Draconium.<br />
48 Schattenhain – Ein Agone-Drama †<br />
Zahlreiche Gäste sind geladen und beschenken das verliebte Paar. Doch unter Ihnen<br />
ist einer, der ein verhängnisvolles Geschenk mit sich bringt… das Bild Schattenhain, in<br />
dem sich bald so mancher verliert.<br />
53 Das Orakel von H‘Rabaal – Ein DSA Kurzabenteuer †<br />
Ein Gelehrter unter den Helden stößt auf ein Textfragment aus den Chroniken von Ilaris<br />
und erfährt so, dass das Orakel von H’Rabaal durchaus auch für Menschen ein kostbarer<br />
Quell des Wissens sein kann.<br />
64 Frostige Rache – Ein universelles Kurzabenteuer †<br />
Ein uraltes Böses verschlang einst die Seelen einer Händlergruppe und bedient sich<br />
ihrer nun um neue Opfer in die Falle zu locken. Können die Abenteurer sowohl der tödlichen<br />
Kälte der Eislandschaft als auch dem Bösen entkommen?<br />
84 Strafe der Ungläubigen – Ein Abenteuer für Spherechild<br />
Ein Sembare bringt Viren aus einem Labor von der modernen Welt Icros auf die<br />
Fantasy-Welt Valcreon. Als „Strafe Gottes“ getarnt, will er damit einige Dörfer in seinen<br />
Besitz bringen. Die Charaktere müssen auf beiden Sphären dagegen vorgehen.<br />
Lesen & Spielen<br />
14 Das Fantasydorf † 21 Hakims Kochecke<br />
Realistische Besiedlungen im Spiel<br />
Leckere Rezepte für Rollenspielrunden<br />
35 Kriegswesen im Mittelalter † 43 Religion im Rollenspiel<br />
Militär realistischer darstellen<br />
Das Darstellen von Religion im Spiel<br />
46 Instant Abenteuer † 51 Flagframing<br />
Die Räuberhöhle<br />
Spielern bieten was sie wollen<br />
69 Offen heraus 70 Systemvorstellung †<br />
Erweiterung um Erweiterung<br />
Das Weltenbuch<br />
72 Now for something completely different 74 Raubkopien von Rollenspielen<br />
Geskriptete Szenen<br />
Mehr als ein Kavaliersdelikt<br />
79 Rollenspieldesign 82 Ohne Schmidt und Johnson<br />
Teil 1: Was ist Rollenspieldesign?<br />
Alternative Auftraggeber in Shadowrun<br />
94 Zauberei mit Murmeln<br />
Ein alternatives System für Magie<br />
113 Igor Riegel<br />
Zwischen Zuckerschock und Befriedigung<br />
Kurzgeschichten & Comics<br />
96 Ritter und Magier 97 Die Legende des heiligen Glenn Grant †<br />
97 Die Dame des Frostes † 98 Heimkehr †<br />
Rezensionen<br />
100 Götter und Kulte † 101 Sharn – Stadt der Türme †<br />
104 Spieler-Handbuch Eberron † 102 Das Zauber-Kompendium †<br />
103 Drachenreiter † 104 Twilight Imperium<br />
105 Nexus Ops 106 Zug um Zug<br />
106 Der Weg nach Drakonia † 107 Descent – Journeys into the Dark †<br />
109 Descent – Well of Darkness † 109 Descent – Altar of Despair †<br />
110 Descent – Road to Legend † 110 Das Schwert †<br />
111 Battlelore †<br />
Seite 2<br />
Mai 2008
Die Dritte Seite<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Die dritte Seite<br />
VORWORT<br />
Das Thema Fantasy kam vor ein paar Jahren<br />
nach langer Durststrecke wieder groß<br />
raus – zumindest im Kino. Neben dem unumgänglichen<br />
Der Herr der Ringe und auf dem<br />
Erfolg von Harry Potter reitend gab und<br />
gibt es etliche Filme – mal mehr und mal weniger<br />
gelungen. Darüber wurde schon reichlich<br />
geschrieben und ich will Euch gar nicht<br />
weiter damit langweilen.<br />
Viel lieber verkünde ich mit einem gewissen<br />
Stolz, dass wir pünktlich die neue <strong>Anduin</strong><br />
fertig bekommen haben. Obwohl wir uns<br />
keine bestimmte Seitenzahl als Ziel gesetzt<br />
haben, können wir das Thema Fantasy auf<br />
erstaunlichen 114 Seiten behandeln.<br />
Wenn es weiter so gut läuft, dann werden<br />
wir in diesem Jahr noch zwei weitere Ausgaben<br />
der <strong>Anduin</strong> veröffentlichen können<br />
– es stehen die Schwerpunktthemen Independent<br />
Rollenspiele und Crossovers an.<br />
Während also die nächste Ausgabe Euch ein<br />
paar der unbekannteren Rollenspielsysteme<br />
näher bringen möchte, wird die übernächste<br />
<strong>Anduin</strong> wild verschiedene Stimmungen und<br />
Settings mischen.<br />
Ich freue mich schon darauf und hoffe,<br />
dass wir Euch auch weiterhin als Leser gut<br />
unterhalten können.<br />
Liebe Grüße,<br />
Tommy •<br />
Leserbriefe<br />
Ausgabe 94 – Teil 1<br />
Hey Thomas, ich weiß wie frustrierend<br />
es sein kann, wenn nach getaner Arbeit die<br />
Rückmeldungen ausbleiben, so in etwa hast<br />
Du es im Interview mit lorp.de ja auch anklingen<br />
lassen. Vielleicht freut Dich das Lob eines<br />
schon lange nicht mehr aktiven, aber noch<br />
immer interessierten Rollenspielers. Ich hab<br />
bislang über ein paar Inhalte (der <strong>Anduin</strong> 94)<br />
geschaut und bin beeindruckt. Besonders<br />
möchte ich Dich allerdings für das Layout<br />
loben, das mir ausgesprochen gut gefällt. :)<br />
Weiter so! •<br />
Thorsten<br />
Ausgabe 94 – Teil 2<br />
Ich habe gerade das Interview auf Lorp.de<br />
gelesen. Ich freue mich genauso wie alle, dass<br />
die <strong>Anduin</strong> wieder unter den Lebenden weilt.<br />
Mit Anmerkungen habe auch ich mich bisher<br />
zurückgehalten. Statt „Fanmail“ habe ich<br />
auf meinem Blog unter www.amel.tk einen<br />
Post geschaltet und verlinke euch außerdem.<br />
Schön, dass ihr wieder da seid! •<br />
Andreas<br />
Ausgabe 94 – Teil 3<br />
Es ist soweit, die erste echte neue <strong>Anduin</strong><br />
seit einer gefühlten Ewigkeit ist erschienen<br />
und widmet sich mit dem Schwerpunktthema<br />
Mystery neben KULT und Cthulhu allerlei anderen<br />
dunklen Themen, die eine Erwähnung im<br />
Ruf mehr als notwendig machen. Ladet Euch<br />
die feinen 116 Seiten herunter und zelebriert<br />
die Rückkehr einer Legende! •<br />
Der Ruf<br />
Ausgabe 94 – Teil 4<br />
Krass, krass, krass! Da wird mein Gemecker<br />
in der letzten <strong>Anduin</strong> als Leserbrief gedruckt,<br />
so dass ich mich doch glatt genötigt fühle,<br />
mich noch einmal zu melden. Während mir<br />
das aufgewärmte Ding mit der Nummer 93<br />
gar nicht gefallen hat, weiß ich gar nicht wie<br />
ich Euch für die Ausgabe 94 danken soll. Einhundertundsechszehn<br />
prall gefüllte Seiten zu<br />
meinem Lieblingsthema: dem düsteren Rollenspiel.<br />
Und durchgehend hochwertige Qualität<br />
über nahezu alle Artikel. Aber wo Licht, da<br />
auch Schatten. Der Teil über das Abenteuerschreiben<br />
wirkte doch sehr wie zum Selbstzweck<br />
und war viel zu lang. Und die hohe Anzahl<br />
an Abenteuern ist auch nicht für alle der<br />
Volltreffer. Aber was soll man meckern, wenn<br />
da eine Hand voll Leute sich in ihrer Freizeit<br />
hinsetzen und uns allen ein solch geniales Magazin<br />
hinlegen, hinter dem sich einige professionelle<br />
Magazine verstecken sollten? Eben: gar<br />
nichts… ;-) •<br />
Sankrobal<br />
Ausgabe 94 – Teil 5<br />
Jetzt mal ganz ehrlich: wie hat die deutsche<br />
Rollenspielszene das eigentlich zwei Jahre lang<br />
ohne Euch ausgehalten? Wie konnten wir nur<br />
ohne diese Mischung aus Abenteuern und Artikeln,<br />
Comics und Zeichnungen, Professionalität<br />
und Fandom auskommen? Selbst wer mit<br />
all dem nichts anfangen kann („Ich spiele ungern<br />
fertige Abenteuer…“, „Ich weiß schon alles<br />
über das Spielleitern…“, „Comics finde ich<br />
öde…“, „Manche Zeichnungen sind ja nicht so<br />
dolle…“, „Viel zu gutes Layout, das ist ja kein<br />
Fanzine mehr…“ usw.), der muss doch zumindest<br />
eines sehen: welchen enormen Schub die<br />
KONTAKT<br />
D. Kufner – dragonlady@dragonwood.de<br />
T. Looschelders – tobias@schwertklinge.de<br />
A. Hartung – www.spherechild.de<br />
I. Schulze – www.greifenklaue.de<br />
J. Lange – JLange@OrbisArcanum.de<br />
T. Hagler – webtommi@gmx.de<br />
T. Heinig – tommy@anduin.de<br />
<strong>Anduin</strong> der Rollenspielszene gibt. Ein Hobby,<br />
für das sich Leute in ihrer Freizeit so einsetzen<br />
ohne Bezahlung und ohne Anerkennung (sonst<br />
wäre die <strong>Anduin</strong> wahrscheinlich nie eingestellt<br />
worden), das kann nicht am Ende sein. Das<br />
lebt und das wächst und das ist es wert, weiter<br />
betrieben zu werden! Ich werde allen meinen<br />
Bekannten von der <strong>Anduin</strong> erzählen, damit ihr<br />
weitermacht. •<br />
Uwe<br />
Pericula Subire<br />
Ich habe ein Abenteuer, das aber etwas länger<br />
ist, nämlich ungefähr 100 Seiten. Ich würde<br />
das gerne veröffentlichen, denke aber, dass es<br />
zu lang ist für die <strong>Anduin</strong>. Jetzt habe ich gesehen,<br />
dass es auch noch das Magazin Pericula<br />
Subire gibt, in dem längere Abenteuer publiziert<br />
werden. Darf ich Euch mein Abenteuer<br />
schicken und veröffentlicht ihr das dann?<br />
Raundair<br />
Am liebsten ist es uns, wenn für lange<br />
Abenteuer zunächst eine Zusammenfassung<br />
geschickt wird, die so ein bis zwei Seiten lang<br />
ist. Neben einer Übersicht über die Handlung<br />
sollte auch kurz auf die Stimmung und eventuelle<br />
Besonderheiten – und natürlich auf<br />
das System eingegangen werden. Halten wir<br />
das Abenteuer nach einer Prüfung dieser Zusammenfassung<br />
für geeignet, so steht einer<br />
Veröffentlichung in der <strong>Anduin</strong> oder der Pericula<br />
Subire nichts mehr im Weg. •<br />
Lovarian Adventures<br />
Erstmal Gratulation zum Neustart – geniale<br />
Ausgabe habt Ihr da mit der Nummer 94 abgeliefert!<br />
Aber ich habe mal eine Frage. In den<br />
älteren <strong>Anduin</strong>s gab es mehrere Comicserien,<br />
eine davon war Lovarian Adventures. Werdet<br />
Ihr die irgendwann mal weiterführen?<br />
Thorsten<br />
Wir haben nicht vor, den Comic in der <strong>Anduin</strong><br />
weiterzuführen. Es gibt ihn aber weiterhin<br />
im Netz (siehe Seite 52). •<br />
Mai 2008<br />
Seite 3
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
Sommernachtstraum<br />
EIN ABENTEUER FÜR ARTESIA<br />
TEXT: MARCO BARRETO-BITTNER<br />
ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />
Vorwort<br />
Unsere Geschichte spielt in den Mittleren<br />
Königreichen, dem Schauplatz der ARTESIA<br />
Comics und des gleichnamigen Rollenspiels<br />
von Mark Smylie. Es ist geeignet für alle<br />
Gruppen, vorzugsweise gemischten, die sowohl<br />
über kampforientierte Charaktere, als<br />
auch Mystiker verfügen. Perfekt passt die<br />
Geschichte direkt im Anschluss an das Einführungsabenteuer<br />
aus dem Grundregelwerk.<br />
Wir beginnen in Erid Dania am Rande des<br />
Erid Wold, in dem kleinen Ort Chysauster.<br />
Ansonsten lässt sich das Abenteuer auch irgendwo<br />
in eine Reise einbauen. Erid Dania ist<br />
eine Region gemäßigten Klimas, mit vielen<br />
weiten Ebenen und großen Mischwäldern im<br />
Norden.<br />
Der Erid Wold ist ein solcher Wald – groß<br />
und finster. Seit vielen Jahrhunderten begegnet<br />
man in diesem Wald mehr Geistern und<br />
Fabelwesen als anderswo in den Mittleren<br />
Königreichen, was an einer schrecklichen<br />
Geschichte aus dem Goldenen Zeitalter liegt.<br />
Um diese Geschichte und einen Schatten aus<br />
dieser Zeit, geht es im folgenden Abenteuer.<br />
Eine zentrale Rolle spielt der Konflikt zweier<br />
Religionen. Das alte Pantheon der göttlichen<br />
Familie auf der einen Seite und der Heilige<br />
König auf der anderen. Spielleiter, die mit<br />
der Mythologie von ARTESIA nicht vertraut<br />
sind, können sich an der Christianisierung im<br />
frühen Mittelalter orientieren.<br />
Zur Vorbereitung empfehle ich das Kapitel:<br />
„The Spring Queen & The golden realm of<br />
An-Athair“ aus dem Grundregelwerk.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Geschichte dreht sich um die mythischen<br />
Erzählungen der Frühlingskönigin<br />
und dem goldenen Zeitalter der Wälder von<br />
Erid Wold. Die Charaktere werden mit einem<br />
Geist aus dieser Zeit konfrontiert und haben<br />
die Chance einen Rückblick in die Geschichte<br />
zu werfen. Sie werden Teil einer Tragödie einer<br />
längst vergangenen Zeit.<br />
Fulric, ein Jäger, ist ein Anhänger des alten<br />
Glaubens. Er liebt Sylvia, die Frau des Schreiners<br />
und trifft sich mit ihr im Wald. Bei einem<br />
dieser Treffen werden sie beinahe von Sylvias<br />
Mann entdeckt und fliehen in Ihrer Not in ein<br />
altes Hügelgrab.<br />
Mit einem Stoßgebet an seine Göttin erweckt<br />
Fulric unwissentlich den Geist eines<br />
Priesters, der vor Jahrhunderten in diesem<br />
Teil der Welt gelebt hat.<br />
In dieser alten Zeit waren die Wälder von<br />
Erid Wold ein wunderbarer Ort an dem die<br />
Menschen in Harmonie mit der Natur lebten.<br />
Die Frühlingsköniginnen, Priesterinnen aus<br />
dem versunkenen Ürüne Düre (vergleichbar<br />
mit Atlantis), wachten über diesen Ort und<br />
ihre Krieger bewachen die Wälder und alle<br />
Bewohner darin. Dann kamen die Aurianer,<br />
ein wildes Volk aus dem Norden, mit Ihren<br />
Langschiffen über das Meer und lernten vom<br />
Gehörnten, dem Verräter an den Göttern, die<br />
dunkle Magie mit der sie das Paradies zerstörten.<br />
Sie schmiedeten Äxte und fällten die<br />
Seite 4<br />
Abenteuer
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Bäume. Sie verbrannten das<br />
goldene Reich und erschlugen<br />
die letzte Königin.<br />
Diese Geschichte scheint<br />
sich für den Geist des Priesters<br />
aus dieser Zeit zu wiederholen.<br />
Der Ritter des Ortes,<br />
Ser Galwyn, bessert sein<br />
Auskommen mit dem Verkauf<br />
von Holz auf, das er in den<br />
Wäldern schlagen lässt. Damit<br />
verstößt er unwissentlich<br />
gegen ein uraltes Gesetzt und<br />
bringt den Fluch des Priesters<br />
über sich und das Dorf.<br />
Die Charaktere betreten in<br />
dem Moment die Bühne, in<br />
dem die Dorfbewohner auf<br />
Geisterjagd ziehen. Nach einer<br />
ersten Konfrontation mit<br />
den Geisterwesen des Waldes<br />
begeben sich die Charaktere<br />
auf Spurensuche in die Vergangenheit.<br />
Neben Begegnungen<br />
mit Geistern, Hexen,<br />
schrulligen Dorfbewohnern<br />
und Priestern des Sonnenhofes<br />
sind sie bestens vorbereitet einen zweiten<br />
Anlauf zu nehmen.<br />
Tatsächlich finden die Charaktere die arme<br />
Sylvia und das verlassene Hügelgrab. Sieht<br />
es zunächst so aus als könnten sie die arme<br />
Frau retten und den bösen Geist aus dem<br />
Grab vertreiben, so haben sie doch nicht mit<br />
den Besonderheiten der Anderswelt gerechnet.<br />
Zeit spielt in der Anderswelt eine andere<br />
Rolle als auf unserer Seite der Schwelle und<br />
Geister sind in diesem Wald nicht so leicht zu<br />
vertreiben wie anderswo.<br />
Ob alle Mitglieder der Gruppe dieses Abenteuer<br />
bei klarem Verstand überstehen und<br />
ob es ein Happy End zwischen Fulric und Sylvia<br />
gibt, das liegt im Ermessen der Gruppe.<br />
Dass sie eine Nacht erleben, die sie so schnell<br />
nicht vergessen werden, das liegt in Euren<br />
Händen, verehrter Spielleiter.<br />
Kapitel 1<br />
Geisterjagt<br />
Der Mob<br />
am Waldrand<br />
Die Charaktere reiten einen schlammigen<br />
Waldweg entlang. Es regnet und Nebel liegt<br />
über den Feldern. Die Strasse wird von gefällte<br />
Baumstämmen gesäumt und die Felder<br />
sehen verkommen aus. In der Ferne erklingt<br />
ein Donnergrollen.<br />
Abenteuer<br />
Plötzlich trägt der Wind das wilde Gebell<br />
von Hunden heran. Eine kleine Gruppe flackernder<br />
Lichter taucht zwischen den Bäumen<br />
auf und nähert sich der Gruppe.<br />
Voran reitet Ser Galwyn, Sohn des Dyrek,<br />
Ritter von Chysauster. Galwyn ist ein<br />
dicklicher Mann, mit grauen Schläfen und<br />
prächtigem Doppelkinn. Zusammen mit seinem<br />
Schnauzbart und den kleinen Äuglein<br />
erscheint er eher wie eine feiste Bulldogge<br />
denn einem Ritter.<br />
„He da! Gebt Euch zu erkennen oder die<br />
Hunde reißen Euch in Stücke!“<br />
Die Bauern sammeln sich vor den Charakteren.<br />
Da ist außer Ser Galwyn noch:<br />
• Arraca, Tochter des Ser Galwyn. Sie ist<br />
erst 14 Jahre jung, aber in ihrem Blick erkennt<br />
man ihre fürstlichen Ahnen. Sie ist<br />
zierlich und trägt goldene Zöpfe, die von<br />
den Zweigen zerzaust und verdreckt<br />
sind.<br />
• Naeras Gower, der Dorfpriester des Sonnenhofes.<br />
Er ist ein untersetzter Mann<br />
Mitte dreißig mit goldenem Haar und<br />
einer Tonsur. Er ist in eine einfache Kutte<br />
gehüllt, trägt den Stab des Sonnenkönigs<br />
und sein Gesicht zeigt unverholen<br />
Angst.<br />
• Oswin Theowain, der Holzfäller. Er ist<br />
groß gewachsen, blond, wie für einen<br />
Aurianer typisch und sehr aufbrausend.<br />
• Malcom, Sohn des Corlien, der Schmied.<br />
Ein dunkler Typ mit mächtigen, behaarten<br />
Armen und Vollbart. Bewaffnet mit<br />
einem schweren Hammer und in eine<br />
improvisierte Lederrüstung gehüllt.<br />
• Umasza, Sohn des Yerwin, ein junger<br />
Bursche, der seinen Lebensunterhalt als<br />
Holzfäller verdingt. Bewaffnet ist mit<br />
einer Axt, doch sein Gesicht lässt eine<br />
gewisse Entschlossenheit vermissen.<br />
Wenn sich die Charaktere einigermaßen<br />
zu benehmen wissen, lässt sie Ser Galwyn<br />
ziehen. Er hat in dieser Nacht ganz andere<br />
Sorgen als ein paar herumstreunende Abenteurer.<br />
Wenn Sie fragen oder gar ihre Hilfe<br />
anbieten bekommen Sie eine erstaunliche<br />
Geschichte präsentiert.<br />
Die Geschichte<br />
der Bauern<br />
Seit einigen Tagen geht ein Geist in dieser<br />
Gegend um. Er hat sich bereits Fulric, den Jäger<br />
und Sylvia, die Frau des Tischlers, geholt.<br />
Vor ein paar Stunden hat der brave Ulin, der<br />
Bursche des Müllers, den Geist am Waldrand<br />
gesehen.<br />
„Er ist größer als jeder Mensch und trägt<br />
das Geweih eines mächtigen Hirsches auf<br />
dem Kopf. Sein zottiges Fell ist mit dem<br />
Nebel versponnen aus dem er aufsteigt und<br />
in seinen Klauen hält er einen grauenhaften<br />
Stab, auf den er die Schädel seiner Opfer<br />
spießt.“<br />
Natürlich entspricht das nicht ganz der<br />
Wahrheit, aber es gibt gut wieder, welche<br />
Angst die Bauern haben. Ser Galwyn macht<br />
Seite 5
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
noch einen gefassten Eindruck, aber auch<br />
Ihm sieht man an, dass er nicht oft in dem<br />
Kampf reitet.<br />
Die Spieler können nun selbst entscheiden,<br />
ob Sie die Gruppe in den Wald begleiten,<br />
oder ob sie weiter nach Chysauster ziehen<br />
und dort in der Herberge Trüffelschwein (siehe<br />
Kapitel „Gasthaus Trüffelschwein“) übernachten.<br />
Geister<br />
im Wald<br />
Die Gruppe betritt den Wald. Im moosigen<br />
Untergrund hinterlassen sie tiefe Spuren in<br />
denen das Wasser stehen bleibt. Nebelfetzen<br />
hängen im dichten Unterholz, die knorrigen<br />
Bäume stehen immer dichter zusammen. Der<br />
Wind rauscht in den Blättern, und der Blitz<br />
wirft bizarre Schatten.<br />
Der Spielleiter hat in dieser Szene die<br />
Chance, magiebegabten Charakteren oder<br />
solchen, die über das dritte Auge verfügen,<br />
einen Vorgeschmack zu geben, was auf sie<br />
zukommen wird. Gleichzeitig ist die Szene<br />
bestens geeignet eine drückende und tragische<br />
Atmosphäre aufzubauen.<br />
Die Geschichte<br />
von Erid Wold<br />
Die Wälder von Erid Wold sind alt, sehr alt<br />
und die Schwelle zur Anderswelt ist hier näher.<br />
Seit der Gehörnte die Aurianer verführte<br />
und mit seiner Dunklen List Krieg und Zerstörung<br />
über das Land brachte, gehen die<br />
Geister der Verratenen und Toten im Wald<br />
um. Charaktere mit dem Gift Second Sight haben<br />
die Chance die Geister an diesem Ort zu<br />
sehen. Erinnerungen an längst vergangene<br />
Zeiten.<br />
Seite 6<br />
OFFTOPIC<br />
Der Ruf<br />
Schickes Layout, etliche Abenteuer<br />
und Artikel, kostenlos, im PDF Format<br />
– klingt nach der <strong>Anduin</strong>? Falsch<br />
gelegen!<br />
Die Rede ist hier<br />
nämlich von dem<br />
Fanzine für düsteres<br />
Rollenspiel Der<br />
Ruf. Wer was für die<br />
dunkleren Seiten<br />
des Rollenspiels<br />
übrig hat und die<br />
<strong>Anduin</strong> mag, der wird den Ruf lieben.<br />
Unbedingt hinsurfen, runterladen und<br />
genießen! •<br />
URL: www.der-ruf.de<br />
Krieger mit bronzenen Rüstungen verstellen<br />
Euch den Weg. Wundersame Frauen<br />
arbeiten im Hintergrund, sie pflegen die<br />
Bäume und singen zur Musik der Vögel.<br />
Zwischen ihnen bringt ein Mann mit Hirschmaske<br />
Opfer dar. Golden scheint die Sonne<br />
zwischen den Blättern hindurch.<br />
Plötzlich schlägt das Licht um. Wo Licht war<br />
ist nun Dunkelheit. Wie auf einem Negativ<br />
werden die Frauen zu grellen, weißen<br />
Gestalten. Die Krieger liegen erschlagen am<br />
Boden, ihre Augen weit aufgerissen und<br />
ihre Körper mit klaffenden Wunden geschlagen.<br />
Gehörnte Wilde fallen über die Frauen<br />
her, zerreißen Ihre Kleider, würgen sie und<br />
ertränken sie schließlich im Fluss.<br />
„Geht fort! Flieht! … Dies ist nicht Euer<br />
Kampf. … Der Hüter ist zurückgekehrt. Er<br />
wird Euch bestrafen. …“<br />
„So traurig… Die Königin des Frühlings…<br />
so traurig.“<br />
Charaktere mit guten Kenntnissen in Geschichte<br />
sollten eine Chance haben diese<br />
Bilder zu verstehen. Je besser das erreichte<br />
Ergebnis, desto mehr Details erfahren die<br />
Charaktere aus der Geschichte (siehe: „The<br />
Spring Queen & The golden realm of An-<br />
Athair“).<br />
Tief im<br />
Unterholz<br />
Plötzlich ragt ein Schatten vor der Gruppe<br />
auf. Vor dem silbernen Licht des Mondes,<br />
umflochten von den Gespinsten des Nebels<br />
wirkt er übergroß. Ein mächtiges Geweih<br />
scheint aus seinem Totenschädel zu ragen<br />
und in seiner Rechten hält er einen Stab. Für<br />
zwei Herzschläge herrscht Stille, dann bricht<br />
das Chaos los.<br />
Die Helden haben noch die Chance ihre<br />
Initiative zu ermitteln. Bei 11 stürmen kleine<br />
und große Wesen aus dem Wald. Tiere, die<br />
von schrecklichen Geistern besessen sind.<br />
Hirsche, Wildschweine und sogar Hasen, verwandelt<br />
in unheimliche Chimären mit Klauen,<br />
Hörnern und langen Reißzähnen. Unter ihnen<br />
zwei Hünen, einer mit Bären- und der andere<br />
mit Wolfskopf. Beim Anblick dieser bizarren<br />
Schar wenden sich die ersten Dörfler zur wilden<br />
Flucht. Ser Galwyn und der Priester leisten<br />
zunächst Widerstand, doch schon nach<br />
wenigen Kampfrunden gehen sie verwundet<br />
zu Boden.<br />
Die Charaktere sehen sich einer Übermacht<br />
entgegen. Ihr, verehrter Spielleiter, solltet die<br />
Gruppe so stark machen, dass die Charaktere<br />
auch mit viel Glück keine Chance haben. Sie<br />
können nun bis zur Bewusstlosigkeit kämpfen<br />
oder aufgeben. In jedem Fall werden die<br />
Kreaturen nie mit voller Wucht zuschlagen,<br />
so, als wollten sie ihre Gegner nicht ernsthaft<br />
verletzten (ein Charakter mit Tactics kann das<br />
eventuell feststellen). Ob sie aufgeben oder<br />
irgendwann bewusstlos zu Boden gehen<br />
spielt keine Rolle. Die Charaktere sollten sich<br />
irgendwann im Morgengrauen leicht verletzt<br />
am Waldrand wieder finden.<br />
Kapitel 2<br />
Das Dorf<br />
Gasthaus<br />
Trüffelschwein<br />
Schon früh am morgen erwacht das Dorf<br />
aus einem unruhigen Schlaf. Die letzten Nebelfetzen<br />
werden schnell von der Morgensonne<br />
vertrieben und eine wohlige Wärme<br />
macht sich breit. Die Männer versammeln<br />
sich im Gasthaus. Wenn die Charaktere nicht<br />
mit im Wald waren, werden sie durch hitzige<br />
Diskussionen aus dem Schlaf gerissen.<br />
„Ich geh da nicht mehr raus! Ich bin doch<br />
nicht verrückt!“<br />
„Und was machen wir sonst? Ich hab<br />
schließlich eine Familie zu ernähren!“<br />
„Soll Ser Galwyn doch gehen. Schließlich<br />
hat er uns den Dreck doch eingebrockt!“<br />
„Lasst uns Hethis befragen. Die kennt sich<br />
doch mit so was aus.“<br />
„Hethis? Die alte Hexe? Dafür wird Dich<br />
Nearas aufknüpfen.“<br />
Die Diskussion verstummt, sobald die Fremden<br />
den Raum betreten oder irgendwie auf<br />
sich aufmerksam machen. Besonders natürlich,<br />
wenn sich jemand von Stand in der Gruppe<br />
befindet. Das Dorf steckt offensichtlich in<br />
der Klemme. In den letzten Monaten wurde<br />
die Arbeit auf dem Feld vernachlässigt, weil<br />
das Geschäft mit dem Holz mehr einbrachte.<br />
Wenn sie nun nicht mehr in den Wald gehen,<br />
wird es für den Winter nicht reichen und um<br />
noch die Ernte ein zu holen ist es längst zu<br />
spät. Viele müssten das Dorf wohl verlassen<br />
und als Tagelöhner nach Westmark ziehen,<br />
in die nächste Stadt. Natürlich bittet man die<br />
Charaktere um Hilfe. Wenn der Geist nicht<br />
vertrieben wird, so ist das Dorf verloren.<br />
Geschichten<br />
im Dorf<br />
Im Dorf gehen verschiedene Geschichten<br />
um. Aus jeder können die Charaktere ihre<br />
eigenen Schlüsse ziehen. Es können sich gar<br />
einige Sub-Plots daraus entwickelt, die wir an<br />
dieser Stelle jedoch nicht weiter verfolgen.<br />
Die Spieler sollten nach Herzenslust Erkundigungen<br />
anstellen. Je nach dem mit wem sich<br />
Abenteuer
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
die Charaktere im Dorf unterhalten, bekommen<br />
Sie Informationen auf unterschiedliche<br />
Weise präsentiert.<br />
Die alten Götter<br />
Die Spannung zwischen den alten Göttern<br />
und dem Sonnenhof spiegeln sich in der<br />
Dorfbevölkerung wider. Der Sonnenhof wird<br />
vertreten durch Naeras Gower, dem höchst<br />
motivierten Dorfpriester aus Auria. Ihm folgt<br />
auch Ser Galwyn, wenn auch nur sehr missmutig.<br />
Die Rituale der alten Götter werden noch<br />
von vielen Dorfbewohnern befolgt. Eine<br />
Hexe, die alte Hethis, lebt im Wald. Zu ihr<br />
kann man gehen wenn man Rat braucht und<br />
die alten Riten abhalten will.<br />
Das geheime Paar<br />
Jeder weiß eigentlich, dass der Jäger Fulric<br />
und Sylvia, die Frau des Tischlers, etwas<br />
Abenteuer<br />
miteinander hatten, aber ihrem Mann gegenüber<br />
halten sich natürlich alle zurück. Schon<br />
nach einer kleinen Andeutung gab es eine<br />
wilde Schlägerei in der Taverne, seither ist<br />
das Thema in der Öffentlichkeit eher Tabu.<br />
Hinter vorgehaltener Hand dagegen… Viele<br />
zerreißen sich heimlich das Maul darüber.<br />
Sylvia ist allgemein sehr beliebt im Dorf, Man<br />
erzählt sich, dass sie von Ihrem Vater mit<br />
dem Tischler verheiratet wurde. Es soll wohl<br />
um Schulden gegangen sein, aber genaues<br />
weiß keiner.<br />
Der unbeliebte Ritter<br />
Die Dorfbewohner geben Ser Galwyn die<br />
Schuld für den Fluch. Alte Geschichten erzählen<br />
von den Aurianern, die vor vielen Jahrhunderten<br />
über das Land kamen und die goldenen<br />
Wälder der Frühlingskönigin zerstörten.<br />
Nun kommt wieder ein Ritter aus Auria her,<br />
bringt seinen Pfaffen mit und weckt den Zorn<br />
der alten Götter. Das sagt ihm natürlich keiner<br />
ins Gesicht und das Geld, das der Holzhandel<br />
einbringt, nehmen alle gern.<br />
Der Wald und<br />
die Anderswelt<br />
Im Wald gibt es geheime Wege. Wer sie<br />
kennt, der kann sich durch die Anderswelt<br />
bewegen und geheime Orte finden. Das ist<br />
aber nicht ganz ungefährlich. Die Zeit vergeht<br />
anders an diesen Orten und auf diesen<br />
Wegen. Bleibt man zu lange, vergeht das<br />
ganze Leben wie ein Traum und die eigene<br />
Familie ist tot.<br />
Will man die Wege finden, sollte man nach<br />
alten Steinen Ausschau halten. Sie sind mit<br />
magischen Zeichen beschrieben und finden<br />
sich oft in der Nähe riesiger Baumstümpfe.<br />
Hier wird ein Teil der Geschichte des Gehörnten<br />
verarbeitet. Er lehrte den Aurianern<br />
einen Zauber, mit denen Sie die Krieger Ürüne<br />
Dürés besiegen konnten. Noch heute können<br />
sich Eingeweihte – wie Hethis – auf den<br />
geheimen Pfaden unnatürlich schnell bewegen.<br />
Der Schatz<br />
der Frühlingskönigin<br />
Es geht das Gerücht um, im Wald seien<br />
noch mächtige Artefakte aus Ürüne Düré<br />
verborgen. Die Priester der Frühlingsköniginnen<br />
hätten sie mit in ihre Gräber genommen.<br />
Leider ist noch keiner aus der Anderswert zurückgekehrt<br />
um davon zu berichten.<br />
Die heiligen Bäume<br />
Viele Dorfbewohner glauben, dass die<br />
Holzfäller einen der heiligen Bäume gefällt<br />
haben. Diese Bäume stehen im Erid Wold seit<br />
dem Anbeginn der Zeit. Sie sind seine Wächter.<br />
Wenn der letzte dieser Bäume stirbt,<br />
dann endet der Erid Wold und alles was in<br />
ihm lebt.<br />
Einer der Bäume stützt das Hügelgrab des<br />
Priesters. Wenn Magie einen wichtigen Stellenwert<br />
in der Kampagne der Gruppe einnimmt,<br />
dann lassen sich von diesen Bäumen<br />
alte Geheimnisse erfahren und interessante<br />
Erkenntnisse gewinnen.<br />
Kapitel 3<br />
Personen<br />
Ser Galwyn,<br />
der Ritter des Ortes<br />
Der Ritter ist eine Hauptperson in dieser<br />
Geschichte. Je nach dem von welcher Seite<br />
die Spieler und/oder die Charaktere den<br />
Fall betrachten, ist er für die missliche Lage<br />
Seite 7
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
Seite 8<br />
seines Dorfes verantwortlich. Der Spielleiter<br />
sollte sich also etwas Mühe machen Ser<br />
Galwyn zu beschreiben, ihn immer wieder<br />
auftauchen zu lassen und Raum für Interaktion<br />
und Konflikte zu bieten.<br />
Ser Galwyn ist eher ein Ritter der traurigen<br />
Gestallt. Seine Augen wirken stumpf und<br />
müde und sein Bauch lässt erkennen, dass er<br />
seit Jahren an keinem Turnier oder ernsten<br />
Kampf mehr teilgenommen hat.<br />
In Gesellschaft trägt er ein Sonnenamulett,<br />
doch eigentlich ist Ihm der Glaube egal. Er<br />
sieht derlei Dinge eher pragmatisch. „Wess<br />
Brot ich ess, dess Lied ich sing!“ So könnte<br />
man seine Philosophie zusammenfassen. Seinen<br />
Berater, Naeras Gower, hat er von Prinz<br />
Fionne von Hagenwall, seinem Lehnsherren,<br />
„empfohlen“ bekommen, so verbindet ihn<br />
nicht mal zu diesem ein herzliches Verhältnis.<br />
Allein seine Tochter, Arraca ist der Sonnenschein<br />
seines Lebens und gerade die hat sich<br />
in den letzten Wochen zunehmend von ihm<br />
abgewandt.<br />
Über die Jahre ist er zunehmend frustriert<br />
und von seinem Leben enttäuscht. Politisch<br />
ist er in Chysauster isoliert. Seine beiden Söhne,<br />
Gail und Arbier, sind absolute Nichtsnutze.<br />
Sie werden sein Lehen ruinieren, sollten<br />
sie ihn einmal beerben und wenn er nicht ab<br />
und zu selbst Hand anlegt, wie ein gewöhnlicher<br />
Bauer, dann könnte er nicht mal Haus<br />
und Hof erhalten, wie es seinem Stand würdig<br />
ist.<br />
Ser Galwyn spricht nur mit den Charakteren<br />
wenn Sie zumindest einen ordentlichen<br />
Beruf gelernt haben oder gar einen Titel besitzen.<br />
Ansonsten kann nur eine sehr gute<br />
Lösung für „sein Problem“ die Tür zu seinem<br />
Haus öffnen ohne dass er die Hunde auf die<br />
Charaktere hetzt.<br />
Von Galwyn erfahren die Charaktere viel<br />
über die „undankbare Gegend“. Das Land<br />
rund um das Dorf ist zur Landwirtschaft<br />
wenig geeignet. Der feuchte Boden wirft<br />
nicht viel Ertrag ab. Er würde seiner Tochter<br />
– „meinem einzigen Sonnenschein in dieser<br />
Gegend“ – gerne eine Ausbildung an der Universität<br />
von Newgate bezahlen, aber ohne<br />
die Einkünfte aus dem Holzhandel kann er<br />
das nicht.<br />
Galwyn glaubt, dass Hethis, die Hexe, hinter<br />
all dem steckt. Sie hasst ihn dafür, dass er<br />
die Bäume im Wald schlagen lässt. Nun hat<br />
sie auch das Dorf gegen ihn aufgebracht und<br />
er befürchtet, dass bald erstes Blut fließen<br />
wird, aber es wird nicht seines sein.<br />
Ser Galwyns Haus<br />
Es liegt etwas abseits des Dorfes, auf einer<br />
kleinen Insel im See. Es ist das einzige Haus in<br />
ganz Chysauster, das aus Stein erbaut wurde.<br />
Leider keine besonders gute Idee, da es mittlerweile<br />
beginnt im feuchten Untergrund zu<br />
versinken. Risse ziehen sich die Wände entlang<br />
und auch das Dach hat die besten Tage<br />
schon hinter sich.<br />
ARraca,<br />
die Tochter des Ritters<br />
Arraca, die Tochter des Ritters, wirkt für<br />
ihre 14 Jahre bereits sehr reif und erwachsen.<br />
Ihr strohblondes Haar ist meist zu einem langen<br />
Zopf gebunden und Sie trägt pragmatische,<br />
feste Kleidung aus Leder und derben<br />
Stoffen. Ihr Benehmen ist stets ein wenig<br />
burschikos und Fremden gegenüber gibt Sie<br />
sich oft abweisend und provokativ.<br />
Im Grunde ist Arraca frustriert. Ihre Brüder<br />
sind faule Dummköpfe und sie wird als Frau<br />
wohl verdammt sein einen ebenso schwachsinnigen<br />
aurischen Ritter zu heiraten. Für<br />
ein Studium fehlt ihrem Vater das Geld und<br />
eine Ausbildung an der Waffe kommt in Ihrer<br />
Familie nicht in Frage. Oft hat sie darüber<br />
nachgedacht das Dorf einfach zu verlassen.<br />
Vielleicht mit einer Gruppe von Abenteurern?<br />
Vielleicht als Knappe? Nun ja, bisher hat sich<br />
keine Gelegenheit ergeben und das Dorf kann<br />
sie auch schlecht im Stich lassen. Schließlich<br />
fühlt sie sich den Bewohnern verpflichtet.<br />
Manchmal, wenn sie im Wald unterwegs<br />
ist und ihren Gedanken nachgeht, geschehen<br />
seltsame Dinge. Mal hat sie den Eindruck die<br />
Tiere reden zu Ihr. Mal sieht sie seltsame Erscheinungen<br />
zwischen den Bäumen. Bisher<br />
hat sie nur mit Sylvia darüber gesprochen.<br />
Arraca besitzt das dritte Auge und bringt<br />
hervorragende Veranlagungen für die arcanen<br />
Künste mit.<br />
Abenteuer
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Naeras Gower,<br />
der Dorfpriester<br />
Naeras sieht bei Licht betrachtet nicht<br />
mehr so ängstlich aus wie bei Nebel im Wald.<br />
Seine Augen funkeln trotzig, als hätte er sich<br />
seine gestrige Panik sehr zu Herzen genommen<br />
(siehe Kapitel „Der Mob am Waldrand“).<br />
Er hat heute seine festliche Kutte mit dem<br />
goldenen Sonnensymbol gewählt und sein<br />
blondes Haar funkelt in der Morgensonne.<br />
Naeras ist ein aufrichtiger Mann. Seit er ein<br />
kleiner Junge von 12 Jahren war und zum ersten<br />
mal die mächtigen Tempel des Sonnenhofes<br />
in Heliopolis sah, wusste er, was seine<br />
Bestimmung sein würde. Seit diesem Tag<br />
sind viele Jahre vergangen. Er hat das Licht<br />
des göttlichen Königs in die Welt getragen,<br />
an jeden Ort, an den seine Kirche ihn rief.<br />
Zuletzt an den Hof des Kronprinzen von Erid<br />
Dania, Hektor Thurias.<br />
Zunächst war er glücklich über die Gelegenheit<br />
direkt am königlichen Hofe wirken<br />
zu können, doch schon bald stellte sich heraus,<br />
dass Politik und Intrige bei Hofe einen<br />
höheren Stellenwert hat als der Glaube. Sein<br />
Fehler war es schließlich, das Herz des Kronprinzen<br />
zu gewinnen. Die Lehre des heiligen<br />
Königs war etwas, das selbst der Kronprinz<br />
mit seinem einfachen Verstand als Wahrheit<br />
erkannte und in seiner Einfältigkeit hatte er<br />
in Naeras einen Mann gefunden, der aufrichtig<br />
war und der nicht danach trachtete ihn<br />
auszunutzen.<br />
Schließlich strafte man Naeras, um Hektor<br />
zu treffen. Eines schönen Morgens zerrte<br />
man Naeras aus seinem Bett, zog ihm einen<br />
Sack über den Kopf und ließ ihn in den Kerker<br />
werfen. Er weiß bis heute nicht den Grund dafür.<br />
Ein Gesandter des heiligen Hofes sprach<br />
einige Wochen später zu ihm. Sie würden ihn<br />
laufen lassen und ihm wieder eine Gemeinde<br />
zuweisen. Wenn er es aber wagen sollte an<br />
den Hof des Königs zurück zu kehren, so warte<br />
der Tod auf ihn.<br />
Die Geschichte ist nun einige Jahre her.<br />
Seit er Ser Galwyn als Berater zugeteilt wurde<br />
hat Naeras alle Hoffnung aufgegeben jemals<br />
etwas Bedeutendes in seinem Leben zu<br />
bewirken. Die Seelen der Bauern zu retten<br />
und gegen Aberglauben und Hexen zu kämpfen,<br />
das ist nicht, was er sich in Heliopolis geschworen<br />
hat.<br />
In den letzten Tagen ist so etwas wie Ehrgeiz<br />
in ihm aufgeflammt. Endlich hat er die<br />
Chance sich zu beweisen, sich und den anderen<br />
zu zeigen, was in ihm steckt. Im Gespräch<br />
mit den Charakteren wird er darauf drängen<br />
den Geist gemeinsam zu bekämpfen.<br />
Er kennt da einen Segen der Sonnenhofes<br />
Abenteuer<br />
(Death Rite), der, mit etwas Unterstützung<br />
der Helden, den Geist vertreiben könnte.<br />
Diesen Vorschlag macht er natürlich besonders<br />
dann, wenn sich ein Priester oder ein<br />
sehr gläubiger Ritter unter den Charakteren<br />
befindet.<br />
Naeras Lösung<br />
Diese Lösung ist sicher der aggressivste<br />
Weg, aber wenn es den Charakteren gelingt<br />
mit Naeras zum Hügelgrab zu kommen und<br />
das Ritual zu beenden, so wird Fulric tatsächlich<br />
von dem Geist befreit, verliert darüber<br />
allerdings den Verstand.<br />
Leon, Sohn des Cerwyn,<br />
Tischler und Sylvias<br />
Mann<br />
Leon ist ein blonder Hüne ende dreißig. Er<br />
hat ein hässliches Gesicht, das von Pockennarben<br />
gezeichnet ist und er trägt einen<br />
buschigen Schnurrbart. Seine Nase ist von<br />
feinen Adern durchzogen und rötlich geschwollen.<br />
Meist riecht er nach Alkohol und<br />
wirkt ungepflegt.<br />
Als Tischler hat Leon stark von dem Holzhandel<br />
profitiert. Seine Werkstatt hat er kürzlich<br />
neu ausgestattet und schuldet einigen<br />
Händlern in Westmark viel Geld dafür. Jetzt,<br />
wo kein Holz mehr geschlagen wird, steht er<br />
vor dem Aus. Seit nun auch noch seine Frau<br />
verschwunden ist, gibt es nichts mehr, was<br />
ihn von der Flasche weg bringt. Entsprechend<br />
lange brauchen die Charaktere um ihn<br />
zu wecken, wenn sie versuchen Informationen<br />
von Ihm zu erhalten.<br />
Befragt man Ihn zu der Nacht, in der seine<br />
Frau verschwunden ist, so wird er unsicher<br />
und druckst zunächst nur rum. Nach einiger<br />
Überzeugungsarbeit gesteht er ein seine Frau<br />
Seite 9
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
in den Wald verfolgt zu haben.<br />
Er ahnte, dass Sie ein<br />
Verhältnis hatte und wollte<br />
herausfinden wer ihm<br />
die Hörner aufsetzte. Tief<br />
im Wald, er hatte längst<br />
die Orientierung verloren,<br />
stand er plötzlich vor einem<br />
steinernen Eingang<br />
zu einem Erdhügel. Er hörte<br />
Stimmen und plötzlich<br />
einen Schrei.<br />
„Durch Mark und Bein<br />
ist mir das gegangen. Da<br />
hab ich es mit der Angst<br />
bekommen und bin<br />
weggerannt.“<br />
Leon vermutet, dass Sylvia<br />
in dieser Nacht starb<br />
und mit ihr jede Hoffnung<br />
auf Glück und eine Familie.<br />
Je später die Charaktere<br />
ihn befragen, desto<br />
Schlimmer wird sein Zustand<br />
sein. Eines Nachts,<br />
der Spielleiter sollte sich einen dramatischen<br />
Moment aussuchen, dreht er völlig durch und<br />
rennt volltrunken in den Wald. Sollten die<br />
Charaktere nicht zufällig zur Hilfe eilen, wird<br />
es das letzte sein, dass man von ihm sieht.<br />
Kapitel 4<br />
Der Wald<br />
Ich gehe davon aus, dass die Charaktere ihren<br />
nächsten Ausflug bei Tag unternehmen.<br />
Ansonsten werden sich die Szenen mit denen<br />
in der vergangenen Nacht gleichen, nur<br />
das die Wunden, die unsere Helden davon<br />
tragen, nicht mehr so harmlos sind, wie am<br />
Abend zuvor.<br />
Charaktere mit entsprechenden Begabungen<br />
finden im Wald viele alte Wege. Die<br />
Geister der Natur sind ungewöhnlich präsent<br />
hier.<br />
Die gefallene<br />
Königin<br />
Die Charaktere sind schon einige Zeit unterwegs,<br />
je nach Fähigkeiten mehr oder weniger<br />
Ziellos, als sie in der Ferne unterdrücktes<br />
Schluchzen hören.<br />
Hilfe aus der Zeit<br />
Plötzlich, ganz unvermittelt, streift die<br />
Charaktere ein warmer Hauch. Die Luft beginnt<br />
zu flimmern und die Umgebung verschwimmt.<br />
Charaktere mit Second Sight oder<br />
ähnlichen Fähigkeiten erkennen sofort, dass<br />
Seite 10<br />
sie auf der Schwelle zur Anderswelt stehen.<br />
Ein Schritt und sie haben diese Welt verlassen.<br />
Ein seltener Moment in dem sich Dimensionen<br />
zu begegnen scheinen. Wenn die<br />
Charaktere entkommen möchten, können<br />
sie das durch eine gelungene Geschicklichkeitsprobe<br />
schaffen. Das Tor zur Anderswelt<br />
schließt sich kurz vor Sonnenuntergang wieder.<br />
Bach im Wald –<br />
eine helle Lichtung<br />
Machen die Charaktere den Schritt in die<br />
Anderswelt, so betreten sie eine traumhafte<br />
Szene auf einer blumenbewachsenen Lichtung<br />
im Wald. Der Wald hat sich verändert.<br />
Er ist irgendwie leichter geworden. Durch<br />
die Baumkronen zieht sich golden das Licht<br />
der Sonne. Vögel singen in den Zweigen und<br />
Tiere spielen am Waldrand scheinbar ohne<br />
Scheu. Barfuß nähert sich ihnen eine wunderschöne<br />
Frau. In ein langes weißes Kleid<br />
gehüllt, einen goldenen Reif in den braunen<br />
Locken. Ihre Augen scheinen gütig und traurig<br />
zugleich.<br />
„Seit gegrüßt Fremde. Was führt Euch<br />
hierher, in meinen Traum?“<br />
Die Charaktere begegnen Iala, einer der<br />
letzten Frühjahrsköniginnen. Vor Jahrhunderten<br />
wurde sie in diesem Wald von Aurianern<br />
geschändet und im nahen Fluss ertränkt. Seit<br />
dem hat sich die Welt verändert und sie hat<br />
ihren Frieden mit den Menschen gemacht,<br />
hat ihnen vergeben.<br />
Heute sucht sie nur noch selten den Kontakt<br />
zu Sterblichen, doch in den letzten Tagen<br />
dringt neues Leid zu ihr und erfüllt ihr<br />
Herz mit Schwermut. Das Schicksal von Fulric<br />
und Sylvia hat sie berührt, vor allem, weil Fulric<br />
dem alten Weg folgt und ihrer Göttin, Adjia<br />
Luna, immer ein treuer Gefolgsmann war.<br />
Die beiden haben es in ihren Augen nicht verdient<br />
so zu leiden.<br />
So wird Sie den Charaktere einen Weg<br />
zeigen Fulric zu retten. Ihr Weg ist die Vergebung.<br />
Durch eine Probe versucht Sie den<br />
Charakteren die Augen zu öffnen:<br />
„Geht dort in diesen Hain und Ihr werdet<br />
einen Weg finden.“<br />
Die Probe<br />
Lassen sich die Charaktere auf die Probe<br />
ein und betreten den Hain, so sind sie plötzlich<br />
umgeben von einem diffusen Licht. Alles<br />
scheint ein wenig langsamer abzulaufen und<br />
Ihre Stimmen haben einen seltsamen Hall.<br />
Sie halten Äxte in den Händen und sind offenkundig<br />
mit dem fällen von Bäumen beschäftigt.<br />
Zwischen ihnen wandelt eine dunkle, unheimliche<br />
Gestalt umher die Flüche murmelt<br />
und schwarze Steine auf die Baumstümpfe<br />
legt…<br />
Diese Szene ist sehr abhängig von der<br />
Gruppe und der Spielleiter benötigt viel Fingerspitzengefühl<br />
um die Stimmung an dieser<br />
Stelle gut zu transportieren und an die eigenen<br />
Spieler anzupassen. Sinn ist es, bei den<br />
Spielern Verständnis für die Entwicklung dieses<br />
Ortes zu vermitteln und Ihnen Geschichten<br />
und Bilder zu geben, mit denen Sie den<br />
Abenteuer
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Geist in Fulric besänftigen können. Iala lässt<br />
die Charaktere an Ihren Gefühlen und ihrer<br />
Entwicklung teilhaben.<br />
Dabei beobachtet sie, wie sich die Charaktere<br />
verhalten. Die Szene sollte auf keinen<br />
Fall in einen Monolog des Spielleiters ausarten.<br />
Die Spieler sollten eingreifen können<br />
und auch dazu ermuntert werden. Wie in<br />
einem lebendigen Traum finden sie sich mal<br />
hier mal dort wieder.<br />
Sprechen mit Menschen, finden sich plötzlich<br />
in der Perspektive einer Liebenden oder<br />
eines Mörders wieder. Sie werden zu Priestern<br />
und zu Königen aber immer sollten Sie<br />
die Gelegenheit haben ihre Rolle auch zu<br />
spielen und sich zu beweisen.<br />
Nach jeder Szene wird den Charakteren<br />
kurz schwarz vor Augen und sie befinden<br />
sich in einer neuen Situation. Ich empfehle<br />
Situationen ohne wirklichen Ausweg. Situationen,<br />
in denen die Charaktere Entscheidungen<br />
treffen müssen. Zwischen Recht oder Gerechtigkeit,<br />
dem Glauben oder ihrem Leben.<br />
Situationen, in den sie also nicht „gewinnen“<br />
können, sondern in denen ihr Herz und ihr<br />
Charakter auf die Probe gestellt wird.<br />
Beispiele:<br />
• Eine Rotte wilder Männer, wie sie einige<br />
Bäume fällen und Steine auf die Baumstümpfe<br />
legen. Der dunkle Gehörnte<br />
bewegt sich zwischen ihnen. Er verführt<br />
mit Lust und Macht, sät Zwietracht und<br />
Hass. Die Spieler schlüpfen in die Rolle<br />
der Aurianer und fühlen die Gier, den<br />
Hass und die Angst vor dem dunklen<br />
Gott. Sie können sich dabei beobachten<br />
wie sie ein Dorf überfallen und alle<br />
Bewohner töten, auch die Frauen und<br />
Kinder. Werden sie sich dem Rausch<br />
hingeben, oder werden sie als Verräter<br />
von den eigenen Leuten erschlagen?<br />
• Das Blut der Unschuldigen erreicht die<br />
Küste, der Sand färbt sich rot. Xy, Gott<br />
des Meeres und der Aurianer sieht die<br />
Untaten seines Volkes und verstößt sie.<br />
Priester werfen sich in den Staub und<br />
verzweifeln. Panik macht sich breit. Bruder<br />
tötet Bruder und ein Volk richtet sich<br />
selbst. Die Spieler schlüpfen in die Rolle<br />
eines Priesters. Sie spüren die Schuld<br />
und die Scham. Sie werden gestraft von<br />
Ihrem Gott und erfahren die Einsamkeit,<br />
die Isolation von dem, was Ihnen Kraft<br />
und Erkenntnis gab. Sie sind hilflos und<br />
allein. Sie konnten Ihre Gemeinde nicht<br />
vor dem Gehörnte bewahren.<br />
• Jahre vergehen und die Aurianer tauschen<br />
das Schwert gegen den Pflug.<br />
Familien mischen sich mit den umliegenden<br />
Völkern. Kinder kommen auf die<br />
Welt und wachsen in Ihrer neuen Heimat<br />
auf. Neue Königreiche entstehen und<br />
vergehen wieder. Die Charaktere sehen<br />
Liebe und Leid. Die Zeit des Gehörnten<br />
und des Krieges sind vergessen. Ein<br />
Charakter schlüpft in die Rolle eines/r<br />
Liebenden und muss sich zwischen der<br />
Tradition seiner aurianischen Familie und<br />
seiner Geliebten entscheiden.<br />
Der Spielleiter kann hier kurze Szenen für<br />
einzelne Spieler oder längere Szenen für die<br />
ganze Gruppe wählen. Es ist eine gute Gelegenheit<br />
Dramatik zu erzeugen, Konflikte zu<br />
entwickeln und ohne Rücksicht auf den eigenen<br />
Charakter eine interessante Rolle zu<br />
spielen. Einfach mal ausprobieren.<br />
Ialas Lösung<br />
In jedem Fall schrecken die Charaktere<br />
nach einiger Zeit aus einem unruhigen Schlaf<br />
auf. Sie befinden sich wieder auf der Lichtung<br />
und alles was sie erlebt haben erscheint<br />
ihnen wie ein böser Traum. Haben sie sich<br />
gut geschlagen? In diesem Fall reicht ihnen<br />
Iala eine goldene Rose.<br />
„Nehmt sie! Sie wird ihn an mich erinnern<br />
und beruhigen. Er wird Fulric der Liebe<br />
wegen freigeben.“<br />
Damit schickt sie die Charaktere wieder in<br />
den Wald. Es ist mittlerweile Abend geworden<br />
und die Sonne steht bereits tief am Himmel.<br />
Die Charaktere sollten<br />
gelernt haben, dass es keine<br />
gute Idee ist nachts schutzlos<br />
im Wald unterwegs zu sein.<br />
Die alte Hethis<br />
Tief im Wald, in einer verlassenen<br />
Bärenhöhle, wohn Hethis,<br />
die Kräuterhexe. Selbst<br />
die Alten im Dorf kennen Sie<br />
nur als greise Frau mit weißem<br />
Haar und knorrigem Gesicht.<br />
Ihre Stimme ist rau und<br />
zerbrechlich, aber Ihre Augen<br />
sind wach und funkeln voller<br />
Lebenslust.<br />
Hethis Höhle liegt tief im<br />
Wald verborgen. Die unregelmäßige<br />
Öffnung, die in<br />
den Erdhügel führt, wird<br />
durch eine robuste Holztür<br />
versperrt. Hethis macht<br />
zwei Handbewegungen und<br />
legt den Riegel um, dabei<br />
schwingt die Tür nach innen.<br />
In der Höhle riecht es nach<br />
Kräutern, Ruß und Alkohol.<br />
An den Wänden stehen Tonkrüge<br />
mit Sigilen verziert.<br />
Einige Bücher stehen in den<br />
Abenteuer<br />
Seite 11
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
Regalen und kleine Tiegel enthalten Zutaten,<br />
von denen die Charaktere wohl nicht mal wissen<br />
wollen wie sie gewonnen werden. Einige<br />
Augenblicke später hat Hethis einige Fackeln<br />
und ein kleines Feuer in einer Ecke der Höhle<br />
entzündet. Alles in allem wirkt der Raum<br />
recht wohnlich und warm.<br />
Hethis ist alt wie ein Baum. Sie lebt seit<br />
mehr als hundert Jahren in diesem Wald und<br />
sie kennt jeden Strauch, jeden Stein und alle<br />
Tiere und Menschen darin. Sie kann den Helden<br />
helfen. Ob sie es tut liegt daran, welchen<br />
Preis sie bereit sind zu zahlen.<br />
Hilfe Sylvias<br />
Sylvia, der Frau des Tischlers, hilft sie gerne.<br />
Sie hat die „kleine“ zu Welt gebracht<br />
und hoffte schon darauf sie eines Tages in<br />
ihre Geheimnisse einweihen zu können,<br />
doch dann ist sie von ihrem Vater mit diesem<br />
„stumpfsinnigen Wildschwein Leon“ verheiratet<br />
worden.<br />
Sollten die Charaktere die Frau nach ihrer<br />
Begegnung in der Anderswelt zu Hethis bringen,<br />
so wird sie Sylvia einen übel riechenden<br />
Tee einflößen, ihre Haut mit einigen Sigilen<br />
bemalen und uralte Worte der Beruhigung<br />
murmeln. Anschließend bietet Sie den dankt<br />
sie den Charakteren und bietet Ihnen eine<br />
gute Gemüsesuppe an.<br />
Die Charaktere haben Zeit genug sich mit<br />
Hethis zu unterhalten, ihre Pläne mit ihr zu<br />
besprechen, Geschichten von den Geistern<br />
im Wald zu hören und sie um Hilfe zu bitten.<br />
Hethis erzählt ihnen die Geschichten der<br />
Spring Queen, wenn sie diese noch nicht kennen<br />
und stellt Vermutungen an über die Motive<br />
des Geistes. Selbst die Karten kann sie<br />
den Charakteren legen. Alles in allem sollten<br />
die Charaktere feststellen, dass Hethis ein<br />
weise und wohlwollende Frau ist.<br />
Der Preis der Hexe<br />
Sie möchte zurück ins Dorf und sie braucht<br />
eine Schülerin. Es wird auch für sie die Zeit<br />
kommen, diese Welt zu verlassen und dann<br />
soll der Wald nicht ohne Hirtin sein. Wenn die<br />
Charaktere ihr eine Lösung bieten, wird sie<br />
gerne bereit sein auch ihnen zu helfen.<br />
Eine denkbare Kandidatin wäre Arraca, die<br />
Tochter des Ritters. Sie ist begabt und wäre<br />
sogar interessiert. Natürlich wird das nicht<br />
ganz einfach den Vater zu überzeugen. Der<br />
Priester ist natürlich absolut dagegen.<br />
Hethis Lösung<br />
Ob Sie den Helden gegen Fulric und den<br />
Geist zur Seite steht, liegt, wie gesagt, an den<br />
Umständen. Auf keinen Fall wird sie mit einem<br />
Priester arbeiten und einen Exorzismus<br />
vornehmen. Sie respektiert den Geist, so wie<br />
sie alle Erinnerungen an die alten Zeiten ehrt.<br />
Natürlich würde sie Fulric gerne helfen, aber<br />
alles was ihr einfällt ist, den Geist wieder in<br />
sein Grab zu sperren.<br />
Wenn Fulric nicht mit eingesperrt werden<br />
soll, würde das aber bedeuten den Geist vorab<br />
zu bannen, oder zu locken.<br />
Wenn die Charaktere die goldene Rose der<br />
Königin besitzen, so wäre das sicher ein Ansatz,<br />
praktisch ein Lockmittel. Auch ein edles<br />
Tier, wie einen Hirsch oder einen Bär käme in<br />
Frage.<br />
Das Hügelgrab<br />
Finden die Charaktere tagsüber den Weg<br />
hierher, stehen sie plötzlich, umringt von einem<br />
Kreis uralter Bäume, vor einem Hügel.<br />
Aus seiner Mitte erhebt sich eine mächtige<br />
Eiche. Ihre Äste zeichnen sich drohend vor<br />
dem klaren Himmel ab. Die Sonne vertreibt<br />
die klamme Feuchtigkeit des Waldes und<br />
Dunst steigt von der feuchten Erde auf. Direkt<br />
vor den Helden liegen zwei Monolithen,<br />
mit Moos bewachsen und von Jahrhunderten<br />
zerfressen, wachen sie vor dem Eingang<br />
eines Grabes.<br />
Wenn die Helden den Ort näher untersuchen<br />
entdecken sie frische Spuren vor dem<br />
Eingang. Jemand hat sich kürzlich an dem<br />
Unterholz zu schaffen gemacht und das Grab<br />
geöffnet. Der Stein vor dem Eingang wurde<br />
ein Stück beiseite gerollt und Fußspuren führen<br />
ins Innere.<br />
Folgen die Charaktere den Spuren, so betreten<br />
Sie eine annähernd kreisrunde Gruft.<br />
Gestützt wird das Grab von einer mächtigen<br />
Eiche, deren Wurzeln auch teilweise die Wände<br />
der Gruft abstützen. Der ganze Raum erweckt<br />
den Eindruck als sei er gewachsen und<br />
nicht erbaut worden. Nur hie und da wird das<br />
Seite 12<br />
Abenteuer
SOMMERNACHTSTRAUM<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
organische Aussehen von einigen Wandmalereien<br />
unterbrochen.<br />
Zur Linken, gleich neben dem Eingang,<br />
liegen die traurigen Überreste zweier Grabräuber.<br />
Was sie getötet hat? Wer weiß das<br />
heute schon noch. Mit Fallen oder ähnlichem<br />
müssen die Charaktere hier jedenfalls nicht<br />
rechnen. Und Geister? Nun, die sind tagsüber<br />
nicht hier. Tagsüber…<br />
Am hinteren ende des Raumes, zunächst<br />
verdeckt durch die Eiche, ist ein prächtiger<br />
Sarkophag aufgebaut. Rechts und links von<br />
ihm halten zwei große Statuen Wache über<br />
den Toten, sie stellen menschliche Gestallten<br />
dar, eine mit dem Kopf eines Bären, die andere<br />
mit dem Kopf eines Wolfes. Wenn die Charakter<br />
die Dörfler in der ersten Nacht begleitet<br />
haben, erkennen sie die Statuen sofort<br />
wieder (siehe „Der Mob am Waldrand“).<br />
Tatsächlich sieht das Grab vollständig erhalten<br />
aus. Öffnen die Charaktere den Sarg,<br />
finden Sie einige wertvolle Grabbeigaben aus<br />
der Zeit der Frühlingskönigin, für Sammler<br />
sicher ein Vermögen wert. Natürlich ziehen<br />
sie damit besonders den Zorn der Geister<br />
auf sich. Spätestens nach Einbruch der Nacht<br />
werden sie kommen und sich die Schätze holen.<br />
Kapitel 5<br />
Kampf<br />
mit dem Geist<br />
Wann es zum Kampf mit dem Geist kommt,<br />
liegt an dem Lösungsweg den die Charaktere<br />
einschlagen. Am wahrscheinlichsten die Höhle<br />
der alten Hethis oder das Hügelgrab in der<br />
Nacht.<br />
Hethis Hilfe<br />
Während die Charaktere noch in ein Gespräch<br />
mit der alten Hexe vertieft sind und<br />
über die Zukunft des Dorfes sprechen (siehe<br />
Kapitel „Die alte Hethis“), verstummt sie mitten<br />
im Satz.<br />
„Er ist da!“<br />
Auch die Charaktere haben die Chance die<br />
Präsenz eines Geistes zu spüren. Fulric ist in<br />
der nähe und mit ihm sein Gefolge. Er ist auf<br />
der Suche nach Sylvia. Nebel zieht plötzlich<br />
unter der Tür her und Geräusche eines großen<br />
Tiers sind vor der Höhle zu hören. Es ist<br />
zu hoffen, dass die Helden geistesgegenwärtig<br />
genug sind nicht gleich raus zu stürmen.<br />
Wenn doch, wird Hethia zumindest versuchen<br />
sie davon abzuhalten. Mit einer rotbraunen<br />
Flüssigkeit ist sie damit beschäftigt magische<br />
Symbole vor die Tür zu malen, als plötzlich etwas<br />
Schweres gegen diese schlägt.<br />
Ritter und Magier<br />
TEXT UND ILLUSTRATION: MATTHIAS BUYKEN<br />
„Gebt Sie heraus! Herrin! Kommt zu mir!…“<br />
Es entbrennt ein Kampf um die Höhle. Mit<br />
vergleichenden Kraftproben können sich die<br />
Charaktere gegen die Eindringlinge wehren.<br />
Ihr, werter Spielleiter, solltet diese Szene<br />
auskosten. Die Angriffe gegen die Tür werden<br />
immer wilder. Bald schon reicht eine klauenbewehrte<br />
Hand durch die Tür und greift nach<br />
einem Charakter. Nach einiger Zeit erscheint<br />
Sylvia im Raum. Von dem Spektakel offenkundig<br />
aus ihrem Schlaf gerissen. Ihre Augen<br />
voller Tränen und das Gesicht von Angst gezeichnet,<br />
doch ihre Liebe zu Fulric und ihre<br />
Sorge um sein Wohl ist stärker.<br />
In diesem Moment zersplittert die Tür.<br />
Außen, vor der Tür steht ein großer Mann,<br />
gekleidet in Felle, mit einem Helm aus einem<br />
Hirschschädel. Für einige Sekunden herrscht<br />
absolute Stille.<br />
Nun ist es an den Charakteren eine Lösung<br />
zu finden. Die Einfachste ist natürlich den<br />
Körper Fulrics zu erschlagen und den Geist<br />
mit Hethis Hilfe oder der Hilfe eines Priesters<br />
zu bannen. Geht, ist aber sicher nicht besonders<br />
romantisch. Haben die Charaktere Ialas<br />
Rose (siehe „Die Probe“), so haben sie eine<br />
realistische Chance den Geist zu besänftigen.<br />
Sie können dann mit entsprechendem Rollenspiel<br />
und passenden Proben eine friedliche<br />
Lösung erzielen. Dazu müssen Sie den<br />
Geist zunächst überzeugen, dass sich die Zeiten<br />
geändert haben. Sie sollten ein möglichst<br />
emotionales und buntes Bild der Entwicklung<br />
zeichnen. Wenn sie es dann noch schaffen,<br />
überzeugend von Ialas Vergebung zu berichten,<br />
so wird der Geist Fulric frei lassen.<br />
Kapitel 6<br />
Zurück im Dorf<br />
Im Idealfall kehren die Charaktere nach<br />
einer langen Nacht mit Sylvia und Fulric zurück<br />
ins Dorf. Hier ist die Aufregung natürlich<br />
groß. Viele hatten befürchtet, die Charaktere<br />
hätten das Dorf im Stich gelassen, andere<br />
sorgten sich um ihr Leben.<br />
Jeder Erfolg wird von den Dorfbewohnern<br />
gefeiert und die Charaktere mit Lob und Anerkennung<br />
bedacht. Doch schon bald werden<br />
auch die ersten Fragen laut. Wie geht es<br />
nu weiter? Wovon wird das Dorf in Zukunft<br />
leben?<br />
Dem Spielleichter bieten sich hier viele<br />
Chancen für einen stimmungsvollen Ausklang<br />
mit viel Charakterspiel. Wird Ser Galwyn und<br />
Naeres sich mit Hethis einigen können? Wie<br />
sieht die Zukunft von Arraca aus? Werden die<br />
Dorfbewohner ihre Fehler wiederholen?<br />
Das Dorf braucht jedenfalls einen neuen<br />
Zimmermann und Tischler, Arraca würde die<br />
Charaktere gerne begleiten und Hethis sucht<br />
noch immer eine Nachfolgerin.<br />
Spielleiter die dieses Abenteuer gerne in<br />
ihre Kampagne einbauen möchten, bietet<br />
sich hier auch die Chance einen Cliffhanger<br />
einzubauen oder gleich mit dem neuen<br />
Abenteuer zu starten. In jedem Fall sollte er<br />
die Spieler mit ein paar Erfahrungspunkten<br />
belohnen und ihren Charakteren vielleicht<br />
ein paar Punkte in Geschichtswissen geben.<br />
Schließlich haben sie in den letzten Tagen die<br />
Geschichte lebendig erlebt. •<br />
Abenteuer<br />
Seite 13
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DAS FANTASY DORF<br />
Das Fantasy Dorf<br />
WIE MAN BESIEDLUNGEN ATMOSPHÄRISCHER MACHT<br />
TEXT: CHRISTOPH MASER<br />
ILLUSTRATION: KAI GRAF<br />
Sie ritten in das Dorf, das aus ein paar Häusern<br />
bestand und da war auch noch so ein<br />
Gasthaus mit einem Schild davor. Das Dorf war<br />
aus Steinen gebaut und dann haben sie darin<br />
übernachtet. Davor gab es noch eine Suppe.<br />
Das war ganz nett, aber jetzt weiter…<br />
Ich bin ein großer Fan von Atmosphäre.<br />
Damit meine ich nicht nur Hintergrundmusik,<br />
Kerzenlicht und gehobenes Rollenspiel<br />
am Tisch, nein, viel wichtiger ist doch die Atmosphäre<br />
im Spiel, die Stimmigkeit, der Zusammenhalt<br />
und die Konsistenz des Erzählten.<br />
Gerade im Fantasygenre fehlt mir eine<br />
solche Stimmigkeit oft, denn die Umwelt<br />
meines Charakters wird leider all zu oft nur<br />
zur nebensächlichen Bühne, in der ich meine<br />
Abenteuer erleben kann. Da ist ein Dorf, da<br />
wohnen zwar Leute, aber die wohnen da eigentlich<br />
nur, um mir einen Auftrag zu geben!<br />
Sobald ich das Dorf verlassen habe, ist das<br />
Dorf auch nicht mehr da. Denn es ist unglaubwürdig,<br />
unbelebt und bloße Kulisse.<br />
Aber ein Dorf wartet eigentlich nicht darauf,<br />
dass endlich mal Helden vorbei kommen,<br />
damit es eine Existenzberechtigung hat.<br />
Ein Dorf ist Lebensraum und somit ein Ort,<br />
an dem gelebt wird. Menschen leben dort,<br />
gehen ihrem Tagwerk nach, verlieben sich,<br />
feiern, sterben, pflegen ihre alltägliche Praxis,<br />
schlachten Schweine, tanzen und freuen<br />
sich, wenn mal ein Fremder ins Dorf kommt,<br />
um neues zu berichten oder freuen sich noch<br />
viel mehr, wenn ein Fremder ins Dorf kommt,<br />
um ihnen zu helfen. Aber wenn der Fremde<br />
wieder gegangen ist, geht das eigentlich Leben<br />
weiter mit Pflügen, säen, lachen und leider<br />
auch sterben.<br />
Im Folgenden finden sich ein paar Anregungen<br />
und Parameter, wie man ein Dorf<br />
auch improvisiert glaubwürdig machen kann.<br />
Oftmals überschneiden sich die Fragen und<br />
beeinflussen sich dabei. Und natürlich muss<br />
nicht jedes Dorf ausgearbeitet sein – oftmals<br />
sind die durchreisenden Charaktere<br />
geschwächt, verletzt, in Eile oder so genervt<br />
von ihrer Umwelt, dass die 10 Stunden Aufenthalt<br />
in der Siedlung tatsächlich mit den<br />
Fragen „Was kostet ein Zimmer?“ „Wie gut<br />
ist das Bier?“ „Kann man das `Tagesgericht´<br />
essen?“ abgehandelt werden können. Aber<br />
Seite 14<br />
selbst hier helfen zwei oder drei eingeworfene<br />
Details, um den Übernachtungsort in ein<br />
anderes Licht zu rücken.<br />
Die Substanz<br />
eines Dorfes<br />
Der erste Teil des Artikels beschäftigt sich<br />
mit der „Hardware“ eines Dorfes und damit<br />
mit der Frage, wie und wo es gebaut ist und<br />
wie es aussieht.<br />
Landschaftliche<br />
Merkmale und<br />
Versorgung<br />
Eine Siedlung entsteht über die Zeit und<br />
dabei spielen landschaftliche Merkmale<br />
eine wichtige Rolle. Wie<br />
ist die Infrastruktur? Gibt es<br />
eine große Straße, die oft<br />
bereist wird, einen Fluss<br />
oder ein Gewässer mit<br />
Hafen? Wenn ja wird<br />
sich dieser Besucherstrom<br />
auf die Anzahl<br />
von Gasthöfen,<br />
Handwerkern und<br />
Dienstleistern und<br />
dergleichen niederschlagen.<br />
Auch<br />
wird dies die Frage<br />
nach der Größe der<br />
Ansiedlung beeinflussen.<br />
Hierfür sind<br />
auch andere Faktoren<br />
wichtig. Einige<br />
sind: Gibt es<br />
andere große<br />
Städte in<br />
der Umgebung?<br />
Ist die Siedlungsfläche<br />
gut?<br />
Ist der Boden stabiler<br />
Baugrund oder eher<br />
morastig? Steht die<br />
Stadt an einem Hang<br />
und muss Baugrund erst<br />
mühsam aus dem Berg heraus<br />
gehauen werden? Und gibt es ausreichende<br />
Mengen an Wasser und Nahrung in<br />
der Stadt zu erschwinglichen Preisen? Hierfür<br />
müssen entweder genug landwirtschaftliche<br />
Nutzflächen oder entsprechende Rohstoffe<br />
wie Holz, besonderer Stein zum Bauen,<br />
Edelmetalle etc. vorhanden sein, die gegen<br />
Nahrung eingetauscht werden können. Auch<br />
die Frage nach ausreichend Wasser sollte gestellt<br />
werden. Als Faustregel können 10 Liter<br />
pro Person und Tag gelten, wenn halbwegs<br />
sparsam damit umgegangen wird und keine<br />
Wasser verschwendenden Gewerbe vorhanden<br />
sind. Etwa 1,5 Liter werden getrunken,<br />
1,5 verkocht und der Rest wird für Vieh, Gewerbe<br />
und das alltägliche Leben benötigt.<br />
Haufendorf<br />
Lesen & Spielen
DAS FANTASY DORF<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Siedlungsformen<br />
Kultur, Landschaft und Nutzen eines Dorfes<br />
bestimmen seine Siedlungsform. Benötigt<br />
das Dorf Schutz vor Tieren oder unliebsamen<br />
Gesellen, so wird man seine Häuser<br />
und Scheunen eher zusammen gedrängt<br />
bauen und, sofern es Wohlstand und<br />
der ansässige Herrscher erlauben, mit<br />
einer Mauer oder einem irgendwie gearteten<br />
Schutz versehen. Fühlt man<br />
sich sicher und betreibt man Landwirtschaft,<br />
so werden die einzelnen<br />
Gehöfte weit entfernt von einander<br />
stehen, umgeben von den eigenen Feldern.<br />
Ein Versammlungshaus, vielleicht<br />
ein Gasthaus und eine Werkstatt bilden<br />
etwas, was man grob als Ortskern<br />
bezeichnen kann.<br />
Der Weiler<br />
Weiler ist der Überbegriff<br />
für eine Ansammlung von Häuser,<br />
die in der Regel keine geschlossene<br />
Bebauung aufweist<br />
und über keine Gebäude wie Kirche<br />
oder Gasthaus verfügt, die eine zentrale<br />
Funktion haben. Weiler sind alles, was<br />
größer ist als ein Gehöft, also ein Wohnhaus<br />
für eine Bauernfamilie mit Gesinde und die<br />
dazugehörigen Wirtschaftsgebäude.<br />
Das Haufendorf<br />
Unter einem Haufendorf versteht man<br />
eine nach und nach gewachsene Ansammlung<br />
von Häusern unterschiedlicher Größe<br />
und Funktion ohne erkennbare Symmetrie<br />
– jeder hat gebaut, wo es ihm in Sinn kam.<br />
Haufendörfer haben meist einen unregelmäßigen<br />
Grundriss um einen zentralen Teich, ein<br />
Gebäude oder einen Dorfplatz. Wer es ganz<br />
genau nehmen will, kann ein Haufendorf<br />
noch aufgliedern. Der Dorfkern ist eben der<br />
Kern des Dorfes. Mit Ackerflur werden die<br />
Häuser bezeichnet, die deutlich nicht mehr<br />
Teil des Dorfkerns sind und das Land direkt<br />
neben dem Dorf. Unter Almende versteht<br />
man das dem Dorf eigene Land oder Besitztümer<br />
um das Dorf herum.<br />
Lesen & Spielen<br />
Das Straßendorf<br />
Das Straßendorf hat seinen Namen von<br />
seiner klaren Form. Nahezu alle Häuser stehen<br />
an der Hauptstraße entlang aufgereiht<br />
oder an einer der wenigen Nebenstraßen.<br />
Wildweststädte sind klassische Straßendörfer,<br />
aber auch Siedlungen, die entlang einer<br />
Hauptstraße schnell aus dem Boden schießen.<br />
Es ist billiger und zentraler, gleich an der<br />
Hauptstraße zu bauen, auf der Menschen<br />
und damit Kunden vorbei kommen, als erst<br />
mühsam eine halbwegs feste Straße zu bauen,<br />
um dort dann in zweiter Reihe sein Haus<br />
hinzustellen.<br />
Eine mit dem Straßendorf verwandte Form<br />
ist das so genannte Marschhufendorf. Hier<br />
reihen sich die Häuser nicht an einer Straße<br />
sondern an einem Kanal auf, auf dem Schiffe<br />
verkehren.<br />
Die Platzsiedlung<br />
Ähnlich wie Straßensiedlungen haben<br />
auch Platzsiedlungen ihren Namen von ihrem<br />
Siedlungsaufbau. Zentrum des Dorfes<br />
ist ein größerer Platz, an dem die wichtigen<br />
Gebäude wie Kirche, Tempel, Gasthof und<br />
Versammlungshaus stehen. Vom Dorfplatz<br />
gehen einige Straße ab, an denen weitere<br />
Häuser stehen.<br />
Eine Sonderform des Platzdorfes ist das<br />
so genannte Angerdorf. Hierbei gruppieren<br />
sich die Häuser meist um einen Teich – im eigentlichen<br />
Wortsinn ist Anger eine mit Gras<br />
bewachsene Wiese - der dem gesamten Dorf<br />
gehört und oftmals als Löschteich oder als<br />
Gewässer für Mühlen, Hammerwerke oder<br />
andere Betriebe genutzt wird.<br />
Straßendorf<br />
Das Runddorf<br />
Eine weitere Sonderform der Platzsiedlung<br />
bildet das Runddorf, auch Rundling genannt.<br />
Der rundliche Dorfplatz in der Mitte ist nur<br />
über einen Weg an das Verkehrsnetz angeschlossen.<br />
Um den<br />
Platz sind wenige Gebäude<br />
angeordnet. Oft stehen in der Mitte<br />
dieser Dorfform Fluchttürme, die den<br />
Anwohnern Schutz bieten<br />
sollen. Wenn möglich wurden<br />
solche Siedlungen auf<br />
einer Anhöhe errichtet und<br />
man sorgte für ausreichend<br />
Sicht durch Rodung oder Aussichtstürme.<br />
Streusiedlung<br />
Eine Streusiedlung ist eine nicht geschlossene<br />
Siedlung meist ohne erkennbaren Ortskern,<br />
die aus weit auseinander liegenden<br />
Bauernhöfen und Weilern bestehen. Oftmals<br />
wird ein Gasthof an Straße zum „Zentrum“<br />
einer solchen Siedlung, in dem die Bewohner<br />
der weit entfernten Häuser bei Gelegenheit<br />
zusammen kommen und sich austauschen.<br />
Architektur,<br />
Baustil, Aussehen<br />
Wie sind die Häuser gebaut? Aus welchem<br />
Material bestehen sie? Sind sie groß oder<br />
klein? Wie viele Räume hat ein normales<br />
Haus?<br />
In welchem Landstrich<br />
sind die Häuser gebaut?<br />
Die Umgebung prägt das Aussehen eines<br />
Dorfes. Große fruchtbare Ebenen bringen<br />
die fantasytypischen Bauerndörfer hervor.<br />
Bergdörfer haben einen anderen Charakter.<br />
Dörfer an Seen oder Meeren werden von<br />
diesen Elementen geprägt sein. Ist es sehr<br />
warm, wird ein Haus sehr luftig sein. An Küstenregionen<br />
und anderen sehr windigen Gefilden<br />
sind die Häuser halb in die Erde gebaut,<br />
Seite 15
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DAS FANTASY DORF<br />
so dass nur noch die<br />
sehr flachen Dächer am Horizont<br />
zu sehen sind. Man muss<br />
in ein solches Haus förmlich<br />
herabsteigen. Oder handelt es<br />
sich um klassische Häuser und Hütten?<br />
In feuchten und regnerischen Gebieten<br />
wird man, wenn möglich, Häuser auf Stelzen<br />
bauen, um der Feuchtigkeit des Bodens zu<br />
entkommen und um die Tiere draußen zu<br />
halten.<br />
Wie groß ist die Besiedlung?<br />
Dorf ist nicht gleich Dorf. Es gilt ein paar<br />
Fragen zu stellen. Wie groß ist die Besiedlung?<br />
Lebt nur eine Großfamilie in einer Hand<br />
voll Häusern, sind mehrere Familien ansässig<br />
oder findet man mehrere hundert Anwohner<br />
vor?<br />
Aus was sind<br />
die Häuser gebaut?<br />
Fachwerk ist eine relativ haltbare Methode<br />
zu bauen, jedoch nicht ganz billig und sie<br />
erfordert etwas Know-How. Ist ein Wald in<br />
der Nähe, dessen Holz man leicht bearbeiten<br />
kann, wird wohl dieser Werkstoff bevorzugt<br />
eingesetzt. Allerdings ist das Holz meist<br />
Eigentum des adligen Landbesitzers und<br />
Waldarbeit gehört zu den gefährlichsten und<br />
härtesten Arbeitsbereichen, die man sich vorstellen<br />
kann. Um eine 30 Meter hohe Eiche in<br />
Bretter zu verwandeln, arbeiteten zwei Männer<br />
über eine Woche lang. Steinhäuser aus beschlagenen<br />
Steinquadern sind sehr teuer und<br />
man benötigt einen Steinbruch in der Nähe.<br />
Platzsiedlung<br />
Anders<br />
sieht das z.B.<br />
mit Schieferhütten in<br />
bergigem Gelände aus.<br />
Schieferplatten werden<br />
übereinander gestapelt und<br />
mit Lehm verschmiert, um den<br />
Wind abzuhalten. Oder besteht das Haus<br />
gar nur aus Torfplatten, die aufeinander gestapelt<br />
wurden oder auf ein Holzgerüst gelegt<br />
worden sind?<br />
Raumaufteilung?<br />
Wie viele Räume hat das Standardhaus? Einer<br />
oder mehrere? Und reicht für große Häuser<br />
das Geld und die nötigen handwerklichen<br />
Kenntnisse? Was muss alles im Haus untergebracht<br />
werden? Gibt es eine eigene Scheune<br />
oder müssen Werkzeug, Vieh, Vorräte und<br />
alle Personen unter einem Dach schlafen?<br />
Das ist zwar laut, aber die Tiere wärmen gerade<br />
in kalten Winternächten das Haus.<br />
Werkstätten<br />
und Einrichtungen?<br />
Was für Werkstätten kann man finden?<br />
Ernähren sich die Bewohner nur aus ihren<br />
Höfen oder vom Fischfang oder befinden<br />
sich noch andere Berufe im Dorf? Ein Handwerksmeister<br />
wird sich in einem kleineren<br />
Dorf nicht halten können, jedoch erlernten<br />
Bauern neben ihrer Arbeit auf dem Hof<br />
noch andere Handwerke, denen sie im Winter<br />
nachgehen konnten. Dem Werkzeugmachertum<br />
oder der Kräuterkunde konnte<br />
man bedingt im eigenen Haus nachgehen,<br />
so dass man keine gesonderte Werkstatt im<br />
Dorf errichten musste. Anders sah dies mit<br />
Handwerken aus, die für das Dorf gefährlich<br />
waren. Eine Schmiede gilt als feuergefährlich<br />
und wird somit möglichst in einem eigenen<br />
Bereich untergebracht werden, der aber<br />
meist an das Wohnhaus des Schmiedes angebaut<br />
war. Dass man in einem Dorf keinerlei<br />
Kunstschmiedefertigkeit erwarten<br />
kann, dürfte auch<br />
klar sein. Jedoch kann solch<br />
ein Schmied Nägel und einfache<br />
Geräte für die Feldarbeit<br />
herstellen, einen Pflug oder<br />
vielleicht sogar eine Achse reparieren<br />
und Pferde beschlagen.<br />
Besitzt das Dorf einen<br />
gemeinsamen großen Backofen,<br />
in dem einmal pro Woche<br />
eingeheizt und dann gemeinsam<br />
Brot gebacken wird, oder macht das<br />
jeder Hof in einem eigenen Ofen? Selbige<br />
Frage gilt auch für den Räucherofen, in dem<br />
Fisch und Fleisch haltbar gemacht wird. Gibt<br />
es eine Mühle, bzw. einen Bach für die Mühle,<br />
oder steht ein großer Mahlstein in der Mitte<br />
des Dorfes, an den jeder seinen eigenen<br />
Ochsen anjochen kann, um dort zu mahlen?<br />
Gasthäuser sind ebenfalls eine klassische Frage.<br />
Nicht alle Dörfer liegen an einer großen<br />
Straße und beherbergen Tag für Tag Gäste.<br />
Gasthöfe sind also nicht die Regel. Jeder Bauer<br />
wird ohne weiteres einem zahlenden Gast<br />
ein Bett oder einen Platz im Stroh anbieten.<br />
Das Gästehaus<br />
Wenn es einen guten wirtschaftlichen<br />
Grund – viele Durchreisende, trinkfreudige,<br />
zahlreiche Bevölkerung mit etwas Wohlstand<br />
– gibt, ein Gasthaus zu eröffnen, dann<br />
wird dies in einer Fantasywelt wohl auch jemand<br />
tun. Oftmals ist das ein Mann oder eine<br />
Frau, die über etwas Startkapital verfügt und<br />
oder für die Landwirtschaft oder einen anderen<br />
Beruf nicht geeignet ist. Der Wirt hat<br />
einen Gast- oder Schankraum und eventuell<br />
Schlafzimmer oder einen großen Schlafsaal.<br />
Manchmal kehrt am Abend das Dorf bei ihm<br />
ein. Da dies aber meist nur einmal pro Woche<br />
geschieht, kann es sein, dass der Gastraum<br />
geschlossen bleibt, wenn keine Gäste von<br />
Außerhalb kommen.<br />
Ein Wirt, der es sich leisten kann, braut sein<br />
eigenes Bier und verkauft es an die Bewohner<br />
weiter, versorgt einige Schweine und dient in<br />
Notsituationen als Metzger, wobei jeder Hofbewohner<br />
in der Lage ist, ein Tier zu schlachten.<br />
Minenarbeiter werden hierzu aber in der<br />
Regel schon etwas Hilfe brauchen, wenn sie<br />
das Fleisch des zu schlachtenden Tieres nicht<br />
ungenießbar machen wollen.<br />
Der Tempel<br />
Wenn das Dorf groß und reich genug ist<br />
und dies auch zeigen will, baut es meist einen<br />
Tempel oder eine Kapelle. Dies sind dann oft<br />
die einzigen Gebäude aus Stein und stehen<br />
im Zentrum des Dorfes. Nachdem jeder Dorfbewohner<br />
daran mitgearbeitet hat, ist man<br />
entsprechend stolz auf seinen Tempel und<br />
wird dies im ewigen Konkurrenzkampf mit<br />
Seite 16<br />
Lesen & Spielen
DAS FANTASY DORF<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
dem Dorf nebenan auch so oft wie möglich<br />
erwähnen.<br />
Das Gemeinschaftshaus<br />
In kleinen oder armen Siedlungen erfüllt<br />
das Gemeinschaftshaus die Rolle<br />
des Gasthauses und des Tempels.<br />
Es besteht aus einem Raum, in<br />
dem bei Bedarf Tische und Bänke –<br />
Bretter auf Böcken – bereits gestellt werden.<br />
Einmal pro Woche öffnet einer der Bewohner<br />
ein Fass importierten Biers, das<br />
er an die Dorfbewohner verkauft. An einem<br />
solchen Ort wird nicht wild gezecht wie<br />
im Gasthaus in der Stadt, da man am kommenden<br />
Morgen ja wieder sehr früh auf<br />
dem Feld und bei den Tieren zu sein hat<br />
– und meist die Menge an Bier nicht<br />
ausreicht. Man tauscht sich über die<br />
vergangene Woche aus, spekuliert<br />
über die kommenden Ernte und<br />
den Winter, redet über Bekannte<br />
und tratscht ausführlich über Nachbarn.<br />
Dann gibt es etwas Musik von<br />
zwei Flöten und den Takt stampft man<br />
auf den Holzboden, während die jüngeren,<br />
unverheirateten Bewohner tanzen. Sind<br />
Gäste im Dorf, werden diese entweder in Privathäusern<br />
untergebracht oder können ihr<br />
Lager im Gemeinschaftshaus aufschlagen,<br />
das an den Göttertagen im Winter auch als<br />
Raum für die Gottesdienste dient. Manchmal<br />
ist auch der größte im Dorf vorhandene<br />
Wohnraum gleichzeitig das Gemeinschaftshaus,<br />
wenn das Dorf sich ein solches nicht<br />
leisten kann.<br />
Die Bewohner<br />
eines Dorfes<br />
Der zweite Teil des Artikels widmet sich<br />
nun der Frage, wer in einem Dorf lebt und<br />
wie es sich dort leben lässt. Je nach Größe,<br />
Lage und Funktion einer Siedlung haben die<br />
Bewohner jeweils besondere Berufe oder darüber<br />
hinaus Rollen zu erfüllen. Neben dem<br />
eigentlichen Broterwerb engagiert sich der<br />
eine oder andere noch in einem „Ehrenamt“<br />
oder erfüllt einen zweiten Beruf.<br />
Arbeiter und Bauern<br />
Mehr als 80% aller Bewohner eines Dorfes<br />
werden sich dem Haupterwerb des Dorfes<br />
widmen, d.h. Landwirtschaft oder Arbeiten<br />
in einem Steinbruch, beim Holzfällen oder in<br />
einer Mine. Sie sind meist ungebildete, arme<br />
Leute, die ihr Dorf niemals groß verlassen<br />
haben und Fremden mit Misstrauen oder<br />
Neugierde begegnen, um zu erfahren, was<br />
in der großen weiten Welt um sie herum los<br />
ist. Dass diese große weite Welt nicht schon<br />
nach der nächsten großen<br />
Stadt endet, versetzt sie jedes Mal in skeptisches<br />
Staunen. Solche Familien haben meist<br />
viele Kinder – jedes Jahr der Ehe eines – die<br />
als Arbeitskraft auf dem Hof oder beim Geschäft<br />
helfen. Während bei Wald- oder Minenarbeit<br />
jede Arbeitskraft geschätzt wird,<br />
kommt es in bäuerlicher Umgebung zu dem<br />
Problem, dass nur der älteste Sohn den Hof<br />
erben wird. Das lässt seine jüngeren Brüder<br />
entweder die Wahl, bei ihm als Knechte zu<br />
arbeiten oder als ungelernte Arbeiter in die<br />
Ferne zu ziehen, um im Militär, in der Stadt<br />
oder auf anderen Bauernhöfen ihr Glück zu<br />
finden. Gibt es in der Siedlung einen Hafen<br />
oder dergleichen, wird sich auch eine Reihe<br />
von Stauern finden lassen, also ungelernte<br />
Be- und Entlader von Schiffen, die ihre pure<br />
Körperkraft verkaufen und gegen einen Obolus<br />
auch Felsen von Feldern und Baumstämme<br />
von Straße räumen.<br />
Handwerker<br />
Jedes Dorf verfügt dazu noch über eine<br />
Reihe von Handwerkern wie Fassmacher,<br />
Schleifer, Dachdecker, Schreiner und dergleichen.<br />
Oft kann ein Handwerker an einem<br />
Ort nicht alleine von seinem Beruf leben, so<br />
dass die meisten Handwerker nebenher auch<br />
noch Landwirtschaft betreiben. Liegt die<br />
Siedlung an einer befahrenen Straße sieht<br />
die Sache schon besser aus. Hier können<br />
Wagenmacher und Schmiede durch das Beschlagen<br />
von Pferden und dem Ausbessern<br />
von Metallteilen an Wagen und Ausrüstung<br />
Runddorf<br />
ebenso von ihrer Kunst leben. Letzterer wird<br />
in diesem Fall ein Grobschmied sein und einfache<br />
Handwerksklingen wie Sensenblätter,<br />
Messer, Hufeisen und bei ausreichendem<br />
Metallvorkommen auch Nägel für Baustellen<br />
herstellen.<br />
Mögliche Handwerksberufe wären abhängig<br />
von der Größe und der Struktur z.B:<br />
Grobschmied: Kann einfache Schmiedearbeiten<br />
erledigen.<br />
Kürschner: Verarbeitet Tierhäute zu<br />
Leder und Pelzen.<br />
Wagner: Baut und repariert Wagen<br />
und ähnliche Holzkonstruktionen wie<br />
Wasserräder.<br />
Böttcher: Stellt wasserdichte Gefäße<br />
wie Fässer und Eimer her oder verschalt<br />
wasserdichte Rohrsysteme für<br />
Mühlen, Handwerksbetriebe, Minen,<br />
etc.<br />
Zimmermann: Erbaut Häuser.<br />
Schreiner: Macht Möbel und Kleinholzarbeiten;<br />
schnitzt oftmals auch.<br />
Müller: Mahlt das Korn der Bauern.<br />
Frauen und Kinder<br />
Frauen arbeiten mindestens so hart wie<br />
ihre Männer im Haus und auf dem Hof. Sie<br />
kochen, waschen, putzen, unterstützen<br />
die Männer auf dem Feld oder gehen ihnen<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 17
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DAS FANTASY DORF<br />
wenn möglich in der Werkstatt zur Hand. Je<br />
nachdem, wie aufgeschlossen die Dorfgemeinschaft<br />
ist, genießen Frauen das Recht,<br />
wie ihre Männer abends im Gemeinschaftshaus<br />
zusammen zu sitzen.<br />
Dazu kommt die „Erziehung“ der Kinder,<br />
die in der Hand der ganzen Sippe liegt.<br />
Säuglinge werden meist von den nicht mehr<br />
arbeitsfähigen Großeltern betreut. Bis zum<br />
dritten Lebensjahr lässt man den Kinder<br />
freien Lauf, dann werden sie so weit wie<br />
möglich in die Arbeit des Hofes einbezogen.<br />
Spätestens mit sechs Jahren arbeiten sie voll<br />
mit, versorgen die Hühner und das restlichen<br />
Kleinvieh, sammeln Kleinholz und packen an,<br />
wo es ihnen erlaubt wird.<br />
Die „Dorf-Elite“<br />
In jedem Dorf gibt es einige Männer und<br />
Frauen, die etwas einflussreicher sind als die<br />
anderen und denen aus nachvollziehbaren<br />
oder auch nicht nachvollziehbaren Gründen<br />
besonderer Respekt entgegen<br />
gebracht wird. An<br />
er Spitze steht der<br />
Dorfschulze, Dorfälteste<br />
oder Bürgermeister,<br />
der<br />
Streusiedlung<br />
für das Dorf nach außen hin spricht und für<br />
Recht und Ordnung sorgt und sich um die<br />
Dorfsteuerabgaben kümmert. Diese Männer<br />
oder Frauen sind meist geachtete Menschen<br />
mit großem Einfluss, der auf ihre Familien abfärbt.<br />
Wenn sich das Amt des Dorfschulzen<br />
vererbt, kann auf einen beeindruckenden<br />
Bürgermeister ein unfähiger oder ein tyrannischer<br />
folgen. Ebenso sorgt größerer Wohlstand<br />
zu Neid und/oder Ansehen. Hierbei ist<br />
der Einäugige König der Blinden, d.h. wer<br />
zwei Rinder besitzt ist reicher als der mit nur<br />
einem. Gibt es eine Geldquelle, die das Dorf<br />
von Außerhalb versorgt wie eine Handelsstraße,<br />
Minen, Steinbrüche, etc. werden einige<br />
Personen im Dorf stark davon profitieren,<br />
was über kurz oder lang dazu führen wird,<br />
dass sie über gehörigen Einfluss verfügen.<br />
Je nach Setting kann auch Bildung oder<br />
besondere Leistung ein Grund sein, angesehen<br />
zu sein. Priester oder Gelehrte – „Er hat<br />
sein ganzes Leben lang studiert und dabei<br />
ein ganzes Buch gelesen!“ – können ebenso<br />
wie Kriegsveteranen<br />
oder der Gewinner<br />
des großen<br />
Dorflaufes<br />
Anno 436 davon<br />
ausgehen, eine<br />
Sonderstellung<br />
in der Dorfgemeinschaft<br />
zu genießen.<br />
Leben im Dorf<br />
Was man so tut den<br />
ganzen Tag lang<br />
Zuerst mal muss jeder Dorfbewohner was<br />
essen, sofern er nicht einfach nur als Bühnenbild<br />
für die Abenteuer der Helden benutzt<br />
wird. Daher wird er sich mindestens 8,<br />
eher aber 10 bis 12 Stunden am Tag seinem<br />
Broterwerb widmen. Ein Bauer wird also auf<br />
dem Feld oder bei den Tieren sein, Futter<br />
sammeln für den Winter oder Gemüse ernten<br />
und tausend andere Sachen. Auch wenn<br />
es dunkel geworden ist, wird es noch nicht<br />
ruhig. Werkzeuge müssen repariert werden,<br />
Seile und Stoffe hergestellt werden und all<br />
die kleinen Arbeiten, die man im Schein der<br />
Dämmerung oder der kleinen Lampe machen<br />
kann. Meist geht man sehr früh ins Bett, weil<br />
der Tag anstrengend war, Licht zu teuer ist<br />
und das Vieh am frühen Morgen versorgt<br />
werden will. Auch für einen Handwerker, der<br />
nebenher nur ein paar Beete bewirtschaftet<br />
und sonst von seinem Handwerksberuf leben<br />
kann, ist es mit 8 Stunden am Tag nicht<br />
getan. Auch er ist auf das Tageslicht angewiesen<br />
und muss vorbereiten und nachbereiten.<br />
Material muss gesucht, gesichtet und<br />
richtig gelagert werden, Werkzeug gepflegt<br />
und gebaut werden. Ein Schmied muss lange<br />
bevor das erste Eisen ins Feuer gelegt werden<br />
kann, das Feuer richtige entzünden, das<br />
den Ofen aufwärmt und dann lange Zeit die<br />
richtige Temperatur halten muss. Dazu muss<br />
Brennstoff geholt und gebunkert werden. Jeder<br />
Handwerker, der mit Holz arbeitet, muss<br />
sich um die richtigen Rohstoffe kümmern,<br />
diese ablagern und manchmal stundenlang<br />
in seinen Vorräten nach dem richtigen Fell<br />
oder dem richtigen Stück Holz suchen. Wenn<br />
es zu dunkel in den Werkstätten wird um<br />
noch arbeiten zu können, kann man immer<br />
noch schnell nach den eigenen Beeten<br />
oder Schweinen sehen, die<br />
man hinter dem Haus hält<br />
und man bereitet sich auf<br />
den kommenden Tag vor.<br />
Dazu kommen die Sorgen<br />
um Gesundheit, Steuern,<br />
genug zu Essen und den<br />
wenigen Luxus, den man<br />
sich leisten kann.<br />
Was wir als Freizeit bezeichnen,<br />
wird es kaum geben,<br />
wenn das Dorf nicht übermäßig<br />
reich ist. Und doch gibt es Gelegenheit<br />
für Muse und Geselligkeit. Die Stunden vor<br />
dem Schlafen gehören der Familie und werden<br />
meist mit kleinen Arbeiten wie Nähen<br />
und Stopfen von Kleidung, Instandhaltung<br />
Seite 18<br />
Lesen & Spielen
DAS FANTASY DORF<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
ERLÄUTERUNG<br />
Besiedlungen sind Lebensraum und als<br />
Lebensraum bezeichnet man den Raum,<br />
in dem sich Leben abspielt. Leben nennt<br />
man die Gesamtheit aller Dinge, die sich<br />
in einer Existenz ereignen. Gesamtheit<br />
schließt alles mit ein.<br />
von Werkzeug oder dem Einlagern von Essen<br />
verbracht. Da hier die ganze Familie an einem<br />
Ort ist, ist nun Zeit für das Erzählen von Geschichten<br />
und das gemeinsame Singen von<br />
Liedern. Sind die Charaktere Gast an so einem<br />
Abend, wird man sie bestürmen, wahre oder<br />
erfundene Geschichten zu erzählen oder<br />
neue Spottgedichte und Lieder zu singen, die<br />
die Familie lernen kann. Handwerklicher Zeitvertreib<br />
wie Nähen, Sticken, Schnitzen oder<br />
ähnliches ist ebenfalls sehr beliebt, hat man<br />
doch am Ende ein Kleid, einen Holzlöffel oder<br />
etwas anderes, was man täglich gebrauchen<br />
kann. Und auch tagsüber vertreibt man sich<br />
die Arbeitszeit mit Singen, Erzählen oder<br />
mehr oder weniger komplizierten Spielen,<br />
die man während der Arbeit spielen kann.<br />
Meist sind das Frage und Antwortspielchen,<br />
besondere Reime oder Verse, die abwechselnd<br />
übers Feld gebrüllt oder gesungen werden<br />
müssen. Oftmals ist es aber zu heiß und<br />
die Arbeit zu hart, so dass schweigend gearbeitet<br />
wird. In der Mittagspause, die je nach<br />
Hitze während der Mittagszeit auch mehrere<br />
Stunden dauern kann, isst man gemeinsam,<br />
schläft etwas und vertreibt sich die Zeit wie<br />
es gefällt.<br />
Wo im Dorf<br />
der Bär steppt<br />
Da fast jeder im Dorf der Arbeit nachgehen<br />
muss, wird es tagsüber nur wenige Zentren<br />
geben, an denen man sich treffen kann. Ist es<br />
in der Stadt der Brunnen, an dem man sich<br />
trifft, so ist dieser auf dem Land mit ausreichend<br />
Wasserquellen überflüssig. Sonst findet<br />
auch hier das Leben statt, denn Wasser<br />
brauchen alle. Manchmal treffen sich die<br />
Frauen und jungen Mädchen am Fluss oder<br />
im Waschhaus, um gemeinsam zu waschen<br />
und zu plappern. Gibt es eine Gemeinschaftsmühle<br />
oder ein gemeinsames Backhaus, so<br />
finden sich mehrere Familien zusammen,<br />
um gemeinsam ihr Mehl zu mahlen, dies zu<br />
teilen und ebenso gemeinsam den Backofen<br />
anzuheizen und ihr Brot zu backen. So ist es<br />
sehr wahrscheinlich, den Dorfschulzen oder<br />
den Schmied am Backofen oder Mahlstein zu<br />
treffen. Der Backofen wird wegen der Feuergefahr,<br />
der Mahlstein eher wegen des großen<br />
Platzbedarfs – man muss das gemahlene<br />
Lesen & Spielen<br />
Schrot ja noch worfeln, d.h. im Wind hochwerfen<br />
und diesen die Spreu fortwehen lassen<br />
– nicht auf dem Dorfplatz stehen. Dieser beherbergt<br />
wahrscheinlich einen überdachten<br />
Brunnen – wenn dieser gebraucht wird – und<br />
die wichtigen Gebäude wie Gasthaus, Tempel<br />
und dergleichen. Gasthäuser sind auch nur<br />
dann belebt, wenn die Menschen genug Geld<br />
haben, dort zu trinken oder viele Gäste durch<br />
das Dorf kommen. Auch wenn die Dorfgemeinschaft<br />
ein neues Haus baut – ein Haus<br />
für ein Brautpaar, eine neue Scheune, etc. –<br />
kommen alle zusammen. Und religiöse Feste<br />
und Gottesdienste sind Ereignisse, zu denen<br />
man andere Gesichter zu sehen bekommt als<br />
auf dem eigenen Hof oder im eigenen Haus.<br />
Gerade lange Gottesdienste sind deswegen<br />
so beliebt, weil man einige Stunden lang sitzen<br />
konnte, ohne etwas tun zu müssen. Und<br />
oftmals herrscht andauerndes Getuschel unter<br />
den Gläubigen, die an den Segnungen der<br />
Götter weitaus weniger Interesse haben als<br />
am Klatsch der Nachbarschaft.<br />
Feste und Feiern<br />
Wer es sich leisten kann, der unterbricht<br />
seinen Alltag durch Festtage. Oft feiert die<br />
ganze Dorfgemeinschaft zusammen, während<br />
Feste, die eine einzelne Person ehren<br />
– wie Geburtstage – nicht groß gewürdigt<br />
werden. Gefeiert wird, wenn es wenig zu tun<br />
gibt und man Hoffnung hat. Das ist vor allem<br />
im Frühjahr und im Herbst der Fall. Im Frühjahr<br />
hat man den kalten Winter überstanden.<br />
Endlich kann man auf besseres Essen und<br />
Wetter hoffen und die drückende Enge des<br />
Hauses verlassen. Der Sommer bringt die<br />
Hoffnung auf bessere Zeiten und man feiert<br />
ihn. Im Herbst hat man die Ernte eingebracht<br />
und hofft, damit durch den Winter zu kommen.<br />
Die Felder sind abgeerntet, man muss<br />
sich auf den Winter vorbereiten. Da hilft ein<br />
gemeinsames Fest, die Dunkelheit der kommenden<br />
Tage zu vergessen. Geburten und<br />
Hochzeiten, sowie der Tod eines Bewohners<br />
sind die Feste der Dorfgemeinschaft. Religiöse<br />
Tage oder geschichtliche Daten – der<br />
Geburtstag des Königs oder der Todestags<br />
eines Nationalheldens – sind ebenfalls Grund<br />
zum Feiern. Das muss nicht immer in Form eines<br />
rauschenden Gelages mit Bier und Essen<br />
geschehen. Besondere Tänze oder Kleider,<br />
Theaterstücke, Umzüge oder ein besonderes<br />
Essen sind auch Formen des Festes. Und<br />
in sehr abgelegenen Gegenden ist es auch<br />
Grund zum Feiern, wenn Besuch kommt.<br />
Dies kann ein Verwandter, ein fahrender Sänger<br />
oder auch eine Abenteurergruppe sein,<br />
die Unterhaltung und Abwechslung vom<br />
Alltag bringen. Die Nachbarn werden eingeladen,<br />
jeder bringt etwas mit und die Charaktere<br />
genießen die volle Aufmerksamkeit<br />
von mehr als drei Dutzend Dorfbewohnern,<br />
die mit gerunzelter Stirn oder glänzenden<br />
Augen den Geschichten lauschen, die sie zu<br />
hören bekommen.<br />
Kindheit und Jugend –<br />
Männer und Frauen<br />
Alle im Dorf nehmen nach ihren Möglichkeiten<br />
am Leben und Überleben teil. Kinder<br />
werden im Säuglingsalter von den Großeltern<br />
oder älteren Geschwistern betreut oder<br />
sind in der Nähe der Mutter zu finden. Hier<br />
ist es nicht selten, dass ein Kind, das gerade<br />
laufen lernt, einfach mit einem Strick um den<br />
Fuß an einen Baum gebunden und sich selber<br />
überlassen wird. Sobald Kinder alt genug<br />
sind, müssen sie mithelfen. Auf dem Dorf<br />
gibt es immer Möglichkeiten für ein Kind zu<br />
arbeiten: Gänse hüten oder das Aufsammeln<br />
von Getreideähren (Ährenlesen), das Sammeln<br />
von Brennholz oder Beeren und Pilzen.<br />
Auch kleinere Arbeiten auf dem Feld oder auf<br />
dem Hof fallen unter die Verantwortung der<br />
Kinder. Und natürlich müssen die Älteren auf<br />
ihre jüngeren Geschwister acht geben. Auch<br />
gilt es recht schnell, das Gewerbe von Vater<br />
oder Onkel zu lernen und zu wissen, wie man<br />
einen Hof führt, ein Fass macht oder Holz bearbeitet.<br />
Bereits mit zwölf Jahren unterscheidet<br />
sich der Alltag des Kindes nicht mehr<br />
groß von dem seiner Eltern.<br />
Jungen werden im Alter von 15 bis 18,<br />
Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren verheiratet.<br />
Handwerker heiraten etwas später,<br />
da sie erst noch ein paar Jahre auf die Wanderschaft<br />
(Walz) geschickt werden, um in<br />
der Ferne weiter zu lernen. Diese Walz ist<br />
für einige bekannte Helden der erste Schritt<br />
aus dem Dorf gewesen. Und so hat oft ein<br />
16-Jähriger Böttcher das Dorf verlassen, um<br />
zehn Jahre später als erfahrener Held zurück<br />
zu kehren und von Abenteuern in fernen Ländern<br />
zu berichten. Den Hobel hat er gegen<br />
das Schwert getauscht und die Alten schütteln<br />
missbilligend den Kopf, da er den jungen<br />
Burschen Flausen in den Kopf setzt.<br />
Hochzeiten werden meist von den Eltern<br />
arrangiert. Meist wissen alle seit Jahren,<br />
wen sie heiraten werden, da man zusammen<br />
aufwächst und man absehen kann, wann<br />
welcher Junge und welches Mädchen im<br />
richtigen Alter sind. Manchmal werden die<br />
jungen Männer auch ausgeschickt, um in anderen<br />
Dörfern auf Brautschau zu gehen. Dort<br />
werden Tanzveranstaltungen abgehalten, zu<br />
dem junge Männer und Frauen aus den anliegenden<br />
Dörfern kommen, um sich kennen zu<br />
lernen. Alles weitere organisieren dann die<br />
Eltern der Brautleute. Man lebt zusammen<br />
Seite 19
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DAS FANTASY DORF<br />
mit den Eltern des Bräutigams auf deren Hof.<br />
Und schon bald nach der Hochzeit werden<br />
die ersten Kinder gezeugt.<br />
Während Männer sich um den Broterwerb<br />
kümmern, in der Werkstatt und auf den Feldern<br />
arbeiten, ernten und Holz schlagen,<br />
Häuser bauen und die Belange der Familie<br />
nach außen hin tragen, kümmern sich die<br />
Frauen um die Familie, das Essen, Haus und<br />
Hof, Vieh und Gemüsebeete, Kleidung und<br />
Gesundheit und gehen ihren Männern dort<br />
zur Hand, wo sie können und noch geringe<br />
Zeitreserven haben. Je nach Kultur und Bildungsgrad,<br />
Wirtschaft und Lage gibt es eine<br />
klare Rollentrennung. So werden alle, die<br />
die Rollenbilder durchbrechen wollen, in der<br />
Dorfgemeinschaft auf Vorbehalte und Ablehnung<br />
stoßen. Auch Personen, die von Außen<br />
kommen, wird man mit Vorsicht begegnen.<br />
So ist der reisende Krieger ein willkommener<br />
Gast, ist es jedoch eine Frau, die ihr Schwert<br />
um die Hüfte gegürtet hat, so kann dies,<br />
trotz aller Gleichberechtigung, zu Fragen<br />
führen. Anders wird nur, wer nicht normal<br />
sein kann – Kriegerin wird nur, wer keinen<br />
Mann findet.<br />
Wer alt ist, hat einst die Jungen ernährt<br />
und fordert nun das Recht ein, ernährt zu<br />
werden. Doch nur selten kann man sich erlauben,<br />
untätig am Feuer zu sitzen. Man<br />
steht der jüngeren Generation mit Rat und<br />
Tat zur Seite. Arbeit in der Küche oder im<br />
Stall, im Haus und mit den Kindern wird oft<br />
dem Großmüttern oder Großtanten überlassen,<br />
solange die Mutter der Familie noch<br />
kräftig genug ist, um anderswo anzupacken.<br />
Alte Männer arbeiten so lange es geht wie<br />
alle anderen Männer. Wenn dies nicht mehr<br />
geht, so werden leichtere Arbeitsfelder für<br />
sie gefunden und sie stehen mit ihrer Erfahrung<br />
und ihrem Rat zur Seite. Man wird geboren,<br />
arbeitet und stirbt. Dazwischen gibt<br />
es Zeiten für Schlaf, Nahrung und Gebet.<br />
Sie ritten in das Dorf am Fluss. Ein paar Häuser,<br />
gebaut aus dem grauen Stein, der überall<br />
zu sehen war, und Holz, waren scheinbar<br />
wahllos zwischen ein paar Wege geworfen.<br />
Die Reisenden hatten sich nicht die Mühe gemacht,<br />
den Namen der Siedlung zu erfahren.<br />
Es regnete und sie wollten nur einen trockenen<br />
Schlafplatz, egal wie diesen Name war. An<br />
einigen Türen hingen verwelkende Girlanden<br />
aus grünen Zweigen, Reste irgendeines Festes.<br />
Eine der Türen ging auf und ein Mann mit den<br />
Schultern eines Bärs und dem Gesicht so hässlich<br />
wie keine Hure in keinem Hafenbordell<br />
musterte die Reisenden schweigsam. Dann<br />
winkte er sie zu sich hinein und wies ihnen mit<br />
knappen Worten einen Schlafplatz im oberen<br />
Geschoss zu. Die Pferde verbrachten die Nacht<br />
in einem Schuppen.<br />
Den Namen ihres Gastgebers erfuhren sie<br />
nicht, nur dass der Ort Laubdorf hieß. Er war<br />
Schmied und vermietete Schlafgelegenheiten.<br />
Später brachte eine alte Frau einen Eintopf, für<br />
den sie ihr ein paar Münzen gaben. Das Essen<br />
war gut. Neugierige Kinder steckten ihre Köpfe<br />
zum Fenster und zur Tür hinein und betrachteten<br />
sie, verschwanden aber sofort kichernd,<br />
wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkte.<br />
Später, als der Regen aufgehört hatte, spielte<br />
einer der Reisenden Harfe und sang auf dem<br />
Dorfplatz. Das tat er, weil er sich gerne im Mittelpunkt<br />
stehen sah, aber die meisten Dorfbewohner<br />
setzen sich einen Moment lang vor<br />
ihre Haustüren und lauschten. Sie schliefen<br />
und wurden durch einen Hahn geweckt, der<br />
irgendwo krähte und das Dorf in den Tag hinein<br />
riss. Die alte Frau, die bereits den Eintopf<br />
gebracht hatte, servierte aufgebackenes Brot<br />
und ein paar Eier, sowie Nüsse und süße, kleine<br />
Äpfel.<br />
Dann brachen sie wieder auf. Hinter der<br />
nächsten Biegung hatten sie Laubdorf bereits<br />
wieder vergessen und fragten sich, wo sie die<br />
kommende Nacht verbringen würden. •<br />
Abenteuerwettbewerb 2008<br />
Seite 20<br />
Schon früher haben wir immer mal wieder<br />
einen Abenteuerwettbewerb ausgeschrieben<br />
und die besten Abenteuer dann<br />
in der <strong>Anduin</strong> veröffentlicht. Stets war ein<br />
bestimmtes Thema oder zumindest einige<br />
Schlüsselwörter vorgegeben, an die sich die<br />
Autoren halten mussten. Auch im Jahr 2008<br />
wollen wir wieder einen Abenteuerwettbewerb<br />
ausschreiben.<br />
Thema: Crossover<br />
Erklärung: Es müssen mindestens zwei klassische<br />
und meist getrennte Themengebiete<br />
miteinander gemischt werden. Beispielsweise<br />
Vampire im Weltraum, Cowboys im Weltraum,<br />
Drachen in der Jetztzeit, Raumpiraten<br />
in einer Fantasywelt, Klischeepiraten in einer<br />
Comicwelt, Superhelden auf einer Raumstation,<br />
klassische Abenteurer/Schatzsucher in<br />
New York, etc. Je geschickter und wilder diese<br />
Themengebiete gemischt werden, desto<br />
höher die Chancen auf den Sieg.<br />
Zusätzlich müssen aber noch ein paar formale<br />
Dinge beachtet werden:<br />
• Das Abenteuer muss ein One-Shot mit<br />
vorgefertigten Charakteren (3 bis 5)<br />
sein.<br />
• Das Abenteuer muss systemunabhängig<br />
geschrieben sein.<br />
• Die Länge sollte zwischen 20.000 und<br />
100.000 Zeichen (ohne Leerzeichen)<br />
betragen.<br />
• Das Abenteuer ist als Word, OpenOffice,<br />
RTF oder reines Textdokument abzugeben.<br />
• Die Richtlinien im Abenteuerleitfaden<br />
(siehe <strong>Anduin</strong> 94) sind zu beachten.<br />
Abgabeschluss: 31.08.2008 – 23:59 Uhr<br />
Teilnehmer können gerne vorab eine max.<br />
5000 Zeichen lange Zusammenfassung per E-<br />
Mail an mich schicken, damit ich kurz prüfen<br />
kann, ob sich die Idee im Rahmen der Vorgabe<br />
bewegt.<br />
Die beiden besten Abenteuer werden in<br />
der <strong>Anduin</strong> 97 veröffentlicht – eventuelle<br />
weitere gute Einsendungen können in späteren<br />
Ausgaben veröffentlicht werden. Für die<br />
ersten beiden Plätze gibt es eine Urkunde,<br />
Ruhm und sogar einen Sachpreis!<br />
Der Rechtweg ist ausgeschlossen. Eine<br />
Jury bestehend aus drei engen Mitarbeitern<br />
der <strong>Anduin</strong> (darunter ich) werden die Abenteuer<br />
beurteilen.<br />
Fragen, Hinweise, Anmerkungen und gerne<br />
auch Teilnahmeankündigungen könnt<br />
Ihr uns gerne in unserem Forum schreiben:<br />
www.tanelorn.net •<br />
Lesen & Spielen
HAKIMS KOCHECKE<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
HAKIMS<br />
KOCHECKE<br />
LECKERE REZEPTE FÜR EURE ROLLENSPIELRUNDE<br />
TEXT: STEFAN HOLZMAIER<br />
Tomatensuppe<br />
mit Reis<br />
100 g Langkornreis in kochendes Wasser<br />
geben, wieder zum Kochen bringen und 15<br />
Minuten aufquellen lassen. In der Zwischenzeit<br />
2 Zwiebeln und 1 Knoblauchzehe abziehen<br />
und in Würfel schneiden. 1 EL Olivenöl in<br />
einem großen Topf erhitzen und Zwiebel- und<br />
Knoblauchwürfel darin andünsten. 500 g Tomaten<br />
(passiert oder frisch, enthäutet), 250<br />
ml Wasser und 1 EL gekörnte Gemüsebrühe<br />
hinzufügen und alles zum Kochen bringen.<br />
Nach 10 Minuten 1 TL Tomatenmark unterrühren<br />
und mit 1 TL Paprikapulver, 1 Prise<br />
Cayennepfeffer und 1 TL Zucker würzen.<br />
Den gegarten Reis hinzufügen und erwärmen.<br />
Suppe mit etwas gehackter Petersilie<br />
bestreuen.<br />
Je nach Geschmack ein ungesüßtes Sahneoder<br />
Crème-fraîche-Häubchen auf die Suppe<br />
geben.<br />
Pochiertes Ei<br />
AUF Ciabatta<br />
Von 1 Ciabattabrot der Länge nach 4 zirka<br />
2 Millimeter dicke Scheiben abschneiden.<br />
Damit das Brot dafür weich genug ist, sollte<br />
es am Vortag in Klarsichtfolie gewickelt<br />
werden. 2 Liter Wasser mit 100 ml Essig in<br />
einem breiten Topf aufkochen. 4 Eier einzeln<br />
in Tassen aufschlagen. Das Wasser mit einem<br />
Kochlöffel rühren, bis sich ein kleiner Strudel<br />
bildet. Jeweils ein Ei hineingleiten lassen und<br />
etwa 2 Minuten pochieren. Das Eiweiß soll<br />
dann fest, der Dotter jedoch noch flüssig<br />
sein. Die Eier vorsichtig herausheben, sofort<br />
in kaltem Wasser abschrecken, gut trocken<br />
tupfen, mit Salz und schwarzem Pfeffer aus<br />
der Mühle würzen.<br />
Die pochierten Eier danach je mit 1 fein geschnittenen<br />
Scheibe Parmaschinken umhüllen<br />
und in eine Ciabattascheibe einschlagen.<br />
In eine heiße Pfanne etwas Öl geben und darin<br />
von beiden Seiten goldgelb braten.<br />
Lesen & Spielen<br />
Mangoparfait<br />
3 frische Mangos vom Kern lösen und<br />
schälen. Vom Mangofleisch 100 g grobe<br />
Stücke wegnehmen und pürieren. Den Rest<br />
Mango für die Garnitur kalt stellen. Zum<br />
Püree nach Geschmack Zucker hinzugeben<br />
und gut mixen, bis sich der Zucker vollständig<br />
aufgelöst hat. Das Eigelb von 6 Eiern mit<br />
1/3 von 500 ml Sahne über einem Wasserbad<br />
rührend erhitzen, bis es bindet. Auf Eis stellen<br />
und langsam kalt rühren.<br />
Mangopüree einrühren. Rest der Sahne<br />
aufschlagen. Davon 1/3 in die Masse einrühren.<br />
Danach die restlichen 2/3 der Sahne vorsichtig<br />
unterheben, so dass ein schönes Volumen<br />
entsteht. Masse in Förmchen füllen und<br />
für etwa 1/2 Tag in den Tiefkühler stellen, bis<br />
sie gut durchgefroren ist.<br />
Zum Anrichten Mangofleisch dekorativ auf<br />
einem Teller verteilen und das Parfait darauf<br />
stürzen.<br />
Grünkohl-<br />
Eintopf<br />
1 kg geputzten Grünkohl verlesen, gründlich<br />
waschen und portionsweise etwa 3 Minuten<br />
in reichlich kochendem Salzwasser<br />
blanchieren. Abtropfen lassen, grob hacken.<br />
2 mittelgrosse Zwiebeln schälen und würfeln.<br />
2 EL Butterschmalz in einem Topf erhitzen,<br />
die Zwiebeln darin anbraten. Grünkohl<br />
zugeben und zirka 1 1/2 l Wasser zugießen.<br />
Aufkochen und 2–3 EL gekörnte Gemüsebrühe<br />
einrühren. Zugedeckt etwa 1 Stunde<br />
kochen.<br />
750 g Kartoffeln schälen, waschen und in<br />
Stücke schneiden. 4 Mettwürste (etwa 300<br />
g) mit den Kartoffeln etwa 30 Minuten vor<br />
Ende der Garzeit zum Grünkohl geben und<br />
mitgaren. Eventuell 1 EL Senfkörner in einer<br />
Pfanne ohne Fett kurz rösten und zugeben.<br />
Grünkohl mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken,<br />
die Würste halbieren.<br />
Grünes<br />
Fondue<br />
1,5 kg Zucchini waschen und grob raspeln.<br />
3 Knoblauchzehen schälen und in Scheiben<br />
schneiden. 5 Thymianzweige waschen, trocken<br />
schütteln und zupfen. Alles zusammen<br />
mit 3 bis 4 EL Olivenöl bei schwacher Hitze<br />
zugedeckt 50 bis 60 Minuten dünsten, bis<br />
das Gemüse völlig zerfällt.<br />
150 g Gruyère entrinden und reiben, unter<br />
die Zucchini rühren und das Ganze in tiefen<br />
Tellern mit Weißbrot zum Tunken servieren.<br />
Mohnnudeln<br />
1 kg mehlige Kartoffeln schälen, in Salzwasser<br />
gar kochen, Wasser abgießen und die<br />
zerdrückten Kartoffeln im heißen Ofen (200<br />
Grad) ca. 20 Minuten dämpfen. Die Kartoffeln<br />
mit 150 g Mehl und 1 Ei gut verkneten<br />
und etwas ruhen lassen.<br />
Aus dem Teig fingergroße Nudeln formen,<br />
in eine gebutterte Pfanne geben, mit 150 g<br />
gemahlenem Mohn bestreuen und kurz im<br />
heißen Ofen (immer noch 200 Grad) dünsten.<br />
Mit etwas Puderzucker bestreuen und<br />
servieren.<br />
Fränkische<br />
Kürbissuppe<br />
Fleisch von 1 Speisekürbis in Stücke schneiden,<br />
1 Zwiebel klein würfeln, in 2 EL Margarine<br />
glasig dünsten. Mit 1 l Gemüsebrühe<br />
aufgießen, die Kürbisstücke dazugeben und<br />
weich kochen, pürieren, mit Salz, Pfeffer<br />
und dem Saft einer halben Zitrone würzen.<br />
Anschließend 1/8 l süsse Sahne unterrühren<br />
(die Suppe darf nicht mehr kochen), auf Teller<br />
geben.<br />
Zum Schluss mit in 100 g Butter gerösteten<br />
Brotwürfelchen garnieren und mit 1 EL<br />
Rosenpaprikapulver bestreuen. •<br />
Seite 21
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
Das Böse<br />
über der Stadt<br />
EIN ABENTEUER FÜR ARCANE CODEX®<br />
TEXT: JOACHIM A. HAGEN<br />
ILLUSTRATION: JENNIFER LANGE, DANIELA KUFNER<br />
Einführung<br />
Willkommen in Kreijor, Fremder. Vor Jahrtausenden<br />
wandelten die Götter selbst auf<br />
diesem Boden, und noch heute kannst Du ihr<br />
Wirken in dieser Welt erkennen. In diesen Landen<br />
magst Du mit Geschick, Klugheit und Mut<br />
Ruhm und Reichtum erringen – oder ein einsames<br />
Grab in der Wildnis.<br />
“Das Böse über der Stadt” ist ein Abenteuer<br />
für das epische Dark Fantasy-Rollenspiel<br />
Arcane Codex®, das dem Spielleiter die wichtigsten<br />
Ereignisse der Episode an die Hand<br />
gibt. Die weitere Feinarbeit, die sich als Reaktion<br />
auf die Handlungen der Spieler ergibt,<br />
liegt dann bei ihm. Das Szenario kann in fast<br />
jedem Land gespielt werden – in Vargothia<br />
beispielsweise könnte die namensgebende<br />
Stadt Murnau heißen – und ist nicht auf eine<br />
bestimmte Gruppe von Charakteren festgelegt.<br />
Die Einbindung der Spielercharaktere<br />
muss sich jedoch nach Art der Gruppe verändern.<br />
“Das Böse über der Stadt” geht schwerpunktmäßig<br />
davon aus, dass die Titel gebende<br />
Stadt den Charakteren bekannt ist – zum<br />
Beispiel ihre Heimatstadt – und dass sie ein<br />
persönliches Interesse an deren Fortbestand<br />
haben.<br />
Der Hintergrund<br />
Ein Kult plant, eine finstere Wesenheit<br />
namens Daenethor zu beschwören.<br />
Daenethor kann ein mächtiger Dämon<br />
aus dem Abgrund sein, aber auch ein<br />
vergessener Gott, welcher in Vergessenheit<br />
geraten ist und nur noch als Schatten seines<br />
einstigen Selbst existiert. Ob Daenthor wirklich<br />
ein Gott ist, der nur lokal bzw. regional<br />
verehrt wurde, oder eine Wesenheit, die sich<br />
als Gott verehren ließ bzw. die Rolle eines<br />
Gottes annahm, das bleibt dem Spielleiter<br />
überlassen oder einfach ungewiss.<br />
Bei dem Kult handelt es sich um die Nachfahren<br />
einstiger Anhänger Daenethors, welche<br />
die untergegangene Stadt Szannesh<br />
Seite 22<br />
bewohnten. Die früheren Kultisten wurden<br />
durch die Angehörigen der gegenwärtigen<br />
Religionen als Ketzer bzw. Dämonenanbeter<br />
verfolgt und fast völlig ausgelöscht. Auch das<br />
Wissen des Kultes wurde ein Opfer der Flammen,<br />
und nur einige alte Zeugnisse existieren<br />
noch in den vergilbenden Archiven einiger<br />
Tempel. Der Kult, seiner Macht beraubt, geriet<br />
in Vergessenheit, und so geschah es auch<br />
mit Daenethor. Nur einige Kultisten überlebten,<br />
über die Lande verstreut, und gaben ihr<br />
Wissen unter dem Siegel der Verschwiegenheit<br />
über die Jahrhunderte (oder Jahrtausende)<br />
hinweg an ihre Nachkommen weiter.<br />
Einem dieser Daenethor-Anhänger ist es<br />
gelungen, im Laufe der letzten zehn Jahre<br />
wieder einen geheimen Kult zu errichten,<br />
welcher in der Stadt, in der diese Geschichte<br />
spielt, beheimatet ist. Fast sein ganzes<br />
Leben hat dieses Kult-Oberhaupt damit verbracht,<br />
das verstreute schriftliche Wissen<br />
um Daenethor durch Bestechung, Diebstahl,<br />
Erpressung und sogar Mord in seinen Besitz<br />
zu bringen. Insbesondere half ihm dabei die<br />
Erkenntnis, dass die jetzige Stadt über den<br />
Ruinen des alten Szannesh erbaut wurde.<br />
Teile von Szannesh existieren noch in unterirdischen<br />
Hohlräumen und werden unter<br />
anderem von den Kriminellen der Stadt als<br />
Verstecke benutzt. Diese Räume sind sozusagen<br />
die Obergeschosse der einstigen Häuser,<br />
und man kann noch weiter hinab. Tief<br />
unten in diesem Labyrinth aus verschütteten<br />
und eingestürzten Gemäuern liegt der Tempel<br />
des Daenethor, oder vielmehr, was noch<br />
davon übrig ist. Die geheimen Kammern des<br />
Tempels, die von der Zerstörung verschont<br />
blieben, enthielten die Kunde von Ritualen,<br />
mit denen Daenethor verehrt wurde, und<br />
sogar solche, mit denen er in die materielle<br />
Welt gerufen werden kann.<br />
Der Kult betreibt jetzt aktiv die Rückkehr<br />
Daenethors. Mit Blutopfern wird ein neuer<br />
Tempel geweiht und für die endgültige Herbeirufung<br />
Daenethors vorbereitet.<br />
Die Handlung<br />
im Überblick<br />
1. Akt<br />
Bei der Untersuchung einer vermeintlichen<br />
Krankheit, welche in einem Stadtviertel grassiert,<br />
finden die Spielercharaktere eine rituell<br />
verstümmelte Leiche in einem Brunnen. Die<br />
dabei verwendeten Symbole erweisen sich<br />
nach einigen Recherchen schließlich als Zeichen<br />
eines uralten Kultes, der schon lange als<br />
zerstört gilt.<br />
Als die Kultisten ein weiteres Opfern entführen,<br />
um es rituell zu schlachten, kommt<br />
die Stadtwache dazwischen. Einer der Kultisten<br />
wird dabei verletzt und hinterlässt eine<br />
Blutspur, welche vor dem Haus eines wohlhabenden<br />
Bürgers – Damian Fogg – endet.<br />
Eine Untersuchung des Hauses ergibt nichts;<br />
Fogg ist nichts nachzuweisen. In der gleichen<br />
Nacht entführt der Kult ein weiteres Opfer.<br />
Die Charaktere werden vermutlich jetzt<br />
Fogg beschatten. Gegen Sonnenuntergang<br />
verlässt er seine Haus, um einen Freund um<br />
Mitbruder im Kult zu besuchen. Durch einen<br />
Geheimgang in dessen Keller gelangen sie in<br />
ein Gebäude in der Nachbarstraße und begeben<br />
sich von dort aus in den Tempel des<br />
Kultes, der in einem abgelegenen Gebäude<br />
am Stadtrand liegt, welches als Lagerhaus<br />
benutzt wird.<br />
Als die Charaktere das Gebäude stürmen,<br />
ist das Ritual bereits vollzogen. Einige der<br />
Kultisten – darunter Fogg – kämpfen bis zum<br />
Tode. Er stirbt mit dem Wort “Daenethor!”<br />
auf den Lippen. Die gefangenen Kultisten<br />
werden verhört, wissen aber nichts zu sagen,<br />
und enden auf dem Schafott oder dem Scheiterhaufen.<br />
2. Akt<br />
Obgleich die Charaktere meinen, das Ritual<br />
verhindert zu haben, wurde Daenethor erfolgreich<br />
beschworen. Seine Essenz schwebt<br />
unsichtbar über der Stadt und fördert eine<br />
gereizte Atmosphäre, in der die Menschen<br />
Abenteuer
DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
über Wochen hinweg immer hartherzige,<br />
streitsüchtiger und gewalttätiger werden.<br />
Die Ausschreitungen machen schließlich ein<br />
härteres Durchgreifen der städtischen Autoritäten<br />
– unter anderem eine nächtliche<br />
Ausgangssperre – von Nöten. Die Stadtwache,<br />
die auch unter dem unheilvollen Einfluss<br />
leidet, macht sich durch ihr hartes Vorgehen<br />
alles andere als beliebt, was den Unmut der<br />
Bevölkerung noch weiter schürt. Es entsteht<br />
ein explosives Klima von Furcht, Misstrauen<br />
und Hass. Dies stellt den idealen Nährboden<br />
für radikale Gruppen dar, welche einen Umsturz<br />
planen.<br />
Die Spielercharaktere finden mittlerweile<br />
heraus, dass die Kultisten eine Wesenheit<br />
namens Daenethor verehrten. Die rituellen<br />
Zeichen auf den geopfertem Menschen können<br />
schließlich als diesem Kult zugehörig<br />
identifiziert werden. Weitere Nachforschungen<br />
über den Daenethor-Kult bringen die<br />
Charaktere auf die Spur der Stadt Szannesh.<br />
Am Ende bekommen sie heraus, dass diese<br />
untere der jetzigen Stadt liegt.<br />
Es beginnt ein Abstieg in die Unterwelt. In<br />
den Ruinen von Szannesh stoßen die Charaktere<br />
auf entflohene Verbrecher sowie eine<br />
Gruppe Ghule, die seit Jahren unter der Stadt<br />
dahinvegetiert.<br />
Im Tempel des Daenethor finden die Charaktere<br />
dann alte Dokumente, deren Sprache<br />
erst entschlüsselt werden muss. Die<br />
Aufzeichnungen, die das verstorbene Kultoberhaupt<br />
Damian Fogg hinterlassen hat,<br />
sind dabei eine große Hilfe.<br />
3. Akt<br />
Die Spannungen in der Bevölkerung spitzen<br />
sich zu. Die Obrigkeit greift immer härter<br />
durch, um Ruhe und Ordnung zu gewährleisten.<br />
Unangemessen harte Gerichtsurteile<br />
und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung.<br />
Die Bevölkerung steht am Rande der<br />
Revolution.<br />
Durch die Übersetzung der alten Schriften<br />
erfahren die Charaktere von der Religion um<br />
Daenethor, der in menschlicher Gestalt über<br />
einen nach seinen Richtlinie aufgebauten, totalitären<br />
Stadtstaat herrschte. Ihnen wird bewusst,<br />
dass Daenethor von dem damaligen<br />
Herrscher der Stadt Besitz ergriff, um einen<br />
Bürgerkrieg zu beenden und von da an als<br />
Gottkönig der Stadt Szannesh verehrt wurde.<br />
Die Ähnlichkeit zu der Situation in der aktuellen<br />
Stadt lässt vermuten, dass Daenethor<br />
absichtlich ein Klima der Gewalt schafft, das<br />
in einen Bürgeraufstand mündet, um dann<br />
den Herrscher der Stadt zu übernehmen,<br />
den Aufstand blutig niederzuschlagen und<br />
QUELLE<br />
Dieses Abenteuer erschien bereits im<br />
Fanzine Artefakt und wird im rahmen<br />
der <strong>Anduin</strong> mit freundlicher Genehmigung<br />
der Redaktion und des Autoren<br />
veröffentlicht.<br />
sich dann als Erlöser feiern zu lassen, der<br />
schließlich mit eiserner Faust über die Stadt<br />
herrschen wird.<br />
Was die Charaktere nicht wissen: Daenethor<br />
ist tatsächlich für die vergiftete Atmosphäre<br />
in der Stadt verantwortlich; er benötigt<br />
jedoch die emotionale Energie eines<br />
Aufstandes, um genug Kraft zu entwickeln,<br />
um sich in einem Menschen zu inkarnieren.<br />
Der auserwählte Körper ist während der dreißig<br />
Sekunden der Übernahme noch normal<br />
verwundbar, danach erhält er unglaubliche<br />
Macht.<br />
Den Charakteren stehen jetzt mehrere<br />
Lösungswege offen: Vielleicht ziehen sie es<br />
vor, durch Verhandlungen den Aufstand im<br />
Keim zu ersticken; damit schieben sie aber<br />
Daenethors Rückkehr nur hinaus. Oder sie<br />
warten, bis er vom Gebieter der Stadt Besitz<br />
ergreift und töten diesen dann. Damit<br />
machen sie sich aber des Mordes schuldig,<br />
Abenteuer<br />
Seite 23
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
und niemand wird ihnen glauben. Oder sie<br />
überlassen die Stadt einfach ihrem Schicksal<br />
und wenden der Heimkehr des Bösen den<br />
Rücken zu.<br />
1. Akt<br />
Zur Einweihung ihres Tempels verrichten<br />
die Anhänger des Daenethor<br />
Blutopfer. Die etwas unterbelichteten<br />
Kultisten, die mit der Entsorgung einer<br />
der Leichen beauftragt waren, warfen<br />
diese einfach mit Gewichten beschwert in<br />
den nächsten Stadtbrunnen. Durch die fortschreitende<br />
Verwesung des Leichnams wurde<br />
das Brunnenwasser vergiftet. Infolgedessen<br />
leiden die Einwohner des Stadtteils, die<br />
aus dem Brunnen ihr Trink- und Kochwasser<br />
schöpfen, unter einer schleichenden Vergiftung,<br />
die nach außen hin als mysteriöse<br />
Krankheit wahrgenommen wird.<br />
Auftritt der Spielercharaktere<br />
Die Charaktere untersuchen die seltsamen<br />
Krankheitsfälle in dem betroffenen Stadtviertel.<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten,<br />
sie in diese Angelegenheit zu verwickeln: Ein<br />
Heiler oder Priester wird auf die Situation im<br />
Viertel aufmerksam gemacht und um Hilfe<br />
gebeten. Ein wohlhabender Bürger, der mit<br />
seiner gesamten Familie von der “Krankheit”<br />
betroffen ist, setzt eine Belohnung in Höhe<br />
von 500 Kupfermünzen für denjenigen aus,<br />
der herausfindet, was die Art und Ursache<br />
der Erkrankung ist; das könnte ein Einstieg<br />
für Abenteurer sein. Stehen die Charaktere<br />
im Dienste von Recht und Ordnung – Ritter,<br />
Paladine, Dämonenjäger oder ähnliches – so<br />
tritt die Obrigkeit an sie heran und ersucht<br />
um ihre Unterstützung. Ob es dabei eine<br />
finanzielle Vergütung gibt und in welcher<br />
Höhe, das bleibt dem Spielleiter überlassen.<br />
Handelt es sich bei den Charakteren um<br />
Durchreisende, so steigen sie zufällig in einem<br />
Gasthaus an, welches in dem betroffenen<br />
Stadtviertel liegt. Beim Essen fällt ihnen<br />
auf, dass alle Gäste irgendwie kränklich aussehen.<br />
Am nächsten Tag geht es ihnen selber<br />
schlecht, da ihr Essen mit dem Brunnenwasser<br />
gekocht wurde. Auf Nachfrage erfahren<br />
sie von der Krankheit, die in dem Viertel um<br />
sich greift.<br />
Ermittlungen<br />
Die Nachforschungen der Charaktere erbringen<br />
folgende Erkenntnisse:<br />
Die Krankheit ist vor einigen Wochen zum<br />
erstem Mal aufgetreten. Sie ruft zunehmende<br />
Übelkeit und Schwäche hervor.<br />
Bisher hat es nur wenige Tote gegeben,<br />
ausschließlich Säuglinge (welche das Gift<br />
Seite 24<br />
durch die Muttermilch aufgenommen haben),<br />
Kleinkinder und Alte.<br />
Die einzigen, die nicht betroffen sind, sind<br />
die Säufer des Viertels. Das kommt daher,<br />
das sie kein Brunnenwasser trinken, und nur<br />
wenig essen. Und wenn, dann nichts, was mit<br />
Wasser gekocht wurde. Diese Erkenntnis soll<br />
den Charakteren nicht auf dem Silbertablett<br />
serviert werden. Vielmehr sollten sie im Gespräch<br />
mit den Trinkern beiläufig erfahren,<br />
dass diese nach eigener Aussage nie Wasser<br />
zu sich nehmen.<br />
Vor allem sollen die Ermittlungen dazu dienen,<br />
den Charaktere den Ernst der Lage in<br />
diesem Stadtviertel vor Augen zu führen.<br />
Der Tote im Brunnen<br />
Steigt ein Charakter in den Brunnen hinab,<br />
so kann er einige Meter unter der Wasseroberfläche<br />
einen Körper ausmachen. Taucht<br />
er hinab, so stellt er fest, dass der aufgedunsene<br />
Leib an Händen und Füßen mit Schnüren<br />
umwickelt ist, an denen Steine als Gewichte<br />
hängen.<br />
Kommen die Charaktere bei ihren Ermittlungen<br />
nicht auf den Brunnen, so faulen bei<br />
dem Toten die Gliedmaßen so weit ab, dass<br />
die Leiche durch die Faulgase, die sich in ihr<br />
gebildet haben, aufsteigt, und vom Nächsten,<br />
der Wasser aus dem Brunnen holen will,<br />
entdeckt wird.<br />
Autopsien gab es in Mittelalter noch nicht,<br />
aber eine Leichenbeschau des grotesk aufgequollenen<br />
und teilweise verwesten Toten<br />
ergibt immerhin Folgendes: Die Leiche ist<br />
menschlichen Geschlechts und in schäbige<br />
Kleidung gehüllt. Die Taschen der Hose sind<br />
leer, die Oberbekleidung fehlt völlig. In Brust<br />
und Bauch sind blutleere Schnitte zu erkennen,<br />
die seltsame Zeichen bilden. Die Kehle<br />
wurde mit einem scharfen Instrument durchschnitten.<br />
Die ärmliche Kleidung deutet darauf hin,<br />
dass der Tote aus schlechten Verhältnissen<br />
stammt; das abgenutzte Schuhwerk mit den<br />
löcherigen Sohlen bestätigt dies. Der Verstorbene<br />
könnte ein Land- oder Stadtstreicher<br />
gewesen sein. Die Verwendung von Gewichten,<br />
um die Leiche unter Wasser zu halten,<br />
deuten auf ein geplantes Verbrechen hin.<br />
Die seltsamen Zeichen<br />
Keiner der Charaktere und auch niemand<br />
von der Stadtwache weiß mit den seltsamen<br />
Krakeln, die in das Fleisch des Toten eingeritzt<br />
wurden, etwas anzufangen. Das zentrale<br />
Symbol ähnelt einem Kreis mit einer Art<br />
Spirale in der Mitte. Der Rand des Kreises<br />
wird durch vier gleichschenklige Dreiecke<br />
mit nach innen gerichteten Spitzen unterbrochen,<br />
die im 90-Grad-Winkel zueinander stehen.<br />
Stellt man sich den Kreis als Uhr vor, so<br />
befänden sich die Dreiecke bei halb elf, halb<br />
zwei, halb fünf und halb acht.<br />
Vermutlich führen die ersten Mutmaßungen<br />
in Richtung des Ryse-Kultes oder des<br />
“Gehörnten Mondes”. Es ist aber auch möglich,<br />
dass der Mörder sein Opfer quasi signiert<br />
hat, ihm sein Markenzeichen ins Fleisch<br />
schnitt.<br />
Am besten kopieren die Charaktere die Zeichen<br />
und beginnen mit ihren Nachforschungen.<br />
Sollten sie dabei mit der Stadtwache<br />
zusammenarbeiten, verkürzt dies die Informationsbeschaffung<br />
erheblich.<br />
Kein Bürger der Stadt, auch kein Magier,<br />
Gildenangehöriger oder Mitglied der Unterwelt<br />
kann mit den Zeichen etwas anfangen.<br />
(Die Charaktere könnten ja auch die Insassen<br />
des Gefängnisses befragen, ob die Symbole<br />
mit Verbrecherorganisationen, z.B. der Gilde<br />
der Diebe, in Zusammenhang stehen.) Früher<br />
oder später dehnen sich Ermittlungen der<br />
Charaktere wahrscheinlich auf die Tempel<br />
der verschiedenen Glaubensrichtungen aus.<br />
Den einfachen Priester sagen die Symbole<br />
auch nichts; sie verweisen in diesem Zusammenhang<br />
auf ihre Vorgesetzten, die vielleicht<br />
mehr wüssten. Eine Unterredung mit den<br />
geistlichen Würdenträgern kommt aber nur<br />
rasch zustande, falls die Charaktere zu beeindrucken<br />
verstehen oder darauf verweisen,<br />
dass sie mit der Obrigkeit – also der Stadtwache<br />
– zusammenarbeiten. Ein Priester, der innerhalb<br />
seines eigenen Ordens ermittelt, hat<br />
natürlich von vornherein bessere Karten.<br />
Sofern die Charaktere angemessen höflich<br />
und freundlich auftreten, ist man gerne<br />
bereit, ihnen bei den Ermittlungen zu helfen<br />
und in den Archiven des Tempels nachzusehen,<br />
ob dort Hinweise auf derartige Symbole<br />
existieren. Nur falls die Charaktere einen<br />
sehr guten Eindruck hinterlassen und als vertrauenswürdig<br />
angesehen werden, gestattet<br />
man ihnen selbst Zutritt zu den Archiven. Die<br />
bedeutsamen Informationen sind auf Grund<br />
ihres Alters irgendwo in der hintersten Ablage<br />
zu finden und auf mehrere Schriftrollen<br />
und Bücher verstreut. Ein suchender Charakter<br />
würfelt pro vier Stunden in den Archiven<br />
einmal auf Nachforschen mit MW 20. Je angesagtem<br />
Erfolg verringert sich die Zeit für<br />
die Nachforschungen um eine Stunde. Ein<br />
perfekter Erfolg verringert die Zeit um zwei<br />
Stunden. Die maximale Zeit, welche die Spielercharaktere<br />
in den Archiven verbringen<br />
dürfen, liegt bei acht Stunden.<br />
Es ist nicht zwangsläufig nötig, dass die<br />
Gruppe Zugang zu allen folgenden Informationen<br />
bekommt, bevor die Handlung weiter<br />
Abenteuer
DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
geht. Selbst falls die Charaktere nicht fündig<br />
werden konnten, kann die Geschichte trotzdem<br />
weiter gehen. Die Charaktere können<br />
nach Zerschlagung des Kultes gezielter mit<br />
der Recherche fortfahren und die Informationen<br />
auch erst im 2. Akt ausgraben. Entscheidend<br />
ist, dass die Handlung nicht unnötig<br />
durch fehlgeschlagene Würfe verzögert<br />
wird.<br />
Lassen die Charaktere in den Archiven<br />
nachsuchen, so legt der Spielleiter fest, wann<br />
sie welche Informationen erhalten.<br />
Folgendes ist zu finden (jeder Punkt stellt<br />
eine gefundene Information dar):<br />
• die Zeichen auf dem Toten fanden bei<br />
einem uralten Kult von Götzendienern<br />
Verwendung;<br />
• die verehrte Wesenheit hieß Daenethor;<br />
• der Kult brachte Menschenopfer dar;<br />
• das ruchlose Treiben des Kults wurde<br />
schließlich durch eine Offensive von<br />
Vertretern der “richtigen” Religionen<br />
– vor allem der Anhänger des Peiron –<br />
zerschlagen und ausgelöscht;<br />
• der Kult war nur in einer Stadt namens<br />
Szannesh heimisch, die ebenfalls vernichtet<br />
wurde und im Dunkel der Zeiten<br />
verschwand;<br />
• die ehemalige Lage von Szannesh ist<br />
nicht bekannt.<br />
Die ältesten dieser Aufzeichnungen sind in<br />
der Alten Sprache gehalten und müssen erst<br />
von einem Archivar übersetzt werden.<br />
Die Erkenntnis, dass das alte Szannesh unter<br />
der jetzigen Stadt liegt, sollte den Charakteren<br />
erst im 2. Akt zu Teil werden.<br />
Falls die Charaktere nicht von selbst auf<br />
die Idee kommen, bei den Tempeln nachzufragen,<br />
ist halt ein Mitglied der Stadtwache<br />
so schlau.<br />
Abenteuer<br />
Das nächste Opfer<br />
In einer der kommenden Nächte, jedoch<br />
nicht später als in der dritten Nacht nach Auffinden<br />
der Leiche im Brunnen, versuchen die<br />
Kultisten, ein weiteres Opfer zu entführen.<br />
Dabei handelt es sich um eine Prostituierte.<br />
Zufällig kommt gerade im rechten – oder für<br />
die Kultisten im falschen – Augenblick eine<br />
nächtliche Patrouille der Stadtwache vorbei.<br />
Einer der Kultisten wird im folgenden Handgemenge<br />
verwundet.<br />
Als der Befehlshaber der Wache davon erfährt,<br />
lässt er nach den Charakteren schicken.<br />
Dies gilt allerdings nur, falls die Charaktere<br />
bislang mit der Wache zusammengearbeitet<br />
haben. Falls nicht, so erfahren sie erst am<br />
nächsten Morgen gerüchteweise von dem<br />
Vorfall und müssen dann dem müden Wachhabenden<br />
die Informationen “aus der Nase<br />
ziehen”.<br />
Die Charaktere werden plötzlich in ihrer<br />
Nachtruhe gestört, als ein Soldat der Stadtwache<br />
an ihre Tür klopft. Er ist ziemlich außer<br />
Atem, als ob er gerannt sei. Seine Meldung<br />
ist kurz und bündig: Die Charaktere sollen<br />
sich rasch ankleiden und ihm folgen. Es habe<br />
einen Überfall gegeben, der möglicherweise<br />
für die Charaktere von Interesse sei.<br />
Der Wachsoldat führt die Gruppe dann<br />
durch die stillen Straßen der Stadt in ein Viertel,<br />
in dem unteres Bürgertum und Handwerker<br />
wohnen. Vorort werden gerade zwei Soldaten<br />
medizinisch versorgt: Einer hat einen<br />
übel blutendem Schnitt über dem Auge, der<br />
zweite einen Stich in den Bauch erhalten. Der<br />
anwesende Wachhabende klärt die Charaktere<br />
kurz über die Situation auf: Eine Hure sei<br />
auf dem Heimweg nach der Sperrstunde in<br />
den Spelunken von zwei Unbekannten überfallen<br />
und niedergeschlagen worden. Zufällig<br />
hörte eine vorbeikommende Patrouille den<br />
Schrei der Frau und überraschte die verdächtigen<br />
Personen, als sie die Bewusstlose gerade<br />
wegschleppen wollten. Auf Anruf hielten<br />
die Verdächtigen, welche die Wache bisher<br />
nicht bemerkt hatten, inne. Dann zogen sie<br />
plötzlich zwei Dolche und attackierten die<br />
Wache, bevor sie sich zur Flucht wanden.<br />
Einem der Wachsoldaten gelang es noch,<br />
einem Flüchtigen einen Schwerthieb zu versetzen.<br />
Die Wache nahm die Verfolgung auf,<br />
verlor die Fliehenden jedoch aus den Augen,<br />
weil ihr ständig Blut aus einer Wunde in die<br />
Augen lief.<br />
Eine Befragung der beiden Wachen und<br />
der Hure fördern keine weiteren Informationen<br />
zu Tage.<br />
Bei einer Untersuchung des Tatorts im<br />
Licht von Fackeln oder Öllaternen bemerken<br />
die Charaktere früher oder später eine Reihe<br />
kleiner Blutstropfen, welche offenbar von<br />
einem der Flüchtigen stammen. Die Verfolgung<br />
führt die Gruppe quer durch die Stadt<br />
und einige Hinterhöfe in eine Wohngegend<br />
für Bürger der Oberschicht. Die Verfolgung<br />
der Spur wird durch Würfe auf Aufmerksamkeit<br />
geregelt. Ein misslungener Wurf bedeutet,<br />
dass die Gruppe die Spur verliert und erst<br />
wieder den Anschluss suchen muss.<br />
Schließlich stehen die Charaktere vor dem<br />
Haus von Damian Fogg, einem Mitglied der<br />
örtlichen Handelsgilde. Das erfahren die Charaktere<br />
aber erst im Zuge weiterer Erkundigungen.<br />
Im Augenblick sehen sie nur, dass<br />
sie vor einem Haus aus Stein stehen, dessen<br />
Aufmachung auf wohlhabende Bewohner<br />
schließen lässt.<br />
Damian Fogg<br />
Damian Fogg ist ein Mitglied der örtlichen<br />
Handelsgilde und ein angesehener Sohn der<br />
Stadt, der ein kleines, aber florierendes Unternehmen<br />
aufgezogen hat. Seine Handelsreisen<br />
in den Anfangsjahren haben ihn kreuz<br />
und quer durch das Land und auch jenseits<br />
der Grenzen geführt. Mittlerweile hat Herr<br />
Fogg einige Angestellte, die für ihn auf Reisen<br />
gehen. Soweit die offiziell erhältlichen<br />
Informationen.<br />
Abgesehen davon ist Damian Fogg auch<br />
der Nachfahre des letzten Daenethor-Priesters<br />
und Oberhaupt des örtlichen Kultes,<br />
welcher nach Jahrzehnten des Forschens<br />
eine Möglichkeit gefunden hat, den Gott<br />
wieder in diese Welt zu holen. Als dessen<br />
Günstling verspricht sich Fogg davon Macht<br />
und Reichtum.<br />
Die letzten Informationen fand Fogg in<br />
den Ruinen des alten Daenethor-Tempels,<br />
welcher tief unter der Stadt in lichtlosen<br />
Höhlen ruht.<br />
Damian Foggs zwei Diener sind ebenfalls<br />
Mitglieder des Kultes und ihm treu ergeben.<br />
Die bisherigen Ereignisse<br />
Die Kultisten teilten sich auf der Flucht.<br />
Der Verwundete floh zu Fogg und berichtete<br />
ihm von seinem Scheitern. Fogg ließ ihn kurz<br />
verbinden, schnauzte dem Mann an, was ihm<br />
einfiele, hier aufzutauchen, und schärfte ihm<br />
ein, ein Ersatzopfer zu beschaffen. Dann warf<br />
er den Mann zur Hintertür hinaus. Die Blutflecken<br />
im Haus wurden sofort aufgewischt.<br />
Leider dachte in der Hitze des Gefechtes niemand<br />
daran, vor der Tür nachzusehen.<br />
Nächtlicher Besuch<br />
Falls die Charaktere die Tür von Damian<br />
Foggs Haus eintreten, aurechen oder das<br />
Schloss knacken, wird Fogg, sobald er die<br />
Eindringlinge bemerkt hat, laut zum Fenster<br />
hinaus um Hilfe schreien, was innerhalb<br />
kurzer Zeit seine Nachbarn aufschreckt und<br />
die Stadtwache auf den Plan ruft. Bis dahin<br />
stellen sich die Diener von Herrn Fogg den<br />
Charakteren mit improvisierten Waffen, wie<br />
Schüreisen, entgegnen, während Damian<br />
Fogg sich in seinem Zimmer einschließt. Bei<br />
Ankunft der Stadtwache müssen die Charaktere<br />
sich dann wegen Einbruchs und ggf.<br />
Körperverletzung oder sogar wegen Mordes<br />
verantworten. Dafür wandern sie hinter<br />
Gitter. Ein Angriff auf die Stadtwache stellt<br />
dann das Ende dieses Szenarios dar und den<br />
Beginn einer Karriere als Gesetzlose dar.<br />
Sollten die Charaktere von Mitgliedern der<br />
Stadtwache begleitet werden, so kommt ein<br />
ungesetzliches Eindringen sowieso nicht in<br />
Seite 25
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
Frage.<br />
Ein Klopfen an der Tür ruft nach einiger<br />
Zeit einen der Hausdiener auf den Plan. Die<br />
folgenden Unterredung spielt sich durch<br />
die geschlossenen Tür ab und verlangt von<br />
den Charakteren, den Mann hinreichend zu<br />
beeindrucken, einzuschüchtern oder durch<br />
reines Charisma zu überzeugen, den Charakteren<br />
Zutritt zu gewähren. Schließlich öffnet<br />
der Diener, in Schlafrock und Schlafmütze gekleidet<br />
sowie mit Kerze in der Hand, die Tür.<br />
Darauf folgt der Auftritt des Hausherren Damian<br />
Fogg, der erneut über das Anliegen der<br />
Gruppe in Kenntnis gesetzt werden muss.<br />
Fogg gestattet als gesetzestreuer Bürger<br />
natürlich eine Durchsuchung des Anwesens,<br />
die nichts zu Tage fördert. Ein aufmerksamer<br />
Charakter bemerkt die feuchten Stellen im<br />
Flur. Daraufhin angesprochen erwidert Fogg,<br />
er habe sich einen Mitternachtsimbiss geholt<br />
und dabei versehentlich Bier verschüttet. Die<br />
blutigen Tücher, mit denen der Boden aufgewischt<br />
wurde, hängen sauber ausgewaschen<br />
zum Trocknen in der Waschküche. Auch sonst<br />
gibt Damian Fogg sich keinerlei Blöße.<br />
Selbst falls eine Hausdurchsuchung die<br />
weiter unten beschriebene Kladde oder die<br />
Eingangstür zum Geheimgang zu Tage fördern<br />
sollte, reicht dies nicht aus, um Fogg zuverhaften.<br />
Den Charakterren fehlt auch jegliche<br />
Handhabe, die Kladde zu konfiszieren.<br />
Vor der Hintertür sind keine Blutspuren<br />
mehr zu finden, da die Wunde des Kultisten<br />
verbunden wurde. Die Charaktere stehen vor<br />
einer Sackgasse. Ihr einziger Anhaltspunkt ist<br />
nunmehr Damian Fogg.<br />
Falls die Charaktere Fogg scharf verhören<br />
oder gar foltern, so bleibt er bis zum nächsten<br />
Tag standhaft. Dann aber bricht er zusammen<br />
und verrät die Machenschaften der<br />
Kultisten. So erfahren die Charaktere von<br />
dem Ritual (s. Das Finale) und erreichen die<br />
Lagerhalle gerade noch rechtzeitig, um den<br />
Kultisten den Garaus zu machen. Derweil erhängt<br />
sich Damian Fogg in seiner Zelle oder<br />
ertränkt sich im Latrineneimer.<br />
Sollte einer der Charaktere es schaffen,<br />
heimlich in Damian Foggs Haus einzudringen,<br />
so findet er dort keinerlei Hinweise auf<br />
Foggs Dasein als Kultist. Eine genaue Untersuchung<br />
von Foggs Schreibtisch in seinem<br />
Arbeitszimmer – Suchen mit MW 20 – fördert<br />
eine akribisch beschriebene Kladde zu Tage,<br />
die offenbar eine Art Wörterbuch und Grammatik<br />
für eine unbekannte Sprache darstellt.<br />
Es könnte sich dabei auch um eine Geheimsprache<br />
handeln. Ein Handschriftenvergleich<br />
würde ergeben, dass die Eintragungen von<br />
Fogg stammen. Bei aufmerksamen Hinschauen<br />
(MW 17) fällt auf, dass die Tinte am Anfang<br />
Seite 26<br />
der Kladde heller ist als die auf den letzten<br />
Seiten. Ein Intelligenzwurf mit MW 15 führt<br />
zu der Erkenntnis, dass die Eintragungen offenbar<br />
lange Zeiträume auseinander liegen,<br />
weil die Tinte der früheren Paragraphen bereits<br />
auszubleichen beginnt.<br />
Bei diesem Buch handelt es sich um eine<br />
von Fogg selbst angelegte Grammatik und<br />
Wörterbuch der Alten Sprache, in der viele<br />
Aufzeichnungen über Daenethor gehalten<br />
waren.<br />
Die Utensilien für die Beschwörung bewahrt<br />
Fogg in einem gemieteten Lagerhaus<br />
auf, in dem auch die Versammlungen des Kultes<br />
stattfinden. Das Haus wurde von einem<br />
Strohmann gemietet und kann nicht mit ihm<br />
in Verbindung gebracht werden.<br />
Eine kleine Überwachung<br />
Den Charakteren bleibt nichts<br />
weiter übrig, als Damian Fogg zu<br />
überwachen oder überwachen zu<br />
lassen. Er erhält keinerlei verdächtigen<br />
Besuche oder zeigt irgendwelche<br />
auffälligen Aktivitäten. Erst gegen<br />
Abend verlässt er sein Haus, um sich zu<br />
seinem Freund – und Mit-<br />
Kultisten – Amalwin<br />
Brauer zu begeben.<br />
Dessen Domizil<br />
liegt dreihundert<br />
Meter weiter<br />
stadtauswärts.<br />
Beide Kultisten<br />
verlassen dann<br />
das Haus durch<br />
einen Geheimgang<br />
im Keller.<br />
Dabei handelt<br />
es sich genaugenommen<br />
um<br />
einen Durchbruch<br />
der Kellerwand<br />
und einen kurzen<br />
Gang, der im Keller<br />
eines Hauses endet, welches<br />
auf die Parallelstraße<br />
hinausführt. Dieses<br />
Haus gehört ebenfalls<br />
Amalwin Brauer. Der<br />
frühere Eigentümer<br />
ließ diesen Gang anlegen,<br />
damit er sich<br />
ungestört zu Schäferstündchen<br />
begeben<br />
konnte, ohne sichtbar<br />
sein Haus zu verlassen<br />
oder ein anderes zu betreten<br />
(die Zugänge zu<br />
diesem Gang sind nur<br />
durch Suchen mit MW<br />
17 zu entdecken; das schließt ein Abklopfen<br />
der Wände mit ein). Fogg und Brauer ziehen<br />
sich vor Verlassen des Hauses allerdings um,<br />
damit etwaige Verfolger verwirrt werden. Sie<br />
wiederzuerkennen setzt einen Aufmerksamkeitswurf<br />
mit MW 20 voraus.<br />
Sofern die Charaktere nicht auch die Parallelstraße<br />
beobachten oder die Kultisten trotz<br />
Beobachtung nicht erkennen, erhalten sie<br />
schließlich durch eine heranhetzende Stadtwache<br />
Bescheid, dass Fogg in der Nähe eines<br />
Lagerhauses am Stadtrand gesehen worden<br />
sei.<br />
Abenteuer
DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Sollten die Charaktere Fogg und seinen<br />
Kumpan sowieso schon verfolgen, führen die<br />
beiden die Gruppe zu besagtem Lagerhaus.<br />
Fogg und Brauer schlagen die Tür hinter sich<br />
zu und verriegeln sie. Auch im Falle einer Verfolgungsjagd<br />
sollten Fogg und Brauer sich ihren<br />
Verfolgern durch ihre bessere Ortskenntnis<br />
und für sie glückliche Umstände – ein<br />
Karren, der den Charakteren plötzlich den<br />
Weg abschneidet, ein Passant, der plötzlich<br />
den Weg kreuzt – so lange entziehen können,<br />
bis sie in dem Gebäude verschwunden<br />
sind.<br />
Das Finale<br />
Die Fenster der Lagerhalle sind von innen<br />
zugenagelt und haben eine Struktur von 16<br />
bei einer Härte von 5. Die beschlagene Tür<br />
hat eine Härte von 13 und eine Struktur von<br />
100. Die Tür ist von innen verriegelt und kann<br />
nicht mit Schlösser öffnen geöffnet werden.<br />
Sobald die Charaktere damit beginnen, Türen<br />
und Fenster einzuschlagen, weiß Fogg,<br />
dass das Spiel verloren ist. Seine einzige Hoffnung<br />
besteht darin, seinen Gott herbeizurufen,<br />
und so beschleunigt er die Beschwörung.<br />
Die übrigen Kultisten (Anzahl wie Spielercharaktere<br />
bzw. Charaktere plus Stadtwachen)<br />
bewachen derweil Tür und Fenster, um die<br />
Eindringlinge hinzuhalten. Hierbei erweisen<br />
sie sich als überraschend findig: Die Deckel<br />
alter Kisten werden beidhändig geführt als<br />
Schilde (RS 1, Härte 5, Struktur 6) gegen<br />
Fernkampfwaffen zweckentfremdet, herausgerissene<br />
Latten geben improvisierte Wurfgeschosse<br />
ab (Schaden 1w10-2) usw. Alle Kultisten<br />
sind mit einem Dolch bewaffnet und<br />
tragen normale Straßenkleidung, allenfalls<br />
verstärkte Kleidung.<br />
Den eindringenden Charakteren bietet sich<br />
ein grausiges Bild: An Wänden und Boden des<br />
Lagerhauses, das von einigen flackernden<br />
Öllampen und Kerzen erhellt wird, prangen<br />
Symbole aus getrocknetem Blut. Das größte<br />
davon, in dem Fogg steht, sieht so aus wie<br />
das Symbol auf der Leiche in dem Brunnen.<br />
Auf einer Bank in der Mitte des Symbols liegt<br />
eine weibliche Gestalt – eine weitere Prostituierte.<br />
Von ihrem bleichen Bauch hebt sich<br />
das eingeschnittene Symbol Daenethors<br />
blutrot an und aus ihrer durchtrennten Kehle<br />
sprudelt Blut in eine irdene Schale.<br />
Foggs beschwörende Stimme schwillt zu<br />
einem Crescendo an und bricht abrupt ab.<br />
Plötzlich wird es in dem Raum eisig kalt, und<br />
der Atem dampft aus den Mündern. Fogg<br />
blickt die Charaktere triumphierend an, doch<br />
sein Grienen weicht Bestürzung, als nichts<br />
weiter passiert. Sobald die Charaktere ihn<br />
angreifen, stößt er sich selbst den Dolch<br />
ins Herz. Er röchelt noch: “Daenethor…<br />
Abenteuer<br />
herrscht… Lüge”, bevor er dahinscheidet.<br />
Nach dem Selbstmord ihres Hohepriesters<br />
geben alle Kultisten ihren Widerstand auf<br />
und lassen sich festnehmen.<br />
Nachwehen<br />
Eine Durchsuchung von Damian Foggs<br />
Haus bringt die bereits oben erwähnte Kladde<br />
zum Vorschein. Die überlebenden Kultisten<br />
berichten lediglich, sie hätten von Foggs<br />
ruchlosem Treiben – den Menschenopfern<br />
– bis zum Schluss nichts gewusst. Unter der<br />
Folter gestehen sie jedoch, Damian Fogg<br />
habe eine Wesenheit namens Daenethor<br />
beschwören wollen, und sie als seine Diener<br />
wären reich belohnt worden. Sobald es um<br />
die Frage nach den Morden geht, belasten<br />
die Kultisten sich entweder gegenseitig oder<br />
den toten Fogg. Sie werden alle zum Tode<br />
auf dem Schafott oder dem Scheiterhaufen<br />
verurteilt.<br />
Falls die Charaktere die ganze Zeit über<br />
mit der Stadtwache zusammengearbeitet<br />
haben, erhalten sie eine Aufwandsentschädigung<br />
von acht Kupfermünzen pro Tag.<br />
Erfahrungs- und Ruhmpunkte<br />
Erkenntnis, dass sich die Krankheit über<br />
das Trinkwasser verbreitet: 1 EP<br />
Zutritt zu den Archiven eines Tempels<br />
ergattert: 1 EP<br />
Teilnahme an der Zerschlagung des<br />
Kultes: 1 RP<br />
Stattdessen oder zusätzlich können auch<br />
die Regeln im Grundregelwerk S. 333f verwendet<br />
werden. Ein Charakter sollte für<br />
diesen Spielabschnitt nicht mehr als vier Erfahrungspunkte<br />
erhalten, es sei denn, er hat<br />
ein herausragendes Verhalten an den Tag<br />
gelegt.<br />
2. Akt<br />
Nachdem den Kultisten das Handwerk<br />
gelegt wurde, scheint die Gefahr gebannt.<br />
Doch der Schein trügt: Daenathor<br />
ist erfolgreich beschworen worden, und<br />
sein übler Einfluss macht sich zunehmend im<br />
Stadtgebiet bemerkbar. Damit die Charaktere<br />
aber Zeuge der weiteren Geschehnisse<br />
werden können, muss der Spielleiter sie zunächst<br />
an der Abreise hindern. Die Durchsuchung<br />
von Damian Foggs Haus, die Verhöre<br />
der Kultisten sowie der anschließende Prozess,<br />
bei dem die Charaktere als Zeuge der<br />
Anklage auftreten, und die abschließende<br />
Hinrichtung all das sollte wenigstens eine Woche<br />
in Anspruch nehmen. Zusätzlich gewährt<br />
der Fürst, der von der Stadt aus das Umland<br />
regiert, den Charakteren eine Audienz, da er<br />
sie persönlich kennen lernen möchte. Diese<br />
Audienz ist für das Ende der zweiten Woche<br />
angesetzt, und es wäre äußerst unhöflich,<br />
diese auszuschlagen.<br />
Während ihres Aufenthaltes könnten die<br />
Charaktere die Zeit nutzen, um in den Tempelarchiven<br />
zu stöbern und mehr über den<br />
Kult des Daenethor herauszubekommen.<br />
Die Lage spitzt sich zu<br />
In den kommenden zwei Wochen wird sich<br />
die Atmosphäre in der Stadt unter dem Einfluss<br />
Daenethors deutlich zum Schlechtem<br />
verändern. Schließlich entlädt sich der aufgestaute<br />
Groll in einem Bürgeraufstand, der<br />
Daenethors Widerkehr einläutet (s. 3. Akt).<br />
Davor sollten die Charakter in alltäglichen<br />
Szenen jedoch die zunehmende Spannung in<br />
der Stadt bemerken. Der Spielleiter kann die<br />
folgenden Vorschläge benutzen und sie nach<br />
Belieben über den zweiten Akt verteilen. Er<br />
kann aber auch eigene Zwischenfälle arrangieren.<br />
Der Aufstand findet erst nach der Rückkehr<br />
der Charaktere aus den Ruinen von Szannesh<br />
statt. Kurz vor dem Abstieg der Charaktere in<br />
die Unterwelt der Stadt sollten die Aggressionen<br />
schon weit fortgeschritten sein.<br />
Zwei Marktfrauen<br />
Zwei Marktweiber streiten sich. Das ist<br />
zwar nichts Ungewöhnliches, aber der Ton<br />
scheint doch um einiges giftiger zu sein als<br />
gewöhnlich, so als läge der Angelegenheit<br />
ein persönlicher Groll zu Grunde. Jeden Tag<br />
flammt der Streit erneut auf, und der Ton<br />
wird immer gehässiger, bis es für Ohrenzeugen<br />
nicht mehr amüsant, sondern unangenehm<br />
ist zuzuhören. Einige Tage später<br />
bewerfen sie sich mit Obst oder Gemüse,<br />
und schließlich gehen sie aufeinander los.<br />
Vielleicht blitzt auch plötzlich ein Messer in<br />
einer Faust…<br />
Das Wirtshaus<br />
In der Herberge, in der die Charaktere<br />
abgestiegen sind – mittlerweile als Gäste<br />
der Stadt, da sie Prozesszeugen sind – und<br />
in dem Wirtshaus, das die Charaktere besuchen,<br />
machen sich ebenfalls Stimmungsumschwünge<br />
bemerkbar. Das Personal wird immer<br />
mürrischer und kratzbürstiger, die Gäste<br />
werden immer wortkarger und beschweren<br />
sich laufend über Unterbringung, das Essen,<br />
die lausige Bedienung usw. Es ist, als fände<br />
jeder überall ein Haar in der Suppe. Der Wirt<br />
schnauzt wegen jeder Kleinigkeit seine Bedienungen<br />
an, auch vor Gästen, und schließlich<br />
wird auch die eine oder andere Ohrfeige<br />
ausgeteilt.<br />
Eine Schankmagd erhält von einem Gast<br />
einen Backenstreich, weil das Bier angeblich<br />
Seite 27
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
unsauber gezapft sei. Ein zweiter Gast schreitet<br />
zur Rettung der jungen Frau, indem er<br />
dem ersten eins mit dem Bierkrug überzieht.<br />
Und schon ist die schönste Schlägerei im Gange,<br />
die auf den Rest des Lokals übergreift.<br />
Schließlich werden Schlägereien in den<br />
Kneipen alltäglich,, und auch Knochenbrüche<br />
und andere erste Verletzungen sind an<br />
der Tagesordnung.<br />
Die Stadtwache<br />
Das Auftreten der Wachsoldaten wird immer<br />
herrischer und selbstgerechter. Schließlich<br />
nimmt ihre Pflichtausübung den Charakter<br />
einer Schikane an: Bürger werden ohne<br />
ersichtlichen Grund verhört, gedemütigt, zu<br />
einer Geldstrafe angehalten oder verhaftet.<br />
Auch die Faust sitzt dem Auge des Gesetzes<br />
sehr locker. Bei der Festnahme von Verbrechern<br />
setzt sich zunehmend die Maxime<br />
“Keine Gefangenen” durch. Charaktere, die<br />
auf Grund ihrer Teilnahme an der Zerschlagung<br />
des Kults noch einen Sympathiebonus<br />
genießen, können in Gesprächen Aussagen<br />
wie “den Schweinestall gründlich ausmisten”,<br />
“Bürger sind zu verwöhnt, das wird<br />
sich grundlegend ändern”, “da muss man<br />
hart durchgreifen”, “Schmerz ist ein guter<br />
Lehrmeister” oder “eine tüchtige Abreibung<br />
hat noch keinem geschadet” aufschnappen.<br />
Die Bürger<br />
Die Abneigung der Bürger gegen die Obrigkeit<br />
wird immer offensichtlicher. Die giftigen<br />
Blicke, welche die Stadtwache erntet, die<br />
kurzen, getuschelten Gespräche, in denen<br />
es darum geht, dass “Dinge sich grundlegend<br />
ändern müssen”, das Urinieren eines<br />
Bürgers an die Fahnen des Fürsten – all das<br />
sind Symptome, das die Gesellschaft aus den<br />
Fugen gerät.<br />
Allgemeine Stimmung<br />
Die Bewohner in der Stadt werden immer<br />
reizbarer, aggressiver, launischer und zänkischer,<br />
ja sogar gehässiger, je mehr Tage ins<br />
Land gehen. Schließlich kommt es überall zu<br />
Raufereien und Schlägereien, die nicht selten<br />
mit blutigen Köpfen und gebrochenen Nasen<br />
enden. Die Ursachen sind meist Bagatellen.<br />
Die Zunahme an Kneipenschlägereien mit<br />
ernstlich Verletzten und die Ausbreitung<br />
von Gewaltverbrechen führt dazu, dass eine<br />
Ausgangssperre von Sonnenuntergang bis<br />
Sonnenaufgang verhängt wird, was den Unmut<br />
in der Bevölkerung weiter schürt. Die<br />
Stadtwache, die ebenfalls unter dem Einfluss<br />
Daenethors steht, greift immer härter durch,<br />
um der Lage Herr zu werden, doch Gewalt<br />
erzeugt nur mehr Gewalt.<br />
Der Fürst hofft durch öffentliche Bestrafungen<br />
wie Auspeitschungen, An-den-Pranger-stellen<br />
und sogar Hinrichtungen die Situation<br />
unter Kontrolle zu bekommen, aber er<br />
erreicht genau das Gegenteil. Der siedende<br />
Groll in der Bevölkerung entlädt sich im 3.<br />
Akt in einem gewalttätigen Aufstand.<br />
Die Beeinträchtigung<br />
der Charaktere<br />
Auch die Spielercharaktere können sich<br />
dem unheilvollen Einfluss nicht entziehen.<br />
Sie sind zunehmend gereizter Stimmung,<br />
und ab Beginn der zweiten Woche müssen<br />
sie jedes Mal einen Willenskraftwurf mit MW<br />
11 bestehen, um in einer angespannten Situation<br />
nicht ihren Aggressionen freien Lauf zu<br />
lassen. Der MW steigt jeden Tag um einen<br />
Punkt.<br />
Neue Erkenntnisse<br />
Weitere Nachforschungen in Richtung des<br />
Daenethor-Kults tragen Frucht. Sofern die<br />
Spielercharaktere keine weiteren Anstrengungen<br />
in diese Richtung unternehmen,<br />
kümmern sich die Religionsgemeinschaften<br />
in der Stadt selbst darum, da sie das plötzliche<br />
Auftauchen eines neuen Kults alarmiert<br />
hat. Die gewonnenen Erkenntnisse, die sie<br />
aus den Tiefen ihrer Archive ausgraben und<br />
aus der Alten Sprache übersetzen, bringen<br />
sie den Charakteren zu Gehör.<br />
Auch das Stadtarchiv, das nichts zum Thema<br />
Daenethor aufwies, wird jetzt gezielt auf<br />
Hinweise durchforstet.<br />
Folgendes kommt ans Licht:<br />
Die Stadt Szannesh wurde vor Jahrhunderten<br />
wegen ihrer Verehrung eines Götzen, die<br />
auch mit Menschenopfern verbunden war,<br />
geschleift, die Einwohner wurden vertrieben<br />
und die federführenden Kultisten hingerichtet.<br />
Anschließend bedeckte man die Überreste<br />
der Stadt mit Erde, um sie regelrecht vom<br />
Erdboden verschwinden zu lassen.<br />
Intensivere Recherchen ergeben, dass die<br />
aktuelle Stadt über den Resten von Szannesh<br />
erbaut wurde. Tatsächlich ist man in der<br />
Vergangenheit bei Ausschachtungsarbeiten<br />
bereits auf Ruinen gestoßen, was darauf hinwies,<br />
dass hier bereits eine Siedlung existiert<br />
hat. Da die Archäologie in dieser Zeit keine<br />
wissenschaftliche Bedeutung hat, ließ man<br />
die Angelegenheit auf sich beruhen, insbesondere<br />
als man feststellte, dass die Ruinen<br />
keine Wertgegenstände bargen.<br />
Der Spielleiter mag sich folgendes Bild zur<br />
Verdeutlichung vorstellen: Die Überreste des<br />
alten Szannesh liegen unter einem künstlich<br />
aufgeschütteten Hügel. Die Flachdächer der<br />
höheren Gebäude und die Ruinen von Türmen<br />
liegen nur knapp zwei Meter unter der<br />
Erdoberfläche, so dass sie bei der Aushebung<br />
von Kellern entdeckt werden konnten. Die<br />
neuen Gebäude wurden dann sozusagen auf<br />
den Dächern der alten errichtet. Allerdings<br />
ist man nicht alle Nase lang auf Ruinen gestoßen,<br />
sondern nur in einigen wenigen Fällen.<br />
Das Wissen darum geriet im Laufe der Zeit in<br />
Vergessenheit, da es keinen Nutzen brachte,<br />
und verstaubte in irgendwelchen Archiven.<br />
Fortgesetzte Ermittlungen führen schließlich<br />
zu der Erkenntnis, dass bereits einmal in<br />
den ersten hundert Jahren nach Stadtgründung<br />
eine Expedition in die unterirdische<br />
Stadt unternommen wurde, allerdings ohne<br />
irgendwelche Wertgegenstände zu Tage zu<br />
fördern oder wichtige Erkenntnisse zu erbringen.<br />
Der damalige Einstieg befindet sich in einem<br />
mittlerweile baufälligen Gebäude in<br />
einem der verrufensten Stadtviertel, in das<br />
sich nach Einbruch der Dunkelheit selbst die<br />
Stadtwache nur mit Verstärkung wagt.<br />
Alle oben genannten Erkenntnisse erhalten<br />
die Charaktere entweder durch eigene<br />
Nachforschungen oder durch NSC, aber nur<br />
Stück für Stück, so dass sie erst gegen Mitte<br />
oder Ende der zweiten Woche von dem Einstieg<br />
erfahren.<br />
Ab in die Unterwelt<br />
Möglicherweise finden sich in den versunkenen<br />
Ruinen von Szannesh noch weitere<br />
Hinweise auf den Kult des Daenethor. Entweder<br />
kommt die Gruppe selber auf diese<br />
Idee, oder sie wird von einer Religionsgemeinschaft,<br />
beispielsweise den Peiron-Priestern,<br />
oder dem Bürgermeister der Stadt beauftragt.<br />
Das Honorar kann vom Spielleiter<br />
individuell festgelegt werden, sollte aber<br />
vierzig Kupfermünzen pro Kopf nicht übersteigen,<br />
auch nicht nach Verhandlungen. (Ein<br />
Leibwächter verdient 25 Kupfermünzen pro<br />
Tag.)<br />
Der Stadtteil, in dem sich das Haus mit dem<br />
Einstieg befindet, ist als “der Unterbauch” bekannt.<br />
Hier finden sich schmierige Kaschemmen,<br />
in deren Hinterzimmern Glücksspiel betrieben<br />
wird, Rauschgifthöhlen, zweit- und<br />
drittklassige Bordelle sowie allerlei Etablissements<br />
von zweifelhaftem Ruf. Diebe, Hehler<br />
und Halsabschneider haben den Unterbauch<br />
zu ihrer Domäne erklärt. Selbst die gelegentlichen<br />
Razzien der Stadtwache können daran<br />
nichts ändern.<br />
Der “Unterbauch” ist aber auch eine<br />
Wohngegend, in der einfache Arbeiter und<br />
Tagelöhner hausen. Die Häuser sind allesamt<br />
windschief, schmutzig von Ruß und Dreck<br />
und wirken allesamt etwas verkommen. Die<br />
einfach bis abgerissen gekleideten Leute,<br />
Seite 28<br />
Abenteuer
DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
denen die Gruppe auf der Straße begegnet,<br />
werfen den Charakteren verstohlene, misstrauische<br />
Blicke zu. Sofern die Charaktere<br />
deutlich sichtbar bewaffnet oder in Begleitung<br />
der Stadtwache unterwegs sind – man<br />
gibt ihnen maximal drei Soldaten mit –, lässt<br />
man sie in Ruhe. Andernfalls werden sie zum<br />
Ziel von Taschendieben. Pro Charakter würfelt<br />
der Spieler einmal mit 7 + 2w10 mit MW<br />
15. Klappt der Wurf, so verliert der Charakter<br />
einen kleinen Gegenstand nach Wahl des<br />
Spielleiters oder 2w10 Kupfermünzen; bei<br />
einem perfekter Erfolg trifft beides zu. Nur<br />
bei einem kritischen Fehler bemerkt der Betroffene,<br />
dass sich eine fremde Hand in seine<br />
Taschen verirrt hat.<br />
Sind die Charaktere in Begleitung der<br />
Stadtwache, so wird wenigstens einer von<br />
ihnen mit einem faulen Ei oder einer matschigen<br />
Tomate beworfen. Der Werfer ist nicht<br />
auszumachen, und niemand hat etwas gesehen.<br />
Dies ist ein weiteres Anzeichen für die<br />
steigende Abneigung der Bevölkerung gegen<br />
die Obrigkeit.<br />
Sofern die Charaktere den “Unterbauch”<br />
bei Nacht betreten, werden sie einmal mit<br />
einem Steinschauer beworfen. Dadurch erleidet<br />
jeder Charakter 1w10 – 2 Schaden. Die<br />
Attentäter sind nicht auszumachen.<br />
Außerdem geraten die Charaktere einmal<br />
in einen Hinterhalt von vier bis sechs Halsabschneidern.<br />
Sofern den Charakteren kein<br />
Aufmerksamkeitswurf mit MW 18 gelingt, geraten<br />
sie beim Durchqueren einer Gasse überraschend<br />
in den Hinterhalt der Verbrecher,<br />
die plötzlich hinter abgestellten Fässern und<br />
vermeintlichen Müllhaufen hervorkommen<br />
oder von Vordächern herabspringen. Tritt<br />
dies die Charaktere überraschend, so sind<br />
sie in der ersten Kampfrunde erst nach den<br />
Halsabschneidern dran. Die Gauner handhaben<br />
ihre relevante Waffe mit 6 + 2w10, haben<br />
keinen Schadensbonus und eine Konstitution<br />
von Sechs. Sie sind mit Messern und Keulen<br />
bewaffnet.<br />
Sobald die Halsabschneider merken, dass<br />
sie keine leichte Beute vor sich haben, fliehen<br />
sie und verlieren sich im Gewirr der Gassen.<br />
Sie werden keinesfalls bis zum Tode kämpfen.<br />
Abenteuer<br />
Der Einstieg<br />
Der Einstieg zu den Ruinen befindet sich<br />
in einem baufälligen, heruntergekommenen<br />
Gebäude. Das Erdgeschoss besteht aus grob<br />
behauenen Natursteinen, Dach und Obergeschoss<br />
wurden aus Holz errichtet. Das Dach<br />
ist an einigen Stellen eingestürzt und das Holz<br />
im gesamten Obergeschoss ist morsch. Das<br />
gilt auch für die Treppe ins Obergeschoss. Sofern<br />
ein Charakter keinen Geschicklichkeits-/<br />
Athletik-Test mit MW 17 besteht, geben die<br />
Stufen, auf denen er steht, plötzlich nach,<br />
und er stürzt maximal zwei Meter in die Tiefe.<br />
Der gleiche Test wird auch nach Betreten des<br />
Obergeschosses wiederholt. Bei Fehlschlag<br />
bricht der Boden unter dem Charakter ein,<br />
und der Betroffene stürzt zwei Meter tief ins<br />
Untergeschoss.<br />
Eine Durchsuchung des Erdgeschosses<br />
ergibt dreckige Zimmer, alte, kaputte Holzmöbel,<br />
die zum Teil verschürt wurden, sowie<br />
einige Bettstätten aus beschmutzten Wolldecken.<br />
Einer der Räume wird offensichtlich<br />
als Latrine benutzt. In dem Haus haben sich<br />
einige Obdachlose und Bettler eingelassen,<br />
die tagsüber außer Haus sind, sofern einige<br />
nicht gerade ihren Rausch ausschlafen.<br />
Eine Falltür im Boden führt in einen unaufgeräumten<br />
Erdkeller, in dem sich kaputte<br />
Kisten, alte Kleider und alte Kartoffelsäcke<br />
stapeln. Mit MW 15 bei einem Aufmerksamkeitswurf<br />
bemerkt man, dass die in die Keller<br />
führende Leiter noch keine Anzeichen von<br />
Verfall zeigt.<br />
Bei einer gründlichen Durchsuchung des<br />
Kellers mit MW 16 stoßen die Charaktere<br />
schließlich auf eine Holzkiste, unter der sich<br />
der Einstieg in die Unterwelt verbirg. Ein Aufmerksamkeitswurf<br />
mit MW 11 ergibt, dass an<br />
der Unterseite der Kiste zwei Lederschlaufen<br />
angebracht wurden, die offenbar dazu<br />
dienen, die Kiste von unten her über das<br />
Einstiegsloch zu ziehen. Eine weitere Leiter<br />
führt in lichtlose Tiefen.<br />
Der Turm<br />
Was die Charaktere vor sich bzw. unter sich<br />
haben, sind die Reste eines Turmes, der noch<br />
vier Stockwerke misst. Die Charaktere steigen<br />
also wenigstens insgesamt acht Meter in<br />
die Tiefe, bis sie das Erdgeschoss erreichen.<br />
Die einzelnen Stockwerke sind durch kleine<br />
Stiegen miteinander verbunden. Alle<br />
Räume des Turmes sind staubig, aber nicht<br />
so staubig, wie sie nach Jahrhunderten sein<br />
müssten.<br />
Der Turm dient nämlich als Versteck einer<br />
Verbrecher-Gilde, die hier die Mitglieder unterbringt,<br />
die kurze oder längere Zeit untertauchen<br />
müssen.<br />
Einmal in der Woche werden sie mit Nahrungsmitteln<br />
versorgt. Die Verbrecher bewohnen<br />
nur das zweite Obergeschoss, weil<br />
weiter unten die Luft zu schlecht wird.<br />
Lichtverhältnisse<br />
Unter der Erde ist es grundsätzlich dunkel.<br />
Die Charaktere sind daher gut beraten, sich<br />
reichlich mit Lampen oder Fackeln einzudecken.<br />
Hinweise zu unterirdischen Expeditionen<br />
finden sich auf S. 321 im Grundregelwerk.<br />
Der Spielleiter sei an dieser Stelle daran erinnert,<br />
dass Fackeln und Laternen nicht ewig<br />
brennen, was insbesondere bei längeren Expeditionen<br />
zu beachten ist.<br />
Der dritte Stock<br />
Die Charaktere befinden sich in einem<br />
runden, völlig leeren Raum mit gemauerten<br />
Wänden. Der Durchmesser des Raumes beträgt<br />
sechs Meter. Eine Stiege führt hinab in<br />
die dritte Etage, aus der ein Lichtschein hinaufdringt.<br />
Der zweite Stock<br />
Hier hausen drei Verbrecher. Die Luft riecht<br />
säuerlich und verbraucht. Die Verbrecher haben<br />
folgende Werte: Dolche 6 + 2w10, Kurzschwert<br />
6 + 2w10, Kon 6, Rüstung: verstärkte<br />
Kleidung (RS: 1). Die Halunken sind gerade<br />
mit einem Kartenspiel beschäftigt. Sofern die<br />
Charaktere leisen (d.h. mit Schleichen gegen<br />
MW 11) in das Obergeschoss des Turms eingestiegen<br />
sind, hocken die Verbrecher noch<br />
im Schein einer Öllampe beisammen und benutzen<br />
eine Kiste als behelfsmäßigen Tisch.<br />
Wurden sie jedoch aufgeschreckt, so haben<br />
sie die Lampe gelöscht und warten mit<br />
gezogenen Waffen in der Dunkelheit. Eine<br />
Falltür führt hinab ins nächste Stockwerk.<br />
Der erste Stock<br />
Hier stinkt es erbärmlich, denn in diesem<br />
Raum befindet sich der Latrinenkübel und<br />
eine behelfsmäßige Waschgelegenheit. Die<br />
Abwässer werden durch eine Falltür ins Erdgeschoss<br />
gekippt.<br />
Das Erdgeschoss<br />
Dieser Raum ist eine wahre Sickergrube,<br />
in der sich Faulgase gebildet haben. Das Versteck<br />
ist schließlich schon lange in Benutzung.<br />
Öffnen die Charaktere die Falltür zum Erdgeschoss,<br />
so schlägt ihnen dabei ein umwerfender<br />
Gestank entgegen. Lässt ein Charakter<br />
eine Fackel nach unten fallen oder steigt mit<br />
offenem Licht – und dazu zählt auch eine Laterne<br />
– die beschmutzte Stiege nach unten,<br />
so löst er damit eine Explosion der Faulgase<br />
aus. Jeder Charakter, der sich im Erdgeschoss,<br />
auf dem Weg ins Erdgeschoss oder<br />
an der Einstiegsluke befindet, erleidet durch<br />
die Druckwelle 2w10 betäubenden Schaden,<br />
gegen den keine Rüstung schützt. Zudem<br />
schleudert die Explosion noch eine Fontäne<br />
Jauche empor, die alle im Raum Anwesenden<br />
bespritzt. Unter der Wucht der Detonation<br />
erbebt auch der Turm, und Staub rieselt aus<br />
dem Gemäuer. Er bleibt aber stehen.<br />
Seite 29
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
Beim Abstieg über die glitschige Steige ins<br />
Erdgeschoss müssen die Charaktere einen<br />
Geschicklichkeits-/Akrobatik-Wurf mit MW 15<br />
bestehen, oder sie stürzen in die Tiefe.<br />
Der Boden des Raumes ist 1,50 Meter hoch<br />
mit einer stinkenden Mischung aus Jahre<br />
alten Abwässern, Urin und Kot gefüllt, landwirtschaftlich<br />
auch Gülle genannt. Ein Teil<br />
der Abwässer ist durch den gestampften<br />
Erdboden gesickert und hat diesen in Morast<br />
verwandelt. Es gibt hier nur eine Tür nach<br />
draußen, die aber von innen vernagelt wurde.<br />
Die Tür hat Härte 10 und Struktur 50.<br />
Sofern die Faulgase nicht durch ein Explosion<br />
beseitigt wurden, erschweren sie das<br />
Atmen, weswegen jeder im Raum vom Ersticken<br />
bedroht ist (vgl. Ertrinken im Regelwerk<br />
S. 162).<br />
Im Erdgeschoss hatten sich zudem Dutzende<br />
von Ratten häuslich niedergelassen, die<br />
allerdings eventuell durch die Explosion der<br />
Faulgase umgekommen sind. Falls nicht, so<br />
fallen sie jetzt aufgebracht über die Eindringlinge<br />
her. Für das Rattenrudel nehme man<br />
die Werte des Schwarmes fleischfressender<br />
Fliegen aus dem Grundregelwerk S. 340.<br />
Es hilft nichts: Die Charaktere müssen<br />
durch die stinkende Brühe waten und die Tür<br />
einschlagen. Danach ergießt sich die Jauche<br />
in den freigelegten Gang.<br />
Der Weg ins Ungewisse<br />
Die Expedition führt die Charaktere weiter<br />
in die Ruinen von Szannesh. Als die Stadt geschleift<br />
wurde, haben sich unter den Trümmern<br />
Hohlräume gebildet, die auch von den<br />
Erdmassen nicht gefüllt wurden. Es ist folglich<br />
noch Luft vorhanden, allerdings ist diese<br />
dünn und muffig.<br />
Der Weg durch die Ruinen ist ein Alptraum:<br />
Die Charaktere müssen sich durch die natürlichen<br />
Hohlräume zwängen, durch Spalten<br />
kriechen und über Erdhaufen von Einstürzen<br />
robben, immer von der Gefahr bedroht, dass<br />
die Wände plötzlich nachgeben. Durch eingestürzte<br />
Wandstücke betreten sie dann die<br />
Reste ehemalige Gebäude. Dort befindet sich<br />
nichts von Wert, nur zerstörte Einrichtungen<br />
und die Leichen der Erschlagenen, die beim<br />
Angriff auf die Stadt umkamen.<br />
Glücklicherweise finden die Charaktere<br />
dann plötzlich immer wieder “Wegweiser”:<br />
Spuren im Staub, weggeworfene abgebrannte<br />
Fackeln, frisch durchbrochene Wände. Die<br />
sind die Hinterlassenschaften von Damian<br />
Foggs Expedition. Er ist seinerzeit durch einen<br />
anderen Einstieg hereingekommen und<br />
hat sich mühsam mit seinen Helfern den Weg<br />
zum Tempel gebahnt. Dabei ging es nicht<br />
ohne Irrwege ab. Selbst wenn die Charaktere<br />
Damians Spuren folgen, gelangen sie immer<br />
wieder an Stellen, an denen die Spuren in zwei<br />
Richtungen laufen. Mit einer 50 : 50 Chance<br />
erwischen die Charaktere den richtigen Weg,<br />
sonst landen sie nach 2w10 Minuten in einer<br />
Sackgasse und müssen umkehren.<br />
Beim Weg durch die Ruinen wird der zunehmende<br />
Luftmangel der schlimmste Feind<br />
der Charaktere werden. Für den direkten<br />
Weg zum Tempel benötigen die Charaktere<br />
zwei Stunden zuzüglich der Zeit, die sie durch<br />
Irrwege verlieren.<br />
Alle 15 Minuten im Spiel müssen die Charaktere<br />
einen Konstitutionswurf ablegen, zunächst<br />
gegen MW 8, dann gegen MW 9 und<br />
so weiter. Für jeden Fehlschlag erhält der<br />
Charakter einen Punkt betäubenden Schaden,<br />
bei einem kritischen Fehler sogar zwei.<br />
Tragen die Charaktere Fackeln bei sich, die<br />
ebenfalls Sauerstoff verbrauchen, so erhöht<br />
sich der MW um drei.<br />
Ghule!<br />
Als die Stadt zerstört wurde, verstecken<br />
sich einige der Bewohner in den Keller ihre<br />
Häuser bzw. zwischen den Ruinen. Sie alle<br />
wurden mitsamt der Stadt lebendig begraben.<br />
Zuerst aßen sie die verbliebenen Lebensmittel,<br />
dann Ungeziefer, später ihre Toten<br />
und dann sich selbst. Im Überlebenskampf<br />
wurde der Kannibalismus zu einer monströsen<br />
Selbstverständlichkeit.<br />
Als die wenigen Überlebenden schließlich<br />
am Luftmangel und Entkräftung zu Grunde<br />
gingen, ließ ihre Bösartigkeit sie als Ghule<br />
(Beschreibung s. Grundregelwerk S. 364)<br />
weiterleben. Und nach einigen Jahrhunderten<br />
ihres untoten Daseins sind sie verdammt<br />
hungrig…<br />
Zu einem beliebigen Zeitpunkt während<br />
der Expedition sollten die Charaktere von einer<br />
gleich großen Gruppe Ghulen attackiert<br />
werden. Ob die Charaktere versehentlich in<br />
ein Ghulnest hineinlaufen, in einen Hinterhalt<br />
geraten oder längere Zeit verfolgt werden,<br />
das sei dem Spielleiter überlassen.<br />
Die Ghule sind übrigens auch die Erklärung<br />
dafür, weswegen die Tür im Erdgeschoss des<br />
Turmes von innen vernagelt war.<br />
Auf Grund der beengten Verhältnisse in<br />
den Gängen oder unterirdischen Räumen<br />
wird der Gebrauch jeder Waffe, welche die<br />
Größenklasse M überschreitet – zum Beispiel<br />
Zweihandwaffen – mit einem Abzug von -3<br />
belegt; zudem entfällt der Stärkebonus auf<br />
den Schaden. Des Weiteren bleibt nur wenig<br />
Platz zum Ausweichen, wodurch der VW aller<br />
Beteiligten, auch der Ghule um -2 reduziert<br />
wird; dies gilt auch für Ausweichmanöver.<br />
Der Tempel<br />
Der Spielleiter sollte den Weg der Charaktere<br />
atmosphärisch so dicht wie möglich schildern.<br />
Sie befinden sich gut zehn Meter unter<br />
der Oberfläche, und können jederzeit von<br />
einem Erdrutsch verschüttet werden. Um<br />
sie herum ist es dunkel, und ihre Sichtweite<br />
ist stark begrenzt. Da kann schon ein Gefühl<br />
der Klaustrophobie aufkommen. Deswegen<br />
führt der Spielleiter einmal einen Furchtwurf<br />
mit 2 + 2w10 gegen den geistigen Widerstand<br />
(GW) der Charaktere durch. Näheres zur Auswirkung<br />
von Furcht auf Seite 311 im Grundregelwerk.<br />
Die Furcht dauert bis zur Rückkehr<br />
der Charaktere ans Tageslicht an.<br />
Am Ende ihrer Odyssee landen die Charaktere<br />
schließlich in der zerstörten Haupthalle<br />
des Tempels. Eingestürzte Säulen und Teile<br />
des eingebrochenen Dachs haben sich so<br />
verkeilt, dass sie eine Art schiefes M bilden,<br />
welches den Tempel vom völligen Einsturz<br />
bewahrt hat. Trotz der Zerstörung ist die frühere<br />
Majestät des Tempels noch zu erahnen:<br />
Herrliche Reliefs und Verzierungen bedecken<br />
Wände, Säulen und Boden. In der Altarnische<br />
prangt in dunklem Stein meterhoch das Zeichen<br />
Daenethors.<br />
Damian Foggs Spuren führen die Charaktere<br />
zu einer geheimen Bibliothek. Die Geheimtür<br />
in der Wand wurde offengelassen.<br />
Schriftrollen und Folianten liegen achtlos<br />
herum; offenbar wurde der gesamte Raum<br />
durchsucht und dabei auf den Kopf gestellt.<br />
Das war Fogg, der nach einer Möglichkeit<br />
suchte, seine Gott zurückzuholen. Alle wesentlichen<br />
Fundstücke hat er mitgenommen,<br />
in mühevoller jahrelanger Kleinarbeit aus<br />
der Alten Sprache übersetzt und schließlich<br />
außerhalb seines Hauses an einem nur ihm<br />
bekannten Ort versteckt.<br />
Die Charaktere sollte nur wenig Gelegenheit<br />
erhalten, sich hier umzusehen. Kaum haben<br />
sie eine Schriftrolle oder einen Folianten<br />
aufgenommen, geht ein Stöhnen durch das<br />
Gemäuer des Tempels. Nach Jahrhunderten<br />
gibt die belastete Struktur endlich nach. Die<br />
Charaktere müssen rasch zum Ausgang rennen,<br />
während um sie herum die Decke einstürzt.<br />
Dreimal müssen sie dabei einen Ausweichen-Wurf<br />
mit MW 13 bestehen, um nicht<br />
von Trümmerstücken getroffen zu werden<br />
und 1w10 + 3 Schaden zu nehmen.<br />
Kaum haben die Charaktere den Tempel<br />
verlassen, als er auch schon hinter ihnen einstürzt.<br />
Eine gewaltige Wolke aus Staub und<br />
Dreck hüllt die Charaktere ein, und sie müsse<br />
zehn Runden lang die Luft anhalten, um keinen<br />
Dreck einzuatmen (vgl. Ertrinken S. 162<br />
im Regelwerk).<br />
Seite 30<br />
Abenteuer
DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Der Weg zurück dauert für die Charaktere<br />
wieder wenigstens zwei Stunden, wobei sie<br />
wieder aufpassen müssen, ob sie nicht Damians<br />
Spuren in die falsche Richtung folgen.<br />
Dies entscheiden Orientierungswürfe mit<br />
MW 11. Die Charaktere müssen so oft würfeln,<br />
wie sie auf dem Herweg Abzweigungen<br />
hatten; also nach Entscheid des Spielleiters.<br />
Jeder Fehlschlag kostet 2w10 Minuten zusätzliche<br />
Wegzeit. Wie auch beim Hinweg,<br />
müssen die Charaktere auch jetzt Konstitutionswürfe<br />
ausführen.<br />
Es spielt keine Rolle, ob die Charaktere den<br />
Weg zurück zum Turm nehmen oder Damians<br />
Spuren zurückverfolgen zu einem Gebäude<br />
mit vier Geschossen, dessen Deckenausstieg<br />
in ein enormes leeres Weinfass führt, dessen<br />
Vorderteil sich aufklappen lässt. Die Charaktere<br />
sind in einer Kellerei gelandet, die einem<br />
der verstorbenen Kultisten gehörte.<br />
Endlich können sie wieder frische Luft atmen!<br />
Bei sich haben sie eins der Dokumente<br />
aus der Tempelbibliothek, das der Entzifferung<br />
harrt. Sollten die Charaktere nicht daran<br />
gedacht haben, so legt der Spielleiter fest,<br />
dass einer der Charaktere unbewusst eine<br />
Schriftrolle umklammert hatte, als er aus<br />
dem einstürzenden Tempel floh.<br />
Erfahrungspunkte<br />
Abstieg in die Unterwelt und erfolgreiche<br />
Rückkehr: 1 EP<br />
Kampf gegen die Ghule: 1 EP<br />
3. Akt<br />
Abenteuer<br />
Als Letztes muss das mitgebrachte<br />
Schriftstück entziffert werden. Falls<br />
sich einer der Charaktere bislang<br />
mit der Kladde aus Damian Foggs Besitz,<br />
welche als Wörterbuch und Grammatik zur<br />
Alten Sprache dient, regelmäßig beschäftigt<br />
hat, so kann er jetzt sechs Erfahrungspunkte<br />
ausgeben, um die Alte Sprache verstehen zu<br />
können. In diesem Fall benötigt er auf Grund<br />
der Komplexität der Sprache einen Tag, um<br />
sich durch das Fundstück zu lesen und zur<br />
entscheidenden Stelle zu gelangen. Es dauert<br />
genauso lange, die Schrift von einem Gelehrten<br />
– z. B. in einem der Tempel – übersetzen<br />
zu lassen.<br />
Bei dem Schriftstück, egal ob Foliant oder<br />
dicke Schriftrolle, handelt es sich offenbar<br />
um einen Teil der Stadtchronik von Szannesh.<br />
Leider ist das genaue Datum nicht mehr leserlich.<br />
Gegen Ende des Dokumente stößt<br />
der Leser auf folgende Passage:<br />
“…doch in jener Zeit geschah es, dass großer<br />
Unfriede unsere Stadt Szannesh heimsuchte.<br />
Unruhe und Streit herrschte unter der Bevölkerung,<br />
und schließlich reichte bereits ein<br />
falsches Wort aus, dass Blut vergossen wurde.<br />
Alle Bemühungen unseres gnädigen Herrschers<br />
Simeon IV., den Zustand der Verrohung<br />
und Zügellosigkeit zu beenden, wurden mit<br />
Zorn beantwortet – so wie bei einem Hunde,<br />
der die Hand beißt, die ihn füttert. Schließlich<br />
hielt nichts mehr die schäumende Wut des<br />
undankbaren Volkes in Schranken, und ein wütender<br />
Mob wälzte sich durch die Straßen, Tod<br />
und Zerstörung folgten ihm wie Bluthunde.<br />
Bruder wandte sich gegen Bruder, Väter gegen<br />
ihre Kinder.<br />
Doch in der dunkelsten Stunde erbarmte<br />
sich der, der von nun an Daenethor geheißen<br />
würde, unserer. Er erfüllte unseren Herrscher<br />
Simeon IV., und dieser trat hinaus vor das<br />
wütende Volk und sprach zu ihm. Da wich die<br />
Verblendung von ihnen, und die Weisheit der<br />
Worte Daenethors erfüllten ihr Herz. Und so<br />
gelobte das Volk, seinen Retter Daenethor zu<br />
verehren bis zum Ende aller Zeit und ihm einen<br />
Platz in ihrer Mitte zu geben, wie er ihm<br />
gebührte, auf das er die Geschicke Szanneshs<br />
lenken möge bis in alle Ewigkeit.<br />
Und so kehrte die Hoffnung in die Straßen<br />
von Szannesh zurück, und die Stadt blühte<br />
und gedieh unter der Herrschaft Daenethors,<br />
unseres Allerhöchsten, dessen fleischliche Hülle<br />
einst Simeon IV. gewesen ward. Diejenigen<br />
aber, die falschen Geistes waren und sich weigerten,<br />
die Güte unseres Herren anzuerkennen<br />
und ihn zu verehren, wie es versprochen ward,<br />
wurden gefangen und geopfert zu seinem<br />
Wohlgefallen.<br />
Heil Daenethor!”<br />
Auf den Folgeseiten wird die Herrschaft<br />
Daenethors gepriesen. Wer zwischen den<br />
Zeilen liest, erkennt jedoch schnell, dass es<br />
sich um eine Diktatur handelte, in der jeder<br />
jeden bespitzelte, um ihn beim kleinsten Verdacht<br />
auf Unbotmäßigkeit an die Obrigkeit<br />
zu verraten.<br />
Hexenkessel<br />
In dem Augenblick, in dem die Charaktere<br />
die Parallelen zwischen der Lage in Szannesh<br />
und der jetzigen Stadt verstehen, sollte der<br />
Volksaufstand losbrechen. Eine aufgewühlte<br />
Menge drängt sich durch die Straßen, bewaffnet<br />
mit allem, was ihr in die Hände gerät,<br />
und greift alle Vertreter der verhassten<br />
Obrigkeit an. Die Straßen verwandeln sich<br />
in ein Schlachtfeld, durch das man sich nur<br />
mit größter Mühe seinen Weg bahnen kann.<br />
Überall werden Scheiben eingeschlagen und<br />
Gegenstände demoliert. Tod und Verwüstung<br />
kennzeichnen den Weg des Mobs.<br />
Den Charakteren sollte mittlerweile klargeworden<br />
sein, dass Daenethor versuchen<br />
wird, den Herrscher der Stadt zu übernehmen<br />
und dann Kraft seines Einflusses den<br />
Aufstand zu beenden. Danach wird er sich<br />
als Retter in höchster Not feiern und verehren<br />
lassen. Die alte Schrift lässt auch keinen<br />
Zweifel daran, welches Schicksal Daenethors<br />
Gegnern droht. Die Charaktere müssen also<br />
zur Residenz des Herrschers gelangen. Dazu<br />
können sie in wildem Galopp durch die Straßen<br />
sprengen und jeden Widerstand niederreiten<br />
oder den gefahrvollen Weg über die<br />
Dächer wählen oder sich zu Fuß durch die<br />
Straßen der Stadt bewegen und zu versuchen,<br />
den Mob in Seitengassen zu umgehen<br />
oder zu überholen.<br />
Die Rettung des Bürgermeisters<br />
Stadtwachen werden ergriffen und zu Tode<br />
getrampelt, das Rathaus gestürmt und alle<br />
Beamten verprügelt, erschlagen oder zum<br />
Fenster hinaus geworfen. Rasch werden einige<br />
Stricke organisiert, dem Bürgermeister<br />
und den höchsten Beamten die Schlinge um<br />
den Hals gelegt, und dann werden sie vom<br />
Rathausbalkon gestoßen, um zu baumeln.<br />
Es liegt an den Charakteren, diesen Lynchmord<br />
noch zu verhindern. Die Mitglieder des<br />
Mobs sind keine ausgebildeten Kämpfer,<br />
und ihre Waffen sind Knüppel, Handsicheln,<br />
Werkzeuge wie Hämmer und Äxte, aber auch<br />
Messer in verschiedenen Größen. Was ihnen<br />
an Kampfgeschick fehlt, machen sie aber<br />
durch ihre blinde Wut wieder wett. Schwer<br />
verwundete Gegner geben sofort auf oder<br />
versuchen zu fliehen. Allerdings verlieren die<br />
Charaktere wertvolle Zeit auf dem Weg zur<br />
Residenz des Fürsten.<br />
Ihr weiteres Fortkommen kann dann noch<br />
durch aggressive Zusammenrottungen von<br />
Aufständischen und Plünderern behindert<br />
werden.<br />
Die Residenz<br />
Der Wohnsitz des Fürsten ist zur Verteidigung<br />
vorbereitet worden: Türen und Fenster<br />
im Erdgeschoss sind verrammelt, und in einigen<br />
Fenstern des Obergeschosses sind Wachen<br />
mit Armbrüsten oder Bögen zu sehen.<br />
Die Spielercharaktere werden zunächst<br />
mit einem Warnschuss empfangen, sofern<br />
sie offensichtlich bewaffnet sind. Der Zutritt<br />
zur Residenz ist ihnen verwehrt. Jetzt kann<br />
es sich auszahlen, falls die Charaktere bislang<br />
mit der Obrigkeit gut zusammengearbeitet<br />
haben und ihre Namen bekannt sind. Andernfalls<br />
müssen sie ihr Charisma einsetzten<br />
oder überzeugend argumentierten. Sind sie<br />
erfolgreich, wird aus einem Fenster im Obergeschoss<br />
ein Seil herabgelassen, an dem sie<br />
emporklettern müssen. Kaum haben sie es<br />
geschafft, stürmt schon der aufgebrachte<br />
Seite 31
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
Mob auf den Platz, und das Seil muss rasch<br />
eingeholt werden.<br />
In der Residenz angekommen, müssen die<br />
Charaktere zuerst die Wachen überzeugen,<br />
dass man ihnen ihre Waffen lässt und dass<br />
sie dringend zum Fürsten müssen.<br />
Vielleicht versuchen die Charaktere aber<br />
auch zuerst, den Mob zu besänftigen und die<br />
Menge durch Verhandlungen hinzuhalten<br />
oder irgendwie zu beeinflussen.<br />
Daenethors Rückkehr<br />
Der Fürst befindet sich in seinen Privatgemächern<br />
mit einigen seiner treuesten<br />
Gardisten. Die Anzahl entspricht der der<br />
Spielercharaktere. Der Spielleiter entscheidet,<br />
ob Daenethor den Fürsten übernimmt,<br />
bevor oder nachdem die Charaktere eingetroffen<br />
sind. Dabei sollte er fairerweise die<br />
Konsequenzen dieser Entscheidung ebenso<br />
berücksichtigen wie die Geschwindigkeit,<br />
mit der die Charaktere zur Residenz gelangt<br />
sind.<br />
Der Fürst wurde<br />
bereits übernommen<br />
Daenethor ist am Ziel angelangt. Sein neuer<br />
Körper verfügt bereits über ungeahnte Fähigkeiten;<br />
die Werte befinden sich im Appendix.<br />
Äußerlich erscheint der Fürst unverändert, es<br />
geht jedoch eine Aura großer Macht von ihm<br />
aus, und sein Blick hat etwas Zwingendes. Es<br />
ist unmöglich, die Gardisten des Fürsten davon<br />
zu überzeugen, dass ihr Herr von einer<br />
dunklen Macht besessen ist. Der Fürst sagt<br />
lediglich beiläufig zu seinen Wachen: “Merkt<br />
Ihr, dass sie mit den Aufständischen im Bunde<br />
sind. Es sind Verräter. Tötet sie!”<br />
Der Kampflärm alarmiert sofort weitere<br />
Wachen. Sind die Charaktere zum Gemach<br />
des Fürsten geleitet worden, so haben sie es<br />
mit wenigstens zwei weiteren Gardisten zu<br />
tun, und nach drei Runden treffen<br />
1W4 weitere Soldaten ein. Der<br />
Rest der Soldaten ist mit<br />
der Verteidigung der Residenz<br />
gegen die Aufständischen<br />
beschäftigt. Ihr<br />
Anzahl kann mit 1W6 +<br />
4 willkürlich bestimmt<br />
werden.<br />
Sobald die Charaktere<br />
mit den Soldaten<br />
fertig geworden<br />
sind, müssen sie<br />
feststellen, dass Daenethor<br />
ein harter<br />
Brocken ist. Vielleicht<br />
müssen sie unverrichteter<br />
Dinge fliehen.<br />
Der Fürst wurde noch<br />
nicht übernommen<br />
Unterrichten die Charaktere den Fürsten<br />
von ihren Erkenntnissen, so schnauzt er sie<br />
an: “Was erzählt Ihr da für Märchen? Merkt<br />
Ihr nicht, dass wir ganz andere Probleme im<br />
Augenblick haben? Helft lieber bei der Verteidigung<br />
meines Heims!”<br />
Einen Augenblick später entringt sich<br />
ein Röcheln seiner Kehle, und die Augäpfel<br />
verdrehen sich nach oben, bis nur noch das<br />
Weiße zu sehen ist. Ein kurzes Zucken läuft<br />
durch seinen Körper, während seine Wache<br />
ihn ratlos und verblüfft anstarren. Dann entspannt<br />
sich der Fürst, und ein Lächeln gleitet<br />
über seinen Lippen. Das Ganze dauert zehn<br />
Sekunden.<br />
Daenethor hat gerade den Fürsten übernommen.<br />
Ihm bleiben noch zwanzig Sekunden,<br />
bis sein neuer Körper die volle Macht erlangt.<br />
In dieser Zeit ist er verwundbar wie ein<br />
normaler Mensch. Stirbt der Fürst in dieser<br />
Zeit, so wird Daenethor damit aus der materiellen<br />
Ebene verbannt.<br />
Die Charaktere können die Gelegenheit<br />
ausnutzen, dass die Aufmerksamkeit der Wachen<br />
sich auf den Fürsten konzentriert, und<br />
angreifen. Die Wachen gelten als überrascht<br />
und sind eine Runde lang nicht handlungsfähig.<br />
Der Fürst hingegen versucht, in die<br />
anliegenden Gemächer zu fliehen und Verstärkung<br />
zu rufen. Die Gardisten verteidigen<br />
ihren Herren bis zum Tode.<br />
Sollte der Fürst getötet werden, versuchen<br />
sie, sich an seinen Mördern zu rächen. Wie<br />
im vorherigen Abschnitt ruft auch hier der<br />
Kampf weitere Soldaten herbei. Da Daenthor<br />
geschlagen ist, weicht mit ihm auch die Atmosphäre<br />
der Aggression von der Stadt, und<br />
der Aufstand hört innerhalb kurzer Zeit auf<br />
zu existieren.<br />
Sollte einer der Charaktere den Fürsten<br />
k.o. schlagen, während Daenethor diesen<br />
übernimmt, so nehmen die Wachen die Gruppe<br />
fest. Sobald der Fürst aus seiner Bewusstlosigkeit<br />
erwacht, lässt er die Charaktere im<br />
Keller einsperren, und versichert, dass er<br />
sich um die Angelegenheit kümmern werde,<br />
sobald der Aufstand niedergeschlagen sei.<br />
Es liegt im Ermessen des Spielleiters, ob die<br />
Übernahme des Fürsten durch Daenethor<br />
dann gescheitert ist oder nicht.<br />
Flucht aus der Residenz<br />
Egal, ob die Charaktere jetzt eingesperrt<br />
sind, den Fürsten getötet haben oder vor<br />
Daenethor fliehen, sie müssen die Residenz<br />
verlassen. Ein waghalsiger Sprung aus einem<br />
unbewachten Fenster in die Menge darunter<br />
mag da bereits helfen. Für den Mob sind<br />
Seite 32<br />
Abenteuer
DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
jedoch aller Personen, die aus der Residenz<br />
kommen, Feinde, und der gesprungene Charakter<br />
läuft in Gefahr, mit bloßen Händen in<br />
Stücke gerissen zu werden. Der Charakter<br />
muss um sein Leben kämpfen. Sind die Charaktere<br />
zur Residenz geritten, so stehen ihre<br />
Pferde vielleicht noch irgendwo so in der<br />
Menge, dass man mit einem waghalsigen<br />
Sprung im Sattel landen und davon reiten<br />
kann. Allerdings wird der Mob dann immer<br />
noch versuchen, den Reiter vom Pferd zu<br />
ziehen.<br />
Alternativ können die Charaktere sich auch<br />
entschließen, die Wachen an einer verbarrikadierten<br />
Tür zu überfallen, diese zu öffnen<br />
und sich dem Mob damit als Verbündete anzubiedern.<br />
Während die mordlüsterne Menge<br />
ins Haus strömt, können die Spieler sich<br />
dann absetzen.<br />
Die Flucht sollte so dramatisch und schnell<br />
ablaufen wie möglich.<br />
Daenethors Plan<br />
Sobald Daenethor den Fürsten übernommen<br />
hat, und die Charaktere ausgeschaltet<br />
sind, tritt er auf den Balkon der Residenz<br />
und wendet sich gebieterisch an das Volk.<br />
Die Menge kann sich seiner hypnotischen<br />
Ausstrahlung nicht entziehen und lauscht<br />
atemlos seinen Worten. Zugleich beendet<br />
Daenethor den Bann der Aggression, den er<br />
über die Stadt gelegt hat, und bricht damit<br />
dem Aufstand das Genick.<br />
Er beendet seinen Ansprache mit den Worten:<br />
“Geht jetzt nach Hause, und die Angelegenheit<br />
ist damit erledigt. Ihr seid nur unschuldige<br />
Opfer, die Volksverhetzern zum<br />
Opfer gefallen sind. Gegen diese werde ich<br />
unnachsichtig vorgehen, aber euch ist nichts<br />
vorzuwerfen. Und nun geht!”<br />
Die “Volksverhetzer” sind entweder die<br />
Charaktere, die mittlerweile auf der Flucht<br />
sind oder in seinem Keller schmachten, sowie<br />
alle möglichen Feinde, derer sich Daenethor<br />
in den kommenden Wochen entledigen will.<br />
Daenethor tritt diesmal nicht als Gott auf,<br />
sondern behält die Rolle des Fürsten bei und<br />
errichtet unter dem Vorwand von Ordnung<br />
und Sicherheit ein totalitäres Regime, in dem<br />
ein Bürger den nächsten bespitzelt, um sich<br />
bei der Obrigkeit einzuschmeicheln. Nach<br />
und nach wird Daenethor durch Intrigen die<br />
Vertretungen der verschiedenen Religionen<br />
gegeneinander ausspielen und ihre Machtposition<br />
innerhalb der Stadt empfindlich beschneiden.<br />
Auf der Flucht<br />
Sofern den Charakteren die Flucht glückt,<br />
haben sie eine ungewissen Zukunft vor sich.<br />
Abenteuer<br />
Haben sie Daenethor getötet, so sind sie in<br />
den Augen der Öffentlichkeit des Mordes<br />
schuldig. Sofern sich jemand an ihre Namen<br />
oder ihr Aussehen erinnern kann, zum Beispiel<br />
die Gardisten in der Residenz, so wird<br />
nach ihnen gesucht, und schließlich sogar<br />
ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Der Preis ist<br />
hoch genug, dass es für die Charaktere angeraten<br />
scheint, die<br />
Region zu verlassen und vielleicht sogar ins<br />
Ausland zu fliehen.<br />
Überlebt Daenethor, so gibt er den Charakteren<br />
offiziell die Schuld am Aufstand sowie<br />
den Toten, und setzt ebenfalls ein Kopfgeld<br />
auf sie aus. Zudem schreckt er nicht davor<br />
zurück, auch gedungene Mörder anzuwerben.<br />
Schließlich wissen die Charaktere viel zu<br />
viel…<br />
Selbst mit den alten Schriften, die von Daenethor<br />
künden, wird es den Charakteren<br />
schwer fallen, irgend jemanden von ihrer Version<br />
der Ereignisse zu überzeugen. Schließlich<br />
haben sie keinerlei stichhaltige Beweise,<br />
sondern nur Auslegungen vorzubringen.<br />
Und keine religiöse Bewegung, so sehr sie<br />
sich auch den Kampf gegen die Finsternis<br />
auf die Fahnen geschrieben haben mag, wird<br />
sich gerne mit dem Mord an einem Fürsten in<br />
Verbindung bringen lassen.<br />
Erfahrungspunkte<br />
Rettung des Bürgermeisters: 1 EP<br />
Überleben des Abenteuers: 1 EP<br />
Das Ende?<br />
Zum Schluss dieser Episode sind die<br />
Charaktere vermutlich gesuchte<br />
Verbrecher und vogelfrei. Dies ist<br />
vielleicht kein schönes Ende, aber eine gute<br />
Motivation für die Charaktere, ihr Glück in<br />
der Fremde zu versuchen.<br />
Falls Daenethor weiterhin über die Stadt<br />
herrscht, finden sie eventuell auf ihren Reisen<br />
eine Möglichkeit, ihn auszutreiben und den<br />
Fürsten von seiner Besessenheit zu erlösen.<br />
Oder sie finden Verbündete bei Dämonenjägern<br />
und Paladinen und kehren mit einer größeren<br />
Gruppe zurück, um ihre Heimatstadt<br />
aus Daenethors Klauen zu befreien.<br />
Das alternative Ende<br />
Dies ist ein möglicher Spielabschluss für<br />
den gutherzigen Spielleiter. Sofern es den<br />
Spielern gelingt, den Fürsten innerhalb von<br />
dreißig Sekunden, nachdem Daenethor in ihn<br />
eingedrungen ist, zu töten oder ins Koma zu<br />
schicken, so verlässt Daenethor seinen Wirtskörper.<br />
Ein unmenschliches Kreischen voller<br />
Hass und Verzweiflung ist zu hören, während<br />
eine unförmige, grotesk aussehende Wolke<br />
aus dem Körper des Fürsten heraustritt und<br />
sich rasch auflöst. Im Zimmer ist es plötzlich<br />
eiskalt geworden.<br />
Jeder Gardist, der dieser Szene beiwohnt,<br />
stellt sofort die Kampfhandlungen ein, denn<br />
selbst dem Dümmsten ist jetzt klar, dass der<br />
Fürst besessen war. In den kommenden Tagen<br />
wird der Vorfall von weltlichen und geistlichen<br />
Autoritäten untersucht, welche die<br />
Charaktere von jeder Schuld freisprechen.<br />
Vielleicht gibt es noch eine Belohnung vom<br />
Sohn des Fürsten, der froh ist, dass er früher<br />
an die Macht kommen durfte. Und dann reiten<br />
unsere Helden gemeinsam in den Sonnenuntergang…<br />
Ruhm- und Erfahrungspunkte<br />
Aktive Teilnahme am gesamten Abenteuer:<br />
1 EP<br />
Vernichtung Daenethors (jetzt oder<br />
später): 1 RP<br />
Appendix<br />
Nichtspielercharaktere<br />
Hinweis: Die Attributsmodifikatoren sind<br />
bereits mit den Fertigkeitswerten verrechnet<br />
worden. Der Spielleiter braucht also nur noch<br />
2w10 zum Fertigkeitswert hinzuzufügen.<br />
Die Werte können selbstverständlich dem<br />
Können der Spielercharaktere entsprechend<br />
erhöht oder gesenkt werden.<br />
Baron Ignaz von Murnau<br />
(Daenethor)<br />
Die Zahlen in den Klammern geben die<br />
Werte nach der Übernahme an.<br />
Eigenschaften:<br />
St 5 (10) • Kon 5 (10) • Ge 5 (10) •<br />
Wa 5 (10) • Int 6 (11) • Will 7 (12) •<br />
Cha 7 (12)<br />
Fertigkeiten:<br />
Aufmerksamkeit (Wa) 5 (10), Ausweichen<br />
(Ge) 5 (10), Beeindrucken (Cha)<br />
8 (13), Empathie (Cha) 7 (12), Etikette<br />
(Int) 8 (13), Lesen und Schreiben,<br />
Mode (Int) 5 (11), Reiten (Ge) 5 (10),<br />
Rhetorik (Cha) 7 (12), Taktik (Int) 5<br />
(11), Tanzen (Ge) 5 (10), Wissen: Kultur<br />
(Int) 7 (13), Wissen: Adel (Int) 8<br />
(13), Wissen: Geographie (Int) 5 (11),<br />
Wissen: Mathematik (Int) 4 (10), Wissen:<br />
Ortskunde “Murnau” (Int) 6 (12),<br />
Wissen: Recht und Gesetz (Int) 7 (13),<br />
Wissen: Wappenkunde (Int) 6 (12),<br />
Zechen (Kon) 5 (10), Fechtwaffen<br />
(Ge) 6 (11)<br />
Initiative: +0 (+5)<br />
Widerstandswerte:<br />
VW: 14 (24)<br />
Seite 33
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />
SR: 14 (24)<br />
GW: 17 (27)<br />
Waffen und Kampfwerte:<br />
Rapier 6 (11) 1w10 +2<br />
(1w10+7)<br />
Schlag/Tritt 0 1 w 1 0 / 2<br />
[(1w10/2 +5] (B)<br />
Ringen 0 1 w 1 0 / 2<br />
[(1w10/2 +5] (B)<br />
Lebenspunkte Ignatz:<br />
0/5, -2/10, -4/15, -6/20, Außer<br />
Gefecht/25, Koma/30<br />
Lebenspunkte Daenethor:<br />
0/10, -2/20, -4/30, -6/40, Außer<br />
Gefecht/50, Koma/60<br />
Arkane Macht: 7 (11)<br />
Potenzial: 3 (5)<br />
Baron Ignatz herrscht trat vor zehn 10 Jahren<br />
das Erbe seines Vaters an und herrscht<br />
seitdem über Murnau und das Umland. Er ist<br />
45 Jahre alt, mittelgroß und von schlankem<br />
Körperbau. Ein leichter Bauchansatz wird<br />
durch die gut geschnittene Kleidung erfolgreich<br />
kaschiert. Graue Strähnen durchziehen<br />
das dunkle, volle Haar und den kurzgestutzten<br />
Schnurr- und Kinnbart.<br />
Baron Ignatz kleidet sich immer nach der<br />
letzten Mode; sein persönlicher Stil setzt auf<br />
dezente, geschmackvolle Eleganz. Vor seiner<br />
Übernahme durch Daenethor ist Baron<br />
Ignatz vor allem daran interessiert, in seiner<br />
Stadt Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten.<br />
Solange die Charaktere ihm dabei behilflich<br />
sind, wird er ihnen weitgehend freie<br />
Hand lassen, was jedoch nicht bedeutet,<br />
dass sie auf seine umfassende Untertützung<br />
zählen können. Ignatz ist ein zu gewiefter<br />
Politiker, der immer darauf achtet, sich den<br />
Rücken frei zu halten.<br />
Daenethor kann nur noch durch Magie<br />
oder magische Waffen verletzt werden, sobald<br />
er sich länger als dreißig Minuten in seinem<br />
menschlichen Körper befindet.<br />
Stadtwache<br />
Eigenschaften:<br />
St 6 • Kon 6 • Ge 6 • Wa 6 • Int 5 •<br />
Will 6 • Cha 5<br />
Fertigkeiten:<br />
Aufmerksamkeit (Wa) 7, Ausweichen<br />
(Ge) 7, Beruf: Stadtwache (Int) 6,<br />
Gassenwissen (Int) 5, Einschüchtern<br />
(Will) 7, Wissen: Ortskunde “Murnau”<br />
(Int) 8, Schwerter (St) 6, Waffenloser<br />
Kampf (Ge) 5<br />
Initiative: +2 (0 mit Rüstung)<br />
Widerstandswerte:<br />
VW: 16<br />
SR: 16<br />
GW: 15<br />
Waffen und Kampfwerte:<br />
Langschwert 12 2w10 + 1<br />
Dolch 1 1w10<br />
Schlag/Tritt 2 1w10/2 + 1<br />
(B)<br />
Ringen 2 1w10/2 + 1<br />
(B)<br />
Lebenspunkte:<br />
0/6, -2/12, -4/18, -6/24, Außer<br />
Gefecht/30, Koma/36<br />
Ausrüstung:<br />
Langschwert, Dolch, Rüstung aus<br />
beschlagenem Leder (RS: 5, Bel.: -2),<br />
Signalhorn<br />
Kultisten<br />
Eigenschaften:<br />
St 5 • Kon 5 • Ge 6 • Wa 6 • Int 7 •<br />
Will 6 • Cha 5<br />
Fertigkeiten:<br />
Aufmerksamkeit (Wa) 6, Ausweichen<br />
(Ge) 4, Beruf: “jeweiliger Beruf” (Int)<br />
7, Gassenwissen (Int) 3, Wissen: Ortskunde<br />
“Murnau” (Int) 8<br />
Weitere Fertigkeiten nach Wahl des<br />
Spielleiters<br />
Initiative: +2<br />
Widerstandswerte:<br />
VW: 16<br />
SR: 14<br />
GW: 18<br />
Waffen und Kampfwerte:<br />
Waffe FW inkl. Boni<br />
Schaden inkl. Schadensbonus<br />
Dolch 1 1w10<br />
Schlag/Tritt 1 1w10/2 (B)<br />
Ringen 1 1w10/2 (B)<br />
Lebenspunkte:<br />
0/6, -2/12, -4/18, -6/24, Außer<br />
Gefecht/30, Koma/36<br />
Ausrüstung:<br />
normale Kleidung, Gegenstände des<br />
täglichen Bedarfs, Dolch. Weitere<br />
Gegenstände nach Wahl des Spielleiters.<br />
Bei den Kultisten handelt es sich um Angehöriger<br />
des Mittelstandes, die allesamt<br />
Daenethor aus rein eigensüchtigen Motiven<br />
verehren. Ihr Oberhaupt ist Damian Fogg.<br />
Die Kultisten werden hier nur grob skizziert,<br />
da die meisten von ihnen sowieso nicht individuell<br />
ausgespielt werden müssen.<br />
Falls doch, so gilt als Faustregel, dass jeder<br />
Kultist Fertigkeiten, die mit seinem Lebensunterhalt<br />
in Verbindung stehen, auf Werten<br />
von 5 bis 7 hat. Dies schließt auch Foggs<br />
Hausdiener mit ein.<br />
OFFTOPIC<br />
Rollenspielertreffpunkte<br />
Es ist nicht immer einfach, Mitspieler<br />
zu finden. Aus diesem Grund wurde<br />
das Projekt Rollenspielertreffpunkte<br />
finden! gegründet. Erstellt werden soll<br />
ein Flyer, der auf größeren Messen<br />
und Conventions verteilt wird. Darauf<br />
sind nach Regionen geordnet Stammtische<br />
und Spielrunden zu finden.<br />
Wer mehr wissen möchte, selbst<br />
einen Treffpunkt melden will oder<br />
bereit wäre, Flyer zu verteilen, für den<br />
ist folgender Link interessant:<br />
www.rollenspiel-almanach.de/<br />
rollenspielertreffpunkte-finden<br />
Dort findet man schon jetzt eine längere<br />
Liste mit Treffpunkten.<br />
Aufständischer Bürger<br />
Eigenschaften:<br />
St 5 • Kon 5 • Ge 5 • Wa 5 • Int 5 •<br />
Will 5 • Cha 5<br />
Fertigkeiten:<br />
Aufmerksamkeit (Wa) 5, Ausweichen<br />
(Ge) 4, Beruf: “jeweiliger Beruf” (Int)<br />
7, Wissen: Ortskunde “Murnau” (Int)<br />
7<br />
Initiative: +0<br />
Widerstandswerte:<br />
VW: 14<br />
SR: 14<br />
GW: 14<br />
Waffen und Kampfwerte:<br />
Waffe FW inkl. Boni<br />
Schaden inkl. Schadensbonus<br />
Improvisiert 1 1w10<br />
0<br />
Schlag/Tritt 1 1w10/2 (B)<br />
0<br />
Ringen 1 1w10/2 (B)<br />
0<br />
Lebenspunkte:<br />
0/5, -2/10, -4/15, -6/20, Außer<br />
Gefecht/25, Koma/30<br />
Ausrüstung:<br />
normale Kleidung, improvisierte Waffen<br />
wie Knüppel, Steine, Messer<br />
Diese Bürger sind keine trainierten Kämpfer,<br />
sondern Teil eines blutrünstigen Mobs.<br />
In ihrer Erregung lassen sie sich zu Gewalttaten<br />
hinreißen, die sie tags darauf vermutlich<br />
bitter bereuen werden. Lediglich ihre<br />
überlegene Zahl macht sie gefährlich. Falls<br />
die Charaktere sich mit den Aufständischen<br />
auseinander setzen müssen, so kommen auf<br />
einen Charakter zwei bis drei Gegner. •<br />
Seite 34<br />
Abenteuer
KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Kriegswesen im<br />
Mittelalter<br />
MITTELALTERLICHE KRIEGSSITUATIONEN REALISTISCHER DARSTELLEN<br />
TEXT: JAN-CHRISTIAN SCHOSKA<br />
Kriegsgründe:<br />
Warum kämpfen?<br />
Im Spätmittelalter fand ein Wandel in der<br />
Zusammensetzung der Heere statt. Das traditionelle<br />
Lehensheer, bestehend aus verpflichteten<br />
Wehrfähigen und Lehensträgern,<br />
wurde ergänzt durch das neu aufgenommene<br />
Söldnerwesen.<br />
Die Gründe und Motivationen für Schlachten<br />
und Kriege teilen sich in zwei große<br />
Bereiche. Einerseits die Ursachen für eine<br />
militärische Auseinandersetzung, also die<br />
Motive der kriegsführenden Parteien, und<br />
andererseits die antreibenden Gedanken der<br />
an den Kampfhandlungen teilhabenden Bevölkerungsschichten.<br />
Da es nur selten vorkommt, dass Spielercharaktere<br />
in Positionen geraten, in denen<br />
sie über Krieg und Frieden ganzer Nationen<br />
entscheiden können, ist der erste Bereich für<br />
Spielleiter nicht ganz so wichtig wie der zweite.<br />
Daher wird dieser im Folgenden nur kurz<br />
beschrieben. Dagegen sind die Gründe der<br />
einzelnen Kämpfer nicht zu unterschätzen.<br />
Viele Spielleiter dürften bereits die Erfahrung<br />
gemacht haben, dass noch so gut<br />
ausgedachte Einleitungen nicht immer für<br />
jeden Spieler eine ausreichende Motivation<br />
darstellen. Da gibt es den Goldgierigen, für<br />
den keine Moral existiert oder den geistlich<br />
Verklärten, dem weltliche Gründe unwichtig<br />
erscheinen. Welche Mittel und Wege Ihnen<br />
als Spielleiter im späten Mittelalter zur Verfügung<br />
stehen, um noch den letzten Spieler anzutreiben,<br />
wird im Rahmen dieses Abschnittes<br />
näher erläutert.<br />
Allein die Existenz stehender Heere bietet<br />
ein großes Aggressionspotenzial. Noch dazu<br />
wenn es an möglichen Konfliktpunkten nicht<br />
fehlt. Da gibt es z.B. religiöse Unterschiede,<br />
totalitäre Machtansprüche, kulturelle Differenzen<br />
und unklare Grenzverhältnisse.<br />
Vergleicht man nun die Gründe mit einem<br />
RPG wie DSA, so stellt man fest, all diese<br />
Gründe werden uns bereits geliefert. Es existiert<br />
ein Kontinent namens Aventurien, der<br />
auf engstem Raum verschiedenste Kulturen<br />
und Reiche beherbergt. Verfeindete Religionen,<br />
namentlich das 12-Göttertum und die<br />
Erzdämonen, verkörpern die exakten Gegensätze.<br />
Ihre Kulte bekämpfen sich bis auf<br />
das Letzte. Angestachelt durch machtgierige<br />
Fürsten gipfelt das Ganze immer wieder in<br />
Kriegszügen.<br />
Sie als Spielleiter können nun für interessierte<br />
Helden einen realistischen Hintergrund<br />
generieren.<br />
• Wählen Sie zwei oder mehr Parteien für<br />
Ihren Konflikt.<br />
• Sorgen Sie für glaubhafte Konfliktgründe.<br />
Lassen Sie sich dabei ruhig von geschichtlichen<br />
oder aktuellen Ereignissen<br />
inspirieren.<br />
• Legen Sie einen zeitlichen Ablauf für alle<br />
Geschehnisse fest.<br />
• Sorgen Sie für ausgearbeitete Erzählsequenzen.<br />
Diese geben den Spielern das<br />
Gefühl einer sich eigenständig verändernden<br />
Welt, die nicht nur auf ihre Aktionen<br />
reagiert; sondern sich weitgehend<br />
unabhängig von ihnen entwickelt.<br />
Das stehende Heer in Form eines Berufsheeres<br />
existierte zu Beginn des Spätmittelalters<br />
nicht. Damit fällt eine Motivation in<br />
Form des Broterwerbs im Dienste einer Partei<br />
flach. Dies wird zwar von den meisten Pen<br />
& Paper RPGs ignoriert, trifft aber für Spielercharaktere<br />
trotzdem zu. Für diese kommen<br />
feste Anstellungen nämlich nur selten in Frage,<br />
da das Abenteurerleben viele Ortswechsel<br />
mit sich bringt. Eine weitere Motivation<br />
bilden die Verpflichtungen, die mit Grundbesitz<br />
einhergehen.<br />
In den meisten spätmittelalterlichen Herrschaftssystemen<br />
waren Landbesitzer zu<br />
Diensten für das regierende System verpflichtet.<br />
Die Dienste reichten von „einfachen“<br />
Frondiensten für die Errichtung von Gebäuden,<br />
bis zu Wehrdiensten. Vor allem Adelige<br />
mussten ihren Beitrag in den Armeen leisten.<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 35
ANDUIN <strong>95</strong><br />
KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />
Da aber Spielercharaktere nur in den seltesten<br />
Fällen adelig oder im Besitz größerer Güter<br />
sind, bietet es sich an, die Charaktere von<br />
eben solchen Adeligen anheuern zu lassen.<br />
Oder aber die Charaktere schließen sich<br />
einem der im späten Mittelalter aufkommenden<br />
Söldnerverbände an, um dann wiederum<br />
von einem der regierenden Systeme angeheuert<br />
zu werden.<br />
Beide oben beschriebenen Methoden basieren<br />
auf materieller Vergütung. Eine derartige<br />
Vergütung war im späten Mittelalter<br />
nicht unüblich. Die in diesem Zeitraum immer<br />
mehr ausufernden, kriegerischen Aktivitäten<br />
erforderten viele Soldaten. So viele, dass<br />
häufig die Wehrdienstleistenden nicht ausreichend<br />
waren. Somit mussten zusätzliche<br />
Truppen angeheuert werden. In der Folge<br />
entstanden Söldnerverbände, die die Nachfrage<br />
befriedigten. Derartige Verbände bieten<br />
sich auch für RPGs an.<br />
Erstens ist es für einen Spielleiter einfacher<br />
in Schlachten verschiedene Gruppierungen<br />
auftreten zu lassen, wenn diese aus Personengruppen<br />
mit den gleichen Werten bestehen.<br />
Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel eine<br />
Seite 36<br />
MITTELALTER<br />
Wenn wir vom Mittelalter sprechen,<br />
dann beziehen wir uns auf die Zeit der<br />
Ritter und Burgen. Doch wann begann<br />
diese faszinierende Epoche? Und wann<br />
endete sie? Die heutzutage bekanntesten<br />
Eckdaten sind 500 n.Chr. bis 1500<br />
n.Chr.<br />
Dies sind allerdings nur vereinfachte<br />
Daten. Sie wurden aus rein praktischen<br />
Gründen festgesetzt. Bei der Einteilung<br />
in die Epochen Altertum, Mittelalter<br />
und Neuzeit, stellt sich nämlich das<br />
Problem der Begründung einer derartigen<br />
Einteilung. So könnten politische,<br />
soziale, gesellschaftliche oder auch<br />
kirchliche Veränderungen für eine<br />
Unterscheidung der Epochen herangezogen<br />
werden. Wie entstand also der<br />
Begriff Mittelalter? Wie seine zeitliche<br />
Festlegung?<br />
Zum ersten Mal sprachen die Menschen<br />
um das Jahr 1500 n.Chr. von<br />
einem Mittelalter. Unter anderem gab<br />
die Reformation den Menschen das<br />
Gefühl in ein neues Zeitalter einzutreten.<br />
Sie dachten, eine dunkle Epoche<br />
hätte ihr Ende erreicht und würde<br />
durch eine hellere ersetzt. In diesem<br />
Zusammenhang wurde der Begriff Mittelalter<br />
negativ geprägt. Er stand für<br />
eine finstere Periode in der Geschichte.<br />
Auch heute noch verwenden wir den<br />
Begriff,,finsteres Mittelalter“.<br />
Festgelegt wurde die Zeit der Epoche<br />
erstmals im 17. Jahrhundert. Damals<br />
begann das Mittelalter im Jahre 476<br />
mit dem Ende des weströmischen<br />
Reiches. Sein Ende wurde mit der<br />
Eroberung Konstantinopels im Jahre<br />
1453 datiert.<br />
Diese und andere Daten gelten bis heute<br />
noch. Es gibt allerdings trotz einiger<br />
markanter Ereignisse keine wirklichen<br />
geschichtlichen Brüche, die als Begründung<br />
für die Epocheneinteilung<br />
verwendet werden können.<br />
Das Mittelalter stellt also einen sehr<br />
großen Zeitraum dar. In den ca. 1000<br />
Jahren fanden große Entwicklungen in<br />
der Militärtechnik statt. Diese können<br />
in diesem Artikel nicht vollständig<br />
wiedergegeben werden. Um aber nicht<br />
nur einen oberflächlichen Überblick zu<br />
liefern, beschränken wir uns auf den<br />
für Rollenspiele wichtigsten Teil des<br />
Mittelalters, das späte Mittelalter.<br />
Im Mittelalter angesiedelte RPGs,<br />
wie zum Beispiel DSA, befinden sich<br />
technisch gesehen fast immer auf dem<br />
Stand des späten Mittelalters.<br />
Als Spätmittelalter gilt der Zeitraum<br />
vom Ende des Hochmittelalters (ungefähr<br />
1250) bis zum Beginn der Reformation<br />
(ungefähr 1500).<br />
Gruppe leicht bewaffneter Bauern, eine kleine<br />
Einheit gut ausgerüsteter Adliger und ein<br />
Söldnerverband.<br />
Auf diese Weise sortiert fällt es später<br />
leichter den Überblick über das Verhalten der<br />
einzelnen Verbände zu behalten. In einigen<br />
Spielsystemen gibt es vorgefertigte Listen<br />
mit Werten für bestimmte Verbände, die ein<br />
Spielleiter verwenden kann. Sollten Sie keine<br />
derartigen Listen zur Verfügung haben, erstellen<br />
Sie sich ruhig selbst welche. Sie sind<br />
nützlich und ersparen eine Menge Arbeit für<br />
zukünftige Schlachten.<br />
Zweitens sind viele RPG-Gruppen in ihrer<br />
Zusammensetzung bereits kleine, schlagkräftige<br />
Söldnereinheiten. Sie lassen sich<br />
also durchaus als Söldner in einen größeren<br />
Verband integrieren.<br />
Die materielle Vergütung bestand nicht nur<br />
aus harter Währung. Zwar war diese häufig<br />
der Anreiz für das Söldnervolk, jedoch bot<br />
die Aussicht auf Plündergut schon immer<br />
eine starke Motivation. Auch wurde durch<br />
die Veränderungen im Spätmittelalter ein<br />
Gefecht oft zu einer äußerst verlustreichen<br />
Angelegenheit für die Söldner. Durch die<br />
massive Ausweitung der Kriege und die Modernisierung<br />
der Waffentechnik, wurde der<br />
Krieg zu einer noch blutigeren Arbeit für alle<br />
Söldner. Noch halb im Kampfrausch, kam es<br />
teilweise zu Plünderungen.<br />
Neben der Verpflichtung und dem Verdienst<br />
gab es aber noch weitere Gründe für<br />
eine Teilnahme am Kriegsgeschehen. Abenteuerlust,<br />
Kampfeswut und Blutgier sind Eigenschaften,<br />
die auch viele Spielercharaktere<br />
auszeichnen. Die nachfolgende Liste soll<br />
die genannten Motivationen zusammen mit<br />
einigen weiteren Situationen als Anregungen<br />
für Spielleiter enthalten.<br />
• Spielergruppe auf Wanderschaft: Auf<br />
einer befestigten Straße begegnet den<br />
Charakteren ein Trupp Waffenträger.<br />
Diese sind gerade auf dem Weg zu<br />
einem Heereszug, um sich mit diesem<br />
zu vereinigen. Sobald sie die Charaktere<br />
erreicht haben, tritt den Spielercharakteren<br />
der vernarbte Anführer in den<br />
Weg und mustert sie. Nach kurzem<br />
Zögern fordert er die „Neuen“ auf, mit<br />
in die Schlacht zu ziehen. Es gäbe Ruhm<br />
zu erwerben und der Sold sei gut.<br />
• Spielergruppe in einer Stadt: Auf einem<br />
belebten Marktplatz versammeln sich<br />
Schaulustige um einen Herold. Dieser<br />
sorgt mithilfe eines Trommlers für Ruhe<br />
und trägt ein Angebot des Herzogs (Titel<br />
beliebig) vor. Gesucht werden dringend<br />
starke, mutige Männer und Frauen. Ein<br />
Kriegszug stehe bevor. Jeder könne sich<br />
für eine Entlohnung bei den Männern<br />
des Herrschers verpflichten.<br />
• Spielergruppe in der Nähe einer Kaserne:<br />
Ein den Spielern deutlich überlegener<br />
Soldatentrupp verstellt diesen<br />
den Weg. Die Spielercharaktere werden<br />
aufgefordert, ihre Pflicht in der Armee zu<br />
leisten. Dass es sich dabei nicht um einen<br />
Vorschlag, sondern um eine Zwangsrekrutierung<br />
handelt, wird schnell klar.<br />
• Spielergruppe in der Wildnis: An einem<br />
kalten Morgen wärmen sich die Spielercharaktere<br />
gerade an einem lodernden<br />
Lagerfeuer auf, als plötzlich Trommeln<br />
ertönen. Kurz darauf ist in einiger Entfernung<br />
der Aufmarsch vieler Menschen und<br />
Pferde zu hören. Auch aus der entgegengesetzten<br />
Richtung sind Geräusche zu vernehmen.<br />
Zwei Armeen beziehen Stellung.<br />
Leider befinden sich die Charaktere genau<br />
zwischen ihnen.<br />
• Spieler mit hohem sozialem Status:<br />
Eine völlig verstörte Frau taucht bei<br />
einem Charakter auf (wahlweise auch<br />
ein verstörter Mann). Sie bricht vor dem<br />
Charakter zusammen. Nach gutem Zure-<br />
Lesen & Spielen
KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
den beginnt sie schluchzend zu erzählen.<br />
Ihr Verlobter wurde in der Nacht vor der<br />
Hochzeit von einem Trupp rekrutierender<br />
Soldaten aufgegriffen. Sie hätten den<br />
im Waffengang Unerfahrenen verpflichtet<br />
und mitgenommen. Nun bittet sie<br />
den Charakter nach ihrem Verlobten zu<br />
suchen. Es liegt an dem Charakter ihn<br />
zurückzubringen.<br />
Logistik:<br />
Wie anfangen?<br />
„Die Logistik beeinflusst alle Schlachten –<br />
sie entscheidet viele.“<br />
— General Dwight David Eisenhower<br />
Nachdem nun die Gründe für einen Krieg<br />
feststehen, stellt sich die Frage: Wie anfangen?<br />
Dass es dabei nicht nur um militärische<br />
Planung geht, wird schnell klar, wenn es dazu<br />
kommt die Versorgung der Truppen sicher zu<br />
stellen. Lebensmittel müssen besorgt und zu<br />
den Kämpfern gebracht werden. Der Nachschub<br />
von Ausrüstung jeglicher Art muss<br />
gewährleistet werden. Dies fällt unter den<br />
Begriff Logistik.<br />
Wie in jedem Krieg, spielt die Logistik auch<br />
im Spätmittelalter eine entscheidende Rolle.<br />
Allerdings lässt sie sich in den meisten Rollenspielen<br />
vernachlässigen. Für einen Spielleiter<br />
ist weniger die tatsächliche Logistik, als vielmehr<br />
die Darstellung derselben wichtig. Solange<br />
kein Spielercharakter in den Planungsstab<br />
eines Generals berufen wird, muss keine<br />
Logistik existieren. Die Erzählung einiger logistischer<br />
Bestandteile (z.B.: ein Wagenzug<br />
mit Vorräten oder Burschen, die Pfeile an die<br />
Front tragen) ist ausreichend.<br />
Sollten Sie als Spielleiter aber einmal einer<br />
Spielrunde ermöglichen, eine wirkliche Führungsposition<br />
zu erreichen, so empfiehlt es<br />
sich die Logistik zu umgehen. Die Logistik<br />
stellt ein sehr kompliziertes Betätigungsfeld<br />
dar. Es kann zu einem echten Spaßkiller werden<br />
einen Feldzug bis ins Kleinste zu planen.<br />
Als Ausweg bietet sich an, alles Nebensächliche<br />
in die Hände von Nichtspielercharakteren<br />
zu legen.<br />
Die Spieler sind nur für die grobe Planung<br />
der militärischen Aktionen zuständig. Ein<br />
Heer von Offizieren übernimmt alle anderen<br />
Aufgaben. Die eigentliche Logistik erscheint<br />
wieder als Erzählsequenzen.<br />
Nun einige Beispiele für Spieleraufgaben<br />
im Bereich Logistik.<br />
• In einem Lager mit ungewöhnlichen<br />
Spielercharakteren: Möglich sind grundsätzlich<br />
alle Berufe, die im Kriegsfall nur<br />
im Bereich Logistik auftreten. Da wären<br />
alle Köche, Schmiede und Wagenlenker,<br />
die sich in die Gruppe verirrt haben. Alle<br />
diese Spielansätze ziehen ihren Reiz aus<br />
der besonderen Situation. Nichts was<br />
sonst einfach wäre ist auch unter den<br />
Bedingungen eines Krieges einfach. Versuchen<br />
sie einmal mit knappen Vorräten die<br />
Wünsche einer Horde hungriger Söldner<br />
(dagegen sind Wölfe harmlos) zu befriedigen.<br />
• In einem Lager: Aufgrund des Verlustes<br />
eines Unteroffiziers müssen in dem Lager<br />
der Charaktere einige wichtige Aufgaben<br />
neu verteilt werden. Den Spielern wird<br />
die Aufgabe zuteil, die knappen Wasservorräte<br />
an die Truppen auszugeben. Es<br />
liegt an ihnen zu entscheiden, wer wie<br />
viel bekommt. Die Zeit sich Freunde oder<br />
Feinde zu machen ist gekommen.<br />
Unter normalen Umständen erlebt ein einfacher<br />
Soldat, Söldner oder Zivilist die Logistik<br />
nicht als Ganzes. Ihm fallen nur einzelne<br />
Unternehmungen auf. Um einem Spielleiter<br />
die Darstellung der Logistik zu ermöglichen,<br />
gibt es nun einige Vorschläge für Erzählsequenzen.<br />
• Hinter der Front: Ein leicht bewachter<br />
Wagenzug zieht schwerfällig in Richtung<br />
Front. Schwer beladen mit billigen<br />
Nahrungsmitteln und Wasserfässern.<br />
Die unzureichende Bewachung des Zugs<br />
bietet Gelegenheit für Überfälle. Ohne die<br />
Ankunft eines Wagenzugs ist ein ganzer<br />
Frontabschnitt Hunger und Durst ausgeliefert.<br />
• In einem Dorf nahe der Frontlinie: Eine<br />
Gruppe Soldaten (vom Typ Schläger)<br />
klopft bei jedem Bauern an die Tür. Sie<br />
fordern Nahrungsmittel und Tiere ein.<br />
Ohne Rücksicht wird alles Brauchbare<br />
mitgenommen. Auch nicht eindeutig unter<br />
dem Zeichen einer der Kriegsparteien<br />
stehende Spielercharaktere, kommen in<br />
Bedrängnis.<br />
• An der Front: Jungen und Mädchen<br />
rennen durch den Pfeilhagel zwischen den<br />
umgestürzten Wagen und Erdwällen. Sie<br />
versuchen unter Lebensgefahr Munition<br />
an die Schützen auszugeben. Ein Mädchen<br />
mit einem Bündel Pfeile wird getroffen<br />
und bricht zusammen. Jemand muss<br />
helfen. Außerdem geht den Charakteren<br />
selbst die Munition aus.<br />
Die Armee:<br />
Wer kämpfte?<br />
Dieses Kapitel befasst sich mit den Soldaten,<br />
die in einem mittelalterlichen Heerzug<br />
vorhanden waren.<br />
Meist war der mittelalterliche Soldat männlich.<br />
Es ist nur ein Fall bekannt, in dem eine<br />
Frau, auch als solche unter ihren Kameraden<br />
bekannt, offiziell Schulter an Schulter mit ihren<br />
männlichen Kameraden kämpfte. Diese<br />
Frau konnte wegen ihres rohen Verhaltens<br />
allerdings schon fast als Mann angesehen<br />
werden,, wenn man den Quellen Glauben<br />
schenken darf.<br />
So wie die Männer den Frauen im Heer zahlenmäßig<br />
überlegen waren, so waren es die<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 37
ANDUIN <strong>95</strong><br />
KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />
Infanteristen der Kavallerie. Das heißt allerdings<br />
nicht, dass die Kavallerie weniger wichtig<br />
als die Infanterie war. Im Gegenteil. Der<br />
berittene Soldat war in einem mittelalterlichen<br />
Krieg wichtiger, als der Panzer heute. Es<br />
gibt nur wenige bekannte Beispiele in denen<br />
eine Armee im Mittelalter einen Krieg ohne<br />
Kavallerie gewonnen hat. Also versuchte<br />
man ein Gefecht ohne Reiter zu vermeiden.<br />
Aus diesem Grund soll gleich noch gesondert<br />
auf die Kavallerie eingegangen werden.<br />
Infanteristen sind entweder nicht professionelle<br />
Kämpfer wie Bauern, Handwerker,<br />
Bürger oder ein professioneller zum Kämpfen<br />
ausgebildeter Soldat, der im stehenden<br />
Heer eines Landes dient und mit dem blutigen<br />
Handwerk seinen Lebensunterhalt<br />
finanziert. Das wohl jedem Spieler bekannte<br />
Beispiel dieser Profis stellt der ordinäre<br />
Stadtgardist dar.<br />
Aufgrund der fehlenden Ausbildung und<br />
mangelnden Erfahrung im Kampf Mann gegen<br />
Mann, stellen die nicht professionellen<br />
Kämpfer nur in Ausnahmesituationen das<br />
wichtigste Glied einer Armee dar, auf dem<br />
die taktische Planung des Feldherrn beruht.<br />
Viel mehr bilden die erfahrenen Kämpfer das<br />
tragende Element in einem Krieg.<br />
Den Nichtprofessionellen wird meist nur<br />
die undankbare Rolle des Köders zugewiesen<br />
oder sie werden als erste in den Kampf<br />
geschickt, um dem Gegner möglichst viele<br />
Verluste zuzufügen ohne dafür die für viel<br />
Geld ausgebildeten Vollzeitsoldaten opfern<br />
zu müssen. Natürlich galt nicht immer die<br />
Parole, schickt die Bauern vor, die machen<br />
das schon – schließlich benötigte das Land<br />
auch nach einem Krieg noch eine produktive<br />
Landwirtschaft bzw. eine funktionierende Infrastruktur.<br />
Die Vollzeitsoldaten können aus allen<br />
Volksgruppen stammen, da ein Adeliger eher<br />
selten die Rolle eines einfachen Soldaten<br />
übernehmen wird. Wie schon erwähnt stellen<br />
diese Berufskämpfer das grundlegende<br />
Glied einer Armee dar. Diese Soldaten leben<br />
in dem Land, dem die Armee in der sie kämpfen<br />
angehört. Manchmal konnte es allerdings<br />
vorkommen, dass die eigenen Kräfte nicht<br />
ausreichend waren. Man musste also Verstärkung<br />
von Außen hinzuziehen. Allianzen<br />
mit anderen Ländern war eine Möglichkeit,<br />
das Anwerben von Söldnern die andere.<br />
Söldner wurden nicht einzeln angeworben,<br />
sondern Söldner schlossen sich zu Gruppen<br />
zusammen, die auch über eigene Erkennungszeichen<br />
und Farben verfügten. Diese<br />
Gruppen wurden im Ganzen in die eigene<br />
Armee eingefügt.<br />
Seite 38<br />
Die Infanterie<br />
Die Infanterie stellte den Hauptteil der mittelalterlichen<br />
Armeen. Sie verwendete verschiedenste<br />
Waffen. Schwerter und Schilde,<br />
Speere, Hiebwaffen wie Morgensterne oder<br />
Hämmer und Schusswaffen wie Bogen oder<br />
Armbrust.<br />
Die bis jetzt genannten Soldaten gehörten<br />
allesamt der Infanterie an. Außerdem gab es<br />
noch die Kavallerie, die meist mit Schild und<br />
Schwert oder einem Speer bewaffnet war.<br />
Zusätzlich zur Einteilung durch die Bewaffnung,<br />
also ob ein Soldat eher für Nah- oder<br />
Fernkampf d.h. offensiv oder defensiv orientiert<br />
war, wurde die Infanterie noch in Reserveeinheiten<br />
und Kampfeinheiten aufgeteilt.<br />
Die Kavallerie<br />
Die stärkste Waffe auf den Schlachtfeldern<br />
des Mittelalters war wohl die Kavallerie.<br />
Die speziell für diese berittenen Soldaten<br />
gezüchteten Pferde mussten groß gebaut<br />
sein, ein enormes Gewicht tragen können<br />
und ausdauernd sein. Das Gewicht, das allein<br />
der schwer gepanzerte Ritter auf die Waage<br />
brachte, lag bei etwa 150 kg, das der Rüstung<br />
des Pferdes lag etwas darunter. Ein voll ausgestattetes<br />
Pferd mit gepanzertem Ritter<br />
trug wenigstens 200 kg. Um während der<br />
Schlacht nicht unter der enormen Belastung<br />
zusammenzubrechen, mussten die Pferde<br />
die oben bereits genannten Eigenschaften<br />
erfüllen: Größe, Kraft und Ausdauer. Eigenschaften,<br />
die natürlich auch außerhalb der<br />
Schlacht trainiert werden mussten, damit<br />
das Pferd nicht verweichlichte.<br />
Stimmte das Terrain des Schlachtfeldes,<br />
mähte die Kavallerie alles nieder. Ein Sieg einer<br />
Armee die über keine eigene Kavallerie<br />
verfügte, war selten. Hatte man also keine<br />
Kavallerie in den eigenen Reihen und stand<br />
einer gegnerischen Kavallerie auf freiem Feld<br />
gegenüber, standen die Chance eher schlecht<br />
und dementsprechend sank die Motivation<br />
der eigenen Soldaten. Denn im Kampf von Infanterie<br />
gegen Kavallerie gab es nur wenige<br />
Möglichkeiten, um nicht von der halben Tonne<br />
Gewicht überrannt zu werden und unter<br />
den Hufen des Pferdes zu sterben.<br />
Die beste Möglichkeit war, das Pferd statt<br />
dem Reiter anzugreifen, also zu versuchen<br />
das Pferd zu Fall zu bringen, indem man auf<br />
die Beine des Pferdes einschlug. Fiel das<br />
Pferd, hatte der Reiter wenige Chancen zu<br />
überleben. Durch seine schwere Rüstung<br />
war er so unbeweglich, dass er Helfer benötigte<br />
um sich wieder aufzurichten. Aus<br />
eigener Kraft war das unmöglich. Also war<br />
das Pferd die Schwachstelle und wurde dementsprechend<br />
gepanzert, vor allem im Halsbereich<br />
und an den Beinen. Das ergab zwei<br />
Vorteile. Es war schwerer das Pferd zu Fall zu<br />
bringen und es war für die Kavallerie leichter,<br />
die gegnerische Infanterie nieder zu reiten,<br />
ohne, dass das Tier dabei von einem Schwert<br />
oder Speer am Hals verletzt wurde. Die Kavallerie<br />
war sozusagen die Panzergruppe des<br />
Mittelalters.<br />
Man benötigte also Kavallerie. Die Chancen<br />
auf einen Sieg ohne waren einfach zu<br />
gering.<br />
Allerdings brachte die Kavallerie im Unterhalt<br />
einige Probleme mit. Für die Pferde benötige<br />
man Stallungen, weiträumige Wiesen<br />
mit festem Boden und genügend Raum zum<br />
Haferanbau. Zur Pflege der Tiere, deren Rüstungen<br />
und Stallungen waren viele Knechte<br />
und Jungen, sowie Schmiede und andere<br />
Handwerker notwendig. Die Stallungen wurden<br />
häufig in Burgen errichtet, um die Verfügbarkeit<br />
der Kavallerie möglichst immer<br />
zu garantieren und um die Stallungen einem<br />
Gegner im Kriegsfall nicht preiszugeben, was<br />
zusätzliche Kosten mit sich brachte. Kavallerie<br />
war also sehr kostspielig.<br />
Und trotzdem konnte es passieren, dass<br />
sie im Kampf wegen sumpfigem oder felsigem<br />
Terrain nicht eingesetzt werden konnte.<br />
Der Vergleich mit den heutigen Panzern ist<br />
also sehr treffend.<br />
Bewaffnet war die Kavallerie meist mit<br />
Schwert und Schild oder Speer. Allerdings<br />
war das gepanzerte Pferd die Hauptwaffe,<br />
da die schwere Rüstung die Reiter eher unbeweglich<br />
und träge werden ließ.<br />
Erscheinung:<br />
Wie sahen sie aus?<br />
Betrachtet man eine Armee unter dem<br />
Blickpunkt eines Rollenspiels, wirft sich automatisch<br />
die Frage nach dem allgemeinen<br />
visuellen Eindruck der Armee auf die Spielercharaktere<br />
auf. Waren Armeen eher ein<br />
einheitlicher tarnfarbener Brei in Formation,<br />
also etwa heutige Verhältnisse, oder kam<br />
eine mittelalterliche Armee schreiend bunt<br />
und auffällig daher? Leider ist über die Kleidung<br />
der Menschen des Mittelalters relativ<br />
wenig bekannt. Speziell die Soldaten und<br />
die Männer und Frauen die dem Heerzug<br />
folgten, wurden bei den historischen Wissenschaftsarbeiten<br />
aus dieser Epoche selten<br />
oder nur unvollständig behandelt.<br />
Das Wenige was über das Aussehen, also<br />
den Kleidungsstil eines gewöhnlichen Soldaten<br />
bekannt ist, stammt aus archäologischen<br />
Ausgrabungen, historischen Aufzeichnungen,<br />
Kunst und comicartigen Abbildungen,<br />
wie diejenigen auf dem Teppich von Bayeux,<br />
Lesen & Spielen
KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
der eine der Hauptquellen für Bewaffnung<br />
und Rüstung dieser Epoche darstellt. Funde<br />
aus einer Ausgrabung geben immer lediglich<br />
ein Bild davon ab, wie diese spezielle Person<br />
schließlich begraben wurde. Ob der Leichnam<br />
zu Lebzeiten gleich gekleidet war oder<br />
ob die Kleidung des Toten beispielhaft für<br />
seine Zeit, also Mode war, weiß niemand. Es<br />
lassen sich also nur Vermutungen über die<br />
Kleidung anstellen.<br />
Setzt man den gesunden Menschenverstand<br />
ein, so kommt wohl jeder zu der Erkenntnis,<br />
dass Menschen egal in welcher<br />
Zeit und Epoche sie lebten, bunte Kleidung<br />
häufig der ungefärbten Kleidung vorzogen.<br />
Es ist also nicht bewiesen, aber doch in gewisser<br />
Weise logisch, dass die Armeen eher<br />
farbenfroh anzusehen und wenn es nur zwei<br />
Landesfarben waren. Tarnfarbene Kleidung<br />
ist eher unwahrscheinlich und wurde, wenn<br />
überhaupt, nur für Späher eingesetzt.<br />
Der einzelne Soldat trug entweder ein<br />
Kettenhemd oder einen Plattenrock. Ob unter<br />
oder über der Kleidung war wahrscheinlich<br />
von den persönlichen Vorstellungen<br />
und Geschmäckern von Kleidung abhängig.<br />
Unter der Rüstung musste jedoch und jeder<br />
DSA-Spieler weiß das, eine wattierte<br />
Unterkleidung getragen werden, damit ein<br />
Schwerthieb die Ringe nicht in das eigene<br />
Fleisch treiben konnte und das Kettenhemd<br />
durch die Reibung mit der Unterkleidung<br />
nicht verrutschte.<br />
Geht man nach der Kleiderordnung, die für<br />
Tempelritter galt, mussten diese eine gepolsterte<br />
Kappe, zwei Hemden, den Waffenrock<br />
u.a. immer mitführen. Ein Sergeant, weniger<br />
gut gerüstet als ein Ritter, trug zum Kettenhemd<br />
noch Kettenbeinlinge und z.B. einen<br />
Eisenhut, die sogar bemalt wurden. Bei einer<br />
kalten Witterung wurde häufig wattierte<br />
Kleidung mit einem Gugel (Kapuze mit einem<br />
weiten Kragen für Hals und Schultern) getragen.<br />
Bei Google oder Ebay findet man immer<br />
einige Bilder dazu.<br />
Beispielsweise trugen walisische Bogenschützen<br />
aus Flynt knielange Tuniken und<br />
bis zur Brust reichende Gugel, die einheitlich<br />
aus grünem und weißem Stoff genäht wurden.<br />
Also eine einheitliche Bekleidung für<br />
eine ganze Gruppe von Soldaten. Ob dieses<br />
Beispiel jedoch für eine ganze Armee eines<br />
Königreichs anwendbar ist oder ob es eher<br />
eine Randerscheinung darstellt, ist unsicher.<br />
Das Bild einer Armee in der jeder Soldat unterschiedliche<br />
Kleidung mit verschiedensten<br />
Farben trug ist also genauso möglich, wie<br />
eine komplett einheitlich in blau und rot gekleidete<br />
Armee oder eine farbliche Übereinstimmung<br />
der einzelnen Einheiten. Als Spielleiter<br />
bleibt einem bei der Farbwahl somit<br />
freie Hand.<br />
Ritter schmückten ihren Topfhelm häufig<br />
mit einem Zimier (Helmschmuck der an der<br />
Oberseite des Helmes angebracht wurde und<br />
bei Turnieren phantastische Ausmaße annehmen<br />
konnte im Kampf jedoch unzweckmäßig<br />
war). Unter den Wohlhabenden waren<br />
im 15. Jahrhundert mit Edelsteinen besetzte<br />
goldene Kugeln sehr populär, während der<br />
einfache Soldat sich auf einen um den Helm<br />
gewickelten Schal oder eine Feder am Helm<br />
als Schmuck beschränkte. Reich ausgestatte<br />
Leibgarden trugen oft mit Edelsteinen besetzte<br />
Helmbüsche.<br />
Zur Identifizierung von Einheiten wurden<br />
Offizieren häufig Nummern ihrer Einheit auf<br />
den Helm gemalt.<br />
Ein weiterer Punkt, der unter den Soldaten<br />
Prestigestatus erreichte, war die Intensität<br />
des Glanzes der Stahlteile einer Rüstung oder<br />
des Helmes. Regen, Nebel und Schweiß bedeckten<br />
diese Teile nach einem Tagesmarsch<br />
mit rotem Flugrost. Also wurde die Rüstung<br />
mittels eines Bimssteines und Öl gereinigt<br />
und auf Hochglanz poliert. Kettenhemden<br />
lassen sich wegen des typischen Ringgeflechtes<br />
weniger leicht pflegen. Sie wurden meist<br />
in einen Sack mit Sand und Essig gesteckt<br />
oder ganz einfach in einem Fass voller Sand<br />
gereinigt.<br />
Verletzungen:<br />
Warum ich?<br />
Zu jeder Zeit sind Kämpfe mit Verletzungen<br />
und Leid verbunden. Dies gilt besonders<br />
auch im Spätmittelalter. Die medizinische<br />
Versorgung war, wenn überhaupt vorhanden,<br />
mangelhaft und nichts im Vergleich zu<br />
unseren heutigen Methoden. Sollten den<br />
Charakteren in ihrem Spielsystem keine magischen<br />
Mittel zur Verfügung stehen, lassen<br />
Sie sie also ruhig die Folgen eines Kampfes<br />
spüren.<br />
Verletzungen bieten – richtig dargestellt –<br />
ein gutes erzählerisches Potential, solange<br />
die Spieler nicht nur mit der Veränderung ihrer<br />
Werte gequält werden, sondern eine Geschichte<br />
erzählt bekommen. Die Spielercharaktere<br />
können aktiv in den Heilungsprozess<br />
einbezogen werden. Es kann zu einem eigenen<br />
Abenteuer geraten, bestimmte Heilkräuter<br />
zu suchen oder einen Verletzten sicher<br />
durch ein Kriegsgebiet zu eskortieren.<br />
Eine Verletzung sollte aber nie mit medizinischen<br />
Fachbegriffen beschrieben werden.<br />
Erstens waren die meisten Fachwörter oder<br />
Krankheitsbilder im späten Mittelalter unbekannt<br />
und zweitens zerstört es die Atmosphäre<br />
genau zu wissen welches Organ auf<br />
welche Weise verletzt wurde.<br />
Bei all dem ist unwichtig, ob die Verletzung<br />
oder Krankheit mitsamt ihren Auswirkungen<br />
medizinisch richtig erzählt ist. Sollte dem<br />
Spielleiter jedoch einmal ein anwesender<br />
Mediziner widersprechen, so gilt auch hier<br />
die goldene RPG-Regel: der Spielleiter hat<br />
immer Recht. Und etwas, das zu einem guten<br />
Rollenspiel beiträgt, kann nie falsch sein!<br />
Allerdings stellt sich die Frage, ob wirklich<br />
ein Spieler die Rolle des schwer Verletzten<br />
übernehmen sollte. In einer Gruppe mit<br />
schauspielerisch veranlagten Spielern kann<br />
es sehr stimmungsvoll sein, einen verletzten<br />
Charakter darzustellen. Viele Spieler werden<br />
sich jedoch benachteiligt fühlen. Für sie ist<br />
ein beinahe handlungsunfähiger Charakter<br />
ein Spaßkiller. Und nichts kann frustrierender<br />
sein, als alleine auf einer Bahre zu liegen,<br />
während der Rest der Gruppe nach Heilpflanzen<br />
sucht oder gegen eine Horde Gegner<br />
kämpft. Für einen solchen Fall empfiehlt es<br />
sich, einen NPC als Verletzten zu wählen.<br />
Um die Folgen eines Kampfes zu verdeutlichen,<br />
ohne dabei einen Charakter zu benachteiligen,<br />
gibt es jetzt ein paar Vorschläge für<br />
Erzählsequenzen.<br />
• Auf Reisen hinter der Front: Ihr Weg<br />
führt die Charaktere an einer Ansammlung<br />
primitiver Zelte vorbei. Nachdem aus<br />
dem Inneren eines am Wegrand stehenden<br />
Zeltes einige markerschütternde<br />
Schreie ertönen, betreten die Charaktere<br />
(hoffentlich) dasselbe. In ihm steht Liege<br />
an Liege. Ein blutüberströmter Feldarzt<br />
versucht einen panisch um sich schlagenden<br />
Verwundeten zu behandeln. Er ruft<br />
nach dem vermeintlich stärksten Charakter<br />
und bittet ihn um Hilfe. Schon sehen<br />
sich die Spieler mit einigen Hilfsdiensten<br />
beauftragt den Ärzten zur Hand zu gehen.<br />
• Mitten im Frontgebiet: Kameraden<br />
tragen einen Verletzten über die Leichen<br />
der Gefallenen. Ohne Hilfe oder eine Trage<br />
kommen die Erschöpften nicht mehr<br />
weit. Entweder die Spieler greifen ein und<br />
helfen, oder die Träger schleppen den<br />
Verwundeten noch einige Schritte, bevor<br />
sie zusammenbrechen.<br />
• In einer entscheidenden Schlacht: Die<br />
Schlacht ist derart wichtig, dass auch<br />
noch die letzten Soldaten mobilisiert<br />
werden. Ein Teil des Truppenaufgebotes<br />
besteht aus schwer Verwundeten.<br />
Humpelnde und mit Verbänden übersäte<br />
Gestalten ziehen in ein letztes Gefecht. •<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 39
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DAS ERBE DER DRACHENTÖCHTER<br />
Das Erbe<br />
der Drachentöchter<br />
EIN KURZES UNIVERSELLES FANTASY-ABENTEUER<br />
TEXT: FRIEDERIKE SCHMUTZLER<br />
ILLUSTRATION: MONIQUE HAGEL<br />
Vorwort<br />
Die beiden schönen Zwillingstöchter<br />
des Fürsten Arad von Dekandur,<br />
Theria und Ellesin, sind in höchsten<br />
Nöten: Ihr böser Vetter Drake von Bel'Adyn<br />
hat ihren Vater ermordet und bedrängt nun<br />
die Schwestern, ihn zum Nachfolger ihres Vaters<br />
zu machen, am besten durch eine Hochzeit<br />
mit Theria. Er wird von mächtigen Adligen<br />
aus den umliegenden Provinzen unterstützt,<br />
denn die beiden jungen Frauen werden nicht<br />
nur für vollkommen unfähig gehalten und<br />
auch aufgrund ihrer halbelfischen Herkunft<br />
abgelehnt, sie hüten auch einen uralten<br />
Schatz: das Draconium, ein Edelstein, der es<br />
seinem Träger möglich macht, sich mit einem<br />
Drachen zu verständigen, ohne den Drachen<br />
jedoch dabei zu versklaven oder sich gefügig<br />
zu machen. Seit Jahrhunderten ist dieser<br />
Stein im Besitz der Familie von Dekandur, und<br />
man kennt die weiblichen Dekanduri auch im<br />
ganzen Land als die „Drachensprecher“.<br />
Nur Theria hat jedoch die Fähigkeit ihrer<br />
Vorfahrinnen geerbt, sie ist auch die Erbin<br />
von Dekandur. Ihre Schwester Ellesin und<br />
deren Verlobter Jack Randall stehen ihr<br />
bei gegen die Anfeindungen, doch dann<br />
geschieht etwas Unvorhergesehenes: ein<br />
Erdbeben zerstört das Draconium. Nur eine<br />
uralte Prophezeiung kann jetzt noch helfen:<br />
Laut einer alten Handschrift in der Bibliothek<br />
von Dekandur besteht noch Hoffnung, ein<br />
neues Draconium zu erschaffen mit der Hilfe<br />
von einigen Fremden, die in Kürze eintreffen<br />
werden (wenn der Spielleiter möchte, kann<br />
er sich passende Umschreibungen für die<br />
Charaktere ausdenken, die dann in der Prophezeiung<br />
erwähnt werden). Die Zutaten<br />
müssen allerdings innerhalb von 3 Tagen bis<br />
zur Mitternacht des dritten Tages ab Ankunft<br />
der Charaktere herbeigeschafft werden, ansonsten<br />
ist Dekandur verloren und fällt Drake<br />
in die Hände.<br />
An diesem Punkt beginnt die Handlung und<br />
die Charaktere kommen ins Spiel. Sie können<br />
sich auf der Durchreise befinden, aber auch<br />
Seite 40<br />
von der wundersamen Gabe der Dekanduri<br />
gehört haben und sich daher gezielt auf dem<br />
Weg dorthin befinden. Vielleicht ist ihre Information<br />
über die Baronie schon älter und<br />
sie haben daher noch nichts von Lord Arads<br />
Tod gehört.<br />
Einstieg<br />
Die Gruppe wird unterwegs von einer<br />
Schar von bewaffneten Männern<br />
(20 einfache Soldaten/Fußvolk plus<br />
ein Hauptmann) angehalten, die behaupten,<br />
Wegzoll kassieren zu wollen in Höhe von einem<br />
Goldstück pro Kopf. Ihr oberster Herr<br />
ist der Lord Drake von Bel'Adyn. Weisen die<br />
Charaktere den Hauptmann darauf hin, dass<br />
es sich bei der Strasse zum einen um eine öffentliche<br />
Strasse handelt und zum anderen<br />
(wenn sie bereits das Wissen über die Gegend<br />
haben), es sich hier um Land des Herren von<br />
Dekandur handelt, werden die Soldaten zum<br />
Kampf übergehen. Während des Kampfes<br />
kommt ein unbekannter Mann hinzu und<br />
hilft der Gruppe. Der Hauptmann zieht sich<br />
mit seinen Männern zurück, nicht ohne noch<br />
ein paar Schmährufe zu hinterlassen.<br />
Der unbekannte Mann stellt sich vor: Sein<br />
Name ist Jack Randall, seine momentane Heimat<br />
ist das Schloss Dekandur, wo er bei den<br />
Schwestern Ellesin und Theria lebt. Er lädt<br />
die Gruppe ein, sich ihm anzuschließen.<br />
Während die Gruppe mit Randall eintrifft<br />
und in den grossen Saal gehen will, fällt ihnen<br />
im Burghof ein Mann auf, der das Gleiche<br />
Wappen trägt wie die Soldaten, die sie angegriffen<br />
haben. Dieser Mann ist jedoch wesentlich<br />
vornehmer gekleidet als die Soldaten.<br />
Auf Nachfrage erfahren sie, dass es sich<br />
hierbei um Drake Bel'Adyn handelt, der um<br />
die Hand von Lady Theria anhält. Diese hat<br />
jedoch allen Grund, ihn abzulehnen, denn so<br />
wie es aussieht, hat Drake den Vater der beiden<br />
Schwestern auf dem Gewissen. Nur der<br />
Hinweis, dass sie noch trauert, hält den Mann<br />
im Moment davon ab, seiner Forderung<br />
Nachdruck zu verleihen. Leider hat Bel'Adyn<br />
die mächtigsten Adligen der Gegend hinter<br />
sich, denn die meisten der Männer sind der<br />
Meinung, dass Frauen nicht regieren sollten.<br />
Außerdem sind die beiden Frauen Halbelfen,<br />
und auch Ellesins Verlöbnis mit dem nicht<br />
adligen Jack Randall trägt nicht zur Verbesserung<br />
der Lage bei.<br />
Die Schwestern glauben jedoch, dass hinter<br />
Drakes Plänen etwas ganz anderes steckt,<br />
nämlich das Draconium. Hierbei handelt es<br />
sich um einen mächtigen Edelstein, der einer<br />
dafür ausgebildeten und dieser Fähigkeit<br />
mächtigen Magierin die Fähigkeit verleiht,<br />
einen Drachen zu rufen. Dieser Drache wird<br />
Dekandur gegen alle Widrigkeiten beschützen.<br />
Eine alte Sage besagt, dass Dekandur<br />
nicht angegriffen werden kann, solange sich<br />
das Draconium auf der Burg befindet. Doch<br />
ein Erdbeben (von dem nicht ganz klar ist, ob<br />
es natürlichen Ursprungs war) kurz vor der<br />
Ankunft der Helden hat das Draconium zerstört.<br />
Auf der Suche nach Hilfe hat sich eine<br />
uralte Prophezeiung gefunden, und Theria<br />
hofft nun, die Gefährten helfen ihr dabei und<br />
liest ihnen die Prophezeiung vor, wie in der<br />
Einleitung beschrieben. Diese weist jedoch<br />
nur darauf hin, dass die Gruppe, die sich auf<br />
Dekandur befindet, helfen kann. Weitere<br />
Hinweise kann laut dem Buch nur der blinde<br />
Seher Kherion, der in einer Höhle weiter<br />
nördlich wohnt, geben.<br />
Jack Randall kann die Gruppe als NSC begleiten,<br />
da er sich in der Gegend gut auskennt.<br />
Kherions Höhle<br />
Wer Kherions Höhle betreten will,<br />
muss zunächst an dem Torwächter<br />
vorbei. Dieser stellt der Gruppe<br />
ein Rätsel:<br />
Ein Schmerz, ein Ausruf<br />
und ein ewig Nein<br />
wird stets der Grund<br />
von aller Freundschaft sein.<br />
Abenteuer
DAS ERBE DER DRACHENTÖCHTER<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Lösung: Harmonie<br />
Verfasser: Franz von Brentano<br />
Jedes Mitglied der Gruppe hat genau einen<br />
Lösungsversuch, ist das Rätsel dann nicht<br />
gelöst, muss die Gruppe gegen den Torwächter<br />
und seine Untotenarmee kämpfen. Der<br />
Torwächter hat noch 10 Zombies hinter sich,<br />
er selbst ist schwer gepanzert und mit einer<br />
Hiebwaffe wie Schwert oder Morgenstern<br />
bewaffnet und sollte kein zu einfacher Gegner<br />
für die Gruppe sein.<br />
Hinter dem Torwächter betritt die Gruppe<br />
eine riesige hohe Höhle, die ca. 20m hoch ist<br />
und von der zwei Gänge abgehen.<br />
Der erste Gang endet nach kurzer Zeit in<br />
einer Bärenhöhle, in der drei Schwarzbären<br />
hausen, die die Charaktere sofort angreifen.<br />
Nach einem Kampf gegen die Bären nimmt<br />
die Gruppe den anderen Gang. Dort erwartet<br />
sie nach kurzer Zeit eine weitere Gruppe<br />
Zombies (ca. 10-15, je nach Gruppenstärke<br />
und Bewaffnung). Dann macht der Gang eine<br />
Biegung, und hier warten 7 Spinnen. In der<br />
nächsten Höhle sind 6 Spinnen, die den Charakteren<br />
das Leben schwer machen, dann<br />
endlich begrüßt sie der blinde Seher:<br />
„Ihr seid weit gereist, meine Freunde, und<br />
ich weiß was euer Begehr ist. Es ist wahrlich<br />
edel von euch, den Herrinnen von Dekandur zu<br />
helfen, und ihr habt alle Gefahren gemeistert,<br />
um zu mir zu finden. Seid mir willkommen und<br />
nehmt Platz an meiner Tafel.“<br />
Kherion bietet der Gruppe an, sich auszuruhen<br />
und eventuelle Verletzungen zu versorgen<br />
sowie etwas zu essen, dann erklärt er,<br />
was zu tun ist: „Das Auge des Drachen kann<br />
wieder erstellt werden, doch es bedarf vielen<br />
Geschicks und vieler Dinge: den Nebelstein,<br />
welcher verloren ging in den Höhlen von Zeria,<br />
wo die Goblins hausen, Blüten vom Mitternachtskraut,<br />
Asche aus dem Tempel von Arkothayn,<br />
das Blut von einer Person, die der Magie<br />
kundig ist und das Ei eines Greifen. Findet diese<br />
Gegenstände und bringt sie nach Dekandur,<br />
doch ihr müsst euch beeilen, ihr habt nur wenig<br />
Zeit, bis zum nächsten Neumond müsst ihr<br />
alles gefunden haben und ins Schloss gebracht<br />
haben, denn sonst ist alles verloren!“<br />
Jack Randall weiß, wo die Pflanze wächst,<br />
einem Charakter, der sich mit Pflanzen auskennt,<br />
dürfte die Blume bei einem gelungenen<br />
Fertigkeitswurf ebenfalls bekannt sein.<br />
Ein NSC aus dem nahe gelegenen Dorf wird<br />
wissen, wo der Tempel zu finden ist, und bei<br />
der Aufgabe, bei der es um das Blut geht,<br />
sollten die Charaktere im Verlauf des Abenteuers<br />
dahinter kommen, dass es reicht,<br />
wenn sie einen Magier lediglich in den Finger<br />
schneiden. Das Greifenei ist im Gebirge zu<br />
finden. Alle Zutaten sind innerhalb von drei<br />
Tagen bis zum nächsten Neumond zu besorgen<br />
und nach Dekandur zu bringen, ansonsten<br />
war alle Mühe umsonst.<br />
Die Gruppe verlässt den Seher und macht<br />
sich wieder auf den Weg.<br />
Die Aufgaben<br />
Die Höhlen von Zeria<br />
Um zu den in der Prophezeiung genannten<br />
Orten zu gelangen, braucht die Gruppe eine<br />
Karte. Entweder werden sie eine von Jack<br />
Randall erhalten bzw. ihn als Ortskundigen<br />
mitnehmen, sie können im Dorf bei der Burg<br />
eine Karte käuflich erwerben oder ein Dorfbewohner<br />
weist ihnen den Weg. Die Karte<br />
sollte den Spielern an dieser Stelle als Handout<br />
ausgehändigt werden.<br />
Am Eingang findet die Gruppe zwei Torwächter<br />
der Goblins, die – wenn sie noch Gelegenheit<br />
dazu bekommen – darauf hinweisen,<br />
dass in der Höhle ein Ritual zu Ehren des<br />
Goblin-Häuptlings stattfindet, aus diesem<br />
Grund haben sich alle Stämme der Region<br />
dort versammelt. In der Höhle befinden sich<br />
über 150 Goblins, die wild zu Trommelmusik<br />
tanzen, alle sind sehr ekstatisch und bewaffnet<br />
bis an die Zähne. An dieser Stelle kann<br />
der Spielleiter, wenn mit Musik gearbeitet<br />
wird, gut ein sehr schnelles und rhythmisches<br />
Stück mit viel Trommeln einsetzen, um<br />
dem Fest die nötige Untermalung zu geben.<br />
Gibt es einen Unsichtbarkeitstrunk oder einen<br />
entsprechenden Zauber, so ist dieser<br />
einzusetzen, denn die Gruppe kann gerne<br />
versuchen, sich durch die Goblins durchzumogeln,<br />
aber das wird schwer. Der Edelstein<br />
befindet sich auf dem Altar, der ganz am<br />
Ende der Höhle auf einem natürlichen Sockel<br />
steht. Von dort muss er entwendet werden<br />
und zurückgebracht werden.<br />
Blüten des Mitternachtskrauts<br />
Die Pflanze blüht, wie der Name schon<br />
sagt, nur um Mitternacht. In dem Wald hat<br />
sich jedoch auch eine Räuberbande niedergelassen,<br />
die sich nicht gerne stören lässt.<br />
Abenteuer<br />
Seite 41
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DAS ERBE DER DRACHENTÖCHTER<br />
Die 20 Männer und Frauen halten die Gruppe<br />
für den langen Arm des Gesetzes und wehren<br />
sich mit Händen und Füßen, Männer wie<br />
Frauen. Im Lager der Räuber findet die Gruppe<br />
Nahrungsmittel, die aus umliegenden<br />
Dörfern gestohlen wurden, Gold und wertvolle<br />
Bücher.<br />
Die Pflanze blüht immer um Mitternacht<br />
unter einer Eiche, dort findet die Gruppe sie<br />
auch.<br />
Blut eines Magiebegabten<br />
Wie bereits erwähnt, reicht es hier, dass<br />
sich ein magischer Charakter allenfalls in den<br />
Finger schneidet und zwei-drei Tropfen Blut<br />
verliert. Natürlich sollte der Spielleiter an dieser<br />
Stelle die Spieler nicht zu schnell auf die<br />
richtige Lösung bringen, sondern vielleicht<br />
ein wenig mit ihren Ängsten spielen, dass<br />
zum Bestehen des Abenteuers einer aus ihrer<br />
Gruppe sterben muss.<br />
Asche aus dem<br />
Tempel von Arkothayn<br />
Der Tempel befindet sich unterhalb der<br />
Goblinhöhlen, einst war es wohl ein Bane-<br />
Tempel. Im Inneren befinden sich zwei große<br />
Spinnen. Der Altar hat zwei Rauchschälchen,<br />
in beiden befindet sich Asche. Die richtige<br />
Asche ist im linken Schälchen, wenn man von<br />
der Tür her kommt, mit Hilfe von Magie oder<br />
magischen Gegenständen kann dies entdeckt<br />
werden.<br />
Ei eines Greifen<br />
Die Greifen nisten im Gebirge weit im Norden,<br />
noch hinter den Hügeln, in denen sich<br />
die Höhlen befinden. Hier gibt es mehrere<br />
Nester, denn es ist Brutzeit. Die Greifen sind<br />
zu zweit, dann gibt es noch den Rest des<br />
Schwarms weiter entfernt. Hat die Gruppe<br />
Pferde mitgebracht, wittern die Greifen Beute<br />
und schlagen zu, ansonsten lassen sie die<br />
Gruppe gewähren, bis sie den Diebstahl entdecken.<br />
Die Rückkehr<br />
nach Dekandur<br />
Zurück in Dekandur hat Ellesin eine<br />
traurige Nachricht für die Gruppe:<br />
Theria wurde von Drake entführt, er<br />
will sie auf diese Weise zu einer sofortigen<br />
Eheschließung drängen. Er hat erfahren, dass<br />
das Draconium zerstört wurde, und will nun<br />
nicht länger auf eine Antwort der Schwestern<br />
warten. Außerdem hat er sich neben<br />
seinen menschlichen Verbündeten noch einen<br />
tierischen dazu geholt: den Drachen Tyrtainur,<br />
einen gefürchteter Gegner. Dies weiß<br />
die Gruppe und Ellesin allerdings noch nicht<br />
Seite 42<br />
zu diesem Zeitpunkt.<br />
Da nur Theria in der Lage ist, mit einem<br />
Draconium einen Drachen zu rufen, muss<br />
erst das neue Draconium erstellt werden,<br />
auch Ellesin drängt darauf, denn sie weiß,<br />
ihre Schwester würde es niemals zulassen,<br />
dass sie gerettet würde, aber dafür im Gegenzug<br />
Dekandur und alles, was daran hängt<br />
für immer unterginge.<br />
Das Ritual wird in der Burg durchgeführt. Es<br />
muss noch ein Feuerbecken herbei geschafft<br />
werden, in das die Zutaten der Reihe nach<br />
geworfen werden, und der folgende Spruch<br />
muss von einem Magier verlesen werden:<br />
Aus dem Nebel der Stein,<br />
die Pflanze der Nacht,<br />
Blut des Zauberers,<br />
Asche der Bösen Macht,<br />
vom Greifen das Ei,<br />
das Auge des Drachen wieder sei!<br />
Mit einem lauten Knall wird das Feuer verlöschen<br />
und in der Asche befindet sich das<br />
Draconium, ein faustgroßer, gelblicher und<br />
eher unscheinbarer Edelstein.<br />
Der Angriff<br />
auf Bel'Adyn:<br />
Die Burg wird von mehreren Bewaffneten<br />
gehalten. Gelangen die Charaktere<br />
in den Innenhof, werden sie<br />
feststellen, dass schon eine Hochzeitszeremonie<br />
in vollem Gange zu sein scheint. Im linken<br />
hinteren Turm befindet sich eine Kapelle,<br />
in der auch Theria und Drake sowie ihre<br />
Hochzeitsgäste sind. Drake will die Hochzeit<br />
um jeden Preis abhalten und wird sich den<br />
Abenteurern natürlich in den Weg stellen.<br />
Wird er angegriffen, erscheint der Drache,<br />
den er zuvor beschwören hat lassen. Hat die<br />
Gruppe das Draconium mitgebracht, so wird<br />
es Theria übergeben, die damit ihrerseits<br />
einen Drachen zu Hilfe ruft. Die beiden Drachen<br />
kämpfen gegeneinander, während die<br />
Charaktere sich Drake vornehmen sollten.<br />
Sobald Drake besiegt ist, verschwindet<br />
auch der Drache.<br />
Abschluss des<br />
Abenteuers<br />
ANMERKUNG<br />
Das Abenteuer wurde ursprünglich für<br />
Advanced Dungeons and Dragons konzipiert,<br />
liegt hier jedoch in einer für verschiedene<br />
Systeme spielbaren Form vor.<br />
Je nach Gruppengröße, Level und Ausrüstung<br />
der Spieler kann die Stärke und<br />
Anzahl der Gegner in den Kämpfen verringert<br />
bzw. heraufgesetzt werden.<br />
Die beiden Schwestern und Jack Randall<br />
sind wieder glücklich zurück auf<br />
Dekandur. Sollten die Charaktere<br />
sich entschließen, Drake einer übergeordneten<br />
Instanz (König, oberster Lehensherr)<br />
auszuliefern, dann wird Drake eingekerkert<br />
und Jack für seine Verdienste zum Ritter<br />
geschlagen und mit dem Lehen Bel'Adyn belohnt.<br />
Theria ihrerseits belohnt die Gruppe,<br />
indem sie ihnen erlaubt, sich in der Bibliothek<br />
die Zaubersprüche durchzusehen und auch<br />
neue Waffen bereitstellt.<br />
NSC Sektion<br />
Theria von Dekandur<br />
Theria ist die ältere der beiden Zwillingsschwestern<br />
und somit die Erbin von Dekandur.<br />
Sie ist wie ihre Schwester deutlich<br />
sichtbar eine Halbelfe, sie hat lange schwarze<br />
Haare und ist eine wunderschöne junge<br />
Frau. Theria ist eine Magierin, ihre hervorstechendste<br />
Fähigkeit ist die Gabe, mit Hilfe des<br />
Draconiums einen Drachen herbeizurufen.<br />
Das Tier wird jedoch nicht von ihr oder dem<br />
Stein beherrscht, sondern stellt sich freiwillig<br />
in ihren Dienst. Nur der Träger des Draconiums<br />
hat dann Einfluss auf den Drachen und<br />
kann sich mit diesem verständigen.<br />
Ellesin von Dekandur<br />
Die jüngere Zwillingsschwester von Theria<br />
und Verlobte von Jack Randall. Ellesin<br />
hat blonde Haare und ist ebenso wie ihre<br />
Schwester eine Halbelfe. Ellesin verfügt über<br />
keinerlei magische Fähigkeiten, sie kann aber<br />
gut mit dem Bogen umgehen.<br />
Jack Randall<br />
Ein junger Mann unbekannter Herkunft,<br />
der mit den Schwestern auf der Burg lebt.<br />
Jack ist gekleidet wie jemand, der sich im<br />
Wald und in der Natur auskennt, je nach System<br />
obliegt es dem Spielleiter, sich einen<br />
passenden Beruf für ihn auszudenken. Jack<br />
ist nicht von Adel, und das sollte auch an seinem<br />
Äußeren und seinem Verhalten zu sehen<br />
sein. Jack ist der Verlobte von Ellesin von Dekandur.<br />
Drake von Bel'Adyn<br />
Ein kriegerischer Adliger, der stets in Rüstung<br />
auftritt. Er hat den Vater der beiden<br />
Schwestern vermutlich umgebracht und hält<br />
nun in regelmäßigen Abständen um Therias<br />
Hand an, um sich die Macht des Draconiums<br />
und auch das Land der Schwestern zu sichern.<br />
•<br />
Abenteuer
Religion im Rollenspiel<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Religion im Rollenspiel<br />
DAS DARSTELLEN VON RELIGION IM SPIEL<br />
TEXT: VOLKER HERFELD<br />
ILLUSTRATION: KATHY SCHAD<br />
Es war einmal und ist noch immer so auf einer<br />
Ebene weit entfernt, dass die Erste-Hilfe-<br />
Kästen durch eine wundersame Fügung des<br />
Schicksals laufen konnten. Sie sprachen auch<br />
von Zeit zu Zeit, doch diese Überlieferungen<br />
sind bestenfalls unsicher, da niemand ihren<br />
Ausführungen lauschen wollte, oder sie sprachen<br />
im moralischen Hochfrequenzbereich,<br />
sehr zur Freude von Verwundeten, die nicht<br />
zuhören mussten oder wollten. In größeren<br />
Städten brachten diese wunderlichen Arzneiköfferchen<br />
ihr Geld dann in einen großen<br />
Bau, den sie wohl für eine Waffenschmiede,<br />
einen Rüstungsmacher oder eine Kreissparkasse<br />
hielten, was aber alles falsch war, denn<br />
sie bekamen nie etwas zurück.<br />
Wer schon einmal einen Kleriker im Rollenspiel<br />
verkörpert hat, weiß wahrscheinlich<br />
schon, um welche traurigen Gestalten es sich<br />
hier handelt. Auch wenn manche Systeme<br />
ihren Priestercharakteren diese bittere Pille<br />
vorenthalten (wie etwa DSA), sind Kleriker<br />
in Systemen, die ihnen das Monopol auf Heilung<br />
zugesichert haben, oftmals nur eine Anlaufstation<br />
für Wiedererweckungen.<br />
Dies liegt jedoch nicht an dem Spieler, der<br />
nach solchen Abenden seine Würfel frustriert<br />
in die Ecke feuert, sondern meistens<br />
an Problemen der Religionsdarstellung im<br />
Rollenspiel allgemein. Schließlich ärgert man<br />
sich als Spielleiter immer wieder darüber,<br />
dass es nicht gelungen ist, die Helden nur auf<br />
Grund der netten Bitten des Oberpriesters<br />
auf eine haarsträubend gefährliche Suche<br />
zu schicken, und diese erst durch Zugeständnisse<br />
diverser Art (ein schöner Heilzauber,<br />
ein Trank, ein kleiner Griff in die kirchliche<br />
Schatzkammer oder ähnliche Tricks) für sich<br />
und das vorbereitete Abenteuer gewonnen<br />
werden konnten.<br />
Lesen & Spielen<br />
Warum ist das<br />
eigentlich so schwer?<br />
Wieso können Spieler, die anscheinend<br />
keinerlei Probleme damit haben, ein anderes<br />
Geschlecht, einen Elfen oder Zwerg mit<br />
stattlichen 120 Jahren auf dem Buckel, einen<br />
zähnefletschenden Barbaren oder Ahnliches<br />
zu spielen, nur selten einen wirklich überzeugenden<br />
Priester mimen, von anderen gläubigen<br />
Helden ganz zu schweigen? Ein Grund ist<br />
sicherlich, dass der Glaube, sowohl in unserer<br />
als auch in der Fantasywelt, mehr ist als ein<br />
bloßes Lippenbekenntnis oder der monatlich<br />
fällige Zehnt an die Kirche (zumindest sollte<br />
er das sein…). Einer Religion anzugehören<br />
heißt generell, eine bestimmte Weltanschauung<br />
zu haben, die eigenen Erfahrungen und<br />
die Geschichte unter einem bestimmten<br />
Blickwinkel zu betrachten.<br />
In unserer Spielgruppe wurde dies einmal<br />
von einem Spieler sehr konsequent umgesetzt,<br />
indem der gespielte Mönch jede<br />
Abweichung von seinem sehr asketischen<br />
Glauben (was bei zwei trinkfesten, hormonstrotzenden<br />
Musketieren als Gefährten häufig<br />
der Fall war) als Vorzeichen für eine Strafe<br />
seines Gottes ansah – eine Sicht, die natürlich<br />
durch jede Niederlage, sei es im Kleinen in einem<br />
Kampf oder am Ende eines Abenteuers,<br />
bestätigt wurde.<br />
Ein Charakter, der leidenschaftlich einer<br />
Glaubensrichtung angehört, wird auf einen<br />
unvorhergesehenen Schicksalsschlag sicherlich<br />
anders reagieren als ein ungläubiges<br />
Kind des 20. oder 21. Jahrhunderts. Auch<br />
wenn dies manchmal schwer fällt, sollte<br />
sich ein(e) Spieler(in) dessen während des<br />
Spiels bewusst sein, und Geschehnisse ruhig<br />
auch einmal irrational interpretieren. Was<br />
bei uns als Aberglaube abgetan wird, wie<br />
etwa das Lesen aus den Eingeweiden von<br />
Opfertieren nach bester Asterix-Manier, ist<br />
in anderen Religionen durchaus legitim und<br />
ernst zu nehmen. Und ein Priester, der nach<br />
eingehender Betrachtung eines Gänsedarms<br />
auf unheilschwangere Wolken am Horizont<br />
hinweist, ist bei weitem stimmungsvoller<br />
als sein Kollege, der mit statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnungen<br />
jongliert.<br />
Welcher Glaube?<br />
Im Fantasyrollenspiel ist der Polytheismus<br />
weit verbreitet, was allgemein als stimmungsvoller<br />
Gegensatz zu unserer monotheistischen<br />
Kultur und Realität aufgefasst<br />
wird. Leider bringt so ein Pantheon neben<br />
einfallsreichen bunten Namen und der lang<br />
ersehnten Gelegenheit, endlich einmal zu<br />
Isis und Osiris beten zu können, auch große<br />
Schwierigkeiten mit sich.<br />
An erster Stelle steht hier natürlich die<br />
Vielfalt, die zu berücksichtigen nicht immer<br />
leicht ist. Gern verlieren Meister oder Spieler<br />
den Überblick, und so fallen einige mächtige<br />
Wesen unter den Spieltisch und erfüllen im<br />
Heldenleben eine geringere Rolle als der Ork,<br />
der hinter der nächsten Ecke lauert. Man<br />
kann kaum erwarten, dass jeder auf einmal<br />
alle Götter und Nebengötter und deren Heilige<br />
und Kindeskinder kennt, doch sollten sich<br />
meist ein paar wenige überirdische Gestalten<br />
heraus kristallisieren, die für den jeweiligen<br />
Landstrich typisch und vorrangig sind. In einer<br />
Küstenstadt in DSA beispielsweise sollte<br />
sich der Efferd-Kult vom Rondra-Kult der<br />
Amazonen durch mehr unterscheiden als<br />
durch den bloßen Namen über dem Tempeleingang.<br />
Er sollte z.B. auch andere Riten und<br />
Verhaltensweisen verlangen, was ja auch<br />
stark im Alltagsleben der Bevölkerung sichtbar<br />
sein sollte.<br />
Dazu stellt sich die Frage, wie denn nun<br />
genau dieser oder jener Kult aussieht. Von<br />
der Tatsache, dass es keine vorgegebenen Liturgien<br />
oder heiligen Schriften für die Zwölf<br />
Götter Aventuriens oder die vielen Götter<br />
der Vergessenen Reiche gibt, muss man sich<br />
hier nicht irritieren lassen. Wer keine genauen<br />
Regeln für seinen Glauben kennt, kann<br />
diese einfach, vielleicht in Absprache mit<br />
dem Spielleiter, erfinden. Dass dann jede Silvanus-Gemeinschaft<br />
bei jeder Gruppe anders<br />
aussieht und teilweise völlig andere Regeln<br />
aufgestellt hat, tut der Sache ja keinen Abbruch.<br />
Die Kirche<br />
als Kulturträger<br />
Wenn man in unsere eigene Vergangenheit<br />
zurückblickt, fällt auf, dass die christliche Kirche<br />
des Mittelalters neben groß angelegten<br />
militärischen Selbstmordkommandos wie<br />
den Kreuzzügen auch noch eine andere sehr<br />
prägende Seite hatte. Für viele Jahrhunderte<br />
war die Kirche der Kulturträger schlechthin.<br />
Mönche und Priester waren unter den wenigen<br />
Auserwählten, die lesen und schreiben<br />
konnten, lange bevor sich der Adel darauf<br />
Seite 43
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Religion im Rollenspiel<br />
RELIGION<br />
Als Religion bezeichnet man eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher kultureller Phänomene,<br />
die menschliches Verhalten, Handeln und<br />
Denken prägen und Wertvorstellungen<br />
normativ beeinflussen. Es gibt keine wissenschaftlich<br />
allgemein anerkannte Definition<br />
des Begriffs Religion.<br />
Die weltweit größten Religionen nach<br />
Anhängerzahl sind: Christentum, Islam,<br />
Hinduismus, Buddhismus, Daoismus, Sikhismus,<br />
Judentum, Bahai, Konfuzianismus<br />
und Shintō.<br />
— Quelle: wikipedia.de<br />
besann, auch einmal einer anderen Beschäftigung<br />
nachzugehen als dem ständigen Jagen,<br />
Bogenschießen, Reiten und Turniere<br />
austragen. In Klöstern wurden die Bücher<br />
dieser Zeit in mühsamer Handarbeit erstellt,<br />
und wer eine Bibliothek aufsuchen wollte,<br />
wurde nur in sakralen Gebäuden fündig und<br />
kaum bei Hofe.<br />
Im Rollenspiel verschiebt sich das Ganze<br />
ein wenig, denn hier haben die Klöster als<br />
Bildungsanstalten eine enorme Konkurrenz –<br />
die Magier und ihre Akademien. Es gibt wohl<br />
kaum Magier, die nicht des Lesen und Schreibens<br />
mächtig sind, und wenn, dann sind<br />
diese bedauerlichen Analphabeten wahrscheinlich<br />
das Gespött ihrer Genossen. Diese<br />
Abschaffung eines Bildungsmonopols kann<br />
für die konkrete Würfelwelt bedeuten, dass<br />
sich dadurch eine gewisse Allgemeinbildung<br />
enorm verbreiten kann, zumindest weiter,<br />
als das im Mittelalter der Fall war. Magier bilden<br />
ihre Schüler und Schülerinnen aus. Diese<br />
gründen eine eigene Schule, aus der wieder<br />
lauter kleine Zauberlehrlinge hervorgehen,<br />
die ebenfalls des Lesens mächtig sind, die<br />
auch noch weitere Bücher abschreiben (oder<br />
diese einfach magisch kopieren, wenn sie etwas<br />
fauler sind). Diese Bücher finden immer<br />
mehr Verbreitung, und irgendwann gibt es<br />
Stadtbibliotheken.<br />
Das ist eine der Möglichkeiten. Die andere<br />
wäre, einen Konkurrenzkampf zwischen<br />
der Art des Wissens der Magierakademien<br />
und der Kirchen zu inszenieren, schließlich<br />
gründen sich beide auf unterschiedliche Erklärungsmuster<br />
für die Welt, was bei den<br />
Praios-Geweihten im Schwarzen Auge zum<br />
Ausdruck kommt. Hiermit lässt sich ein wunderschönes<br />
Verwirrspiel mit den Helden beginnen,<br />
wenn diese Nachforschungen über<br />
eine seltsame Begebenheit anstellen und<br />
dann feststellen müssen, dass die Magierbücher<br />
etwas anderes sagen (z.B. eine Störung<br />
in den arkanen Kräften, die nur durch einen<br />
bestimmten Zauber wieder beendet werden<br />
kann) als die Priesterbücher (z.B. der Zorn der<br />
Götter hat Gestalt angenommen und kann<br />
nur durch ein entsprechendes Opfer wieder<br />
verbannt werden). Wer von beiden Recht<br />
hat, bleibt dem Meister überlassen. Ganz geschickt<br />
wäre es, eine Lösung zu finden, die in<br />
beide Richtungen interpretiert werden kann,<br />
so dass weder die eine noch die andere Art<br />
des Wissens in Misskredit gebracht wird.<br />
Kirchenaufbau<br />
Wer eine fiktive Glaubensgemeinschaft im<br />
Rollenspiel darstellen will, sollte sich über die<br />
Architektur der Kirche Gedanken machen,<br />
also sowohl was den Aufbau der innerkirchlichen<br />
Hierarchie als auch eventuell die tatsächlichen<br />
Glaubenshäuser anbelangt.<br />
Am Anfang aller Überlegungen zum ersten<br />
Punkt steht die Entscheidung über die Strenge<br />
der Hierarchie. Sind alle Dorfpriesterinnen<br />
untereinander gleichberechtigt wie bei Schamanenreligionen<br />
und vielen Naturvölkern,<br />
die auf Grund der Tatsache, dass ihre Ansiedlungen<br />
weit entfernt voneinander liegen und<br />
kein regelmäßiger Austausch stattfindet, keine<br />
übergreifenden Strukturen haben? Oder<br />
nimmt man sich eher eine mehr oder weniger<br />
streng organisierte hierarchische Kirche<br />
der eigenen Umwelt zum Vorbild (z.B. katholische<br />
oder protestantische Kirche)? Nach<br />
meiner Erfahrung sind Strukturen wie die<br />
in den christlichen Gemeinschaften leichter<br />
zu spielen, sei es aus Vertrautheit mit dieser<br />
Denkart, sei es aufgrund der höheren überregionalen<br />
Macht, die ein derart organisierter<br />
Glaube ausüben kann. Im Rollenspiel werden<br />
dann meist nur namentliche Variationen des<br />
Priesteramtes (Oberpriester, Erzpriester,…)<br />
verwendet, selten Titel wie Bischof oder<br />
Kardinal, und hoffentlich bei niemandem ein<br />
oberster Brückenbauer, der ja nur in einem<br />
bestimmten Glauben Sinn macht.<br />
Das andere ist die Architektur der Gotteshäuser.<br />
Viele Zeichner schwanken zwischen<br />
zwei Extremen, der gotischen Kathedrale,<br />
die sich besonders für Gruselabenteuer (z.B.<br />
AD&D Ravenloft-Setting) eignet, und dem<br />
Tempel im pseudo-antiken Stil. Für was man<br />
sich entscheidet, ist sicherlich Geschmackssache<br />
und sollte der Gruppe, ihren Vorlieben<br />
und der Spielwelt angepasst sein. Wenn man<br />
sich aber entschieden hat, muss man auch<br />
einigermaßen einheitlich bleiben. Grunddesigns<br />
können ja verändert werden – eine Kirche<br />
aus dem 17. Jahrhundert sieht ja auch anders<br />
aus als eine aus den 60er Jahren – doch<br />
sollte man nicht gleich in eine andere Kategorie<br />
wechseln. Auch hochmoderne Kirchengebäude<br />
unserer Zeit besitzen keine Vorhalle<br />
Seite 44<br />
Lesen & Spielen
Religion im Rollenspiel<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
mit dorischen Säulen. Und wie sollen sich die<br />
armen Götter zurechtfinden, wenn jede Grafschaft<br />
ihre Heimstätten anders konstruiert?<br />
Atheismus<br />
Selbst wenn man einmal klar gestellt hat,<br />
dass in diesem Fürstentum nun mal für einen<br />
bestimmten Tempel Abgaben zu entrichten<br />
sind, reicht diese Anstrengung von Seiten<br />
des Spielleiters natürlich noch nicht, um eine<br />
Religion stimmungsvoll einzubinden. Denn<br />
woran glauben eigentlich die Helden?<br />
Häufig übertragen Spieler ihre eigene Weltsicht<br />
auf die ihrer Charaktere, was nicht selten<br />
zu seltsam anmutenden und unfreiwillig<br />
komischen Szenen führen kann. Ein profanes<br />
Beispiel: Spielleiter: „Ein Blitz zuckt durch den<br />
Himmel, und ein tiefes Grollen erschüttert<br />
die Erde.” Spieler: „Ich zähle die Sekunden<br />
zwischen Blitz und Donner, um festzustellen,<br />
wie weit das Gewitter noch entfernt ist.” Es<br />
ist immer wieder rührend mit anzusehen,<br />
dass in einer vorwissenschaftlichen Welt die<br />
Schallgeschwindigkeit kein Geheimnis ist!<br />
Die Spieler mögen ja durchaus auch Atheisten<br />
sein, die für alles, was geschieht, eine<br />
natürliche Erklärung aus dem Hut zaubern<br />
können und die Existenz eines Gottes mit<br />
dem Hinweis auf die Unbeweisbarkeit verneinen,<br />
doch sieht dies in einer Fantasywelt<br />
ganz anders aus. Die Götter greifen tatsächlich<br />
auch mal ins Geschehen ein und zeigen<br />
sich durch ihr Wirken oder durch das Wirken<br />
ihrer Diener, mögen diese Geweihte, Kleriker<br />
oder sonst wie heißen. Ein Held wird daher<br />
einen schwierigen Stand haben, seinen Atheismus<br />
zu verteidigen – also genau das Gegenteil<br />
unserer Welt.<br />
Die beste Lösung hierfür ist wohl, einen<br />
solchen Aspekt bei der Erschaffung des Charakters<br />
zu berücksichtigen: wo ist er oder sie<br />
aufgewachsen, welchem Glauben hängt der<br />
Charakter an und wie äußert sich dies? Gab es<br />
Momente, die ihn oder sie vielleicht einmal,<br />
wenn schon nicht an der Existenz, so doch an<br />
der Weisheit der göttlichen Entscheidungen<br />
zweifeln ließen? Ein solcher Charakter ist in<br />
jedem Fall stimmungsvoller im Rollenspiel als<br />
ein 08/15-Atheist, dessen einziger Gott der<br />
Spielleiter ist. Diese Überlegungen betreffen<br />
nicht nur Priester und Paladine, sondern<br />
auch jeden anderen Charakter. Eine versoffene<br />
Kriegerin, die schon lange nicht mehr den<br />
Göttern geopfert hat, ist wahrscheinlich ein<br />
anderer Typ als die im Glauben sichere Kämpferin,<br />
die, von sich, ihrer Sicht, ihrer Stärke<br />
und der Richtigkeit ihres Glaubens überzeugt,<br />
mit dem Namen der Schwertgöttin in<br />
die Schlacht zieht.<br />
RELIGION<br />
Mehr über das Thema „Religion im Rollenspiel“<br />
könnt Ihr in der <strong>Anduin</strong> 87 nachlesen,<br />
die sich dem Schwerpunkt Religion<br />
widmet.<br />
ENVOYER<br />
Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />
Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />
worden.<br />
Der Spielleiter<br />
Und welchen Einfluss hat eben dieser<br />
Spielleiter auf Religionen im Rollenspiel? Neben<br />
den offensichtlichen Möglichkeiten des<br />
göttlichen Eingreifens und der gewährten<br />
Wunder muss sich ein Spielleiter die Frage<br />
stellen, inwieweit man einem religiösen Charakter<br />
entgegenkommt.<br />
Wenn sich ein Spieler als einziger in der<br />
Gruppe mit einem fremden, erfundenen<br />
Glauben abmüht und einen überzeugten<br />
Gläubigen spielt, ohne dass dies vom Spielleiter<br />
honoriert wird und sich dann vielleicht<br />
zusätzlich auch noch dem Spott der Mitspieler<br />
ausgesetzt sieht, die sich dann zu so lustigen<br />
Scherzen wie „Dein Gott schläft wohl<br />
gerade” nach nicht eingetretenem Beistand<br />
von oben hinreißen lassen, ist großer Frust<br />
vorprogrammiert.<br />
Andererseits darf eine überirdische Macht<br />
auch nicht erpressbar sein, so dass Spielleiter<br />
hier einen Mittelweg zwischen Unterstützung<br />
und scheinbarem im Stich lassen<br />
gehen müssen. Ideal ist es natürlich, wenn<br />
das scheinbare Von-Gott-Verlassen-Sein sich<br />
später als Rettung herausstellt, und den Ungläubigen<br />
(oder vielleicht auch nur Andersgläubigen)<br />
so die wahre Macht des Gottes<br />
gezeigt wird.<br />
Fazit<br />
Solchen Ansprüchen gerecht zu werden,<br />
ist nicht einfach, und für manche Spielgruppen<br />
ist Religion vielleicht nicht das dringlichste<br />
Problem, wenn man noch damit kämpft,<br />
einen halbwegs runden Charakter zu präsentieren,<br />
der nicht nur der Spieler in Rüstung<br />
mit dem Schwert in der Hand ist. Wer aber<br />
mit Religionen spielt und diesen auch als<br />
normalerweise lebensgestaltenden Weltanschauungen<br />
gerecht werden will, sollte sich<br />
vorher gründlich mit dem Thema auseinandersetzen,<br />
wie der Glaube für den eigenen<br />
Charakter und auch innerhalb der eigenen<br />
Gruppe gehandhabt werden soll. •<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 45
ANDUIN <strong>95</strong><br />
DIE RÄUBERHÖHLE<br />
IGOR RIEGEL<br />
Instant Abenteuer<br />
TEIL I: DIE RÄUBERHÖHLE<br />
TEXT: ALEXANDER HARTUNG<br />
ILLUSTRATION: JENNIFER LANGE<br />
Die Räuberbande<br />
Die Räuberbande besteht aus acht Gesetzlosen,<br />
die ihr Lager in einer Höhle in einem<br />
Wald etwa vier Kilometer von einem Dorf<br />
entfernt aufgeschlagen haben. Von dort aus<br />
überfallen sie kleine Karawanen und einzelne<br />
Reisende, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />
Eine gut bewaffnete Gruppe lassen<br />
sie unbehelligt ziehen. Die Bande besteht aus<br />
sechs etwa gleich starken Kämpfern, einem<br />
Magier und dem Anführer.<br />
Ansoru Alltu<br />
Ansoru Alltu ist 36 Jahre alt und der Anführer<br />
der Bande. Er ist 1,91 m groß, wiegt 107<br />
kg und hat lange, schwarze Haare und einen<br />
dunklen Vollbart.<br />
Er wurde vor elf Jahren von seinem Lehnsherrn<br />
Gut vertrieben. Aus Rache tötete er ihn<br />
und wurde so zu einem Gesetzlosen. Die langen<br />
Jahren als Räuber und Mörder haben aus<br />
dem Bauern einen harten, brutalen und grausamen<br />
Menschen gemacht. Im Laufe der Zeit<br />
hat Ansoru Alltu erkannt, dass er mit einer<br />
Räuberbande größere Raubzüge durchführen<br />
kann. Im Laufe von zwei Jahren fand er<br />
immer mehr loyale Kriminelle, die ihn als unumstrittenen<br />
Anführer akzeptieren. Ansoru<br />
Alltu hat sich an das Leben als Gesetzloser<br />
gewöhnt. Ihm macht es nichts aus, auf der<br />
Flucht zu sein oder in einem geheimen Versteck<br />
im Wald zu wohnen. In den letzten Jahren<br />
wurde er einer der meist gesuchtesten<br />
Räuber im ganzen Reich.<br />
Sein Geld gibt er, als einfacher Bauer verkleidet,<br />
sofort wieder aus. Er treibt sich oft<br />
tagelang in Gasthäusern und Bordellen herum<br />
und ist außerdem ein begeisterter Würfelspieler.<br />
Ansoru Alltu ist ein sehr starker Kämpfer<br />
mit der Keule und guter Bogenschütze, der<br />
lange, auf sich alleine gestellt, in der Wildnis<br />
überleben kann.<br />
Seite 46<br />
Malet Meng<br />
Malet Meng ist ein Magier, der seine Ausbildung<br />
als Novize abgebrochen hat, weil er<br />
sich von den Zwängen der Magiergilde eingeengt<br />
fühlte. Er ist 34 Jahre alt, 1,72 m groß<br />
und wiegt 81 kg. Malet Meng hat dunkelblonde<br />
Haare und trägt braune Lederhose mit einer<br />
grünen Robe als Überwurf.<br />
Der Magier ist ein zurückhaltender Mensch,<br />
der aber seine Interessen mit aller Kraft<br />
durchsetzen zu vermag. Er neigt zu Grausamkeiten<br />
gegenüber seinen Opfern und lässt<br />
sich nur vom Anführer der Räuberbande,<br />
Ansoru Alltu, zügeln. Malet Meng findet sein<br />
Leben momentan recht erträglich. Er möchte<br />
durch die Überfälle genug Geld ansammeln,<br />
um sich später ein angenehmes Leben in<br />
einer Stadt leisten zu können.<br />
Wegen eines plump<br />
durchgeführten Überfalls<br />
wird der Magier in mehreren<br />
Städten gesucht.<br />
Malet Meng ist ein<br />
mittelmäßig begabter<br />
Runenzauberer, verfügt<br />
aber auch über ein wenig<br />
Können in der Heil- und Illusionsmagie.<br />
Der Magier<br />
versucht jeden Nahkampf<br />
zu vermeiden. Kann er<br />
diesem einmal nicht entkommen,<br />
so kämpft er mit<br />
einem Dolch.<br />
Die Räuber<br />
Die Räuber sind eine<br />
sehr einheitliche Gruppe.<br />
Sie sind zwischen 18 und 34<br />
Jahren alt und werden alle<br />
gesucht. Die Gesetzlosen<br />
haben keine Ausbildung<br />
und verfügen über keine<br />
Ersparnisse. Sie leben von<br />
ihren Überfällen und sind<br />
ihrem Anführer Ansoru<br />
Alltu treu ergeben, dessen<br />
Befehle sie unbedingt Folge<br />
leisten. Den Magier Malet<br />
Meng fürchten sie zwar<br />
etwas, aber da er ihnen bei<br />
Überfällen zur Seite steht,<br />
haben sie auch ihn in ihre<br />
Gemeinschaft aufgenommen.<br />
Die Räuber haben keine grausamen Neigungen,<br />
gehen aber brutal gegen jeden<br />
Feind und gegen jedes Opfer vor. Sie versuchen<br />
ihre Opfer nicht zu töten, sondern nur<br />
kampfunfähig machen. Trotzdem schrecken<br />
sie aber vor einem Mord nicht zurück. Im<br />
Kampf bevorzugen sie handliche Holzkeulen<br />
und selbst hergestellte Kurzbögen.<br />
Der Wolf<br />
Die in der Höhle lebenden Wölfe sind alles<br />
andere als zahm und stellen auch für die<br />
Räuber eine Gefahr dar. Es sind kräftige Tie-<br />
Lesen & Spielen
IGOR DIE RÄUBERHÖHLE<br />
RIEGEL<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
re, im Rudel geschickte Jäger sind. Außer in<br />
den kältesten Monaten, wenn die Nahrung<br />
extrem knapp ist, bleiben die Wölfe aber von<br />
den Räubern fern.<br />
Die Überfälle<br />
Bei einem Überfall beteiligen sich immer<br />
meist vier der sechs Räuber, der Magier und<br />
der Anführer. Zwei Räuber bleiben zurück,<br />
um die Höhle zu bewachen. Die Räuber<br />
wechseln ständig den Ort der Überfalle, so<br />
dass nicht ermittelbar ist, wo sich ihr Lager<br />
befindet. Oft nimmt die Bande auch einen<br />
Tagesmarsch in Kauf, um einen neuen Platz<br />
für einen Angriff zu finden. Mehrere Stunden<br />
vor dem Raubzug wird in beide Richtungen<br />
des Weges je ein Kundschafter geschickt.<br />
Meist handelt es sich um einen als Händler<br />
getarnten Räuber, der die Straße abläuft, um<br />
mögliche Opfer zu auszuspähen. Manchmal<br />
besucht ein Räuber auch den Markt, um nach<br />
reichen, aber wenig bewachten, Händlern<br />
Ausschau zu halten. In vielen Fällen erfolgen<br />
die Überfälle einen Tag vor oder nach dem<br />
wöchentlich stattfindenden Markt.<br />
Die Taktik der Räuber<br />
Der erste Angriff der Räuber gilt immer<br />
den Wachen, vor allem magiefähigen Wächtern.<br />
Sie warten gut getarnt im Unterholz<br />
und greifen schnell mit ihren Kurzbögen an.<br />
Das Unterholz wurde meist zusätzlich mit einem<br />
Illusionszauber des Magiers getarnt, so<br />
dass ein zufälliges Entdecken des Hinterhalts<br />
nahezu unmöglich ist. Sobald der erste Pfeil<br />
abgeschossen wurde, lassen die Räuber ihre<br />
Bögen fallen, ziehen ihre Keulen und stürmen<br />
aus dem Versteck. Der Magier bleibt<br />
versteckt im Wald und versucht die Räuber<br />
mit Zaubersprüchen zu unterstützen.<br />
Lesen & Spielen<br />
Nach dem Überfall<br />
Ist der Überfall gelungen, wird die Beute<br />
an den schnellsten und besten Läufer, ihren<br />
Anführer Ansoru Alltu, übergeben. Dieser<br />
rennt, mit wenigen Umwegen, direkt zum Lager<br />
zurück. Die anderen Räuber trennen sich<br />
und flüchten in verschiedene Richtungen,<br />
um mögliche Verfolger zu verwirren. Kurz<br />
vor Einbruch der Dunkelheit finden sich alle<br />
Räuber wieder zusammen. Sollte einer der<br />
Räuber verletzt sein, so schaffen ihn seine Kameraden<br />
von der Straße und lassen ihn vom<br />
Zauberer in der Gruppe notdürftig heilen.<br />
Misslingt der Überfall, so flüchten die Räuber<br />
ebenfalls in alle Himmelrichtungen, verbringen<br />
die Nacht jedoch im Freien und treffen<br />
sich erst zum übernächsten Sonnenaufgang<br />
wieder in ihrem Lager. Die Männer versuchen<br />
in einer solchen Situation zwar auch ihre Verletzten<br />
zu versorgen (aus Angst, dass diese<br />
ihr Versteck verraten könnten), lassen aber<br />
ihre Kameraden zurück, sollte das Risiko bestehen,<br />
selbst gefasst zu werden.<br />
Die Räuberhöhle<br />
Die Höhle der Räuber liegt sehr tief im Wald<br />
und ist weder durch einen Weg noch einen<br />
Trampelpfad zu erreichen – man muss sich<br />
durch Unterholz und starken Bewuchs schlagen.<br />
Vor der Höhle wacht Tag und Nacht (gut<br />
getarnt) immer ein Räuber, der sich zumeist<br />
mit einem seiner Gefährten abwechselt. Außerdem<br />
ist die Höhle mit einigen Fallen ausgestattet,<br />
die entweder vor Eindringlingen<br />
warnen oder diese schädigen soll.<br />
Lichtung<br />
Vor der Höhle ist eine kleine Lichtung, die<br />
von großen Bäumen und dichtem Gestrüpp<br />
umgeben ist. Auf dieser Lichtung befindet<br />
sich eine Feuerstelle, die von sehr trockenem<br />
Holz befeuert wird, das im Bereich des Höhleneingangs<br />
aufbewahrt wird.<br />
1 – Runenfalle<br />
Nach der ersten Abzweigung sind drei kleine,<br />
gut getarnte Runen auf dem Boden aufgezeichnet.<br />
Wenn man eine dieser Runen betritt,<br />
so wird ein Feuerzauber ausgelöst, der<br />
alle Personen im Umkreis von 3 Metern trifft.<br />
Den Räubern ist der Standort dieser Runen<br />
bekannt, daher umgehen sie diese.<br />
2 – Holztor<br />
Hier befindet sich ein breites, in der Decke<br />
verstecktes Holztor, das vom Wolfkäfig (3)<br />
aus gesteuert werden kann. Das Holztor ist<br />
sehr stabil und passt sich gut in den Gang ein.<br />
Dieses Tor kann dazu genutzt werden, ungebetene<br />
Gäste in der Höhle zu fangen.<br />
3 – Wolfshöhle<br />
In dieser Höhle, durch ein Gitter vom Gang<br />
getrennt, befinden sich drei Wölfe, die von<br />
den Räubern versorgt werden. Sie greifen<br />
jeden Eindringling an, wenn der Käfig geöffnet<br />
wird. An dem Käfig befindet sich auch ein<br />
Mechanismus, der das Holztor (2) steuert.<br />
4 – Schlafsaal<br />
Hier übernachten die Räuber. In diesem<br />
Schlafsaal befinden sich acht Betten mit<br />
Strohmatratzen und einige kleinere Schränke<br />
sowie ein Regal, in dem die Räuber ihre<br />
Bögen und Keulen ablegen.<br />
5 – Versammlungssaal<br />
In diesem Raum essen die Räuber und vertreiben<br />
sich die Zeit mit Würfelspielen.<br />
6 – Vorratskammer<br />
Hier lagern die Speisen und Getränke der<br />
Räuber. Der Raum hat einen schmalen Eingang<br />
und ist ideal um Lebensmittel kühl zu<br />
halten.<br />
7 – Beutekammer<br />
In diesem Höhlenraum verstauen die Räuber<br />
ihre Beute. Der Eingang des Raums ist<br />
mit einer Runenfalle (8) gesichert.<br />
8 – Runenfalle<br />
Wie in Raum 1 sind drei kleinere, schwer<br />
sichtbare Runen auf dem Boden aufgezeichnet.<br />
Wenn man eine dieser Runen betritt, so<br />
wird ebenfalls ein Feuerzauber ausgelöst.<br />
Mögliche Abenteuer<br />
Zufallsbegegnung<br />
Die Gruppe streift nur zufällig durch die<br />
Region und stellt sich als lohnendes Ziel für<br />
einen Überfall heraus.<br />
Wächter der Karawane<br />
Die Charaktere werden von einem Händler<br />
beauftragt seine wertvolle Fracht zu schützen.<br />
Nicht weit von dem Dorf entfernt greifen<br />
die Räuber an.<br />
Bitte um Hilfe<br />
Die Gruppe wird von einem Dorfvorsteher<br />
gebeten dem Treiben einer Räuberbande ein<br />
Ende zu bereiten. Diese überfällt in unregelmäßigen<br />
Abständen immer wieder Handelskarawanen<br />
und Reisende, die den Weg durch<br />
das Dorf nehmen wollen. Die ständigen<br />
Raubzüge schaden dem Handel in dem Dorf<br />
und führen zu großen Einnahmeverlusten bei<br />
dem dortigen Wochenmarkt. Beim letzten<br />
Überfall wurden sogar ein Händler und seine<br />
beiden Wachen getötet.<br />
Mögliche Lösung<br />
Es ist nahezu unmöglich für die Gruppe das<br />
Versteck der Räuberbande zu entdecken.<br />
Nach jedem Überfall trennen sich die Räuber<br />
und laufen auf unterschiedlichen Wegen zu<br />
ihrem Lager zurück. Dabei versuchen sie alle<br />
Spuren zu verwischen. Eine Möglichkeit, die<br />
Räuber zur Strecke zur bringe, wäre einen<br />
der Männer zu fangen und ihn zu verhören.<br />
Weiterhin könnte ein geschickter Spurenleser<br />
dem Räuber mit der Beute folgen, der ihn<br />
fast auf direktem Weg zur Höhle führt. Dort<br />
werden die restlichen Räuber bis zur Nacht<br />
eintreffen. Wichtig hierbei ist, dass der Räuber<br />
sich nicht verfolgt fühlt. Dann wird er unvorsichtig<br />
und gibt sich nicht viel Mühe mit<br />
dem Verwischen der Spuren. •<br />
Seite 47
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SCHATTENHAIN<br />
Schattenhain<br />
EIN AGONE-DRAMA<br />
TEXT: THORSTEN SCHLEER<br />
ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />
„Die Sehnsucht verbrennt mich.<br />
Dieses schreckliche Verlangen, unheilbringende<br />
Faszination boshafter Schönheit. Keine<br />
Liebe, nur verzehrende Glut der Lust, gepaart<br />
mit der Bereitschaft zu töten um zu besitzen.<br />
Verzeih mir, meine Liebste, was ich mir selbst<br />
nicht verzeihen kann.<br />
Heute Nacht musst du sterben, weil ich<br />
versage!“<br />
Ein Geschenk, ein Kunstwerk, ein Drama,<br />
zwei Möglichkeiten zu spielen und einzutauchen<br />
in die Welt von AGONE.<br />
Einleitung<br />
Es ist der 13.Tag des Herbstes, des verfluchten<br />
Monats, im Jahr 1450. Auf dem Gut des<br />
jungen Barons Rubin de Farouche findet ein<br />
Maskenball statt. Eine Feier um die bösen<br />
Geister des verfluchten Monats zu täuschen<br />
und zu vertreiben und ein Fest um die Verlobung<br />
des jungen Herrn mit der schönen Catherine<br />
LeBlanc zu feiern.<br />
Zahlreiche Gäste sind geladen und beschenken<br />
das verliebte Paar. Doch unter Ihnen ist<br />
Einer, der ein verhängnisvolles Geschenk mit<br />
sich bringt… die Maske.<br />
Sein Geschenk ist das Bild SCHATTENHAIN<br />
und das Drama beginnt.<br />
Zwei Möglichkeiten<br />
Es gibt zwei Möglichkeiten dieses Drama<br />
zu spielen. Die erste Möglichkeit ist es<br />
mit einer normalen Gruppe als Gäste oder<br />
Freunde des Barons einzusteigen. Die<br />
zweite Möglichkeit ist es, die vorgegebenen<br />
NSC an die Spieler zu verteilen und sie<br />
in deren Rolle schlüpfen zu lassen. Beide<br />
Versionen versprechen ein unterschiedliches<br />
Spielempfinden.<br />
Das Bild<br />
SCHATTENHAIN ist ein faszinierendes Bild,<br />
das auf Inspirierte und Glanzlose gleichermaßen<br />
erstaunlich wirkt. Es ist von unbestimmtem<br />
Alter und von einem unbekannten<br />
Künstler. Es zeigt eine erstaunlich realistische<br />
Lichtung in einem paradiesischen, schattigen<br />
Wald, durch den ein silbernes Flüsschen<br />
fließt.<br />
Seite 48<br />
Die Schatten der Bäume fallen von allen<br />
Seiten auf die Lichtung und scheinen im Verlauf<br />
des Tages langsam zu wandern. Auch der<br />
Fluss erweckt keinen starren, sondern einen<br />
fließenden, lebendigen Eindruck. Betrachtet<br />
man das Bild in vollkommener Ruhe, glaubt<br />
man fast das Plätschern des Wassers hören<br />
zu können.<br />
Für den SL<br />
Das Kunstwerk ist eine Bilderwelt, geschaffen<br />
von dem Inspirierten Satyr Galliot, dessen<br />
Abbild auch heute noch in dieser Bilderwelt<br />
lebt, sich aber nur nachts in dem veränderten<br />
Bild zeigt.<br />
Tagsüber taucht in dem Bild jedoch immer<br />
wieder eine unglaublich schöne Frau, eine<br />
Morgana auf, die einen männlichen Betrachter<br />
sofort in ihren Bann zieht.<br />
Nachts ändert sich das Bild. Aus der idyllischen<br />
Lichtung wird ein bedrückender Ort.<br />
Von den nahen Bäumen, die sich nun mit<br />
knorrigen, verwachsenen Ästen der Lichtung<br />
zuwenden um sie wie mit Knochenfingern zu<br />
fassen, hängen die verwesenden Körper von<br />
Männern verschiedener Völker, die ihre Gesichter<br />
vom Betrachter abwenden. In diesem<br />
nächtlichen Bild taucht immer wieder das<br />
Abbild Galliots auf, der traurig über die Lichtung<br />
wandert ohne jedoch Kenntnis<br />
von den Leichen zu nehmen.<br />
Weitere Informationen<br />
Durch einen erfolgreichen<br />
Wurf auf Geschichte und Legenden<br />
(Spezialität: Kunst) + INT<br />
gegen DIF 20, kann man<br />
herausfinden, dass dieses<br />
Bild aus einer Zeit<br />
vor der Flamboyanz<br />
stammt, jedoch<br />
immer wieder<br />
in verschiedenen<br />
Adelshäusern<br />
aufgetaucht<br />
ist.<br />
Außerdem<br />
kann man<br />
sich an folgende<br />
Gerüchte<br />
erinnern:<br />
• Gemalt wurde das Bild von einem Satyr.<br />
• Der Wert des Bildes wird von Sammlern<br />
als unbezahlbar angesehen.<br />
• Einer von Erkmans Söhnen besaß dieses<br />
Bild und es wurde angeblich während<br />
der Bruderkriege (991) zerstört.<br />
• Urgamands Diener und Berater Quellus<br />
stahl seinem Herrn das Bild (993).<br />
• In Kesh warf die verstoßene<br />
Kurtisane eines Prinzen das<br />
Bild aus Eifersucht in ein<br />
Feuer.<br />
Abenteuer
SCHATTENHAIN<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
• Das Bild ist ein Sinnbild für eine sehr<br />
große Liebe.<br />
• In dem Bild befinden sich kleine Mengen<br />
von magischen Splittern (Wert 2), die<br />
mit PER + Concord gegen DIF 18 wahrgenommen<br />
werden können.<br />
Erster Akt<br />
Maskenball<br />
Das Drama beginnt mit dem Ende des Balls.<br />
Die meisten der Gäste verlassen das Anwesen.<br />
Der Abend klingt gemütlich aus und die<br />
wertvollen Geschenke werden noch einmal<br />
fasziniert betrachtet, allen voran natürlich<br />
das erstaunliche und bezaubernde Bild vom<br />
Schattenhain.<br />
Schließlich wird Baron Rubin de Farouche<br />
höchst persönlich das Bild in einen anderen<br />
Raum bringen und keinem der Gäste, höchstens<br />
seiner Verlobten den Zutritt gewähren.<br />
Für den SL<br />
Ist der Baron ein SC gilt es zu beschreiben<br />
wie einzigartig dieses Gemälde ist und wie<br />
die Gäste es gierig anstarren. Jeder von Ihnen<br />
will das Bild besitzen, das wird dem Baron<br />
klar. Doch es ist sein Bild, seines alleine<br />
und da ist noch mehr. Noch weiß er nicht<br />
was, doch etwas ist da.<br />
Ist er kein SC sollten die Spieler des seltsame<br />
Verhalten des Barons mitbekommen.<br />
Zweiter Akt<br />
Die Schöne<br />
und das Biest<br />
Der Söldner Gold wird zum stetigen Begleiter<br />
des Barons, der sich nun zunehmend in<br />
den eigenen Wänden bedroht fühlt.<br />
Abenteuer<br />
Er hat die wunderschöne Frau in dem Bild<br />
entdeckt und sie ihn. Das weiß er, denn er<br />
kennt nun ihren Namen: Sélené.<br />
Gold hat sie auch gesehen, doch sie ignoriert<br />
den Söldner, hat nur Augen für den<br />
Baron. Sie wartet auf ihn, doch er weiß nicht<br />
wie er zu ihr kommen kann.<br />
Catherine bemerkt die Veränderungen an<br />
ihrem Verlobten, kann sich seine Abweisung<br />
jedoch nicht erklären. Auch ihre Vertraute<br />
Dhalia kann sich die Veränderung des Barons<br />
nicht erklären.<br />
Für den SL<br />
Ist der Baron ein SC gilt es die Begegnung<br />
mit Sélené ausführlich zu beschreiben. Wie<br />
wundervoll sie ist und wie verzweifelt. Für<br />
den Baron muss Catherine nun zu einer eifersüchtigen<br />
Bedrohung werden. Man kann als<br />
SL beispielsweise immer wieder einwerfen<br />
„Sie ist eifersüchtig“, „Sie wird das Bild zerstören“<br />
oder ähnliches, wenn Catherine etwas<br />
sagt – als die Stimme im Kopf des Barons.<br />
Nichtsdestotrotz liebt der Baron Catherine<br />
noch. Auch das sollte klar werden.<br />
Für Catherine als SC wird langsam klar,<br />
dass sie um Rubin kämpfen muss. Etwas beeinflusst<br />
ihn und sehr wahrscheinlich kommt<br />
es von diesem Bild.<br />
Sind weder Rubin noch Catherine SCs wird<br />
sich Lady Catherine an die Spieler wenden<br />
und ihnen ihre Verzweiflung schildern und<br />
sie um Hilfe bitten.<br />
Dritter Akt<br />
Blutnacht<br />
Es beginnt mit einem Traum. Baron Rubin<br />
de Farouche träumt von Sélené. Sie steht<br />
nackt auf der Lichtung und hält einen silbernen<br />
Dolch. Tränen laufen ihr Gesicht herab<br />
und sie flüstert Rubin zu: „Nur das Blut der<br />
Liebe öffnet den Weg. Beeile dich…“<br />
Als er erwacht, liegt neben ihm auf dem<br />
Nachttisch der silberne Dolch und er weiß,<br />
dass Catherine sterben muss, damit er zu Sélené<br />
gelangen kann…<br />
Früher oder später wird er sich nicht mehr<br />
dagegen wehren können oder er wird wahnsinnig.<br />
Klebt Catherines Blut an dem Dolch<br />
(sie muss nicht tot sein) fungiert er als Schlüssel<br />
zur Bilderwelt. Ist sie geöffnet, kann jeder<br />
dem Baron folgen.<br />
Taucht man in die Bilderwelt ein, sieht man<br />
für einen Sekundenbruchteil das Gesicht eines<br />
Satyrs, Galliots, und verliert anschließend<br />
kurz das Bewusstsein. Öffnet man die Augen<br />
wieder, befindet man sich auf der Lichtung.<br />
Jedoch auf der Lichtung, wie sie Nachts auf<br />
dem Bild erscheint. Auf der Lichtung steht<br />
eine Staffelei (Nr.6 auf dem Plan), mit einer<br />
genauen Kopie des Bildes vom Schattenhain.<br />
Von der Staffelei aus hat man genau den<br />
Blickwinkel, den man als Betrachter des Bildes<br />
einnimmt.<br />
Der Wald ist dicht und man kann sich leicht<br />
verlaufen (Navigation DIF 20).<br />
Mit einer gelungenen Probe kann man die<br />
Himmelrichtung bestimmen in die man läuft.<br />
Plan der Bilderwelt<br />
1.) Die Lichtung<br />
2.) Haus von Sélené<br />
3.) Grabmal<br />
4.) Haus von Galliot<br />
5.) Rosenfeld<br />
6.) Staffelei<br />
Umgeben ist die Bilderwelt von wallenden<br />
schwarzen Wänden, die zwar nachgeben wie<br />
zähes Gummi, aber sich nicht durchschreiten<br />
lassen.<br />
Vierter Akt<br />
Schattenhain<br />
In diesem Akt ist alles möglich. Sélené wird<br />
versuchen den Baron für sich einzuspannen.<br />
Sie will Galliot tot sehen, der sie (ihrer Meinung<br />
nach) verschmäht. Sie beschreibt ihn<br />
als schrecklichen Satyr, der in den Wäldern<br />
sein Unwesen treibt und verantwortlich ist<br />
für die Toten in den Bäumen (eine Lüge, da<br />
sie selbst es ist, die ihre versagenden Verehrer<br />
aufknüpft).<br />
Auch die anderen Charaktere wird sie versuchen<br />
in diese Hetze einzubeziehen oder sie<br />
aber durch die Hand des Barons sterben zu<br />
lassen.<br />
Sélené selbst ist nur ein gezeichnetes Geschöpf<br />
des wahren Galliot, der ihr zu ehren<br />
diese Bilderwelt erschaffen hat. Solange Galliot<br />
in der Bilderwelt lebt, kann sie nicht getötet<br />
werden. Nach kurzer Zeit wird ihr Leichnam<br />
in einem bunten Farbenspiel zerfließen<br />
und sie wird kurz darauf wieder auf der Lichtung<br />
erscheinen. Nun wird sie allerdings Jagd<br />
auf ihren „Mörder“ machen, voller Hass und<br />
ohne Gnade.<br />
Galliot wird die „Eindringlinge“ zunächst<br />
versuchen zu ignorieren. Gelingt dies nicht<br />
wird er versuchen Abstand zu ihnen zu halten.<br />
Besonders die Vista Zauber Chaotisches<br />
Wachstum oder Blätterwerk eigenen sich<br />
hierfür. Er pendelt hauptsächlich zwischen<br />
seiner Hütte und dem Grabmal hin und her.<br />
Legt Rosen auf das Grab und trauert um seine<br />
Liebste.<br />
Das Grabmal ist schlicht. Ein einfacher<br />
Steinhügel über und über bedeckt mit den<br />
wunderschönsten Rosen, die man sich vorstellen<br />
kann.<br />
Verteidigt Galliot sich selbst, wird er versuchen<br />
seinen Gegner nicht zu töten. Verteidigt<br />
er aber das Grab kämpft, er ohne Rücksicht.<br />
Catherine oder ein anderer weiblicher Charakter<br />
kann Galliots Aufmerksamkeit erregen<br />
und ihn sogar in ein Gespräch verwickeln.<br />
Spricht man von Sélené, wird er weinen und<br />
sich zurückziehen. Spricht man von der Frau<br />
die ihn töten will, lacht er nur über das „klägliche<br />
Abbild“.<br />
Auch Galliot ist nur die gemalte Erinnerung<br />
an den Schöpfer dieser Bilderwelt und daher<br />
auch nicht auf normalem Weg zu töten.<br />
Ebenso wie Sélené wird er jedes Mal wieder<br />
auf der Lichtung erstehen.<br />
Wie man das Problem löst<br />
Möglichkeit 1<br />
Ein Treffen zwischen Galliot und Sélené<br />
arrangieren. Galliot kann Sélené endgültig<br />
töten bzw. sie ihn. Stirbt einer der beiden<br />
Seite 49
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SCHATTENHAIN<br />
bricht die Bilderwelt zusammen.<br />
Möglichkeit 2<br />
Jeder kann die Staffelei nutzen um aus<br />
dem Gedächtnis ein Portrait eines Raumes<br />
zu malen.<br />
[(Vista+Painting)/2+ INT gegen DIF 20].<br />
Jetzt muss er noch den Silberdolch des Barons<br />
erbeuten und in den Fluten des Flusses<br />
reinwaschen, dann funktioniert er als Schlüssel<br />
zurück.<br />
Möglichkeit 3<br />
Catherine oder Rubin sterben im Kampf<br />
und der jeweils andere zeigt die Trauer so<br />
offensichtlich Galliot, dass dieser aus seiner<br />
eigenen Trauer gerissen wird. Galliot wird<br />
nun Rubin oder Catherine helfen und den anderen<br />
helfen zu entkommen.<br />
Dramatis Personae<br />
Baron Rubin de Farouche<br />
Baron (S. 129 AGONE GRW)<br />
Rubin ist reich, beliebt und hat mit Catherine<br />
LeBlanc die Frau seines Lebens gefunden.<br />
Ein Grund zu feiern und das Feiern liebt der<br />
junge Baron. Seit vielen Jahren steht ihm<br />
sein Leibwächter Gold treu zur Seite, der sein<br />
Vertrauen genießt und den er als Freund und<br />
Lehrmeister schätzt. Rubin ist unbeschwert,<br />
lebenslustig und glücklich verliebt.<br />
Gold<br />
Oger Söldner (S. 142 AGONE GRW)<br />
Gold steht seit vielen Jahren im Dienste<br />
der Farouches. Dem jungen Baron dient er<br />
als Leibwächter und Lehrmeister. Gold weiß,<br />
dass der Baron ihm mehr vertraut<br />
als jedem Anderen am Hofe. Ein<br />
Vertrauen das den alten Söldner<br />
ehrt und stolz macht. Mittlerweile<br />
hat Gold ein eigenes kleines<br />
Vermögen angehäuft. Doch<br />
die Treue ist mittlerweile der<br />
Freundschaft gewichen. Einem<br />
noch stärkeren Band.<br />
Dhalia aus den<br />
Witwenlanden<br />
Medusa Kurtisane (S. 139 AGO-<br />
NE GRW)<br />
Sie hat Catherine aus ihrer Heimat<br />
an den Hof des Barons de<br />
Farouche begleitet. Sie mag das<br />
Mädchen und hat fast so etwas<br />
wie freundschaftliche Gefühle<br />
für das Kind. Dhalias Aufgabe ist<br />
es Catherine zu einer perfekten<br />
Ehefrau zu erziehen. Diese Aufgabe<br />
nimmt sie sehr ernst, jedoch<br />
nicht ohne die emanzipierte Weltansicht der<br />
Medusen mit einzuflechten. Anscheinend will<br />
Catherines Vater, die Eigenständigkeit seiner<br />
Tochter bewahren ohne jedoch das Ansehen<br />
seiner Familie zu gefährden.<br />
Catherine LeBlanc<br />
Eclipsistin (S. 130 AGONE GRW)<br />
Catherine hat nach kurzer Zeit des Werbens,<br />
dem Antrag des jungen Barons de Farouche<br />
zugestimmt. Auch für sie war es Liebe<br />
auf den ersten Blick. Es war einfach ein perfekter<br />
Moment mit einem perfekten Mann.<br />
Nun ist sie seit einigen Tagen auf seinem<br />
Anwesen und genießt seine ungeteilte Aufmerksamkeit.<br />
Stets in ihrer Begleitung befindet sich ihre<br />
Freundin und Mentorin Dhelia, die Catherine<br />
auf Geheiß ihres Vaters zur perfekten Ehefrau<br />
erziehen soll, damit sie der Familie keine<br />
Schande bereitet.<br />
Galliot<br />
Satyr Künstler (S. 143 AGONE GRW)<br />
Origin: Flamboyant<br />
Ersetzen:<br />
Traditions Princley Comm. 5 – Flamboyance<br />
5<br />
Musik 8 – Painting 10<br />
Tune 8 – Vista 10<br />
Conceal 5 – Conceal 7<br />
Stealth 6 – Stealth 8<br />
Magie:<br />
ART: 10, Vista: 10, Magical Art Pot.: 20<br />
Alle Vista Zauber.<br />
Als Spielercharakter ist Galliot sicherlich<br />
am schwierigsten zu spielen. Er tritt erst etwas<br />
später im Spiel auf, wird dann jedoch zu<br />
einer Schlüsselfigur.<br />
Galliot ist die personifizierte Trauer. Trübsinnig<br />
und schwermütig schwelgt er in Erinnerung<br />
an seine verlorene Liebe Sélené.<br />
Tag ein Tag aus bringt er die schönsten Rosen<br />
von seinem Feld an ihr Grab und schüttet<br />
ihr sein schweres Herz aus. Gelegentlich<br />
wandert er durch den Hain, ohne ihn jedoch<br />
wirklich wahr zu nehmen.<br />
Eindringlingen geht er, sofern möglich, aus<br />
dem Wege. Immer wieder betreten Fremde<br />
seine Bilderwelt, doch das ist ihm mittlerweile<br />
egal.<br />
Eine Frau die aussieht wie ein glanzloses<br />
Abbild seiner Liebsten durchstreift die Wälder<br />
ebenfalls ab und an, doch an dieser nutzlosen<br />
Kopie interessiert ihn nichts.<br />
Sein Leben dreht sich einzig und allein um<br />
das Grabmal und dessen Pflege.<br />
Sélené<br />
Morgana<br />
STA 6 MEL 6<br />
STR 5 AIM 6<br />
AGI 7 ASC 0<br />
PER 5 ART 8<br />
WILL 6 DB 0<br />
INT 6 HPB 25<br />
CHA 12 HP 49<br />
CRE 4 SWT 16<br />
SIZ 0 CWT 25<br />
Weapon: Bogen 9, Dolch 8 •<br />
Seite 50<br />
Abenteuer
FLAGFRAMING<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
FLAGFRAMING<br />
DIE KUNST, DAS SPIEL AUF DIE SPIELER ZUZUSCHNEIDERN<br />
TEXT: TOBIAS LOOSCHELDERS<br />
So genannte Flaggen, engl. flags, bezeichnen<br />
die Vorlieben und Bedürfnisse der Spieler.<br />
Der Spielleiter rahmt, engl. to frame, das<br />
Spiel durch das Anspielen dieser Vorlieben<br />
ein. Er versucht also, das Spiel so zu gestalten,<br />
dass möglichst viele der Erwartungen<br />
und Vorlieben der Spieler (und natürlich auch<br />
seiner eigenen) angesprochen werden. Man<br />
könnte das flagframing also auch herunterbrechen<br />
auf „Finde raus, was deine Spieler<br />
wollen und gib es ihnen!“.<br />
Eine Flagge kann dabei von „Ich will Kühe!“<br />
über „die verschollene Schwester finden“<br />
und „ich will meinen Astrologie-Skill ausspielen“<br />
bis zu „ich mag taktische Kämpfe“ alles<br />
sein.<br />
Die meisten Spieler zeigen ständig ihre<br />
Vorlieben. Sei es durch ein Kopfnicken oder<br />
ein „Cool!“ als Reaktion auf eine als gut empfundene<br />
Aktion am Spieltisch. Oder durch<br />
eine konkrete Ansage, wie „hey, mach doch<br />
mal wieder was in nem Dungeon“ oder auch<br />
einen auffallend hohen Spielwert.<br />
Insgesamt sind Flaggen also die Dinge,<br />
die ein Spieler cool findet und somit gern im<br />
Spiel sehen würde. Flaggen sind wunderbar<br />
dazu geeignet, die alte Regel zu befolgen, jeden<br />
Charakter mindestens einmal am Abend<br />
in Szene zu setzen. Sie geben dem Spieler die<br />
Gelegenheit seinen Charakter in den Situationen<br />
zu spielen, in denen er ihn gern sehen<br />
möchte.<br />
Oft passiert es, dass der Spielleiter für sich<br />
allein ein Abenteuer schreibt und sich dann<br />
herausstellt, dass es die Spieler gar nicht<br />
interessiert. Meistens liegt das daran, dass<br />
das Abenteuer die Charaktere nicht genug<br />
einbezieht. Das wiederum kann entweder an<br />
der Motivation der Charaktere liegen oder<br />
daran, dass das Abenteuer einfach nichts mit<br />
den Charakteren zu tun hat. Der eine Charakter<br />
würde lieber den Mörder seines Mentors<br />
suchen und ein anderer Charakter würde sich<br />
lieber dem Studium seines neuen Zauberbuches<br />
widmen, als von einem Fremden als Karawanenwächter<br />
angeheuert zu werden.<br />
In Cthulhu-Büchern ist vom „Sog der Gefühle“<br />
die Rede, wenn der Mörder des Mentors<br />
sich nun das Zauberbuch des zweiten<br />
Charakters stiehlt und sich später als Bruder<br />
Lesen & Spielen<br />
des dritten Charakters entpuppt. So ist zumindest<br />
sicher gestellt, dass die Handlung<br />
die Gruppe persönlich angeht. Wenn die<br />
Gruppe solche moralischen Konflikte mag,<br />
sind Flaggen auch ein geeignetes Mittel diese<br />
herbeizuführen. Dabei haben sich besonders<br />
Relationship-maps und Conflict-webs<br />
(vgl. <strong>Anduin</strong> 94) als hilfreich erwiesen.<br />
Aber Flaggen lassen sich nicht nur für die<br />
Plotplanung benutzen, sondern auch dazu<br />
um Szenen und NSC zu entwickeln. Dazu<br />
stellt man einen NSC einer Flagge entgegen<br />
(„Ihr glaubt an falsche Götter!“) oder fördert<br />
eine Flagge durch einen NSC („Ah, Sie<br />
interessieren sich auch für Molekularbiologie?“).<br />
Besonders gut sind NSC, die gleich<br />
zwei Flaggen von zwei Spielern ansprechen.<br />
Das könnte z.B. der NSC sein, der etwas von<br />
der Gruppe will, aber einerseits rassistisch<br />
ist (Charakter A ist Menschenrechtler) und<br />
andererseits alles für sein Land tun würde<br />
(Charakter B ist genauso). Oder ein NSC beschwört<br />
einen Konflikt innerhalb eines Charakters<br />
herauf, in dem er eine Flagge fördert<br />
und einer anderen widerspricht.<br />
Es gibt viele Wege, die Vorlieben der Spieler<br />
herauszufinden. Der Spielleiter kann einfach<br />
versuchen zu beobachten, was dem Spieler<br />
Spaß macht und wie er am liebsten spielt.<br />
Dabei kann er auch ein bisschen auf den Leitstil<br />
des Spielers schielen, denn der gibt sicher<br />
auch Aufschlüsse darüber.<br />
Viel direkter und oft auch sinnvoller ist<br />
es, die Spieler einfach direkt zu fragen. Entweder<br />
im Gespräch oder über einen kleinen<br />
Fragebogen. Bei einem Gespräch ist es häufig<br />
besser, kurz mit jedem Spieler einzeln zu<br />
reden, da beim Gespräch in der Gruppe manche<br />
Dinge oft ungesagt bleiben.<br />
Ein paar Fragen, die helfen Flaggen herauszufinden<br />
sind:<br />
„Was ist Rollenspiel für dich?“<br />
„Warum gerade der Charakter/die Klasse?“<br />
„Was möchtest du mit deinem Charakter<br />
erleben?“<br />
„Welche Szene hattest du bei dem Char im<br />
Kopf, als du ihn gemacht hast?“<br />
„Welche Rolle soll der Char in der Gruppe<br />
einnehmen?“<br />
„Welche Ziele hat dein Charakter?“<br />
Je nach Spielstil können auch diese Fragen<br />
hilfreich sein:<br />
„Welchen inneren Konflikt hat der Charakter?“<br />
„Welche Personen sind ihm besonders<br />
wichtig?“<br />
Klar sind die Fragen teilweise schwierig zu<br />
beantworten, gerade bevor man den Charakter<br />
überhaupt gespielt hat. Aber ein, zwei beantwortete<br />
Fragen können als erste Grundlage<br />
für den Anfang schon genügen. Während<br />
des Spiels kann man schließlich noch weitere<br />
Flaggen sammeln.<br />
Anstatt direkte Fragen zu stellen, kann der<br />
SL den Spieler auch bitten einfach darüber<br />
zu erzählen, wie er sich seinen Charakter vorgestellt<br />
hat. In jedem Fall ist es wichtig, dass<br />
sich der SL dabei ein paar Notizen macht.<br />
Ein kleines Beispiel<br />
Nehmen wir an, der SL hätte sich nach dem<br />
Gespräch mit einem seiner Spieler folgende<br />
Notizen gemacht:<br />
Gundar, der Barbarenkrieger<br />
- Vater ist Stammeshäuptling<br />
- ist sehr stark<br />
- kann keiner Frau etwas zu Leide tun<br />
- denkt, dass Magier aller schlecht sind<br />
Daraus, dass sein Vater Häuptling ist, könnte<br />
man ganz gut einen Abenteueraufhänger machen.<br />
Vielleicht bittet der Vater seinen Sohn<br />
um etwas oder jemand aus dem Stamm bedroht<br />
die Position des Vaters.<br />
Dass Gundar sehr stark ist, wird im Spielverlauf<br />
üblicherweise von selbst angesprochen<br />
werden. Es schadet trotzdem nichts, wenn es<br />
der SL im Hinterkopf behält. Die Tatsache, dass<br />
er keiner Frau etwas zu Leide tun kann, kann<br />
der SL durch einen weiblichen NSC mit konträren<br />
Zielen zu Gundars ansprechen. Die letzte<br />
Flagge,, alle Magier seien schlecht, könnte dadurch<br />
angespielt werden, dass ein Heilmagier<br />
Gundar das Leben rettet.<br />
Daneben ist auch der Charakterbogen eine<br />
Fundgrube für Flaggen. Schließlich steigert<br />
man die Fertigkeiten, die man cool findet.<br />
Besonders die hohen und die unerwarteten<br />
Werte (Schlösser knacken beim Heiler oder<br />
Seite 51
ANDUIN <strong>95</strong><br />
FLagFraming<br />
das Wissenstalent Börse beim Streetsam)<br />
sind hier beachtenswert. Der Heiler kann<br />
zum Beispiel unerwartet damit glänzen, die<br />
Gruppe durch eine verschlossene Tür zu bringen.<br />
Der Streetsam könnte z.B. ein kleines<br />
Handout bekommen, was die Situation eines<br />
Konzerns am Aktienmarkt erklärt und so<br />
den Runnern ein paar weitere Hinweise geben.<br />
Die besonders niedrigen Werte können<br />
manchmal auch interessant sein – vielleicht<br />
findet der Spieler ja Gefallen daran, eine<br />
Schwäche auszuspielen.<br />
Genauso können aber auch Randnotizen<br />
am Bogen wichtig sein. Zum Beispiel möchte<br />
ein Charakter, der sich besonders viele Titel<br />
gibt, dass diese Einfluss im Spiel haben. Das<br />
kann über den Gelehrten geschehen, der den<br />
Charakter respektvoll mit seinen Titeln anspricht<br />
oder über einen heruntergekommenen<br />
Penner, der darüber herzieht.<br />
Wenn das System mit Vor- und Nachteilen<br />
arbeitet, stehen auch schon einige Flaggen<br />
direkt auf dem Charakterblatt. Hat der starke<br />
Krieger eine Angst vor Schlangen angegeben,<br />
wäre es ja interessant eine Schlangengrube<br />
in den nächsten untergegangenen<br />
Tempel einzubauen. Das könnte eine schöne<br />
Szene werden. Wird der Charakter von einer<br />
Gruppe streitlustiger Seemänner verfolgt,<br />
wäre es auch schade, diese nicht irgendwann<br />
einmal auftauchen zu lassen. Der SL kann<br />
den Spieler auch einfach bitten, ihm noch ein<br />
paar Informationen zu der Gruppe zu geben<br />
(„Was sind denn das so für Typen? Wie heißt<br />
der Anführer?“). Ein kurzer Blick auf die Sonderfertigkeiten,<br />
die nichts mit Kampf zu tun<br />
haben, schadet sicher auch nicht.<br />
Sehr schön lassen sich auch Flaggen aufgreifen,<br />
die etwas mit der moralischen Einstellung<br />
oder Überzeugungen des Charakters<br />
zu tun haben. Das ist der beste Nährboden<br />
für konfliktreiches, dramatisches Spiel. Was<br />
ist also das Menschenbild des Charakters?<br />
Wovon ist er überzeugt? Welche Motive hat<br />
er, das zu tun, was er tut?<br />
Natürlich findet man auch in der Hintergrundgeschichte<br />
des Charakters einige interessante<br />
Dinge, wie einige wichtige Personen<br />
oder Gruppen. Auch Sichtweisen des Charakters<br />
können in seiner Geschichte dargestellt<br />
sein.<br />
Die bisher genannten Möglichkeiten zielten<br />
alle auf das Flaggenerfassen vor dem<br />
Spiel ab, aber natürlich ist das auch während<br />
des Spiels möglich. Vielleicht sagt einer der<br />
Spieler von sich aus, was ihm besonders gefallen<br />
hat und was nicht. Aber es ist auch sicher<br />
nichts Schlechtes daran, als SL einfach<br />
nach einer Sitzung oder einem Abenteuer<br />
noch mal danach zufragen. Aber auch an den<br />
Seite 52<br />
OFFTOPIC<br />
Abenteuer in Lovaria<br />
In früheren Ausgaben der <strong>Anduin</strong> – genauer gesagt in den Ausgaben 70 bis 84 –<br />
präsentierten wir unseren Lesern die deutsche Übersetzung des englischsprachigen<br />
Fantasy-Comics Lovarian Adventures.<br />
Doch mit dem Ende des dritten Kapitels haben wir die Veröffentlichung abgebrochen,<br />
da wir damals die einzelnen Seiten schneller veröffentlicht haben, als der<br />
Zeichner Geejay neue Episoden erdenken und anfertigen konnte. In der Zeit seit<br />
der Ausgabe 84 jedoch hat sich der Comic weiterentwickelt und ist nun bereits im<br />
siebten Kapitel abgekommen – wurde aber seit Ende 2006 nicht weitergeführt.<br />
Wir haben nicht vor, den Comic in der <strong>Anduin</strong> weiterzuführen, können Euch aber<br />
einen Blick darauf sehr empfehlen. Wer des Englischen mächtig ist, findet die<br />
Geschichte auf folgender Seite: www.drunkduck.com/Lovarian_Adventures<br />
Erde<br />
Von Ausgabe 79 bis 84 hatten wir zudem den Comic Erde in der <strong>Anduin</strong>, der aber<br />
leider niemals fortgesetzt oder zu einem abschließenden Ende gebracht wurde.<br />
Bruno der Bandit<br />
Besonders in früheren Ausgaben der <strong>Anduin</strong>, aber auch als Revival in der <strong>Anduin</strong> 91,<br />
haben wir die deutsche Übersetzung von Bruno der Bandit veröffentlicht, einem<br />
schrägen Fantasy-Comic über einen Banditen und seinen Begleiter, den Minidrachen<br />
Fiona.<br />
Bruno the Bandit wird bis heute weiter gezeichnet und ist auf Englisch unter folgendem<br />
Link zu erreichen: www.brunothebandit.com<br />
Reaktionen seiner Mitspieler erkennt man<br />
oft schon, was gut ankam und was nicht.<br />
Und auch daran, wie die Spieler außerhalb<br />
des Spiels über den Spielabend oder das –geschehen<br />
sprechen. Moralische Ansichten der<br />
Charaktere ergeben sich auch oft im Spiel<br />
allein („Für die Götter? Pah! Ich will Gold sehen!“).<br />
Deswegen sollte der SL auch hin und<br />
wieder im Spiel mögliche Flaggen notieren.<br />
Schließlich bleibt die Frage, ob die Flagge<br />
auch wirklich für den SL wichtig ist. Es kommt<br />
ja schließlich vor, dass der Plot selbst dafür<br />
sorgt, dass er seine spektakulären Stunts bekommt.<br />
In dem Fall braucht sich der SL natürlich<br />
nicht extra den Kopf zu zerbrechen,<br />
wie er dem Spieler eine solche Szene bieten<br />
kann.<br />
Selbstverständlich sollte der SL auch keine<br />
Flaggen verwenden, die gar nicht zum<br />
Spielstil der Gruppe passen. Eine Gruppe<br />
strategischer Dungeonkämpfer hat sicher<br />
weniger Interesse daran, charakterzentrierte<br />
Konflikte zu erleben, als eine Gruppe, die aus<br />
Erzählern besteht. Das sollte aber bestimmt<br />
ohne große Vorüberlegung intuitiv zu handhaben<br />
sein, wenn man seine Gruppe ein wenig<br />
kennt.<br />
Bei all den möglichen Ansatzpunkten bisher<br />
darf der SL die bevorzugte Spielweise<br />
seiner Mitspieler nicht außer Acht lassen.<br />
Wenn der Spieler keinen Spaß daran hat,<br />
sich vor Schlangen zu fürchten, ist diese Info<br />
auch als Flagge uninteressant. Wenn er sich<br />
nicht sicher ist, kann er natürlich einfach versuchen,<br />
die Flagge anzuspielen und sie streichen,<br />
wenn er merkt, dass der Spieler nicht<br />
darauf eingeht. Bei den Überlegungen im<br />
Vorhinein halte ich die Spielertypen und das<br />
7-Ecken-Modell für eine gute Basis (vgl. „Das<br />
Rollenspiel – die theoretische Seite“ in der<br />
<strong>Anduin</strong> 85). •<br />
Lesen & Spielen
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Orakel<br />
von H‘Rabaal<br />
EIN KURZABENTEUER FÜR DAS SCHWARZE AUGE<br />
TEXT: THOMAS HAGLER<br />
ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />
Vorwort<br />
Immer wieder kommt es vor, dass ein Magier<br />
oder Gelehrter in einer Heldengruppe<br />
gezielt nach verlorenem Wissen aus der Zeit<br />
der Echsen sucht. Sei es, um magische Fundstücke<br />
aus dem letzten Abenteuer zu enträtseln<br />
oder um unübersetzbare Schriften zu<br />
deuten. Möglicherweise auch, um den einen<br />
oder anderen Zauber der Echsen zu erlernen,<br />
der in den Akademien der Menschen nicht<br />
mehr bekannt ist.<br />
Das folgende Kurzabenteuer für das<br />
Schwarze Auge ist genau zu diesem Zweck<br />
geschrieben. Ein Gelehrter unter den Helden<br />
stößt auf ein Textfragment aus den Chroniken<br />
von Ilaris und erfährt so, dass das Orakel<br />
von H’Rabaal durchaus auch für Menschen<br />
ein kostbarer Quell des Wissens sein kann.<br />
Von seinem Bemühen, die Weisheit des Orakels<br />
zu empfangen, handelt dieses Abenteuer.<br />
Im ersten Kapitel – das durchaus auch als<br />
„Prolog für einen Gelehrten“ gespielt werden<br />
kann – wird die Reise nach H’Rabaal<br />
geschildert sowie die Begegnung mit der<br />
„Stimme des Orakels“, die den Helden eine<br />
Aufgabe stellt, die sie lösen müssen, bevor<br />
sie das Orakel befragen dürfen.<br />
Das zweite Kapitel widmet sich eben dieser<br />
Queste, einer Reise zu einer kleinen Vulkaninsel<br />
im Selem-Grund, von wo die Helden<br />
das Ei eines „Heiligen Wesens“ beschaffen<br />
müssen.<br />
Im dritten Kapitel schließlich dringen die<br />
Helden tief ins Hochland von H’Rabaal vor<br />
und gelangen zur Orakelstätte. Dort können<br />
sie sich dem Orakel stellen und darauf hoffen<br />
nach bestandener Queste nun Weisheit zu<br />
empfangen.<br />
Das Abenteuer bietet einige Besonderheiten,<br />
die es von den üblichen Szenarios<br />
unterscheidet:<br />
• Es eignet sich vortrefflich, um<br />
einmal einem Spieler die Gelegenheit<br />
zu geben, sich an einem Achaz<br />
als Charakter zu versuchen.<br />
• Die Helden dürfen während des gesamten<br />
Abenteuers nicht lügen, nicht töten<br />
und nicht umkehren auf ihrem Weg.<br />
• Magiebegabte Helden können am Ende<br />
Zauber erlernen, die nicht im Codex<br />
Cantiones zu finden sind.<br />
• Das Orakel selbst kann als Auänger für<br />
ein weiteres Abenteuer dienen, indem<br />
es den Helden am Ende des Abenteuers<br />
einen entsprechenden Orakelspruch mit<br />
auf den Weg gibt.<br />
Prolog<br />
Die Suche nach<br />
verlorenem Wissen<br />
Den besten Einstieg in das Abenteuer<br />
bildet das Streben eines Helden (im Allgemeinen<br />
eines Magiers) nach mehr oder fundierterem<br />
Wissen über Geheimnisse der Echsenmenschen.<br />
Dazu kann der Meister ihm<br />
ein Textfragment (siehe Seitenkasten auf der<br />
nächsten Seite) beim Besuch einer Bibliothek<br />
oder mit der Beute des letzten Abenteuers in<br />
die Hände spielen.<br />
Darin ist davon die Rede, dass die Echsenwesen<br />
die Kraft der Magie besitzen und ihr<br />
Wissen sogar an Würdige weiterreichen.<br />
Doch ist dies nicht Ketzerei?<br />
Warum jedoch sollte eine solche Entdeckung<br />
unserer weisen Göttin zur Schande<br />
gereichen? Wissen wir denn nicht, dass die<br />
Götter ewiglich und uralt sind? Wissen wir<br />
denn nicht, dass die minderen Echsenwesen<br />
erschaffen wurden lange vor den die<br />
Schöpfung krönenden Menschen? Wissen<br />
wir denn nicht, dass auch sie in aller urtümlichen<br />
Einfalt die Ehrfurcht vor den Wahren<br />
Mächten kennen? Was liegt näher denn die<br />
Vermutung, dass sich die Wandelbare schon<br />
ehedem jenen Unwissenden offenbarte, zu-<br />
Abenteuer<br />
Seite 53
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
HANDOUT<br />
Die Chroniken von Ilaris<br />
Kompilation einer ketzerischen<br />
Hesinde-Sekte in Zorgan, ca. 190 vor Hal<br />
Die Schlangenmenschen verehren eine<br />
Göttin des Wandels, H’Szint mit Namen.<br />
Es braucht wenig Phantasie, aber einigen<br />
Mut, um sich zu vergegenwärtigen, um<br />
welche von uns allen so geliebte Gottheit es<br />
sich hierbei nur handeln kann. Das schlangenhaft-zischende<br />
ihres Namens mag der<br />
stillen Weisheit der heutigen Namensform<br />
gewichen sein, doch die Identität ist unverwechselbar.<br />
Und wenn auch die Lehrer der<br />
zwölfgöttlichen Kirchen es nicht wahrhaben<br />
wollen, so gehen doch die Gemeinsamkeiten<br />
weit über den Gleichklang des Namens<br />
hinaus. Wie sonst wäre es zu erklären, dass<br />
das geheime Orakel von H’Rabaal, welches<br />
die echsischen Diener der H’Szint als Heiligtum<br />
behüten, auch denen, die treue Diener<br />
der Hesinde sind, seine Weisheit offenbart?<br />
Soviel ist gewiss, dass ich keinen falschen<br />
Götzen Verehrung oder Respekt gezollt<br />
habe und mich allein von den Lehren Hesindes<br />
leiten ließ in meinem Streben, die<br />
Schatten der Vergangenheit ihrer Schleier<br />
zu berauben. Und doch bestand ich die Prüfungen<br />
des Orakels und mir wurde Einsicht<br />
geschenkt. Ja, mehr noch, die Priester des<br />
Orakels waren nachher sogar bereit, mich<br />
ohne Lug und Schaden in den Geheimnissen<br />
ihrer Rituale, ihrer Magie und ihrer Kultur<br />
zu unterwiesen!<br />
Und von welchem falschen Götzen und<br />
von welchen Götzendienern hat man je gehört,<br />
dass sie die Diener der Zwölfe solcherart<br />
mit Wahrheit und Wissen beschenken?<br />
mal – dies darf nicht unerwähnt bleiben – ihr<br />
und unser heiliges Tier ja doch jenem Echsengeschlechte<br />
entlehnt ist und nahe steht?<br />
Auf nach H’Rabaal<br />
Die Reise in die kleine Dschungelstadt<br />
H’Rabaal wird nicht im Detail beschrieben,<br />
da sie praktisch von jedem beliebigen Punkt<br />
Aventuriens ausgehen kann. In den allermeisten<br />
Fällen wird sie aber wohl mit dem Schiff<br />
bis Brabak und dann mit einer offenen Kutsche<br />
über den einzigen vorhandenen Pfad in<br />
den Dschungel führen.<br />
• Vom Schiff her und aus dem Horasreich<br />
kommend wirkt der Regenwald und das<br />
Regengebirge wildromantisch. Jeden<br />
Morgen steigt der Nebel in großen<br />
Schwaden aus den Wäldern empor in<br />
die Höhen der Berge. Schildern Sie ruhig<br />
alles sehr idyllisch. Später, wenn die<br />
Helden durch den Dschungel wandern<br />
müssen, denken sie vielleicht wehmütig<br />
daran zurück.<br />
• Helden, die zum ersten Mal in ihrem<br />
Leben das Kap umsegeln, kommen natürlich<br />
nicht um eine Kap-Taufe herum.<br />
Die rauhen Seeleute veranstalten an<br />
diesem wichtigen Punkt der Reise ein<br />
kleines Gelage. Der Reihe nach wird<br />
jeder Täufling kopfüber in ein großes<br />
Fass mit Meerwasser gestülpt und nach<br />
einer kurzen Weile wieder herausgezogen.<br />
Der Äußeren Taufe folgt dann<br />
sofort die Innere mit einem kräftigen<br />
Schluck Branntwein. Zahlende Fahrgäste<br />
werden zwar nicht direkt gezwungen<br />
mitzumachen, aber sie sollten schon<br />
bemerken, dass die Taufe eigentlich für<br />
jeden dazugehört…<br />
• Brabak selbst ist eine interessante Stadt,<br />
die vielen Abenteuern Platz bietet. Da<br />
die Helden aber nur auf der Durchreise<br />
sind, liegt es im Ermessen des Meisters,<br />
ob hier etwas Besonderes passiert<br />
oder nicht. Denkbar wäre z.B. eine<br />
Begegnung mit brabakischen Beutelschneidern,<br />
Betrügern oder gar einer<br />
organisierten Verbrecherbande. Sollten<br />
die Helden nach Informationen suchen,<br />
so könnte eine zwielichte Gestalt in der<br />
Nähe der düsteren und unzugänglichen<br />
Magierakademie ihnen für einen horrenden<br />
Preis „Das geheime Echsenwissen<br />
einer uralten Bruderschaft“ verkaufen.<br />
Viel sinnvolles wird dieses Wissen nicht<br />
enthalten, aber es bietet dem Meister<br />
eine gute Gelegenheit Ängste oder Hoffnungen<br />
bei den Spielern zu wecken.<br />
• Die Reise über Land bietet Platz für<br />
Zufallsbegegnungen mit der Flora und<br />
Fauna des Südens. Für wirklich bedrohliche<br />
Ereignisse wird aber später noch<br />
Zeit sein. Vermitteln sie auch hier ruhig<br />
das Flair einer Safari. Dann ist es später<br />
umso leichter, den Unterschied dieser<br />
halbwegs zivilisierten Gegend zum ‘richtigen’<br />
Dschungel deutlich zumachen.<br />
Kapitel 1<br />
In H’Rabaal<br />
Sollten die Helden erwarten, dass ihre Aufgabe<br />
darin besteht, den direkten Weg zum<br />
Orakel zu finden, so werden sie in H’Rabaal<br />
eines Besseren belehrt. Bereits dort können<br />
die Helden von der „Stimme des Orakels in<br />
H’Rabaal“ erfahren, dass sie vor dem heiligen<br />
Orakel nur dann bestehen werden, wenn<br />
sie eine angemessene Gabe mitbringen. Und<br />
dass die Priester des Orakels ihnen nur helfen<br />
werden, wenn sie vor dem Orakel bestehen.<br />
Schließlich wird die „Stimme“ die Helden<br />
auf eine Queste schicken um eben jene Gabe<br />
zu beschaffen. Auf einem heiligen Berg auf<br />
einer Insel im Selem-Grund sollen sie suchen<br />
und von dort eine machtvolle Reliquie mitbringen.<br />
Dann erst wird ihnen der Weg zum<br />
Orakel gewiesen werden.<br />
Die Stadt H’Rabaal<br />
Offiziell gehört die heute von Menschen bewohnte<br />
Stadt zum Königreich Brabak, wenngleich<br />
der mächtigste und reichste Gutsbesitzer<br />
der Stadt, Azzaph Charazzar, sich gerne<br />
als König von H’Rabaal betiteln lässt. Sowohl<br />
in der Stadt als auch im umliegenden Sumpf<br />
sind zahlreiche Zeugnisse echsischer Kultur<br />
zu sehen. Die eindrucksvollsten Zeitzeugen<br />
längst vergangener Äonen sind einige uralte<br />
Stufenpyramiden und Tempelbauten, die<br />
teilweise bereits tief in den sumpfigen Boden<br />
eingesunken sind.<br />
Im Umland von H’Rabaal und teilweise<br />
auch in der Stadt leben einige Dutzend Achaz<br />
und Ziliten. Die Menschen handeln mit ihnen<br />
und es gereicht beiden Seiten zum Vorteil.<br />
Dennoch sind sich beide Seiten nicht sehr<br />
vertraut. Die Echsen hüten eifersüchtig ihre<br />
Geheimnisse und die Menschen vermeiden<br />
es furchtsam, zu weit in das Land der Echsen<br />
vorzudringen oder sich allzu auffällig für ihre<br />
Tempel und Gräber zu interessieren.<br />
Der Tempel der Hesinde<br />
Ein Kuriosum dieser Stadt sind jene „Häuser“<br />
einiger Menschen, die aus den liegen gebliebenen<br />
Panzern riesiger Schildkröten, die<br />
wohl seit Jahrhunderten ausgestorben sind,<br />
bestehen. In einem dieser mehrere Manneslängen<br />
großen Panzer ist auch der kleinste<br />
Hesindetempel Aventuriens untergebracht.<br />
Dieser Ort und der dortige Geweihte stellen<br />
eine geeignete Anlaufstelle für die Helden<br />
dar. Zunächst hält man sich zwar etwas bedeckt,<br />
aber bei halbwegs taktvollem Vorgehen<br />
lässt sich der alte Geweihte überreden,<br />
ein Gespräch mit der „Stimme des Orakels “<br />
zu arrangieren.<br />
Das Gespräch mit Chrazz’chk<br />
Die „Stimme“ scheint auf den ersten Blick<br />
ein typischer Schamane der Achaz zu sein<br />
(„typisch“ zumindest für jene hartgesottenen<br />
Abenteuerer, die in ihrem Leben bereits<br />
einmal einem Schamanen der Achaz begegnet<br />
sind). Doch bei genauerer Beobachtung<br />
und vor allem im Gespräch zeigt sich, dass<br />
die „Stimme“ wesentlich gebildeter und aufgeklärter<br />
ist, als man es etwa von einem Naturzauberer<br />
eines Achazstammes etwa am<br />
Loch Harodrol her kennt.<br />
Seite 54<br />
Abenteuer
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Chrazz’chk ist in der Tat ein Weiser seines<br />
Volkes, des Lesens und Schreibens kundig<br />
und bewandert in der Mythologie seines Volkes.<br />
Er dient dem Orakel von H’Rabaal, das im<br />
unzugänglichen Bergland hinter den Sümpfen<br />
liegt. Chrazz’chk ist der Mittelsmann zwischen<br />
Orakel und Welt, denn er entscheidet,<br />
wann und wem gestattet wird, den Weg zum<br />
Orakel und seinen Priestern zu finden.<br />
Nachdem die Helden ihre Bitte vorgetragen<br />
haben, wird er ihnen zunächst erklären, dass<br />
die Weisen des Orakels tatsächlich über Altes<br />
Wissen verfügen. Doch ebenso wie die einfachen<br />
Menschen und Echsen hier in H’Rabaal<br />
friedlich miteinander Handel treiben, so streben<br />
auch die Weisen danach, mit den Gelehrten<br />
unter den Menschen friedlich zu handeln.<br />
Es hat sich aber gezeigt, dass bei den Gelehrten<br />
und Wissbegierigen unter den Menschen<br />
aufrichtiger Wissensdurst oft gepaart ist mit<br />
Machtgier und Skrupellosigkeit. Deshalb teilen<br />
die Orakelpriester ihr Wissen nicht mehr<br />
ohne Weiteres mit den Menschen.<br />
Nur wer aufrichtig nach der Erkenntnis<br />
strebt, nicht als Feind der Echsen, sondern<br />
als Diener H’Szints, der darf darauf hoffen,<br />
von ihnen gelehrt zu werden. Um diese<br />
Aufrichtigkeit aber zu prüfen, muss sich der<br />
Wissbegierige dem Orakel zu einer Prüfung<br />
stellen.<br />
Helden, die nicht vor das Orakel treten<br />
wollen und nur als Begleitung dabei sind,<br />
werden zunächst mit den Worten: „Ihr werdet<br />
gerufen, wenn man euch braucht!“ weggeschickt.<br />
Diese Helden können sich einstweilen<br />
ein Quartier in der Stadt suchen, denn<br />
sie werden bis zum nächsten Morgen in Ungewissheit<br />
ausharren müssen. .<br />
Die erste Prüfung<br />
Jenen Helden, die sich zur Prüfung bereit<br />
erklärt haben, teilt Chrazz’chk knapp mit,<br />
dass ihre Prüfung bereits hier und jetzt beginnt.<br />
Ohne jede weitere Vorbereitung müssen<br />
die Helden ihm nun folgen, wenn sie sich<br />
der Prüfung unterziehen wollen.<br />
Der Priester führt die Helden auf sicheren<br />
Pfaden durch die brodelnden Sümpfe zu<br />
einer einsamen Pyramide. Er erklärt ihnen,<br />
dass in dieser Pyramide ein großes Geheimnis<br />
ruht, dass bislang noch kein Mensch zu<br />
ergründen vermochte und dass dies auch ihnen<br />
nicht gestattet sein wird.<br />
Danach erklimmt er mit ihnen die Spitze<br />
der Pyramide und gebietet ihnen, sich dort<br />
neben dem versiegelten Eingang niederzulassen<br />
und nun bis zum folgenden Sonnenaufgang<br />
in Meditation und Gebet an H’Szint<br />
auszuharren und kein Wort miteinander zu<br />
wechseln.<br />
Anschließend verschwindet er ohne weiteren<br />
Kommentar.<br />
Die Nacht in H’Rabaal<br />
Was in dieser Nacht passiert, hängt ausschließlich<br />
von den Helden ab, die nicht an<br />
der Prüfung teilnehmen. Legen diese sich<br />
einfach irgendwo schlafen, so vergeht die<br />
Nacht ohne Zwischenfälle. Nutzen sie aber<br />
die Nacht, um die Stadt zu erkunden, so<br />
werden sie irgendwann Chrazz’chk dabei<br />
beobachten, wie er alleine neben einem<br />
Sumpfloch steht und sein Gewand säubert.<br />
Neben ihm steht ein Achaz-Krieger und wartet<br />
achtungsvoll. Chrazz’chk spricht kurz mit<br />
dem Krieger, woraufhin dieser sich verneigt<br />
und schnellen Schrittes verschwindet.<br />
Der weitere Verlauf muss nun von Ihnen<br />
improvisiert werden, da kaum abzusehen ist,<br />
was die Helden unternehmen. Sie werden<br />
jedoch keinesfalls in der Nacht die Pyramide<br />
im Sumpf finden. Der Krieger geht direkt zu<br />
seinem Quartier und legt sich schlafen. Der<br />
Priester verschwindet hinter dem nächsten<br />
Gebäude und ist dann nicht mehr aufzufinden.<br />
Eventuell sieht man wenig später eine<br />
Flugechse aus einem nahen Gebüsch aufsteigen.<br />
Gefahr droht hier niemandem, solange<br />
die Helden sich nicht mit den Echsenmenschen<br />
anlegen.<br />
Achten Sie darauf, dass diese Szene nicht<br />
zu lang gerät, da ja einige Spieler zum stummen<br />
Zusehen verdammt sind. Man kann jedoch<br />
durchaus die Prüfung dann als bestanden<br />
deuten, wenn die Spieler es tatsächlich<br />
schaffen, keine Kommentare abzugeben.<br />
Schließen Sie die Szene damit ab, dass Sie<br />
die Spieler erneut bitten, kurz den Raum zu<br />
verlassen.<br />
Die Queste<br />
Sobald die Sonne aufgeht, kehrt der Achazpriester<br />
zur Pyramide zurück. Ein junger Krieger<br />
seines Volkes (der, mit dem er am Abend<br />
zuvor gesprochen hat) begleitet ihn bis zum<br />
Fuß der Pyramide und wartet dort respektvoll,<br />
während Chrazz’chk sie erneut erklimmt.<br />
Oben angekommen fragt er die Helden, ob<br />
sie immer noch bereit sind, sich der Prüfung<br />
des Orakels zu stellen. Wenn sie dies bestätigen,<br />
so teilt er ihr mit, welche Aufgabe das<br />
Orakel ihnen zugedacht hat:<br />
Den Weg der H’Szint sollst du gehen<br />
und die Wahrheit ehren.<br />
– Sprich also keine Lüge auf deinem Weg!<br />
Den Weg der Zzsah sollt du gehen<br />
und das Leben ehren.<br />
– Nimm also kein Leben auf deinem Weg!<br />
Den Weg des Ssad’Navv sollst du gehen<br />
und unaufhaltsam voranschreiten.<br />
MEISTERTIPP<br />
Der Achaz als Heldentyp<br />
An dieser Stelle bietet sich eine gute Gelegenheit<br />
für einen ihrer Spieler, einmal einen<br />
Achaz als Helden zu führen. Der Spieler<br />
des Achaz muss dazu bei weitem nicht<br />
über so viel Hintergrundwissen verfügen<br />
wie etwa der Echsenpriester. Statt dessen<br />
sollte er sich einige Sitten und Gebräuche<br />
seines Echsenstammes überlegen um die<br />
Andersartigkeit der Achaz zu den Menschen<br />
darstellen zu können.<br />
Der Achaz-Krieger ist ein Auserwählter<br />
seines Stammes, der die letzten zwei Jahre<br />
seines jungen Lebens damit verbracht<br />
hat, die alten Heiligtümer, die den Echsenmenschen<br />
hier noch verblieben sind, zu<br />
bewachen. Sein Dienst hier ist fast zu Ende<br />
und nach dieser letzten Aufgabe die ihm<br />
Chrazz’chk gestellt hat, kann er gehen,<br />
wohin er will.<br />
– Kehre also niemals um auf deinem Weg!<br />
Den Weg der Sad’Huarr sollst du gehen<br />
und das heilige Gelege suchen.<br />
– Suche also das Gelege des Chor’chna’ben!<br />
Den Weg des Orakels sollst du gehen<br />
und ihm dein Achtung erweisen.<br />
– Bring also das Heilige zum Heiligen<br />
und du kannst bestehen!<br />
Der Priester kann erklären, dass<br />
Chor’chna’ben eines der alten und heiligen<br />
Wesen ist, die von den Priestern verehrt werden<br />
und dass sein Gelege im „warmen Berg<br />
auf der heiligen Insel“ zu finden ist. Auch<br />
die Lage der Insel kennt der Priester und<br />
kann sie beschreiben. Über die Natur des<br />
Chor’chna’ben jedoch enthüllt er bis auf eine<br />
Bemerkung nichts: „Ihr werdet seine Gegenwart<br />
spüren, doch werdet ihr ihn weder sehen<br />
noch berühren, solange ihr dem Weg der<br />
Queste folgt.“<br />
Nachdem die Helden die Worte des Priesters<br />
vernommen und verstanden haben, fügt<br />
er noch hinzu, dass der am Fuß der Pyramide<br />
wartende Krieger sie bei ihrer Queste begleiten<br />
wird und bei ihrer Rückkehr Zeugnis abzulegen<br />
hat über das Verhalten der Helden.<br />
Danach überreicht er ihnen eine auf ein grobes<br />
Pergament gezeichnete Karte der Insel<br />
und wünscht ihnen den Segen H’Szints für<br />
die Unternehmung.<br />
Zum Schluss (falls noch Helden in der Stadt<br />
warten) empfiehlt er ihnen, bei der Auswahl<br />
ihrer Helfer für die Queste sorgfältig zu sein<br />
und nur mitzunehmen, wem sie gänzlich<br />
vertrauen, da sie sich auch für deren Tun vor<br />
Abenteuer<br />
Seite 55
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
NSC<br />
VESPERTILIO ORGANO<br />
Vielleicht kennen Sie den Schwarzmagier<br />
Vespertilio Organo noch aus der<br />
Phileasson-Saga. Je nachdem, zu welcher<br />
Zeit sie dieses Abenteuer ansiedeln, kann<br />
er hier unabhängigen Forschungen nachgegangen<br />
sein (17 bis 28 Hal), oder aber<br />
bereits im Auftrag der Großen Schlange<br />
tätig gewesen sein (nach 28 Hal).<br />
dem Orakel verantworten müssen.<br />
Die Karte<br />
Zeichnen sie eine grobe Karte vom Selem-<br />
Grund und wählen sie eine kleine Insel dort<br />
aus. Diese ist auf der Karte mit einem großen<br />
Kreuz gekennzeichnet.<br />
Kapitel 2<br />
Die Insel des<br />
Chor’chna‘ben<br />
Um vor dem Orakel von H’Rabaal bestehen<br />
zu können, müssen die Helden zusammen<br />
mit dem Achaz-Krieger die Insel des<br />
Chor’chna’ben aufzusuchen und im dortigen<br />
heiligen Berg das „Heilige“ finden. Dabei<br />
dürfen sie weder töten noch lügen, noch<br />
umkehren auf ihrem Weg (jedenfalls nicht<br />
so, dass es der Achaz und damit das Orakel<br />
bemerkt…).<br />
Verschiedene Ereignisse werden die Helden<br />
in Versuchung führen und auf die Probe<br />
stellen, doch wenn sie unbeirrbar an der<br />
Weisung festhalten, kann ihnen kaum etwas<br />
passieren. Am Ende wird sich aber zeigen,<br />
dass der heilige Berg entweiht wurde, denn<br />
der Schwarzmagier und Chimärologe Vespertilio<br />
Organo ist vor wenigen Wochen in<br />
den Berg eingedrungen um den Karfunkel<br />
des Chor’chna’ben zu rauben. Durch eine List<br />
konnte das Heilige Wesen dies verhindern,<br />
doch vermochte es weder sich selbst noch<br />
seinen Lebensraum vor dem zu bewahren,<br />
was die dämonischen Wesen des Vespertilio<br />
ihm antaten.<br />
Das Perlenmeer<br />
und der Selem-Grund<br />
Die Gewässer, die die Helden nun befahren<br />
müssen, sind nicht eben ungefährlich. Die<br />
Piraten der Südsee treiben hier genauso ihr<br />
Unwesen wie die schwarzen Galeeren der<br />
Al’Anfaner. Je nach Geschmack kann die Reise<br />
ereignislos bis lebensgefährlich verlaufen.<br />
Da aber auch jetzt schon die Gebote des Echsenpriesters<br />
(nicht töten, nicht lügen, nicht<br />
zögern) gelten, kann solch eine Begegnung<br />
leicht zum Scheitern der Queste führen…<br />
Die Stadt Selem<br />
Um nähere Informationen über die Gegend<br />
zu erhalten oder sich angemessen auszurüsten,<br />
können die Helden die Stadt Selem besuchen,<br />
die sie bislang vermutlich nur wegen<br />
ihres ausgesprochen schlechten Rufes vom<br />
Hörensagen kennen. Jetzt können die Helden<br />
erleben, wie berechtigt dieser Ruf ist. Allein<br />
die Durchquerung vom Hafen zum Stadtzentrum<br />
mit dem Alten Markt sollte nicht völlig<br />
unproblematisch verlaufen. Vielleicht macht<br />
die „Attacke“ eines Seuchenkranken einen<br />
Besuch im hiesigen Perainetempel nötig.<br />
Mit Informationen und Tränken ausgestattet<br />
können die Helden sich dann auf den auf<br />
ihrer Karte beschriebenen Weg durch den<br />
Selem-Grund machen.<br />
Die Insel des Chor’chna’ben<br />
Die Insel des Chor’na’ben ist nicht sehr<br />
groß, und ihr Anblick wird geprägt von einem<br />
großen, rauchenden Berg aus schwarzgrauem<br />
Fels, der weit über den schmalen, mit<br />
Mangroven und Schlingpflanzen bewachsenen<br />
Küstenstreifen aufragt. Der Berg im<br />
Zentrum der Insel bedeckt etwa die Hälfte<br />
des kleinen Eilandes und erhebt sich beinahe<br />
2.000 Schritt über das Meer. Statt eines<br />
Gipfels sieht man ein unnatürlich glatt wirkendes<br />
Hochplateau, über dem sich eine<br />
dünne Rauchsäule in den Himmel windet. Es<br />
scheint, als haben die Elementarherren des<br />
Feuers und des Erzes auf diesem Berg vor<br />
langer Zeit einen Kampf ausgefochten und<br />
nur schwarze und verkohlte Reste hinterlassen.<br />
Die Hüter des heiligen Berges<br />
Die Insel wird von einem Stamm Echsenmenschen<br />
bewohnt, die den heiligen Berg<br />
bewachen. Nie haben sie den Berg erstiegen<br />
und den jungen Kriegern dieses Stammes ist<br />
dies auch bei Todesstrafe verboten. Der Berg<br />
gilt als Wohnstätte der Götter und damit als<br />
unantastbar. Die Echsen wissen dass von Zeit<br />
zu Zeit Auserwählte kommen, die den Berg<br />
besuchen dürfen. Die Auserwählten müssen<br />
jedoch zunächst ihren Mut, ihre Entschlossenheit<br />
und ihre friedlichen Absichten beweisen.<br />
Der Schamane der Achaz kann spüren,<br />
dass seit einiger Zeit etwas Böses den heiligen<br />
Berg bedrängt und er kann auch die Präsenz<br />
des heiligen Wesens nicht mehr spüren.<br />
Deshalb sind die Achaz besonders wachsam,<br />
und der Schamane versucht einzuschätzen,<br />
ob die Helden wahre Diener der H’Szint sind,<br />
oder ob ihr Streben eher den bösen Kräften<br />
gleicht, die hier am Wirken sind.<br />
Bereits bei der Ankunft werden die Helden<br />
von einem der Achaz bemerkt und wenig<br />
später ist fast der gesamte Stamm versammelt,<br />
um die Schritte der Helden zu beobachten.<br />
Nähern sich die Helden dem Berg,<br />
so werden sie sich schon bald beobachtet<br />
Seite 56<br />
Abenteuer
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
fühlen können und wenig später sind sie von<br />
den Echsenmenschen eingekreist.<br />
Mit der Hilfe des Achaz-Kriegers ist es den<br />
Helden möglich, sich hier zu verständigen.<br />
Wichtig ist dabei, dass die Helden weder Lügen<br />
noch Töten dürfen. Wenn sie den Echsen<br />
die Wahrheit sagen, wird ihnen vom Schamanen<br />
erklärt, dass der heilige Berg tabu ist<br />
und keinesfalls betreten werden darf. Der<br />
Schamane der Echsen vollführt während er<br />
spricht seltsame Tänze und Ritualgesten und<br />
reißt dabei mindestens einem der Helden ein<br />
einzelnes Haar aus. Anschließend erklärt er<br />
dem Achaz-Krieger, dass er den Helden sagen<br />
soll, dass er nun ihr Leben in seiner Hand<br />
habe und sie sich sehr gründlich überlegen<br />
sollen, ob sie „den Weisungen folgen oder<br />
ihnen zuwider handeln wollen“ (auf den<br />
Wortlaut achten!).<br />
Erfüllt von Selbstsicherheit und ohne weitere<br />
Kommentare lassen die Echsen die Helden<br />
allein und verschwinden im Gebüsch.<br />
Wollen die Helden dem Wortlaut ihrer Aufgabe<br />
gehorchen, so müssen sie ohne zu zögern<br />
weitergehen und dürfen nicht wegen der<br />
Drohungen des Schamanen umkehren. Dies<br />
ist es auch, was der Schamane hier auf die<br />
Probe stellen will.<br />
Begegnungen auf der Insel<br />
Von den Echsenmenschen haben die Helden<br />
nichts zu befürchten, wenn sie sich auf<br />
direktem Wege zum Berg begeben und nicht<br />
in das Dorf eindringen. Im dschungelartigen<br />
Inselwald kann es jedoch durchaus zu anderen<br />
Begegnungen kommen. Hier sind im wesentlichen<br />
alle Tiere und Pflanzen heimisch,<br />
die es auch in den nahen Echsensümpfen<br />
gibt, abgesehen von den sehr großen Raubtieren.<br />
Einige Vorschläge für Begegnungen:<br />
• Jagdgras<br />
• Disdychonda<br />
• Basilisken-Panzerkröte<br />
• Hornechse<br />
Der „warme Berg“<br />
Die Helden erklimmen den schon seit langem<br />
nicht mehr aktiven Vulkan, um in seinem<br />
Inneren das Gelege des Chor’chna’ben zu finden.<br />
Sie wissen kaum etwas darüber, was sie<br />
erwartet, oder was für ein Wesen hier lebt.<br />
Sie können bestenfalls mutmaßen, dass es<br />
hier um etwas anderes als um ‘Kindesraub’<br />
unter Echsen geht, da es sich immerhin um<br />
die Prüfung durch ein heiliges Orakel handelt.<br />
Während die Helden den Berg erklimmen,<br />
stoßen sie früher oder später auf einen schmalen,<br />
von unten nicht zu sehenden Pfad,<br />
der rund um den Berg herum steil aufwärts<br />
führt. Wenn sie dem Pfad folgen, ist der Weg<br />
zwar länger, aber dafür auch ohne Kletterausrüstung<br />
gangbar. Vorsichtig sollte man<br />
aber dennoch sein, vor allem, wenn man sich<br />
einem der zahlreichen Nester großer Raubvögel<br />
nähert, die hier am warmen Berg zu<br />
finden sind.<br />
Gut 1.800 Schritt über dem Meer endet<br />
der Pfad vor einer mächtigen, kunstvoll bearbeiteten<br />
schwarzen Steinplatte an der<br />
Westwand des Berges. Der knapp drei Schritt<br />
hohe und ebenso breite Stein wirkt wie ein<br />
Portal, durch das der Zugang zu einer Höhle<br />
verschlossen wird.<br />
Ein weiterer Aufstieg an der fast senkrecht<br />
aufragenden Felswand ist selbst mit Kletterausrüstung<br />
nur noch unter höchstem Risiko<br />
möglich. (Klettern mindestens 15!)<br />
Sollten die Helden Kraft ihrer Magie zu Fliegen<br />
vermögen, werden sie von giftigen Vulkandämpfen<br />
am Kraterrand zum Umkehren<br />
gezwungen – der Weg durch die Kammern<br />
sollte ihnen nicht erspart bleiben.<br />
Abenteuer<br />
Seite 57
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
Die Kammern der Prüfung<br />
Hinter dem Portal befindet sich in der Tat<br />
ein Höhlensystem, durch das man ins Innere<br />
des heiligen Berges gelangen kann.<br />
H’Szint: Das Portal<br />
Sieht man sich das Portal genauer an, so<br />
lässt sich folgende Inschrift entziffern (echsisch):<br />
Was ist der Anfang der Ewigkeit?<br />
Was ist das Ende jeder Stunde?<br />
Was ist der Anfang allen Endes?<br />
Was ist das Ende aller Tage?<br />
Unter dieser Inschrift befinden sich neun<br />
mit runenartigen Gravuren verzierte Stäbchen<br />
von jeweils einem halben Spann Länge.<br />
Versucht man diese zu bewegen, so zeigt<br />
sich, dass sie sich auf der Steinplatte beliebig<br />
hin- und herschieben lassen, sich jedoch<br />
nicht ohne weiteres entfernen lassen (sozusagen<br />
sehr starke Haftmagnete).<br />
Lösen die Helden das Rätsel, indem sie die<br />
Runenstäbe korrekt zu einem ‘E’ anordnen,<br />
so öffnet sich das Portal. Lautlos und offenbar<br />
von Dschinnenhand geführt gleitet es<br />
nach links weg und gibt den Blick in einen<br />
dunklen, feuchten Gang von zwei Schritt<br />
breite und Höhe frei, der direkt nach Osten,<br />
zum Zentrum des Berges führt.<br />
Der Stein der Kraft<br />
Nach wenigen Metern öffnet sich der Gang<br />
in die erste Höhle. Diese ist beinahe kreisrund<br />
und hat einen Durchmesser von etwa<br />
zwei Schritt. In ihrer Mitte steht ein zylindrischer,<br />
mattschwarzer Stein, der bis an die<br />
Decke reicht. Dahinter kann man die Öffnung<br />
in einen weiteren Gang sehen.<br />
Trägt einer der Helden eine Metallrüstung,<br />
so spürt er schon im Gang eine seltsame<br />
Kraft, die ihn in die Höhle ziehen will (das<br />
es an der Rüstung liegt, merkt er zunächst<br />
nicht). Reagiert er schnell genug, so kann<br />
er noch dagegen ankämpfen, doch wenn<br />
er auch nur ein oder zwei weitere Schritte<br />
macht, wird die Kraft so stark, dass sie ihn<br />
gegen den Stein in der Raummitte schleudert<br />
(RS*2 Schadenspunkte).<br />
Alle übrigen Helden, die metallene Gegenstände<br />
bei sich tragen, spüren die Kraft spätestens,<br />
wenn sie den Raum betreten. Alle<br />
Waffen und jegliches magnetische Material<br />
wird unweigerlich zum Stein gezogen und<br />
Seite 58<br />
ENVOYER<br />
Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />
Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />
worden.<br />
bleibt dort haften. Es zeigt sich auch, dass<br />
dort schon eine Vielzahl teilweise sehr fremdartiger<br />
Waffen und Rüstungsteile kleben.<br />
Die einzige Chance, kleine Metallgegenstände<br />
durch den Raum zu bekommen besteht<br />
darin, sich ganz eng an der Wand zu<br />
bewegen und sehr stark zu sein. (KK-Probe<br />
erschwert um Unzen/10)<br />
Ssad’Navv: Der direkte Weg<br />
Nach einem weiteren kurzen Gangstück<br />
erreichen die Helden eine etwas größere<br />
Höhle von etwa 3 Schritt Länge und knapp<br />
vier Schritt Breite. In dieser Höhle gibt es neben<br />
einem wiederum nach Osten führenden<br />
Gang auf der gegenüberliegenden Seite auch<br />
noch einen Weg, der nach Nordwesten führt.<br />
Vor dem geradeaus liegenden Gang steht<br />
eine Steintafel mit einer Inschrift (echsisch):<br />
Es ist schlimmer als die Niederhöllen!<br />
Es ist schöner als die Liebe!<br />
Es dient den Toten als Nahrung!<br />
Es tötet Lebende qualvoll,<br />
wenn sie es essen!<br />
Es wird auf ewig deine Geißel sein,<br />
wenn du diese Pforte durchschreitest!<br />
Die Antwort auf dieses Rätsel lautet<br />
schlicht: Nichts. Und demzufolge haben die<br />
Helden auch nichts zu befürchten, wenn sie<br />
in den nächsten Gang eintreten. Die Pforte,<br />
die sie dazu durchschreiten müssen, wirkt<br />
allerdings sehr düster und bedrohlich und<br />
weist eine starke magische Aura auf. Aus<br />
einer Ritze, die sich über die gesamte Breite<br />
des Durchgangs erstreckt, quillt beständig<br />
eine dünne Wand aus Rauch empor.<br />
Wenn sie der Meinung sind, dass die Helden<br />
diese zusätzliche Hilfe nötig haben, können<br />
sie hier erwähnen, dass alle Metallklingen<br />
(natürlich nur, wenn ein kräftiger Held<br />
sie bis hierher mitbringen konnte) von dem<br />
Rauch beschlagen werden und fortan seltsam<br />
matt wirken. Die Waffen sind dadurch<br />
für eine Weile magisch. Der Beschlag verschwindet<br />
im Laufe der nächsten Tage, doch<br />
für den Kampf gegen die Spinnendämonen<br />
kommt er wie gerufen.<br />
Blicken die Helden sich im Raum um, so sehen<br />
sie in dem Gang, der in nordwestlicher<br />
Richtung zurückführt, einen leichten goldenen<br />
Schimmer.<br />
Die Prüfung sieht vor, dass sie diesen Gang<br />
ignorieren und unbeirrbar voranschreiten.<br />
Lassen sie sich vom Schimmer locken oder<br />
von der Inschrift ablenken, so haben sie eine<br />
kleine Strafe verdient. Hehe!<br />
Der Raum der Versager<br />
Nach wenigen Schritten kann man am<br />
Ende des Ganges einen Raum sehen, in dem<br />
goldene Gegenstände im Fackelschein glitzern.<br />
Im Gang befindet sich jedoch eine gut<br />
versteckte Falltür. Nur für den Fall, dass die<br />
Helden den Boden wirklich äußerst gründlich<br />
abtasten, können sie die Falltür mit einer Sinnesschärfe-Probe<br />
entdecken. Lassen sie hier<br />
ruhig so viele Helden wie möglich in die Falle<br />
tappen, sie haben es nicht besser verdient.<br />
Die Falltür klappt also weg, kurz bevor der<br />
erste Held den Raum erreicht und alle, die<br />
sich im Gang befinden, stürzen zwei Schritt<br />
in die Tiefe.<br />
Der Boden ist bedeckt mit Splittern aus<br />
Kristallglas, das sich sofort durch alle Kleidung<br />
und Ausrüstung der Helden schneidet.<br />
Die Helden selbst erleiden durch zahlreiche<br />
Schnittwunden 2W6 Trefferpunkte.<br />
Die Gegenstände im Raum wirken tatsächlich<br />
als wären sie aus Gold und nur eine sehr<br />
gründliche Analyse vermag zu offenbaren,<br />
dass es kein echtes Gold sein kann. Die goldenen<br />
Schalen, Münzen, Pokale, Becher etc.<br />
fühlen sich alle kühl und schwer an und ein<br />
leichter Schauer durchfährt jeden, der etwas<br />
davon berührt. Für je 20 Unzen, die ein Held<br />
von diesem Schatz an sich nimmt, erleidet er<br />
im Folgenden pro Stunde einen Schadenspunkt.<br />
Und zwar so lange, bis er die Schätze<br />
in diesen Raum zurück gebracht hat.<br />
Zzsah: Der Drache des Lebens<br />
In der letzten und größten Höhle wird geprüft,<br />
ob die Helden dem Weg der Zzsah treu<br />
sind. Die Decke des ovalen und gut zwanzig<br />
Schritt durchmessenden Raumes erstreckt<br />
sich acht Schritt über den Helden. Der Boden<br />
ist gar nicht zu sehen, da der Raum fast vollständig<br />
von einem kristallklaren See eingenommen<br />
wird. Am östlichen Ende der Halle<br />
ist ein etwa zwei Schritt breiter Wasserfall zu<br />
sehen, der sich beständig in den kleinen See<br />
ergießt. Sobald einer der Helden das Wasser<br />
berührt, erfüllt ein düsteres, bedrohliches<br />
Grollen die Höhle. Der Gefahreninstinkt der<br />
Helden schlägt an und alle Nackenhaare<br />
sträuben sich. Augenblicke später beginnt<br />
die Wasseroberfläche zu brodeln und zu<br />
schäumen. Dann erhebt sich ein mächtiger,<br />
blauschimmernder Drache aus dem See!<br />
Der Wasserdrache hat eine Flügelspannweite<br />
von fünf Schritt und reicht mit seinem<br />
gewaltigen Haupt knapp vier Schritt in die<br />
Höhe. Mit einem kräftigen Wasserschwall,<br />
den er beim Auftauchen ausspuckt, schleudert<br />
er die Helden gegen die Höhlenwand (je<br />
1W6 SP). Dann geht er zum Angriff mit Wasserstrahl,<br />
Klauen und Schwanz über.<br />
Bei dem Drachen handelt es sich um eine<br />
mächtige Illusion! Der Schaden, den er verursacht,<br />
erscheint den Helden durchaus real, so<br />
lange sie sich in diesem Raum aufhalten. Zu<br />
Abenteuer
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Tode kommen können sie in diesem Kampf<br />
jedoch nicht (sie werden dann nur bewusstlos).<br />
Kein Hieb und kein Kampfzauber vermag<br />
dem Drachen etwas anzuhaben. Ja,<br />
er gewinnt sogar noch an Kraft mit jedem<br />
Schadenspunkt, den er eigentlich einstecken<br />
müsste. Umgekehrt verliert er jedoch mit jedem<br />
Hieb, den er austeilt, an Kraft und Heilzauber<br />
können ihn empfindlich schwächen.<br />
Die Helden können dies nach einigen Hieben<br />
und Paraden erkennen (Klugheitsprobe).<br />
Dass sie es mit einer Illusion zu tun haben, ist<br />
weit schwerer zu durchschauen. Sobald einer<br />
der Spieler diesen Verdacht äußert, kann<br />
ein Magier durchaus versuchen, die Illusion<br />
zu zerstören. Die Stufe des Illusionisten ist<br />
dabei 20.<br />
Sobald die Illusion durchbrochen oder der<br />
Drache bezwungen ist, verblassen die Wunden<br />
und der LE-Verlust der Helden kann wie<br />
bei einem waffenlosen Kampf als reiner Ausdauer-Verlust<br />
betrachtet werden.<br />
Das Tal des Chor’chna’ben<br />
Nachdem die Helden die letzte Prüfung<br />
bestanden haben, können sie das hinter<br />
dem Wasserfall verborgene letzte Gangstück<br />
durchqueren. An seinem Ende befindet sich<br />
ein weiteres Steinportal, dass sich jedoch<br />
durch eine Gesamt-KK von 21 nach außen<br />
drücken lässt. Dahinter befindet sich der Vulkankrater,<br />
das Tal des Chor’chna’ben.<br />
Abenteuer<br />
Das Tal des Chor’chna’ben<br />
Bereits beim Öffnen des letzten Tores ändert<br />
sich die Stimmung radikal. Die konzentrierte<br />
Stille und Reinheit der Kammern der<br />
Prüfung weicht etwas anderem, zutiefst bedrohlichem<br />
und unnatürlichem. Versuchen<br />
sie als Meister, dies ruhig soweit möglich<br />
durch grelles Licht und passende Musik zu<br />
unterstreichen.<br />
Entgegen der Erwartungen (zumindest<br />
des Achaz) strahlt das Tal keineswegs die<br />
Ruhe und Friedlichkeit eines heiligen Ortes<br />
aus. Statt dessen wirkt das Tal böse, hässlich<br />
und abweisend. Der erste Blick in das Tal bestätigt<br />
dieses Gefühl. Es ist deutlich zu erkennen,<br />
dass hier vor nicht allzu langer Zeit eine<br />
blühende Flora existiert hat. Doch nun sind<br />
alle Bäume und Sträucher von widerlichen<br />
weißgrauen Schleiern eingehüllt und eitergelbe<br />
Tautropfen hängen daran. Das ganze<br />
Tal ist von dämonischer Präsenz erfüllt und<br />
wirkt dementsprechend unheilig.<br />
Das Tal durchmisst mehrere hundert<br />
Schritt. Zwischen den Überresten der Pflanzen<br />
ragen einige kurios geformte Basaltsäulen<br />
bis zu 15 Schritt hoch auf. Im Zentrum<br />
des Kraters befindet sich ein großer Riss von<br />
mehreren Schritt Breite und 30 Schritt Länge.<br />
Die Karten zu diesem Abenteuer zeigen<br />
das Tal im Querschnitt und von oben.<br />
Dringen die Helden bis etwa zur Mitte des<br />
Tales vor, so werden sie von den Kreaturen<br />
angegriffen, die Vespertilio im Tal zurückgelassen<br />
hat. Es handelt sich eindeutig um<br />
dämonische Wesen aus der Domäne der Asfaloth.<br />
Sie zu vernichten widerspricht demzufolge<br />
natürlich nicht der Weisung, kein Leben<br />
zu nehmen (und das sollten die Helden auch<br />
sehr deutlich spüren)!<br />
Die Spinnenchimären<br />
Die etwa einen Schritt großen, spinnenartig-dämonischen<br />
Untiere sind weder sehr robust<br />
noch besonders kampffähig. Allerdings<br />
sind sie – wie alle dämonischen Wesen – nur<br />
durch Magie zu verletzen. Helden, die keine<br />
magischen Waffen haben, sind aber keineswegs<br />
nutzlos, da allein durch ihr beherztes<br />
Zuschlagen verhindert werden kann, dass<br />
sich alle Spinnen zugleich auf einen einzelnen<br />
Gegner stürzen. Ein kräftiger Schlag einer<br />
normalen Waffen fügt den Wesen zwar<br />
keinen Schaden zu, vermag sie aber durchaus<br />
zurückzudrängen (KK-Probe+5 wirft eine<br />
Kreatur so weit zurück dass sie ein Mal nicht<br />
angreifen kann). Dass sich der mutige Held<br />
durch seinen Einsatz in große Gefahr gegen<br />
einen (für ihn) unverwundbaren Gegner begibt,<br />
ist eine ganz andere Frage…<br />
Die Werte: AT: 7 PA: 4 RS: 1 LE: 20<br />
TP: 1W+1 (ätzende nässende Wunden!)<br />
Kalkulieren sie pro Held etwa vier dieser<br />
Kreaturen. Gleichzeitig angreifen können allerdings<br />
nur jeweils drei der Spinnen (und nur<br />
zwei, wenn die Helden einen Halbkreis vor einer<br />
Felswand bilden).<br />
Wird eine Spinne getötet, so zerplatzt sie<br />
in einer Wolke aus schleimigem Glibber und<br />
verursacht bei allen Umstehenden nochmals<br />
1W+1 TP. Wenn die Helden das ein paar Mal<br />
erlebt haben und einschätzen können wie<br />
viel die Monster aushalten, können sie im<br />
rechten Moment durch eine Ausweichen-<br />
Probe dem Glibber entkommen. Um fliegende<br />
Helden am Kraterrand abzufangen oder<br />
aber um auch sehr starke Heldengruppen<br />
ein wenig ins Schwitzen zu bringen, können<br />
sie die Spinnenwesen mit übermenschlichen<br />
Sprungfähigkeiten versehen oder ihnen die<br />
Fähigkeit geben, Spinnenfäden zu verschießen.<br />
Wenn die Helden vor den Kreaturen fliehen,<br />
sich verstecken oder sie bezwungen haben<br />
und sich nachher umsehen, können sie<br />
folgende Entdeckungen machen:<br />
Der tote Drache<br />
Unter den Spinnweben befinden sich nicht<br />
nur Pflanzen, sondern auch die Überreste eines<br />
großen Echsenwesens. Teilweise bis auf<br />
die Knochen abgefressen, teilweise noch mit<br />
fauligen Fleischfetzen behangen liegt zwischen<br />
den Säulen der Körper eines Drachenwesens.<br />
Die Helden können jedoch nur vermuten,<br />
dass es sich dabei um die sterblichen<br />
Überreste des Chor’chna’ben handelt.<br />
Das Drachennest<br />
Sehen die Helden sich die Basaltsäulen<br />
genauer an, so werden sie bemerken, dass<br />
sich auf einer besonders großen und breiten<br />
Säule eine Art Nest befindet. Die Ausmaße<br />
dieses Nestes sind so groß, dass wohl nur ein<br />
Drache dort seine Eier abgelegt haben könnte.<br />
Die Säule selbst wird umhüllt vom heißen<br />
Rauch, der aus dem Riss im Kraterboden aufsteigt.<br />
Auf dieser zehn Schritt hohen Säule<br />
befindet sich das Gelege des Chor’chna’ben.<br />
Das Gelege des Chor’chna’ben<br />
Gelingt es einem der Helden, die Säule zu<br />
erklettern, so gelangt er zum Gelege des<br />
Chor’chna’ben. Im Nest liegen die Überreste<br />
mehrerer Dracheneier. Große, dunkelgraue,<br />
ledrige Fetzen, bedeckt mit einer dicken Rußschicht.<br />
Einiges Wühlen in diesen Überresten<br />
fördert ein einziges kleines, intakt scheinendes<br />
Ei zutage. Sobald aber die warme Hand<br />
eines Menschen das Ei berührt, erglimmt es<br />
leicht in rötlichem Schimmer. Der Held spürt<br />
ein zartes Kribbeln, das ausgehend von seiner<br />
Hand seinen ganzen Körper durchläuft.<br />
Schließlich spricht eine leise, flüsternde Stimme<br />
zu ihm:<br />
Geschändet ist das heilige Tal.<br />
Erschlagen der heilige Diener der H’Szint.<br />
Der Seelenstein des Chor’chna’ben<br />
ist nun in deiner Hand.<br />
Bring Heiliges zu Heiligem, um die Hoffnungen<br />
des Bösen zunichte zu machen.<br />
H’Szints Segen über dich, wenn du den<br />
Willen der Göttin erfüllst.<br />
H’Szints Fluch über dich, wenn meinem<br />
Mörder Vespertilio zufällt, was er nie erlangen<br />
darf!<br />
Nach diesen Worten lässt das Glimmen<br />
nach und das ledrige Ei fühlt sich kühl und<br />
ruhig an. Sollten die Helden auf die Idee kommen,<br />
das Ei zu öffnen, so findet sich darin<br />
tatsächlich der Karfunkel des Chor’chna’ben.<br />
Und es wird sie tatsächlich ein schrecklicher<br />
Fluch treffen, wenn sie den letzten Wunsch<br />
dieses Wesens nicht erfüllen…<br />
Zurück nach H’Rabaal<br />
Sobald die Helden das Ei des Chor’chna’ben<br />
in den Händen halten, können sie sich eigentlich<br />
auf den Rückweg nach H’Rabaal machen.<br />
Vermutlich sind sie aber sehr angeschlagen<br />
Seite 59
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
und eventuell rechnen sie ja auch noch mit<br />
einem Konflikt mit den Echsenmenschen auf<br />
der Insel. Als Schlafplatz eignet sich besonders<br />
die Kammer des Wasserdrachens. Die<br />
Illusion erscheint kein weiteres Mal und in<br />
der friedlichen Kammer ist die Regeneration<br />
sogar um einen Punkt verbessert. Das Wasser<br />
ist zudem sehr klar, erfrischend und mineralstoffreich.<br />
Von den Echsenmenschen im Tal haben<br />
die Helden eigentlich nichts zu befürchten.<br />
Doch diese werden auf jeden Fall noch einmal<br />
auftauchen. Der Schamane wird sie dann<br />
eingehend nach dem befragen, was sie auf<br />
dem heiligen Berg erfahren haben. Können<br />
die Helden ihn davon überzeugen, dass sie<br />
den Karfunkel wirklich nach H’Rabaal bringen<br />
und nicht für sich behalten wollen, so<br />
beschenkt er den Helden, dem er zuvor das<br />
Haar genommen hat, nun mit einem magischen<br />
Edelstein.<br />
Durch ein Schamanenritual wurde der<br />
Stein mit einem Schutzzauber versehen und<br />
das Haar in den Stein eingeschlossen. Seinem<br />
Besitzer vermag es nun, solange er es<br />
trägt, eine um 1 erhöhte Magieresistenz zu<br />
verschaffen (unzerstörbar ist das Artefakt<br />
allerdings nicht).<br />
Die Echsen geleiten die Helden zurück zu<br />
ihrem Schiff und drücken beim Abschied<br />
nochmals ihre Achtung und Anerkennung<br />
vor den tapferen Helden aus. Falls nötig, haben<br />
sie auch ein paar Heilkräuter anzubieten.<br />
Zu den Ereignissen auf dem Berg kann der<br />
Schamane nur erklären, dass er vor wenigen<br />
Wochen eine böse Macht gespürt hat und<br />
eine große Unruhe in der Geisterwelt.<br />
Allerdings war der Schamane überzeugt,<br />
dass keine böse Macht dem als Halbgott verehrten<br />
heiligen Wesen auf Dauer etwas anhaben<br />
kann, so dass er nicht bereit war, das<br />
Tabu des Berges zu brechen.<br />
Die Reise zurück nach H’Rabaal kann eigentlich<br />
ohne Komplikationen verlaufen,<br />
beziehungsweise ähnlich wie der Weg zur<br />
Insel.<br />
Kapitel 3<br />
Das Orakel<br />
von H’Rabaal<br />
Kehren die Helden nach H’Rabaal zurück,<br />
so werden sie von Chrazz’chk bereits erwartet.<br />
Dieser lässt sich den Verlauf der Expedition<br />
zunächst ausführlich schildern und von<br />
dem Achaz bestätigen. Danach erklärt er den<br />
Helden, dass er sie nun zum Orakel führen<br />
wird, wo sie sich der letzten Prüfung unterziehen<br />
und vor den Augen des Orakels bestehen<br />
müssen.<br />
Der Weg zum Orakel<br />
Das Orakel liegt im schwer zugänglichen<br />
Hochland von H’Rabaal. Der Achaz, der die<br />
Helden schon auf ihrer Queste begleitet<br />
hat, wird sie weiter durch den unwegsamen<br />
Dschungel in die Berge führen. Auf der etwa<br />
drei Tage dauernden Reise müssen die Helden<br />
mit allerlei Unbilden des Regenwaldes<br />
rechnen. Allgemein soll das Gefühl vermittelt<br />
werden, dass das Orakel tatsächlich schwer<br />
zugänglich und ohne kundigen Führer kaum<br />
zu finden ist.<br />
• Pro Stunde Fußmarsch sinken Attacke,<br />
Parade, Gewandtheit und Körperkraft<br />
um je einen Punkt. Legen die Helden<br />
eine Rast ein, so regenerieren sich die<br />
Werte in zwei Spielrunden jeweils um<br />
einen Punkt<br />
• Die Regeneration ist durch die ungewohnte<br />
und ungemütliche Umgebung<br />
vermindert auf 1W6-1 pro Nacht<br />
• Die schwüle Hitze des Regenwaldes erschwert<br />
die Konzentration, weshalb alle<br />
Zauberproben um 2 Punkte erschwert<br />
sind. Talentproben sind um 1 erschwert<br />
• Die Helden schwitzen wie die Troperzen<br />
und müssen deshalb mindestens<br />
vier Liter pro Tag trinken. Wasser zu<br />
finden ist zwar kein Problem, versäumt<br />
man es aber, das Wasser abzukochen,<br />
ist die Gefahr groß, an „Manaks Vergeltung“<br />
zu erkranken (Dauer: 2W6 Tage, 1<br />
SP pro Tag, keine Regeneration).<br />
• Mögliche Begegnungen im Dschungel:<br />
– Riesenaffen<br />
– Palmviper<br />
– Würgeschlange<br />
– Säbelzahntiger<br />
– Moskitos<br />
– Gelbschwanzskorpione<br />
– Vogelspinnen<br />
Das Orakel<br />
In einem kleinen, ungewöhnlich friedlichen<br />
Bergtal liegt das Ziel der Helden. Einige einfache<br />
Hütten lassen erkennen, dass hier Achaz<br />
wohnen. Außer einem reich geschmückten<br />
und von mehreren Echsenkriegern (Achaz<br />
und Marus) bewachten Höhleneingang ist<br />
sonst nichts bedeutsames zu sehen. Aus einer<br />
der Hütten steigt in dicken Schwaden<br />
dunkler, würzig riechender Rauch auf.<br />
Die Wache im Gebüsch<br />
Die Helden werden von einem zunächst im<br />
Gebüsch verborgenen Achaz angesprochen,<br />
sobald sie einige Schritte in das Tal vorgedrungen<br />
sind. Erklären sie den Grund ihres<br />
Kommens, so gebietet die Wache ihnen, all<br />
ihre Waffen abzulegen bevor sie weiter in<br />
das heilige Tal gehen. Sobald sie gehorchen,<br />
geleitet er sie zu der Hütte, aus der der würzige<br />
Rauch aufsteigt.<br />
Die Echsenpriester<br />
In besagter Hütte sind drei der Priester<br />
des Orakels versammelt und führen<br />
gerade ein Rauschkraut-Ritual durch.<br />
Eine weitere Wache vor dem Zelt teilt<br />
dies den Helden mit und bittet sie,<br />
zu warten. Nach einiger Zeit tritt einer<br />
der Priester aus dem Zelt und begrüßt<br />
die Helden. Sie bekommen einen<br />
Schlafplatz zugewiesen, können sich<br />
waschen und ein Mahl mit den Priestern<br />
einnehmen.<br />
Man teilt ihnen mit, dass jeder Held<br />
nur ein Mal und zwar jeder einzeln vor<br />
das Orakel treten darf. Der erste, der<br />
vor das Orakel tritt, soll das Ei des<br />
Chor’chna’ben mit sich führen.<br />
Seite 60<br />
Abenteuer
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Wenn das Orakel zustimmt, sind die Echsenpriester<br />
bereit, ihr Wissen mit den Helden<br />
zu teilen und sie, soweit sie es vermögen<br />
(und es ihnen gestattet wurde), zu unterrichten.<br />
Das Orakel<br />
Die Höhle ist dunkel und groß. Wer immer<br />
sich dem Orakel stellt, darf keine andere<br />
Lichtquelle als einen kleinen Gwen Petryl<br />
mit sich führen, dessen Lichtschein gerade<br />
ausreicht um den Weg einen Schritt weit zu<br />
beleuchten. In der unüberschaubaren Höhle<br />
voller Tropfsteine windet sich ein langer<br />
schmaler Gang, teils natürlich, teils künstlich<br />
angelegt, in die Tiefe. Immer lauter wird die<br />
Symphonie aus dem Tropfen des Wassers,<br />
dem Hallen der eigenen Schritte und einem<br />
dumpfen Brummen aus der Tiefe.<br />
Nach einer Weile klingt alles seltsam harmonisch.<br />
Der Pfad endet nicht, doch geht<br />
er nicht mehr weiter in die Tiefe. Nach einer<br />
weiteren Weile fühlt es sich an, als laufe man<br />
im Kreis, auch wenn nirgendwo eine Abzweigung<br />
nach oben zu sehen ist. Eine letzte kleine<br />
Weile vergeht bis die harmonischen Klänge<br />
plötzlich leiser werden und eine sanfte<br />
Stimme in der Muttersprache des Helden zu<br />
sprechen anhebt:<br />
Weiter und immer weiter. Geh den Kreis des<br />
Lebens.<br />
Eine suchende Seele bist du. Eine suchende<br />
Seele in meiner Halle…<br />
Eine suchende Seele mit einer Gabe…<br />
Den Weg der Götter bist du gegangen…<br />
[oder: Den Weg der Götter bist du gegangen,<br />
so gut du es vermochtest]<br />
Vertraue! Vertraue in die Weisen Lenker der<br />
Welt…<br />
Verschenke nun deine Gabe. Schenke sie der<br />
Tiefe, wirf sie mir zu…<br />
Und höre was durch mich dir zu wissen<br />
bestimmt ist…<br />
[oder: Sage mir nun, welches Wissen du dir<br />
von mir erhoffst…]<br />
Nun sollte jeder Held ein persönliches Orakel<br />
erhalten. Versuchen Sie bereits bei der<br />
Vorbereitung des Abenteuers herauszufinden,<br />
welche Geheimnisse die Helden gerne<br />
erfahren würden oder was es sie zu wissen<br />
drängt (vielleicht die Zusammenhänge eines<br />
nie ganz geklärten Abenteuers)?<br />
Wenn Sie für den betroffenen Helden bereits<br />
ein Folgeabenteuer wissen, versuchen<br />
Sie, eine geeignete Verbindung oder Vorahnung<br />
dazu herzustellen.<br />
Nachdem das persönliche Orakel gesprochen<br />
ist, fährt die Stimme wie folgt fort:<br />
Abenteuer<br />
Du hast dich der Prüfung meiner Priester<br />
gestellt und du hast dich meiner Prüfung<br />
gestellt.<br />
Du sollst unterwiesen werden im alten Wissen,<br />
soweit du es zu fassen vermagst.<br />
Hüte dich aber, die Grenzen zu überschreiten<br />
zu jenem Wissen, das den Sterblichen<br />
verboten ist. Hüte dich vor den Versuchungen,<br />
die den Wissenden umso stärker<br />
treffen.<br />
Hüte Dich… und geh mit dem Segen der<br />
vielgestaltigen H’Szint…<br />
Die letzten Silben verklingen als Echo widerhallend,<br />
während die Harmonie der natürlichen<br />
Klänge wieder lauter wird. Unvermittelt<br />
beginnt der Pfad anzusteigen und den<br />
Besucher zurück ans Tageslicht zu führen.<br />
Das Gelöbnis<br />
Nachdem alle, die wollen, sich der Prüfung<br />
gestellt haben, ziehen sich die Echsenpriester<br />
ein weiteres Mal für eine Weile zurück.<br />
Danach erklären sie, dass das Orakel entschieden<br />
hat und die Helden für Wert erachtet<br />
wurden, unterwiesen zu werden.<br />
Nun müssen sie noch den Priestern des<br />
Orakels geloben, dass sie das Wissen, welches<br />
sie hier erlernen, niemals wider den<br />
Gesetzen der H’Szint und niemals wider den<br />
Echsen von H’Rabaal einsetzen. Außerdem<br />
müssen sie versprechen, niemals den Weg<br />
zum Orakel an jene preiszugeben, die nicht<br />
fest sind im Glauben an die Göttin.<br />
Der Lohn der Mühen<br />
Alle Helden, die sich erfolgreich dem Orakel<br />
gestellt haben, können nun für eine Weile<br />
im Tal bei den Echsenpriestern bleiben. Hier<br />
haben sie die Möglichkeit die Sprache der<br />
Echsen zu lernen und – sofern sie magiebegabt<br />
sind – einige Echsenzauber zu erlernen.<br />
Eventuell können sie auch in die Geheimnisse<br />
der Kristallomantie eingeweiht werden (siehe<br />
Mysteria Arkana).<br />
Davon abgesehen, haben sich natürlich alle<br />
Helden einige Abenteuerpunkte verdient. Ich<br />
würde für ein absolut korrektes Bestehen der<br />
Prüfung 300 Abenteuerpunkte vorschlagen.<br />
Weitere 150 Abenteuerpunkte dürfen sich<br />
jene Helden teilen, die die Spinnendämonen<br />
vernichtet haben.<br />
Für schönes Rollenspiel, besonders im Umgang<br />
mit den Achaz, können pro Held weitere<br />
10 bis 30 Abenteuerpunkte verteilt werden.<br />
Insbesondere können solche Helden<br />
belohnt werden, die mit interessanten Ideen<br />
die Handlung vorangebracht und bereichert<br />
haben, oder die durch erinnerungswürdige<br />
Szenen zum Spielspaß beigetragen haben.<br />
Anhang<br />
Die Magie der<br />
Echsenmenschen<br />
Die Magie der Echsen ist fremdartig und geheimnisvoll,<br />
doch mag es unter besonderen<br />
Umständen auch einem Menschen gelingen,<br />
sie Ansatzweise zu verstehen. Analog zum<br />
gildenmagischen Verständnis der Elfenmagie<br />
oder der Zauberkräfte der Töchter Satuarias<br />
wird ein Magier auch hier vor allem die Ähnlichkeiten<br />
zu bekannten gildenmagischen<br />
Zaubern besonders hervorheben, um einen<br />
Ansatzpunkt für seine Studien zu haben. Der<br />
Magier lernt folglich nicht „auf echsische Art<br />
zu zaubern“ sondern er lernt „die echsischen<br />
Zauber in die gildenmagische Wirkungsweise<br />
umzuwandeln“. Auch die hier angegebenen<br />
Namen der Zauber sind natürlich nicht die<br />
echsischen Namen, sondern Vorschläge dafür,<br />
wie ein Gildenmagier die Sprüche nennen<br />
könnte.<br />
Im Folgenden werden einige neu entwickelte<br />
oder modifizierte Zauber vorgeschlagen,<br />
wie sie bei den Priestern in H’Rabaal<br />
oder aus alten Schriften der Echsen gelernt<br />
werden könnten. Bei allen Sprüchen ist zu<br />
beachten, dass die angegebenen Startwerte<br />
dann zum Tragen kommen, wenn der Magier<br />
diese Sprüche weitergeben will. Beim Lernen<br />
direkt von den Echsenpriestern können Sie<br />
einige freie Steigerungswürfe zugestehen,<br />
damit der Spielerheld sein neues Wissen<br />
auch nutzen kann.<br />
Desintegratum Gardianum<br />
Eine Kristallzauberei der Echsen<br />
Technik: Um die magische Matrix quasipermanent<br />
an einem Ort zu fixieren, ist ein kleiner<br />
Diamantsplitter notwendig, der im Zentrum<br />
des gewünschten Wirkungsbereiches<br />
positioniert werden muss (Wert: ca. 5 Dukaten).<br />
Sodann verlässt der Magier den zukünftigen<br />
Wirkungsbereich, hält seine Hände wie<br />
eine Kugel umfassend vor den Körper und<br />
spricht die Formel.<br />
Zauberdauer: 20 Sekunden<br />
Probe: KL/FF/KK<br />
Wirkungsweise: Sobald der Zauber gesprochen<br />
ist, bleibt er an den Diamantsplitter<br />
gebunden bis irgendeine tote Materie in<br />
seinen Wirkungsbereich gelangt. Erst in diesem<br />
Moment wird er aktiv und wirkt dann<br />
für die gesamte Wirkungsdauer auf alle<br />
tote Materie die in seinen Wirkungsbereich<br />
eindringt wie der bekannte DESINTEGRATUS<br />
PULVERSTAUB.<br />
Kosten: 25 ASP<br />
Reichweite: maximal Stufe des Magiers in<br />
Schritt<br />
Seite 61
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
Wirkungsdauer: Ab dem Moment des Auslösens<br />
für Stufe des Magiers in Minuten<br />
Startwerte: Wie der Startwert des normalen<br />
DESINTEGRATUS; Bonus +3 wenn der DESIN-<br />
TEGRATUS ein aktiver Spruch ist<br />
Antigravita Sumu‘ Hand<br />
Eine Bewegungszauberei der Echsen<br />
Technik: Der Zaubernde berührt den Gegenstand<br />
seiner Wahl und spricht die Formel.<br />
Zauberdauer: 2 Minuten<br />
Probe: IN/FF/KK<br />
Wirkungsweise: Der Zauber hebt die<br />
Schwerkraft, Sumus Griff, auf beziehungsweise<br />
erzeugt eine entgegengesetzt wirkende<br />
Kraft wählbarer Stärke (1x, 2x, 3x…),<br />
welche der Magier durch geistigen Befehl<br />
beliebig zwischen Null und dem vorher<br />
festgelegten Maximalwert steuern kann.<br />
Solange exakt Wirkungsfaktor 1 aufrecht<br />
erhalten wird, befindet sich der Gegenstand<br />
in der Schwebe. Ist dieser unter 1, sinkt der<br />
Gegenstand, übersteigt er 1, so steigt er<br />
nach oben.<br />
Kosten: Maximaler Multiplikator mal 5 + 1<br />
pro Stein + 1 pro Minute<br />
Reichweite: B; Sichtweite<br />
Seite 62<br />
Wirkungsdauer: Je nach ASP Aufwand,<br />
jedoch höchstens Stufe des Zaubernden in<br />
Minuten<br />
Startwerte: Magier: -10; Scharlatan: -20;<br />
Hexe: -12; Druide: -12; Diener Sumus: -12; Herr<br />
der Erde: -12; Schelm: -12; Auelf: -15; Waldelf:<br />
-15; Firnelf: -18; Halbelf: -20<br />
Meisterhinweis: Um den Gegenstand ruhig<br />
in der Schwebe zu halten, muss dem Magier<br />
eine Intuitionsprobe+3 gelingen. Der Zauber<br />
wird um 8 Punkte erschwert, wenn er nicht<br />
nur bei Berührung sondern auf Sichtweite<br />
wirken soll. Die Wirkung ist sofort beendet,<br />
wenn der Zaubernde den Gegenstand aus<br />
den Augen verliert.<br />
Fulmen Delenda<br />
Ein Kampfzauber der Echsen<br />
Technik: Um die volle Wirkung zu entfalten,<br />
muss der Magier an der „Zauberhand“ einen<br />
speziell gravierten Rubinring (Materialwert<br />
ca. 10 Dukaten) tragen. Der Magier ballt die<br />
Hände zur Faust und kreuzt die Arme vor der<br />
Brust. Dann zeigt er ruckartig mit gespreizten<br />
Fingern auf sein Ziel.<br />
Zauberdauer: nach Stärke des Zaubers (Anzahl<br />
der Schadenswürfel in Sekunden)<br />
Probe: MU/FF/KK<br />
Wirkungsweise: Dieser Zauber ermöglicht<br />
es dem Magier, während der Zauberdauer<br />
nach freiem Willen Blitze aus seinen<br />
Fingerspitzen schießen zu lassen, welche<br />
ein beliebiges Ziel innerhalb seiner Reichweite<br />
treffen. Die Blitze richten pro Sekunde<br />
1W6 Schaden an. Die maximale Anzahl W6<br />
muss vor dem Zaubern festgelegt werden.<br />
Das Limit hierfür liegt bei 3W6 + Stufe. Der<br />
Schaden kann auf verschiedene Ziele verteilt<br />
werden, jedoch sind pro Ziel 3 extra ASP<br />
nötig, die nur zum Zielen dienen und keinen<br />
Schaden bewirken. Die Farbe der Blitze lässt<br />
sich beim Erlernen des Spruches festlegen.<br />
Sollte die direkte Richtung zum Ziel<br />
versperrt sein (der Blitz mach auch kleine<br />
Kurven, um zum Beispiel ein Ziel noch zu erreichen,<br />
das hinter einem Baum in Deckung<br />
geht), schlägt er in das Nächstbeste ein.<br />
Kosten: 3 ASP pro Ziel, 3 ASP pro 1W6 SP<br />
Reichweite: max. Stufe mal 2 Schritt, jedoch<br />
min. 5 Schritt<br />
Wirkungsdauer: Anzahl der Schadenswürfel<br />
in Sekunden<br />
Startwerte: Magier: -10; Scharlatan: -18;<br />
Hexe: -20; Druide: -12; Diener Sumus: -15;<br />
Herr der Erde: -12; Schelm: -20; Auelf: -15;<br />
Waldelf: -18; Firnelf: -18; Halbelf: -18<br />
Abenteuer
Das Orakel von H‘Rabaal<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Meisterhinweis: Fällt bei einer der Zauberproben<br />
eine 20, so kann es sein, dass sich<br />
ein Nebenstrang vom Hauptblitz abspaltet<br />
und bis zu 25% der Schadenspunkte auf ein<br />
anderes Ziel umleitet…<br />
Eidechsenbeine<br />
Eine Bewegungszauberei der Echsen<br />
Technik: Der Zaubernde benetzt Fußsohlen<br />
und Handflächen mit seinem Speichel<br />
und spricht dabei die echsische Formel.<br />
Zauberdauer: 12 Sekunden<br />
Probe: IN/GE/KK<br />
Wirkungsweise: Dieser Verwandlungszauber<br />
ermöglicht es, einer Eidechse gleich<br />
Wände hinauf- oder hinunterzuklettern.<br />
Während der Wirkungsdauer des Spruches<br />
kann der Zaubernde mit bloßen Händen und<br />
Füßen alle Flächen entlang laufen, an der<br />
auch einer Eidechse laufen könnte. Er ist<br />
dabei in der Lage, maximal die Hälfte seines<br />
Eigengewichtes an Kleidung und Gepäck<br />
zu tragen. Der Zauber kann auch auf einen<br />
Gefährten angewendet werden, dann muss<br />
jedoch die halbe MR überwunden werden.<br />
Kosten: 9 ASP pro Spielrunde<br />
Reichweite: Z,B<br />
Wirkungsdauer: Je nach ASP-Aufwand<br />
Startwerte: Magier: -6; Scharlatan: -10;<br />
Hexe: -6; Druide: -6; Diener Sumus: -7; Herr<br />
der Erde: -8; Schelm: -7; Auelf: -7; Waldelf: -7;<br />
Firnelf: -7; Halbelf: -7<br />
Meisterhinweis: Der Zauber ermöglicht<br />
zwar das Erklettern jeder normalen Wand,<br />
doch er senkt nicht die Höhenangst des<br />
Zauberers. Bei besonders spektakulären<br />
Klettereien sollte diese durchaus geprüft<br />
werden.<br />
Vorgetäuschter Tod<br />
Eine Illusion der Echsen<br />
Technik: Der Zauberer wirft den Staub eines<br />
Achats (Wert: ca. 10 Silbertaler) dort in<br />
die Luft, wo sein Abbild entstehen soll. Dabei<br />
spricht er die Formel.<br />
Zauberdauer: 8 Sekunden<br />
Probe: KL/CH/GE (+MR)<br />
Wirkungsweise: Dieser Zauber erschafft ein<br />
Doppelbild des Zaubernden, das dann auf<br />
täuschend echte Weise stirbt (Meisterentscheid).<br />
Diese Illusion wirkt nur optisch. Die<br />
Probe wird um die höchste MR der Zuschauer<br />
erhöht.<br />
Kosten: 15 ASP<br />
Reichweite: Das Trugbild entsteht in maximal<br />
7 Meter Entfernung vom Zauberer. Beim<br />
VORGETÄUSCHTEN TOD darf er sich aber<br />
bis zu maximal Stufe mal 10 Schritt entfernt<br />
haben.<br />
Wirkungsdauer: Der „Tod“ tritt nach spätestens<br />
einer Spielrunde ein. Die „Leiche“<br />
Abenteuer<br />
bleibt noch so viele Stunden an Ort und<br />
Stelle liegen, wie ZF-Punkte beim Zaubern<br />
übrigbehalten wurden.<br />
Startwerte: Magier: -6; Scharlatan: -8; Hexe:<br />
-7; Druide: -7; Diener Sumus: -12; Herr der<br />
Erde: -12; Schelm: -5; Auelf: -9; Waldelf: -9;<br />
Firnelf: -9; Halbelf: -9<br />
Kraft der Sonne<br />
Ein ritueller Heilzauber der Echsen<br />
Technik: Der Zaubernde hält seinen Sonnenkristall<br />
an die Stirn, während er der Sonne<br />
zugewandt ruht. Mit geschlossenen Augen<br />
wiederholt er langsam die Zauberworte.<br />
Zauberdauer: Die Wirkung setzt nach drei<br />
Minuten ein<br />
Probe: IN/CH/CH<br />
Wirkungsweise: Für jede Spielrunde, die der<br />
Zaubernde oder eine von ihm beim Zaubern<br />
berührte Person (der Zauber wirkt nur auf<br />
Einzelpersonen) ruhend bei Sonnenschein<br />
unter freiem Himmel verbringt, erhält er<br />
W6+2 Lebenspunkte zurück. Was „Sonnenschein<br />
unter freiem Himmel“ bedeutet, legt<br />
der Meister fest; man sollte aber bedenken,<br />
dass der Zauber aus dem Süden Aventuriens<br />
stammt. Der Zauber kann jederzeit abgebrochen<br />
oder maximal Stufe des Zaubernden in<br />
Spielrunden aufrechterhalten werden.<br />
Kosten: 3 ASP pro Spielrunde<br />
Reichweite: Z, B<br />
Wirkungsdauer: nach ASP-Einsatz<br />
Startwerte: Magier: -8; Scharlatan: -12; Hexe:<br />
-8; Druide: -8; Diener Sumus: -4; Herr der<br />
Erde: -4; Schelm: -14; Auelf: -6; Waldelf: -6;<br />
Firnelf: -6; Halbelf: -6<br />
Meisterhinweis: Bevor der Zauber zum<br />
ersten Mal eingesetzt werden kann, muss<br />
sich der Zauberer in einem Ritual einen persönlichen<br />
Kristall schaffen, durch den später<br />
das Sonnenlicht zu Lebenskraft verwandelt<br />
wird. Dies kostet ihn einen permanenten<br />
ASP. Der Kristall ist recht robust, aber nicht<br />
unzerbrechlich.<br />
Schlangenkörper<br />
Eine Verwandlung der Echsen<br />
Technik: Während der Zaubernde sich<br />
schlangengleich windet, singt er die Zauberworte<br />
leise vor sich hin.<br />
Zauberdauer: 30 Sekunden<br />
Probe: MU/GE/GE<br />
Wirkungsweise: Der Zauber macht die<br />
Knochen so weich und biegsam, dass der<br />
Zaubernde sich einer Schlange gleich durch<br />
engste Öffnungen winden kann.<br />
Kosten: 10 ASP pro Spielrunde<br />
Reichweite: Z<br />
Wirkungsdauer: Je nach vorher festgelegtem<br />
ASP-Einsatz<br />
Startwerte: Magier: -10; Scharlatan: -12;<br />
Hexe: -6; Druide: -12; Diener Sumus: -15; Herr<br />
der Erde: -12; Schelm: -6; Auelf: -8; Waldelf:<br />
-8; Firnelf: -8; Halbelf: -8<br />
Meisterhinweis: Die Zaubergesten erfordern<br />
eine gewissen Gelenkigkeit. Gegebenenfalls<br />
ist hier eine Akrobatik- oder Körperbeherrschungsprobe<br />
durchaus angemessen,<br />
deren Misserfolg die Zauberprobe deutlich<br />
erschwert.<br />
Schlangenbiß<br />
Ein Angriffszauber der Skrechim<br />
Dieser Zauber dient den Skrechim dazu,<br />
einen Gegner mit einem magisch vergifteten<br />
Biss kampfunfähig zu machen. Die Wirkung<br />
eines Schlangengiftes wird dabei so modifiziert<br />
und konzentriert, dass die Wirkung<br />
schmerzhaft und betäubend genug ist um<br />
die meisten Gegner zumindest für einige Zeit<br />
auszuschalten. Da menschliche Magier über<br />
keinerlei Giftzähne verfügen, ist dieser Zauber<br />
für sie ohne Nutzen. Allerdings erlaubt es<br />
die Kenntnis der Thesis, einen solchen Zauber<br />
frühzeitig zu erkennen und dem Beißangriff<br />
geeignete Maßnahmen entgegenzusetzen<br />
(Intuitionsprobe).<br />
Runen der Skrechim<br />
Ein Schutzzeichen der Echsen<br />
Technik: Um ein Buch oder eine Schrift mit<br />
einer Rune zu schützen, zeichnet der Zaubernde<br />
diese mit Krötenblut im Mondlicht<br />
auf das Schriftstück und spricht dabei die<br />
Formel, wodurch die Rune mit dem Buchtext<br />
„verschmilzt“.<br />
Zauberdauer: 1 Minute<br />
Probe: KL/FF/FF<br />
Wirkungsweise: Die Rune wird durch den<br />
Zauber in einen Text eingewoben und erzeugt<br />
im Geist des Lesers eine Art Schockwelle,<br />
die ihm einen solchen Schlag versetzt,<br />
dass er für 1W20 KR bewusstlos wird, wenn<br />
ihm nicht eine um die doppelte Stufe des<br />
Zauberers erschwerte Selbstbeherrschungsprobe<br />
gelingt. Auf jeden Fall aber ist die<br />
Erfahrung sehr schmerzhaft und schreckt<br />
vor weiterem Lesen ab.<br />
Kosten: 3W6+10 ASP<br />
Reichweite: B<br />
Wirkungsdauer: Augenblicklich, sobald der<br />
Text gelesen wird.<br />
Startwerte: Magier: -5; Scharlatan: -9;<br />
Hexe: -8; Druide: -12; Diener Sumus: -15; Herr<br />
der Erde: -15; Schelm: -15; Auelf: -12; Waldelf:<br />
-14; Firnelf: -16; Halbelf: -13<br />
Meisterhinweis: Beim Erschaffen der<br />
Rune sollte darauf geachtet werden, gegen<br />
welche MR der Zauber theoretisch geglückt<br />
wäre. Hat ein Leser eine MR die über diesem<br />
Wert liegt, so vermag ihm die Rune nicht zu<br />
schaden. •<br />
Seite 63
ANDUIN <strong>95</strong><br />
FROSTIGE RACHE<br />
Frostige Rache<br />
EIN UNIVERSELLES KURZABENTEUER<br />
TEXT: FALK BONGERT<br />
ILLUSTRATION: JIM<br />
Vorwort<br />
„Frostige Rache“ ist ein Fantasy Abenteuer,<br />
geeignet für fast jedes System und jede<br />
Gruppengröße. Das Abenteuer ist bewusst<br />
ohne Bezug zu einer bestimmten Welt, und<br />
ohne Werte für Gegner oder bestimmte<br />
Proben geschrieben, da es so universell wie<br />
möglich gehalten sein soll. Der Handlungsort<br />
hingegen ist relativ speziell, und die zurückzulegenden<br />
Entfernungen sind nicht so klein,<br />
dass es sich für jede Welt eignen würde.<br />
Ort des Geschehens<br />
Spielt man in einer besonders detailliert<br />
beschriebenen Welt, sollte man die Namen<br />
der Orte ändern, und sich eine passende<br />
Stelle in der Spielwelt suchen. Bei freien oder<br />
eigenen Welten stellt sich das Problem natürlich<br />
nicht.<br />
Die Gegend, in der das Abenteuer spielt, ist<br />
die so genannte Salbtaler Ebene, ein fürchterlich<br />
kalter Ort umgeben von einem Gebirgsring,<br />
an dem die Temperaturen selten<br />
über den Gefrierpunkt steigen. Da zunächst<br />
die Reise in diese Gegend ansteht, darf sich<br />
die Gruppe auch andernorts aufhalten, aber<br />
allzu weit sollte die Entfernung nicht sein, da<br />
es sonst unglaubwürdig wird.<br />
Gruppenauswahl<br />
Zwar ist „Frostige Rache“ theoretisch mit<br />
jeder Gruppe spielbar, aber es eignet sich am<br />
besten für eine Gruppe mit relativ niedriger<br />
Machtstufe (da sonst das Abenteuer leicht<br />
gesprengt werden kann) und höchstens 6<br />
Spielern (da sonst die Möglichkeiten zur Aufteilung<br />
besonders beim Finale hinderlich sein<br />
könnten).<br />
Stimmung<br />
Bei „Frostige Rache“ handelt es sich um<br />
ein Horror und/oder Survival Abenteuer. Je<br />
nachdem, wie man den Fokus setzen möchte,<br />
kann man stärker auf den Überlebenskampf<br />
im Eis oder die beklemmende Enge im<br />
frostigen Gebirge eingehen, und so die Stimmung<br />
des Abenteuers bestimmen.<br />
Handlungsübersicht<br />
Im Folgenden führe ich kurz auf, was es in<br />
den nächsten Kapiteln zu erfahren gibt:<br />
Zusammenfassung der Ereignisse: Was<br />
hat zu der Situation geführt? Was wird den<br />
Charakteren passieren? Welche NSC gilt es zu<br />
treffen?<br />
Reise nach Salbtal: Wie und wo beginnt<br />
das Geschehen? Zudem wird die Reise nach<br />
Salbtal und der Aufenthalt dort behandelt.<br />
Der Schneesturm: Wie der Trupp vom Weg<br />
abkommt und schließlich in der Höhle landet.<br />
Eisgefängnis: Die Geschehnisse in der Höhle<br />
und das Grauen, das dort der Charaktere<br />
harrt.<br />
Freiheit: Die Flucht aus der Höhle und das<br />
Ende des Abenteuers.<br />
Seite 64<br />
Abenteuer
FROSTIGE RACHE<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Zusammenfassung<br />
der Ereignisse<br />
Vor einigen Jahrtausenden gab es einen<br />
harten Kampf zwischen Mächten des Guten<br />
und des Bösen, (seien es Dämonen gegen<br />
Engel, Teufel gegen Helden oder was immer<br />
zum Spiel am besten passt), den das Gute<br />
letztlich gewann und die böse Macht tief<br />
unter dem heutigen Salbtaler Gebirge in ein<br />
Gefängnis einsperrte. Nach vielen Jahren<br />
jedoch wurden die Gitter des Gefängnisses<br />
morsch und brüchig, und das düstere Wesen<br />
begann Kontrolle über seine Umgebung zu<br />
bekommen. Und es sann auf Rache.<br />
Vor etwa 100 Jahren war eine kleine Gruppe<br />
Händler, begleitet von drei Leibwächtern,<br />
unterwegs in die Salbtaler Ebene. Sie handelten<br />
in Salbtal selbst, der einzigen Stadt in der<br />
Ebene, und wollten über einen Gebirgspass<br />
wieder nach Süden hinaus aus dem Gebiet.<br />
Bevor sie das Gebirge erreichen konnten, kamen<br />
sie in einen fürchterlichen Schneesturm,<br />
und mussten am Rand der Berge in einer großen<br />
Höhle Zuflucht suchen. Es ertönte noch<br />
ein grausames, lautes Tiergebrüll, danach<br />
verschüttete eine Lawine den Weg aus der<br />
Höhle. Aber zum Glück gab es einige Gänge,<br />
die tiefer in das Gestein führten.<br />
Die eigentlich zum Schutz der Händler angedachten<br />
Leibwächter wurden panisch und<br />
entschlossen sich, die Händler umzubringen.<br />
Damit mussten sie die Vorräte nur noch<br />
durch drei und nicht mehr durch acht hungrige<br />
Mäuler teilen. Ein kleines Mädchen, die<br />
kleine Tochter zweier Händler, entkam ihnen<br />
jedoch, kroch in eine kleine Öffnung und versteckte<br />
sich dort so lange sie konnte.<br />
Nachdem die Händler tot waren machte<br />
sich das Unheil unter dem Berg daran, sich<br />
ihrer Seelen zu bemächtigen. Es tötete die<br />
Leibwächter und ließ das kleine Mädchen<br />
elendig verhungern.<br />
Seither schickt das Böse die Geister der<br />
Händler immer wieder auf die Reise um Opfer<br />
anzulocken und in das eisige Gefängnis zu<br />
bringen, damit es sich dort ihre Seelen einverleiben<br />
kann.<br />
Die Charaktere werden nun wie damals<br />
die Leibwächter von den Händlern angesprochen<br />
sie zu begleiten. Dadurch werden<br />
sie erst nach Salbtal und von dort aus zu der<br />
verhängnisvollen Höhle gelangen und dort<br />
schließlich von dem Bösen gejagt, bis sie vor<br />
Angst sterben oder entkommen können.<br />
Die Händler im Detail<br />
Ephraim Wollschnitt<br />
Ephraim ist der Leiter des kleinen Trupps.<br />
Abenteuer<br />
Er ist fast vierzig Jahre alt, mittelgroß mit<br />
kurzen braunen Haaren und insgesamt ein<br />
unauffälliger Typ. Freundlich und höflich, ruhig<br />
und gelassen, einfach ein netter Kerl, der<br />
allerdings gerne erzählt und nicht so schnell<br />
auf den Punkt kommt.<br />
Cassia Wollschnitt<br />
Die Frau von Ephraim ist Mitte dreißig, mittelgroß,<br />
etwas füllig und hat lange, braune<br />
Haare. Sie ist ebenso freundlich wie ihr Mann<br />
und kümmert sich rührend um ihre Kinder.<br />
Sie ist stiller als ihr Mann und insgesamt<br />
ebenso unauffällig.<br />
Richard Wollschnitt<br />
Der Sohn der Händler ist acht Jahre alt,<br />
schlank und hat kurze braune Haare wie sein<br />
Vater. Er ist sehr neugierig, aufgedreht und<br />
geht seiner Umwelt schnell auf die Nerven.<br />
Jedem, der es sehen will, zeigt er sein Medaillon,<br />
das er an einer Kette um den Hals trägt,<br />
und das er von seinem Großvater bekommen<br />
hat, der es vor vielen Jahren für eine Heldentat<br />
bekommen haben soll.<br />
Miriam Wollschnitt<br />
Die Tochter der Wollschnitts ist fünf Jahre<br />
alt, schlank mit lockigen blonden Haaren. Sie<br />
ist fürchterlich ruhig, und sagt kein Wort. Die<br />
Eltern behaupten, dass es nur eine Phase sei,<br />
die vorbeigehen würde, und Richard behauptet<br />
seine Schwester würde hin und wieder zu<br />
ihm sprechen, aber wäre viel langweiliger als<br />
früher. Der Grund für die Apathie ist, dass das<br />
Böse keine vollständige Kontrolle über ihren<br />
Geist hat, da sie nicht gewaltsam umgekommen<br />
ist.<br />
Walther Desmond<br />
Walther ist der zweite Händler, er ist etwas<br />
jünger als Ephraim, größer und dicker, hat<br />
kurze schwarze Haare und trägt einen sauber<br />
gestutzten Vollbart. Zwar höflich, aber<br />
stiller und leichter zu reizen als Ephraim ist<br />
er insgesamt ein netter Zeitgenosse, der erst<br />
nach dem dritten Bier anfängt zu plaudern.<br />
Reise nach Salbtal<br />
Das Abenteuer beginnt in einer Kleinstadt<br />
namens Willingen, irgendwo einige Tagesreisen<br />
südlich der Salbtaler Ebene. In dem Örtchen<br />
gibt es nur eine einzige Kneipe, „Das<br />
Nimmerleere Fass“, in der die Charaktere auf<br />
die Händler treffen werden.<br />
Das Nimmerleere Fass<br />
In dem Gasthaus sind ausschließlich Einheimische,<br />
hauptsächlich Bauern, Holzfäller und<br />
diverse Handwerker, und es ist durchschnittlich<br />
gut gefüllt. Nachdem alle Charaktere<br />
eingetroffen sind – egal wie sie sich gesetzt<br />
haben, sind immer noch mindestens 2 Tische<br />
frei – nehmen kurz nach ihrem Eintreffen die<br />
Händler Platz. Ebenso wie die Charaktere<br />
fallen sie auf, da sie nicht von hier sind, aber<br />
auch weil sie zwei kleine Kinder dabei haben.<br />
Sie beobachten den Schankraum und speisen<br />
ganz gewöhnlich.<br />
Ob die Charaktere sich bereits kennen oder<br />
nicht ist bis dahin vollkommen egal. Sie sitzen<br />
nun entweder verteilt oder zusammen,<br />
oder möglicherweise in Kleingruppen. Etwas<br />
später kommen vier Holzfäller rein, die zur<br />
größten Ansammlung von Spielercharakteren<br />
marschieren und behaupten es wäre ihr<br />
Stammtisch, und die Fremden sollten zusehen,<br />
dass sie Land gewinnen.<br />
Ob es nun zu einer Schlägerei kommt, die<br />
Charaktere die Holzfäller magisch beeindrucken<br />
oder nachgeben ist fast nebensächlich,<br />
aber die Holzfäller sollten schon ordentlich<br />
Aufruhr machen. Die Aufmerksamkeit führt<br />
dann dazu, dass sich die Händler an die Charaktere<br />
wenden, und ihnen vorschlagen sie<br />
zu begleiten. Wem diese Zusammenführung<br />
zu einfach erscheint, für den einige Alternativideen:<br />
• Auf dem Marktplatz von Willingen<br />
findet ein kleines Boxturnier statt, das<br />
von einem der Charaktere gewonnen<br />
wird. Ephraim wird so auf die Gruppe<br />
aufmerksam und spricht sie an.<br />
• Kurz hinter Willingen treffen die Charaktere<br />
zufällig auf den Händlertrupp,<br />
der grade dabei ist einen Goblinangriff<br />
zurückzuschlagen. Nachdem die Charaktere<br />
geholfen haben, beginnt Ephraim<br />
mit den Verhandlungen.<br />
• Es wird ein großes Wetttrinken veranstaltet<br />
im Nimmerleeren Fass, und<br />
die Charaktere nehmen teil. Wenn am<br />
nächsten Tag das große Katerfrühstück<br />
ansteht gibt es einen lauten Streit zwischen<br />
zwei Bauern, der schnell handgreiflich<br />
wird, und den Kopfschmerzen<br />
der Charaktere nicht grade zuträglich<br />
ist. Schlichtet man die Zwietracht, wird<br />
dadurch Ephraim auf die Gruppe aufmerksam.<br />
Der Auftrag<br />
Wenn es um die Bezahlung geht, sollte<br />
man großzügig sein, aber es nicht übertreiben.<br />
Die Händler sind eigentlich nicht bereit<br />
Vorauszahlungen zu leisten, würden nur im<br />
Notfall höchstens ein Viertel der ausgemachten<br />
Summe vorab auszahlen. Dafür sind sie<br />
bereit Kost und Logis zu übernehmen, und<br />
werden auch nötige Ausrüstung bezahlen,<br />
(besonders warme Kleidung, Schneebrillen,<br />
Seite 65
ANDUIN <strong>95</strong><br />
FROSTIGE RACHE<br />
OFFTOPIC<br />
Wer mehr über die Hintergründe der<br />
<strong>Anduin</strong> erfahren möchte, dem sei folgendes<br />
Interview empfohlen, das Ingo<br />
Schulze für die LORP geführt hat:<br />
www.lorp.de/magazin/artikel.asp?id=181<br />
etc.) und garantieren schließlich eine Prämie<br />
je nachdem wie gut sie ihre Waren in Salbtal<br />
veräußern können.<br />
Der Händlertrupp hat drei große Planwagen,<br />
die von jeweils zwei Pferden gezogen<br />
werden, wobei Ephraim im vordersten sitzt,<br />
Cassia mit den Kindern den mittleren lenkt<br />
und Walther im letzten fährt. Wenn die Charaktere<br />
etwas daran ändern möchten ist das<br />
in Ordnung, aber Cassia lässt sich nicht von<br />
den Kindern trennen.<br />
Sie haben hauptsächlich getrocknete<br />
Früchte, Kaffeebohnen, Tee und Kakaobohnen<br />
geladen und haben genügend Ausrüstung<br />
(Zelte, Fackeln, Nahrungsmittel etc.)<br />
dabei um ohne großartige Nachkäufe die<br />
Reise zu überstehen.<br />
Wie lang genau die Reise nach Salbtal ist,<br />
hängt davon ab wo sich die Gruppe gerade<br />
aufhält, sollte aber wenigstens drei, vier Tage<br />
dauern. Es läuft alles ganz ruhig, vor allem<br />
abends wird Ephraim viel erzählen und Richard<br />
die Charaktere nerven, und auch sonst<br />
ist Raum für Charakterspiel.<br />
Angriff der Wölfe<br />
Vor dem Pass über das Gebirge in die Salbtaler<br />
Ebene gibt es eine kleine Begegnung.<br />
Gegen Mittag überfällt ein Rudel Wölfe den<br />
kleinen Trupp. Ob es sich dabei um gewöhnliche<br />
Grauwölfe oder übergroße Schreckenswölfe<br />
handelt, und wie viele es genau sind<br />
sollte von der Stärke der Charaktere abhängen.<br />
Am besten ist es eine große Herausforderung,<br />
die jedoch nicht mit dem Tod eines<br />
Charakters enden sollte. Wenn dann zwei<br />
oder drei Kampfrunden ausgestanden sind,<br />
in denen die Gruppe spüren sollte, dass es<br />
ernst, aber machbar ist, kommt Ephraim mit<br />
einer Fackel bewaffnet aus einem der Wagen<br />
auf die Wölfe zu, die nun angsterfüllt die<br />
Flucht ergreifen.<br />
Wenn Nachfragen kommen, kann sich Ephraim<br />
die Geschichte nur so erklären, dass die<br />
Wölfe bereits angeschlagen waren durch die<br />
Charaktere und durch das Feuer dann endgültig<br />
vertrieben wurden.<br />
Sollten die Spieler nun, oder zu einem beliebigen<br />
anderen Zeitpunkt Wind davon bekommen,<br />
dass sie es mit Geistern zu tun haben,<br />
egal ob durch Magie oder weltliche Mittel, ist<br />
das in Ordnung. Die Geister behaupten, dass<br />
sie nur ihre Hilfe wollen um ihre sterblichen<br />
Überreste aus der Höhle zu besorgen, und<br />
dachten dass dieser Weg der sicherste dafür<br />
sei. Kommen die Charaktere dann in die Höhle<br />
geht es ganz normal weiter.<br />
Die Ebene<br />
Wenn es in die Ebene geht sollte man beginnen<br />
auf die grausam kalten Temperaturen<br />
hinzuweisen, Schneeblindheit, Schneewehen<br />
usw. Einfach die Probleme eines arktischen<br />
Abenteuers ausnutzen um eine beklemmende<br />
Stimmung zu erzeugen.<br />
Steuert man dann schließlich auf die Stadt<br />
Salbtal selbst zu, erklärt Ephraim dass die<br />
Leute hier einen merkwürdigen, kaum zu verstehenden<br />
Dialekt sprechen. Er drückt dann<br />
einem der Charaktere ein paar Münzen in die<br />
Hand und bittet ihn anschließend zu einem<br />
bestimmten Kerl am Stadteingang zu gehen,<br />
ihm die Münzen zu reichen und auf die Wagen<br />
zu deuten. Er wüsste, was dass bedeuten<br />
würde.<br />
So gelangt man nach Salbtal, und wird von<br />
den Händlern im ansehnlichen Gasthof „Falkenschlag“<br />
untergebracht.<br />
Zwei Tage vergehen weitestgehend ereignislos.<br />
Die Händler scheinen ihre Waren<br />
zu veräußern und Neue einzukaufen, (Erze,<br />
Felle etc.) aber werden nie im Gespräch mit<br />
jemand anderem als den Charakteren gesehen.<br />
Darauf angesprochen behaupten sie,<br />
viele spezielle Handelspartner hier zu haben,<br />
die sie im Privaten besuchen.<br />
Weiter geht es dann mit der Reise zurück in<br />
wärmere Gefilde.<br />
Der Schneesturm<br />
Schon kurz nach dem Verlassen von Salbtal<br />
beginnt der Himmel sich zu zu ziehen, doch<br />
die Händler meinen, das sei ganz normal, und<br />
echte Schneestürme würden sich anders ankündigen.<br />
Doch nach ein paar Stunden wird<br />
es ganz offensichtlich, dass dort ein Schneesturm<br />
aufzieht. Die Händler meinen, dass<br />
der Weg zurück länger sei als der Weg vor,<br />
und dass sie am Rande des Passes mehrere<br />
Höhlen kennen, in denen man den Sturm gut<br />
aussitzen kann.<br />
Der Sturm nimmt ohrenbetäubende Züge<br />
an, schwerer Hagel, fast keine Sicht. Man<br />
sollte den Charakteren ruhig die Hölle heiß<br />
machen. So werden sie freudig in die Höhle<br />
und damit in ihr Verderben rennen.<br />
Kampf im Sturm?<br />
Will man gerne Kämpfe einstreuen, könnte<br />
während des Sturm ein Eisgeschöpf über die<br />
Charaktere herfallen, ein Schneeelementar<br />
oder ein Säbelzahntiger. Mit den zusätzlichen<br />
Problemen des Sturms bietet das eine<br />
wunderbare Chance für einen interessanten<br />
Kampf.<br />
Die Höhle<br />
Der Weg ist anstrengend, und man kommt<br />
nur langsam voran, aber kurz vor Ende des<br />
Tages erreicht man schließlich die Höhle.<br />
Die Höhle ist hoch und breit genug um mit<br />
den Wagen herein zu fahren und sie sogar<br />
quer zu stellen, um so noch besseren Schutz<br />
vor dem Schneetreiben zu haben. Es wird<br />
durchgeschnauft, erste Pläne gemacht (der<br />
Rauch eines Feuers würde nach draußen<br />
oder durch die höheren kleinen Gänge nach<br />
hinten wegziehen) doch plötzlich gibt es ein<br />
lautes Gebrüll von draußen, gefolgt von Getöse<br />
und einem Erdbeben, und schließlich<br />
stürzt eine gigantische Schneemenge vor die<br />
Höhlenöffnung. Auch nachdem es dunkel ist<br />
(sofern die Charaktere nicht schon ein Feuer<br />
entzündet haben) rumpelt es noch eine<br />
kleine Weile, so dass klar sein sollte wie viel<br />
Schnee dort vor dem Eingang liegt.<br />
Zum Glück gibt es einige Gänge ins Bergesinnere,<br />
die groß genug für Menschen sind.<br />
Eisgefängnis<br />
Nachdem der erste Schock überwunden,<br />
und ein kleines Feuer entzündet ist (oder auf<br />
andere Weise Licht geschaffen wurde) kann<br />
man sich das Unheil etwas genauer betrachten.<br />
Die große Höhle, in der man sich befindet,<br />
ist etwa acht Meter breit, drei Meter hoch<br />
und gut zwanzig Meter lang. Sie endet in einer<br />
Vielzahl kleiner Öffnungen, von denen lediglich<br />
sechs groß genug sind, um von einem<br />
erwachsenen Menschen benutzt werden zu<br />
können. Die anderen Öffnungen sind unterschiedlich<br />
groß, von der Größe eines Dachses<br />
hinunter bis zur Größe einer Maus, und<br />
verteilen sich über die komplette Rückwand<br />
der Höhle. Es handelt sich um eine Felshöhle,<br />
und einen Tunnel anzulegen ist ohne Magie<br />
absolut keine Option.<br />
Die Schneemassen, die den Eingang versperren,<br />
sind gigantisch. Sich durch sie hindurch<br />
in die Freiheit zu graben sollte ziemlich<br />
schnell als Option wegfallen. Ein Schmelzen<br />
(egal ob mit Fackeln oder Feuermagie) der<br />
Schneemassen würde dazu führen, dass<br />
die Höhle voll mit Wasser läuft, da auch die<br />
Gänge dahinter nach oben gehen, und so<br />
die Höhle eine Kuhle bildet. Mit besonders<br />
mächtiger Magie könnte man den Schnee<br />
wohl schon wegschaffen, daher sollte man<br />
Seite 66<br />
Abenteuer
FROSTIGE RACHE<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
dieses Abenteuer, wie oben beschrieben,<br />
nicht unbedingt mit den mächtigsten Helden<br />
spielen.<br />
Aus den Öffnungen strömt Luft, also muss<br />
es irgendwo nach Draußen führen. Allerdings<br />
strömt die Luft durch alle Öffnungen, und<br />
scheint zu „pulsieren“, also stoßweise zu<br />
kommen. Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass<br />
einer der großen Gänge in die Freiheit führt.<br />
Das Verschwinden<br />
Die Händler hätten gerne, dass die Leibwächter<br />
sich die Gänge einzeln ansehen, um<br />
einen Weg heraus zu suchen. Sie selbst wollen<br />
auf keinen Fall mit, sie möchten bei Frau<br />
und Kindern bleiben, die Pferde beruhigen<br />
etc.<br />
Bestehen einer oder mehrere Charaktere<br />
darauf ebenfalls in der Höhle zu bleiben, sollte<br />
sich irgendwann eine Gelegenheit finden,<br />
in der die Charaktere nicht auf die Händler<br />
achten. Sobald dieser Moment kommt, sind<br />
die Händler plötzlich und absolut spurlos<br />
verschwunden. Das Gleiche passiert mit den<br />
Pferden, den Waren und zuletzt mit den Vorräten.<br />
Wenn die Charaktere also nichts in ihrem<br />
persönlichen Gepäck haben, könnte es<br />
schnell hungrig werden.<br />
In den vielen kleinen Öffnungen gibt es<br />
prinzipiell nichts zu finden. Sind die Spieler<br />
jedoch besonders einfallsreich, nutzen gar<br />
Teamwork, um die kleinen Gänge zu untersuchen,<br />
sollte man ihnen eine Belohnung dafür<br />
geben. Es könnte einmal ein kleiner Edelstein<br />
hineingerollt sein, oder vielleicht eine Flasche<br />
mit einem magischen Gebräu. Je nach<br />
System und Setting eine Kleinigkeit eben.<br />
Wenn sie langweilig an die Sache heran gehen,<br />
z. B. „Ich greif mal rein – find ich was?“,<br />
dann sollten sie leer ausgehen.<br />
Wenn die Charaktere wie geplant und von<br />
den Händlern verlangt in einem der Gänge<br />
verschwinden, werden sie wiederkommen<br />
und nur noch 3 leere Planwagen vorfinden.<br />
Alle anderen Spuren der Händler sind verschwunden.<br />
Nun zu den begehbaren Gängen, die tiefer<br />
in den Berg führen.<br />
Die Gänge<br />
Wie erwähnt sind dort sechs Gänge, die<br />
eine Rolle spielen. Es gibt keine Karte von<br />
den Gängen, da eine starre Beschreibung<br />
welcher Gang nun wie verläuft dazu führen<br />
kann, dass die Spieler ausgerechnet den<br />
Gang als erstes nehmen, der nach Draußen<br />
führt. Um dies zu verhindern bedient man<br />
sich dem so genannten Illusionismus. Den<br />
Spielern soll es scheinen, als wären die Gänge<br />
festgelegt, und sie hätten „durch Zufall“<br />
Abenteuer<br />
die Gänge in einer bestimmten Reihenfolge<br />
abgearbeitet, obwohl ihre Entscheidung den<br />
linken oder rechten Gang zu nehmen vollkommen<br />
unwichtig war. Damit diese Illusion<br />
klappt, sollte man so tun, als ob man eine<br />
richtige Karte liest. Im Idealfall macht man<br />
sich eine kleine Skizze.<br />
Die Gänge sind jeweils so breit, dass ein<br />
Charakter bequem gehen kann, aber es hilft<br />
der bedrückenden Stimmung, wenn man<br />
zwischendurch Engpässe beschreibt, an denen<br />
vielleicht geduckt gegangen werden<br />
oder man sich hindurchquetschen muss.<br />
Insgesamt wirken die Gänge zwar natürlichen<br />
Ursprungs, also nicht bearbeitet, aber<br />
so recht natürlich wirkt das Labyrinth nicht.<br />
Immer wieder gibt es kleinere Öffnungen,<br />
aus denen man einen Luftstrom verspürt,<br />
und kleine Abzweigungen, die in Sackgassen<br />
münden.<br />
Hin und wieder sollte ein Rundweg eingebaut<br />
werden, also eine Kreuzung an der sich<br />
vier Gänge treffen, von denen zwei jedoch ineinander<br />
verlaufen. Außerdem sollte man ein<br />
ständiges Auf und Ab beschreiben, das es für<br />
die Charaktere unmöglich macht zu wissen<br />
wie tief sie tatsächlich unter der Oberfläche<br />
sind.<br />
Zu guter Letzt kann man immer mal wieder<br />
größere Öffnungen, also fast schon Höhlen<br />
beschreiben, in denen die Charaktere nebeneinander<br />
gehen können. Auch wenn es hier<br />
nichts zu finden gibt kann man die Spieler mit<br />
„Bewegungen im Augenwinkel“ sehr gut aus<br />
der Fassung bringen.<br />
Je weiter die Charaktere in den Berg vordringen,<br />
umso stärker sollten die beklemmenden<br />
Beschreibungen werden. Man kann<br />
dann auch einen fauligen, unnatürlichen Geruch<br />
beschreiben, und die Charaktere Stimmen<br />
hören lassen, die sich dann jedoch als<br />
Luftströmungen herausstellen – oder einfach<br />
erklärungslos stehen bleiben. Das Gefühl, in<br />
einem Horrorfilm zu stecken, kann man hier<br />
wunderbar aufbauen.<br />
Die Reise durch jeden einzelnen Gang dauert<br />
ca. eine Stunde. Folgendes gibt es in den<br />
Gängen zu finden.<br />
Der erste Gang<br />
Der erste Gang mündet irgendwann in eine<br />
kleine Höhle aus der mehrere dachshohe<br />
Öffnungen weggehen, und in der das Skelett<br />
eines etwa fünf Jahre alten Mädchens liegt.<br />
Inwieweit die Charaktere das Alter abschätzen<br />
oder gar herausfinden können, dass es<br />
ein weibliches Skelett ist, hängt von ihren Fähigkeiten<br />
ab, aber dass es ein menschliches<br />
Kinderskelett ist sollten sie in jedem Fall erkennen<br />
können.<br />
Nicht vergessen: Wenn die Charaktere<br />
aus diesem ersten Gang zu den Planwägen<br />
zurückkehren sind die Händler schon nicht<br />
mehr in der Höhle.<br />
Die weiteren Gänge<br />
Der zweite bis fünfte Gang sind mehr oder<br />
minder austauschbar. In welchem Gang die<br />
Charaktere landen ist dem Spielleiter selbst<br />
überlassen.<br />
Eine schöne Szene kann man bekommen,<br />
wenn noch mindestens drei Gänge unerforscht<br />
sind, und die Spieler ihre Charaktere<br />
aufteilen wollen.<br />
Man lässt nun eine Gruppe den einen Gang<br />
ganz normal erkunden bis zum Ende. Die<br />
zweite Gruppe jedoch begegnet kurz vor<br />
dem Ende, also nach etwa einer Stunde, die<br />
nicht zu beschwerlich beschrieben werden<br />
sollte, „der anderen Gruppe“.<br />
Natürlich ist den Spielern sofort klar, dass<br />
die Wesen, die sie dort sehen, nicht ihre Kameraden<br />
sind, immerhin dürfen deren Spieler<br />
nicht in die Handlung eingreifen, aber den<br />
Charakteren eben nicht. Man muss als Spielleiter<br />
lediglich die Spieler dazu bewegen, dass<br />
der Weg zurück, den sie gekommen sind, viel<br />
einfacher sei, als der Weg den die „angebliche“<br />
Gruppe benutzen musste, und sie umdrehen.<br />
Wenn sie dann wieder in der Haupthöhle<br />
sind wartet die echte andere Gruppe<br />
bereits auf sie, und die Charaktere können<br />
sich mit allen Problemen auseinander setzen,<br />
die diese Geschichte mit sich bringt.<br />
Der zweite Gang endet in einer recht großen<br />
Höhle, deren hintere Wand von unzähligen<br />
etwa faustgroßen Öffnungen übersät ist.<br />
Davor findet man drei Skelette, zwei Erwachsene<br />
und ein Kind von etwa acht Jahren, das<br />
ein Medaillon in den Knochenhänden hält.<br />
Wenn den Spielern noch nicht klar gewesen<br />
sein sollte, was eigentlich vorgeht, spätestens<br />
jetzt sollte bei jedem der Groschen gefallen<br />
sein.<br />
Der dritte Gang endet irgendwann in einer<br />
Sackgasse, aber kurz zuvor gibt es eine kleine<br />
Höhle von vielleicht fünf mal fünf Metern, in<br />
der man hinter einem Stalagmiten ein zusammengekauertes<br />
Männerskelett findet, dem<br />
eindeutig der Schädel eingeschlagen wurde.<br />
Die Größe des Knochengerüstes stimmt mit<br />
der von Walther Desmond überein.<br />
Der vierte Gang endet in einer großen Höhle<br />
voller Stalaktiten und Stalagmiten. Hinter<br />
einem Geröllhaufen finden sich drei Skelette<br />
von erwachsenen Menschen, und die Überreste<br />
ihrer Waffen und Rüstungen. In einen<br />
Fels wurde eine Art Abschiedsbrief gemeißelt,<br />
und man kann noch in etwa erkennen,<br />
was der Mann schrieb: „Wir hätten sie nicht<br />
Seite 67
ANDUIN <strong>95</strong><br />
FROSTIGE RACHE<br />
umbringen dürfen, es war ein großer Fehler,<br />
ich hoffe die Götter vergeben uns. Bitte vergebt<br />
uns! Das Fleischzeug soll mich nicht bekommen!“<br />
Je nach dem wie kräftig die Charaktere<br />
sind, und wie sehr man Kämpfe im Abenteuer<br />
möchte, kann man jetzt die drei Geister<br />
der Leibwächter auftauchen und über die<br />
Charaktere herfallen lassen. Möchte man die<br />
Charaktere belohnen könnte eine der Waffen<br />
der Leibwächter vielleicht magisch sein, oder<br />
zwischen den Knochen sich ein anderes magisches<br />
Gimmick finden.<br />
Der fünfte Gang<br />
Der fünfte Gang endet in einer kleinen<br />
Höhle von höchstens drei mal drei Metern,<br />
deren Rückwand nahezu glatt ist und ebenfalls<br />
von etlichen faustgroßen Öffnungen<br />
übersät ist. Hier sollte der faulige Gestank<br />
besonders prominent beschrieben und die<br />
düstere Stimmung stark untermalt werden.<br />
Auf dem Boden mitten in der Höhle sieht<br />
man ein perfektes Pentagramm wie in den<br />
Steinboden gemeißelt.<br />
Zerstört einer der Charaktere das Pentagramm,<br />
z. B. mit Hammer und Meißel, hört<br />
man ein zischendes Geräusch, und anschließend<br />
ein tiefes Blubbern aus den Öffnungen.<br />
Verlassen die Charaktere nun den Raum wieder,<br />
ohne etwas zu tun, beginnt das Blubbern<br />
gerade als der Letzte im Begriff ist, die Höhle<br />
zu verlassen. Beobachten sie die Wand noch<br />
einen Augenblick, so können sie sehen, wie<br />
eine fleischige Masse erst aus einer Öffnung,<br />
dann aus immer mehr Öffnungen gekrochen<br />
kommt, und sich langsam im Raum sammelt.<br />
Versuchen die Spieler es mit Kommunikation<br />
vernehmen sie nichts weiter als ein bösartiges<br />
„Blub-Schlurf“ Geräusch. Greifen sie<br />
die Masse mit einfachen Mitteln (Schwerter,<br />
Äxte, Pfeile etc.) an zeigt das keine Wirkung,<br />
nutzen sie jedoch ihr magisches Arsenal (Zauber,<br />
magische Waffen etc.) zuckt die Masse<br />
kurz zurück, und verhält sich in etwa so wie<br />
man es von sich bewegendem Hackfleisch<br />
erwarten würde.<br />
Versucht einer der Charaktere die Masse<br />
anzufassen „schnappt“ diese zu, umschließt<br />
so viel vom Charakter wie sie zu fassen bekommt<br />
und beginnt ihn zu verdauen. Das<br />
sollte sehr schmerzhaft, aber nicht tödlich<br />
sein.<br />
Früher oder später erkennen die Charaktere,<br />
dass Flucht die beste Variante ist. Jetzt<br />
tickt die Uhr, und die Masse folgt ihnen unaufhaltsam.<br />
Sie kommt durch jede noch so<br />
kleine Öffnung, und scheint nie langsamer zu<br />
werden.<br />
Seite 68<br />
Der letzte Gang<br />
Zuletzt nun der Gang, der tatsächlich zum<br />
Ausgang führt. Am Ende des Ganges kann<br />
man schon ein Licht von draußen wahrnehmen<br />
(zumindest wenn es nicht mehr Nacht<br />
ist; da die Charaktere etwa sieben oder acht<br />
Stunden in der Höhle verbracht haben ist es<br />
nicht unbedingt unrealistisch, immerhin können<br />
in Polarregionen die Nächte sehr kurz<br />
sein). Ein steiler Schacht führt nach oben in<br />
die Freiheit.<br />
Freiheit<br />
Der Schacht sollte gerade so hoch sein,<br />
dass es eine gute Herausforderung für die<br />
Charaktere ist. Er ist zwar breit genug für die<br />
Charaktere, aber mit der ein oder anderen<br />
engeren Stelle brauchen die Charaktere gerade<br />
so lange für den Aufstieg, dass der letzte<br />
unten schon die Fleischmasse sehen kann,<br />
die sich den Weg nach oben bahnt.<br />
Jeder Charakter, der lebend hinaus ins<br />
Freie kommt, wird erstmal geblendet. Rund<br />
um das Loch, aus dem sie kommen, ist<br />
Schnee und Eis, und da vorher die Augen<br />
stundenlang nur an Fackellicht gewöhnt waren<br />
wird das Sehen einen Moment auf sich<br />
warten lassen.<br />
Der Eistrichter<br />
Irgendwann stellen sie dann aber fest, dass<br />
sie sich in einer Art Eistrichter befinden, dessen<br />
Wände gut sechs, sieben Meter hoch und<br />
sehr steil sind. Aus dem Loch blubbert derweil<br />
die Masse, die sich unaufhörlich nähert.<br />
Haben die Charaktere Transportmagie zur<br />
Verfügung wird das nun sehr einfach. Wenn<br />
nicht steht ein besonders schwieriger Aufstieg<br />
an. Jeder Charakter, der es nicht schafft,<br />
wird wohl von dem Hackfleisch eingesaugt.<br />
Das Böse wird jedoch nicht die Steilwand erklimmen,<br />
sondern sich zurückziehen, wenn<br />
kein Charakter mehr am Boden des Trichters<br />
ist.<br />
Nun sind die Charaktere frei und irgendwo<br />
auf dem Gebirgszug. Es dauert sicherlich ein<br />
paar Stunden bis sie herausbekommen wo<br />
genau sie sich befinden und wie sie wieder in<br />
die Zivilisation kommen.<br />
Abschluss des Abenteuers<br />
Ignorieren die Spieler das Unheil in der<br />
Höhle und wollen nur weg, endet das Abenteuer<br />
jetzt und es sollte vielleicht ein wenig<br />
Erfahrung verteilt werden.<br />
Wollen die Spieler jedoch etwas dagegen<br />
tun, so wird entweder durch das Setting vorgegeben<br />
was nun passiert, oder alternativ<br />
gibt es zwei Tagesreisen südlich eine Stadt in<br />
der ein Tempel des Gottes steht, der in der<br />
Welt für derlei Geschichten zuständig ist. Die<br />
dortigen Priester sind sicherlich an der Geschichte<br />
interessiert.<br />
Gehen die Charaktere nicht mit auf die Reise<br />
zurück zur Höhle, endet das Abenteuer<br />
an der Stelle. Kommen sie mit, werden die<br />
Priester zunächst auf magische Weise den<br />
Schnee weg schmelzen, und danach mit den<br />
Charakteren die Höhle durchsuchen. Leider<br />
gibt es überhaupt keine Anzeichen für<br />
die Erzählungen der Charaktere. Sämtliche<br />
Spuren sind weg. Die Priester erklären, dass<br />
vielleicht durch die unangenehme Erfahrung<br />
des Schneesturms, und die Zeit in der engen<br />
Höhle, die Charaktere eine Art Halluzination<br />
gehabt haben. Sie haben keine bessere<br />
Erklärung, und da sie keine Spuren von Bösem<br />
erkennen können ziehen sie tatenlos<br />
ab. Zuletzt stehen die Charaktere noch am<br />
Eingang der Höhle, allein, mit der Frage was<br />
sie als nächstes tun sollen. Da hören sie noch<br />
ein letztes Geräusch, ein sinistres Blubbern<br />
irgendwo tief aus dem Berg. Ein sehr passender<br />
Abschluss für ein Horrorabenteuer wie<br />
ich finde.<br />
Belohnungen<br />
Viele Belohnungen stehen nicht an für<br />
die Charaktere. Die Münzen, die sie evtl. als<br />
Vorleistung bekommen haben, sind noch da,<br />
und an manchen Stellen konnten sie ja Kleinigkeiten<br />
finden. Dafür sollte man vielleicht<br />
ein wenig großzügiger bei der Vergabe von<br />
Erfahrungspunkten sein.<br />
Wie es weiter geht<br />
Anschließend bieten sich einige Möglichkeiten<br />
die Geschichte fortzuführen. Die<br />
Charaktere könnten sich daran machen, herauszufinden,<br />
was es jetzt eigentlich mit dem<br />
Hackfleisch-Dämon auf sich hat, und was die<br />
Händler-Geister zu bedeuten hatten. Geeignete<br />
Orte so etwas zu erfahren wären Salbtal<br />
(vielleicht gibt es hier eine Bibliothek?) oder<br />
die nächsten größeren Städte.<br />
Vielleicht versuchen die Charaktere danach<br />
auch, die gute Macht, die dereinst das Böse<br />
hier eingeschlossen hat, wieder zu finden,<br />
und stellen fest, dass sie selbst verschwunden<br />
ist. Hieraus kann man eine ganze Kampagne<br />
über das Wiederfinden eines Halbgottes<br />
oder Erzengels basteln.<br />
Wenn die Spieler kein Interesse an der<br />
Fortsetzung dieses Handlungsstranges haben,<br />
besteht die Möglichkeit das Ambiente<br />
der arktischen Salbtaler Ebene für interessante<br />
Anschlussabenteuer zu nutzen. Ärger<br />
mit Frostriesen oder Eisdrachen? Ein Überfall<br />
von Neandertalern? Es gibt unzählige Möglichkeiten<br />
für spannende Geschichten. •<br />
Abenteuer
OFFEN HERAUS - DAS SPRACHECK<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Offen heraus<br />
DAS SPRACHECK IN DER ANDUIN<br />
TEXT: TOMMY HEINIG<br />
Fantasy Flight Games macht es besonders<br />
gerne. Nein, sie sind nicht alleine, es gibt da<br />
schon noch mehr. Avalon Hill zum Beispiel.<br />
Oder ein deutsches Beispiel: Kosmos hat es<br />
schon sehr früh gemacht. Wenn man so genau<br />
drüber nachdenkt, dass sind sie eigentlich<br />
überall. Wovon ich hier eigentlich schreibe?<br />
Na, von Erweiterungen. Erweiterungen<br />
von Brettspielen.<br />
Findet Ihr nicht auch, dass das langsam<br />
Überhand nimmt? Der erste Fall, bei dem mir<br />
das aufgefallen ist, das war damals Die Siedler<br />
von Catan. Das Spiel war zu seiner Zeit<br />
echt nett und hat es geschafft, das öffentliche<br />
Interesse an Brettspielen wieder anzufachen.<br />
Aber die Veröffentlichungspolitik<br />
war schon sehr bizarr. Erst konnte man nur<br />
mit maximal vier Spielern Spaß haben, dann<br />
kam die Ergänzung für 5 und 6 Spieler. Aber<br />
nicht, dass man bei den darauf folgenden Erweiterungen<br />
gleich für größere Spielrunden<br />
geplant hätte. Nein, auch die Seefahrer von<br />
Catan, Städte und Ritter und Händler und<br />
Barbaren lassen sich zunächst nur zu viert<br />
spielen. Mal davon abgesehen, dass drei solche<br />
Erweiterung ohnehin merkwürdig wirken<br />
– auf mich zumindest.<br />
Gleiches Prinzip, anderer Verlag: Carcassonne<br />
wurde ebenfalls mit etlichen Erweiterungen<br />
bedacht. Oder Dungeon Twister,<br />
Doom, Descent – Journeys into the Dark,<br />
Runebound, Warcraft, World of Warcraft<br />
oder Arkham Horror. Ha! Die letzten sechs<br />
Spiele sind alle von Fantasy Flight Games. Die<br />
machen es also tatsächlich besonders gerne.<br />
Doch was treibt die Verlage dazu, ein Spiel<br />
mit etlichen Ergänzungen zu füttern, bis es<br />
bestenfalls genial optimiert und schlimmstenfalls<br />
aufgebläht wirkt? Sollte ein Spiel<br />
nicht von Anfang an ein möglichst gutes<br />
Spielgefühl bieten?<br />
Ich denke, die Antwort liegt unter anderem<br />
in meinem Regal. Dort liegen nämlich<br />
zumindest die gerade genannten Spiele von<br />
Fantasy Flight Games mitsamt ihrer Erweiterungen.<br />
Es gibt also offensichtlich Leute<br />
(Esel?) die tatsächlich bereit sind, Geld für die<br />
Erweiterungsorgien zu bezahlen. Und zwar<br />
nicht zu knapp – sowohl Esel als auch Geld.<br />
Denn sonst würde es sich für die Verlage ja<br />
kaum lohnen.<br />
Ist ja auch klar, da man sich einen Teil der<br />
Entwicklungskosten sparen kann. Beispielsweise<br />
kann man Grafiken wiederverwenden,<br />
oder Material, welches das ursprüngliche<br />
Spiel zu teuer gemacht hätte, nachreichen.<br />
Dass der Gesamtpreis dadurch höher liegt<br />
als er es gewesen wäre, wenn man das Material<br />
gleich mit in die Packung gelegt hätte,<br />
kommt sicher zumindest nicht ungelegen.<br />
Anders kann ich mir zumindest die Siedler<br />
von Catan nicht erklären.<br />
Zudem verkaufen sich bekannte Namen<br />
besser als unbekannte. Wenn man schon<br />
einmal ein Spiel eingeführt hat – wie etwa<br />
Carcassonne – dann macht es natürlich Sinn<br />
diesen Namen so lange wie möglich zu nutzen.<br />
Bei Computerspielen führte dieses Verhalten<br />
in eine Sackgasse, die in immer schneller<br />
veröffentlichten Erweiterungen gipfelt.<br />
Die Publisher glauben, die wegbrechenden<br />
Verkaufszahlen durch höhere Quantität auffangen<br />
zu können. Ein Trugschluss wie Titel<br />
wie Need for Speed oder Fifa zeigen (beziehungsweise<br />
zeigen sollten – denn es gibt immer<br />
noch genügend Leute, die diese minimal<br />
veränderten Versionen im Halbjahrestakt<br />
kaufen). Glücklicherweise sind wir bei den<br />
Brettspielen aber trotz der immer mehr in<br />
Mode kommenden Erweiterungen noch weit<br />
von solchen Zuständen wie bei den Computerspielen<br />
entfernt.<br />
Wenn es wie im Fall von Descent – Journeys<br />
into the Dark dazu führt, dass das Spiel<br />
immer facettenreicher wird und neue Ideen<br />
hinzukommen, die den Spielspaß auch auf<br />
Dauer gewährleisten, dann können Erweiterungen<br />
ja wohl auch kaum schlecht sein,<br />
oder? Nun ja, zum einen wird aber nicht jedes<br />
Spiel durch die Erweiterungen tatsächlich<br />
besser. World of Warcraft zum Beispiel<br />
war vor der Erweiterung komplex (Stichwort<br />
Charaktersteigerung) und ist nach der Erweiterung<br />
nur etwas für promovierte WoW-Supportmitarbeiter.<br />
Am schlimmsten aber finde ich es, wenn<br />
Verlage durch Erweiterungen etwas tun, das<br />
leider bei Computerspielen seit langem gemacht<br />
wird. Es wird ein unfertiges, da nicht<br />
ausreichend getestetes, Spiel auf den Markt<br />
geworfen und anschließend mit Flicken versorgt,<br />
die den eigentlich ursprünglich geplanten<br />
Spielspaß sicher stellen sollen.<br />
Bei Computerspielen sind diese Patches<br />
in den meisten Fällen kostenlos – aber bei<br />
Brettspielen in den wenigsten Fällen. Viel<br />
häufiger werden sie in der Form von Erweiterungen<br />
an zahlende Kunde verteilt – zu<br />
einem ordentlichen Preis versteht sich. Beispiele<br />
gefällig? Wie wäre es mit Doom, das<br />
in der ursprünglichen Version so schwer ist,<br />
dass man es als Marine kaum schaffen kann.<br />
Oder Arkham Horror, das vor der Erweiterung<br />
viel zu einfach war. Was für ein Spiel, bei<br />
dem man gemeinsam gegen die Spielmechanik<br />
antritt, ein absoluter Motivationstöter ist.<br />
Beide Spiele – Doom und Arkham Horror<br />
– wurden erst mit Erweiterungen ausbalanciert<br />
und gut spielbar.<br />
Da lobe ich mir seltene Ausnahmen wie<br />
den Verlag Days of Wonder. Okay, Zug um<br />
Zug ist ein anderes Thema, aber zum Beispiel<br />
wird deren Tabletop Battlelore (wie bei Tabletops<br />
üblich) mit Figurensätzen ergänzt.<br />
Hat sich in einer Erweiterung ein Ungleichgewicht<br />
oder ein anderer Fehler eingeschlichen,<br />
so gibt es von Verlagsseite umgehend<br />
ein kostenloses Austauschprogramm. Sicherlich<br />
wäre es auch hier schöner gewesen, die<br />
Patzer wären gar nicht passiert. Aber wenigstens<br />
bekommt man die Behebung kostenlos<br />
und nicht in Form einer teuren Erweiterung.<br />
Mich würde Eure Meinung zu diesem Thema<br />
sehr interessieren. Wenn Ihr etwas dazu<br />
schreiben wollt – egal ob als Spieler, als Spieleentwickler<br />
oder gar als Verleger – so könnt<br />
ihr dies entweder in unserem Forum tun oder<br />
per E-Mail an leserbrief@anduin.de. •<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 69
ANDUIN <strong>95</strong><br />
SYSTEMVORSTELLUNG<br />
Das Weltenbuch<br />
DAS SATIRISCHE FANTASY-ROLLENSPIEL<br />
TEXT: JÜRGEN MANG<br />
ILLUSTRATION: JÜRGEN MANG, ANDREAS REXFORT<br />
Suchst Du epische Abenteuer? Eine Welt, in<br />
der Elfen noch echte Elfen, Zwerge noch echte<br />
Zwerge und böse Kriegsherren noch wirklich<br />
böse sind? Willst Du einen strahlenden Helden<br />
spielen – der für das Gute streitet, in düsteren<br />
Katakomben gegen eine Überzahl von Orks<br />
kämpft und mächtige Artefakte entdeckt?<br />
Und findest Du außerdem, Fantasy solle sich<br />
nicht so ernst nehmen? Dann sei Willkommen<br />
beim Weltenbuch, dem satirischen Fantasyrollenspiel.<br />
Das Weltenbuch ist ein satirisches und<br />
klischeehaftes Rollenspiel, dessen hervorspringendes<br />
Merkmal die Welt ist – die aufgeschlagene<br />
Doppelseite eines Buches. Auf<br />
dieser klischeehaften Fantasywelt stellen die<br />
Spieler wagemutige Helden dar, die epische<br />
Abenteuer erleben.<br />
Es gibt kaum ein Fantasyklischee, das auf<br />
dem Weltenbuch keine Gültigkeit hat. Auf<br />
der Doppelseite sollen durchaus ernsthafte<br />
Abenteuer gespielt werden, es ist kein Bierund<br />
Brezel-Rollenspiel zum Herumalbern,<br />
aber ein humoristischer Aspekt soll ruhig immer<br />
dabei sein.<br />
Die Doppelseite<br />
Das Weltenbuch wurde vor 8149 Jahren<br />
vom Leser aufgeschlagen, seither entwickelte<br />
sich, unter Mithilfe der anderen sieben<br />
Götter, eine fantastische Fantasywelt. Diese<br />
Welt wird von ihren Bewohnern einfach „die<br />
Doppelseite“ genannt. Merkwürdigerweise<br />
existieren auf dieser Welt die gleichen Naturgesetze<br />
wie auf einer kugelförmigen Welt:<br />
Es gibt den gewohnten Tag-Nacht-Rhythmus<br />
und Gravitation.<br />
Die Oberfläche der Doppelseite wird von<br />
Schreibwaren geprägt. Die Gebirge bestehen<br />
aus gefestigten Bröseln, einem Bleistift,<br />
einem Lesezeichen und einem Eselsohr.<br />
Das gewaltige Tropfenmeer wird von einer<br />
Sprudelflasche genährt und fließt durch den<br />
Rinnsal in die Falzschlucht. Über allen diesen<br />
Gegenständen breitete sich Staub aus. Durch<br />
die Macht des Gestalters und des Autors entstand<br />
eine blühende Flora und Fauna.<br />
Die Rassen und Völker<br />
Auf der Doppelseite leben viele menschliche<br />
Völker und Fantasyrassen. Neben Elfen<br />
und Zwergen verstärken auch Kobolde, Halblinge,<br />
Gnome, Feen und Yetis die gute Seite.<br />
Die zwei ältesten Rassen, die Elfen und Zwerge,<br />
greifen nur noch selten in das Geschehen<br />
der Welt ein – es ist die Zeit der Menschen<br />
und der anderen guten Rassen.<br />
Ihnen gegenüber stehen die bösen Rassen:<br />
Goblins, Oger, Orks und Trolle. Diese leben<br />
abgeschieden hinter dem Lesezeichengebirge<br />
und stellen nur eine Bedrohung dar, wenn<br />
aus der Unterseite ein Dämon emporsteigt,<br />
um sie in einen Krieg gegen das Gute zu führen.<br />
Die Echsenmenschen leben im heißesten<br />
Teil der Kuzduwüste und die Dunkelelfen tief<br />
in ihren Minen, der dunklen Stadt Dar-Cid.<br />
Dazwischen stehen die verschiedenen<br />
Menschenvölker, wobei der Großteil der<br />
Menschen dem Guten zugewandt ist. Dadurch<br />
können die bösen Rassen nur einen<br />
kleinen Teil der Doppelseite für sich beanspruchen<br />
und der letzte Krieg zwischen Gut<br />
und Böse fand vor 500 Jahren statt. Die Menschen<br />
beschäftigen sich weitgehend mit sich<br />
selbst: Die Kleinkarierten streiten kontinuierlich<br />
vor Gericht über alles nur denkbare, das<br />
Zweite Menschenreich konkurriert, seit man<br />
zurückdenken kann, mit dem Ersten Kaiserreich<br />
und die Barbarische Union ist uneinsichtig<br />
kriegerisch.<br />
Die Regeln<br />
Es ist bewusst ein klassisches System geworden,<br />
das zu dieser klischeehaften Fantasywelt<br />
passen soll. Die Regeln sind einfach<br />
gehalten, so dass der Spielleiter sie ebenso<br />
befolgen kann, wie er dies von den Spielern<br />
erwartet.<br />
Heldenerschaffung<br />
Jeder Held wird auf der Basis eines Klischees<br />
erstellt, z.B. Paranoider Dieb, Nerviger<br />
Zauberer oder Lustiger Überlebenskünstler,<br />
das die Rasse und somit die Attribute und<br />
den Beruf, die Klischeefertigkeit, bestimmt.<br />
Um den Helden den eigenen Wünschen anzupassen,<br />
können danach die Attribute verändert<br />
und Fertigkeiten und Ausrüstung gekauft<br />
werden. Ein Name, die Beschreibung<br />
des Helden und das Festlegen von Flags<br />
schließen die Heldenerschaffung ab.<br />
Seite 70<br />
Lesen & Spielen
SYSTEMVORSTELLUNG<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Fertigkeitsproben<br />
Alle Proben werden mit Attribut + Fertigkeit<br />
+ 2W6 gegen einen vom Spielleiter festgelegten<br />
Mindestwurf durchgeführt. Es gibt<br />
Patzer und kritische Erfolge und natürlich<br />
Mali und Boni, die auf den MW angerechnet<br />
werden.<br />
Kampf<br />
Auch Attacke und Parade im Kampf werden<br />
mit vergleichenden Fertigkeitsproben<br />
abgewickelt. Der Schaden wird von der Differenz<br />
von Angriffs- und Verteidigungswurf<br />
sowie der Waffe beeinflusst und von den Lebenspunkten<br />
abgezogen. Durch ein paar kleine<br />
Absicherungen sollte, trotz des tödlichen<br />
Kampfsystems, kein Held nur durch einen<br />
verpatzten Würfelwurf sterben. Der Spieler<br />
hat immer noch die Möglichkeit, einen zufällig<br />
bestimmten Gott anzuflehen um den Helden<br />
zu retten.<br />
Magie<br />
Die Magie der Doppelseite wird in die Bereiche<br />
Zauberei, Hexerei und Beschwören<br />
unterteilt. Unter jedem dieser Bereiche gibt<br />
es verschiedene Kategorien, die Zauberer,<br />
Hexen und Schamanen exklusiv erlernen<br />
können. Wenn ein Zauber gesprochen werden<br />
soll, wird die Kategorie und der MW vom<br />
Spielleiter festgelegt und eine Fertigkeitsprobe<br />
abgelegt. Diese Probe bestimmt auch,<br />
wie viel Manapunkte der Magiewirkende von<br />
seinem Manapool abziehen muss.<br />
Heldenpunkte<br />
Die Heldenpunkte sind der zentrale Mechanismus<br />
um vom Möchtegernhelden zum<br />
Profiheld aufzusteigen. Neben der normalen<br />
Steigerung dienen Heldenpunkte auch zur<br />
Vereinfachung von Proben und zum Erlangen<br />
eines Mitspracherechts bei den Auswirkungen<br />
von Proben. Heldenpunkte können<br />
durch das Erfüllen selbst bestimmter Flags<br />
und der Flags des Abenteuers erlangt werden.<br />
Die Abenteuer<br />
Mit dem Weltenbuch-Rollenspiel sollen die<br />
Spieler epische Abenteuer auf der Doppelseite<br />
bestehen und dies schon von Beginn an.<br />
Die Helden sind schon als Möchtegernheld<br />
überdurchschnittlich begabt und können<br />
ganze Städte vor dem Untergang bewahren<br />
oder gegen niedere Dämonen antreten.<br />
Durch die Heldenpunkte können die Helden<br />
immer wagemutigere Aktionen meistern<br />
und ein Sicherheitsnetz sorgt dafür, dass<br />
allzu Wagemutige auch eine zweite Chance<br />
bekommen. Epische Abenteuer und tollkühne<br />
Helden sollen gespielt werden, nicht zaudernde<br />
Anfänger, die ein kleines Dorf retten.<br />
Durch die Flags der Helden und die vorgestellte<br />
Abenteuererschaffung mit der Hilfe<br />
von Flags im Spielleiterkapitel lassen sich<br />
schnell, und vor allem passende, Abenteuer<br />
erstellen, die direkt auf die Helden zugeschnitten<br />
sind.<br />
Das Projekt<br />
Das Weltenbuch wurde von Jürgen Mang<br />
alias jcorporation im Herbst 2004 erdacht und<br />
seitdem auch in Eigenregie, natürlich unter<br />
tatkräftiger Hilfe von Unterstützern, entwickelt.<br />
Das Weltenbuch wird komplett online<br />
und frei entwickelt. Alle Texte und ein druckreifes<br />
PDF stehen unter das.weltenbuch.de<br />
unter einer CC-Lizenz zur Verfügung. Neben<br />
einem Forum bietet die Webseite auch einen<br />
interaktiven Heldengenerator, der fertig ausgefüllte<br />
Heldenpergamente erzeugt, und ein<br />
Wiki, in das jeder eingeladen ist, eigene Inhalte<br />
zum Weltenbuch beizusteuern. •<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 71
ANDUIN <strong>95</strong><br />
AND NOW FOR SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT<br />
Now for something<br />
completely different…<br />
HEUTE: GESKRIPTETE SZENEN<br />
TEXT: CHRISTOPH MASER<br />
Oft kann es vorkommen, dass ein Spielleiter<br />
beim Abenteuer schreiben den Ausgang<br />
einer Szene bereits festgelegt hat, bevor diese<br />
überhaupt gespielt wurde. Der Dieb entkommt.<br />
Die Charaktere retten die Prinzessin<br />
nicht. Ein Einbruch geht gnadenlos in die<br />
Hose. Das Shuttle stürzt ab. Das Auto kommt<br />
von der Strasse ab. Und dergleichen mehr.<br />
Auch einige Kaufabenteuer kennen Sätze<br />
wie „Der Erzfeind sollte in dieser Szene unbedingt<br />
entkommen.“ Oder „Warum die Charaktere<br />
einen Autounfall haben, liegt in den Händen<br />
des Spielleiters. Zu Beginn des Abenteuers<br />
passiert ein solcher Unfall…“ Dramaturgische<br />
Szenen, Abenteuereinstiege und dergleichen<br />
benötigen einfach ab und an einen festgelegten<br />
Ausgang. Und nur ein Gegner, der den<br />
Charakteren ein halbes Dutzend Mal durch<br />
die Lappen gegangen ist, ist auch ein Gegner,<br />
bei dem man sich freut, wenn man ihn dann<br />
endlich zu fassen bekommt.<br />
Nun werden solche Szenen zwar oft ausgespielt,<br />
aber der SL muss tricksen, um den<br />
vorher festgelegten Ausgang zu erreichen.<br />
Würfelwürfe werden verändert, NSCs würfeln<br />
öfter oder ein guter Wurf des Spielers<br />
wird uminterpretiert. Der Spieler hat vermeintliche<br />
Freiheit, die ihm aber weggenommen<br />
wird.<br />
Hier sind geskriptete Szenen eine Möglichkeit,<br />
diese Probleme zu umgehen. Da der<br />
Spieler keine Freiheit hat – und das auch weiß<br />
– kann sie ihm nicht weggenommen werden.<br />
Und solange es allen Spaß macht und/oder<br />
dem Abenteuer dient, ist das legitim. Den<br />
Spielern wird vor dem Spielen der Szene bereits<br />
das Ende verraten, jedoch wissen sie,<br />
was man von ihnen und ihren Charakteren<br />
erwartet.<br />
Wenn die unten beschriebene Idee mit<br />
der Gruppe oder dem aktuellen Setting nicht<br />
funktioniert hat und die Gruppe auch keinen<br />
neuen Versuch unternehmen will, sollte man<br />
diese Idee ruhen lassen. Wichtig ist aber,<br />
es mal auszuprobieren. Ebenso sollte man<br />
geskriptete Szenen nicht überstrapazieren,<br />
selbst wenn sie gut funktionieren.<br />
Spieler und Spielleiter, die Wert darauf legen,<br />
alle Szenen ergebnisoffen zu halten und<br />
den gesamten Ablauf des Abenteuers in die<br />
Würfel zu legen, werden mit dieser Idee wenig<br />
Freude haben.<br />
Was sind<br />
geskriptete Szenen?<br />
Zwei der Spieler verfolgen einen Mörder.<br />
Als sie ihn stellen, entdecken sie, dass es<br />
sich um einen alten Bekannten handelt, den<br />
sie für tot hielten und der im Verlauf des<br />
Abenteuers noch eine wichtige Rolle spielt.<br />
Daher ist es wichtig, dass der Mörder seinen<br />
Verfolgern entkommt. Um nicht einhundert<br />
verschiedene Ausreden zu erfinden, warum<br />
die Verfolgungsjagd schief geht und um die<br />
passende Dramaturgie in der Einstiegsszene<br />
zu erhalten, reicht der Spielleiter vor Beginn<br />
des Spiels den beiden betroffenen Spielern<br />
jeweils einen Zettel.<br />
Auf dem Zettel für Spieler 1 ist Folgendes<br />
zu lesen:<br />
Hinweis: Dies ist die Einstiegsszene für das<br />
heutige Abenteuer. Es ist wichtig, dass alles<br />
so abläuft wie unten beschrieben. Tob Dich<br />
innerhalb der gesetzten Grenzen ordentlich<br />
aus und versuche, es dramatisch zu<br />
gestalten.<br />
Du verfolgst einen Mörder durch die<br />
Baustelle. Von Deinem Gefährten wirst Du<br />
getrennt. Er wird sich im Laufe der Verfolgungsjagd<br />
schwer verletzen. Du rennst zur<br />
Unfallstelle. Unvermittelt wirst Du auf eine<br />
Person treffen, die Du nicht erwartest. Die<br />
Umstände Eures Zusammentreffens sind<br />
überraschend und ungünstig.<br />
Spiele actionreich, aber kontrolliert.<br />
Dein Gegner muss entkommen, da er der<br />
Aufhänger für das heutige Abenteuer ist.<br />
Spiele Deinen Charakter aus wie Du meinst.<br />
Sorge aber dafür, dass Du keine Munition<br />
mehr hast, wenn Du auf ihn schießen willst<br />
oder erzähle, dass Du zu erschrocken bist.<br />
Dein Gegenüber hat dir das Leben gerettet.<br />
Vielleicht schenkst Du ihm nun das seine,<br />
um ihn im restlichen Abenteuer zu jagen.<br />
Oder Du musst Dich entscheiden zwischen<br />
einer weiteren Verfolgung oder Deinem<br />
verletzten Freund.<br />
Weitere Informationen wirst Du im Spiel<br />
erhalten.<br />
Der zweite Spieler erhält folgenden Text:<br />
Hinweis: Dies ist die Einstiegsszene für das<br />
heutige Abenteuer. Es ist wichtig, dass alles<br />
so abläuft wie unten beschrieben. Tob Dich<br />
innerhalb der gesetzten Grenzen ordentlich<br />
aus und versuche, es dramatisch zu<br />
gestalten.<br />
Du wirst zusammen mit Spieler 1 einen<br />
Mörder durch eine Baustelle verfolgen.<br />
Ich möchte, dass Du einen Unfall baust,<br />
bei dem Du bewusstlos wirst. Ein Baugerüst<br />
gibt nach, Du überschätzt Dich beim<br />
Springen, rutschst beim Klettern ab, etc. Es<br />
ist wichtig, dass nicht Dein Verfolger Dich<br />
verletzt – und diesen Verfolger sollst Du<br />
auch nicht einholen oder abknallen.<br />
Wichtig: Sorge dafür, dass Spieler 1 nicht<br />
bei dir ist, wenn Du den Unfall hast, sondern<br />
ca. 30 Sekunden benötigt, um bei dir<br />
zu sein. Weitere Informationen wirst Du –<br />
wenn nötig – im Spiel erhalten.<br />
Nachdem beide Spieler ihre Anweisungen<br />
gelesen haben, spielt der SL zusammen mit<br />
ihnen die Szene. Die beiden Spieler beschreiben<br />
die Verfolgungsjagd, der Spielleiter reagiert.<br />
Dann werden die beiden getrennt<br />
(„Ich schneide ihm den Weg ab! Folge Du ihm<br />
weiter!“) und Spieler 2 erleidet einen Unfall.<br />
Spieler 1 kommt ihm zur Hilfe und erkennt<br />
auf einmal in dem Mörder seinen totgeglaubten<br />
Bruder Robert. Er lässt ihn entkommen,<br />
schwört aber, ihn ab nun erbarmungslos zu<br />
jagen.<br />
Der Spielleiter gibt Spieler 1 am Ende noch<br />
einen Zettel. Auf diesem steht:<br />
Das ist Robert, Dein totgeglaubter Bruder,<br />
der vor zwei Jahren bei einem Unfall starb.<br />
Robert hat dir das Leben gerettet, als er<br />
Seite 72<br />
Lesen & Spielen
AND NOW FOR SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Dich im Kindesalter aus eurem brennenden<br />
Haus trug. Robert hat Deine Eltern<br />
umgebracht und Dich dafür ins Gefängnis<br />
gebracht.<br />
Wichtig: Gib im Spiel die Information preis,<br />
dass Du Robert unendlich hasst und ihn bis<br />
ans Ende der Welt jagen wirst. Das kannst<br />
Du ihm ins Gesicht sagen.<br />
Der Spielleiter konnte sich auf die Beschreibung<br />
und kleine Details konzentrieren, da er<br />
nicht die Flucht des Mörders planen und die<br />
Szene entsprechend anpassen musste. Die<br />
beiden Spieler ärgern sich nicht, dass am<br />
Schluss mal wieder alles durch SL-Willkür endet<br />
und können sich innerhalb der gesteckten<br />
Grenzen austoben, ohne zu befürchten,<br />
etwas falsch zu machen oder etwas zu übersehen.<br />
Dabei ist alles noch sehr spannend,<br />
da sie wissen, dass am Ende offenbar eine<br />
unerwartete Überraschung auf sie wartet.<br />
Vorfreude ist die schönste Freude. Und die<br />
restliche Gruppe hatte besonderes Kopfkino.<br />
Wenn Spieler 1 am Ende seinen eigenen<br />
Bruder erkennt und sich ein gequältes „Robert…<br />
ich verstehe nicht. Du solltest tot sein!“<br />
abringt, dann hasserfüllt „Ich sollte Dich umbringen,<br />
Du verdammtes Schwein!“ brüllt,<br />
um letztendlich „Du hast damals mein Leben<br />
gerettet. Nun lasse ich Dich ziehen und rette<br />
Deines. Aber ich schwöre, ich werde Dich verfolgen<br />
und umbringen. Und nun verschwinde.<br />
Du bist nicht mehr mein Bruder!“ zu flüstern,<br />
ist das besser, als mit Spielleiterwillkür den<br />
Bösewicht doch noch entkommen zu lassen<br />
und Spieler 1 mitzuteilen. „Entsetzt blickst<br />
Du den Mörder an. Das ist Robert, Dein totgeglaubter<br />
Bruder, der dir einst das Leben rettete<br />
und den Du wegen eines schrecklichen Verrates<br />
am liebsten umbringen würdest.“<br />
Das verlangt natürlich einiges von den<br />
Spielern ab.<br />
Wo passen<br />
geskriptete Szenen?<br />
Geskriptete Szenen lassen sich fast universell<br />
einsetzen.<br />
Lesen & Spielen<br />
1) Wenn eine Szene einen bestimmten Ausgang<br />
haben soll, den man auf anderem<br />
Wege nicht erreichen kann als durch<br />
Schummeln. Oben genanntes Beispiel<br />
hätte man z.B. auch lösen können,<br />
indem sich die beiden Brüder über ein<br />
unüberwindbares Treppenhaus hinweg<br />
erkennen oder SC1 vor die Wahl gestellt<br />
wird, SC2 zu versorgen oder den NSC zu<br />
verfolgen.<br />
2) Wenn man Rückblenden aus dem Leben<br />
der Charaktere einbauen möchte. Der<br />
vorgesetze Offizier, der einem das Leben<br />
rettete. Der ewige Liebesschwur auf<br />
den Klippen am Meer aus glücklicheren<br />
Zeiten, der für den Hintergrund des Charakters<br />
wichtig ist. Der alte Freund aus<br />
guten Zeiten, der nun verschwunden<br />
ist. Ein immer wiederkehrender Traum,<br />
in dem der Spieler jedes Mal ein Stück<br />
näher an die Tür kommt, die er bisher<br />
nie öffnen konnte. Der Bruch des großen<br />
Schwurs. Das verlorene Duell. Der Unglücksfall,<br />
der die Schwester tötete oder<br />
verstümmelte.<br />
3) Um Szenen und Episoden zu erzählen, in<br />
die die Spieler nicht involviert sind, die<br />
sie aber in Erfahrung bringen können.<br />
Der alte Mann erzählt den SCs von dem<br />
tragischen Eifersuchtsdrama, das vor<br />
fast 100 Jahren die alte Mühle zerstörte.<br />
Der SL kann nun erzählen oder solche<br />
geskripteten Szenen austeilen. Neben<br />
dem Plotablauf finden sich auf den<br />
Skripten noch kurze Charakterbeschreibungen<br />
der handelnden Personen. Und<br />
schon spielen die Spieler, wie Lenny<br />
seinen Bruder Bob erschlug, weil dieser<br />
seine Frau Magrete liebte und wie Magretes<br />
Schwester daraufhin die Mühle<br />
anzündete.<br />
Wie mache ich das?<br />
Ein paar einfache Regeln sollte man beim<br />
Schreiben von geskripteten Szenen beachten.<br />
1) Die Texte sollten kurz sein oder in einem<br />
passenden Moment von den Spielern<br />
gelesen werden können. Nichts hemmt<br />
den Spielfluss so sehr wie ein „Moment,<br />
ich muss mal kurz diese Din A4-Seite hier<br />
lesen.“<br />
2) Die Szene, die gespielt wird, sollte nicht<br />
länger als wenige Minuten am Spieltisch<br />
dauern. Wer weiß, dass ihm der Gegner<br />
eh entkommen wird oder wer von<br />
seinem Geliebten verraten wird, möchte<br />
nicht unbedingt 6 Stunden lang spielen,<br />
bis der Verrat endlich kommt.<br />
3) Der Spielleiter sollte den Charakter<br />
ungefähr kennen, für den er die Szene<br />
geschrieben hat. Nichts ist ärgerlicher,<br />
als wenn ein Charakter zu etwas<br />
gezwungen wird, was er von seinem<br />
Charakterkonzept her nicht machen<br />
würde. Hier kann man aber mit dem<br />
Spieler im Vorfeld reden. „Ich habe<br />
einmal in meinem Leben den Schwur der<br />
Gewaltlosigkeit gebrochen. Nur einmal,<br />
und es verfolgt mich mein ganzes Leben.“<br />
4) Es muss nicht immer Zucker dabei sein,<br />
damit Spieler die bittere Bevormundung<br />
schlucken. Wer merkt, dass der eigene<br />
Charakter im Mittelpunkt steht und<br />
wem Charakterhintergrund wichtig ist<br />
und wer diesem auch Raum im Spiel geben<br />
möchte, wird in einer geskripteten<br />
Szene auch eine bittere Pille schlucken.<br />
5) So vage wie möglich. Nichts langweilt<br />
mehr, als im Szeneskript alles Wichtige<br />
zu erfahren, was man auch im Spiel<br />
hätte in Erfahrung bringen können. Man<br />
kann eine solche Szene auch in mehrere<br />
Skripten aufteilen und so die Spannung<br />
aufrecht halten. •<br />
DANKSAGUNG<br />
Nein, dieser Seitenkasten gehört nicht<br />
zum nebenstehenden Artikel. Viel mehr<br />
möchte ich diesen Platz hier nutzen, um<br />
mich in meiner Funktion als Chefredakteur<br />
bei einigen Leuten für Ihre Unterstützung<br />
zu bedanken.<br />
Danke, Dani, für das Titelbild und die<br />
kurzfristige Unterstützung bei so vielen<br />
weiteren Artikeln! Ohne Dich wäre diese<br />
Ausgabe wesentlich ärmer!<br />
Ebenfalls ein herzliches Dankeschön<br />
geht an Tobi, der zwar dieses Mal nur mit<br />
einem Artikel präsent ist, dafür aber die<br />
Motivation im Forum hoch hält, große Teile<br />
des Lektorats übernommen hat und uns<br />
auf der RPC vertreten wird.<br />
Für besondere Konstanz und die wunderbare<br />
Texte möchte ich mich bei Friederike,<br />
Joachim und Marco bedanken, die<br />
alle drei jeweils in dieser und der letzten<br />
Ausgabe ein Abenteuer beigesteuert haben.<br />
Jennifer und Norman für Ihre Hilfe in<br />
letzter Minute.<br />
Grüße und ein dickes Dankeschön gehen<br />
an die Ursu, die ihre Zeit in den öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln mit dem Lektorat<br />
der <strong>Anduin</strong> verbringt.<br />
Für die Unterstützung durch Rezensionen<br />
gilt mein Dank Ingo und der Seite<br />
www.lorp.de.<br />
Und dann noch einen besonderen Dank<br />
an Michael Knarr, der wahrscheinlich<br />
ohne es zu ahnen, mir das Thema für die<br />
Rubrik „Offen heraus“ geliefert hat.<br />
Natürlich gibt es noch viele weitere Personen,<br />
welche diese Ausgabe der <strong>Anduin</strong><br />
durch ihre Ideen, Texte und Illustrationen,<br />
vor allem aber durch ihre unentgeltliche<br />
und hochmotivierte Arbeit, erst möglich<br />
gemacht haben. Bei ihnen allen möchte<br />
ich mich herzlich bedanken!<br />
Euer Tommy<br />
Seite 73
ANDUIN <strong>95</strong><br />
RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />
Raubkopien<br />
von Rollenspielen<br />
MEHR ALS EIN KAVALIERSDELIKT<br />
TEXT: ALEXANDER DOTOR<br />
ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />
Die letzten Klänge der Eiscreme-Werbung<br />
verstummen und das Licht wird dunkler.<br />
Gemütlich sinkt man in den Kinosessel, füllt<br />
die Hand mit Popcorn, wirft ein. Doch statt<br />
bunter Bilder erscheint ein Text mit dem<br />
Charme einer Todesanzeige. Raubkopien<br />
sind verboten. Im Saal verteilte Lacher. „Oh,<br />
vielleicht hätte ich mal meinen Rechner ausmachen<br />
sollen.“ Abfilmen wird bestraft. „He<br />
Lisa, musst du immer die Kamera aufbauen.“<br />
Gelächter. Leise werden Anekdoten von Studentenwohnheimen<br />
und Datenlagern im Terrabyte-Bereich<br />
ausgetauscht. Die Meldung<br />
steht immer noch da. Ein entnervtes „Boah,<br />
wir wissens langsam!“. Stur bleibt der Text<br />
auf der Leinwand und beginnt erst Sekunden<br />
später langsam auszublenden.<br />
Raubkopien von Filmen und Musikstücken<br />
aus dem Internet laden: ein „Kavaliersdelikt“<br />
der modernen Medienwelt. eMule, Kazaa<br />
und weitere File-Sharing-Programme nutzen<br />
das Internet, um Dateien auszutauschen. Alles,<br />
was sich in eine Datei packen lässt, kann<br />
auch über diese Tauschbörsen getauscht<br />
werden: Filme, Musik, Bilder und Bücher –<br />
und darunter auch Rollenspiele. Doch kriegen<br />
die Verlage so was überhaupt mit, und<br />
was tun sie dagegen?<br />
Im Zeichen des Esels<br />
„[Etwas runtergeladen?] Ja, wenn interessante<br />
Produkte erhältlich sind. Bei<br />
Mainstream-Systemen ist das oft schon<br />
einige Tage nach Erscheinen der Fall.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Aus der Anfangszeit der Rollenspiele sind<br />
mir Raubkopien – Fotokopien unserer<br />
Regelwerke – noch gut bekannt. Zum Glück<br />
hielt sich die Kopiererei in Grenzen.“<br />
— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />
Schauen wir uns mal das „Angebot“ an Rollenspielen<br />
näher an. Ich habe mich zu diesem<br />
Zweck am 5.5.04 auf dem Server „Razorback<br />
2“ mit dem File-Sharing-Client eMule eingeloggt.<br />
Zu diesem Zeitpunkt<br />
waren ca. 550.000 Benutzer<br />
online, die knapp über 50.<br />
Mio. Dateien zum Download freigegeben<br />
hatten. Nun habe ich nach<br />
pdf-Dateien gesucht, die in ihrem Dateinamen<br />
den Namen eines gängigen<br />
Rollenspielsystems enthalten. D&D<br />
schlägt dabei alle Systeme um Längen.<br />
„Natürlich bekommen wir mit, dass es<br />
Raubkopien (Scans und PDF-Dateien)<br />
unserer Produkte gibt. In der Regel werden<br />
wir von Kunden darauf hingewiesen, die<br />
sich besorgt über diese Entwicklung an<br />
uns wenden. Viel Aufmerksamkeit können<br />
wir dieser Tatsache aber nicht widmen, da<br />
gerade aufgrund der Struktur der Tauschbörsen<br />
eine Verfolgung sehr aufwendig und<br />
kostspielig ist, wie ja auch die Bemühungen<br />
der Musik- und Filmindustrie zeigen.“<br />
— Björn Meyer, Amigo<br />
„Wir beobachten den Markt, speziell eBay.<br />
Wir bekommen viele Hinweise über illegales<br />
Vorgehen, was unsere Produkte betrifft,<br />
von einzelnen Leuten aus der Szene, die<br />
unsere Produkte in kopiertem Zustand<br />
angeboten sehen, über Hinweise auf eBook<br />
Anbieter, die illegalerweise Romane oder<br />
Rollespielprodukte ins Netz stellen, bis hin<br />
zu CDs, rammelvoll mit unserem Material,<br />
die uns von der Polizei geschickt werden.“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Bislang sind mir solche Raubkopien nicht<br />
bekannt; allerdings sind wir wahrscheinlich<br />
ein zu kleiner Verlag, um wirklich davon<br />
betroffen zu sein.“<br />
— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />
Diese Beobachtung von Ralf deckt sich mit<br />
meinen Suchergebnissen bei eMule. Es scheinen<br />
vor allem größere Verlage von Raubkopien<br />
betroffen zu sein – weitgehend unbekannte<br />
Systeme oder Supplements kleiner<br />
Verlage waren überhaupt nicht vertreten.<br />
Eine Liste der „beliebtesten“ Produkte<br />
habe ich nicht erstellt – da hätte ich die halbe<br />
D&D Produktpalette aufzählen können, bevor<br />
irgend ein anderes System drankommt.<br />
Darum habe ich einfach von jedem System<br />
das „beliebteste“ Produkt rausgesucht, also<br />
für das die meisten Quellen zur Verfügung<br />
standen. Der Mittelerde-Atlas von MERP<br />
steht wahrscheinlich wegen der „Herr der<br />
Ringe“-Filme so hoch im Kurs.<br />
„Chaosium, der amerikanische Hersteller,<br />
hat durchaus ein Problem mit Raubkopien.<br />
Kopien von unseren Werken sind, soweit ich<br />
weiß, noch nicht im Umlauf. Wir beobachten<br />
das aber.“<br />
— Frank Heller, Pegasus<br />
Seite 74<br />
Lesen & Spielen
RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
ES IST SCHWER einen<br />
Raubkopierer zu fangen<br />
„Raubkopien sind schwer zu verfolgen –<br />
wegen Ländergrenzen und Anwaltskosten.“<br />
Lesen & Spielen<br />
— Lynn Willis, Chaosium<br />
Durch die Verbreitung von Raubkopien<br />
über das Internet ist es gar nicht so einfach<br />
für die Verlage auf Raubkopien entsprechend<br />
zu reagieren. Während die Dateien Ländergrenzen<br />
ohne Aufwand passieren, können<br />
die rechtlichen Schritte nur mit großer Mühe<br />
ausgeführt werden. Bisher leistet es sich<br />
meines Wissens nur die Filmindustrie, auch<br />
gegen „private“ Raubkopierer im Ausland<br />
vorzugehen. Viele Raubkopierer rechnen sogar<br />
mit diesem „Schutz“ vor ausländischen<br />
Verlagen.<br />
„Es gibt ja die Gesellschaft zur Verfolgung<br />
von Urheberrechtsverletzungen. Dieser<br />
melden wir auf Bitten von Chaosium Verstöße<br />
in Deutschland, die Chaosium betreffen.<br />
Wir selbst waren, wie gesagt, noch nicht<br />
betroffen, aber auch da würde es sicher<br />
ähnlich ablaufen.“<br />
— Frank Heller, Pegasus<br />
Bei deutschen Verlagen muss man schon<br />
eher mit Konsequenzen rechnen, denn auch<br />
über eMule oder Kazaa kann die Adresse eines<br />
Rechners eindeutig bestimmt werden.<br />
Diese wird eurem Provider (z.B. Deutsche<br />
Telekom) zugeordnet, der dann eine Verbindung<br />
mit eurer Person (bzw. dem, der die<br />
Rechnung zahlt) herstellen kann.<br />
„Wenn wir merken, dass zum Beispiel<br />
jemand im Internet Produkte von uns zum<br />
Download anbietet, dann wird er zunächst<br />
darauf aufmerksam gemacht, dass wir das<br />
nicht tolerieren. Sollte darauf keine Reaktion<br />
erfolgen, dann übergeben wir die Sache<br />
einem Anwalt.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
„Im Internet bin ich bisher nur auf die Kopien<br />
von zwei unserer Abenteuer gestoßen.<br />
Im ersten Fall wurde das Abenteuer auf<br />
meine Bitte hin sofort vom Server genommen;<br />
im zweiten Fall waren die reinen Spieldaten<br />
auf ein anderes Sujet umgeschrieben<br />
worden und eine Einigung mit dem „Bearbeiter“<br />
vergleichsweise unproblematisch.“<br />
— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />
„Es gibt zwei Sorten [von Raubkopierern]:<br />
der Fan, der für seinen eigenen Gebrauch<br />
kopiert, und Leute, die viele Kopien erstellen<br />
in der Hoffnung damit Geld zu machen.“<br />
— Lynn Willis, Chaosium<br />
„Da die rechtliche Verfolgung sehr aufwendig<br />
und kostspielig ist, bleibt hier vor<br />
allem die Möglichkeit durch Aufklärung und<br />
Informationen eine größere Sensibilität bei<br />
den Spielern zu erzeugen. Häufig ist nicht<br />
bekannt, wie aufwendig und kostspielig die<br />
Entwicklung und Produktion von qualitativ<br />
hochwertigen Rollenspielprodukten ist.“<br />
— Björn Meyer, Amigo<br />
Die Verlage wollen bestimmt nicht alle Kopierer<br />
in den Knast bringen, sondern sie gehen<br />
oft sehr kulant vor, bevor sie rechtliche<br />
Schritte einleiten – Geschichten von „den<br />
bösen Verlagsleuten, die einem drohen, weil<br />
man mal ein Bild aus einem Abenteuer online<br />
gestellt hat“, können wohl ins Reich der Fabeln<br />
verwiesen werden. Doch nur, weil man<br />
höflich auf einen Missstand hinweist, heißt<br />
das noch lange nicht, dass er einem fast egal<br />
ist – ganz im Gegenteil:<br />
„FanPro geht rechtlich gegen Raubkopierer<br />
vor, und das kann allen anderen Herstellern<br />
auch nur empfohlen werden. Wer Rollenspiele<br />
raubkopiert, sollte sich klarmachen,<br />
dass er kleine Firmen schädigt, die Alternativen<br />
in einer immer desolater werdenden<br />
Unterhaltungslandschaft anbieten […] Das<br />
macht wütend, und daher wehren wir uns.“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Wir leben in der „Geiz ist geil!“-Gesellschaft;<br />
wir wollen alles haben, es darf aber<br />
nichts kosten. Wieso sollte ich für etwas<br />
zahlen, was ich auch kostenlos haben kann?<br />
Die „Ich-AG“ spart ihr Geld und blickt nur<br />
noch auf sich selbst; nach mir die Sintflut,<br />
Hauptsache, mir geht es besser! […] Merkt<br />
man eigentlich, dass mich dieses Thema<br />
etwas nervt?“<br />
— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />
Den Verlagen sind Raubkopien bekannt<br />
und sie sind ihnen nicht egal. Doch rechtliche<br />
Maßnahmen sind aufwändig, und auch oft<br />
nicht im Sinne des Verlages. Immerhin geht<br />
es um (gesetzesunkundige) Privatpersonen<br />
– und potenzielle Kunden. Zudem haben die<br />
Verlage einen Ruf zu verlieren.<br />
„Mir kommen dabei schlicht und einfach die<br />
Begriffe „Rücksichtslosigkeit“ und „Egozentrik“<br />
in den Sinn. In meinen Augen laufen<br />
Raubkopierer auf einer Linie mit Leuten, die<br />
ihren Sperrmüll irgendwo im Wald ablegen<br />
oder hierzulande verbotene Pflanzenschutzmittel<br />
und Medikamente in die Dritte Welt<br />
verscherbeln: den Blick nur auf den eigenen<br />
Vorteil gerichtet.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
Gebt mir einen Grund!<br />
„[Die Verlage sagen], dass alle, die Raubkopien<br />
runterladen böse Schwerverbrecher<br />
sind und man ihnen am besten die Finger<br />
abscheiden soll, damit sie nicht mehr würfeln<br />
können.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Diskussionen über Raubkopien drohen<br />
leicht aus dem Ruder zu laufen und zu verhärteten<br />
Fronten zu führen – einen tieferen<br />
Einblick in die Thematik bekommt man dadurch<br />
allerdings nicht. Vielleicht sollten wir<br />
die Ursache ergründen. Warum laden sich<br />
Leute überhaupt Raubkopien runter?<br />
„Wenn Raubkopierer ehrlich wären, steht<br />
bei den meisten ein Motiv im Vordergrund:<br />
Geld sparen. Hinzu kommen noch andere<br />
Dinge, bis hin zu der Idee des „Robin Hood“-<br />
Verhaltens: Manch einer, der im Spiel als<br />
Shadowrunner Großkonzerne schädigt,<br />
fühlt sich im echten Leben genauso cool,<br />
wenn er einen Kon wie FanPro schädigt.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
„Man muss wissen, dass die Auflagen im<br />
Rollenspielbereich sehr klein sind, selbst bei<br />
den eigentlich größeren Verlagen. Rollenspiel<br />
ist auch auf Macherseite überwiegend<br />
Liebhaberei und keine Abzocke. Selbst bei<br />
einem großen Spiel wie DSA merkt man das<br />
noch. Verkaufsstrategien, die die Käufer<br />
dazu bringen sollen, noch mehr Bücher kaufen<br />
zu müssen, sind oft auch nicht Abzocke,<br />
sondern verzweifelter Überlebenskampf<br />
eines Verlages.“<br />
— Frank Heller, Pegasus<br />
„Robin Hoods“ gibt es wohl überall – mir<br />
sind sie besonders aus der Computerbranche<br />
bekannt, wo gigantische Konzerne, wie Microsoft<br />
oder Intel, den Markt z.T. aggressiv<br />
dominieren. Aber FanPro als Microsoft der<br />
Rollenspiel-Szene?<br />
„Hm, chronische Geldknappheit. Ab und zu<br />
kleinere „Originale“ kann ich mir gerade<br />
noch leisten, aber ich bin wirklich so pleite,<br />
wie es den Anschein macht. Von daher<br />
bleibt mir doch nicht wirklich die Wahl,<br />
wenn ich „auf dem aktuellen Stand“ bleiben<br />
will.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Die Produkte sind zu teuer? Stimmt nicht,<br />
gemessen an der Arbeit und den Kosten, die<br />
in Rollenspielentwicklung einfließen, müssten<br />
sie viel teuerer sein. Daher geben sich ja<br />
auch keine größeren Firmen mit Rollenspielen<br />
ab – es rentiert sich nicht für sie!“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Aufgrund der recht hohen Preise von<br />
Seite 75
ANDUIN <strong>95</strong><br />
RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />
VERGRIFFENES<br />
Vergriffene Produkte<br />
Nicht alle Raubkopien sind aktuelle Produkte.<br />
Nicht mehr erhältliche Werke bilden<br />
einen festen Bestandteil in den Tauschbörsen<br />
im Internet. Doch rechtlich gesehen<br />
sind diese Dateien ebenfalls Raubkopien.<br />
„Als Fan fände ich es von Vorteil, wenn<br />
auf diese Weise vergriffene Werke noch<br />
erhältlich blieben; wie viele Spiele oder<br />
Abenteuer und Quellenbände sind über<br />
die Jahre verschwunden und gar nicht<br />
mehr erhältlich. Und so könnte ich meine<br />
„Ghostbusters“- oder „Gamma World“-<br />
Sammlung endlich komplettieren, wenn<br />
auch vielleicht nur „elektronisch“.“<br />
— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />
„Klar ist es nicht gut für die Verlage, aber<br />
zum Teil ist es die einzige Möglichkeit an<br />
alte oder seltene Systeme zu kommen.“<br />
— anonymer Spieler<br />
„[…] sehe ich persönlich das Kopieren<br />
von vergriffenen Büchern mit etwas<br />
mehr Langmut. Denn hier entgeht dem<br />
Verlag kein Geld, das an anderer Stelle<br />
fehlt; ein Schaden würde erst bei einer<br />
Neuauflage eintreten können. Ich will<br />
hier natürlich niemandem raten, „Kopiere<br />
vergriffene Bücher“, denn verboten<br />
ist auch dies, aber ein Verlag wird sich<br />
dadurch sicher nicht im gleichen Maße<br />
geschädigt sehen.“<br />
— Frank Heller, Pegasus<br />
„Ein Argument wäre, alte und vergriffene<br />
Werke zugänglich zu machen und<br />
zumindest auf diesem Weg den nächsten<br />
Spielergenerationen zur Verfügung zu<br />
stellen. Das wäre vielleicht auch mal eine<br />
interessante Aufgabe für die Verlage,<br />
etwas Gutes für ihre Kunden zu tun.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Rollenspielbüchern kann ich Spieler, die<br />
häufig Schüler oder Studenten sind, ja<br />
verstehen, wenn sie diese Kosten nicht<br />
tragen wollen.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Die meisten MIDGARD-Spieler sind<br />
Studenten oder stehen im Berufsleben,<br />
so dass der monetäre Aspekt bei uns<br />
keine so große Rolle spielt wie bei einem<br />
Rollenspiel, das sich in erster Linie an ein<br />
jüngeres Publikum wendet.“<br />
— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />
„Regelhefte sind sehr teuer, zudem<br />
nutzt man viele nicht sehr<br />
intensiv, so dass die<br />
Ausgabe einer höheren<br />
Summe nicht berechtigt<br />
erscheint.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„[…] Firmen, deren Produkte<br />
ohnehin nur von einem<br />
Teil einer Spielergruppe gekauft<br />
werden müssen (normalerweise<br />
haben wir 4-6 Spieler pro Rollenpielgruppe,<br />
aber nur einen<br />
Satz Regeln/Abenteuer).<br />
Daher ist es für Rollenspielhersteller<br />
doppelt bitter, wenn<br />
ihnen von ihrem vergleichsweise<br />
schmalen Einnahmenrinnsal auch<br />
noch das Wasser abgegraben wird.“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
Wenn das Taschengeld nicht ausreicht,<br />
dann greift man halt zum Download-Client.<br />
Das jüngere Publikum hat auch ein ganz anderes<br />
Verhältnis zum Geld und zum Bezahlen<br />
– es ist für die Freizeitgestaltung da und<br />
nicht zum Broterwerb. Und vielleicht spielt<br />
da auch noch die Gewöhnung an elektronische<br />
Medien eine Rolle. „Ältere“ Rollenspieler<br />
wollen vielleicht doch noch eher ein<br />
Buch in der Hand halten.<br />
„Da glaube ich wirklich dass, wer sich<br />
Raubkopien zieht, auch in den Laden geht<br />
und Bücher kauft.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Als Käufer ist einem das vielleicht nicht<br />
bewusst, denn das eigene Spezialgeschäft<br />
steht schließlich voll mit Rollenspielbüchern,<br />
die professionell aussehen – also<br />
muss doch jemand echt Kohle damit<br />
machen!? Nein, leider nicht, denn außer<br />
in ein paar Spezialgeschäften findet man<br />
keine Rollenspiele, und insgesamt sind die<br />
Zahlen daher gar nicht so hoch.“<br />
— Frank Heller, Pegasus<br />
„Für mich ist das eher temporär, wenn<br />
ich mal das nötige Geld habe (sprich: in<br />
einigen Jahren), hätte ich schon gern die<br />
Originale. Gerade auch, um die Rollenspiel-<br />
Industrie zu unterstützen.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Ich wollte wissen ob sich die Anschaffung<br />
des Endproduktes lohnt. Oft ist die Info<br />
der Firma mehr als dürftig, zum Glück hat<br />
WotC das erkannt und publiziert immer<br />
ausgiebig über ihre Neuvorstellungen.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Vielen Raubkopierern ist scheinbar gar<br />
nicht klar ist, welchen Schaden sie verursachen.<br />
Sie halten ein derartiges Verhalten<br />
häufig für ein Kavaliersdelikt oder sogar<br />
für Werbung für die Produkte. Dazu<br />
kommen wohl auch vereinzelt Raubkopierer,<br />
welche die Preise der Produkte für zu<br />
hoch halten und somit den Verlagen einen<br />
Denkzettel verpassen wollen. Das Internet<br />
ist an sich eine sehr positive Plattform, gerade<br />
auch für das Hobby Rollenspiel, aber<br />
leider hat es in den letzten Jahren gerade<br />
im Internet eine zunehmende Desensibilisierung<br />
für Rechte und geistiges Eigentum<br />
gegeben.“<br />
— Björn Meyer, Amigo<br />
Eine weitere Idee: Raubkopien werden<br />
einfach heruntergeladen, weil es möglich<br />
ist. Wenn man schon am Rechner sitzt und<br />
sich Musik saugt, dann kann man sich auch<br />
nebenbei ein Regelwerk ziehen. Es ist einfach,<br />
unkompliziert und es ist kein Aufbruch<br />
in ein Geschäft nötig. Manche Leute sammeln<br />
MP3s ohne sie zu hören – vielleicht<br />
sammeln manche auch Rollenspiele ohne<br />
sie zu spielen.<br />
„Ich lade Raubkopien runter als Nachschlagewerke,<br />
oder von neuen Systemen<br />
um mal in Ruhe reinzuschauen, oder weil<br />
ich noch nicht das Geld habe um mir die<br />
Bücher zu kaufen. Wenn meine Finanzen<br />
es zulassen, kaufe ich mir die Bücher. Denn<br />
auf Papier zu lesen ist angenehmer als am<br />
Monitor und die Qualität der runtergeladenen<br />
Sachen ist meist sch…“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Doch selbst wenn ich mir ein PDF ausdrucke,<br />
werde ich im Endeffekt kein wirkli-<br />
Seite 76<br />
Lesen & Spielen
RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
ches Buch haben, sondern einen Schnellhefter<br />
mit Prospekthüllen oder Ähnliches.<br />
Oder ich muss eventuell so viel Geld und<br />
Mühe aufwenden, dass sich das Raubkopieren<br />
nicht mehr lohnt.“<br />
— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />
„Tja, ich persönlich halte nicht viel davon<br />
Rollenspielprodukte zu kopieren. Ich habe<br />
lieber das echte Buch in der Hand, anstelle<br />
von irgendwelchen PDF-Dateien, deren<br />
Ausdruck mich fast so viel kostet wie das<br />
Endprodukt.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Häufig sind die Scans der Produkte von<br />
schlechter Qualität. Es erfordert viel Zeit und<br />
Aufwand eine Kopie zu erstellen – mit ein<br />
paar Stunden ist es nicht getan. Jede Seite<br />
wird als Bild abgelegt und dann die Seiten zu<br />
einem PDF zusammengefasst. Oft ist dann<br />
die Auflösung so niedrig, dass die Schrift total<br />
verpixelt und somit kaum lesbar ist. Die<br />
Bilder müssten eigentlich nachbearbeitet<br />
werden und dies ist ohne entsprechende<br />
Kenntnisse in der digitalen Bildbearbeitung<br />
ein langwieriger Prozess. Bei Büchern und<br />
Rollenspielen gilt eben noch – im Gegensatz<br />
zu Film und Musik – dass eine Kopie schlechter<br />
als das Original ist.<br />
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass [Raubkopieren]<br />
ein ernstes Problem ist. Denn am<br />
Bildschirm lesen macht keinen Spaß, und<br />
ausdrucken ist bei den Mengen auch nicht<br />
mehr günstig.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Nachvollziehen kann ich das [Raubkopieren]<br />
bei Rollenspielprodukten überhaupt<br />
nicht, denn verkauft werden Raubkopien<br />
nicht immer. Oft werden sie zum freien<br />
Download ins Netz gestellt. Mir wäre schon<br />
das Scannen eines Abenteuers zu viel Arbeit.<br />
Wer macht so was also?“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Wozu manche Leute Zeit haben… die, die<br />
sich zum Einscannen Zeit nehmen.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Wer hat Angst<br />
vor Raubkopien?<br />
Wenn es um die Folgen der Raubkopien<br />
geht, dann prallen zwei Welten aufeinander.<br />
Die Verlage zeichnen ein Horrorszenario, von<br />
einer Welt in der es keine Rollenspiele gibt<br />
und die Raubkopierer wissen genau, dass<br />
jede Kopie wirklich nie gekauft worden wäre.<br />
Untersuchungen über Rollenspiel-Raubkopien<br />
gibt es nicht, daher schiele ich mal auf<br />
die – wahrscheinlich ärger gebeutelte – Musikbranche:<br />
2000 waren es 78 Mio. illegal kopierte<br />
Alben und 1<strong>95</strong> Mio. verkaufte (28,5%<br />
sind illegale Kopien). 2003 standen dann 190<br />
Millionen illegal kopierte Alben gegen 133<br />
Millionen verkaufte (58,8% sind illegale Kopien).<br />
(Quelle: Deutsche Phonoverbände).<br />
„[Auswirkungen wären] im besten Fall zurückgehende<br />
Absätze, die dazu führen, dass<br />
der Verlag weniger Geld als erwartet verdient<br />
und beim nächsten Mal vielleicht eine<br />
niedrigere Auflage druckt, was wiederum<br />
heißt, dass das nächste Buch für alle Käufer<br />
teurer wird. Im schlechtesten Fall schädigt<br />
es den Verlag wirtschaftlich so stark, dass<br />
er seine Arbeit einstellen muss. Von einem<br />
solchen Fall habe ich allerdings noch nicht<br />
gehört; denkbar wäre es wohl.“<br />
— Frank Heller, Pegasus<br />
„Keine Ahnung, ich denke aber, dass die<br />
Leute die sich echt dafür interessieren auch<br />
die richtigen Bücher kaufen und nur die Sachen<br />
runterladen die sie sich sowieso nicht<br />
kaufen würden.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Wir müssen uns im Verlag um die Problematik<br />
kümmern. Das heißt, Leute, die z.B.<br />
eigentlich DSA entwickeln sollten, müssen<br />
sich mit Raubkopierern und deren Auftreten<br />
im Netz herumschlagen. Das kostet<br />
Zeit, was sich – auch preislich – dann auf die<br />
regulären Produkte auswirkt. Falls Raubkopien<br />
in unserem Bereich deutlich zunähmen,<br />
würden sie für die meisten Hersteller<br />
– und FanPro schließe ich da nicht aus – eine<br />
tödliche Bedrohung darstellen.“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Ob es tatsächlich etwas wie einen sichtbaren<br />
Einbruch gibt – weiß ich nicht.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Die Verlage produzieren nicht aus Spaß an<br />
der Freude und wenn sich ein Produkt nicht<br />
verkauft (d.h. kein Geld einspielt), werden<br />
weniger Nachfolgeprodukte auf den Markt<br />
gebracht und schließlich wird es ganz vom<br />
Markt genommen. Raubkopierer schneiden<br />
sich also im Endeffekt selber ins Fleisch –<br />
aber es wird sie immer geben.“<br />
— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />
„Ich denke dass es dem Verlag nicht wirklich<br />
auffällt, denn meistens sind Rollenspieler<br />
auch Jäger und Sammler und freuen sich<br />
wenn die persönliche Bibliothek wächst.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Eine unmittelbare Wirkung auf die<br />
Produkte selber ist nur schwer zu messen.<br />
OFFTOPIC<br />
Media Convert<br />
Im Internet gibt es inzwischen die verschiedensten<br />
Werkzeuge kostenlos<br />
– aber nicht wie früher als Programm<br />
zum Herunterladen und Installieren,<br />
sondern als Webanwendung direkt in<br />
Eurem Webbrowser.<br />
Ein solches Werkzeug ist Media<br />
Convert, das Euch Bilder, Musik und<br />
Videos bis zu einer Größe von 150 MB<br />
in die unterschiedlichsten anderen<br />
Formate umsetzt. Das Ganze funktioniert<br />
schnell und unkompliziert und ist<br />
zudem völlig kostenfrei.<br />
Natürlich gibt es genügend Desktop<br />
Werkezuge, die mehr können – aber<br />
als schnelle Hilfe, wenn man nicht lange<br />
nach einem geeigneten Programm<br />
suchen möchte, eignet sich Media<br />
Convert hervorragend. •<br />
URL: media-convert.com<br />
Langfristig wird es aber nach Meinung<br />
vieler Verlage dazu führen, dass vor allem<br />
kleinere Verlage nicht mehr genügend<br />
Produkte absetzen werden. Dies bedeutet,<br />
dass die Produktvielfalt abnehmen wird<br />
und somit das Hobby an Breite und Tiefe<br />
verlieren wird. Zudem werden kleinere<br />
Auflagen produziert werden, was natürlich<br />
entsprechend die Druckkosten und somit<br />
auch die Verkaufspreise erhöhen wird.“<br />
— Björn Meyer, Amigo<br />
„Ich glaube, gar nicht so große, da die<br />
meisten, die Raubkopieren sowieso nichts<br />
kaufen würden.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Eine Auswirkung hat es ggf. auch auf eine<br />
dritte Partei: die Rollenspielläden. Denn<br />
ich brauche keinen Laden vor Ort, um das<br />
Produkt zu testen. Ich kann es herunterladen<br />
und bei Amazon kaufen. Damit falle ich<br />
effektiv für den RPG-Händler von nebenan<br />
weg. Damit leiden weder Verlag noch Tester,<br />
nur der Ladenbesitzer…“<br />
— anonymer Spieler<br />
„Raubkopien sind Diebstahl. Es ist dasselbe<br />
als ob man aus einem Rollenspielladen<br />
direkt ein Heft/Buch klauen würde! Nur,<br />
dass hier nicht der Ladeninhaber geschädigt<br />
wird – na ja, der auch, da derjenige, der<br />
die Raubkopie hat, das Produkt nicht mehr<br />
im Laden kaufen wird – sondern direkt der<br />
Verlag/das System.“<br />
— anonymer Spieler<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 77
ANDUIN <strong>95</strong><br />
RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />
ENVOYER<br />
Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />
Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />
worden.<br />
Diese Unsicherheit – haben Raubkopien<br />
eine Auswirkung – ist zentral für dieses Thema.<br />
Wer contra Raubkopien argumentiert,<br />
kann auf die möglichen wirtschaftlichen Probleme<br />
hinweisen. Und das pro Raubkopieren?<br />
Es geht nicht um pro oder contra Raubkopien,<br />
sondern um egal und contra. Man<br />
versucht doch meist nur die vorgebrachten<br />
Argumente zu entkräften. Ein aktives pro<br />
Raubkopien habe ich bisher nicht erlebt,<br />
denn ein wirklich positives Argument für<br />
Raubkopien zu finden ist wohl sehr schwer.<br />
„[Raubkopieren] führt zu vermehrtem<br />
ausprobieren, was an sich positiv ist.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Ich halte es für wahrscheinlich, dass das<br />
den Verlagen ganz schön schadet. Andererseits<br />
kann ich mir auch vorstellen, dass ein<br />
Effekt einsetzt, der dem erwarteten entgegen<br />
gesetzt ist, dass mehr Menschen durch<br />
die „Appetithappen“ Interesse bekommen<br />
und hinterher investieren.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Umgekehrt ist dem Rollenspiel-Raubkopien<br />
keinerlei positiver Aspekt abzugewinnen<br />
– den gibt es bei der Musik in bestimmtem<br />
Maße, […] also hier kann man einer<br />
beschleunigten Verbreitung des Produkts<br />
über Raubkopien auch einen Werbeeffekt<br />
zubilligen, was aber nicht bedeutet, dass<br />
ich solche Praktiken gut heiße, es sei denn,<br />
der Künstler ist damit einverstanden.“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Unter Umständen könnten [die Verlage]<br />
sich erhoffen, dass Raubkopierer Blut<br />
lecken und dann doch kaufen.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Nun – auch über diesen Werbeeffekt gibt<br />
es bei Rollenspielen keine Untersuchungen.<br />
Aber die oben genannten Zahlen der Musikbranche<br />
zeigen, dass das Interesse durch<br />
Raubkopien zunimmt. Dieses Interesse führt<br />
aber nur sehr bedingt. zu höheren Verkaufszahlen<br />
– wie bei Werbung erwünscht – sondern<br />
zu höheren Kopierzahlen. Raubkopieren<br />
nützt also nur, wenn man – ähnlich wie<br />
Microsoft mit Windows in der Computerbranche<br />
– die Kontrolle über den Rollenspielmarkt<br />
anstrebt.<br />
„Übrigens liegt im Problem der Kopien<br />
auch der Grund, warum wir uns sehr genau<br />
überlegen, irgendwelche Produkte als<br />
Software zu publizieren. Alles, was als Datei<br />
vorliegt, lädt zum Kopieren geradezu ein.<br />
Daher müssen wir bei einem DSA-Lexikon<br />
auf CD, bei einem versofteten Kartenwerk<br />
und auch bei einem Heldengenerator sehr<br />
genau überlegen, ob die hohen Programmier-Kosten<br />
überhaupt wirtschaftlich sein<br />
können – obwohl wir auf jeden Fall den Sinn<br />
solcher Produkte sehen.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
Ein bisschen<br />
„Druck“ machen…<br />
„Die heutigen Standards für Rollenspielprodukte<br />
sind im Vergleich zu früher sehr<br />
hoch – hochwertige Inhalte und Texte,<br />
vierfarbiger Druck, qualitativ hochwertige<br />
Zeichnungen, Hardcover und gute Bindung,<br />
gute Papierqualität – dies alles hat natürlich<br />
auch seinen Preis.“<br />
— Björn Meyer, Amigo<br />
Kaum jemand will nur Raubkopien zum<br />
Rollenspielen verwenden. Die Kopien sind<br />
schlecht, teuer im Druck – besonders in Farbe<br />
– und ein Schlabberhefter ist dröge. Das<br />
ist der große Vorteil, den die gedruckten Materialien<br />
haben.<br />
„Natürlich bemühen wir uns, den Kunden<br />
auch das Gefühl zu vermitteln, dass das<br />
Original besser ist, als eine Kopie – indem<br />
wir zum Beispiel in zunehmendem Maße<br />
Hardcover produzieren, die einfach viel<br />
praktischer sind als ein abgehefteter Kopienstapel,<br />
oder Farbkarten und Handouts<br />
beilegen, die ebenfalls schlecht zu kopieren<br />
sind.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
„Gute Sachen finden sich aber bei mir<br />
in Papierform – insbesondere wenn die<br />
Aufmachung stimmt. Edle, gut verarbeitete<br />
Hardcover, etc. – man wird dekadent. Das<br />
scheint auch der Weg der Verlage zu sein:<br />
Added Value durch ansprechendes Design<br />
– Sparfüchse laden immer schlechte Kopien<br />
aus dem Netz.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Es gibt einige Beispiele für frei im Netz veröffentlichtes<br />
Material: Issaries (HeroQuest)<br />
bietet Quellenmaterial kostenlos an. Ironcrown<br />
Enterprises (Rolemaster) verkauft<br />
PDF-Versionen von einigen Produkten. Greg<br />
Stolze veröffentlicht Erweiterungen seines<br />
Systems Reign als zunächst kostenpflichtige,<br />
später freie Downloads. Neue, kleine Systeme<br />
(z.B. Endland, AERA) haben ihr komplettes<br />
Grundregelwerk im Netz freigegeben.<br />
Lohnt es sich vielleicht zusätzliches Material<br />
auf diesem Weg anzubieten? Ein paar Waffentabellen<br />
hier, ein paar Zaubersprüche dort?<br />
„Die von uns angebotenen Downloads sind<br />
bisher unentgeltlich, jedoch tragen wir uns<br />
mit dem Gedanken, diverses Material (auch<br />
Abenteuer) in Zukunft gegen eine geringe<br />
Gebühr im Web anzubieten. Wir werden<br />
dabei den Spielern finanziell soweit wie<br />
möglich entgegenkommen, denn ich weiß<br />
aus eigener Erfahrung, dass man nur dann<br />
etwas kauft (besonders online), wenn man<br />
sich nicht übers Ohr gehauen fühlt.“<br />
— Elsa Franke Verlag für F&SF-Spiele<br />
Am Ende?<br />
Ein Punkt fiel meiner Meinung nach bisher<br />
unter den Tisch: die Gleichgültigkeit gegenüber<br />
den Rollenspielwerken. Die Raubkopien<br />
machen aus ihnen ein billiges Wegwerfprodukt<br />
– mit einem Klick sind sie auf der Platte<br />
und mit einem weiteren Klick wieder gelöscht.<br />
Der Respekt gegenüber der Arbeit der<br />
Autoren und aller anderen Mitarbeiter geht<br />
in der Masse der herunterladbaren Produkte<br />
verloren. So gut wie niemand kann das ganze<br />
Material wirklich erfassen und verstehen, und<br />
so wird alles nur überflogen. Wer kann denn<br />
schon außergewöhnliche Werke innerhalb<br />
von 5 Minuten erkennen? Überspitzt gesagt,<br />
wandern die Produkte so vom Status der<br />
Sonderausgabe eines Hochglanzmagazins zu<br />
dem eines Supermarkt-Werbeprospekts im<br />
Briefkasten. Ganze Lebenswerke wandern in<br />
Minuten über die Leitung und schaffen eine<br />
neue Erwartungshaltung: wenn Werke, die<br />
mit viel Freude und Herzblut geschrieben<br />
werden, kostenlos und im Überfluss herumliegen,<br />
was muss dann erst geleistet werden,<br />
um für 20 € verkauft werden zu können?<br />
„[Was sagen Verlage und Autoren?] Genauso<br />
unterschiedliche Dinge wie Musiker<br />
bzw. Produzenten. Verlage stehen dem<br />
wahrscheinlich abgeneigter gegenüber als<br />
Autoren.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Vielleicht ist es aber auch einfach eine Notwendigkeit,<br />
sich damit abzufinden und auf<br />
die Ehrlichkeit der echten Fans zu hoffen,<br />
die auch bereit sind für ihre Devotionalien<br />
zu bezahlen.“<br />
— Ralf Sandfuchs, Krimsu •<br />
Seite 78<br />
Lesen & Spielen
RollenspielDesign<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Was ist<br />
Rollenspieldesign?<br />
TEIL I DER REIHE ÜBER ROLLENSPIELDESIGN<br />
TEXT: STEFAN „1OF3“ KOCH<br />
ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />
Rollenspiel-Design ist eine konzeptionelle<br />
Richtung, die Pen & Paper Rollenspiele anhand<br />
einer für das Spiel zuvor festgelegten<br />
Idee konzipieren und ausarbeiten will. Die<br />
Begrifflichkeit kam vermutlich erstmal im<br />
Umfeld der Forge (siehe Seitenkasten) auf,<br />
aber die Idee erfreut sich jüngst auch im<br />
Mainstream immer größerer Beliebtheit. So<br />
scheint die neue Edition von D&D, die im Juni<br />
dieses Jahres erscheinen wird, dieses Konzept<br />
ebenfalls zu verfolgen.<br />
Die dem Rollenspieldesign zu Grunde liegende<br />
Idee ist, dass man ein Rollenspiel nach<br />
intersubjektiven Kriterien betrachten kann,<br />
die mehr sagen als: „Gefällt mir (nicht).“ Das<br />
wichtigste Kriterium ist dabei, ob ein Spiel das<br />
hält, was es verspricht. Ein Spiel gilt demnach<br />
als gut designt, wenn es die eigenen Zielsetzungen<br />
in seinen Bestandteilen umsetzt.<br />
Die wichtigste Zielsetzung ist hierbei das<br />
Vorstellen einer gewissen Art von Spielerlebnis.<br />
Dazu bedient sich der Designer des<br />
Schreibens von Spielregeln.<br />
Rollenspiel<br />
und Regeln<br />
Als Erstes muss man erkennen, dass jedes<br />
Rollenspiel Regeln hat. Selbst wenn keine<br />
Zahlen benutzt werden, wie z.B. bei Engel<br />
von Feder&Schwert, gibt es trotzdem Regeln.<br />
Beispielsweise gibt es bei Engel einen<br />
Spielleiter, der bestimmte Aufgaben erfüllen<br />
soll.<br />
DIE FORGE<br />
Die Forge (http://www.indie-rpgs.com)<br />
ist ein Internet-Forum für Rollenspiel-<br />
Autoren, das von Ron Edwards gegründet<br />
wurde. Der in Forge-Kreisen häufig<br />
verwendete Begriff „kohärentes Design“<br />
erscheint allerdings doppelt-gemoppelt.<br />
Ein Spiel ist entweder designt, also einem<br />
bestimmten Konzept folgend, oder eben<br />
nicht.<br />
Der Designer kann selbstverständlich<br />
nicht davon ausgehen, dass eine<br />
Spielrunde die Regeln letztendlich<br />
so benutzt wie sie geschrieben stehen.<br />
Das Erstellen von Hausregeln ist<br />
schließlich seit jeher ein wesentlicher<br />
Bestandteil des Hobbys.<br />
Von einem Designer kann daher<br />
erwartet werden, dass seine<br />
Regeln einem Zweck genügen,<br />
nämlich das angestrebte Spielerlebnis<br />
zu fördern. Die Gruppe soll<br />
sich darauf verlassen können, dass<br />
sie, wenn sie die Regeln anwendet,<br />
dem angepriesenen Spielerlebnis nahe<br />
kommt.<br />
Die Möglichkeit einer Gruppe, die Regeln<br />
zu modifizieren, soll dadurch nicht beschnitten<br />
werden. Der Designer ist im Gegenteil<br />
gewisser Maßen in einer Beweispflicht, was<br />
seine Regeln angeht, so dass die Gruppe fundiert<br />
entscheiden kann, ob sie die Regeln so<br />
akzeptiert oder verändern möchte.<br />
Das Wesen der Regeln<br />
Was ist eine Regel im Rollenspiel? Im Grunde<br />
das Gleiche, wie bei allen anderen Spielen.<br />
Es handelt sich um Anweisungen darüber,<br />
was ein bestimmter Teilnehmer zu tun hat.<br />
Dieses einfache Konzept gerät allerdings<br />
vielfach in Vergessenheit. Gelegentlich<br />
kommt es beispielsweise vor – wenn etwa jemand<br />
in Internetforen ein selbstgemachtes<br />
Rollenspiel vorstellt – dass dort steht: „Es gibt<br />
drei Attribute: Muckis, Köpfchen und Beherztheit.<br />
Für eine Erfolgsprobe wird 1W12+Attribut<br />
gegen eine Schwierigkeit gewürfelt.“<br />
Vom Standpunkt des Rollenspiel-Designs<br />
kann dies nicht als Regel gelten. Eine korrekte<br />
Regel (bzw. ein Satz von Regeln) sähe beispielsweise<br />
so aus:<br />
Vorgeplänkel<br />
• Alle Teilnehmer bis auf einen erschaffen<br />
einen Protagonisten. Der verbleibende<br />
Teilnehmer wird als Hausmeister bezeichnet<br />
und spielt alle anderen auftretenden<br />
Charaktere.<br />
• Die Protagonisten und nur diese erhalten<br />
drei Eigenschaften: Muckis, Köpfchen und<br />
Beherztheit (deren Ermittlung wird an<br />
einer anderen Stelle definiert).<br />
• Der Hausmeister erhält einen Satz normaler<br />
Spielkarten (ausgenommen Joker)<br />
und zieht zu Beginn sieben Karten. Immer<br />
wenn er seine Hand leer gespielt hat,<br />
zieht er sieben neue Karten.<br />
Erfolgsproben<br />
• Der Hausmeister kann eine Karte von seiner<br />
Hand spielen, um einen Protagonisten<br />
vor eine Erfolgsprobe zu stellen.<br />
• Der Spieler des Protagonisten würfelt<br />
dann 1W12 plus ein Attribut seiner Wahl.<br />
• Ist das Ergebnis des Spielers höher als<br />
der Kartenwert +5 war der Protagonist<br />
erfolgreich. In diesem Fall darf der Spieler<br />
des Protagonisten einen anderen Spieler<br />
bitten, die Handlung ein wenig fortzuspinnen,<br />
wobei der Protagonist in möglichst<br />
positivem Licht dargestellt werden sollte.<br />
• Ist die Probe ein Fehlschlag kann der<br />
Hausmeister einen Spieler bitten, die<br />
Handlung ein Stück weiterzuspinnen,<br />
wobei der Protagonist sich ganz erheblich<br />
lächerlich machen sollte. Nachdem der<br />
Lesen & Spielen<br />
Seite 79
ANDUIN <strong>95</strong><br />
RollenspielDesign<br />
Erzähler geendet hat, zeigen alle mit dem<br />
Finger auf den Spieler des unglücklichen<br />
Protagonisten und lachen ihn aus.<br />
Im Unterschied zu jenem Forenbeitrag<br />
wird hier deutlich gesagt, was welcher Spieler<br />
wann tun soll. Insbesondere wird deutlich<br />
geregelt, wer die Erfolgsprobe initiiert und<br />
was hinterher dabei rauskommt.<br />
Die Begründung<br />
von Regeln<br />
Das obige Beispiel ist natürlich bewusst<br />
überzeichnet, aber grundsätzlich können Regeln<br />
fast alles beinhalten.<br />
i) Ein Spiel könnte als Regel haben, dass<br />
Spieler die direkte Rede benutzen sollen,<br />
wenn ein Charakter spricht.<br />
ii) Ein anderes Spiel könnte regeln, dass<br />
nur für bestimmte Charaktere direkte<br />
Rede benutzt wird.<br />
Beide Regeln können interessant sein,<br />
sofern sie zu den Zielsetzungen des Spiels<br />
passen. Es ist daher nötig, dass der Designer<br />
Regeln zumindest für sich begründen kann.<br />
Eine Begründung für (i) könnte sein, dass damit<br />
ein lebhafteres, ein direkteres Spiel entsteht.<br />
Aus diesem Grunde wird dies wohl in<br />
vielen Spielgruppen so gehandhabt.<br />
Variante (ii) könnte vielleicht für ein dystopisches<br />
Spiel passen, in dem die meisten<br />
Menschen gehirnlose Drohnen sind und nur<br />
einige wenige über einen freien Willen verfügen.<br />
(Man könnte den Gedanken weiterspinnen<br />
und nun eine numerische Ressource<br />
Freier Wille einführen, die einen Freidenker<br />
wieder zur Drohne werden lässt, wenn er zu<br />
Seite 80<br />
INFOS<br />
Über den Artikel<br />
Wir planen, Euch künftig regelmäßig<br />
Artikel zum Thema Rollenspieldesign zu<br />
liefern. Ideen für einen Namen für diese<br />
neue Rubrik können gerne per E-Mail oder<br />
im Forum abgegeben werden.<br />
Über den Autor<br />
Stefan bloggt regelmäßig zum Thema<br />
Rollenspieldesign auf seiner Seite:<br />
1of3.blogspot.com.<br />
Zum Thema<br />
Bereits in früheren Ausgaben der <strong>Anduin</strong><br />
haben wir über das Thema Rollenspieldesign<br />
berichtet. Ganz besonders empfehlen<br />
möchten wir Euch hier die Ausgabe<br />
85, in der ein Artikel über unterschiedliche<br />
Spieletypen zu finden ist.<br />
freigiebig damit umgeht.)<br />
Das Credo für den Designer ist daher eine<br />
geistige Unbeschwertheit, die sich nicht von<br />
Realismus, Tradition oder ähnlichen Ideen<br />
einschränken lässt, sondern sie benutzt, wo<br />
es passt, und spielerisch mit ihnen umgeht.<br />
Das Ungeregelte<br />
Nun mag es so scheinen, dass ein Designer<br />
alles regeln müsste. Das ist falsch, denn ein<br />
Reiz des Rollenspiels ist es, einfach einmal<br />
Dinge zu tun, die nicht in den Regeln stehen.<br />
Ich nehme einfach als Beispiel, den Urvater<br />
des Rollenspiels. So gibt es in D&D kaum<br />
Anreize „den Charakter auszuspielen“, trotzdem<br />
tun viele Spieler das.<br />
Das macht D&D nicht zu einem schlecht<br />
designten Spiel. In Wahrheit handelt es sich<br />
um eine bewusste Design-Entscheidung, sich<br />
mit solchen Dingen von der Designerseite<br />
nicht zu beschäftigen. Das geschriebene<br />
D&D konzentriert sich stattdessen auf sein<br />
Kerngeschäft, was es insoweit zu einem gut<br />
designten Spiel macht.<br />
Wenn dagegen ein Spiel sich auf die Fahnen<br />
schreibt, von höfischen Intrigen zu handeln,<br />
und stattdessen lieber seitenlange Regeln<br />
zum Monster Töten präsentierte, so muss<br />
man es für schlecht designt halten.<br />
Eng verwandt mit diesem Fehler ist es, der<br />
Gruppe bewusst Dinge zu überlassen, aber<br />
dies in falscher Weise zu tun. Beispielhaft für<br />
dieses Problem ist die Art und Weise wie in<br />
vielen Spielen die Abschnitte für den Spielleiter<br />
geschrieben sind. Während nämlich die<br />
Spieler eine handliche Anleitung zur Erschaffung<br />
ihrer Charaktere erhalten, bekommt der<br />
Spielleiter nur blumige Sätze.<br />
Daraus ergibt sich, dass selbstverständlich<br />
die Teilnehmer eigene Inhalte kreieren sollen.<br />
Wenn jedoch die Erschaffung eines bestimmten<br />
Elements für das angestrebte Spielerlebnis<br />
nötig ist, sollte es besser eine Check-Liste<br />
dafür geben.<br />
Das Rollenspiel<br />
an sich<br />
Bevor wir nun weiter einsteigen, sollte<br />
man sich vor Augen führen, was Pen & Paper<br />
Rollenspiel eigentlich im Allgemeinen ist.<br />
Dazu gibt es zwar, wie wir alle wissen, recht<br />
verschiedene Einstellungen, aber die folgende<br />
Beschreibung scheint mir dabei ein kleinster<br />
gemeinsamer Nenner zu sein:<br />
Beim Rollenspiel stellen sich die Teilnehmer<br />
gemeinsam eine fiktive Umgebung vor<br />
und manipulieren diese nach bestimmten<br />
Regeln. Sie übernehmen darüber hinaus<br />
Charaktere in dieser Umgebung und spielen<br />
sie.<br />
Diese Beschreibung enthält viele Dinge<br />
nicht. Dort steht nichts von Spielleitern, denn<br />
es gibt Rollenspiele, die keinen vorsehen.<br />
Ebenfalls wird nicht auf Werte oder Würfel<br />
eingegangen, denn auch hier finden sich Rollenspiele<br />
ohne. Ich werde in den beiden folgenden<br />
Abschnitten noch einmal auf diese<br />
speziellen Elemente eingehen.<br />
Festgehalten ist dagegen die vornehmliche<br />
Aufgabe von Regeln: Sie sind Konventionen<br />
mit denen die Teilnehmer die fiktive<br />
Umgebung manipulieren. Sie sind zunächst<br />
einmal keinesfalls die „Physik der Spielwelt“<br />
oder etwas ähnliches, wie wir auch schon an<br />
den Beispielen oben gesehen haben. Zwar<br />
kann man vereinzelt gewisse Vorgänge in<br />
der Spielwelt über Werte nachempfinden,<br />
aber auch diese Prozesse benötigen andere<br />
Regeln als Überbau, die den Inhalt der vorgestellten<br />
Umgebung gänzlich ignorieren.<br />
Werte und Würfel<br />
Zahlen und Zufallsexperimente sind Klassiker<br />
im Rollenspiel und viele Spieler haben<br />
Spaß daran, sich mit Regeln auseinanderzusetzen<br />
und taktisch mit ihnen umzugehen.<br />
Neben der Freude an der fiktiven Umgebung,<br />
den Charakteren und der entstehenden<br />
Handlung, gibt es hier für viele Spieler<br />
gleichsam einen zweiten Spielplatz, der den<br />
klassischen Gesellschaftsspielen ähnelt.<br />
Wer dies in sein Spiel einarbeiten möchte,<br />
sollte sich also mit den Prinzipien von Gesellschaftsspielen<br />
auseinandersetzen, aber<br />
an dieser Stelle scheint es mir wichtiger zunächst<br />
auf die spezielle Funktion von Werten<br />
und Zufall im Rollenspiel einzugehen.<br />
Die Funktion ist hierbei zweierlei. Zum einen<br />
protokollieren Werte ausgewählte Elemente<br />
der fiktiven Umgebung, zum anderen<br />
dienen Werte und Zufall dazu, Elemente der<br />
fiktiven Umgebung zu ändern. Neben den<br />
oben erwähnten Check-Listen können Zahlen<br />
daher einen wichtigen Beitrag liefern,<br />
um die Vorstellung gemäß des angestrebten<br />
Spielerlebnisses zu formen.<br />
Viele Fans machen dabei den Fehler, dass<br />
sie einen Satz von Werten allgemein für besser,<br />
realistischer oder förderlicher fürs richtige<br />
Rollenspiel halten. Jede solche Aussage ist<br />
falsch. Die Auswahl der Werte ist immer willkürlich,<br />
genauso wie die Auswahl der Dinge,<br />
die überhaupt durch Werte modelliert werden.<br />
Ein Satz von Werten ist genau dann gut<br />
für ein Rollenspiel, wenn er das angestrebte<br />
Spielerlebnis einfängt und nicht mehr.<br />
Lesen & Spielen
RollenspielDesign<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Der Spielleiter<br />
In der Vergangenheit habe ich vielfach eine<br />
gewisse Überraschung ausgelöst, wenn ich<br />
darauf hinwies, dass es Rollenspiele ohne<br />
Spielleiter gebe. Ich nehme an, diese Überraschung<br />
erklärt sich vor allem darin, dass sich<br />
im Begriff des Spielleiters zwei Grundideen<br />
vermischen.<br />
Zunächst ist da der Teilnehmer, der besonders<br />
engagiert ist, der bereit ist viel Geld für<br />
Materialien auszugeben, sich außerhalb der<br />
Spielsitzungen mit dem Hobby zu beschäftigen<br />
und dergleichen. In der Tat ist Rollenspiel,<br />
ist wohl kein Hobby, ohne solche Personen<br />
denkbar. Solche Teilnehmer werden<br />
auch als Alpha-Spieler bezeichnet.<br />
Lesen & Spielen<br />
Auf der anderen Seite ist der Spielleiter<br />
eine Regel. Wie wir gesehen haben, legen<br />
Regeln fest, was die Teilnehmer tun. Der<br />
Spielleiter ist nun ein Teilnehmer, der gewisse<br />
Aufgaben zugewiesen bekommt, die die<br />
anderen nicht haben. Tatsächlich benutzen<br />
viele Rollenspiele gleichsam eine Negativdefinition<br />
für den Spielleiter: Der Spielleiter tut<br />
alles, was die Spieler nicht tun.<br />
Diese Herangehensweise ist vom Standpunkt<br />
des Rollenspieldesigns nicht haltbar.<br />
Wenn es das Ziel ist, der Gruppe ein bestimmtes<br />
Spielerlebnis zu ermöglichen, muss es für<br />
jeden Teilnehmer eine konkrete Anleitung<br />
geben.<br />
Was den nicht vorhandenen Spielleiter<br />
angeht, ist es nun wohl einfach zu denken,<br />
dass man auch zwei oder mehr Teilnehmer<br />
für Sonderaufgaben abstellen könnte oder<br />
auch keinen. Insofern gibt es auch gar nicht<br />
Spielleiter im Allgemeinen, sondern nur für<br />
ein Spiel möglicherweise ein Aufgabenbündel,<br />
das als Spielleitung bezeichnet wird.<br />
Warum aber ist der Spielleiter als Regel so<br />
beliebt bzw. welche Aufgabe speziell kann<br />
eine Regel „Spielleiter“ besonders gut abdecken?<br />
Die Mittel, die einem Spielleiter für gewöhnlich<br />
zugesprochen werden, erlauben<br />
es in einfacher Weise, das Spiel am Laufen zu<br />
halten. Wenn das Spiel lahmt, kann der typische<br />
Spielleiter ohne Aufwand neue Elemente<br />
einbringen. Wenn das Spiel auseinander<br />
divergiert oder schlecht passende Elemente<br />
ins Spiel kommen, kann der Spielleiter abblocken.<br />
Wer also auf einen Spielleiter bzw. auf<br />
die übliche Negativdefinition verzichten will,<br />
muss sich insbesondere über diese Aspekte<br />
Gedanken machen.<br />
Fazit: Warum designte<br />
Rollenspiele?<br />
Letztlich lassen sich zwei Motivationen für<br />
das Rollenspieldesign erkennen. Zum einen<br />
gibt es eine Freude am Experimentieren. Wie<br />
weit kann man also mit der oben gegebenen<br />
Definition von Rollenspiel gehen? Welche<br />
Möglichkeiten und Grenzen gibt es? Unnötig<br />
zu sagen, dass gerade auch hinsichtlich von<br />
Spielwerten und Vorgehensweisen aus dem<br />
Rollenspieldesign in den letzten Jahren viele<br />
neue Anregungen gekommen sind.<br />
Auf der anderen Seite will das Rollenspieldesign<br />
einfachere und zugänglichere Spiele<br />
liefern, gerade auch indem dem eventuellen<br />
Spielleiter bessere Hilfestellungen geboten<br />
werden. Ein typischer Vorwurf ist hierbei,<br />
dass die Freiheit und Kreativität des Spielleiters<br />
beschränkt wird. Dies ist aber nicht haltbar,<br />
denn sonst müsste man auch eindeutige<br />
Regeln zur Charakter-Erschaffung als Einschränkung<br />
der Kreativität der Spieler sehen.<br />
Sofern dies einmal vorkommt, hat die Szene<br />
aber schon lange ein Mittel gefunden:<br />
Hausregeln.<br />
Wenn also einmal die Meinung entsteht,<br />
dass die jeweilige Anleitung zur Spielleitung<br />
unpassend ist, möge doch auch hier das gleiche<br />
Medikament verschrieben werden. Das<br />
Rollenspieldesign geht nur davon aus, dass<br />
das Anpassen eines Spiels eine Option sein<br />
sollte und keine Hürde, die es auf jeden Fall<br />
zu nehmen gilt. •<br />
Seite 81
ANDUIN <strong>95</strong><br />
OHNE SCHMIDT UND JOHNSON<br />
Ohne Schmidt<br />
und Johnson<br />
SHADOWRUN OHNE KLASSISCHE AUFTRAGGEBER – UNDENKBAR?<br />
TEXT: JENS ULLRICH<br />
ILLUSTRATION: JIM<br />
Der Aufhänger ist immer der Gleiche. Der<br />
Schieber ruft an, man solle sich mit einem<br />
Herrn Schmidt in einem Hinterzimmer oder<br />
irgendeinem anderen Ort treffen, um dort<br />
einen Job anzunehmen. So beginnt der typische<br />
Shadowrun. Aber soll und muss er das?<br />
Im Gegensatz zu vielen anderen Spielsystemen<br />
ist Shadowrun sehr fixiert auf den<br />
Arbeitsauftrag als Abenteueraufhänger. Die<br />
Charaktere sind mehr oder weniger professionelle<br />
Kriminelle, die für eher weniger als<br />
mehr vertrauenswürdige Mittelsmänner<br />
schmutzige Jobs erledigen und ansonsten<br />
kaum einen Finger krumm machen. Wie soll<br />
man solche Leute sonst in ein Abenteuer bekommen?<br />
Seite 82<br />
Der Schlüssel hierzu ist die Motivation.<br />
1. Geld<br />
Was fällt einem bei Motivationen von<br />
Runnern als Erstes ein? Nuyen. Entweder direkt<br />
auf einem virtuellen Konto oder einem<br />
Credstick, oder in Form von Waffen, Foki,<br />
Cyberware, Drogen oder anderen Goodies.<br />
Genau dafür erledigen Runner ihre krummen<br />
Geschäfte im Auftrag ihres Schmidts, warum<br />
also sollten sie das nicht auch ohne einen<br />
Auftraggeber tun?<br />
Der Aufhänger hier ist im Zweifelsfalle guter,<br />
alter Diebstahl. Wenn die Charaktere mitbekommen,<br />
dass ihr heiß ersehntes<br />
Spielzeug nächste Woche an einen<br />
Bodyshop in St. Pauli oder einen<br />
Thaumaturgen in Heidelberg geliefert<br />
werden soll, dürfte das den<br />
einen oder anderen anspornen mal<br />
auf eigene Rechnung zu arbeiten.<br />
Wenn das Objekt der Begierde jedoch<br />
nicht direkt „verwertbar“ ist, sondern<br />
versilbert werden soll, kann das wirkliche<br />
Abenteuer sogar erst nach dem eigentlichen<br />
Diebstahl beginnen. Denn einen<br />
echten Chagall, ein hochgezüchtetes<br />
Rennpferd oder einen taubeneigroßen<br />
Diamanten dürften die meisten Schieber<br />
gar nicht erst verkauft bekommen,<br />
was die Suche nach einem entsprechenden<br />
Hehler oder Zwischenhändler<br />
nicht ganz einfach gestalten<br />
dürfte. Sinnvollerweise<br />
sollte man diese Suche<br />
zwar vor dem eigentlichen<br />
Beschaffen erledigt<br />
haben, aber manchmal macht<br />
Gelegenheit einfach Diebe.<br />
2. Gefühle<br />
Auch wenn es genug Spieler gibt,<br />
die ihren Runnern kaum bis gar keine<br />
Gefühle zuschreiben, sollen emotional<br />
agierende Runner durchaus schon beobachtet<br />
worden sein. So kann es durchaus<br />
sein, dass Charaktere aus Liebe, Rache oder<br />
Eifersucht allerlei Bockmist bauen, zum Beispiel<br />
für eine Geliebte, für die eigenen Kinder<br />
oder sonst wie emotional wichtige Personen<br />
der Charaktere. Ob nun die Mutter schwer<br />
krank ist und dringend eine gerade erst neu<br />
entwickelte Behandlungsmethode benötigt<br />
oder die neue Liebschaft mit den schicken<br />
und sündhaft teuren Designercyberarmen<br />
aus der Auslage des Body Art liebäugelt, professionelle<br />
Kriminelle sollten hier ihre ganz<br />
eigenen Wege zur Beschaffung kennen. Vielleicht<br />
durchkreuzt aber auch irgendein vorwitziger<br />
Schamane immer wieder die Jobs<br />
der Runner, um die Magierin der Gruppe zu<br />
beeindrucken, oder ein Exec hat auf Novacoke<br />
den Bruder des Hackers überfahren, was<br />
Rache als Motivation sehr schnell ins Spiel<br />
bringen dürfte.<br />
3. Connections und<br />
Freunde<br />
Üblicherweise wollen Runner etwas von<br />
ihren Connections. Was also spricht dagegen,<br />
wenn das Spiel auch einmal anders herum<br />
laufen sollte? Möglicherweise traut sich<br />
der Hacker, der sonst immer seinen Kopf für<br />
die Runner hinhalten muss, nicht, ein Mädel<br />
anzusprechen, in das er verschossen ist, und<br />
bittet die Runner da etwas zu arrangieren.<br />
Dumm nur, dass sie ausgerechnet jetzt von<br />
einer echten Showgröße abgeschleppt oder<br />
gerade von den Tongs entführt wird. Dieses<br />
Spiel lässt sich natürlich für andere Connections<br />
fast beliebig weiter treiben. Verschwundene<br />
Verwandte, gestohlene Daten oder andere<br />
Bitten und Freundschaftsdienste sollten<br />
eine Menge Stoff für Abenteuer bieten.<br />
4. Feinde<br />
Ein guter Feind kann das Rückgrat einer<br />
ganzen Kampagne sein. Wichtig hierbei ist,<br />
dass seine Motive schlüssig sind und er zumindest<br />
zu Anfang am besten gar nicht erst<br />
Lesen & Spielen
OHNE SCHMIDT UND JOHNSON<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
persönlich in Erscheinung tritt. Gerade wenn<br />
er motiviert ist sich für Taten der Charaktere<br />
zu rächen, kann die ganze Angelegenheit für<br />
alle Beteiligten eine sehr persönliche Note<br />
bekommen. Vielleicht haben die Charaktere<br />
ja bei einem ihrer Runs den Lieblingsneffen eines<br />
karibischen Drogenbarons umgebracht.<br />
Er selbst ist zwar weit weg vom Geschehen,<br />
schickt aber seine Leute aus, um den Tätern<br />
das Leben zur Hölle zu machen. Sein Ziel ist<br />
dabei praktischerweise nicht der simple Tod<br />
der Charaktere, sondern ihnen nach und<br />
nach alles zu nehmen, was ihnen wichtig ist.<br />
Somit kann man sukzessiv ein Szenario der<br />
Bedrohung aufbauen, ohne nacheinander<br />
die Charaktere umzubringen oder immer<br />
wieder Mordanschläge scheitern zu lassen.<br />
Wenn dieser Drogenbaron auch noch einen<br />
Petrohougan zu seinen Freunden zählt und<br />
seine Leute die Charaktere aufstöbern und<br />
ihre Wohnungen auf den Kopf stellen konnten,<br />
dürfte Terror durch Ritualmagie nichts<br />
mehr im Wege stehen. Besonders interessant<br />
könnten dabei Zauber wie Traumsequenz<br />
oder Beeinflussen sein. Mittelfristig werden<br />
sich die Charaktere des Problems annehmen<br />
müssen, da der Baron durchaus Mittel und<br />
Motivation hat, den Runnern immer mehr<br />
nachzusetzen, was sogar in einen Trip in die<br />
Karibik und ein Katz-und-Maus-Spiel unter<br />
der karibischen Sonne münden kann.<br />
5. Ethik und Moral<br />
Die Welt ist hart und schmutzig, und entsprechend<br />
sind viele Charaktere abgestumpft<br />
und verroht. Viele, aber zum Glück nicht alle.<br />
Daher sollte es immer noch einige wenige<br />
geben, die gegen die Ungerechtigkeiten und<br />
die Schrecken der sechsten Welt antreten,<br />
wenn sie sich in ihrer Nähe ereignen. Wenn<br />
die Yakuza thailändische Mädchen im Keller<br />
des heruntergekommenen Mietshauses<br />
hält, in dem einer der Charaktere einen seiner<br />
Unterschlupfe aufgebaut hat, um sie als<br />
Schauspielerinnen an einen Ring von perversen<br />
BTL-Produzenten zu verkaufen, könnte<br />
das den einen oder anderen Charakter dazu<br />
veranlassen, über seinen Schatten zu springen<br />
und Profit Profit sein zu lassen. Dass die<br />
Yakuza wiederum eine solche Einmischung<br />
überhaupt nicht witzig findet und an solchen<br />
Hoodern nur zu gern ein Exempel statuieren<br />
möchte, ist nicht ganz unwahrscheinlich.<br />
Hieraus kann sich wiederum auch ein neuer,<br />
mächtiger Feind entwickeln. Vielleicht ist einer<br />
der Charaktere aber auch politisch interessiert<br />
und gehört zu Neo-Anarchisten, Ökoterroristen<br />
oder anderen Gruppierungen, die<br />
ihre ganz eigenen Beweggründe haben. Das<br />
bietet sich für Aufhänger aller Art natürlich<br />
ganz besonders an.<br />
Lesen & Spielen<br />
6. Zufall<br />
Manchmal hat man einfach<br />
Glück, oder Pech,<br />
und es drängen sich Personen<br />
oder Probleme in<br />
das Leben, ohne dass<br />
man so recht weiß woher<br />
sie kommen oder<br />
warum genau sie bei<br />
einem gelandet sind.<br />
Das beginnt<br />
beim klischeehaften<br />
Koffer,<br />
Paket oder<br />
F i n d e l k i n d<br />
vor der Haustüre,<br />
führt<br />
über Erpresser,<br />
Stalker, Fanboys<br />
oder verzweifelte<br />
Nachbarinnen im<br />
Bademantel bis hin<br />
zum Gestaltwandler<br />
in der Wohnung,<br />
der sich für seine wenn<br />
auch zufällige und unplanmäßige<br />
Rettung aus einem Labor<br />
beim letzten Run bedanken will und gleichzeitig<br />
darum bettelt, dass seine neuen Freunde<br />
sein Herrchen aus der Gefangenschaft bei<br />
den hiesigen Triaden befreien, die aus ihm<br />
das Rezept für die ewige Blume heraus quetschen<br />
wollen. Da Zufälle an sich weder von<br />
den Charakteren noch von NSCs bewusst<br />
herbeigeführt werden, sind die Motivationen<br />
für die Runner natürlich oft genug sehr gering,<br />
sich um die sich daraus entwickelnden<br />
Probleme zu kümmern.<br />
Die Charaktere<br />
Natürlich steht und fällt das ganze Spiel<br />
mit den Spielern und Charakteren. Jeder der<br />
oben genannten Aufhänger und Plotideen<br />
funktioniert nur so gut, wie er von den Charakteren<br />
angenommen wird. Es kommt ganz<br />
auf den einzelnen Charakter an, ob er auf eine<br />
bestimmte Motivation überhaupt anspringt.<br />
Der beinharte Samurai kann genauso gut die<br />
Türe einfach wieder zu machen, wenn er ein<br />
Findelkind vor seiner Türe findet, während<br />
die Wicca das Kleine am liebsten adoptieren<br />
möchte, ganz egal, ob es sich dabei um die<br />
entführte Tochter eines Politikers handelt<br />
oder es mit MMVV infiziert ist. Es bedarf daher<br />
eines gewissen Einfühlungsvermögens,<br />
wie neugierig, aktiv und extrovertiert die<br />
einzelnen Charaktere sind, denen man die<br />
Abenteueraufhänger serviert, und es ist mindestens<br />
genauso hilfreich, die Hintergrundgeschichte<br />
der Charaktere zu kennen, da man<br />
auf diese häufig solche Abenteuer aufbauen<br />
kann. Bei ganz harten Fällen aus der Riege<br />
„Ich habe keine Freunde und bewege mich<br />
nur, wenn man mich dafür bezahlt“ funktionieren<br />
Aufhänger um die Themen Gefühle,<br />
Ethik und Moral und Zufall selten bis gar<br />
nicht, während ein ablehnendes Verhalten<br />
gegenüber einer Connection zumindest dazu<br />
führt, dass eben diese ziemlich enttäuscht<br />
sein dürfte. Nichtsdestotrotz sollte man sich<br />
bewusst sein, dass es in diesen Fällen durchaus<br />
in Ordnung ist, wenn die Charaktere nicht<br />
auf die Abenteueraufhänger anspringen, und<br />
es daher überhaupt keinen Sinn macht, sie<br />
weiter damit zu traktieren oder ihnen direkt<br />
oder indirekt Sanktionen anzudrohen, nur<br />
weil sie nicht dem Plot folgen wollen. Flexibilität<br />
gehört nun einmal zum Handwerkszeug<br />
eines Spielleiters.<br />
Außerdem ist es selbstverständlich sinnvoll<br />
solche Aufhänger nur zu verwenden,<br />
wenn die Charaktere bereits eine feste Gruppe<br />
gebildet haben und sich entsprechend<br />
vertrauen und vielleicht sogar untereinander<br />
befreundet sind. Denn warum sollte der Hermetiker<br />
andere Runner um Hilfe bitten, wenn<br />
seine Hackerconnection seit zwei Wochen<br />
nichts mehr von seinem Sohn gehört hat, obwohl<br />
er sie kaum kennt und ihnen noch weniger<br />
über den Weg traut? Privates bleibt 2070<br />
eben allzu oft lieber privat und Vertrauen ist<br />
mehr wert als ein fetter Credstick. •<br />
Seite 83
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Strafe der Ungläubigen<br />
Strafe der Ungläubigen<br />
EIN ABENTEUER FÜR SPHERECHILD<br />
TEXT: ALEXANDER HARTUNG<br />
ILLUSTRATION: JIM, TOMMY HEINIG<br />
Hintergrund<br />
Ein Sembare möchte größere Gebiete von<br />
Valcreon unter seine Herrschaft bringen und<br />
versucht daher die Bevölkerung mit Viren aus<br />
einem Labor auf Icros einzuschüchtern.<br />
Dabei lässt der Sembare die Viren von einem<br />
Priester als eine Art Strafe Gottes für<br />
ungläubiges Verhalten verbreiten. Erst wenn<br />
sich die Bewohner der Region seinem Willen<br />
unterordnen, wird er sie wieder heilen.<br />
Die Charakter müssen den Viren-Hersteller<br />
auf Icros finden und den Verbreiter der Seuche<br />
auf Valcreon stoppen.<br />
Für dieses sphärenübergreifende Abenteuer<br />
benötigt jeder Spieler je einen Charakter<br />
auf Valcreon und Icros. Die beiden Gruppen<br />
sind dabei vom Erfolg ihrer Geschwister auf<br />
der jeweiligen anderen Welt abhängig.<br />
Das Erscheinen<br />
des Priesters<br />
Am zweiten Tag im dritten Mond kommt<br />
ein Priester Xehils in das Dorf Haaden, das<br />
nicht weit von der Grenze zwischen sinitischem<br />
Reich und T’chk-Reich (nordwestlich<br />
von Alt-Weiden) liegt. Der T’chk predigt von<br />
den Verfehlungen der Bewohner, deren Abkehr<br />
vom Glauben Xehils und warnt vor den<br />
Strafen, welche die Bewohner bald erwarten<br />
würden, sollten sie sich nicht bessern.<br />
Er stellt einige Forderungen, wie die Erbauung<br />
eines Xehil-Tempels und die Verbannung<br />
aller anderen Götter aus dem Alltag. In diesem<br />
Zusammenhang befiehlt er den Abriss<br />
des Dhea-Tempels in Haaden.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Dieses Verhalten passt eher zu einem Inquisitor,<br />
als zu einem Priester Xehils, der normalerweise<br />
Güte und Mitgefühl predigt. Diese<br />
Art des Verhaltens ist für einen Xehil-Priester<br />
höchst ungewöhnlich.<br />
Die Predigt erzeugt zwar Unruhe, wird<br />
aber nicht weiter beachtet. Zwei Tage später<br />
kommt der Priester wieder in das Dorf, um<br />
sich von den Fortschritten zu überzeugen. Da<br />
die Bewohner nicht mit dem Bau eines neuen<br />
Tempels begonnen haben und auch den<br />
Dhea-Tempel nicht niedergerissen haben,<br />
prophezeit er der Bevölkerung eine göttliche<br />
Strafe, die bis zu ihrem Gehorsam andauern<br />
wird. Tatsächlich erkranken einen Tag nach<br />
dieser Ankündigung die ersten Bewohner an<br />
einer Art Grippe, die sich schnell ausbreitet.<br />
Der Dorf-Heiler ist gegen die immer größer<br />
werdende Seuche fast machtlos, da Magie<br />
in dem Dorf nicht mehr zu funktionieren<br />
scheint und die nicht magischen Mittel keine<br />
Wirkung zeigen.<br />
Die Bewohner des Dorfs sind seit dieser<br />
Zeit gespalten. Einige wollen sofort einen Xehil-Tempel<br />
erbauen und den Dhea-Tempel abreißen,<br />
andere weigern sich dem Priester zu<br />
glauben und halten die Krankheit für einen<br />
großen Zufall. Mit jedem Tag sinkt die Anzahl<br />
der Zweifler an dem Priester mehr. Wenn die<br />
Charaktere ankommen, hat sich die Seuche<br />
schon so weit verbreitet, dass sich die Bevölkerung<br />
zum Handeln gezwungen sieht. Sie<br />
brennt den Dhea-Tempel nieder und beginnt<br />
mit dem Bau eines Xehil-Tempels.<br />
Die Taktik des Priesters<br />
Mit Hilfe eines Veränderungszaubers begibt<br />
sich der Priester (in Form eines sinitischen<br />
Reisenden) in das Dorf und späht<br />
dessen Wasserquelle aus. Dann kehrt er<br />
in seiner wahren Gestalt als T’chk wieder<br />
zurück und versucht die Bevölkerung<br />
mit einer Rede zu überzeugen.<br />
Zwei Tage später kehrt der Priester<br />
erneut zurück und macht sich<br />
ein Bild von den Fortschritten.<br />
Sollte sich nichts geändert haben,<br />
so droht er der Bevölkerung<br />
und kehrt dem Dorf scheinbar<br />
den Rücken. Tatsächlich kommt<br />
er aber in der Nacht mit vier Phiolen<br />
der Krankheitserreger wieder<br />
und kippt diese in den Brunnen des<br />
Dorfes.<br />
Breitet sich die Seuche aus und<br />
sind die Bewohner bereit, den Forderungen<br />
nachzugeben, wird der Priester<br />
sich einen Eimer mit Wasser bringen<br />
lassen, das Gegenmittel heimlich hineingeben<br />
und das Wasser an die Bevölkerung<br />
verteilen. Den Rest schüttet er in<br />
den Brunnen. Schon nach wenigen Stunden<br />
wird dieses Mittel wirken. Die Bewohner sind<br />
geheilt.<br />
Herkunft der Phiolen<br />
Die Phiolen mit den Krankheitserregern<br />
bzw. dem Gegenmittel wurden dem Priester,<br />
der tatsächlich ein Sembaren-Diener ist, von<br />
Icros übersandt. Diese im Labor gezüchteten<br />
Grippe-Erreger erhält der T’chk, ebenso wie<br />
das Gegenmittel, in kleinen Glasbehältern.<br />
Phiolen mit einem leichten Rotstich im Glas<br />
enthalten die Erreger, jene mit Blaustich das<br />
Gegenmittel.<br />
Seite 84<br />
Abenteuer
Strafe der ungläubigen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Die Erreger<br />
Die Grippeerreger führen nur in wenigen<br />
Fällen zum Tod und klingen, bei entsprechender<br />
Ruhe und Erholung, von alleine ab. Die<br />
Art der Grippe ist aber sehr ansteckend und<br />
kann sich schnell verbreiten. Vor allem Alte<br />
und Kinder werden von dem Erreger befallen.<br />
Die Motivation<br />
des Sembaren<br />
Der Sembare versucht mit dieser Methode<br />
einerseits Verwirrung zu stiften, andererseits<br />
aber auch sehr subtil seine Macht zu vergrößern.<br />
Mit diesen Dörfern als Basis und mit<br />
einem Diener an der Spitze, dem die Bevölkerung<br />
blind ergeben ist, lassen sich weitere<br />
Unternehmungen für die Vernichtung Valcreons<br />
planen.<br />
Die Störung<br />
Mit dem Moment der Verbreitung der<br />
Seuche, wird das betroffene Dorf von einer<br />
Störung heimgesucht, die als solche kaum<br />
zu erkennen ist. Im Umkreis von 200 m um<br />
die Phiolen bildet sich ein unsichtbares, nicht<br />
spürbares Feld, welches die Magie in diesem<br />
Bereich verzerrt. Das Feld wächst jeden Tag<br />
um etwa 50 m. Für jeden Zauber und jedes<br />
Artefakt, welches genutzt wird, muss vom<br />
Spielleiter (verdeckt) mit 2W20 gewürfelt<br />
werden, ob der Zauber gelingt oder nicht.<br />
2W20 Auswirkungen<br />
2 – 6 Magie funktioniert wie gewohnt<br />
7 – 29 Zauber funktioniert nicht<br />
30 – 37 Zauber hat die gegenteilige Wirkung<br />
oder (wenn nicht möglich)<br />
keine Wirkung<br />
38 – 40 Chaotische, unberechenbare<br />
Wirkung. Das Ergebnis wird vom<br />
Spielleiter festgelegt.<br />
Der Auftrag:<br />
Die Vision<br />
Ein Charakter (oder die ganze Gruppe) auf<br />
Valcreon wird von einer Vision der Sphäre<br />
heimgesucht. Er sieht einen Xehil-Priester<br />
vom Volk der T’chk, wie er auf dem Marktplatz<br />
eines kleinen Dorfes steht und eine<br />
flammende Rede hält.<br />
Auch wenn der Charakter die Worte nicht<br />
versteht, so scheint die Bevölkerung eingeschüchtert<br />
zu sein. Der Priester beendet<br />
die Rede, dreht sich um und verlässt das<br />
Dorf. Nur einen Augenblick später fallen die<br />
Dorfbewohner zu Boden und krümmen sich<br />
unter Schmerzen. Dann endet die Vision.<br />
Abenteuer<br />
Hinweise:<br />
Das Dorf war ausschließlich von Siniten bewohnt<br />
und lag auf einer größeren Waldlichtung.<br />
Außerdem konnte man ein Sägewerk<br />
und mehrere große Stapel Baumstämme sehen.<br />
Auf einem Gebäude, wahrscheinlich ein<br />
Wirtshaus, prangte das Wappen von Grivaron,<br />
einem Fürstentum im westlichen Teil des<br />
sinitischen Reichs, dessen Hauptstadt Alt-<br />
Weiden ist. Das Wappen ist eine grüne Tanne<br />
(mit schwarzem Stamm) auf einem Grashügel<br />
stehend mit braunem Hintergrund.<br />
Mit diesen Hinweisen müsste es den Charakteren<br />
klar werden, dass der Ort des Geschehens<br />
in der westlichen Waldregion des<br />
sinitischen Reiches, rund um Alt-Weiden,<br />
liegt. Dort wird der größte Teil der Holzarbeit<br />
des sinitischen Reiches getätigt.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Ist ein Sinite in der Gruppe, so kennt er diese<br />
Region oder hat zumindest von ihr gehört.<br />
Auch das Wappen dürfte ihm bekannt sein.<br />
Ansonsten helfen Proben auf Länderkunde<br />
oder das Befragen eines sinitischen Händlers,<br />
der weit gereist ist.<br />
Ankunft in der<br />
Region<br />
Ein erster Orientierungspunkt wird die<br />
Stadt Alt-Weiden sein, da sie das Zentrum<br />
dieser Region ist.<br />
Das Dorf finden<br />
Nur die ungefähre Beschreibung des Dorfs<br />
(Wappen an der Tür des Wirtshauses, Sägewerk,<br />
im Wald liegend…) wird wenig Erfolg<br />
bringen.<br />
Anlaufpunkt in Alt-Weiden könnte der<br />
Xehil-Tempel sein, da es sich bei dem T’chk<br />
um einen Xehil-Priester gehandelt hat. Sollten<br />
die Charaktere dort eine ungewöhnliche<br />
Krankheit bei den Bewohnern erwähnen, so<br />
erfahren sie von einem Dorf namens Haaden,<br />
in dem sich unerklärliche Erkrankungen ereignet<br />
haben. Der Xehil-Orden in Alt-Weiden<br />
ist in dieser Sache schon aktiv geworden. Einer<br />
der Priester, der Sinite Urfiel Utbok, wurde<br />
vor zwei Tagen in das 50 km nordwestlich<br />
von Alt-Weiden liegende Dorf gesandt, um<br />
sich von der dortigen Lage einen Eindruck zu<br />
verschaffen.<br />
Der Weg nach Haaden<br />
Nach Haaden führen kleinere Handelswege,<br />
welche die Reise dorthin unbeschwert<br />
machen. Wenn man sich von Alt-Weiden aus<br />
nordwestlich hält, kommt man an dem Dorf<br />
vorbei.<br />
Der zurückkehrende<br />
Xehil-Priester<br />
Nach etwa zwei Dritteln des Weges kommt<br />
der Gruppe ein Xehil-Priester entgegen, der<br />
auf dem Weg nach Alt-Weiden ist. Sprechen<br />
ihn die Charaktere an, so stellt er sich als Urfiel<br />
Utbok vor. Er erzählt der Gruppe, dass er<br />
in Haaden war. Die dortige Bevölkerung leidet<br />
an einer Art Grippe, die sich immer weiter<br />
ausbreitet. Als er seine magischen Fertigkeiten<br />
zur Heilung eingesetzt hat, schlug ein<br />
Zauber fehl und kehrte die heilende Wirkung<br />
in das Gegenteil um.<br />
Nur weil ihm zuvor einige Heilzauber gelungen<br />
waren, glaubte die Bevölkerung ihm,<br />
dass es nicht seine Schuld war. Urfiel ist sich<br />
sicher, dass er keinen Fehler beim Zaubern<br />
gemacht hat. Er kann sich nicht erklären, warum<br />
der Zauber eine umgekehrte Wirkung<br />
hatte.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Der Priester ist unsicher und von Selbstzweifeln<br />
geplagt. Er versteht nicht, wie ein einfacher<br />
Heilzauber eine solche Wirkung hat entfalten<br />
können. Die Ursache dafür weiß er nicht<br />
zu benennen.<br />
Aus Angst einen weiteren Bewohner zu töten<br />
und weil er ohne seine magischen Kräfte<br />
machtlos ist, hat sich der Xehil-Priester aus<br />
dem Dorf zurückgezogen.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Von dem T’chk-Priester und dessen Drohungen<br />
wird Urfiel Utbok nichts erzählen. Auch<br />
kann er die Ursache für die Seuche nicht benennen.<br />
Das Dorf Haaden<br />
Zustände im Dorf<br />
Die Gruppe sieht aus der Entfernung Rauchwolken<br />
in den Himmel steigen. Kommen die<br />
Charaktere nach Haaden, so werden sie ein<br />
Dorf in völliger Aufruhr antreffen:<br />
Die Dorfbewohner haben sich um den<br />
Dhea-Tempel gescharrt, der gerade bis auf<br />
die Grundmauern abbrennt. Anstatt den<br />
Tempel zu löschen, achten die Bewohner nur<br />
darauf, dass das Feuer nicht auf die anderen<br />
Häuser übergreift. Die Gesichter der Umherstehenden<br />
sind von der Trauer über diese Tat<br />
gezeichnet, aber niemand unternimmt etwas<br />
gegen den Brand.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Sollten die Charaktere versuchen zu löschen,<br />
so werden sie von der Bevölkerung abgehalten.<br />
Die Gruppe bekommt erklärt, dass das<br />
Feuer absichtlich gelegt wurde.<br />
Wer nicht an dem brennenden Tempel<br />
Seite 85
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Strafe der Ungläubigen<br />
steht, arbeitet ganz in der Nähe an einem<br />
neuen Gebäude – einem Xehil-Tempel. Dies<br />
scheint die einzige Betätigung der Bevölkerung<br />
zu sein.<br />
Sie arbeiten Tag und Nacht daran und<br />
machen einen gehetzten Eindruck. Die Bevölkerung<br />
ist verängstigt und reagiert unfreundlich,<br />
sollte sie jemand von der Arbeit<br />
ablenken wollen.<br />
Den Charakteren fällt auch auf, dass einige<br />
in der Bevölkerung erkrankt sind. Sie haben<br />
sich mit einer Art Grippe infiziert, die sie<br />
zwar nicht umzubringen scheint, aber doch<br />
schwächt. Die Kranken werden alle in ihren<br />
Häusern von ihren Familienmitgliedern oder<br />
anderen Freiwilligen gepflegt. Ein gemeinsames<br />
Krankenlager gibt es nicht.<br />
Seite 86<br />
Beginn der Krankheit<br />
Die ersten Anzeichen für eine Krankheit<br />
erfolgten schon am nächsten Morgen, nachdem<br />
der T’chk das Dorf wieder verlassen<br />
hatte und (in der Nacht) die Phiolen in den<br />
Brunnen geworfen hatte.<br />
Symptome:<br />
Die Krankheit beginnt mit einem Schwächegefühl<br />
und Appetitlosigkeit. Dann folgen<br />
Kopfschmerzen und Müdigkeit. Der Kranke<br />
beginnt zu husten und bekommt eine trockene<br />
Kehle. Schließlich kommt es zu Schüttelfrost<br />
und hohem Fieber.<br />
Die meisten Kranken des Dorfs sind schon<br />
im letzten Stadium mit hohem Fieber und<br />
Schüttelfrost.<br />
Der Virus ist zwar nur in seltenen Fällen<br />
tödlich, hat aber eine sehr kurze Inkubationszeit<br />
von ein bis zwei Stunden.<br />
Dorfbeschreibung<br />
Haaden besteht nur aus wenigen Häusern,<br />
ist aber Treffpunkt vieler Bauern und Holzfäller<br />
aus der Region. Das Dorf hat keine Mauern<br />
oder Wachtürme. Es liegt in der Nähe einer<br />
kleineren Handelsstraße und erfreut sich<br />
ab und zu auch an Durchreisenden.<br />
Ortsvorsteher ist Gazin Gahnach. Er scheint<br />
einer der wenigen Vernünftigen zu sein und<br />
ist für jede Hilfe dankbar. Er kann aber kein<br />
Gold oder andere Wertgegenstände für diese<br />
Hilfe erübrigen. Einzig freie Kost und Logis<br />
im einzigen Gasthaus des Orts kann er anbieten.<br />
1 – Gasthaus mit Stall<br />
Die „Waldstätte“, das einzige Wirtshaus<br />
der Region, ist bei den Bauern und Holzarbeitern<br />
ein beliebter Treffpunkt. Hier finden<br />
sich auch regelmäßig Händler auf der Durchreise<br />
ein. Besitzer der Waldstätte ist Marom<br />
Mindat, ein ruhiger Mann, der mit seiner Frau<br />
und seinen drei Kindern seit über einem Jahrzehnt<br />
dieses Gasthaus betreibt.<br />
Zurzeit wirkt das Gasthaus verlassen und<br />
leer. Das Personal der „Waldstätte“ ist entweder<br />
krank oder arbeitet am neuen Tempel.<br />
Marom Mindat hält das Wirtshaus zwar<br />
offen, ist aber die meiste Zeit mit der Versorgung<br />
der Arbeiter beschäftigt. Niemand verweilt<br />
länger als für eine schnelle Mahlzeit.<br />
2 – Marktplatz<br />
Der Marktplatz ist Treffpunkt und Zentrum<br />
für die Bewohner der Region. Viele haben<br />
Bauernhöfe und Holzfällerlager in der Nähe,<br />
suchen aber regelmäßig den Weg nach Haaden.<br />
Jeden Tag finden sich hier einige Stände,<br />
auf welchen die Bauern der Region ihre<br />
Erzeugnisse verkaufen oder durchziehende<br />
Händler ihre Waren anbieten.<br />
Momentan ist der Markt verwaist, weil<br />
Abenteuer
Strafe der ungläubigen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
durchziehende Händler Haaden meiden und<br />
die Bauern weder die Kraft noch die Zeit haben,<br />
ihre Waren anzupreisen.<br />
3 – Haus des Ortsvorstehers<br />
Gazin Gahnach ist seit 12 Jahren Ortsvorsteher<br />
von Haaden. Der 46-jährige schlanke,<br />
braunhaarige Mann ist gelernter Händler<br />
und verdient seinen Lebensunterhalt mit<br />
dem Verkauf von Sägen und anderen Werkzeugen.<br />
Gazin Gahnach ist seit dem ersten<br />
Tag erkältet. Die Krankheit hat ihn zwar geschwächt,<br />
aber er ist kräftig genug die Charaktere<br />
zu empfangen, auch wenn er sich<br />
nicht am Bau des Tempels beteiligen kann.<br />
Er erzählt ihnen alles über die Vorgänge der<br />
letzten Tage.<br />
4 – Krämerladen<br />
Jolim Jaal ist schon in der zweiten Generation<br />
der Besitzer des Krämerladens. Der junge,<br />
blonde Mann ist von dem Auftreten des<br />
Priesters sehr eingeschüchtert, ist aber von<br />
der Krankheit noch nicht betroffen. Im Laden<br />
finden sich eine Vielzahl an Gebrauchs- und<br />
Ausrüstungsgegenständen einfacher Qualität.<br />
Jolim arbeitet die meiste Zeit auch an<br />
dem Tempel und hält den Laden während<br />
dieser Zeit geschlossen.<br />
5 – Dhea-Tempel<br />
Als die Charaktere in das Dorf kommen,<br />
werden sie Zeugen, wie der Dhea-Tempel abbrennt.<br />
Der langjährige Priester des Tempels,<br />
Namal Noltom, war in der Bevölkerung sehr<br />
beliebt, erkannte die Situation der Bevölkerung<br />
an und verließ in der Nacht zuvor das<br />
Dorf in Frieden. Niemand weiß, wo er hingegangen<br />
ist.<br />
6 – Brunnen<br />
Der Dorfbrunnen ist etwa 8 m tief und 1,2<br />
m breit. Nach 5,5 m erreicht man die Wasseroberfläche,<br />
somit beträgt die Wassertiefe 2,5<br />
m. An dem Brunnen befindet sich eine Winde<br />
mit großem Eimer, der zum Wasser Schöpfen<br />
genutzt werden kann. Vor dem Brunnen ist<br />
eine kleine Tränke für Vieh und Reittiere angebracht.<br />
Bei der Ankunft der Charaktere befinden<br />
sich im Brunnen vier Phiolen mit dem Krankheitserreger.<br />
Leuchtet man in die Tiefe, so<br />
sieht man ein Glitzern, das von den dünnen<br />
Glasröhrchen kommt. Steigt man in den<br />
Brunnen, so kann man die, teilweise zerbrochenen,<br />
Phiolen bergen.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Auch die Charaktere sind gegen die Krankheitserreger<br />
nicht immun. Sollten sie von dem<br />
Wasser trinken, können auch sie erkranken<br />
(schwierige KO-Probe).<br />
7 – Sägewerk<br />
Das Sägewerk von Hinron Heersoc verarbeitet<br />
das Holz der Arbeiter rund um Haaden.<br />
Der Sinite hat mehrere Hilfsarbeiter, die<br />
ihm bei der schweren Arbeit helfen.<br />
Das Sägewerk ist Tag und Nacht besetzt<br />
um die Bretter für den neuen Tempel zu sägen.<br />
8 – Köhlerei<br />
Der Köhler Forthrun Farkas arbeitet eng<br />
mit dem Sägewerk des Dorfs zusammen. Er<br />
stellt Holzkohle her, die er hauptsächlich an<br />
die Schmiede der Region verkauft. Hinter<br />
dem großen Gebäude des Köhlers sind zwei<br />
Kohlenmeiler aufgebaut, die Forthrun ständig<br />
auf die richtige Temperatur hin kontrolliert.<br />
9 – Xehil-Tempel<br />
Der Neubau des Xehil-Tempels wird von<br />
der Bevölkerung mit aller Kraft und Eile vorangetrieben.<br />
Der Tempel wird das größte Gebäude<br />
im Dorf. Bei der Ankunft der Gruppe<br />
steht schon das äußere Gerüst.<br />
Die Charaktere im Dorf<br />
Die Dorfbewohner sind für jede Hilfe dankbar,<br />
auch wenn sie sich nicht um die Charaktere<br />
kümmern können. Jeder Heilkundige,<br />
der die Kranken pflegt oder jede starke Hand<br />
ÜBERSICHT<br />
Übersicht über die<br />
Ereignisse auf Valcreon<br />
Die Tabelle soll dabei helfen, den Überblick<br />
über die Ereignisse und Orte auf<br />
Valcreon zu behalten.<br />
Tag Ereignisse auf Valcreon<br />
-6 Priester kommt das erste Mal nach<br />
Haaden.<br />
-4 Priester wirft nachts die Phiolen in<br />
den Brunnen von Haaden.<br />
-3 Bei der Bevölkerung in Haaden<br />
zeigen sich erste Symptome.<br />
-2 Priester kommt das erste Mal nach<br />
Ellreo.<br />
-1 Die Unruhe in Haaden wächst.<br />
0 Priester wirft nachts die Phiolen in<br />
den Brunnen von Ellreo.<br />
0 Die Seuche greift um sich. Die Bevölkerung<br />
Haadens beugt sich den<br />
Forderungen.<br />
0 Charaktere kommen in Haaden an.<br />
1 Die ersten Symptome in Ellreo<br />
zeigen sich.<br />
1 Haaden wird „geheilt“. Die Bevölkerung<br />
ist dem Priester ergeben.<br />
2 Die Seuche greift um sich. Die<br />
Bevölkerung Ellreos beugt sich den<br />
Forderungen.<br />
3 Ellreo wird „geheilt“. Die Bevölkerung<br />
ist dem Priester ergeben.<br />
3 Der Priester erhält neue Phiolen<br />
und will neue Dörfer bekehren<br />
(nächstes Ziel: Arnkagen).<br />
4 Priester kommt das erste Mal nach<br />
Arnkagen.<br />
6 Priester wirft nachts die Phiolen in<br />
den Brunnen von Arnkagen.<br />
beim Bau wird gerne gesehen.<br />
Was die Bevölkerung<br />
über den Priester sagt<br />
Fragen die Charaktere nach den Geschehnissen<br />
der letzten Tage, so werden sie bereitwillig<br />
Auskunft erhalten. Die Bewohner erzählen<br />
vom ersten Erscheinen des Priesters,<br />
bis hin zum Ausbruch der Krankheit und dem<br />
Bau des Xehil-Tempels.<br />
Der Angriff auf den Priester<br />
Interessant ist noch die Geschichte eines<br />
Holzfällers aus der Region, der im Zorn auf<br />
den Priester losgegangen ist und ihn mit seiner<br />
Axt töten wollte. Der Angriff war überraschend<br />
und der Schlag gewaltig, aber die<br />
Axt brach ab ohne nur einen Kratzer am Kopf<br />
des T’chk zu hinterlassen. Der Holzfäller floh<br />
daraufhin ängstlich in den Wald und wurde<br />
Abenteuer<br />
Seite 87
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Strafe der Ungläubigen<br />
seither nicht mehr gesehen.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Die Bevölkerung ist eingeschüchtert und<br />
wird nichts Schlechtes über den Priester sagen.<br />
Gute Argumente und Versuche, die Bevölkerung<br />
vom Unrecht dieser Tat zu überzeugen,<br />
werden nicht helfen.<br />
Zaubern<br />
Sollten die Charaktere zaubern wollen, so<br />
werden sie von der Bevölkerung gewarnt,<br />
dass Magie nicht sicher funktioniert. Sie erzählen<br />
ihnen auch von dem Kranken, der<br />
durch einen Heilzauber des Xehil-Priesters<br />
Urfiel Utbok getötet wurde. Seit dieser Zeit<br />
wird keine Magie mehr ausgeübt.<br />
Sollte ein Charakter zaubern wollen, so<br />
müssen die Auswirkungen der Störung aus<br />
der Tabelle berücksichtigt werden. Bereits<br />
bestehende Zauber, magische Artefakte und<br />
Runen sind von dieser Störung nicht betroffen.<br />
Die Störungsausmaße erkennen?<br />
Die Ausmaße der Magie-Störung lassen<br />
sich nicht erfühlen oder auf eine andere Art<br />
feststellen. Da selbst bei dieser Störung Zauber<br />
gelingen können, wird es schwer sein die<br />
Ausmaße der Störung durch Zauberversuche<br />
zu erkennen.<br />
Die Bevölkerung aus<br />
dem Dorf bringen?<br />
Sollten die Charaktere die Vermutung haben,<br />
dass die Störung nur um die Region des<br />
Dorfs beschränkt ist, würde eine Auslagerung<br />
der Kranken eine magische Heilung möglich<br />
machen. Auf diesen Vorschlag werden die<br />
Bewohner von Haaden aber nicht eingehen,<br />
da sie sich davor fürchten, den Priester dadurch<br />
zu erzürnen.<br />
Wasser trinken?<br />
Trinken die Charakter Wasser aus dem<br />
Brunnen, so muss ihnen eine schwierige KO-<br />
Probe (20) gelingen, ansonsten werden auch<br />
sie krank.<br />
Ermittlungen<br />
Abgesehen von der Vision, deutet noch<br />
nichts auf einen Eingriff eines Sembaren hin.<br />
Einzig die Suche nach dem Krankheitserreger<br />
hilft hier weiter. Mögliche Ermittlungsrichtungen<br />
könnten sein:<br />
Magisch erzeugte Krankheit<br />
Dies ist relativ unwahrscheinlich, weil sich<br />
niemand der Bewohner bezaubert gefühlt<br />
hat und auch Personen erkrankt sind, die den<br />
Priester nicht zu Gesicht bekommen haben.<br />
Außerdem müsste der Priester ungewöhnlich<br />
viele Zauber gesprochen haben.<br />
Zufall<br />
Diese Annahme wird sich spätestens nach<br />
dem zweiten Dorf wieder zerstreuen, denn<br />
auch hier erkranken die Bewohner unmittelbar<br />
nachdem der Priester das Dorf verlassen<br />
hat.<br />
Gift bzw. vergifteter Brunnen<br />
Entspricht tatsächlich der Wahrheit, jedoch<br />
sind die Nutztiere in den Dörfern, die<br />
auch Wasser aus dem Brunnen bekommen,<br />
nicht betroffen, da die Erreger hierfür nicht<br />
aggressiv genug sind.<br />
Der Brunnen<br />
Stellen die Charaktere Ermittlungen an, so<br />
werden sie erfahren, dass der Brunnen (Gebäude<br />
6) die Hauptwasserquelle des Dorfs<br />
ist.<br />
Am Grund des Brunnens, etwas im<br />
Schlamm versunken, finden sich vier zerbrochene<br />
Glasphiolen, aus für diese Sphäre ungewöhnlich<br />
dünnem Glas. Reinigt man das<br />
Glas, so entdecken die Charaktere, anhand<br />
der ungewöhnlichen Verzierungen, dass diese<br />
nicht von Valcreon, sonder von Icros stammen.<br />
Weiterhin findet sich eine Art Stempel<br />
in dem Glas: In einem Dreieck findet sich der<br />
Buchstabe „W“.<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Das „W“ ist ein wichtiger Hinweis für die<br />
Herkunft der Phiolen, mit dem die Charaktere<br />
auf Valcreon aber nichts anfangen können.<br />
Die Rückkehr<br />
des Priesters<br />
Einen Tag nachdem die Gruppe in Haaden<br />
ankommt, erwarten die Bewohner die Rückkehr<br />
des Priesters. Das äußere Gerüst des<br />
Xehil-Tempels steht schon.<br />
Etwa zur Mittagszeit kommt der Priester in<br />
das Dorf. Die Bevölkerung versammelt sich<br />
auf dem Marktplatz und lauscht folgenden<br />
Worten:<br />
„Wie ich sehe, habt ihr meinen Wunsch<br />
erfüllt. Auch wenn die Arbeiten noch nicht<br />
abgeschlossen sind und euer Glaube längst<br />
nicht gefestigt ist, so wird Xehil Milde walten<br />
lassen und euch mit seiner Gnade segnen.<br />
Bringt mir einen Eimer mit Wasser.“<br />
Anmerkung für den Spielleiter<br />
Der Priester ist ein fanatischer Prediger, der<br />
mit lauter scharfer Stimme spricht, während<br />
die Bevölkerung eingeschüchtert seine Worte<br />
vernimmt. Die bedrückende, ängstliche Stimmung<br />
sollte während dieser Rede deutlich gemacht<br />
werden.<br />
Der T’chk bekommt sofort einen Eimer<br />
Wasser gereicht, in welchen er seinen rechten<br />
Arm hineinsteckt. Er schließt die Augen,<br />
wie bei einem Gebet, schüttet tatsächlich<br />
aber den Inhalt zweier Phiolen mit dem Gegenmittel<br />
in das Wasser. Dann lässt er jeden<br />
aus der Bevölkerung einen Schluck von dem<br />
Wasser trinken und schüttet den Rest in den<br />
Brunnen.<br />
Die Genesung<br />
Das Gegenmittel wirkt schnell. Schon am<br />
Abend spüren viele Bewohner eine Verbesserung<br />
ihres Zustands. Am nächsten Tag sind<br />
alle genesen, auch wenn einige von ihnen<br />
noch etwas schwach auf den Beinen sind.<br />
Die Bevölkerung ist erleichtert und dankbar,<br />
lässt aber bei dem Bau des Xehil-Tempels<br />
nicht nach.<br />
Aussehen und<br />
Unverwundbarkeit<br />
Der T’chk ist 1,32 Meter groß und etwa 48<br />
kg schwer. Er trägt einen hellgrauen Umhang<br />
und braune Lederschuhe. Seine Kleidung ist<br />
gepflegt und sauber. Er hat eine schrille,<br />
hohe Stimme und unterstreicht seine Worte<br />
stets mit ungewöhnlich aggressiven und hektischen<br />
Gesten.<br />
Durch ein Echo, geschaffen vom Sembaren,<br />
ist der Priester unverwundbar, solange<br />
der Diener auf Icros noch lebt. Dies zeigt sich<br />
auch in einer leicht strahlenden Aura, die den<br />
Priester ständig umgibt. Körperlicher Schaden<br />
und Zaubersprüche haben keine Wirkung<br />
auf ihn.<br />
Nach Icros<br />
Nehmen die Charaktere mit ihren Geschwistern<br />
auf Icros Kontakt auf und erzählen<br />
ihnen von dem ungewöhnlichen Logo, so<br />
lässt sich über das Computernetz schnell eine<br />
Tochterfirma eines großen Pharma-Konzerns<br />
(Givan+Honu) finden, welche in Sewen ihren<br />
Forschungsstandort hat – Wedast Pharmazie<br />
– ihr Logo ist ein stilisiertes „W“.<br />
Die Firma liegt in einem Industriegebiet Sewens<br />
in der Bauxitstrasse 12.<br />
Informationsbeschaffung<br />
Ein erster Anlaufpunkt könnte die Homepage<br />
der Firma sein. Wedast Pharmazie hat<br />
nur wenige hundert Mitarbeiter, die sich mit<br />
dem Erforschen von Krankheiten und Krankheitsbildern<br />
beschäftigen. Hierbei haben sie<br />
vier Schwerpunkte:<br />
1. Migräneforschung<br />
2. Medikamente gegen die Abstoßung<br />
transplantierter Organe<br />
Seite 88<br />
Abenteuer
Strafe der ungläubigen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
3. Maßnahmen zur Früherkennung von<br />
Schlaganfällen<br />
4. Impfstoffe gegen Influenza<br />
Vergleicht man diese Liste mit den Symptomen<br />
der Dorfbevölkerung auf Valcreon, kann<br />
man nur auf den Bereich der Impfstoffe gegen<br />
Influenza kommen. Folgt man dem Link<br />
dieses Forschungsgebiets, so findet man ein<br />
Bild des Wissenschaftlerteams von Wedast<br />
Pharmazie. Dieses besteht aus drei Personen:<br />
Rasim Addar, Thoru Sudes und Ulico Faher.<br />
Dr. Ulico Faher ist 59 Jahre alt, ledig und<br />
hat keine Kinder. Er ist der Leiter dieses<br />
Projekts. Er studierte an der Universität von<br />
Sewen Biologie, arbeitet bei verschiedenen<br />
Pharmaunternehmen und kam vor vier Jahren<br />
zu Wedast Pharmazie, um sich mit der Erforschung<br />
neuer Impfstoffe gegen Influenza<br />
zu befassen.<br />
Dr. Thoru Sudes ist 52 Jahre alt, verheiratet<br />
und hat ein Kind. Er studierte an der Universität<br />
von Colsem Biologie und Chemie. Er<br />
arbeitete eine Zeit lang in der medizinischen<br />
Forschung bevor er vor 9 Jahren zu Wedast<br />
Pharmazie kam.<br />
Dr. Rasim Addar ist ein aufstrebender 39<br />
Jahre alter Wissenschaftler. Er ist verheiratet<br />
und hat drei Kinder. Er schloss sein Medizinstudium<br />
an der Universität von Lobis als<br />
Jahrgangsbester ab und arbeitete fünf Jahre<br />
in einem Krankenhaus, bevor er sich der Forschung<br />
zuwandte. Seit 2 Jahren ist er bei Wedast<br />
Pharmazie.<br />
Weitere Informationen<br />
In den nächsten Tagen laufen bei Wedast<br />
Pharmazie mehrere Vortragsreihen, bei denen<br />
mit auswärtigen Experten die aktuellen<br />
Entwicklungen der Migräneforschung diskutiert<br />
werden. Eine Anmeldung ist kurzfristig<br />
möglich. Teilnehmen kann jeder Interessierte,<br />
der eine Gebühr von 200 GE zahlt.<br />
Eine Teilnahme an einem solchen Vortrag<br />
hätte den Vorteil, dass man sehr einfach in<br />
die Räume der Firma kommt. Ein Einbruch<br />
ist, aufgrund der sehr guten Sicherung des<br />
Geländes, kaum möglich.<br />
Wedast Pharmazie<br />
Das achtstöckige Gebäude ist ein moderner<br />
Büroturm und hat eine Grundfläche von etwa<br />
25 x 50 Metern. Die Außenwand ist überwiegend<br />
mit einbruchssicheren Fenstern verglast.<br />
Um das Gebäude verläuft ein drei Meter<br />
hoher Zaun, der kameraüberwacht wird.<br />
Neben dem Gebäude ist ein großes Parkhaus,<br />
das jeder Mitarbeiter mit seiner elektronischen<br />
Zugangskarte nutzen kann. Das<br />
Parkhaus wird nicht überwacht. Unbewachte<br />
Gästeparkplätze gibt es rund 100 m von dem<br />
Gebäude entfernt.<br />
Die Vortragsräume<br />
im ErdgeschoSS<br />
Die Vorträge werden im Erdgeschoß abgehalten.<br />
Ab dem ersten Stock beginnt der gesicherte<br />
Bereich. Für die Büros und die meisten<br />
Laborräume gibt es keinen zusätzlichen<br />
Sicherheitsbereich. Nur die Labore, in denen<br />
mit Viren, Bakterien und anderen gefährlichen<br />
Substanzen gearbeitet wird, haben eine<br />
zusätzliche Schleuse.<br />
Das Unternehmen ist recht groß, somit ist<br />
auf dem Flur eine gewisse Anonymität gewährleistet,<br />
wenn man sich nicht in den Büroräumen<br />
oder den Labors aufhält.<br />
1 – Eingang und Vorhalle<br />
Rechts vom Eingang sind Stehtische aufgebaut.<br />
Am Ende des Raums befindet sich eine<br />
Tür, die auch von einigen Mitarbeitern genutzt<br />
wird. Die Veranstaltungen sind immer<br />
gut besucht. Sie dauern im Schnitt vier bis<br />
fünf Stunden (überwiegend vormittags) und<br />
werden durch zwei Pausen unterbrochen,<br />
bei denen an den Stehtischen kleine Speisen<br />
und Getränke gereicht werden. Von hier aus<br />
gelangt man in den großen Veranstaltungsraum,<br />
der bis zu 200 Besuchern einen Sitzplatz<br />
bietet. Bei einer Veranstaltung sind im<br />
Schnitt 120 Besucher anwesend.<br />
Der untere Ausgang geht in eine kleine Küche,<br />
die überwiegend von einem externen<br />
Abenteuer<br />
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ANDUIN <strong>95</strong><br />
Strafe der Ungläubigen<br />
Catering-Service betrieben wird. Der obere<br />
Ausgang führt zu Fahrstühlen, die in den inneren<br />
Bereich fahren. Dort gibt es auch einen<br />
weiteren Eingang für Mitarbeiter.<br />
Links neben dem Empfang (2) ist der Eingang<br />
zur Küche, der aber keinen besonderen<br />
Ausweis benötigt. Von der Küche aus gelangt<br />
man nicht in die inneren Räume der Firma.<br />
Auch das Küchenpersonal einer externen Catering-Firma<br />
hat keine Ausweise, welche den<br />
Zugang nach oben ermöglichen.<br />
2 – Empfang<br />
Kommt man in das Gebäude hinein, so wird<br />
man gebeten, sich am Empfang zu registrieren.<br />
Hier erhält man die Unterlagen für das<br />
Seminar, einen offen zu tragenden Tagesausweis<br />
und ein Namensschild.<br />
3 – Großer Veranstaltungsraum<br />
Der Raum verläuft steil nach unten und hat<br />
eine große Bühne am Ende. Mit der großen<br />
Leinwand über der Bühne erinnert er an ein<br />
Kino. Die Sitze sind gepolstert und haben<br />
gute Beinfreiheit nach vorne. Während der<br />
Veranstaltungen werden hier mehrere Referenten<br />
Vorträge halten.<br />
4 – Technikraum<br />
Von diesem etwas abgetrennten Raum<br />
wird das Mikrofon, die Leinwand usw. gesteuert.<br />
Während der Vorträge befindet sich<br />
immer ein Techniker in dem Raum, der alle<br />
Medien steuert.<br />
5 – Toiletten<br />
Die nach Geschlecht getrennten Toiletten<br />
sind klein, sehr sauber und vor allem in den<br />
Vortrags-Pausen gut besucht.<br />
Störung auf Icros<br />
Die Störung auf Icros beschränkt sich auf<br />
das Gelände von Wedast Pharmazie. In unregelmäßigen<br />
Abständen löst (unbegründet)<br />
der Alarm aus, elektronisch gesteuerte Türen<br />
gehen ohne sichtbaren Grund auf oder bleiben<br />
verschlossen. Der Fahrstuhl bleibt stecken<br />
usw.<br />
Die Leitung des Unternehmens versucht<br />
die Störungen nicht publik zu machen und<br />
hält sie für eine Verkettung von unglücklichen<br />
Zufällen. Der größte Teil der Störung betrifft<br />
den Keller, das Erdgeschoß und den ersten<br />
Stock, so dass die Forschungsräume in den<br />
oberen Stockwerken nicht betroffen sind.<br />
Sollte sich die Störung aber weiter ausbreiten,<br />
müssen die Forschungslabors aus Sicherheitsgründen<br />
geschlossen werden.<br />
Beim Vortrag<br />
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Der Vortrag wird im Veranstaltungsraum<br />
(Raum 3) durchgeführt. Vor dem Raum ist ein<br />
Bereich mit Stehtischen und einem kleinen<br />
Buffet aufgebaut, an dem man sich auch während<br />
der Präsentation aufhalten kann. Dieser<br />
Bereich ist jedem Besucher frei zugänglich.<br />
Um weiter in das Gelände zu gelangen, benötigt<br />
man eine Magnetkarte, die eine gesicherte<br />
Tür öffnet. Es gibt mehrere Möglichkeiten<br />
in den inneren Bereich zu gelangen:<br />
Unauffälliges<br />
Hinterherlaufen<br />
Da bei den Vorträgen, vor allem in den<br />
Pausen, immer eine unübersichtliche Masse<br />
an Leuten herumsteht, und dieser Firmeneingang<br />
auch von einigen Mitarbeitern genutzt<br />
wird, ist es nicht schwer bei einer geöffneten<br />
Tür mitzulaufen und in den Mitarbeiterbereich<br />
zu gelangen.<br />
Die Mitarbeiter erkennt man meist daran,<br />
dass sie ihre Ausweise nicht offen an der Jacke<br />
bzw. am Hemd tragen und auch kein Namensschild<br />
haben.<br />
Kartendiebstahl<br />
Bei den Vorträgen sind einige Mitarbeiter<br />
in der Menge, so dass es (vor allem in den<br />
Pausen), einem Dieb leicht möglich wäre, die<br />
Eingangskarte eines Mitarbeiters zu stehlen<br />
(Taschendiebstahl: erschwert).<br />
Zugang elektronisch knacken<br />
Die elektronischen Schlösser sind mit moderner<br />
Software ausgestattet. Nur ein Charakter<br />
mit Computer, Elektrotechnik und<br />
Einbrechen kann das Schloss umgehen. Hier<br />
benötigt er eine erschwerte Probe (15) für<br />
Computer und Einbrechen und eine schwere<br />
Probe (25) für Elektrotechnik. Dies während<br />
einer Veranstaltung durchzuführen, dürfte<br />
aber zu auffällig sein.<br />
Die Abteilung für den<br />
Influenza-Impfstoff<br />
Die Abteilung für den Influenza-Impfstoff<br />
befindet sich im ersten Stock. Dies ist leicht<br />
herauszufinden, da in jedem Stockwerk (am<br />
Fahrstuhl) eine Übersicht der Abteilungen in<br />
diesem Gebäude angebracht ist.<br />
Neben den drei Forschern Rasim Addar,<br />
Thoru Sudes und Ulico Faher, sind in diesem<br />
Bereich noch jeweils drei Assistenten und<br />
eine Sekretärin zu finden. Die Sekretärin hat<br />
als einzige keinen Zugang zu den gesicherten<br />
Laborräumen.<br />
1 – Sekretariat<br />
Der kleine Raum ist mit einem Schreibtisch<br />
und einem Computer ausgestattet. Hier findet<br />
sich auch eine Vielzahl an Grünpflanzen.<br />
Die Sekretärin, Kanoa Niask, ist Anfang 50<br />
und kräftig gebaut. Sie kümmert sich um organisatorische<br />
Dinge und macht die Schreibarbeiten<br />
für diese Abteilung.<br />
2 – Büro der Assistenten<br />
Die drei Assistenten Isoa Laset, Thassim<br />
Addar und Vonu Sudes haben hier ihr Büro.<br />
Der Raum ist mit drei kleinen Schreibtischen<br />
und drei Stühlen eng zugestellt und bietet<br />
kaum Platz für die beiden Bücherregale.<br />
3 – Büro von Ulico Faher<br />
Ein großer Schreibtisch beherrscht die<br />
Raumgestaltung dieses Büros. Ulico Faher<br />
legt sehr viel Wert auf diese Art von Prestigeobjekt,<br />
da er in seinem Büro immer wieder<br />
wichtige Gäste empfängt. An der Seitenwand<br />
befindet sich ein langes Bücherregal überwiegend<br />
mit Fachbüchern gefüllt.<br />
In einem verschlossenen Fach im Schreibtisch<br />
(Einbrechen: normal) befinden sich zwei<br />
Schachteln mit Phiolen. Eine Packung enthält<br />
rote Phiolen, eine andere blaue Phiolen. Insgesamt<br />
fehlen 8 rote Phiolen (Krankheitserreger)<br />
und 4 blaue Phiolen (Heilmittel).<br />
In der Box findet sich auch eine Aufstellung<br />
der verschickten Phiolen. Auf dem Zettel sind<br />
die Dörfer Haaden und Ellreo abgehakt. Zwei<br />
weitere Namen (Arnkagen und Pawingen)<br />
scheinen die nächsten in der Lieferkette zu<br />
sein.<br />
4 – Büro von Thoru Sudes<br />
Dieses Büro wird von unzähligen Stapeln<br />
von Papier und Büchern beherrscht. Der<br />
Raum ist unordentlich und folgt einem merkwürdigen<br />
System, welches nur Thoru Sudes<br />
bekannt zu sein scheint.<br />
5 – Büro von Rasim Addar<br />
Rasim Addars Büro ist von einer fast klinischen<br />
Sauberkeit und sehr modern eingerichtet.<br />
Der Schreibtisch besteht aus Milchglas<br />
und in den Bücherregalen finden sich kleinere<br />
Skulpturen von künstlerischem Wert. Die<br />
Wände sind mit Drucken berühmter Maler<br />
versehen.<br />
6 – Forschungslabor-Schleuse<br />
Zu diesem Raum haben nur die drei Forscher,<br />
ihre drei Assistenten und speziell autorisiertes<br />
Sicherheitspersonal Zutritt. Die<br />
Assistenten dürfen nur in Begleitung von<br />
einem der drei Forscher das Labor betreten<br />
und sich nicht alleine dort aufhalten. Ohne<br />
die Zugangskarte der Forscher kommen sie<br />
nicht hinein.<br />
Der Vorraum dient als Hygieneschleuse.<br />
Hier müssen die Besucher spezielle Kleidung<br />
Abenteuer
Strafe der ungläubigen<br />
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überziehen. Dieser Raum ist kameraüberwacht.<br />
Alle Gegenstände, die aus dem Labor<br />
gebracht werden, müssen in eine kleine<br />
Schleuse, in welcher sie bei hohem Druck und<br />
130 Grad Hitze desinfiziert werden. Die Anzüge<br />
werden regelmäßig ausgetauscht bzw.<br />
mit Essigsäure behandelt.<br />
Die Wand zum Labor hin besteht aus Glas.<br />
7 – Forschungslabor<br />
Das fensterlose Labor wird, im Gegensatz<br />
zu der Schleuse, nicht kameraüberwacht. Die<br />
Wände sind sehr robust und die Glasfenster<br />
zwischen Labor und Schleuse aus Hochsicherheitsglas.<br />
Der Raum besteht aus einer Vielzahl langer,<br />
halbhoher Arbeitstische mit Schubladen,<br />
Wasser- und Stromanschlüssen. Unzählige<br />
Geräte, Kabel und Schläuche machen das<br />
Labor für einen Laien unübersichtlich. Der<br />
Wert dieser Geräte geht in die Millionen.<br />
Die Forschungsaufzeichnungen werden in<br />
einen Computer eingegeben, der sehr gut<br />
gesichert ist (Hacking: schwer) und nicht am<br />
Computernetz (CN) hängt.<br />
Alle Viren lagern in Stahlbehältern mit minus<br />
190 Grad kaltem Stickstoff. Bei 37 Grad<br />
lagern die Zellkulturen in Plastikschalen mit<br />
rötlicher Nährlösung. Es gibt Notfallabsaugvorrichtungen<br />
und zwei Feuerlöscher.<br />
Wie gelangt man<br />
in das Büro?<br />
Bei Wedast Pharmazie ist es durchaus üblich,<br />
dass nachts gearbeitet wird. Die Wachleute<br />
gehen ab 20.00 Uhr in unregelmäßigen<br />
Abständen durch die Büros und machen das<br />
Licht aus, wenn sich niemand mehr in dem<br />
Raum befindet.<br />
Die Wachleute kennen sich mit den Mitarbeitern<br />
nicht gut genug aus, um zu erkennen,<br />
ob eine Person wirklich in das Büro bzw. in<br />
das Labor gehört. Wenn sich die Charaktere<br />
nicht auffällig verhalten, werden sie von den<br />
Wachleuten nicht angesprochen.<br />
In der Abteilung für Influenza-Impfstoff beginnen<br />
die Angestellten gegen 7.45 Uhr und<br />
arbeiten nur sehr selten länger als 19.00 Uhr.<br />
Warten die Charakter bis alle Mitarbeiter gegangen<br />
sind, so können sie ohne Probleme in<br />
die Räume gelangen. Die Wartezeit könnten<br />
sie in den Kaffeeecken auf den Stockwerken<br />
oder den Toiletten verbringen.<br />
Die Büros von Rasim Addar, Thoru Sudes<br />
und Ulico Faher sind abgeschlossen (Einbrechen:<br />
erschwert).<br />
Die Suche nach dem<br />
Abenteuer<br />
ABSENDER<br />
Informationen über die<br />
Influenza-Viren<br />
Insgesamt arbeiten nur die drei Wissenschaftler<br />
(Rasim Addar, Thoru Sudes und<br />
Ulico Faher) an neuen Impfstoffen gegen Influenza.<br />
Sie sind die einzigen, die Zugang zu<br />
tiefgefrorenen Grippeviren haben. Aufgrund<br />
der Sicherheitsvorschriften und der Schleuse<br />
ist es nicht möglich eine Phiole mit Grippeviren<br />
aus dem Labor herauszuschmuggeln.<br />
Hieraus lässt sich schließen, dass der „Versand“<br />
nach Valcreon aus dem Labor erfolgt<br />
sein muss. Somit muss einer der Mitarbeiter<br />
in diese Geschehnisse verstrickt sein.<br />
Überwachung?<br />
Die Charaktere könnten die Häuser bzw.<br />
Wohnungen der drei Wissenschaftler Rasim<br />
Addar, Thoru Sudes und Ulico Faher beobachten<br />
oder durchsuchen. Bei Ulico Faher<br />
fällt auf, dass er keinerlei soziale Kontakte<br />
hat und nichts unternimmt. Er bleibt nach der<br />
Arbeit zu Hause und surft durch das Computernetz.<br />
Sein Interesse gilt dabei ausschließlich<br />
der Forschung an Viren und biologischen<br />
Kampfstoffen.<br />
Rasim Addar und Thoru Sudes verbringen<br />
viel Zeit mit ihren Familien, widmen sich ihren<br />
Hobbys und beschäftigen sich, während ihrer<br />
Freizeit, kaum mit ihrer Arbeit.<br />
Ulico Faher<br />
Ulico Faher war ein sehr guter Virologe,<br />
wurde aber von einem Sembaren-Diener ermordet.<br />
Seine Leiche wurde vom Diener im<br />
Kühlschrank seiner Wohnung im Keller verstaut.<br />
Der Diener ist nachts bei Ulico Faher eingebrochen,<br />
hat den Wissenschaftler ermordet<br />
und konnte, dank dessen Bankunterlagen,<br />
schnell an Geld kommen.<br />
Mit Hilfe eines Sprachchips und eines Maskenbildners<br />
hat der Diener nun die Identität<br />
von Ulico Faher angenommen. Diese hervorragend<br />
geschaffene Maske nimmt der Diener<br />
des Nachts ab.<br />
Da der Wissenschaftler sehr zurückgezogen<br />
gelebt und überwiegend alleine gearbeitet<br />
hat, ist keinem seiner Kollegen das veränderte<br />
Verhalten aufgefallen. Trotzdem wirkt<br />
er ungewöhnlich mürrisch und zurückgezogen.<br />
Ulico Faher erklärt dies mit Unwohlsein<br />
und Schlafmangel.<br />
Die Wohnung von<br />
Ulico Faher<br />
Ulico Faher lebt in einem Mehrfamilienhaus<br />
in einer angesehenen Gegend Sewens.<br />
Das vierstöckige Gebäude beherbergt acht<br />
Wohnungen (auf jedem Stockwerk zwei), die<br />
durch ein offenes Treppenhaus sowie einen<br />
Fahrstuhl erreicht werden können. Die etwa<br />
90 Quadratmeter große Wohnung von Ulico<br />
Faher ist im dritten Stock.<br />
Beide Türen sind mit guten Schlössern<br />
gesichert, welche zum Öffnen eine schwere<br />
Einbrechen-Probe (25) benötigen. Alarmanlagen,<br />
Wachpersonal oder Überwachungskameras<br />
gibt es in diesem Haus nicht.<br />
1 – Eingang und Wohnzimmer<br />
Der größte Raum des Hauses ist mit teuren<br />
Möbeln eingerichtet. Der Boden besteht aus<br />
Fliesen, ist aber mit einigen Webteppichen<br />
bedeckt. Eine Couch steht vor dem Fenster<br />
und ein großer Fernseher beherrscht die Mitte<br />
des Raums. An den Wänden sind mehrere<br />
Bücherregale aufgestellt und einige Bilder<br />
aufgehängt. Die Wohnung ist in hellen Farben<br />
eingerichtet und macht einen gemütlichen<br />
Eindruck.<br />
An der rechten Wand, gleich neben dem<br />
Eingang, steht ein Schreibtisch mit Computer<br />
und Telefon. Auf dem ungesicherten Computer<br />
finden sich keine wichtigen Informationen<br />
– er dient nur dem Zugang ins CN. Die History<br />
des Browsers weist auf sehr wissenschaftliche<br />
Seiten hin. Links vom Eingang steht ein<br />
Klavier. In einem kleinen Regal finden sich<br />
einige Noten klassischer Musik.<br />
2 – Bad<br />
Das Badezimmer ist nicht sehr groß, aber<br />
luxuriös eingerichtet. Neben der Toilette und<br />
einem Waschbecken befindet sich hier auch<br />
eine große Dusche. Ulico Faher hat wenig Hygieneartikel.<br />
Diese sind aber von guter Qualität<br />
und teuer.<br />
3 – Küche<br />
Die kleine, aber modern eingerichtete Küche<br />
ist in Chrom gehalten. Der Kühlschrank,<br />
aus dem alle Zwischenwände ausgebaut<br />
wurden, ist sehr groß und beherbergt die<br />
Leiche des echten Ulico Faher, der durch eine<br />
durchgeschnittene Kehle getötet wurde. Aus<br />
diesem Grund sind viele Lebensmittel in der<br />
Küche verstreut. Die Küche ist unordentlich<br />
und riecht nach alten Lebensmitteln.<br />
Das Blut auf dem Boden wurde weitestgehend<br />
aufgewischt. Bei genauerem Hinsehen<br />
entdeckt man aber noch einige Blutspritzer<br />
auf den Armaturen des Küchenschranks.<br />
4 – Schlafzimmer<br />
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Strafe der Ungläubigen<br />
Das lang gezogene Schlafzimmer besteht<br />
aus einem breiten Bett und einigen Schränken,<br />
welche die Kleidung sowie die Schuhe<br />
von Ulico Faher enthalten. In einem kleinen<br />
Schrank finden sich noch einige Schmuckstücke<br />
(überwiegend Uhren). Hier legt der<br />
Diener in der Nacht auch die Maske von Ulico<br />
Fahers Gesicht ab.<br />
Ulico Faher<br />
verhören?<br />
Gelingt es den Charakteren den falschen<br />
Ulico Faher zu fangen, so bemerken sie, dass<br />
es sich bei ihm um einen Sembaren-Diener<br />
handelt.<br />
Bei einem Verhör wird er sich siegesbewusst<br />
und arrogant geben, auch wenn er<br />
noch nicht alle Phiolen nach Valcreon abgeschickt<br />
hat. Er wird wenig Konkretes sagen<br />
können, da er über die umfassenden Pläne<br />
auch nicht informiert ist. Seine Aufgabe ist<br />
nur das Stehlen des Virus’ und des dazu gehörenden<br />
Gegenmittels.<br />
Den Diener beseitigen<br />
Den Charakteren wird nichts anderes übrig<br />
bleiben, als den Diener aus dem Weg zu<br />
räumen. Mit dem Tod des Dieners und der<br />
Einstellung der Lieferungen von Phiolen nach<br />
Valcreon verliert auch der dortige T’chk-Priester<br />
seine Unverwundbarkeit.<br />
Zurück auf<br />
Valcreon<br />
Befinden sich die Charaktere zwei Tage<br />
nach ihrer Ankunft noch in Haaden, so werden<br />
sie einem Händler begegnen, der aus<br />
dem nahe gelegenen Dorf Ellreo kommt. Er<br />
erzählt, dass die Bewohner allem<br />
Anschein nach auch von<br />
der Seuche heimgesucht worden<br />
sind. Sie erzählten von einem<br />
Xehil-Priester, der zu ihnen<br />
gekommen ist und absoluten<br />
Gehorsam gefordert hat.<br />
Der Händler wird nur eine<br />
kurze Mahlzeit zu sich nehmen<br />
und dann wieder weiter ziehen.<br />
Das zweite Dorf<br />
– Ellreo<br />
Dieses Dorf weist viele Parallelen<br />
zu Haaden auf. Die Bevölkerung<br />
hat eine ähnliche Struktur.<br />
Auch sie haben kaum auf<br />
die anfänglichen Forderungen<br />
des Priesters reagiert, sind aber<br />
ebenso eingeschüchtert, wenn<br />
die Seuche immer mehr Einwohner befällt.<br />
Ellreo ist nicht viel größer als Haaden und<br />
liegt etwa 10 km nordwestlich von Haaden<br />
entfernt. Das Dorf ist ähnlich aufgebaut und<br />
hat etwa gleich viel Einwohner.<br />
Die Verbindungen<br />
zwischen den Dörfern<br />
Die Wege und Straßen zwischen den Dörfern<br />
Haaden, Ellreo, Arnkagen und Pawingen<br />
sind nicht sehr gut ausgebaut, auch wenn in<br />
der Nähe eine kleine Handelsstraße verläuft.<br />
Es gibt keinen geraden, direkten Weg dorthin.<br />
Man muss einigen kleinen Straßen und<br />
Waldwegen folgen, um in die Dörfer zu gelangen.<br />
Ohne eine gute Wegbeschreibung<br />
oder einen kundigen Führer sind die Dörfer<br />
nicht einfach zu erreichen.<br />
Der Kampf gegen<br />
DEN Priester<br />
Den Priester finden?<br />
Es wird schwierig, den Priester zu finden,<br />
da er eine gute Taktik anwendet, um eventuelle<br />
Verfolger zu verwirren. Er nutzt sein<br />
außergewöhnliches Können der Teleportation<br />
(Reise). Nachdem er außer Sichtweite der<br />
Dörfer gekommen ist, wird er sich mehrmals<br />
über größere Strecken teleportieren (immer<br />
1 km), bis er an seinem Unterschlupf oder<br />
dem nächsten Dorf angekommen ist.<br />
Tagsüber kann man den Priester aber in<br />
Ellreo oder Arnkagen erwarten. Grundsätzlich<br />
wird er des Nachts, nach seiner zweiten<br />
Rede, in die Dörfer zurückkehren und die Phiolen<br />
heimlich in den Brunnen werfen.<br />
Der Unterschlupf des Priesters<br />
Der Unterschlupf des Priesters ist eine<br />
Erdhöhle in einer dicht bewaldeten Gegend,<br />
durch die nur schwer durchzukommen ist. Mit<br />
Hilfe der Erdmagie hat der Priester sich einen<br />
bequemen und gut versteckten Unterschlupf<br />
geschaffen. Zu dieser Erdhöhle führen keine<br />
Spuren, so dass selbst außergewöhnlich gute<br />
Jäger keine Fährte zu der Erdhöhle finden.<br />
Die Phiolen<br />
Der Priester trägt die Phiolen, bruchsicher<br />
in Tuch eingewickelt, immer bei sich.<br />
Den Priester töten?<br />
Der Priester ist durch ein Echo von Icros<br />
geschützt, das an den Diener Ulico Faher gebunden<br />
ist. Erst wenn er tot ist, löst sich dieses<br />
auf und der T’chk wird wieder sterblich.<br />
Das Echo bewirkt eine Unverwundbarkeit<br />
gegenüber allen physischen Schäden und jeder<br />
magischen Beeinflussung. Jeder Schwertschlag,<br />
jeder Pfeil und jeder Zauber werden<br />
keine Wirkung zeigen.<br />
Zusätzlich zu dieser Unverwundbarkeit ist<br />
der Priester außerdem in der Lage Erdelementare<br />
sowie Dämonen zu beschwören.<br />
Dabei wird er vor allem Borvaar-Dämonen rufen,<br />
die er in der Gestalt eines Siniten erscheinen<br />
lassen wird.<br />
Die Reaktion der Bevölkerung auf<br />
einen Angriff<br />
Der größte Teil der Bevölkerung ist eingeschüchtert<br />
und verängstigt und wird bei einem<br />
Kampf zwischen der Gruppe und dem<br />
Priester flüchten. Sind die Bewohner aber<br />
schon auf die Bedingungen des Priesters eingegangen,<br />
wird es einige Männer geben, die<br />
den Priester, aus Angst vor dessen Rache,<br />
verteidigen werden, wenn auch nur halbherzig<br />
und nicht bis zu ihrem Tod.<br />
Die beste Taktik um den Priester zu töten,<br />
wäre ein schneller und überraschender Angriff.<br />
Unterstützung von der Bevölkerung<br />
dürfen die Charaktere nicht erwarten.<br />
Das Echo erlischt<br />
Wurde der Wissenschaftler/Diener auf<br />
Icros getötet, so wird der Priester wieder<br />
sterblich. Die Aura verschwindet sichtbar. Sobald<br />
er dies bemerkt, wird er zu seiner Sicherheit<br />
einige Erdelementare und Dämonen beschwören.<br />
Auch kann er vom Sembaren ein<br />
oder zwei Geistfänger als Wächter gestellt<br />
bekommen. Auch wird der Sembare, von seinem<br />
Punktgewinn ab und zu einen Bauern<br />
beeinflussen und ihn auf seine Seite ziehen.<br />
Seite 92<br />
Abenteuer
Strafe der ungläubigen<br />
Das Ende<br />
Werden die beiden Diener auf Valcreon<br />
und Icros getötet und die noch existierenden<br />
Phiolen vernichtet, so wird die Seuche nachlassen,<br />
bis sie schließlich ganz verschwindet.<br />
Die Störung verschwindet. Heilzauber können<br />
wieder angewendet werden.<br />
Es wird eine Zeit dauern, bis in den Dörfern<br />
die Normalität wieder zurückkehrt. In Haaden<br />
wird der Dhea-Tempel mit dem Baumaterial<br />
des Xehil-Tempels wieder aufgebaut.<br />
Die Bevölkerung wird aber noch für eine<br />
lange Zeit von den Ereignissen eingeschüchtert<br />
und verunsichert sein.<br />
Anhang<br />
T’chk-Priester<br />
Der Sembaren-Diener ist 1,32 Meter groß<br />
und etwa 48 kg schwer. Er trägt einen hellgrauen<br />
Umhang und braune Lederschuhe.<br />
Seine Stimme ist schrill und laut. Er unterstreicht<br />
seine Reden immer mit aggressiven<br />
Gesten. Er arbeitet mit der Angst der Bauern<br />
vor göttlichem Zorn und weiß dieses Mittel<br />
gut einzusetzen. Er kann sich durch einen<br />
mentalen Zauber (mit Ausrüstung) 300 m<br />
weit teleportieren. Zaubert er nicht mental,<br />
so erhöht sich die Reichweite auf 1500 m.<br />
ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />
7 7 13 9 14 13 22 15 59<br />
Krit. Tr Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />
7 -2 / -4 6 28<br />
Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />
Erste Hilfe 8 Stel sprechen 8<br />
Fliehen 4 T’chk lesen/schr. 15<br />
Ment. Verstärkung 12 T’chk sprechen 15<br />
Psychologie 9 Überleben 4<br />
Religion 7 Wahrnehmung 4<br />
Sinisch sprechen 7 Zauberkunde 15<br />
Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />
Waffenloser Kampf ST 2 2 1W6-3<br />
Waffenloser Kampf GE 4 6 1W6-2<br />
Zauberfertigkeit Zauberfertigkeit<br />
Beschwörung 19 Reise 24<br />
Erde 9 Veränderung 9<br />
Diener Icros<br />
Der Gorane hat eine schlanke Statur und ist<br />
1,77 m groß. Er trägt eine Maske und einen<br />
Sprachchip, der ihm das Aussehen und das<br />
Auftreten von Ulico Faher gibt. Durch Manipulation<br />
des Sembaren ist der Diener außergewöhnlich<br />
intelligent und ein meisterhafter<br />
Biologe. Somit war es ihm auch möglich den<br />
speziellen, eher harmlosen Grippevirus sowie<br />
das Gegenmittel zu erschaffen.<br />
Abenteuer<br />
ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />
9 8 13 11 10 21 8 18 -<br />
Krit. Tr. Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />
8 -2 / -4 3 8<br />
Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />
Astronomie 11 Fälschen 7<br />
Biologie 24 Goran lesen/schr. 19<br />
Chemie 12 Goran sprechen 19<br />
Computer 8 Mechanik 10<br />
Einbrechen 7 Medizin 19<br />
Elektrotechnik 11 Physik 12<br />
Erste Hilfe 19 Wahrnehmung 4<br />
Fahrzeuge fahren 8 Werkstoffkunde 8<br />
Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />
Waffenloser Kampf ST 2 3 1W6-3<br />
Pistole- 7 mm GE 8 0 1W6+4<br />
2 ApR (Pistole) (M) GE 0 0 0<br />
Bauer<br />
Die hier angegebenen Werte gelten beispielhaft<br />
für einen sinitischen Bauern aus der<br />
Region.<br />
ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />
12 10 9 8 8 9 7 25 -<br />
Krit. Tr. Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />
10 -3 / -6 2 7<br />
Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />
Jagen 8 Stel sprechen 4<br />
Landwirtschaft 9 Tierkunde 8<br />
Pflanzenkunde 7 Wahrnehmung 4<br />
Sinisch sprechen 9 Wetterkunde 6<br />
Spurenlesen 6<br />
Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />
Waffenloser Kampf ST 2 2 1W6-2<br />
Holzkeule ST 6 3 1W6<br />
Langbogen ST 9 0 2W6<br />
Geistfänger /<br />
Leibwächter<br />
Der von dem Sembaren geschaffene Geistfänger,<br />
mit dem Aussehen eines Siniten,<br />
kann vom Sembaren als Leibwächter des<br />
T’chk-Priesters erschaffen werden. In kurzer<br />
Zeit werden ein Händler, eine Wache und<br />
zwei umherreisende Söldner Opfer des Geistfängers,<br />
welche ihm seine hervorragenden<br />
Kampffertigkeiten ermöglichen.<br />
Der Geistfänger führt immer ein Langschwert<br />
und ein Langschild mit sich. Außerdem<br />
trägt er eine Kettenrüstung (Schutz: 3).<br />
Regeltechnisch gilt diese Kreatur als Lebewesen.<br />
ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />
17 18 13 14 8 7 7 65 -<br />
Krit. Tr. Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />
26 -6 / -12 3 9<br />
Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Beidhändigkeit (ST) 19 Ment. Verstärkung 4<br />
Fliehen 11 Sinisch sprechen 7<br />
Kampf in Rüstung 16 Stel sprechen 4<br />
Klettern 6 Überleben 12<br />
Körperverstärkung 17 Wahrnehmung 4<br />
Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />
Waffenloser Kampf ST 6 3 1W6+1<br />
2 ApR (WK) (M) ST 0 0 0<br />
Langschwert ST 13 12 1W6+4<br />
2 ApR (Langschwert) (M) ST 0 0 0<br />
Doppelh. Schl. (LS) (M) ST +4 0 +4<br />
Entwaffnen (Langs.) (M) ST 0 x 0<br />
Langschild GE 4 18 1W6-1<br />
Schildschlag GE 0 0 0<br />
Schwert + Schild 13 21 1W6+4<br />
Lanze KO 14 0 2W6+7<br />
Axt ST 10 8 1W6+3<br />
Wurfspeer ST 11 0 1W6+3<br />
Der Kraftaufwand<br />
des Sembaren<br />
Der Sembare wendet für den anfänglichen<br />
Angriff 150 Punkte auf. Die Nutzung dieser<br />
Punkte wird in der folgenden Tabelle ausführlich<br />
aufgeschlüsselt.<br />
Kraft<br />
Punkte<br />
2 Diener erschaffen 20<br />
Icros-Diener verstärken (200 Punkte) 6<br />
Valcreon-Diener verstärken (400 Punkte) 12<br />
Materietransfer (12 Phiolen – ca. 800 gr.) 32<br />
GK um +7 für Diener (Valcreon) 14<br />
Wärmesicht für Diener (Valcreon) 4<br />
Reise um +7 für Diener (Valcreon) 14<br />
Verbesserte Eigenschaft (+5 IN, Icros) 10<br />
Verbesserte Fertigkeit (+4 Biol., Icros) 8<br />
Echo erzeugen (Unverwund./Machtlvl 2) 30<br />
Summe 150<br />
Den daraus resultierenden Kraftgewinn<br />
von 12 Punkten täglich nutzt er, um Bauern in<br />
den Dörfern zu beeinflussen (Machtlevel 1, 12<br />
Punkte), einen Geistfänger zu erschaffen (15<br />
Punkte) bzw. um weitere Phiolen zu versenden<br />
(6 Stück, 400 Gramm, 16 Punkte)<br />
Sinitische Namen<br />
Da die Charakter mit einer Vielzahl an sinitischen<br />
Bauern zu tun haben, werden hier<br />
fünf weibliche und fünf männliche Namen<br />
aufgelistet:<br />
• Iddari Ihna, Kabja Kornim, Eyela Erral,<br />
Cheza Chanil, Namala Noltom<br />
• Ajom Auru, Cius Cethar, Jesaho Juaril,<br />
Fiaron Felarn, Nomul Nadec •<br />
Seite 93
ANDUIN <strong>95</strong><br />
ZAUBEREI MIT MURMELN<br />
Zauberei mit Murmeln<br />
EIN ALTERNATIVES SYSTEM ZUR DARSTELLUNG VON MAGIE<br />
TEXT: STEFAN HOLZMAIER<br />
ILLUSTRATION: STEFAN HOLZMAIER<br />
Das Grundproblem<br />
Egal, ob auf einem großen LARP-Event,<br />
bei einem Indoor-Live auf einer Convention<br />
oder sogar am Spieltisch beim Papier-und-<br />
Bleistift-Spiel: immer wieder gibt es Situationen,<br />
in denen zumindest ich mir ein einfaches,<br />
aber dennoch funktionierendes System<br />
gewünscht habe, Magie regeltechnisch abzubilden.<br />
Nach einigen Recherchen und Versuchen<br />
habe ich mir – zugegebenermaßen<br />
durch verschiedene Quellen inspiriert – ein<br />
eigenes System gebaut, das ich seither regelmäßig<br />
einsetze. Und das, meiner Meinung<br />
nach, in allen drei eben genannten Einsatzfällen<br />
verwendet werden kann.<br />
Überlegungen vorweg<br />
Meiner Meinung nach muss ein einfaches<br />
Magiesystem folgende Kriterien erfüllen:<br />
• Es muss fehlbar sein, das heißt es muss<br />
die Möglichkeit für Fehlschläge und<br />
auch für Patzer geben.<br />
• Es darf nicht leicht durch Schummler<br />
ausgetrickst werden (besonders bei<br />
Live-Events leider immer wieder ein<br />
Problem).<br />
• Der Zeitbedarf zum Sprechen eines Zauberspruchs<br />
sollte vom System berücksichtigt<br />
werden.<br />
• Es sollten unterschiedliche Arten von<br />
Magiern abgebildet werden können.<br />
• Es muss einfach zu erlernen und auszuführen<br />
sein.<br />
Das Grundsystem<br />
Der Magier bekommt einen blickdichten<br />
Beutel oder ein anderes blickdichtes Gefäß,<br />
in das er hineingreifen kann. In diesem Gefäß<br />
(dem Vorrat) befindet sich eine bestimmte<br />
Anzahl an weißen und schwarzen Murmeln.<br />
Wahlweise können natürlich auch andere<br />
Farben oder Gegenstände wie Runen oder<br />
Zettelchen verwendet werden. Allerdings<br />
sollte man darauf achten, dass man durch<br />
tasten die Unterschiede nicht fühlen kann<br />
und dass man bei der Farbwahl auch an dunkle<br />
Lichtverhältnisse denkt. In meinen weiteren<br />
Ausführungen gehe ich daher einfach<br />
von weißen und schwarzen Murmeln aus,<br />
wobei die schwarzen als Nieten (Fehlschläge)<br />
zählen.<br />
Bei jedem Zauber muss der Zauberer blind<br />
eine bestimmte Anzahl an Murmeln aus dem<br />
Vorrat ziehen. Ist bei den gezogenen Murmeln<br />
eine Niete dabei, so schlägt der Zauber<br />
fehl, ansonsten klappt alles wie gewünscht.<br />
Schwarze Murmeln kommen zurück in den<br />
Vorrat, weiße Murmeln aber kommen aus<br />
dem Spiel. Auf diese Weise steigt der Anteil<br />
der Nieten im Verlauf des Spiels immer weiter<br />
an.<br />
Beispiel: Der Zauberer hat 10 weiße und 1<br />
schwarze Murmel im Vorrat. Er möchte einen<br />
einfachen Zauber sprechen. Für diesen<br />
muss er zwei Murmeln aus dem Vorrat ziehen.<br />
Der Zauberer hat Glück und zieht zwei<br />
weiße Murmeln – der Zauber gelingt. Diese<br />
beiden Murmeln kommen aus den Vorrat,<br />
so dass das Verhältnis nun 8:1 ist. Später im<br />
Spiel soll ein schwererer Zauber gesprochen<br />
werden. Dieser kostet 5 Murmeln. Leider ist<br />
die dritte gezogene Murmel schwarz, der<br />
Zauberer muss aber dennoch weiter ziehen<br />
und zwei weitere weiße Murmeln aus dem<br />
Vorrat nehmen. Der Zauber ist misslungen<br />
und die schwarze Murmel kommt zurück in<br />
den Vorrat. Das Verhältnis liegt jetzt bei 4:1 –<br />
der nächste Zauber dürfte recht schwer werden<br />
und ein weiterer schwerer Zauber (mit<br />
fünf Murmeln) ist gar nicht mehr möglich (da<br />
bei den fünf Murmeln nun auf jeden Fall eine<br />
schwarze dabei ist).<br />
Feinheiten<br />
Durch größere Vorräte können mächtigere<br />
Zauberer dargestellt werden. So könnte ein<br />
unerfahrener Zauberschüler nur 10<br />
weiße Murmeln und zwei Nieten<br />
haben, ein Erzmagier hingegen<br />
30 weiße Murmeln und drei Nieten.<br />
Auch können unterschiedliche<br />
Arten von Zauberern abgebildet<br />
werden, indem man das Verhältnis von<br />
weißen und schwarzen Murmeln ändert.<br />
Und zudem können für verschiedene<br />
Magiearten unterschiedliche Zauberformeln<br />
festgelegt werden (also wie viele<br />
Murmeln gezogen werden müssen).<br />
Auch kann die Möglichkeit eines Patzers<br />
eingeführt werden (z.B. wenn mehr schwarze<br />
als weiße Murmeln gezogen werden, mindestens<br />
aber zwei).<br />
Wichtig ist, dass die Murmeln einzeln und<br />
nacheinander gezogen werden müssen. Jede<br />
Murmel muss kurz sichtbar gehalten werden,<br />
damit andere Spieler das Ergebnis sehen.<br />
Und ebenso wichtig ist, dass gezogene Nieten<br />
immer wieder in den Vorrat zurückkommen,<br />
gezogene weiße Murmeln aber nicht!<br />
Vorteile<br />
Dieses System erfüllt bereits jetzt, ohne<br />
die unten aufgeführten Optionen, die oben<br />
aufgeführten Kriterien. Es bietet die Möglichkeit<br />
für Fehlschläge und Patzer, ist einfach<br />
zu erlernen und durchzuführen, benötigt<br />
durch das einzelne Ziehen Zeit und es kann<br />
nur schwer geschummelt werden (okay, man<br />
kann Nieten einfach draußen lassen oder<br />
weiße Murmeln wieder in den Vorrat packen<br />
– aber ganz sicher ist kein System).<br />
Optionen<br />
Konzentration<br />
Wenn ein Zauberer sich auf eine Situation<br />
einstellen, das heißt einen Zauber vorbereiten,<br />
kann, dann sollte es einfacher sein,<br />
diesen Spruch zu sprechen. Die Energiekosten<br />
aber sollten identisch bleiben. Das kann<br />
Seite 94<br />
Lesen & Spielen
ZAUBEREI MIT MURMELN<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
man damit darstellen, dass der Zauberer einen<br />
Spruch benennt und gezielt eine weiße<br />
Murmel vorab aus dem Vorrat heraussucht.<br />
Wenn er nun den Zauber tatsächlich sprechen<br />
möchte, dann hat er ja bereits eine weiße<br />
Murmel, wodurch die Wahrscheinlichkeit<br />
für einen Erfolg steigt. Sollter er aber den<br />
Spruch nicht sprechen bzw. stattdessen einen<br />
anderen zaubern wollen, so verliert er<br />
die weiße Murmel als Kosten für die Vorbereitung.<br />
Man sollte eine Zeitspanne definieren, die<br />
verstreichen muss, bevor man den Zauber<br />
nach der Vorbereitung sprechen darf. Mein<br />
Vorschlag ist hier eine Minute.<br />
Rüstung<br />
Oft dürfen Zauberer laut Regelsystem keine<br />
Rüstung tragen, ohne dass dies wirklich<br />
begründet wird. Stattdessen könnte man die<br />
Regel einführen, dass je nach Rüstungsstärke<br />
zusätzliche Nieten in den Vorrat gelangen<br />
– also die Chance auf einen Fehlschlag durch<br />
die Rüstung erhöht wird.<br />
Macht<br />
Theoretisch kann jeder Zauberer – egal ob<br />
Lehrling oder Meister – jeden gelernten Zauber<br />
sprechen, unabhängig davon wie mächtig<br />
er ist. Einzige Bedingung: der Zauberer<br />
muss mindestens so viele weiße Murmeln<br />
im Vorrat haben wie der Zauber weiße Murmeln<br />
benötigt. Auch ein Lehrling kann, wenn<br />
er den Zauber gehört, gelesen oder wirklich<br />
gelernt hat, versuchen einen Dämonen zu<br />
beschwören. Wie groß die Wahrscheinlichkeit<br />
für ein Gelingen ist, das steht auf einem<br />
anderen Blatt.<br />
Weitere Farben<br />
Wer mag kann dieses System mit weiteren<br />
Farben ergänzen, sollte aber darauf bedacht<br />
sein, die Komplexität nicht zu sehr nach<br />
oben zu schrauben. In unseren Probespielen<br />
hat sich zum Beispiel der Einsatz von roten<br />
Murmeln bewährt. Jeder Zauberer bekommt<br />
mit seinem Startvorrat eine rote Murmel,<br />
dafür aber keine schwarze. Die rote Murmel<br />
stellt immer einen Fehlschlag dar, sobald sie<br />
gezogen wird. Sie kann nicht durch Vorteile<br />
(siehe unten) ignoriert oder aus dem Vorrat<br />
entfernt werden.<br />
Eine andere Möglichkeit ist eine blaue<br />
Murmel, die man sich als Vorteil von seinen<br />
Erfahrungspunkten kaufen kann. Sie kann<br />
aber nur gekauft werden, wenn im eigenen<br />
Vorrat im Ruhezustand mindestens 20 weiße<br />
Murmeln enthalten sind. Die blaue Murmel<br />
gilt als Joker, das heißt wenn sie gezogen<br />
wird, dann ist der Zauber automatisch gelungen<br />
und es müssen keine weiteren Murmeln<br />
Lesen & Spielen<br />
gezogen werden. Die blaue Murmel kommt<br />
aus dem Vorrat.<br />
Ruhe<br />
Der Murmelvorrat wird durch ein bestimmtes<br />
Ereignis wieder auf den Ausgangszustand<br />
mit allen Murmeln zurückgesetzt. Meist ist<br />
dieses Ereignis eine Nacht voll Schlaf – es<br />
könnten auch andere Dinge sein wie ein Ritual<br />
oder eine definierte Zeitspanne.<br />
Erfahrung<br />
Überhaupt bringt mich das zum Thema<br />
Steigerung und Erfahrungspunkte. Damit<br />
nicht jeder Magier immer gleich rumläuft,<br />
benötigen wir Regeln zur Steigerung der Fähigkeiten,<br />
die auch tatsächliche Individualisierung<br />
zulassen.<br />
Energievorrat<br />
Beginnen wir mal mit den Murmeln an sich.<br />
Damit das Verhältnis immer identisch bleibt<br />
wird bei jeder Steigerung ein Paket von fünf<br />
weißen und einer schwarzen Murmel gekauft.<br />
Als Startvorrat würde ich 5:1 oder 10:1<br />
ansetzen – je nachdem wie schwer man es in<br />
dem Setting haben soll. Jede Steigerung sollte<br />
etwas teurer werden als die vorhergehende.<br />
Beispielsweise könnten die ersten zwei<br />
Steigerungen je einen Erfahrungspunkt kosten<br />
und die nächsten zwei dann jeweils zwei<br />
Erfahrungspunkte, und so weiter.<br />
Zauberkenntnis<br />
Je nach Höhe der ausgegebenen Erfahrungspunkte<br />
kann der Zauberer zusätzliche<br />
Zauber lernen. Wie hoch die Kosten genau<br />
sind, das hängt vom Setting ab. Die Kosten<br />
sollten jedenfalls so angesetzt werden, dass<br />
der Zauberer tatsächlich darüber nachdenkt,<br />
ob es nun mehr Sinn macht, weitere Sprüche<br />
zu lernen, oder sich lieber in einem anderen<br />
Gebiet zu verbessern.<br />
Perfektion<br />
Um das Verhältnis von weißen zu schwarzen<br />
Murmeln zu verändern müssen schwarze<br />
Murmeln weggekauft werden. Dabei ist<br />
zu beachten, dass immer mindestens eine<br />
Niete im Vorrat verbleiben muss. Und auch<br />
hier sollte es immer teurer werden, die Nieten<br />
loszuwerden. Die erste Niete kostet drei<br />
Erfahrungspunkte, die nächste fünf, dann<br />
sieben, usw.<br />
Schnelligkeit<br />
Ein Magier mit Schnelligkeit kann zwei<br />
oder mehr Murmeln gleichzeitig ziehen, je<br />
nachdem wie hoch er den Vorteil bereits gesteigert<br />
hat. Jede Steigerung kostet zwei Erfahrungspunkte.<br />
Rituale<br />
Manchmal müssen mehrere Zauberer zusammenarbeiten,<br />
um gemeinsam ein Ritual<br />
zu vollenden. Für diese Gelegenheiten gibt<br />
es den Vorteil „Ritualmagie". Für jeden Punkt<br />
(kostet jeweils so viele Erfahrungspunkte<br />
wie der zu kaufende Rang) kann der Zauberer<br />
eine gezogene Niete ignorieren, wenn er<br />
das Ritual leitet. Natürlich kann es nur einen<br />
Leiter geben.<br />
Reihum zieht dann jeder beteiligte Zauberer<br />
je eine Murmel (auch wenn er Schnelligkeit<br />
haben sollte) und legt sie auf den<br />
gemeinsamen Ergebnishaufen. Wenn eine<br />
bestimmte Anzahl an weißen Murmeln zusammengekommen<br />
ist, ohne dass eine Niete<br />
auftauchte, die nicht ignoriert werden konnte,<br />
dann ist das Ritual erfolgreich (z.B. 20<br />
Murmeln für ein normales Ritual).<br />
Erhöhte Konzentration<br />
Während die einfache Konzentration (siehe<br />
oben) wahrscheinlich jeder Zauberer beherrschen<br />
wird, sind nur einige Zauberer in<br />
der Lage, sich ganz mit der Magie in Einklang<br />
zu bringen. Diese Magier können zwei, drei<br />
oder sogar vier weiße Murmeln vorab aus<br />
dem Vorrat sammeln, wenn sie ausreichend<br />
Zeit haben, sich auf den Zauber vorzubereiten.<br />
Dies könnte zum Beispiel eine Minute pro<br />
angesammelter weißer Murmel sein. Stets<br />
sollte der Zauberer aber mindestens eine<br />
Murmel noch blind aus dem Vorrat ziehen<br />
müssen.<br />
Da ein Zauberer mit erhöhter Konzentration<br />
viel Zeit investieren musste, um diese<br />
zu meistern, wird er weniger Zeit in das Erlernen<br />
von vielen Zaubersprüchen gesteckt<br />
haben. Oder anders gesagt, werden viele Erfahrungspunkte<br />
in „Erhöhte Konzentration"<br />
geflossen sein, die beim Steigern der Anzahl<br />
der Zaubersprüche fehlen. Auf diese Art bekommt<br />
man unterschiedliche Arten von Zauberern<br />
– auf der einen Seite die universellen<br />
Unsicheren und auf auf der anderen Seite die<br />
spezialisierten Perfektionisten.<br />
Sicherheit<br />
Dieser Vorteil wirkt so ähnlich wie „Erhöhte<br />
Konzentration". Für jeden Punkt „Sicherheit"<br />
muss der Zauberer eine zusätzliche<br />
Murmel pro Zauber aus dem Vorrat nehmen,<br />
darf dafür aber auch pro extra gezogene<br />
Murmel eine Niete ignorieren. Dadurch wird<br />
zwar der Vorrat schneller zur Neige gehen,<br />
aber wenigstens hat der Zauberer eine höhere<br />
Aussicht auf Erfolg. •<br />
Seite <strong>95</strong>
ANDUIN <strong>95</strong><br />
RITTER UND MAGIER<br />
Ritter und Magier<br />
DER SETINDEX<br />
TEXT UND ILLUSTRATION: MATTHIAS BUYKEN<br />
Seite 96<br />
Kurzgeschichten & Comics
KURZGESCHICHTEN<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Die Legende des<br />
Heiligen Glenn Grant<br />
TEXT: JOACHIM A. HAGEN<br />
Glenn Grant war ein Wanderprediger und<br />
Mann der einfachen Leute, der nach seinem<br />
Tode heilig gesprochen wurde. Grant stammte<br />
aus einfachen Verhältnissen und blieb Zeit<br />
seines Lebens auch als Priester der einfachen<br />
Lebensweise treu. Er liebte kräftiges Essen,<br />
Gesang sowie einen guten Schluck, und stellte<br />
immer wieder bei diesen Tätigkeiten seine<br />
enorme Ausdauer unter Beweis.<br />
Glenn Grants Weg führte ihn fast ausschließlich<br />
in abgelegene Dörfer und Weiler,<br />
die über kein eigenes Gotteshaus verfügten,<br />
allenfalls über eine Kapelle. Dort segnete<br />
er die Toten aus, taufte die Neugeborenen,<br />
schloss Ehen, nahm die Beichte ab und predigte<br />
das Wort Gottes. Oft kam er in einer<br />
Ortschaft nicht über die erste Wirtschaft hinaus<br />
und vereinte das Angenehme mit dem<br />
Nützlichen: Seine “Schankstubenpredigten”<br />
waren bald so berühmt, dass bei Glenn<br />
Grants Ankunft bereits eine brechend volle<br />
Kneipe auf ihn wartete.<br />
Ebenso erdverbunden waren auch Grants<br />
Bußen, die er bei der Beichte auferlegte.<br />
Statt Vaterunser und Ave Maria verteilte er<br />
kräftige Backpfeifen, Kopfnüsse und Tritte<br />
in das Gesäß. Einmal nahm er in Schnapslaune<br />
so viel Anlauf, dass sein Tritt den armen<br />
Sünder durch die Tür bis auf die nächste Straßenseite<br />
beförderte. Der arme Mann konnte<br />
danach eine Woche lang nicht richtig sitzen,<br />
aber seine Sünden waren ihm vergeben.<br />
Eine Geschichte, die sich um Glenn Grant<br />
rankt, besagt Folgendes: Der Heilige reiste<br />
auf seinem Weg ins nächste Dorf einst durch<br />
einen Wald, den Räuber unsicher machten.<br />
Der Priester hatte sich vor seiner Abreise<br />
noch ausgiebig mit Kohleintopf und Bier<br />
gestärkt und verfiel in einen seligen Schlummer,<br />
während sein Pferd – andere Versionen<br />
sprechen von einem Esel oder Maultier –<br />
selbstständig weiter trottete. Als die Räuber<br />
nun über Glenn Grant herfallen wollten, ließ<br />
dieser im Schlafe derart deftige und übel riechende<br />
Blähungen ab, dass die Wegelagerer<br />
das Weite suchten. Immer noch dösend kam<br />
Glenn Grant am Ziel seiner Reise an. Dort<br />
schlug man die Hände über dem Kopf zusammen,<br />
als man von seinem Wege durch den<br />
Räuberwald erfuhr. Grant aber lächelte und<br />
meinte: „Gott muss seine Hand wohl schützend<br />
über mich gehalten haben.”<br />
Über das Ableben des Heiligen Glenn Grant<br />
existieren verschiedene Versionen. Die Einen<br />
meinen, er habe sich mit einem Furz selbst in<br />
die Luft gesprengt, als er zu nah am Herdfeuer<br />
lagerte. Andere behaupten, er sei auf einem<br />
Bierfaß direkt in den Himmel hinein geritten.<br />
Und wiederum Andere sagen, er habe<br />
sich geweigert, ins Jenseits einzugehen, und<br />
ziehe immer noch seine Runden durch die<br />
Lande. In den Dörfern, die er einst besuchte,<br />
gibt es einmal im Jahr eine Glenn-Grant-<br />
Nacht. Bei Einbruch der Dunkelheit stellen<br />
die Dörfler ein Gefäß mit Wein, Bier oder<br />
Schnaps vor die Tür oder auf die Fensterbank,<br />
damit der Heilige sich bei seiner Durchreise<br />
stärken möge. Und tatsächlich sind am<br />
nächsten Morgen alle Gefäße leer.<br />
So lebt Glenn Grant bis heute in der Erinnerung<br />
der einfachen Leute fort. •<br />
Die Dame des Frostes<br />
TEXT: JOACHIM A. HAGEN<br />
Einst lebte in einer Stadt eine Frau, deren<br />
Schönheit weithin gerühmt ward. Ihre Haut<br />
war so zart und hell wie der sanfte Silberschein<br />
des Mondes in einer Vollmondnacht,<br />
und ihre Augen waren blau wie ein wolkenloser<br />
Himmel. Doch ihr Herz war kalt wie Eis.<br />
Viele, allzu viele Männer verloren ihr Herz an<br />
sie und versuchten, ihr zu gefallen mit Sonetten,<br />
Liedern, Kunstwerken und närrischen<br />
oder heldenhaften Taten. Doch niemand<br />
vermochte ihre Gunst zu erringen: Lächelnd<br />
schritt sie über die Scherben der Leben, die<br />
sie zerstört hatte, und trat auf die Männer,<br />
die sich ihr zu Füßen warfen. So groß war ihr<br />
Hochmut.<br />
Doch Gott, dessen Auge nichts verborgen<br />
bleibt, strafte sie für ihre Hoffart. Er verbannte<br />
sie auf den höchsten Berg, die Eisspitze,<br />
wo der ewige Frost regiert. Dort sollte sie<br />
bleiben, bis ihr Herz das Fühlen gelernt hatte.<br />
Aus ihren schönen Augen fielen bittere<br />
Tränen, doch sie trauerte nur um sich selbst,<br />
und so vermochte sie nur Eis zu weinen. Aus<br />
ihren frostigen Tränen entstand ein Schloss<br />
aus Eis, in dem sie seitdem ruhelos umherirrt.<br />
Wanderer berichten davon, sie in mondhellen<br />
Nächten auf den kalten Zinnen ihres<br />
Schlosses gesehen haben zu wollen, eine<br />
kalte, einsame Gestalt im Dunkel der Nacht.<br />
Doch wehe demjenigen, der ihrem Zauber<br />
verfällt und ihr Schloss betritt, denn ihr Frost<br />
wird ihm die Wärme des Lebens aus den Knochen<br />
saugen.<br />
Einst verfiel ein Fremder, der über das<br />
Gebirge kam, ihrer geheimnisvollen Schönheit<br />
und betrat die Hallen ihres Schlosses.<br />
Kurzgeschichten & Comics<br />
Seite 97
ANDUIN <strong>95</strong><br />
KURZGESCHICHTEN<br />
Er war Waffenschmied, und für sie fertigte<br />
er sein Meisterstück: eine Klinge aus reinem<br />
Eis, Frostbiss genannt, mit mächtigen Runen<br />
verziert. Das Eis stammte aus dem Herz eines<br />
Gletschers und war so kalt, dass es ständig<br />
von einer Schicht feinen Nebels umgeben<br />
ward. Doch er fand keine Gnade in ihren Augen.<br />
Eine Handelskarawane entdeckte ihn halb<br />
vergraben in einer Schneewehe. Seine Augen<br />
starrten blicklos gen Himmel, aber es<br />
war noch Leben in ihm. Man brachte ihn in<br />
die nächste Herberge und schickte nach einem<br />
Heiler. Dort erzählte er im Fieberwahn<br />
seine Geschichte, und ungestillte Sehnsucht<br />
lag in seiner Stimme, als er von der Dame berichtete<br />
und wie sehr er sich nach ihrer Berührung<br />
sehne.<br />
In dieser Nacht fauchte ein eisiger Wind<br />
um die Herberge und rüttelte an den Fensterläden.<br />
Schnee verdichtete sich zu einer<br />
weißen Mauer um das Haus, und Hagelkörner<br />
prasselten wie Steine gegen die Wände.<br />
Erst in den frühen Morgenstunden ließ das<br />
Wüten des Sturmes nach.<br />
Als man am nächsten Morgen das Zimmer<br />
des Fremden betrat, fand man sein Fenster<br />
offen und ihn, mit einer dicken Eisschicht bedeckt,<br />
auf seiner Pritsche liegen. Doch das<br />
Grausigste war: Seine Lippen waren zu einem<br />
seligen Lächeln verzogen.<br />
Dies ist die Geschichte, Reisender. Und<br />
falls Ihr den Weg über das Gebirge nehmt<br />
und oben auf der Eisspitze ein Schloss zu<br />
sehen meint, dann wendet den Blick ab, befehlt<br />
Euch Gottes Schutz an und geht weiter,<br />
so schnell Euch Eure Füße tragen.<br />
Lebt wohl. •<br />
Heimkehr<br />
TEXT: FRIEDERIKE SCHMUTZLER<br />
This is for long-forgotten<br />
light at the end of the world<br />
Horizon crying<br />
the tears he left behind long ago<br />
— Nightwish: The Islander<br />
Die Wellen brandeten an die Klippen, und<br />
der Wind blies die salzige Luft landeinwärts.<br />
Möwen kreischten über dem Meer, während<br />
sie immer wieder ihre Runden drehten,<br />
um dann unvermittelt herunter zu stossen<br />
in das gischtige Wasser und mit ihrer Beute<br />
im Schnabel in ihre Felsennester zurückzukehren.<br />
Keine von ihnen beachtete den alten<br />
Mann, der schon den ganzen Morgen auf einem<br />
Stein saß und gedankenverloren in die<br />
Ferne sah, denn sie wussten, ohne sein Boot<br />
war ein Fischer keine Konkurrenz für sie.<br />
Der alte Fischer seinerseits hatte kein Interesse<br />
an den Möwen und ihrem Tun. Er war<br />
mit seinen Gedanken beschäftigt, die ihm<br />
keine Ruhe ließen. Schon seit Tagen fand er<br />
keinen Schlaf mehr, merkwürdige Träume<br />
quälten ihn des Nachts und liessen ihn am<br />
Morgen müde und erschöpft aufwachen.<br />
Er war bei der Dorfheilerin gewesen, doch<br />
diese hatte ihn nur argwöhnisch angeblickt<br />
wie es alle Bewohner des Dorfes taten, auch<br />
nach dieser langen Zeit, und ihm geraten, am<br />
Abend ein wenig Milch zu trinken mit einer<br />
Kräutermischung, die sie ihm für einen viel zu<br />
hohen Preis verkauft hatte.<br />
Aber er war nun mal keiner der ihren, und<br />
das spürte er jeden Tag mehr.<br />
Seufzend erhob der alte Mann sich nun von<br />
seinem harten Sitz und richtete sich langsam<br />
auf, denn seine Knie schmerzten. Das Alter<br />
ging an niemandem spurlos vorüber. Noch<br />
einmal sah er zu den Möwen hinauf, dann<br />
ging er den Hügel hinab in Richtung Dorf.<br />
<br />
„Wo hast Du nur wieder gesteckt?“<br />
Seine Schwiegertochter erwartete ihn, die<br />
Hände in die Hüften gestemmt, in der Tür der<br />
Hütte, die er mit der Familie seines Sohnes<br />
teilte. Früher war dies sein Haus gewesen,<br />
erinnerte er sich, und er hatte hier das Sagen<br />
gehabt. Jetzt führte dieses schmallippige<br />
Wesen sich auf, als sei sie der König persönlich,<br />
und behandelte ihn wie einen ihrer Untertanen.<br />
„Du solltest Thrun mit den Netzen<br />
helfen,“ geiferte sie weiter, als sie bemerkte,<br />
dass er nicht auf ihre Worte reagiert hatte,<br />
sondern sie nur ansah. Sie hielt ihn für einen<br />
dummen Alten, der seine Zeit gehabt hatte,<br />
er war ihr lästig, das wusste er ganz genau.<br />
Seufzend schüttelte er den Kopf, was ihm<br />
nur ein schnippisches Brummen einbrachte,<br />
und ging weiter in Richtung des Anlegers.<br />
„He, da bist Du ja!“ Sein Sohn kam freudestrahlend<br />
auf ihn zu, und als der Alte in die<br />
Augen des jüngeren sah, durchfuhr in ein<br />
Stich.<br />
Es waren ihre Augen, die ihn da anblickten,<br />
ihr Meergrün und ihre Lachfalten, durch die<br />
das ganze Gesicht stets freundlich und jung<br />
aussah. Jeder hatte sie gemocht und verehrt,<br />
und genauso war es bei seinem Sohn. Warum<br />
nur hatte dieser wunderbare Mensch diesen<br />
Drachen heiraten müssen, der jetzt das Regiment<br />
in seinem Haus führte? Doch er würde<br />
nichts sagen, wie er schon lange nichts mehr<br />
sagte und gute Miene zum bösen Spiel machte.<br />
Stattdessen nuschelte er nur etwas von<br />
„Bin spazieren gewesen“ und ging dann mit<br />
seinem Sohn zu den anderen Fischern, um<br />
die Netze auszubessern. Während sein Sohn<br />
angeregt mit den anderen Männern scherzte<br />
und lachte, verrichtete der Alte seine Arbeit<br />
schweigend. Man grüsste ihn, seine Anwesenheit<br />
wurde zur Kenntnis genommen, aber<br />
das war alles, was er sich erhoffen durfte,<br />
seit Jahren, ja, sogar Jahrzehnten. Obwohl er<br />
schon so lange unter den Bewohnern dieser<br />
Insel lebte, wäre er niemals einer der Ihren.<br />
Zu eingeschworen waren die Gemeinschaft<br />
und die Bande der Menschen untereinander,<br />
als das ein Fremder Zugang zu ihnen gefunden<br />
hätte.<br />
Er war kein Fischer wie sie gewesen, obwohl<br />
er sich alle Mühe gegeben hatte, um<br />
sich an sie anzupassen, er hatte eine Frau aus<br />
ihrem Dorf geheiratet und mit ihr einen wunderbaren<br />
Sohn gezeugt. Und doch wusste er,<br />
dass sie hinter seinem Rücken immer noch<br />
von ihm als dem „Neuen“ sprachen – nach<br />
bald vierzig Jahren.<br />
Seite 98<br />
Kurzgeschichten & Comics
KURZGESCHICHTEN<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Vierzig Jahre zuvor<br />
Es war ein sonniger Tag in Mydran gewesen,<br />
jenem kleinen Fürstentum am Östlichen<br />
Meer. Einer jener Tage, an denen die Luft so<br />
klar war, dass man meilenweit sehen konnte,<br />
weit in die Ferne. Nun wurde es Abend, und<br />
die Sonne verschwand langsam am Horizont,<br />
ein riesiger glutroter Feuerball, dessen Hitze<br />
sich im Meer spiegelte und das Wasser in<br />
demselben Farbton erscheinen liess.<br />
Auf einem Balkon der unzähligen verzierten<br />
Türme des Fürstenschlosses stand ein<br />
junger Mann und blickte verträumt in die Ferne.<br />
Seit Tagen schon kam er jeden Abend hier<br />
herauf, um auf das Meer zu schauen, während<br />
die Sonne versank, und die Boote in den<br />
Hafen einliefen, und seit Tagen wurde seine<br />
Sehnsucht größer. Er wollte nicht mehr auf<br />
diesem Balkon stehen und zusehen, er wollte<br />
selbst hinausfahren und die Welt hinter dem<br />
Horizont kennen lernen.<br />
„Mein Sohn?“ Unbemerkt war eine ältere<br />
Frau an den jungen Mann herangetreten,<br />
sie stellte sich neben ihn und sah eine Weile<br />
wortlos mit ihm in die Ferne. Dann wandte<br />
sie sich wieder an ihren Sohn. „Du willst es<br />
also wirklich wagen?“ fragte sie, doch eigentlich<br />
war es keine Frage, sondern vielmehr<br />
eine Feststellung. Der junge Mann nickte nur,<br />
während seine Augen auf dem Gesicht der<br />
Frau ruhten. Sie sprach nicht weiter, sondern<br />
nahm nur seine Hände in die ihren und drückte<br />
sie fest. „Dann soll es so sein, mein Sohn.<br />
Reise hinaus in die Welt, wenn dies dein Begehr<br />
ist. Und wenn es ebenso dein Wunsch<br />
ist, wieder zurück zu kehren, um dein Erbe<br />
anzutreten, dann bist du mir immer willkommen.“<br />
Sie fasste seine Hände fester, denn sie<br />
wusste, dass der Prinz niemals zurückkehren<br />
würde.<br />
<br />
Nur zwei Tage später war es soweit, und<br />
das Schiff des Prinzen stach in See. Seine<br />
Mannschaft waren ihm ausnahmslos treu ergebene<br />
Männer, erfahrene Seefahrer auf der<br />
einen Seiten und einige der klügsten Köpfe<br />
von Mydran auf der anderen. Von einem<br />
wolkenlosen azurblauen Himmel lachte die<br />
Sonne, und der Wind blies kräftig, aber nicht<br />
stark.<br />
Es schien, als habe sich die ganze Bevölkerung<br />
am Kai versammelt, um das Schiff zu<br />
verabschieden. Eine Kapelle spielte, und der<br />
Bürgermeister der Stadt hielt eine Ansprache,<br />
in der er den Mut und den Forscherdrang des<br />
Prinzen lobte. Die Menschen jubelten und<br />
feierten, nur die Fürstin sass mit unbewegter<br />
Miene auf ihrem Thron auf dem Podest neben<br />
den anderen Würdenträgern und sagte<br />
kein Wort während der ganzen Zeremonie.<br />
Als das Schiff den Hafen verliess, blähten<br />
sich seine blütenweissen Segel im Wind, und<br />
der Prinz glaubte, noch nie etwas Schöneres<br />
in seinem ganzen Leben gesehen zu haben.<br />
Er scherzte mit einem der Wissenschaftler,<br />
der die Seevögel beobachten wollte, und besprach<br />
sich mit dem Kapitän über die Route.<br />
Am Abend lud er in der Offiziersmesse zum<br />
Essen und trank viele Male auf das Gelingen<br />
der Reise mit den Männern.<br />
Anderntags spazierte er über Deck und unterhielt<br />
sich mit den anderen Gelehrten und<br />
auch den Matrosen, die meistens erstaunt<br />
darüber waren, dass ein Adliger sich überhaupt<br />
für sie interessierte und so freundlich<br />
zu ihnen war, und beobachtete den Himmel<br />
und den Horizont durch sein Fernglas. Die<br />
Stimmung an Bord war ausgelassen und<br />
fröhlich, jeder wurde von dem Optimismus<br />
und der Sehnsucht des jungen Mannes angesteckt.<br />
Doch nur einen Monat später schien das<br />
alles verflogen zu sein. Die Männer kehrten<br />
zu ihrer täglichen Routine zurück, und der<br />
Prinz wurde von Tag zu Tag stiller und nachdenklicher.<br />
Er hatte ein klares Ziel vor Augen,<br />
das er erreichen wollte, doch solange er auch<br />
forschte und rechnete, er schien diesem Ziel<br />
kein bißchen näher zu kommen.<br />
<br />
Eines Abends kam der Kapitän in die Kajüte<br />
des Prinzen. „Herr, ich glaube, die Männer<br />
sind unruhig. Sie wollen wissen, wann wir<br />
wieder an Land kommen, und wann wir das<br />
Ziel unserer Reise erreicht haben,“ sagte er,<br />
während er verlegen seinen Dreispitz vor<br />
der Brust hielt. Er bemerkte, dass der junge<br />
Mann übermüdet war und schon seit Nächten<br />
nicht mehr geschlafen haben musste. Er<br />
hatte tiefe Ringe unter den Augen, und seine<br />
Haut war nicht wie die der anderen Männer<br />
von der Sonne gebräunt, sondern kränklich<br />
blass.<br />
Der Prinz antwortete nicht, sondern dachte<br />
über die Worte des Kapitäns nach. Dann<br />
schliesslich, nach einer halben Ewigkeit, wie<br />
es dem anderen Mann schien, sagte er: „Ihr<br />
seid ein guter Mann, und Ihr habt Recht.<br />
Gebt mir ein Boot und Vorräte, dann könnt<br />
Ihr umkehren.“ Der Ältere wollte etwas erwidern,<br />
denn was der Prinz vorhatte, war<br />
Selbstmord, vor allen Dingen, wenn man<br />
in Dingen der Seefahrt so unerfahren war.<br />
Doch der Jüngere schien keine Widerrede zu<br />
dulden, und so stand er schon bald an Deck,<br />
wo er der Mannschaft erklärte, was er zu tun<br />
gedachte. Die Männer waren erstaunt, einige<br />
versuchten, den Prinzen aufzuhalten, und an-<br />
OFFTOPIC<br />
Pericula Subire 03<br />
Im Rahmen unseres<br />
Schwestermagazins<br />
Pericula Subire<br />
haben wir im März<br />
2008 das Liverollenspielszenario<br />
Familienangelegenheiten<br />
veröffentlicht.<br />
14 bis 20 Spieler und 1 bis 2 Spielleiter<br />
treffen sich zur Testamentseröffnung<br />
des verstorbenen Horatius Bernstein.<br />
Dessen verstrittene Familie, auseinander<br />
gerissen von seinen Wutausbrüchen<br />
und ständigen Verdächtigungen,<br />
hofft nun auf ein ordentliches Erbe. •<br />
URL: www.pericula-subire.de<br />
dere tuschelten hinter vorgehaltener Hand,<br />
dass dies ein von vornherein zum Scheitern<br />
verurteiltes Unterfangen war.<br />
Dann wurde das Boot zu Wasser gelassen,<br />
und der Prinz sah mit Tränen in den Augen,<br />
wie das Schiff wendete und sich wieder in<br />
Richtung Mydran aufmachte. Aber er hatte<br />
seine Entscheidung getroffen, er wollte beenden,<br />
was er begonnen hatte.<br />
<br />
Er hatte nicht mit dem Wellengang gerechnet,<br />
mit der erbarmungslosen Sonne, dem<br />
ätzenden Salzwasser – und nicht mit dem<br />
Sturm, der aus dem Nichts über ihn hereinbrach.<br />
Alles hätte er ertragen können, doch<br />
gegen diese Naturgewalten war er machtlos,<br />
und als eine riesige Welle über dem kleinen<br />
Boot hereinbrach, schloss er die Augen in Erwartung<br />
seines baldigen Todes. Sein letzter<br />
Gedanke galt seinem Ziel, das er nun nie erreichen<br />
würde.<br />
<br />
Als er wieder erwachte, sah er sie. Sie hatte<br />
lange blonde Zöpfe und helle meergrüne<br />
Augen, ihre schlanken Hände hielten seinen<br />
Kopf und flößten ihm ein heisses Getränk ein.<br />
Er begriff, dass er überlebt hatte, er war gestrandet<br />
in einem kleinen Dorf auf einer Insel.<br />
Die Tochter eines der Fischer kümmerte sich<br />
liebevoll um ihn, nachdem die Männer ihn<br />
nach dem Sturm aus dem Meer gezogen hatten.<br />
Dies war nicht sein Ziel gewesen, doch<br />
für eine Weile konnte er bleiben.<br />
<br />
Der Alte warf einen Blick auf seinen Sohn.<br />
So lange hatte er nun gewartet.<br />
Es war wieder Zeit. •<br />
Kurzgeschichten & Comics<br />
Seite 99
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Rezensionen<br />
Rezensionen<br />
VORSTELLUNG UND BEWERTUNG VON SPIELEN, BÜCHERN UND MUSIK<br />
Götter und Kulte<br />
I. Schulze, www.lorp.de<br />
Götter und Kulte<br />
heißt das 272-<br />
seitige, als Hardcover<br />
gebundene<br />
Standardwerk für<br />
die Religion der Vergessenen<br />
Reiche<br />
zusammengestellt<br />
von Eric L. Boyd<br />
und Erik Mona.<br />
Der einleitende Teil versucht sich mit den<br />
grundsätzlichen Problemen des riesigen faerûnschen<br />
Pantheons zu beschäftigen. Was<br />
passiert mit toten Gottheiten, welche Mächte<br />
haben Götter und Avatare und was passiert,<br />
wenn sich zwei Pantheons überlappen.<br />
Desweiteren gibt es eine Einführung in das<br />
Auslesen der Werte, denn jedem mächtigen<br />
Gott wurde neben der Beschreibung auch<br />
Spielwerte mit auf dem Weg gegeben.<br />
Der Göttliche Rang regelt hierbei die<br />
Macht, die er besitzt und resultiert aus seinem<br />
Einfluß, den er besitzt z.B. in Form seiner<br />
Anhänger und Anbetern. Dieser bewegt<br />
sich im Rahmen von Null (z.B. Halbgötter)<br />
bis hoch zum 20. Rang, welcher theoretisch<br />
auch überschritten werden kann. Ao, der<br />
Gott, zu dem die Götter beten, wäre so eine<br />
Wesenheit.<br />
Auch finden sich hier die Fähigkeiten und<br />
Eigenschaften, die jeden Gott auszeichnen,<br />
z.B. Schadenreduzierung, maximierte Trefferwürfel<br />
oder automatische Erfolge. Insgesamt<br />
wirken mir die Regeln aber zu unbeholfen<br />
(Braucht man mit einem Angriffsbonus<br />
von +85 wirklich einen automatischen Erfolg?<br />
Beim Kampf gegen normale Wesen ist das de<br />
facto ein automatischer Erfolg). Ausführlich<br />
wird erklärt, dass die Belohnung in Form<br />
von Erfahrungspunkten für eine Begegnung<br />
mit einem Gott nicht automatisch seinem<br />
Herausforderungsgrad entspricht. Dies ist<br />
selbstverständlich nachvollziehbar, da es<br />
Charaktere über mehrere Stufen auf einmal<br />
hinwegheben würde, würde eine Begegnung<br />
so entlohnt werden. Oder man denke nur an<br />
klerikale Sprüche, die den Kontakt zu den<br />
Göttern ermöglichen. Der Text bietet dann<br />
Hilfestellungen, aber keine allgemeingültigen<br />
Richtlinien, wirkt dadurch aber auch etwas<br />
unbeholfen. Und bei einem Kampf Gott<br />
gegen Gott käme so nicht wirklich Spannung<br />
auf… Insgesamt hätte ich mir, wenn man<br />
sich schon entscheidet den Göttern Werte zu<br />
verpassen, elegantere Regeln gewünscht.<br />
Es folgen knapp 170 Seiten über die verschiedenen<br />
Götter unterteilt in „wichtige<br />
Gottheiten“ und „weitere Gottheiten“. Erstere<br />
sind im wesentlichen menschliche Götter,<br />
da diese einfach die größte Rasse und damit<br />
am meisten Anbeter stellen. Natürlich gibt<br />
es z.B. mit Lolth auch Ausnahmen, da diese<br />
ja die meisten der Dunkelelfen hinter sich<br />
weis. Diese werden jeweils im Durchschnitt<br />
auf etwa drei bis vier Seiten aufgestellt, eine<br />
Hälfte entfällt auf den Flufftext, die andere<br />
auf den Crunch.<br />
Gucken wir uns mal ein Beispiel an und<br />
picken uns Lathander heraus. Der Fürst des<br />
Morgens wird mit seinen wichtigsten Einflußbereichen<br />
beschrieben, wer an ihn glaubt<br />
und wann seine Kleriker zu ihm beten (und<br />
damit neue Kraft, sprich Zauber, schöpfen).<br />
Seine Geschichte wird kurz angerissen sowie<br />
welche Beziehungen er zu anderen Göttern<br />
pflegt. Zuguterletzt folgt ein Kurzabriß der<br />
Glaubenslehre und typische Beispiele von Lathander-Priestern<br />
und Tempeln. Der Werteteil<br />
ist dann sehr umfassend, schließlich kann<br />
so ein Gott einiges mehr als ein Orkkrieger<br />
Stufe 1. Neben seinen 45 Klassenstufen, 1155<br />
Trefferpunkten, einer RK 79 etc. sind es im<br />
wesentlichen natürlich die Sonderfertigkeiten,<br />
die das ganze in die Länge ziehen. Auch<br />
seine Avatargestalten, bis zu zwanzig gleichzeitig<br />
kann er immerhin erschaffen, bekommen<br />
Werte verpasst in Form zu Änderungen<br />
gegenüber seiner normalen Gestalt.<br />
Die „anderen Gottheiten“ werden dann<br />
wesentlich kürzer abgehandelt, auf Werte<br />
wird hier ganz verzichtet. Im Durchschnitt<br />
etwa eine halbe bis zu einer Seite wird auf<br />
die Beschreibung verwenden. Dies sind zum<br />
einen die weniger mächtigen Götter des<br />
menschlichen Pantheons, die Pantheons der<br />
anderen Rassen – Halblinge, Elfen, Drow,<br />
Zwerge, Gnome und Orks – sowie das mulhorandische<br />
Pantheon, welche grob an das<br />
ägyptische Pantheon erinnert.<br />
Die restlichen Seiten widmen sich den Themen<br />
„Heilige Stätten“ und „Verfechter des<br />
Glaubens“. Erstere sind besondere Orte des<br />
Glaubens, die vollständig und mit Kartenmaterial<br />
beschrieben sind und zudem einige<br />
Szenariotipps beinhalten. Letztere sind auf<br />
Faerûn abgestimmte Prestigeklassen, die<br />
mit dem Glauben zu tun haben. Im Anhang<br />
finden sich noch die Erklärung neuer Talente,<br />
göttlicher Sonderfähigkeiten sowie Übersichtstabellen,<br />
z.B. Gottheiten der Monster<br />
oder die Domänen der faerûnschen Götter.<br />
Gerade der deutsche Leser dürfte erfreut<br />
sein, da er die meisten Texte noch nicht<br />
kennt. Der englischsprachige Leser hingegen<br />
kennt schon große Teile der Originaltexte, die<br />
auf den Werken „Faith & Avatars“, „Demihuman<br />
Deities“ sowie „Powers & Pantheons“<br />
aus der zweiten Edition basieren. Aber jene<br />
wurden nie übersetzt und so ist es doch ein<br />
deutlichen Mehrwert gegenüber den Texten<br />
aus dem Kampagnenset, die zum Vergleich<br />
knapp 35 Seiten umfassen.<br />
Zwar erhält man keine so detaillierte Darstellung<br />
wie z.B. DSA sie bietet, was Gottesdienst<br />
oder den Aufbau oder Hierarchie<br />
eines Ordens betrifft. Aber wenn man einen<br />
Kleriker oder einen anderen Verfechter des<br />
Glaubens spielen möchte, findet man hier<br />
reichlich Auswahl und Ansatzpunkte. Ebenso<br />
beschränkt sich die Auswahl für Druiden und<br />
Waldläuer nicht mehr auf zwei, drei Naturgottheiten,<br />
sondern auf eine breite Palette.<br />
Ob man Götter Werte geben sollte oder<br />
nicht, dies würde endlose Seiten an Diskussion<br />
füllen. Wenn man es aber schon macht,<br />
dann hätte ich mir eine bessere Form gewünscht.<br />
So hat man reichlich Werte für die<br />
mächtigsten Götter Faerûns, aber keine für<br />
die weniger mächtigen oder Halbgötter. Und<br />
wenn es tatsächlich mal zu einer epischen<br />
Schlacht zwischen der Spielergruppe und<br />
einem Gott kommt, dann vermutlich erstmal<br />
mit einem Schwächeren… So hätte man<br />
Götter und Kulte<br />
4<br />
Art Quellenband<br />
Verlag Feder & Schwert<br />
Sprache Deutsch<br />
System Dungeons & Dragons<br />
Spielwelt Vergessene Reiche<br />
Jahr 2007<br />
Preis ca. 35,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
4<br />
SSP<br />
3<br />
Seite 100<br />
Rezensionen
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
auch beispielhafte Werte für verschiedene<br />
göttliche Ränge geben können und eine<br />
Wahlmöglichkeit bei den Eigenschaften, die<br />
jeweils beherrscht werden.<br />
Der Fluff-Anteil ist für ein Werk der dritten<br />
Edition reichlich hoch und bietet zugleich<br />
auch genügend Crunch, um für alle interessant<br />
zu sein.<br />
Von der Aufmachung und vom Layout<br />
her, bewegt es sich im Rahmen der anderen<br />
Publikationen und somit auf gutem Niveau.<br />
Hochglanzhardcover mit stimmigen Brom-<br />
Bild, im Inneren Hochglanzpapier im Stile<br />
von altem Papier, welches am Rande vergilöbt<br />
und reichlich farbigen Illustrationen von<br />
weit über zwanzig Künstlern. Zwar vermisse<br />
ich den Charme alter Schwarzweißzeiten,<br />
aber der neue Stil ist auch nicht ohne.<br />
Fazit<br />
Für Kleriker, Paladine etc. sowie Spielleiter,<br />
die möglichst viel über den Hintergrund der<br />
Vergessenen Reiche wissen wollen, ein sehr<br />
gutes Buch. Crunch und Fluff stehen in guter<br />
Waage zueinander, nur die Werte für Götter<br />
sind in dieser Form nicht geglückt. •<br />
Sharn:<br />
Stadt der Türme<br />
I. Schulze, www.lorp.de<br />
Mit dem Quellenbuch<br />
Sharn: Stadt<br />
der Türme gibt es<br />
nun endlich Material<br />
zu vielleicht<br />
der wichtigsten<br />
Stadt für Abenteurer<br />
und Helden auf<br />
ganz Khorvaire. Die<br />
Stadt wäre dabei<br />
ein Traum für heutige Ingenieure, wächst sie<br />
doch in die Höhe und nicht in die Breite.<br />
Herausragend ist dabei gleich das erste<br />
der insgesamt acht Kapitel, welche auf<br />
insgesamt 221 Seiten präsentiert werden:<br />
„Eine kurze Stadtführung“. Auf etwa einem<br />
Sechstel der Seiten bietet es nicht nur eine<br />
allgemeine Einführung in Sharn, sondern verdeutlicht<br />
gut die bunte und vielfarbige Welt<br />
Sharns. Hier werden kunterbunt alle Themen<br />
abgehandelt, die im Leben eines Abenteurers<br />
eine Rolle spielen könnten, entweder weil er<br />
diese Örtlichkeit aufsucht oder weil sich darum<br />
ein Abenteuer bauen läßt. Antiquitäten,<br />
Geschäftseröffnungen, Kommunikation, Gesellschaften,<br />
Kriminalität, Speis & Trank und<br />
und und. Kurz und bündig wird ein Blick auf<br />
den jeweiligen Teilbereich geworfen, ohne<br />
sich zu sehr in Details zu verstricken, aber<br />
Rezensionen<br />
auch nicht ohne das Bild einer besonderen<br />
Stadt entstehen zu lassen. Nach dem Kapitel<br />
schwirren einem unzählige Ideen und Szenen<br />
im Kopf, die man in Sharn umsetzen kann.<br />
„Leben in Sharn“ beschreibt dann die<br />
Stadt bezirks-, viertel- und distriktweise,<br />
zu jedem findet sich ein kurzer Absatz, bei<br />
dem zu beachten ist, dass Sharn nicht nur im<br />
Zweidimensionalen, sondern in Dreidimensionalen<br />
zu unterteilen ist. Während in luftigen<br />
Höhen eher die Reichen wohnen, ist der bürgerliche<br />
Mittelstand in den mittleren Höhen<br />
der Stadt angesiedelt, während die Armen in<br />
den Schatten der Türme am Boden oder gar<br />
im Untergrund vegetieren, schließlich wurde<br />
Sharn auch nur auf Ruinen erbaut. Die kleinste<br />
Verwaltungseinheit ist der Distrikt, zu der<br />
kurz geschrieben steht, um welche Art es sich<br />
handelt (z.B. Wohn- oder Geschäftsdistrikt),<br />
welche wichtigen Gebäude zu finden sind sowie<br />
welcherBevölkerungsschicht (z.B. Oberschicht)<br />
vorherrscht. Sehr hilfreich ist der<br />
erste Eindruck, der ggf. auch schnell vorgelesen<br />
werden kann. Dann folgen einige Fakten<br />
zum Distrikt sowie den erwähnten Gebäuden.<br />
Die Viertel fassen dann mehrere Distrikte<br />
einer Höhenschicht zusammen und geben<br />
Überblick über Bevölkerungszahlen, vorherrschende<br />
Schicht, das GM-Limit, Autoritätspersonen<br />
und ein allgemeiner Überblick. Die<br />
Bezirke, die mehrere Viertel zusammenfassen,<br />
werden nur kurz allgemein vorgestellt<br />
und zudem werden die Stadtwachen aufgelistet,<br />
die dort patrouillieren bzw. stationiert<br />
sind. Das sicherlich umfassendste Kapitel des<br />
Buchs macht dann Sinn, wenn man es als<br />
Nachschlagewerk versteht. Relativ trocken<br />
– nur die Kurzbeschreibungen stechen hier<br />
raus – werden Fakten aneinander gereiht.<br />
Macht sicherlich dann Sinn, wenn man längere<br />
Kampagnen in Sharn spielen will.<br />
„Machtgruppen und Politik“ beschäftigt<br />
sich mit der Regierungsform Sharns, den Einfluß<br />
der Drachenmalhäuser und die Vertretungen<br />
anderer Nationen. „Recht und Ordnung“<br />
hat die Gesetze der Stadt im Blick und<br />
natürlich auch die Strafen, die den potentiellen<br />
Übeltäter erwarten, wenn man sich<br />
nicht an sie hält. Hervorzuheben ist hier der<br />
Abschnitt „Das Gesetz im Spiel nutzen“, welches<br />
aufzeigt, wie man das Kapitel geschickt<br />
nutzen kann, ohne es zu übertreiben. „Gilden<br />
und Organisationen“ stellt Gruppierungen<br />
vor, die den Helden nützlich sein könnte,<br />
oder als NSC-Auftraggeber oder –Konterparts<br />
Verwendung finden könnten.<br />
Nach soviel Fluff darf auch der Crunch<br />
nicht fehlen: „Helden und Magie“ stellt neue<br />
Sharn-spezifische Talente vor, Ausrüstung,<br />
Drogen und ihre Wirkung, Prestigeklassen<br />
sowie neue Zauber und magische Gegenstände.<br />
Bei „Monster und Begegnungen“ gibt es<br />
weitere Gruppierungen, die im wesentlichen<br />
als Gegner der SC auftreten könnten sowie<br />
natürlich einige spezifische Monster, deren<br />
Werte und Verhalten.<br />
Das abschließende Kapitel „Eine Kampagne<br />
in Sharn“ gibt handfeste Tipps zum<br />
Gestalten einer ortsfesten Kampagne, die<br />
versuchen, Probleme schon im Vorfeld zu<br />
beleuchten.<br />
Vom Layout schließt sich der Band dem<br />
Kampagnenwelt-Buch an. Im Inneren farbige<br />
Tuschgrafiken, nicht zu farbig gehalten, die<br />
teilweise die Imposanz der Stadt einzufangen<br />
vermögen. Karten geben einen guten<br />
Überblick, wo in etwa was ist, ohne sich in<br />
Details zu verlieren. Sachdaten oder Charakterwerte<br />
sind in Kästchen rausgehoben präsentiert.<br />
Der Anteil von Stimmungstexten (Fluff)<br />
zu Regelergänzungen (Crunch) ist in dem<br />
Werk ausgewogen, nur die an ein Lexikon<br />
oder nüchternen Stadtführer erinnernden<br />
Stadtteilbeschreibungen könnten lockerer<br />
geschrieben sein. Besonders gefällig ist das<br />
erste Kapitel, nachdem man unzählige Ideen<br />
für seine Eberronkampagne haben dürfte.<br />
Fazit<br />
Endlich wieder ein Hardcoverwerk fürs<br />
deutschsprachige Eberron und eins, welches<br />
sowohl Crunch- als auch Flufffreunden gefallen<br />
sollte. Wer das Eberron Kampagnenset<br />
hat und regelmäßig spielt, wird um Sharn<br />
Wertung<br />
Karten-, Brett- und Rollenspiele<br />
bewerten wir in den drei Kategorien<br />
Preis/Leistung (P/L), Aufmachung<br />
(AUF) und Spielspaß (SSP). Aus<br />
diesen Einzelnoten ergibt sich eine<br />
Gesamtwertung, die neben dem Titel<br />
des Spiels im Kasten angezeigt wird.<br />
Die Wertungsskala reicht von einem<br />
Punkt (sehr schlecht) bis sechs Punkte<br />
(genial).<br />
Auf unserer Homepage findet Ihr eine<br />
Datenbank mit vielen Rezensionen zu<br />
Brett- und Kartenspielen.<br />
SHARN:<br />
STADT DER TÜRME 4<br />
Art Quellenband<br />
Verlag Feder & Schwert<br />
Sprache Deutsch<br />
System Dungeons & Dragons<br />
Spielwelt Eberron<br />
Jahr 2007<br />
Preis ca. 35,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
4<br />
SSP<br />
4<br />
Seite 101
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Rezensionen<br />
nicht herum kommen, alle anderen bekommen<br />
keine neuen Aspekte von Eberron vermittelt,<br />
die sie nun zum Kauf verleiten sollten.<br />
Kurzum, ein grundsolides Quellenbuch. •<br />
Spieler-Handbuch<br />
Eberron<br />
I. Schulze, www.lorp.de<br />
Auf 206 Seiten<br />
folgt das nächste<br />
Eberron-Hardcover-Quellenbuch<br />
nach Sharn: Stadt<br />
der Türme. Mit dem<br />
Spieler-Handbuch<br />
Eberron gibt es<br />
nun eine Art enzyklopädisches<br />
Werk<br />
zu den wichtigsten Punkten der Spielwelt.<br />
Die ersten zwölf Seiten sind dabei elf Charakterkonzepten<br />
gewidmet, z.B. Chronisten,<br />
Detektiven oder Straßenkindern. Es sind<br />
wirklich reine Spielkonzepte ohne regeltechnische<br />
Spielwerte, die dabei helfen sollen<br />
seine Rolle und seinen Charakter auszugestalten.<br />
So werden Tipps zu den Gründen<br />
für`s Abenteuerleben gegeben, mögliche<br />
Persönlichkeiten aufgezeigt, typische Verhaltens-<br />
und Sprechweisen vorgeschlagen und<br />
zuguterletzt mögliche Varianten vorgestellt.<br />
Insgesamt ist dieser Teil gut gelungen, gerade<br />
für Neulinge geeignet und diejenigen, die<br />
in D&D reines Hack & Slay sehen, bekommen<br />
mal etwas anderes zur Hand.<br />
Damit endet dann aber schon der reine<br />
Spielerteil und in Stichpunkten werden Elemente<br />
der Welt vorgestellt, manche nützlicher<br />
für Spieler, manche eher für den Spielleiter.<br />
Zum Stichpunkt Abenteurerleben gibt<br />
es einen kleinen Ausflug in typische Dungeons<br />
Eberrons: zerfallende Ruinen aus dem<br />
Dämonenzeitalter, überdimensionale Überreste<br />
aus dem Zeitalter der Riesen, junge<br />
Ruinen aus dem Zeitalter der Monster oder<br />
Bauwerke aus dem Letzten Krieg. Eine Tabelle<br />
mit verschiedenen Wissensfertigkeiten<br />
und Schwierigkeitsgraden regelt dabei, was<br />
der Charakter wissen könnte. Zweites großes<br />
Thema sind epische Charakter, sprich Helden<br />
über der 20. Stufe und wie man mit ihnen<br />
Kampagnen gestaltet.<br />
Der Block „Was weiß ihr Charakter?“ ist zu<br />
jedem Unterpunkt des Buches angelegt, so<br />
dass man schnell auswürfeln kann, wie der<br />
jeweilige Wissensstand ist.<br />
Andere Stichpunkte sind Orte wie Aerenal,<br />
Droaam, die Dämonenöde, Xen’drik, die<br />
Fürstentümer von Lhazaar oder Frostdach<br />
und Immereis. Diese Kapitel beschreiben<br />
kurz und oberflächlich, was man als typischer<br />
Abenteurer schon einmal über diese<br />
Gegenden gehört haben könnte. Vom Nordkontinent<br />
Frostdach kehrte beispielsweise<br />
nur eine Expedition zurück, die davon berichten<br />
konnte – allerdings will Fürst Boroman<br />
ir’Dayne bald eine Zweite unternehmen. Es<br />
gibt also immer Material für den Spieler (mein<br />
Charakter weiß dies und jenes, zum anderen,<br />
vielleicht war er ja gar Teilnehmer der ersten<br />
Expedition), andererseits werden dem Spielleiter<br />
Plothooks, also Abenteuerideen, an die<br />
Hand gegeben, die er als nächsten Kampagnenaufhänger<br />
nutzen kann – hier die zweite<br />
Expedition.<br />
Eine weitere Gruppe von Punkten beschäftigt<br />
sich mit den Spielerrassen: von Menschen<br />
über Elfen und Gnome bis hin zu den eberronspezifischen<br />
Wandlern, Wechselbälgern<br />
und Kriegsgeschmiedeten bekommt jede<br />
Rasse einen Eintrag. Dort findet sich allerlei<br />
über typische Lebensgebiete, Kultur, Merkmale,<br />
Stereotypen. Die meisten bekommen<br />
auch ein neues Talent, der Schwerpunkt liegt<br />
aber eindeutig auf Hintergrundfluff, was die<br />
Einträge locker leicht zum Lesen macht. Über<br />
Kriegsgeschmiedete, Konstrukte, die für den<br />
Letzten Krieg entworfen wurden, kann man<br />
erfahren, dass viele aus ihrer körperlichen<br />
Gleichheit mit anderen, baugleichen Konstrukten<br />
einen Hang zur Individualisierung<br />
haben. Viele verbringen zahlreiche Jahre mit<br />
der Suche nach ihrer Persönlichkeit, ihrer<br />
Menschlichkeit, so dass sie in dieser Hinsicht<br />
an Data aus Star Trek erinnern. Haus Cannith<br />
verkaufte sie im Letzten Krieg an jeden, der<br />
sie sich leisten konnte, daher einerseits ihre<br />
Verbreitung, aber auch ihre Vielfalt. Erst mit<br />
dem Friedenspakt der Thronfeste wurden<br />
ihnen Rechte als freie Wesen mit eigenem<br />
Empfinden eingeräumt, die oft wegen ihrer<br />
Macht oder den Geschehnissen des Letzten<br />
Krieges im Volk gefürchtet sind. Da mit dem<br />
Pakt aber auch die Fertigung des Kriegsgeschmiedeten<br />
ein Ende fand, gehören sie auch<br />
zu einem aussterbenden Volk, zumindest bis<br />
zum nächsten Krieg…<br />
Auch häufige oder mächtige NSC-Rassen<br />
bekommen ihr Fett weg: Orks, Goblinoide<br />
oder Drachen. Bei den Goblinoiden erfährt<br />
man z.B. die Geschichte des vor 16.000 Jahren<br />
vorherrschenden Imperiums der Hobgoblins<br />
und seinem Zerfall, Charakterwissen<br />
über Goblins, ein Artfefakt namens Skai<br />
Shaarat und wie man einen Goblinoiden als<br />
SC nutzen kann. Weitere Stichpunkte hängen<br />
mit dem Glauben (z.B. Göttliche Heerschar<br />
oder Dunkle Sechs), Zwielichtigen Organisationen,<br />
Magie, dem Letzten Krieg, Schöpfungsmythen,<br />
Existenzebenen oder einfach<br />
Spionage und Intrigen zusammen.<br />
Fazit<br />
Insgesamt ergibt sich so ein Buch zum nebenbei<br />
Lesen, welches nichts enthält, was<br />
man unbedingt wissen muss, aber vieles,<br />
was man haben kann. Der Schreibstil lässt<br />
einen das Buch flüssig lesen und der Umfang<br />
der Punkte ist genau richtig, um Hintergrund<br />
vermittelt zu bekommen, ohne von Detailreichtum<br />
erschlagen zu werden. Genau das<br />
richtige Werk für Fluff-Freunde, aber nichts<br />
für Leute, die nur Crunch suchen (der kaum<br />
vorhanden ist). •<br />
Das Zauberkompendium<br />
I. Schulze, www.lorp.de<br />
Im Zauberkompendium<br />
finden sich über<br />
1.000 Zaubersprüche<br />
aller Grade und aller<br />
möglichen Klassen<br />
in einem Buch. Dazu<br />
natürlich noch die<br />
Zauberspruchlisten<br />
für die verschiedenen<br />
Klassen und zahlreiche<br />
neue Domänen für Kleriker.<br />
Als Quelle dienten einige der zahlreichen<br />
Zusatzbücher, von denen nur einige auf<br />
deutsch erschienen sind, andere noch übersetzt<br />
werden und wiederum andere wohl<br />
gar nicht erst übersetzt werden. Zu den auf<br />
deutsch übersetzten Quellen zählen Buch<br />
der Abenteurer, Buch des Glaubens, Buch des<br />
Arkanen, Buch des Krieges und die Vergessene<br />
Reiche-Quellenbücher Magie Faerûns,<br />
SPIELER-HANDBUCH<br />
EBERRON 4<br />
Art Quellenband<br />
Verlag Feder & Schwert<br />
Sprache Deutsch<br />
System Dungeons & Dragons<br />
Spielwelt Eberron<br />
Jahr 2007<br />
Preis ca. 35,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
4<br />
SSP<br />
4<br />
DAS ZAUBER-<br />
KOMPENDIUM 3<br />
Art Quellenband<br />
Verlag Feder & Schwert<br />
Sprache Deutsch<br />
System Dungeons & Dragons<br />
Spielwelt Basisregeln<br />
Jahr 2007<br />
Preis ca. 37,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
3<br />
SSP<br />
3<br />
Seite 102<br />
Rezensionen
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Fluff & Crunch<br />
In den Rezensionen tauchen immer<br />
mal wieder die Begriffe Fluff und<br />
Crunch auf, die ich kurz erläutern<br />
möchte.<br />
Fluff sind beschreibende Texte, welche<br />
die Spielwelt stimmungsvoller machen<br />
und diese beschreiben. Das kann<br />
in verschiedenen Formen geschehen,<br />
z.B. durch farbige Beschreibungen,<br />
Kurzgeschichten, oder ähnliches.<br />
Crunch sind reine Regeltexte, welche<br />
die Spielmechanik erklären ohne Stimmung<br />
aufzubauen.<br />
Rezensionen<br />
Das Unterreich oder dem Spielerhandbuch<br />
Faerûn. Interessanter dürften natürlich die<br />
noch nicht übersetzten Quellen für Zaubersprüche<br />
sein, dies sind: Draconomicon, Libris<br />
Mortis – The Book of Undead, Manual of the<br />
Planes, Miniatures Handbook, Planar Handbook<br />
sowie das Savage Species. Dazu kommen<br />
noch dreiundzwanzig Dragon-Artikel<br />
und sechzehn Wizard-Homepage-Artikel, die<br />
in dieser Form dann auch erstmals übersetzt<br />
wurden. So es eine deutschsprachige Quelle<br />
gibt, wurde diese angeführt.<br />
Die über tausend Zauber sind D&D-typisch<br />
beschrieben. Neben Namen, Gebiet (Beschwörung,<br />
Nekromantie etc.) und regeltechnischen<br />
Details (Klasse, Grad, Komponente,<br />
Komponenten, Reichweite etc.) und<br />
einer kurzen Wirkungsbeschreibung gibt es<br />
einen kurzen Stimmungstext, der eine Möglichkeit<br />
aufzeigt, wie man den Zauber im<br />
Spiel stimmig einbinden kann.<br />
Nützlich sind die Zauber letztlich natürlich<br />
nur für Spieler von Magie anwendenen Klassen,<br />
ebenso wie für Meister, die NSC’s nicht<br />
nur mit den acht Standardzaubern rumlaufen<br />
lassen, oder die zu findenden Schätze mit unbekannten<br />
Schriftrollen ausstatten wollen.<br />
Sicherlich ist nicht jeder Zauber sinnvoll für<br />
jeden, aber für Magier bietet sich so z. B. die<br />
Möglichkeit, sich auf bestimmte Elemente zu<br />
konzentrieren oder seinen Zaubern anderweitig<br />
einen gemeinsames Thema zu geben.<br />
Die Zauberlisten für die Grundklassen bieten<br />
einen schnellen Überblick über die Zauber<br />
samt Kurzbeschreibung, insbesondere<br />
für Druiden und Kleriker, die theoretisch –<br />
sofern der Spielleiter einverstanden ist (oder<br />
die angebetete Gottheit…) – alle Sprüche<br />
bei nächster Gelegenheit erbeten könnten.<br />
Die zusätzlichen Domänen für Kleriker schaffen<br />
ebenfalls neue Möglichkeiten bei der<br />
Charaktererschaffung; und für bestehende<br />
Charaktere gibt es ja noch das ein oder andere<br />
Talent, für die weitere Domänen interessant<br />
sind.<br />
Das Zauberkompendium ist also nahezu<br />
reiner Crunch (also hier speziell Zauber satt)<br />
und kein Fluff (stimmige Hintergrundtexte)<br />
von den erwähnten Flavourtexten abgesehen.<br />
Insofern muss man den Stil schon mögen,<br />
andererseits ist ein Zauberkompendium<br />
nahezu der letzte Ort, wo man bei D&D stimmige<br />
Hintergrundtexte erwartet oder sucht.<br />
Die Aufmachung ist gelungen im typischen<br />
Stil der neuen Editionen. 285 vollfarbige Seiten,<br />
alle zwei bis acht Seiten eine farbige Illustration<br />
guter Qualität und ein Hardcover<br />
als Buch mit (fiktiven) Beschlägen und einem<br />
Lederverschluß zum Preis von knapp 37 Euro<br />
aufgemacht.<br />
Fazit<br />
Mit dem Zauberkompendium bekommt<br />
man genau das, was man erwartet. Spieler,<br />
die gern viele Sprüche abseits von Feuerball<br />
und Wunden heilen ausprobieren, werden<br />
hier schnell fündig ebenso wie Spielleiter, die<br />
mal andere Sprüche in ihre Kampagne einbauen<br />
wollen. Gerade die deutschsprachige<br />
Version hat zudem noch den Vorteil, dass viele<br />
der Sprüche tatsächlich noch nicht anderweitig<br />
publiziert wurden. •<br />
Drachenreiter<br />
T. Heinig<br />
Das Spiel Drachenreiter<br />
von<br />
Amigo Spiele ist ein<br />
Wettrennen von<br />
Magiern auf Drachen.<br />
Der Spielplan<br />
ist dabei in quadratische<br />
Kacheln unterteilt,<br />
die beliebig zusammengesetzt werden<br />
können und dann einen Rundkurs oder<br />
eine Rennstrecke bilden. Die Drachen werden<br />
durch Plastikfiguren dargestellt, die mit<br />
Hilfe von Wegschablonen bewegt werden.<br />
Die Magier auf den Drachenrücken können<br />
Zaubersprüche wirken und damit die Gegner<br />
behindern. Wer nach als erstes im Ziel ankommt<br />
hat gewonnen.<br />
Vor dem Start wird die Startreihenfolge<br />
durch Karten bestimmt. Je weiter hinten ein<br />
Drache starten muss, desto mehr magische<br />
Energie und Zaubersprüche bekommt sein<br />
Magier als Ausgleich um ein faires Rennen zu<br />
gewährleisten. Zudem ist auf jeder Startkarte<br />
die Anfangsgeschwindigkeit des Drachen<br />
in DS (Drachenstärken) angegeben. Diese<br />
Geschwindigkeit geht von 100 DS bis 700 DS<br />
und für jede Stufe liegt dem Spiel eine stabile<br />
Schablone bei, die an der Basis der Drachenfigur<br />
angelegt wird. Dadurch dass die Schablonen<br />
unterschiedlich lang sind (Geschwindigkeit)<br />
und jeweils nur einen eingeschränkten<br />
Aktionsradius erlauben (Wendigkeit) ergibt<br />
sich automatisch die mögliche Flugbahn für<br />
jede Geschwindigkeitsstufe. Natürlich erlauben<br />
die Schablonen nur noch sehr geringe<br />
Kursänderungen je höher die Geschwindigkeit<br />
steigt.<br />
Die Drachen können um 300 DS beschleunigen<br />
oder abbremsen, jedoch darf die entsprechende<br />
Schablone erst genommen werden,<br />
wenn man sich für die Geschwindigkeit<br />
in der jeweiligen Runde entschieden hat. So<br />
kann es passieren, dass man sich leicht verschätzt<br />
und in die Bande fliegt oder sogar<br />
gänzlich den Kurs verlässt. Solche Flugpatzer<br />
werden mit einem sofortigen Stop bestraft.<br />
Zudem kann man in andere Drachen fliegen,<br />
was zwar auch ein plötzliches Abbremsen<br />
zur Folge hat, aber immerhin landet man vor<br />
dem anderen Drachen. Und das ist wichtig,<br />
weil die Spielerreihenfolge in jeder Runde<br />
dadurch bestimmt wird, wer am weitesten<br />
vorne auf dem Kurs liegt.<br />
Auf dem Kurs verteilt liegen Energie- und<br />
Kartenfelder, die bei Überfliegen bzw. darauf<br />
zum Stehen kommen magische Energie<br />
oder Zauberspruchkarten bringen. Diese<br />
Zaubersprüche kann man in seiner Runde<br />
benutzen um andere Drachen zu schwächen,<br />
langsamer werden zu lassen oder den eigenen<br />
Drachen stark abzubremsen oder zu beschleunigen.<br />
Der Einsatz von Zaubern kostet<br />
ebenso wie Flugpatzer magische Energie.<br />
Sollte einem Drachen diese Energie ausgehen,<br />
so muss er geschwächt weiterfliegen,<br />
was seine Höchstgeschwindigkeit drastisch<br />
reduziert und ihn in Gefahr bringt, ganz aus<br />
dem Rennen auszuscheiden.<br />
Leider wird das an sich interessante Spielprinzip<br />
durch ein paar Designfehler nahezu<br />
gänzlich kaputt gemacht. So sind die Drachenfiguren<br />
zu filigran mit weit ausladenden<br />
Flügeln. So verhaken sie sich oft und lassen<br />
viele Manöver nicht zu, die man gerne ausprobieren<br />
würde. Da die Figuren auch relativ<br />
leicht sind, verschiebt man schnell andere<br />
Drachen, was deren Spieler nicht so toll fin-<br />
DRACHENREITER<br />
2<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Amigo Spiele<br />
Sprache Deutsch<br />
Dauer ab 1 Stunde<br />
Spieler 2 – 6 Spieler ab 10 Jahre<br />
Jahr 2005<br />
Preis ca. 20,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
3<br />
SSP<br />
2<br />
Seite 103
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Rezensionen<br />
den. Gerade mit jüngeren Spielern, die dank<br />
der Harry-Potter-Welle Gefallen an dem Spiel<br />
finden könnten, wird das Spiel so zur Höllentour,<br />
da dauernd Streitereien um versehentlich<br />
bewegte Drachen aufkommt. Zudem<br />
glänzt der Spielplan durch Hässlichkeit. Die<br />
Streckenführung passt nicht so recht ins Bild<br />
und die Landschaften auf den Kacheln lassen<br />
den Plan… nun ja… gekachelt wirken. Nicht<br />
aus einem Guss, und das obwohl die Landschaften<br />
keinen Spielsinn haben und nur verwirrend<br />
wirken.<br />
Das letzte und vielleicht größte Problem<br />
mit den „Drachenreitern“ ist, dass in allen<br />
unseren Testspielen der Spieler gewinnen<br />
konnte, der sich frühzeitig ein Stück vom<br />
restlichen Feld abgesetzt hat. Während man<br />
im Feld dauernd ineinanderfliegt und sich gegenseitig<br />
behindert und den Führenden nur<br />
mit viel Glück und der richtigen Zauberkarte<br />
aufhalten kann, braucht der Führende nur<br />
ohne großes Risiko dahinzufliegen.<br />
Fazit<br />
Egal in welcher Runde, stets wurden die<br />
Figuren und deren Gewicht bemängelt. Auch<br />
der Spielplan bekam fast immer das Prädikat<br />
„hässlich“. Dabei wäre das Spiel ganz nett,<br />
wenn man einen schöneren Plan und passendere<br />
Figuren hätte. Und wenn man mit<br />
einer Hausregel dafür sorgt, dass es keinen<br />
einsamen Führenden geben kann. Moment<br />
mal, gibt es so etwas nicht schon? Ja, da gab<br />
es mal das Spiel Blood Race, das richtig Spaß<br />
machen kann und diese Fehler nicht hat (das<br />
allerdings vom Thema her nicht so sehr für<br />
Kinder geeignet ist). Oder das Spiel Formular<br />
Dé, das zwar mit gänzlichen anderem<br />
Regelsystem ein Wettrennen simuliert, das<br />
dafür aber richtig gut. •<br />
Twilight Imperium<br />
T. Heinig<br />
Die Firmengeschichte von Fantasy Flight<br />
Games begann mit einem Brettspiel um epische<br />
Raumschlachten und intergalaktische<br />
Diplomatie – Twilight Imperium. Bekannt<br />
geworden ist der Verlag aber inzwischen<br />
eher durch die Warcraft-Spiele, A Game of<br />
Thrones und das Cthulhu Sammelkartenspiel.<br />
Dennoch scheint das Herzblut von Firmengründer<br />
Petersen an Twilight Imperium<br />
zu hängen. Neben dem Brettspiel, das nun<br />
in der ultimativen 3. Edition erschienen ist<br />
(doch dazu gleich mehr), erscheint das Thema<br />
auch in dem sehr guten Kartenspiel Mag<br />
Blast (zumindest in dessen ersten beiden<br />
Editionen) und in einer eigenen (schlechten)<br />
Rollenspielserie.<br />
Schon vor dem Kauf (außer man erwirbt das<br />
Spiel im Imternet) erleidet man zwei Schocks<br />
hintereinander: den ersten (positiven) beim<br />
Anblick der gigantischen Spielschachtel, die<br />
doppelt so breit ist wie beispielsweise die<br />
Siedler von Catan und deutlich höher. Auch<br />
das Gewicht kündet Großes an. Leider auch<br />
der Preis (womit wir beim zweiten (negativen)<br />
Schock wären), denn der liegt je nach<br />
Bezugsquelle zwischen 60,- Euro (Onlineversand)<br />
und 100,- Euro (eBay).<br />
Bevor wir zum Spiel an sich kommen ein<br />
paar Worte zu den Unterschieden zu früheren<br />
Editionen des Spiels. Bisher war der<br />
Spielablauf streng in Runden und diese wiederum<br />
in Phasen eingeteilt. Jede Runde wurden<br />
alle spielrelevanten Teile (Diplomatie,<br />
Schiffsbau, Bewegung, Kampf, Ressourcen,<br />
Forschung) nacheinander abgehandelt. Dies<br />
hat man zugunsten des einigen Lesern aus<br />
dem genialen Puerto Rico bekannten „Berufesystem“<br />
geändert. Es existieren nun acht<br />
kurzfristige Strategien, die vor der Runde unter<br />
den Spielern verteilt werden. Diese Strategien<br />
entscheiden darüber, ob es zu Schiffsbau,<br />
Forschung, Handel, Politik und so weiter<br />
kommt und sie vergeben Vorteile in diesem<br />
Bereich an den Spieler, der die Strategie gewählt<br />
hat. Dies macht das Spiel wesentlich<br />
dynamischer und strategischer. Zum anderen<br />
wurden Missionskarten eingeführt, deren Erfüllung<br />
Siegpunkte bringen. In Kombination<br />
mit einer Strategie, welche „nur“ Siegpunkte<br />
– aber keine weiteren Vorteile – bringt,<br />
hat das Spiel damit ein absehbares Ende, das<br />
nicht mehr unbedingt auf die Auslöschung aller<br />
Mitspieler hinauslaufen muss. Dritte große<br />
Änderung ist die Präsentation des Spieles,<br />
die endgültig den Pappcounter-Charme der<br />
früheren Editionen hinter sich gelassen hat<br />
und schlicht extrem gelungen ist. Von den<br />
großen und detailierten Plastikfiguren über<br />
die ebenfalls vergrößerten Kartenteile bis<br />
hin zu sämtlichen Spielkarten wirkt das Spiel<br />
gelungen und sehr schön.<br />
Vier bis sechs Spieler übernehmen je eine<br />
der zehn Rassen in Twilight Imperium um gegeneinander<br />
um die Herrschaft zu kämpfen.<br />
Dabei reicht die Palette vom Händlervolk der<br />
Hacan über die Borg-Brüder L1Z1X bis hin zur<br />
kriegerischen Baronie Letnev. Jedes Volk hat<br />
seine eigenen Vor- und Nachteile, die auf den<br />
ersten Blick stellenweise unbalanciert wirken.<br />
Im Spiel hat sich bisher aber noch kein<br />
deutlicher Nachteil ergeben – außer dass<br />
einige Spieler ihre Spielweise sehr genau an<br />
das Volk anpassen müssen, während andere<br />
Völker unkomplizierter zu spielen sind. Das<br />
Spiel endet, sobald einer der Spieler 10 Siegpunkte<br />
erlangen konnte. Diese Punkte erhält<br />
man, wenn man am Rundenende eine der<br />
offen ausliegenden Missionskarten erfüllen<br />
konnte. Dabei geht es zum Beispiel darum,<br />
fünf Planeten außerhalb des eigenen Startsystems<br />
zu erobern, eine bestimmte Anzahl<br />
an Handelsgütern umzusetzen oder den zentralen<br />
Planeten Mecatol Rex eine Runde lang<br />
zu halten.<br />
Die genauen Spielregeln werde ich in dieser<br />
Rezension nicht erläutern, zum einen<br />
weil sie recht komplex sind und ein Überblick<br />
reichen dürfte, zum anderen weil man<br />
auf der Homepage von Fantasy Flight Games<br />
die kompletten Regeln inklusive Errata herunterladen<br />
kann. Da diese Regeln reich bebildet<br />
sind kann man sich so auch einen sehr<br />
guten Eindruck vom Spielmaterial machen.<br />
Vor dem Spiel bauen die Spieler das Spielfeld<br />
aus Sechsecken zusammen, die reihum<br />
in drei Ringen um den zentralen Planeten<br />
Mecatol Rex gelegt werden. Die Heimatsysteme<br />
der Spieler befinden sich im gleichen<br />
Abstand voneinander im äußersten Ring.<br />
Auf den Sechsecken sind entweder 1 bis zwei<br />
Planeten zu sehen (jeweils mit einen Resourcen-<br />
und einem Politikwert) oder aber leerer<br />
Raum, Asteroidenfelder, Nebel oder eine Supernova.<br />
Nichtz fehlen dürfen natürlich auch<br />
die aus den bisherigen Editionen bekannten<br />
Wurmlöcher.<br />
In der bisherigen Spielreihenfolge werden<br />
zunächst die Strategien verteilt, welche<br />
nicht nur vorgeben, welche Phasen in dieser<br />
Runde gespielt werden, sondern dem Spieler<br />
auch Vorteile in dieser Phase gewähren.<br />
Gleichzeitig bestimmen sie die neue Spielreihenfolge,<br />
da die Strategien von 1 bis 8<br />
durchnummeriert sind. Anschließend hat in<br />
der neuen Spielreihenfolge jeder Spieler je<br />
eine Aktion zur Verfügung, was reihum so<br />
lange fortgesetzt wird bis kein Spieler mehr<br />
handeln möchte. Als Aktion gilt das Aktivieren<br />
eines Systems, das Ausspielen bestimmten<br />
Aktionskarten oder das Ausführen der<br />
TWILIGHT IMPERIUM<br />
5<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Englisch<br />
Dauer 3 – 5 Stunden<br />
Spieler 2 – 6 Spieler ab 12 Jahre<br />
Jahr 2007<br />
Preis ca. 50,- Euro<br />
P/L<br />
3<br />
AUF<br />
5<br />
SSP<br />
5<br />
Seite 104<br />
Rezensionen
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
eigenen Strategiekarte. Nach den Aktionen<br />
wird „aufgeräumt“ (also überflüssige Counter<br />
vom Spielbrett genommen, Karten neu<br />
gezogen, etc.) und Siegpunkte für erfüllte<br />
Missionen vergeben. Dann beginnt eine neue<br />
Runde.<br />
Ein System wird aktiviert, indem man einen<br />
Aktivierungsmarker in das System legt. Nun<br />
ist es möglich, eigene Schiffe entsprechend<br />
ihrer Bewegungsweite in dieses System zu<br />
ziehen. Zudem kann man in einem Aktivierten<br />
System Raumschiffe in eigenen Raumdocks<br />
bauen und so ins Spiel bringen. Aber<br />
alle Schiffe in einem aktivierten System dürfen<br />
sich nicht mehr bewegen. Dadurch wurde<br />
das Problem früherer Editionen entschärft,<br />
dass man Schiffe zwar bauen, aber erst in<br />
der nächsten Runde auf den Spielplan bringen<br />
durfte. Nun kann man zur Verteidigung<br />
schnell Schiffe ins Spiel bringen, aber diese<br />
bis zur nächsten Runde nicht mehr bewegen<br />
und somit zum Angriff verwenden. Raumschlachten<br />
werden mit einem einfachen<br />
System ausgewürfelt – jedes Schiff hat einen<br />
Kampfwert über der mit einem W10 erreicht<br />
werden muss. Beide Seiten bestimmen so<br />
gleichzeitig ihre Treffer und entfernen dann<br />
Verluste. Jede Seite kann sich nach Möglichkeit<br />
zurückziehen, muss dies aber vor einer<br />
Kampfrunde ankündigen – ansonsten geht<br />
der Kampf weiter bis zur Auslöschung einer<br />
der beiden Flotten. Da es im Spiel ein sehr<br />
geschicktes System gibt, welches vom Spieler<br />
verlangt seine Resourcen auf die Bereiche<br />
Flottenstärke, Aktivierungen und Strategie<br />
zu verteilen, werden die Flotten selten groß,<br />
aber leider leicht unübersichtlich sobald einige<br />
Carrier mit Fightern beteiligt sind (da ein<br />
Carrier zum Flottenlimit zählt, die maximal 6<br />
Fighter an Bord aber nicht).<br />
Noch ein paar Worte zu den eben erwähnten<br />
Resourcen: jeder Spieler muss jede Runde<br />
eine begrenzte Anzahl an Command Markern<br />
auf die Bereiche Flottenstärke, Aktivierungen<br />
und Strategie verteilen. Nur mit Markern<br />
im Bereich Aktivierungen darf er Systeme<br />
aktivieren und sich damit bewegen oder<br />
Schiffe produzieren. Mit Markern im Bereich<br />
Strategie darf er sich das Recht erkaufen, an<br />
der Phase der Strategiekarte teilzunehmen.<br />
Und Marker im Bereich Flottenstärke zeigen<br />
das Flottenlimit an. Da Marker (außer bei der<br />
Flottenstärke) nach Einsatz verloren gehen<br />
und es nur spärlich Nachschub gibt, sind die<br />
Spieler gezwungen genau zu planen.<br />
Die Bereiche Handel und Politik spielen eine<br />
wesentliche Rolle im Spiel, werden aber beide<br />
nur durch entsprechende Strategiekarten<br />
ausgelöst. Mit Handelsvverträgen können<br />
die Spieler eine Art Spielgeld erwirtschaften<br />
und temporäre Friedensverträge herstellen.<br />
Rezensionen<br />
In der politischen Phase dürfen die Spieler<br />
über eine politische Agenda abstimmen, die<br />
fast immer große Auswirkungen auf den<br />
weiteren Spielverlauf hat und begleitet von<br />
Bestechungen, Absprachen und Drohungen<br />
sehr zur Interaktivität beiträgt. Dadurch dass<br />
man nie weiß, welche Strategien die anderen<br />
Spieler wählen und wann in ihrer Aktionsphase<br />
sie diese einsetzen, wirkt das Spiel dynamischer<br />
und sehr viel weniger starr als früher.<br />
Aber es wird auch im ersten Moment komplizierter,<br />
da man keine feste Reihenfolge<br />
erklären kann und das System der Strategiekarten<br />
erst begriffen werden muss. Ich kann<br />
daher nur einen Blick in die oben erwähnte<br />
Anleitung empfehlen, um sich die gesamten<br />
Regeln genauer anzusehen.<br />
Fazit<br />
Twilight Imperium ist ein Riese unter den<br />
Brettspielen – das Material ist einmalig und<br />
die Spielmechanik durchdacht und komplex<br />
verzahnt. In der Rezension bin ich bisher<br />
weder auf Bodenstationen, Planetenkampf,<br />
Forschung, Schiffstypen oder auf die vielen<br />
optionalen Regeln eingegangen. Darum eignet<br />
es sich auch nur für Spieler, die über 3 bis<br />
maximal 5 Stunden Spaß an strategischen<br />
Entscheidungen haben und vor allem die dafür<br />
notwendige Konzentration aufbringen<br />
können (und wollen). Ein Hauptkritikpunkt<br />
bleibt nämlich der, dass ein möglichst verdrängendes<br />
aggressives Vorgehen sich am<br />
meisten auszahlt. Zwar kann man nun tatsächlich<br />
auch rein durch Handel und Diplomatie<br />
gewinnen, aber es passiert dennoch<br />
oft, dass ein Spieler aus dem Spiel fliegt und<br />
sich den Rest des Spiels als Zuschauer fühlen<br />
darf. Als ähnlich angelegtes aber nicht ganz<br />
so kriegerisches und komplexes Spiel bleibt<br />
mein momentaner Strategie-Favorit A Game<br />
of Thrones (auch von Fantasy Flight Games),<br />
aber Twilight Imperium wird sicher nicht im<br />
Regal verstauben – dafür ist es zu gut. •<br />
Nexus Ops<br />
T. Heinig<br />
Die Ressourcen<br />
werden immer knapper,<br />
also muss man<br />
neue Quellen erschließen.<br />
In der Zukunft<br />
geschieht dies<br />
beispielsweise auf<br />
einem von insektenartigen Außerirdischen<br />
bevölkerten Mond. Wie praktisch, dass sich<br />
die dummen Viecher auch gleich als willige<br />
Soldaten und Arbeiter einsetzen lassen. Also<br />
kämpfen vier Konzerne um den ertrag- und<br />
gewinnreichen Himmelskörper.<br />
Nachdem man sich von der Vergiftung<br />
durch die ätzenden Dämpfe aus der Spielpackung<br />
erholt hat bricht Begeisterung aus:<br />
dem Spiel liegen unzählige neonfarbige Spielfiguren<br />
bei, die transparent und giftig für Aufsehen<br />
sorgen. Okay, dank der ausströmenden<br />
Gerüche möchte man sie in den ersten<br />
Partien nur mit Handschuhen anfassen und<br />
mit Atemmaske am Spieltisch sitzen, aber<br />
das legt sich mit der Zeit. Der Spielplan wird<br />
a la Siedler von Catan mit sechseckigen Karten<br />
kreisförmig zusammengestellt, in deren<br />
Mitte ein kleiner Pappmonolith seinen Platz<br />
findet. Dieser erhöhte Ort spielt später noch<br />
eine große Rolle. Die Landschaft besteht aus<br />
unterschiedlichen Geländefeldern wie Pilzwäldern,<br />
Lavaseen oder Geröllhalden. Außerdem<br />
finden sich etliche Karten (Aufträge und<br />
Aktionskarten) und viele Pappcounter in der<br />
Schachtel.<br />
Nachdem der Spielplan ausgelegt wurde<br />
werden verdeckt Ressourcenmarker auf die<br />
Felder gelegt. Jeder Spieler hat außerdem<br />
vier Startfelder, die Erträge bringen. Nachdem<br />
die Spielreihenfolge bestimmt wurde<br />
darf sich jeder Spieler von seinem Startgeld<br />
eine kleine Armee kaufen und auf seinen<br />
Startfeldern verteilen. Die Auswahl an Einheiten<br />
ist recht vielseitig und beinhaltet kräftige<br />
oder schnelle Figuren ebenso wie welche,<br />
die auf bestimmten Geländearten Vorteile<br />
haben. Nun kann der Kampf beginnen.<br />
Jeder Spieler erhält eine Auftragskarte,<br />
auf der eine Bedingung für den Erhalt von<br />
Siegpunkten steht. Beispielsweise könnte<br />
es darum gehen, mindestens drei Ressourcefelder<br />
zu besetzen, den Monolithen eine<br />
Runde lang mit eigenen Einheiten zu besetzen<br />
oder eine bestimmte Anzahl an Feldern<br />
einer Geländeart unter Kontrolle zu haben.<br />
Hat ein Spieler während seines Zuges die<br />
Bedingung erfüllt, so darf er die Karte offen<br />
vor sich ablegen und damit die Siegpunkte<br />
der Karte auf seinem Konto gutschreiben.<br />
Am Ende der Runde erhält er außerdem eine<br />
neue Auftragskarte. Aktionskarten allerdings<br />
erhält man vor allem, indem man als Verlierer<br />
aus einem Kampf herausgeht. Das führt<br />
dazu, dass mächtige Spieler nicht so schnell<br />
übermächtig werden und hält das Spiel dy-<br />
NEXUS OPS<br />
4<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Avalon Hill<br />
Sprache Englisch<br />
Dauer 60 Minuten<br />
Spieler 2 – 4 Spieler ab 10 Jahre<br />
Jahr 2005<br />
Preis ca. 30,- Euro<br />
P/L<br />
3<br />
AUF<br />
4<br />
SSP<br />
5<br />
Seite 105
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Rezensionen<br />
namisch. Aktionskarten bieten dem ausspielenden<br />
Spieler teils erstaunliche Vorteile und<br />
gelten als durchaus erstrebenswert…<br />
Die Bewegung und der Kampf (würfelbasiert)<br />
erfinden das Genre nicht neu und sind<br />
schon Dutzende Male in anderen Spielen<br />
gesehen worden. Fans dieser Art der Spiele<br />
werden sich aber zumindest freuen zu hören,<br />
dass es durch die Geländearten und die<br />
Einheitentypen durchaus taktische Möglichkeiten<br />
gibt, auch wenn natürlich dank der<br />
Würfel alles recht glücksbasiert ist.<br />
Wer am Ende eine zuvor festgelegte Anzahl<br />
an Siegpunkten erreicht hat, der hat<br />
das Spiel gewonnen und den Mond ausgeschlachtet.<br />
Das Spiel dauert circa 60 Minuten,<br />
man kann die Spieldauer aber verkürzen<br />
oder verlängern. Die Aufmachung ist auch<br />
von den Figuren abgesehen sehr gut und<br />
kann überzeugen.<br />
Fazit<br />
Nexus Ops hat durch seine Optik mit den<br />
leuchtenden Insekten einen herrlich schönen<br />
trashigen Charme – ohne allerdings Zweifel<br />
an der Qualität der Ausstattung aufkommen<br />
zu lassen. Uns haben die Testrunden viel Spaß<br />
gemacht, weil das Spiel eine gute Mischung<br />
aus Glück und Taktik bietet, die viele Spieler<br />
anspricht. An Strategieschwergewichte wie A<br />
Game of Thrones oder Warcraft kommt es<br />
nicht heran – will es aber auch gar nicht. •<br />
Zug um Zug<br />
T. Heinig<br />
Wieso Eisenbahnen<br />
eine solche<br />
Faszination auf<br />
Spieleentwickler<br />
ausüben wird mir<br />
immer ein Rätsel<br />
bleiben, aber Union<br />
Pacific, Trans<br />
America, Stephensons Rocket, Railroad<br />
Tycoon und viele andere sprechen eine deutliche<br />
Sprache. Und dass es zu Zug um Zug bereits<br />
diverse Nachfolger und Erweiterungen<br />
gibt, die das Spielprinzip jeweils in kleinen<br />
Schritten ausbauen, könnte man durchaus<br />
als gutes Zeichen werten, ebenso wie die Ernennung<br />
zum „Spiel des Jahres 2004“.<br />
Bis zu fünf Spieler bauen auf einer Karten<br />
der Vereinigten Staaten Gleisverbindungen<br />
auf. Auf dem Spielplan sind die größeren<br />
Städte dieses Gebiets verzeichnet, zwischen<br />
denen vorgegebene Verbindungen existieren,<br />
die zwischen einem und sechs Feldern<br />
lang sind. Außerdem verfügen die Verbindungen<br />
über einen Farbcode oder sind in grau<br />
dargestellt, wobei letzteres heißt, dass eine<br />
beliebige Farbe verwendet werden für diese<br />
Strecke kann. Was das genau heißt wird klarer,<br />
wenn die Streckenkarten ins Spiel kommen,<br />
die ebenfalls die Farben der Strecken<br />
zeigen.<br />
Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler vier Streckenkarten<br />
sowie drei Zielkarten. Die Zielkarten<br />
sind Aufträge an den Spieler, bestimmte<br />
Städte miteinander zu verbinden. Schafft der<br />
Spieler den Auftrag bis zum Spielende, so erhält<br />
er die genannten Punkte. Schafft er es<br />
aber nicht, so verliert er die Punkte. Nun darf<br />
der Startspieler zwei neue Streckenkarten<br />
entweder vom den fünf offen liegenden oder<br />
vom verdeckten Stapel ziehen. Anschließend<br />
kann er eine neue Strecke bauen, in dem er<br />
entsprechen viele Streckenkarten einer Farbe<br />
abwirft und seine Zugspielsteine auf die<br />
Strecke stellt. Besteht die Strecke z.B. aus<br />
vier grünen Feldern, so muss er vier grüne<br />
Karten abwerfen. Sind es dagegen fünf graue<br />
Felder, so muss er fünf Karten einer beliebigen<br />
Farbe abwerfen, um die Strecke bauen<br />
zu können. Abschließend kann der Spieler<br />
sich noch zwei neue Zielkarten nehmen, von<br />
denen er aber nur eine behalten darf.<br />
Das Spielprinzip ist relativ einfach und wird<br />
auch nicht durch weitere Mechanismen kompliziert.<br />
Damit ist es leicht zugänglich und<br />
schnell erklärt. Einzig die Jokerkarten stellen<br />
noch eine kleine Ausnahme dar, kann man<br />
sie doch anstatt jeder beliebigen Farbe abwerfen.<br />
Den Streckenbau aber zu optimieren fordert<br />
auch erfahrene Spieler. Zudem ist die<br />
Spannung zwischen den eigenen Spielzügen<br />
hoch, denn man weiß nie, ob nicht ein anderer<br />
Spieler genau die Strecke verbaut, auf die<br />
man schon lange ein Auge geworfen hat. Oft<br />
bleiben dann nur noch kostspielige Umwege.<br />
Die Aufmachung ist ordentlich und dank<br />
großem Spielplan und vielen Plastikwaggons<br />
recht umfangreich. Netterweise wurde auch<br />
an Menschen mit Farbfehlsicht gedacht,<br />
denn die Farben werden nochmals mit Symbolen<br />
dargestellt.<br />
Fazit<br />
Das Spiel kommt bei uns immer wieder auf<br />
den Spieltisch, denn es ist schnell erklärt und<br />
nicht abendfressend – vor allem aber macht<br />
es Spaß. Es ist nett anzusehen, wie die Spieler<br />
immer nervöser werden, denn jederzeit kann<br />
die vielleicht letzte Verbindungsmöglichkeit<br />
verbaut werden. Doch trotz der Glückskomponente<br />
lässt sich das Spiel auch planen, so<br />
dass es auch bei unterschiedlichen Spielertypen<br />
gut ankommt. •<br />
Der Weg nach<br />
Drakonia<br />
T. Heinig<br />
Die Idee, den Hintergrund<br />
des beliebten<br />
Rollenspiels Das<br />
Schwarze Auge für<br />
ein Brettspiel zu nutzen,<br />
ist nicht neu,<br />
aber noch nie so umgesetzt<br />
worden wie hier in Der Weg nach<br />
Drakonia. Dessen Hintergrundgeschichte<br />
kommt dem typischen Abenteuer in Aventurien<br />
schon recht nah: Eine Gruppe von Abenteurern,<br />
zusammengesetzt aus Dieben, Kriegern,<br />
Magiern und Priestern, macht sich auf<br />
den gefährlichen Weg die sagenumwobene<br />
Feste Drakonia zu finden, in der paradiesische<br />
Zustände herrschen. Unterwegs müssen sie<br />
so manchen Kampf bestehen, es wird Verletzte<br />
und gar Tote geben und Begegnungen<br />
mit anderen Heldengruppen. Wer jetzt aber<br />
ein Abenteuer im Stil von Hero Quest oder<br />
Descent erwartet muss umdenken. Der Weg<br />
nach Drakonia sieht ganz anders aus…<br />
Jeder Spieler übernimmt eine Heldengruppe<br />
einer per Zufall festgelegten Kultur die er<br />
über die sieben Felder des Spielplans nach<br />
Drakonia führen soll. Zunächst sind alle seine<br />
Helden noch nicht auf dem Plan, er muss sie<br />
erst nach und nach in die Stadt setzen (Feld 0)<br />
und von dort unter anderem über den Wald<br />
und die Karawanserei nach Drakonia führen<br />
(Feld 6). Die Zusammenstellung der Heldengruppe<br />
(die Anzahl der Helden pro Gruppe<br />
ist abhängig von der Spielerzahl) ist zunächst<br />
beliebig, allerdings verfügen die Kulturen<br />
über unterschiedlich viele Pappcounter jeder<br />
ZUG UM ZUG<br />
5<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Days of Wonder<br />
Sprache Deutsch<br />
Dauer 60 Minuten<br />
Spieler 2 – 5 Spieler ab 10 Jahre<br />
Jahr 2006<br />
Preis ca. 20,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
5<br />
SSP<br />
5<br />
WEG NACH DRAKONIA<br />
3<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Fan Pro<br />
Sprache Deutsch<br />
Dauer 45 – 90 Minuten<br />
Spieler 2 – 6 Spieler ab 8 Jahre<br />
Jahr 2005<br />
Preis ca. 15,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
3<br />
SSP<br />
3<br />
Seite 106<br />
Rezensionen
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Heldenart. Somit spielt sich jede Kultur etwas<br />
anders als die anderen, weil sie beispielsweise<br />
mehr Magier zur Verfügung hat als Krieger.<br />
Wer zuerst einen Helden nach Drakonia<br />
bringt beendet sofort das Spiel, was zur<br />
Punkteauswertung führt. Jeder Held bringt<br />
nun so viele Punkte wie die Nummer des Feldes<br />
auf dem er steht. Verletzte Helden (siehe<br />
unten) bringen zumindest den halben Punktwert.<br />
Der Spieler mit den meisten Punkten<br />
hat das Spiel gewonnen.<br />
Kernstück des Spiels sind die Heldenkarten,<br />
die in vier Stapeln (für jede Heldenart<br />
einer) verdeckt ausliegen. Der Spieler darf<br />
nun beliebig viele dieser Heldenkarten aus<br />
der Hand ausspielen und einen neuen Helden<br />
ins Spiel bringen, also in die Stadt setzen. Auf<br />
einer Heldenkarte kann man durch einfache<br />
Symbole ablesen, was die Voraussetzung<br />
zum Ausspielen der Karte ist (meistens eine<br />
bestimmte Kombination von Helden auf einem<br />
Feld) und was die Auswirkungen der<br />
Karte sind. Am Ende der Runde darf man<br />
eine Karte von einem beliebigen Stapel nachziehen,<br />
solange man dadurch nicht mehr als<br />
vier Handkarten hat.<br />
Heldenkarten werden immer auf ein Feld<br />
gespielt und auf dem Feld muss ein entsprechender<br />
eigener Held stehen (also für eine<br />
Diebeskarte ein eigener Dieb). Zusätzlich<br />
müssen alle Auswirkungen der Karte erfüllt<br />
werden können (wenn also auf der Karte<br />
Auswirkungen für einen Krieger und einen<br />
Magier stehen, dann muss auf dem Feld ein<br />
Krieger und ein Magier stehen – diese dürfen<br />
aber auch anderen Spielern gehören). Die<br />
Heldenkarte eines Diebes führt dazu, dass<br />
ein Held ein Feld zurück gehen muss, während<br />
zwei andere Helden je ein Feld vorwärts<br />
gehen müssen. Die Heldenkarte eines Kriegers<br />
verletzt einen Helden (der nun umgedreht<br />
neben das Feld gelegt wird und solange<br />
aussetzen muss bis er geheilt wird oder<br />
der Spieler ihn als verstorben erklärt um z.B.<br />
wieder einen neuen Helden ins Spiel bringen<br />
zu können) und bewegt zwei andere je ein<br />
Feld nach vorne. Die Heldenkarte des Priesters<br />
heilt einen verletzen Helden und bewegt<br />
zwei Helden je ein Feld nach vorne. Die Heldenkarte<br />
des Magiers lässt zwei Helden auf<br />
benachbarten Felden Platz tauschen. Außerdem<br />
kann ein Magier einen eigenen Helden<br />
auf dem gleichen Feld unsichtbar machen<br />
und ihn so vor Heldenkarten schützen.<br />
Das Spiel besteht aus einer großen Prise<br />
Glück (beim Nachziehen der Heldenkarten,<br />
die die richtigen Voraussetzungen haben<br />
müssen, damit man sie überhaupt spielen<br />
kann), einer Portion Teamarbeit (denn zusammen<br />
kann man schnell vorwärts kommen)<br />
und einer Scheibe Taktik (die richtigen<br />
Helden ins Spiel bringen). Die Anleitung hält<br />
noch einige Regeloptionen, zum Beispiel für<br />
ein kürzeres Spiel, bereit. Insgesamt wurde<br />
das Thema eher abstrakt umgesetzt, allerdings<br />
wird die Aufmachung jeden Fan von<br />
DSA begeistern, sind doch dem Stil der Vorlage<br />
Illustrationen verwendet worden. Die Anleitung<br />
ist zudem klar geschrieben und lässt<br />
keine Fragen offen.<br />
Fazit<br />
Das Spiel hat zunächst einmal bis auf die<br />
Zeichnungen wenig mit der Rollenspielvorlage<br />
zu tun. Die Kulturen bringen zwar etwas<br />
Aventurien ins Spiel, wären aber nicht wirklich<br />
notwendig gewesen und wirken sogar<br />
leicht aufgesetzt. Dennoch ist Der Weg nach<br />
Drakonia ein einfaches aber spaßiges Spiel<br />
für eine schnelle Runde zwischendurch (wir<br />
sind in den Testrunden schnell auf die Option<br />
des kürzeren Spiels gewechselt, da dies unserer<br />
Meinung nach mehr Spaß gemacht hat<br />
(schnellere Revanche)). Allerdings muss man<br />
dafür bereit sein, die hohe Glückskomponente<br />
des Spieles zu akzeptieren – anderenfalls<br />
könnte man das Spiel schnell als Zeitverschwendung<br />
ansehen. •<br />
DESCENT – JOURNEYS<br />
INTO THE DARK<br />
T. Heinig<br />
Gäbe es irgendwo einen Heroquest-<br />
Schrein, so wäre ich wohl nicht der einzige<br />
Rollenspieler, der einem Besuch und einer<br />
kleinen Opfergabe dort nicht abgeneigt wäre.<br />
Immerhin hat in meiner Jugend Heroquest<br />
Zeit gefressen wie kein anderes Brettspiel –<br />
Risiko eingeschlossen. An vielen Plagiaten,<br />
die im Laufe der Zeit erschienen, hatte ich nie<br />
recht Gefallen gefunden, einzig Warhammer<br />
Quest konnte mich eine Zeit lang fesseln.<br />
Doch nun glimmt ein neuer Stern am Firmament<br />
und seine Anlagen können sich durchaus<br />
sehen lassen: produziert von Fantasy<br />
Flight Games, ausgestattet mit vielen netten<br />
Plastikfiguren, einem neuen Kampfsystem<br />
und dynamisch erstellbaren Dungeonplänen.<br />
Doch wie hell ist dieser Stern wirklich?<br />
Bei Descent – Journeys into the Dark (inzwischen<br />
auch auf deutsch beim Heidelberger<br />
Spieleverlag erschienen) handelt es sich<br />
um einen typischen Vertreter der Dungeon-<br />
Crawl Brettspiele. Eine Gruppe von tapferen<br />
Helden zieht in ein düsteres Gewölbe um<br />
dort Aggressionen abzubauen und sich seinen<br />
Lebensunterhalt durch Goldfunde und<br />
Gebrauchtartefaktverkäufe zu sichern. Ein<br />
Spieler übernimmt die Rolle des Overlords<br />
(endlich mal ein Spiel, bei die man genau das<br />
spielen darf!), kontrolliert die Monster, baut<br />
das Dungeon aus lauter Einzelteilen langsam<br />
auf und versucht im Allgemeinen den Helden<br />
das (Über-)Leben so schwer wie möglich zu<br />
machen. Und gewinnen kann man als Overlord<br />
auch – ist das nicht toll?<br />
Ziel des Spiels für die Helden ist es als Gruppe<br />
zu bestehen und die Aufgabe der jeweiligen<br />
Queste zu erledigen. Eine Queste ist ein<br />
Szenario, das festlegt, wie das Gewölbe aussieht,<br />
wo welche Schätze und Monster liegen<br />
und stehen und welches Ziel die Helden haben<br />
– meist gilt es ein besonders mächtiges<br />
Monster zu töten. Das können die Helden<br />
nur schaffen, wenn ihnen unterwegs nicht<br />
ihre Conquest Tokens ausgehen, von denen<br />
sie für bestimmte Erfolge welche bekommen<br />
und für jeden Tod eines Helden welche abgezogen<br />
bekommen. Sollten den Helden jemals<br />
die Conquest Tokens ausgehen, so gewinnt<br />
der Overlord.<br />
Vor Spielbeginn baut der Overlord das<br />
Startgebiet des Dungeons auf, für das sich die<br />
Spieler entschieden haben. Währenddessen<br />
suchen sich die anderen Spieler aus zwanzig<br />
verschiedenen Helden jeweils ihren Auserwählten.<br />
Die Helden unterscheiden sich zum<br />
einen in den vier Attributen „Health“ (wie<br />
viel Schaden hält man aus?), „Fatigue“ (wie<br />
hoch ist die Ausdauer?), „Armor“ (wie viel<br />
Schaden kann man abwehren?) und „Speed“<br />
(wie weit kann man pro Runde gehen?) und<br />
zum anderen in ihrer Begabung in den drei<br />
Kampfgebieten „Nahkampf“, „Fernkampf“<br />
und „Magie“. Zusätzlich verfügt jeder Held<br />
noch über eine einzigartige Sonderfähigkeit,<br />
die jeden Helden individuell macht. Ist der<br />
Held etwas stärker als seine Kollegen, so ist<br />
er auch mehr Conquest Tokens beim Ableben<br />
wert. Schwächere Helden hingegen schaden<br />
bei Ihrem Tod der Gruppe weniger.<br />
Nach der Auswahl werden die Startfertigkeiten<br />
bestimmt. Jeder Held zieht dafür drei<br />
DESCENT – JOURNEYS<br />
INTO THE DARK 5<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Englisch<br />
Dauer ab 2 Stunden<br />
Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />
Jahr 2005<br />
Preis ca. 60,- Euro<br />
P/L<br />
4<br />
AUF<br />
5<br />
SSP<br />
5<br />
Rezensionen<br />
Seite 107
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Rezensionen<br />
Skill-Karten, auf denen unterschiedliche weitere<br />
Fähigkeiten stehen. Meist verbessern<br />
diese Skills die Kampffertigkeiten, manchmal<br />
aber auch den Speed oder andere Dinge. Mit<br />
dem Startguthaben darf sich jeder Held aus<br />
der Grundausstattung (Dolch, Schwert, Axt,<br />
Lederrüstung, Kettenrüstung, Heiltränke,<br />
Ausdauertränke, Runen, etc.) seine Wunschausrüstung<br />
kaufen. Nun sind die Helden bereit<br />
für das Abenteuer.<br />
Gespielt wird rundenweise – zunächst<br />
agieren die Helden in beliebiger Reihenfolge<br />
und anschließend der Overlord. In den Heldenphasen<br />
entscheidet sich jeder Held für<br />
eine Aktion. Entweder „Run“ (er darf so viele<br />
Felder wie der doppelte Speed-Wert weit<br />
gehen, aber dafür nicht angreifen), „Battle“<br />
(er darf sich nicht bewegen aber zwei Angriffe<br />
ausführen), „Advance“ (er darf sich so<br />
viele Felder bewegen wie sein Speed-Wert<br />
und einen Angriff ausführen) oder „Ready“<br />
(er darf sich einfach bewegen oder einmal<br />
angreifen und zusätzlich zu einer der beiden<br />
Aktionen einen Sonderbefehl legen).<br />
Sonderbefehle erlauben Aktionen wie etwa<br />
das einmalige Reagieren auf Angriffe in der<br />
Overlordphase („Guard“), das Ausruhen und<br />
Heilen („Rest“), das Zielen um einen Angriff<br />
zu verbessern („Aim“) oder das Ausweichen<br />
um einen Angriff des Gegners zu schwächen<br />
(„Dodge“).<br />
Sollte es zum Kampf kommen, so stellt der<br />
Held bzw. das Monster erst einmal seinen<br />
Würfelpool aus sechsseitigen Würfeln zusammen.<br />
Bei Monstern ist der eigentlich immer<br />
festgelegt, bei Helden aber nicht: diese dürfen<br />
einen Grundwürfel abhängig von der Art<br />
des Angriffs (Nah-, Magie- oder Fernkampf)<br />
nehmen und abhängig von der Waffe weitere<br />
Würfel. Dazu kommen noch so genannte Power<br />
Dice, die ein wenig zusätzlichen Schaden<br />
oder Reichweite hinzufügen können.<br />
Jeder Würfel zeigt bestimmte Symbole.<br />
Am einfachsten ist das große „X“, das nur<br />
auf einer Seite der Grundwürfel zu finden ist.<br />
Liegt dieses oben, so ist der gesamte Angriff<br />
fehlgeschlagen, alles weitere ist nicht relevant.<br />
Ist aber kein „X“ zu sehen, so geht es<br />
um die anderen Symbole.<br />
Jedes Herz-Symbol bedeutet, dass der<br />
Angriff einen Schadenspunkt anrichtet. Entsprechend<br />
finden sich viele Herzsymbole auf<br />
dem roten Nahkampfwürfel. Zahlen dagegen<br />
bedeuteten, dass sich die Reichweite des Angriffs<br />
um die jeweilige Zahl erhöht. Der blaue<br />
Fernkampf-Würfel hat also viele höhere Zahlenwerte.<br />
Dann gibt es noch Blitz-Symbole<br />
(im Spiel „Power Surges“ genannt), die als<br />
zusätzliche Macht des Angriffes interpretiert<br />
werden können. Oft kann man Sonderfähigkeiten<br />
eines Helden oder einer Waffe<br />
auslösen, wenn man eine bestimmte Anzahl<br />
an Power Surges gewürfelt hat. Der weiße<br />
Magie-Würfel hat besonders viele Blitz-Symbole.<br />
Die Waffenwürfel sind entweder gelb<br />
(viel Reichweite) oder grün (viel Schaden)<br />
und werden je nach Waffe dem Würfelpool<br />
hinzugefügt. Bleiben die schwarzen Power<br />
Dice, die entweder ein Blitz-Symbol zeigen<br />
oder wahlweise einen Schaden oder einen<br />
Reichweitenpunkt bringen.<br />
Was sich kompliziert anhört ist nach kurzer<br />
Zeit sehr einfach und ermöglicht dennoch<br />
halbwegs abwechslungsreiche Angriffe. Die<br />
Healthpunkte des Gegners werden um die<br />
Anzahl der Schadenspunkte nach Abzug<br />
des Armor-Wertes erleichtert. Sinkt die Zahl<br />
dabei auf Null oder tiefer, so ist der Gegner<br />
tot. Für Monster bedeutet das (meist) das<br />
endgültige Aus, für Helden nur das Ärgernis<br />
länger auf die Rente sparen zu müssen (sie<br />
verlieren die Hälfte ihres Goldes) und einen<br />
langen Fussmarsch (sie fangen frisch geheilt<br />
wieder in der Stadt an, aus der sie sich erneut<br />
in das Gewölbe begeben können).<br />
Viele Monster haben spezielle Fähigkeiten<br />
wie Flächenangriffe, Giftattacken oder<br />
Heilfähigkeiten und als wäre das noch nicht<br />
genug um die Helden zu ärgern gibt es jedes<br />
Monster auch in einer Master-Variante, die<br />
stärker ist als die normale Ausgabe.<br />
Leider ist das in den ersten Questen nicht<br />
genug „Munition“ für den Overlord, um<br />
die Helden wirklich zu ärgern. Gerade mit<br />
Heroquest-Veteranen fehlt in den ersten<br />
mitgelieferten Questen die Herausforderung<br />
für die Helden. Die Monster haben kaum eine<br />
Chance einen Helden zu töten – und das ist<br />
der entscheidende Weg für den Overlord<br />
den Helden Conquest Tokens abzunehmen.<br />
Daran ändert erstmal auch nichts, dass der<br />
Overlord in seiner Runde zwei Overlord-<br />
Karten ziehen darf, die ihm besondere Kräfte<br />
verleihen. Durch das Abwerfen unerwünschter<br />
Karten erhält er Chaos Tokens, mit denen<br />
er den Einsatz erwünschter Karten bezahlen<br />
kann. Tatsächlich sind diese Karten zum Teil<br />
sehr mächtig, können aber nicht Schritt halten<br />
mit dem schnellen Hochrüsten der Helden<br />
durch Schätze und Gold. Spätere Questen<br />
sind dann aber schön knackig und auch<br />
für echte Helden eine Herausforderung – dabei<br />
aber nie unfair. Auch der Overlord muss<br />
sich stets bemühen um am Ende der Sieger<br />
zu sein.<br />
Obwohl das Spiel in den ersten Questen<br />
nicht korrekt ausbalanciert wirkt ist das kein<br />
Beinbruch, dann solche Dungeon Crawls<br />
schreien geradezu nach Hausregeln. Mit<br />
diesen kann man sehr leicht in den Schwierigkeitsgrad<br />
eingreifen. Und nicht zuletzt besteht<br />
auch die Möglichkeit eigene Questen<br />
zu erschaffen, die den Helden das Leben von<br />
Haus aus schwerer machen. Wirklich notwendig<br />
ist beides aber nicht, denn Descent<br />
ist nach den anfänglichen Questen schön<br />
ausbalanciert.<br />
Prinzipiell ist die Spielmechanik schon erklärt,<br />
aber die Feinheiten gingen dabei unter.<br />
So kann man dem Spiel nämlich durch die<br />
Würfelfarben und die zur Verfügung stehenden<br />
Aktionen inklusive der Möglichkeit mit<br />
Ausdauer zusätzliche Felder Bewegung zu<br />
kaufen durchaus taktische Qualitäten zusprechen.<br />
Mit der richtigen Taktik können sich<br />
sowohl die Helden als auch der Overlord das<br />
Leben viel einfacher machen. Der Overlord<br />
muss bei jedem Monster überlegt vorgehen<br />
und dessen Vorteile nutzen, damit es nicht zu<br />
schnell am Heldenspieß landet.<br />
Dann sei die große Detailsverliebtheit erwähnt,<br />
die zum Beispiel Tierbegleiter (Familiars)<br />
für Helden erlaubt oder außergewöhnliche<br />
Waffenarten mit sich bringt. Auch die<br />
aus Plastik gepressten Spielfiguren sind von<br />
hoher Qualität und ein Höllendämon sieht<br />
selbst neben dem größten Helden beeindruckend<br />
aus. Überhaupt ist die Ausstattung wie<br />
von Fantasy Flight Games gewohnt sehr gut,<br />
leider aber auch ein wenig von Runebound<br />
recycelt (einige Heldenbilder, etliche Tokens,<br />
etc.). Fans von Runebound dürfte das jedoch<br />
wenig stören. Die Spielschachtel hat die gleichen<br />
Dimensionen wie die von Twilight Imperium<br />
oder World of Warcraft – ist also<br />
riesig.<br />
Glänzt der neue Stern jetzt also? Ich finde<br />
ja, er strahlt sehr hell. Das Spiel ist nicht perfekt,<br />
denn dafür hätte es vom Start weg besser<br />
ausbalanciert sein müssen und es hätten<br />
ruhig mehr Gegenstände und Monster dabei<br />
sein dürfen, so ganz wird der Sammelwahn<br />
(wie in Diablo) der Helden nämlich nicht<br />
befriedigt. Auch ein etwas komplexeres Fähigkeitensystem,<br />
etwa wie bei „World of<br />
Warcraft“ hätte dem Spiel gut getan, denn<br />
momentan können sich die Helden nur blind<br />
weitere Skill-Karten kaufen. Ein gezieltes Verbessern<br />
ist so kaum möglich. Aber das Spiel<br />
macht definitiv Spaß und weiß, so man denn<br />
Dungeon Crawls mag, sehr gut zu unterhalten.<br />
Für alle Spielefans, die Science Fiction der<br />
Fantasy vorziehen, sei noch erwähnt dass es<br />
auch ein Spiel namens Doom vom gleichen<br />
Verlag mit sehr ähnlichen Regeln (und auch<br />
schon einer Erweiterung) gibt. Zwar ist da die<br />
Packung etwas kleiner, dafür ist es aber auch<br />
günstiger zu erwerben und spielt vor dem<br />
Hintergrund des Computerspiels. Allerdings<br />
Seite 108<br />
Rezensionen
Rezensionen<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
ist es für die Spieler in Doom extrem schwer<br />
zu überleben und sich gegen die Horden der<br />
Höllenkreaturen zu stellen.<br />
Erwähnenswert ist der Support auf der<br />
Homepage des Herstellers, denn dort gibt es<br />
unter anderem die kompletten Spielregeln<br />
zum Herunterladen, dazu FAQs, neue Questen<br />
und sogar ein Programm zum Erstellen<br />
eigener Questen.<br />
Fazit<br />
Liebhaber von Helden-töten-Monsterund-sammeln-Schätze-Spielen<br />
werden sehr<br />
wahrscheinlich großen Gefallen an Descent<br />
finden – die gute Ausstattung, die interessante<br />
Spielmechanik und die Erinnerung an alte<br />
Heroquest-Zeiten sorgen dafür. Wer aber<br />
den Überhammer erwartet hat, mit dem<br />
Dungeon Crawls auf eine neue Ebene gehoben<br />
werden, der könnte enttäuscht werden.<br />
Aber kann man Dungeon Crawls wirklich auf<br />
eine neue Ebene heben? Bis die Frage geklärt<br />
ist bekommt mich niemand von Descent –<br />
Journeys into the dark weg! •<br />
DESCENT – WELL OF<br />
DARKNESS<br />
T. Heinig<br />
Mit einiger Verzögerung<br />
ist Mitte<br />
2006 die erste Erweiterung<br />
für Descent<br />
– Journeys<br />
into the Dark erschienen.<br />
Sie trägt<br />
den ebenso klangvollen<br />
wie klischeebeladenen Titel Well of<br />
Darkness, kostet etwa 30,- Euro (man bekommt<br />
also auch vollständige Brettspiele für<br />
den Preis dieser Erweiterung) und bringt einige<br />
Neuerungen ins Dungeon: 6 neue Helden,<br />
27 Monsterfiguren (Kobolde, Ferrox und Golems),<br />
110 Karten und viele Papptokens.<br />
Die sechs neuen Helden sind allesamt gut<br />
bis sehr gut und bringen teils interessante<br />
neue Fertigkeiten mit, z.B. die Gabe sich in<br />
Sichtlinie zu teleportieren. Dazu passen die<br />
neuen Fertigkeitskarten, die aber auch fragwürdige,<br />
da kaum brauchbare, Kräfte ins<br />
Spiel bringen. Mehr freuen werden sich die<br />
Helden wohl über die neue Startausrüstung,<br />
die jetzt wesentlich abwechslungsreicher<br />
ist und beispielsweise Wurfdolche enthält.<br />
Ebenfalls sinnvoll: der neue Energie-Trank,<br />
mit dem man sich fünf schwarze Würfel für<br />
den Kampf ertrinken kann. Allerdings wird<br />
er von den Helden trotz seiner Nützlichkeit<br />
meist eher selten verwendet – zu verlockend<br />
sind die anderen beiden Tränke.<br />
Der Overlord bekommt ein neues Deck<br />
Overlordkarten, die er nach einem einfachen<br />
System, fast wie bei einem Sammelkartenspiel,<br />
in sein bestehendes Deck einbringen<br />
kann. Dabei bleibt die Gesamtzahl an Karten<br />
im Deck erhalten, der Overlord kann also gezielt<br />
schwache Karten entfernen oder sein<br />
Deck nun auf das Dungeon optimieren. Weiteres<br />
interessantes Werkzeug sind die vielzähligen<br />
neuen Fallen, die von Rasierklingen<br />
über Felskugeln bis hin zu Dartfallen reichen.<br />
Somit schafft es der Brunnen der Dunkelheit,<br />
sowohl den Helden als auch dem Overlord<br />
sinnvolle neue Spielsachen zu geben.<br />
Die drei neuen Monsterarten Kobolde,<br />
Ferrox und Golems sind gut durchdacht und<br />
bringen neue Fertigkeiten mit. So werden<br />
die Kobolde beispielsweise immer besser,<br />
je mehr von ihnen auf dem Spielplan sind.<br />
Zwar sind nur drei neue Typen schon etwas<br />
wenig., dafür muss man den Machern lassen,<br />
dass jede Monsterart sinnvoll im Spiel ist und<br />
sich von den anderen unterscheidet. Mit im<br />
Paket sind nun auch endlich ausreichend<br />
Tokens um Geröllhaufen, Lavaseen, Gruben,<br />
etc. darzustellen.<br />
Die neuen Questen sind viel interessanter<br />
und spannender als die des Grundspiels,<br />
denn sie nutzen die Möglichkeiten des Spiels<br />
wesentlich besser. So (üb-)erleben die Helden<br />
einstürzende Minen, werden getrennt<br />
in einem Spinnenhort ausgesetzt, wandeln<br />
auf den Spuren Indiana Jones und erreichen<br />
schließlich den namensgebenden Brunnen.<br />
Fazit<br />
Well of Darkness ist eine wirklich gelungene<br />
und gut ausbalancierte Erweiterung für<br />
alle Descent Spieler und behebt viele Schwächen<br />
des Grundspiels. Einzig, dass der Preis<br />
nun weiter nach oben steigt ist ein Nachteil.<br />
Aber gute Dungeons bekommt man eben<br />
nicht günstig. •<br />
DESCENT – ALTAR<br />
OF DESPAIR<br />
T. Heinig<br />
Nur kurze Zeit<br />
nach der ersten Erweiterung<br />
Well of<br />
Darkness erschien<br />
bereits die zweite<br />
Erweiterung. Damit<br />
will uns Fantasy<br />
Flight Games<br />
erneut in die dunklen Verliese von Descent –<br />
Journeys into the Dark locken. Vieles bleibt<br />
beim Altbekannten: für etwa 30,- Euro erhält<br />
man 6 neue Helden, knapp zwei Dutzend<br />
Monsterfiguren (Gorillas, Dunkle Priester,<br />
Tiefenelfen, Trolle und das Chaosbiest), 110<br />
Karten und unheimlich viele Papptokens.<br />
Die sechs neuen Helden sind allesamt gut,<br />
aber nicht ganz so stark wie die aus dem<br />
Brunnen der Dunkelheit. Besonderer Wert<br />
wurde hier auf neue Familiars gelegt, was mir<br />
sehr gut gefällt. Beispielsweise kann man mit<br />
dem Seelenschatten Platz tauschen und sich<br />
so schnell im Dungeon bewegen. Die neuen<br />
Fertigkeitskarten für die Helden sind wie in<br />
der ersten Erweiterung nicht allesamt genial,<br />
aber durchaus brauchbar. Auch die Startausrüstung<br />
und die Schätze werden wie gehabt<br />
erweitert. Die Schätze und Waffen sind nicht<br />
zu mächtig, bringen aber neue Ideen ins<br />
Spiel. Dazu kommen neue Overlordkarten,<br />
die auf dem in der ersten Erweiterung vorgestellten<br />
System basieren. Auch gibt es wieder<br />
eine neue Trankart: den Rüstungstrank,<br />
der die eigene Rüstung gegen einen Angriff<br />
um +10 verbessert. Dieser Trank ist eigentlich<br />
schon fast zu mächtig und kann dazu führen,<br />
dass die Helden sich nur noch das leckere<br />
goldende Fläschchen zulegen und die anderen<br />
Tränke links liegen lassen. Kommen wir<br />
daher lieber zu den echten Neuerungen…<br />
Der Overlord kann nun verseuchte Stadtportale<br />
ins Spiel bringen – eine böse Überraschung<br />
für die Helden. Ebenso niederträchtig<br />
wie lustig ist die neue Fertigkeit, die Ausrüstung<br />
der tapferen Helden a) zu zerstören, b)<br />
zu verfluchen oder c) in ein dunkles Artefakt<br />
zu verwandeln.<br />
Dieses Mal muss man sich als Overlord<br />
nicht mit nur drei neuen Monsterarten zufrieden<br />
geben, sondern kann sich an fünf neuen<br />
Kreaturen erfreuen. Diese decken ein weites<br />
Spektrum ab – vom wütenden Riesenaffen<br />
DESCENT – WELL<br />
OF DARKNESS 5<br />
Art Erweiterung<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Englisch<br />
Dauer ab 2 Stunden<br />
Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />
Jahr 2006<br />
Preis ca. 30,- Euro<br />
DESCENT – ALTAR<br />
OF DESPAIR 5<br />
Art Erweiterung<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Englisch<br />
Dauer ab 2 Stunden<br />
Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />
Jahr 2006<br />
Preis ca. 30,- Euro<br />
Rezensionen<br />
Seite 109
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Rezensionen<br />
bis zu dunklen Priestern. Sehr interessant<br />
ist auch das Chaosbiest, das sich seine Würfel<br />
frei aussuchen kann. Auch die Spezialfähigkeiten<br />
der Monster sind wieder sehr gut<br />
ausbalanciert und gut ins Spiel eingebaut<br />
worden.<br />
Die neuen Questen sind noch etwas düsterer<br />
und wieder ebenso abwechslungsreich<br />
wie in der letzten Erweiterung. Allerdings<br />
sind sie auch recht hart zu knacken und richten<br />
sich eher an echte Helden, die sämtliche<br />
Dungeons der ersten Erweiterung schon besucht<br />
haben. Zudem wächst sich die Spielzeit<br />
langsam ins Unangenehme aus – zwischen<br />
drei und acht Stunden dauert ein durchschnitttlicher<br />
Besuch in den Gewölben dieser<br />
Erweiterung.<br />
Fazit<br />
Auch Altar of Despair ist eine gelungene<br />
Erweiterung und gefällt mir sogar einen<br />
Tick besser als Well of Darkness. Günstig<br />
ist das Spielvergnügen aber nicht – gut über<br />
100,- Euro muss man inzwischen für die volle<br />
Descent-Packung zahlen. •<br />
DESCENT – ROAD<br />
TO LEGEND<br />
T. Heinig<br />
Nachdem das ausgezeichnete<br />
Dungeon<br />
Crawl Spiel<br />
Descent im Jahr<br />
2006 zwei nahezu<br />
identische Erweiterungen<br />
erhalten<br />
hat, hat sich Fantasy<br />
Flight Games in diesem Jahr etwas Neues<br />
ausgedacht. Anstatt mehr Monster, Waffen<br />
und Schätze in die Gewölbe zu werfen und<br />
dazu eine Reihe von vorgefertigten Questen<br />
anzubieten, bekommt die Welt von Descent<br />
nun einen Namen und eine Oberwelt.<br />
Terrinoth heißt die Region, und sie bekommt<br />
einen eigenen Spielplan. Darauf finden<br />
sich Städte, Dungeons und einige besondere<br />
Orte, die durch Routen miteinander<br />
verbunden sind. Die Helden bekommen in<br />
Terrinoth sogar eine eigene Heimatstadt mit<br />
dem Namen Tamalir. Ganz neu ist das alles<br />
aber nicht, denn die Oberwelt ist bereits in<br />
Runebound, einem anderen Spiel von Fantasy<br />
Flight Games, verwendet worden.<br />
Road to Legend bringt Kampagnenregeln<br />
in die Gewölbejagd. Die Helden bereisen dazu<br />
die Oberwelt, geraten in Zufallsbegegnungen<br />
und können sich in Städten trainieren und<br />
ausrüsten. Außerdem können sie eines der<br />
unzähligen Gewölbe auf der Karte besuchen.<br />
Diese sind nicht mehr fest vorgegeben wir im<br />
Grundspiel und den ersten beiden Erweiterungen,<br />
sondern sie werden zufällig aus kleinen<br />
Minigewölben zusammengesetzt.<br />
Dadurch ist das Spiel plötzlich viel flexibler<br />
– es gibt kein 8-Stunden-Dungeon, das an<br />
einem Stück erledigt werden muss, denn ansonsten<br />
würde der Esstisch bis zum nächsten<br />
Spielabend blockiert bleiben. Statt dessen<br />
kann man jederzeit nach einem Dungeonteil<br />
das Spiel „speichern“ und wegräumen,<br />
um es später an eben dieser Stelle weiter zu<br />
spielen. Die Designer haben sich hierzu einige<br />
Gedanken gemacht und unter anderem<br />
einen Kampagnenbogen entworfen, in dem<br />
man etliche Details eintragen kann. Mindestens<br />
ebenso hilfreich sind aber sechs kleine<br />
Schachteln, in die man die Helden, ihre Ausrüstung,<br />
ihre Fähigkeiten und andere Schätze<br />
verstauen kann. Moment mal – in Descent<br />
gibt es doch nur vier Helden, warum dann<br />
sechs Schachteln? Weil der Overlord auch<br />
eine Schachtel für seine aktuellen Karten<br />
bekommt. Und eine weitere Schachtel als<br />
Friedhof dient für alle Karten, die endgültig<br />
aus dem Spiel ausgeschieden sind.<br />
Ansonsten spielen sich die Dungeons aber<br />
wie gewohnt. Die Erweiterung bringt auch<br />
keine neuen Monster ins Spiel, dafür aber<br />
Lieutenants. Das sind besonders starke Gehilfen<br />
des Overlords, die sowohl auf der<br />
Oberwelt als auch in Gewölben den Helden<br />
das Leben schwer machen können. Beispielsweise<br />
können sie Städte zerstören. Und auch<br />
der Overlord ist nun endlich im Spiel anzutreffen,<br />
denn er wartet als Avatar in seinem Keep<br />
auf die Helden, die ihn besiegen müssen, um<br />
nach vielen Spielabenden und etlichen Dungeons<br />
die Kampagne siegreich zu beenden.<br />
Dem Overlord stehen spezielle Fähigkeiten<br />
zur Verfügung, die er für seinen Avatar gegen<br />
Conquest Tokens erwerben kann.<br />
Fazit<br />
Road to Legend bietet durchgängige und<br />
gut funktionierende Regeln für längere Kampagnen.<br />
Alle Feinheiten und Details können<br />
hier gar nicht aufgeführt werden, dafür gibt<br />
es aber die Regeln auf der Homepage von<br />
Fantasy Flight Games zum Herunterladen.<br />
Statt dessen sei gesagt, dass diese Erweiterung<br />
das Spiel zwar komplexer, aber dennoch<br />
spielbarer macht. Man kann schnell<br />
mal einen kleinen Dungeon in ein bis zwei<br />
Stunden spielen und danach das Spiel wegpacken.<br />
Allerdings sollte man im Besitz der<br />
beiden anderen Erweiterungen sein, um das<br />
Potenzial der Kampagne voll ausschöpfen zu<br />
können. Für uns ist Road to Legend eine geniale<br />
Erweiterung, auch wenn das Spielthema<br />
durch sie leicht verschoben wird! •<br />
DAS SCHWERT<br />
T. Heinig<br />
Das Buch Das Schwert<br />
– Mythos und Wirklichkeit<br />
von Thomas<br />
Laible stellt so etwas<br />
wie das Standardwerk<br />
über historische, aber<br />
auch Fantasyschwerter<br />
dar. Auf über 220 durch<br />
ein stabiles Hardcover geschützten Seiten erklärt<br />
der Autor umfassend sämtliche Aspekte<br />
der Schwerter – von ihrer Geschichte über<br />
den Schwertkampf, die Schmiedekunst bis<br />
hin zu heutigen Repliken. Etwa dreißig Seiten<br />
widmen sich zudem aktuellen Fantasy- und<br />
Filmschwertern. Die Informationen werden<br />
leicht verständlich und dennoch fachlich<br />
fundiert durch viele sehr gute Illustrationen<br />
vermittelt. Besonders gelungen ist dabei die<br />
Gradwanderung zwischen Lehrbuch, Fotoband<br />
und Schmöker, denn dem Autor gelingt<br />
es, durch eine nicht zu trockene und dennoch<br />
seriöse Schreibweise zu glänzen.<br />
An einigen Stellen hätte ich mir etwas<br />
ausführlichere Informationen gewünscht,<br />
zum Beispiel beim Thema Schwertkampf.<br />
An anderen Stellen (etwa bei der Frage, ob<br />
Schwerter Rüstungen durchstechen konnten),<br />
gibt der Autor nur eine der kontroversen<br />
Expertenmeinungen wieder. Diese beiden<br />
Kritikpunkte treten aber nur selten auf.<br />
Fazit<br />
Das Schwert ist eine Empfehlung für alle<br />
an mittelalterlicher Schwertkunst Interessierte.<br />
Rollenspieler finden hier haufenweise<br />
Anregungen, das Spiel realistischer werden<br />
zu lassen, LARPer sowieso. •<br />
DESCENT – ROAD<br />
TO LEGEND 6<br />
Art Erweiterung<br />
Verlag Fantasy Flight Games<br />
Sprache Englisch<br />
Dauer ab 2 Stunden<br />
Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />
Jahr 2006<br />
Preis ca. 30,- Euro<br />
DAS SCHWERT<br />
5<br />
ISBN 978-3-938711-05-7<br />
Autor Thomas Laible<br />
Verlag Wieland<br />
Sprache Deutsch<br />
Jahr 2008<br />
Preis 39,80 Euro<br />
Seite 110<br />
Rezensionen
Rezensionen<br />
Battlelore<br />
T. Heinig<br />
Table-Tops, also<br />
mit Miniaturen<br />
gespielte Schlachten,<br />
erfreuen sich<br />
nach wie vor einer<br />
großen Beliebtheit<br />
und die Auswahl<br />
ist inzwischen fast<br />
unüberschaubar geworden – besonders für<br />
Spieler, die nur gelegentlich in solche taktischen<br />
Spiele hineinschnuppern. Days of<br />
Wonder bringt nun mit Battlelore ein neues<br />
Tabletop auf den Markt, das sowohl Gelegenheitsspieler<br />
anspricht als auch geübte<br />
Taktiker zufrieden stellen kann.<br />
Der Maßstab wurde dafür gegenüber vielen<br />
anderen Miniaturenspielen deutlich kleiner<br />
gewählt, aber dennoch gibt es reichlich<br />
wunderbar modellierte Figuren. Die Menschen,<br />
Zwerge und Kobolde des Grundspiels<br />
werden nicht direkt auf dem Tisch bewegt,<br />
sondern auf einem großen, mit Hexfeldern<br />
belegten Spielplan. Obwohl das Spiel behauptet<br />
auch für mehr als zwei Spieler geeignet<br />
zu sein ist es doch hauptsächlich ein<br />
Zweipersonenspiel.<br />
Jeder der beiden Spieler stellt wie in einem<br />
der im Spiel enthaltenen oder im Internet<br />
veröffentlichten Szenarien seine Armee auf<br />
einer Seite des Spielplans auf. Meist besteht<br />
eine Einheit aus drei oder vier Figuren gleicher<br />
Art, also zum Beispiel aus drei Schweren<br />
Reitern oder vier Langbogenschützen. Eine<br />
Figur der Einheit wird mit einer Standarte<br />
ausgestattet, die sowohl Typ als auch Spieler<br />
zeigt. Zusätzlich können auf den Spielplan<br />
Geländeplättchen wie Hügel oder Wälder<br />
verteilt werden, die bestimmte Auswirkungen<br />
auf den Kampf haben.<br />
Jeder Spieler erhält so genannte Befehlskarten,<br />
mit denen er Einheiten auf dem<br />
Spielfeld aktivieren darf. Das Feld ist in Mitte,<br />
rechte und linke Flanke unterteilt und<br />
die Befehlskarten erlauben im Normal eine<br />
bestimmte Anzahl an Einheiten in einer der<br />
drei Zonen zu aktivieren. Aktivieren heißt,<br />
dass man die Einheit bewegt und einen Angriff<br />
mit ihr ausführt. Natürlich haben die<br />
verschiedenen Einheiten unterschiedliche<br />
Bewegungsreichweiten und Angriffsstärken.<br />
Das Kampfsystem ist sehr einfach gehalten,<br />
dabei aber für die meisten Ansprüche<br />
völlig ausreichend. Jede Einheit darf mit<br />
einer bestimmten Anzahl an Würfeln versuchen<br />
Symbole der gleichen Farbe zu erzielen,<br />
die der Zieleinheit entspricht. Ein Angriff auf<br />
eine rote Einheit benötigt also rote Symbole<br />
Rezensionen<br />
– außer rot existieren noch blaue und grüne<br />
Einheiten. Damit sind drei der sechs Seiten<br />
der Würfel bereits belegt. Auf der vierten<br />
Seite ist der Sonderangriff mit dem manche<br />
Einheiten unabhängig von der Farbe des<br />
Ziels einen Treffer landen, während die fünfte<br />
Seite ein magisches Symbol zeigt, mit dem<br />
man besondere Fähigkeiten nutzen kann. Im<br />
Basisspiel haben diese keine Relevanz. Die<br />
sechste Seite zeigt einen Misserfolg an.<br />
Die angegriffene Einheit muss nun so viele<br />
Figuren entfernen, wie Treffer erzielt wurden.<br />
Sind keine Figuren mehr vorhanden, so<br />
ist die Einheit vernichtet.<br />
Interessant wird es, wenn die Kriegsräte<br />
ins Spiel kommen und das Basisspiel erweitern.<br />
Dieser Rat ermöglicht dem Spieler den<br />
Einsatz von speziellen Fähigkeiten, die durch<br />
Karten repräsentiert werden. Dabei darf jeder<br />
Spieler nur eine sehr begrenzte Anzahl<br />
dieser Karten auf der Hand haben. Den Einsatz<br />
der Karten bezahlt man mit Magiesymbolen,<br />
die man zum Beispiel dann erhält,<br />
wenn man das entsprechende Symbol würfelt.<br />
Bei diesen Fähigkeiten handelt es sich<br />
teils um Angriffzauber, teils um Intrigen um<br />
den Gegenspieler in seinen Handlungsmöglichkeiten<br />
einzuschränken und teils um simple<br />
Verbesserungen der eigenen Einheiten.<br />
Abgerundet wird das Spiel durch Spezialeinheiten<br />
wie die im Grundspiel enthaltene<br />
Riesenspinne und einige optionale Regeln.<br />
Im Laufe dieses Jahres sollen weitere Einheiten<br />
und Erweiterungen für Battlelore erscheinen.<br />
Die Qualität der Figuren ist gut, allerdings<br />
waren viele verbogen. Auf der Homepage<br />
des Verlags ist eine Anleitung erhältlich wie<br />
man die Figuren dauerhaft wieder gerade<br />
biegen kann – was bei uns ausgezeichnet<br />
funktioniert hat. Der Umfang ist beeindrucken,<br />
die dicke Schachtel ist prall mit Miniaturen<br />
und Zubehör gefüllt. Die Aufmachung<br />
der Karten, des Zubehörs und der Anleitung<br />
ist überaus gut gelungen und sorgt für eine<br />
große Übersichtlichkeit trotz voller Schlachtfelder.<br />
Nur die Farben blau und grün der Einheiten<br />
sind etwas schwer zu unterscheiden,<br />
hier wäre eine andere Farbgebung besser<br />
gewesen.<br />
Fazit<br />
Geniales, weil einfach zu erlernendes und<br />
schwer zu meisterndes Taktikspiel, das mit<br />
kurzer Spieldauer überzeugt – und das trotz<br />
der hohen Glückskomponente. Dazu die wie<br />
von Days of Wonder gewohnte liebevolle<br />
Ausstattung und eine der besten Anleitungen,<br />
die ich je lesen durfte, und fertig ist eins<br />
meiner neuen Lieblingsspiele. •<br />
Art Brettspiel<br />
Verlag Days of Wonder<br />
Sprache Deutsch<br />
Dauer ab 1 Stunde<br />
Spieler 2 Spieler ab 12 Jahre<br />
Jahr 2006<br />
Preis ca. 70,- Euro<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
ERWEITERUNGEN<br />
EPISCHES BATTLELORE 4<br />
Diese Erweiterung bietet die Möglichkeit,<br />
groß angelegte Kämpfe auszufechten,<br />
indem mehrere Spielbretter<br />
kombiniert werden. Zudem wurde<br />
versucht, Regeln für bis zu sechs Spieler<br />
aufzustellen, die aber nur recht holprig<br />
funktionieren. Preis ca. 15,- Euro<br />
ZU DEN WAFFEN 6<br />
Statt vom Szenario vorgegebenen<br />
Truppen können nun zufällige Aufstellungen<br />
verwendet werden, die dennoch<br />
erstaunlich ausgewogen sind.<br />
Preis ca. 15,- Euro<br />
KOBOLD SCHARMÜTZLER 5<br />
Das Set führt Kobold-Musikanten ein, die<br />
ihre Kampfgefährten auf dem Schlachtfeld<br />
ermutigen. Dazu kommen heimtückische<br />
Speerträger und Schleuderer.<br />
Preis ca. 20,- Euro<br />
KOBOLD PLÜNDERER 5<br />
Hier sind weitere Kobold-Musikanten<br />
enthalten, sowie Hyänen- und Straußenreiter.<br />
Preis ca. 17,- Euro<br />
ZWERGEN BATAILLON 5<br />
Das Set beinhaltet Dudelsackspieler<br />
sowie Speerträger und Axtschwinger.<br />
Preis ca. 20,- Euro<br />
SCHOTTISCHE KRIEGE 5<br />
Erzählt die shcottischen Kriege aus<br />
der Sicht der Zwerge. Enthalten sind<br />
Rinderreiter, Stammesführer, berittene<br />
Ritter und Speerträger.<br />
Preis ca. 25,- Euro<br />
100-JÄHRIGER KRIEG 5<br />
Das Set enthält 30 spezialisierte Figuren<br />
wie Hornbläser, Hellebardiere oder Bogenschleuderer.<br />
Preis ca. 25,- Euro<br />
BATTLELORE<br />
5<br />
P/L<br />
3<br />
AUF<br />
5<br />
SSP<br />
5<br />
Seite 111
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Das Thema "Fantasy“<br />
in der <strong>Anduin</strong><br />
EINIGE ZUM THEMA PASSENDE ARTIKEL FRÜHERER AUSGABEN<br />
TEXT: TOMMY HEINIG<br />
In der <strong>Anduin</strong> sind inzwischen etliche<br />
Abenteuer und Artikel zum Thema „Fantasy“<br />
erschienen. Im Folgenden möchte ich Euch<br />
einen kleinen Überblick über einige dieser<br />
Beiträge geben – ohne irgendeine bestimmte<br />
Sortierung.<br />
Abenteuer<br />
Advanced Dungeons & Dragons<br />
Kessel der Tränen<br />
Die Helden erhalten den Auftrag, einen verschwundenen<br />
Königssohn zu finden, der sich<br />
auf der Suche nach einem wichtigen magischen<br />
Artefakt befand und dabei einer Truppe<br />
erstaunlich gut ausgebildeter Orks in die Hände<br />
gefallen ist. » <strong>Anduin</strong> 68<br />
Arcane Codex<br />
Das einsame Dorf<br />
Unsicherheit und Bedrückung macht sich<br />
breit, als die Helden ein kleines Dorf vor den<br />
Angriffen einer Banditenbande beschützen<br />
müssen. » <strong>Anduin</strong> 92<br />
Das Schwarze Auge<br />
Der schwarze Wolf<br />
In diesem Abenteuer verschlägt es die Gruppe<br />
in den Nordosten Aventuriens, genauer gesagt<br />
nach Sewerien im Bornland. Dort stoßen<br />
sie mehrfach auf Zeugen, die von einem Werwolf<br />
berichten und finden schließlich auch Opfer<br />
und Spuren der Bestie. » <strong>Anduin</strong> 83<br />
Das Schwarze Auge<br />
Mahatsch am Abgrund<br />
In diesem Abenteuer geht es um einen Geisterbeschwörer,<br />
der seine neuen Zauber an die<br />
Theraner verkaufen will. Die Stadt Mahatsch<br />
dient ihm als Versuchsort und gerät dadurch<br />
in große Gefahr. » <strong>Anduin</strong> 86<br />
Universell<br />
Baathelors Strafe<br />
Beim Besuch eines ausgelassenen Festes<br />
werden die Helden beinahe Opfer eines Unfalls.<br />
Schnell stellt sich heraus, dass Diebe auf<br />
der Flucht verantwortlich sind. Doch von den<br />
Schrecken, die dadurch ausgelöst werden,<br />
ahnt zunächst niemand. » <strong>Anduin</strong> 88<br />
Das Schwarze Auge<br />
Verrat in Port Corrad<br />
Die Helden werden von dem Kaufmann Jobdan<br />
Korninger nach Port Corrad geschickt, um<br />
herauszufinden warum Alidore Rhudainer,<br />
Stadtoberhaupt und betuchter Händler in<br />
Port Corrad und zudem guter Bekannter Korningers‘,<br />
seit einigen Monaten seine Geschäfte<br />
auf merkwürdige Art führt. » <strong>Anduin</strong> 73<br />
Universell<br />
Grüne Eier in Schynken<br />
Das kleine Dorf Schynken schmiegt sich<br />
seit beinahe drei Jahrhunderten behaglich<br />
zwischen sanfte Hügel. Es ist ein ruhiger Ort,<br />
hunderte Meilen von der Stadt des Königs entfernt.<br />
Umso unverständlicher warum gerade<br />
über dieses Dorf ein übler Fluch gesprochen<br />
wird. » <strong>Anduin</strong> 84<br />
Earthdawn<br />
Geteiltes Erbe<br />
Brennpunkt der Handlung ist ein altes Kaer,<br />
in das sich die Charaktere mit der von ihnen<br />
beschützten Karawane vor einem nur scheinbar<br />
willkürlichen Angriff einer Orkbrennerbande<br />
retten. Zur Unterstützung gegen die Orks<br />
rufen sie den Schutzgeist des Kaers, der sich<br />
jedoch als Dämon entpuppt. » <strong>Anduin</strong> 66<br />
Hârnmaster<br />
Der Löwe von Korri<br />
Ein schwerer Herbststurm treibt das Wrack<br />
einer rethemischen Kogge ans Ufer einer Bucht<br />
der kandischen Küste. Ein wahrer Glücksfall für<br />
eine Handvoll Abenteurer, die just an diesem<br />
Morgen die Küstenstraße zwischen Sarkum<br />
und der Abtei von Melot bereisen, liegt doch<br />
der Gedanke an lukrative Fundstücke oder gar<br />
einen sagenhaften Schatz nahe. » <strong>Anduin</strong> 82<br />
Das Schwarze Auge<br />
Wenn der Torwächter spricht<br />
Die Helden sind in ihrem Abenteuerleben<br />
wohl schon gegen viele Bösewichte, Monster<br />
und gar gegen Dämonen angetreten. Doch<br />
gegen den Tod persönlich sicher noch nicht. In<br />
diesem Abenteuer haben sie endlich die Gelegenheit<br />
dazu!. » <strong>Anduin</strong> 82<br />
ARTIKEL<br />
Ausrüstungspakete<br />
Es kommt immer wieder einmal vor , dass<br />
Helden in fremde Gebiete reisen müssen. Neben<br />
Monstern warten dort noch weitere Gefahren,<br />
die durch die unbekannte Umgebung<br />
entstehen. Dabei kann man diesen Gefahren<br />
doch ganz einfach dadurch trotzen, dass man<br />
die passenden Ausrüstungsgegenstände einpackt.<br />
» <strong>Anduin</strong> 66<br />
Bader, Feldscher und Barbiere<br />
Heutzutage geht man zum Arzt, wenn man<br />
krank ist. Im schlimmsten Fall muss man ins<br />
Krankenhaus, in dem vielfältige Eingriffe<br />
möglich sind und modernste Apparate bereit<br />
stehen. Dass dies früher nicht so war dürfte jedem<br />
klar sein. Doch wie war es genau, welche<br />
Heilmethoden gab es und wie kann man das<br />
ins Rollenspiel einbinden? » <strong>Anduin</strong> 82<br />
Barnonie Hornstein<br />
Im offiziellen Aventurien gibt es diese Baronie<br />
nicht. Deshalb wurde ihre Lage möglichst<br />
unscharf angegeben. Jedenfalls erweitert sie<br />
die offizielle Kampagnenwelt um einen interessanten<br />
neuen Schauplatz. » <strong>Anduin</strong> 87<br />
Der Dschungel<br />
Wie viele Spieler und Spielleiter wissen eigentlich<br />
wie ein Dschungel wirklich ist? Und<br />
wenn sie es nicht wissen, wie können sie ihn<br />
und seine Bewohner richtig und gut darstellen?<br />
Ein paar Antworten auf diese Fragen liefert<br />
dieser Artikel. » <strong>Anduin</strong> 91<br />
Einhornjäger<br />
Ein eher seltener Beruf wird hier ausführlich<br />
vorgestellt. Es wird das Wissen weitergegeben,<br />
wie man nahezu jeden Teil der nervenden<br />
weißen Kreaturen gewinnbringend verwerten<br />
kann. » <strong>Anduin</strong> 91<br />
Dies ist natürlich nur ein kleiner Teil der<br />
fantasybezogenen Artikel. Ein Stöbern<br />
in den alten Ausgaben der <strong>Anduin</strong> kann<br />
sich also durchaus lohnen und den einen<br />
oder anderen weiteren "Schatz" zu Tage<br />
fördern. •<br />
Seite 112
IGOR RIEGEL<br />
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Igor Riegel<br />
ZWISCHEN ZUCKERSCHOCK UND TOTALER BEFRIEDIGUNG<br />
TEXT: TOMMY HEINIG<br />
Als wir zum ersten Mal einen gemacht haben,<br />
ist der Keksboden unter dem starken<br />
Eigengewicht des Riegels zusammengebrochen.<br />
Zudem haben wir die Schokoladenschicht<br />
zu dick und mit zu viel dunkler Schokolade<br />
gemacht. Aber mit jedem Igor Riegel<br />
werden wir besser und das Naschwerk hübscher.<br />
Igor Riegel haben sich zu einem Kult entwickelt,<br />
seit sie zum ersten Mal im Rollenspielcomic<br />
Dork Tower erwähnt wurden.<br />
Der Charakter Igor preist sie als ultimativen<br />
Exzess an, einen Riegel aus Keks, geschmolzenen<br />
Karamellbonbons, Erdnüssen, M&Ms,<br />
Toffifees und Schokolade.<br />
Zuerst haben wir die Textzeile „Für eine bis<br />
acht Personen - einen Rollenspieler oder acht<br />
normale Menschen“ für einen Witz gehalten,<br />
aber sie ist eher eine wahnwitzige Untertreibung.<br />
Niemand könnte einen richtigen Igor<br />
Riegel alleine essen - der Tod durch Zuckerschock<br />
wäre unumgänglich. Und acht normale<br />
Menschen sollte besser durch 20 normale<br />
Menschen ersetzt werden.<br />
Besonders in England und den USA gibt<br />
es auf vielen Rollenspielconventions Backwettbewerbe,<br />
in denen es darum geht,<br />
den besten Igor Riegel herzustellen. Bewertet<br />
wird meist in den Kategorien „Aussehen“,<br />
„Geschmack“ und „ausgefallene<br />
Idee“. Weitere Infos zu den Riegeln findet<br />
Ihr auf der englischsprachigen Homepage<br />
www.geocities.com/delazan/IgorBars.html.<br />
Außerdem haben wir diese Seite mit Bildern<br />
von Igor Riegeln gefunden, auf denen deutlich<br />
wird, von was für Ausmaßen wir hier sprechen:<br />
pics.livejournal.com/delazan/<br />
gallery/0002ddy0<br />
Hier nun also unser ganz persönliches Rezept<br />
für einen Igor Bar nach Art von Peti und<br />
Tommy:<br />
Zunächst wird eine handelsübliche Kastenform<br />
ordentlich mit Backpapier ausgekleidet.<br />
Vergesst Ihr diesen Schritt, so könnt Ihr Euren<br />
Igor Riegel mit Hammer und Meißel aus<br />
der Form lösen und sehr wahrscheinlich eine<br />
neue Kastenform kaufen gehen.<br />
Dann backt man aus den folgenden Zutaten<br />
einen nicht zu harten, aber auch nicht zu<br />
luftigen flachen Brownie: 4 Eier, 100g Zucker,<br />
Lesen & Spielen<br />
80g Mehl, 25g Kakaopulver,<br />
25g Butter, 40g gehackte<br />
Haselnüsse. Der Brownie<br />
sollte groß genug sein, um<br />
damit zweimal eine Schicht<br />
in der Kastenform bilden zu<br />
können. Nach dem Backen<br />
wird der Brownie zum Abkühlen<br />
zur Seite gestellt.<br />
Nun schmelzt ihr 300g<br />
Schokolade (wir mischen<br />
meist Vollmilch<br />
und dunkle Schokolade<br />
im Verhältnis 2:1 damit<br />
es nicht zu süß wird).<br />
Gießt eine dünne<br />
Schicht in die Kastenform<br />
und verteilt darauf<br />
3 Tassen gehackte<br />
Nüsse. Meist nehmen<br />
wir eine Mischung aus Macadamia<br />
und Mandeln – aber auch Erdnüsse<br />
(besonders gesalzene) eignen sich ausgezeichnet.<br />
Darauf kommt dann die restliche<br />
Schokolade, so dass die Nüsse schön bedeckt<br />
sind.<br />
Nun schneidet Ihr ein Stück aus dem Brownie,<br />
das über die volle Länge der Kastenform<br />
geht und links und rechts nur wenige Millimeter<br />
Platz zur Form lässt. Das legt Ihr auf<br />
die noch warme Schokolade und drückt es<br />
leicht an.<br />
Nun nehmt ihr eine gut beschichtete (!)<br />
Pfanne und schmelzt darin 150g Zucker bei<br />
mittlerer Temperatur bis er leicht bräunlich<br />
ist. Es kommen 400ml vorgewärmte Kondensmilch<br />
hinzu. Vorsicht, das kann spritzen<br />
und ist verdammt heiß! Wer mag kann auch<br />
etwas Rumaroma oder etwas Sahnelikör hinzugeben.<br />
Kocht das Ganze, bis die Flüssigkeit<br />
verdampft ist und ein leckerer hellbrauner<br />
zäher Karamell entsteht.<br />
Der kommt auf die erste Brownieschicht,<br />
sollte aber nicht über den Seitenrand laufen<br />
(der wird später mit Schokolade ausgegossen).<br />
Jetzt legt Ihr eine zweite Brownieschicht<br />
in das flüssige Karamell und drückt<br />
wieder leicht an.<br />
Als nächstes wird wieder Schokolade geschmolzen<br />
- etwa 500g. Damit gießt ihr die<br />
Form<br />
aus, so dass vom<br />
Brownie nichts mehr zu sehen ist. Achtet<br />
auch darauf, dass die Ränder ausgefüllt werden.<br />
Leichtes Schütteln der Kastenform hat<br />
sich dafür bewährt.<br />
In die noch flüssige Schokolade streut Ihr<br />
M&Ms, Rice Crispies oder worauf immer Ihr<br />
Lust habt.<br />
Zum Ende werden 200g weiße Schokolade<br />
geschmolzen und über alles gegeben. Meist<br />
versuchen wir, die weiße Schokolade mittig<br />
zu platzieren, so dass die dunkle Schokolade<br />
am Rand noch herausschaut. Das sieht einfach<br />
netter aus. Wer mag kann jetzt noch ein<br />
paar angeröstete Nüsse oder Cerialien aufstreuen.<br />
Jetzt nur noch den ganzen Riegel kalt werden<br />
lassen (dauert) und inzwischen eine Guillotine<br />
bauen, um den Riegel schneiden zu<br />
können. Herstellung und Verzehr auf eigene<br />
Gefahr!<br />
Nicht vergessen werden soll zum Schluss<br />
natürlich der Hinweis auf den Comic,<br />
dem wir das alles zu verdanken haben:<br />
archive.gamespy.com/comics/dorktower.<br />
Die Comics sind auf auf deutscher Sprache<br />
bei Feder & Schwert erschienen und können<br />
in jeder Buchhandlung bestellt werden. Einfach<br />
nach Dork Tower fragen. •<br />
Seite 113
ANDUIN <strong>95</strong><br />
Die LETZTE Seite<br />
CONVENTION<br />
KALENDeR<br />
19. ZeltCON 2008<br />
17. bis 25. Mai 2008<br />
Zeltplatz in Herbstein (Hessen)<br />
Kontakt: Andreas Höller VFBS e.V.<br />
Homepage: www.zeltcon.de<br />
E-Mail: orga@zeltcon.de<br />
FeenCon 2008<br />
5. bis 6. Juli 2008<br />
Bonn (Nordrhein-Westfalen)<br />
Organisation: GFR e.V.<br />
Homepage: www.feencon.de<br />
E-Mail: feencon@gfrev.de<br />
2. Augsburger Zock<br />
6. bis 7. September 2008<br />
Augsburg-Göggingen<br />
Größe: 50 – 100 Besucher<br />
Kontakt: Info-Telefon: 08 21/99 47 44<br />
E-Mail: zock@spieleschmiede.info<br />
Celtic Con 2008<br />
20. bis 21. September 2008<br />
Nürtingen (Baden-Würtemberg)<br />
Kontakt: Michael Scharpf<br />
Homepage: www.CelticCon.de<br />
E-Mail: info@CelticCon.de<br />
SparrenCon 10<br />
3. bis 5. Oktober 2008<br />
Bielefeld-Sennestadt (Nordrhein-Westfalen)<br />
Homepage: www.sparrencon.de<br />
SPIEL 2008<br />
23. Oktober 2008 bis 26. Oktober 2008<br />
Essen (Nordrhein-Westfalen)<br />
Homepage: www.internationalespieltage.de<br />
Dailor<br />
LETZTE WORTE<br />
Quelle: www.gfrev.de<br />
STILBLÜTEN<br />
NSC-Händler: „Langschwerter, Kurzschwerter,<br />
Dolche… alles aus feinstem Blech!“<br />
Spieler 1: „Was soll ich mit dem Stück Kreide?“<br />
Spieler 2: „Das ist Elfenzucker!“<br />
Spieler (Paladin): „Nach meiner Weihe<br />
hatte ich die Fähigkeit Untote bis zu einer<br />
bestimmten Stärke zu vernichten!“<br />
Spieler (Krieger): „Ich hatte weder einen<br />
Mentor noch eine Weihe, aber ich habe auch<br />
die Fähigkeit Untote bis zu einer bestimmten<br />
Stärke zu vernichten…“<br />
Nach einem Sturm muss der Mast des Schiffes<br />
notdürftig repariert werden…<br />
Spieler: „Käpt‘n Rumfass, denkt ihr, dass<br />
das Segel einem Windstoß standhält?“<br />
Käpt‘n Rumfass: „Ich denke, dass Segel<br />
dafür gebaut sind.“<br />
Spieler: „Ach, ich meine den Mast!“<br />
Spielleiter: „Dein Gehör ist plötzlich weg, als<br />
wärst du taub.“<br />
Spieler (Elf): „Dann konzentriere ich mich<br />
auf den einzigen Sinn der mir noch bleibt –<br />
meine Infravision.“<br />
Spieler: „Wie schlimm kann ein Bad schon<br />
sein?“<br />
Spielleiter: „Nun ja, ihr seid in einem Drachenhort<br />
in einem Vulkan. Das Bad findet<br />
also im Lavabecken des Drachen statt.“<br />
Spieler: „Cool, wenn da eine hitzebständige<br />
Quietscheente rumschwimmt will ich versuchen<br />
die zu stehlen!“<br />
Spieler: „Ich springe aus dem Fenster!“<br />
*würfelt*<br />
Spieler: „Verflixt nochmal! Ich springe<br />
daneben und mache mir kritischen Schaden<br />
an der Wand!“<br />
Seite 114<br />
Mai 2008