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Anduin 95

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ANDUIN <strong>95</strong><br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

FANTASY WELTEN<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Anduin</strong><br />

Fanzine für phantastische Spiele<br />

Ausgabe Nr. <strong>95</strong>, Mai 2008<br />

Thema Fantasy Welten<br />

Anschrift<br />

Thomas Heinig<br />

Stuckstraße 6<br />

82319 Starnberg<br />

leserbriefe@anduin.de<br />

www.anduin.de<br />

Fleißige Helfer<br />

Autoren J. Hagen, M. Barreto,<br />

J. Schoska, F. Schmutzler, T. Schleer,<br />

V. Herfeld, A. Dotor, T. Hagler,<br />

J. Mang, F. Bongert, S. Koch,<br />

C. Maser, J. Ullrich, S. Holzmaier,<br />

T. Looschelders, A. Hartung,<br />

I. Schulze, P. Heinig, T. Heinig<br />

Titelbild D. Kufner<br />

Zeichner D. Kufner, K. Graf, Jim,<br />

M. Buyken, Dailor, J. Mang,<br />

J. Lange, A. Rexfort, S. Holzmaier,<br />

M. Hagel, K. Schad, T. Heinig<br />

Lektorat T. Looschelders,<br />

U. Zucker, T. Heinig<br />

Hinweise<br />

Die Artikel in dieser Ausgabe stellen<br />

die Meinung der einzelnen Autoren dar<br />

und müssen nicht mit der Meinung der<br />

Redaktion übereinstimmen. Die Redaktion<br />

distanziert sich von Internetseiten<br />

mit verfassungswidrigen, radikalen oder<br />

pornographischen Inhalten. Die meisten in<br />

dieser Ausgabe genannten Produkte sind<br />

Warenzeichen ihrer jeweiligen Hersteller.<br />

Die Verwendung von geschützten Warenzeichen<br />

stellt keine Copyrightverletzung<br />

seitens der Redaktion dar, auch wenn diese<br />

ohne Kennzeichnung genannt werden.<br />

Nachdruck oder Wiederveröffentlichung<br />

(digital oder analog) – auch auszugsweise<br />

– nur mit schriftlicher Genehmigung der<br />

Redaktion. Ausdruck und Weitergabe für<br />

private Zwecke ausrücklich erwünscht<br />

und erlaubt. Die Redaktion behält sich das<br />

Recht vor, eingesandte Artikel zu kürzen<br />

oder zu ändern. Die Rechte der eingesandten<br />

Artikel und Zeichnungen verbleiben<br />

beim Urheber. Die Redaktion der <strong>Anduin</strong><br />

erhält die Erlaubnis, die Werke in kostenlosen<br />

Projekten zu veröffentlichen. Für<br />

unaufgefordert eingesandte Artikel kann<br />

keine Haftung übernommen werden.<br />

† = Artikel zum Schwerpunktthema<br />

INHALT<br />

Inhalt<br />

Abenteuer<br />

4 Sommernachtstraum – Ein Abenteuer für Artesia †<br />

Die Charaktere werden mit einem Geist aus dem goldenen Zeitalter der Wälder von Erid<br />

Wold konfrontiert und haben die Chance, Teil einer Tragödie aus längst vergangener<br />

Zeit zu werden.<br />

22 Das Böse über der Stadt – Ein Abenteuer für Arcane Codex †<br />

Ein Kult plant, eine finstere Wesenheit namens Daenethor zu beschwören und stürtzt<br />

damit eine Stadt in Chaos. Blutopfer werden durchgeführt und eine mysteriöse Krankheit<br />

breitet sich aus.<br />

40 Das Erbe der Drachentöchter – Ein universelles Kurzabenteuer †<br />

Die beiden Zwillingstöchter des Fürsten von Dekandur sind in höchsten Nöten. Ihr böser<br />

Vetter hat ihren Vater ermordet. Und das, obwohl sie einen uralten Schatz hüten: Das<br />

Draconium.<br />

48 Schattenhain – Ein Agone-Drama †<br />

Zahlreiche Gäste sind geladen und beschenken das verliebte Paar. Doch unter Ihnen<br />

ist einer, der ein verhängnisvolles Geschenk mit sich bringt… das Bild Schattenhain, in<br />

dem sich bald so mancher verliert.<br />

53 Das Orakel von H‘Rabaal – Ein DSA Kurzabenteuer †<br />

Ein Gelehrter unter den Helden stößt auf ein Textfragment aus den Chroniken von Ilaris<br />

und erfährt so, dass das Orakel von H’Rabaal durchaus auch für Menschen ein kostbarer<br />

Quell des Wissens sein kann.<br />

64 Frostige Rache – Ein universelles Kurzabenteuer †<br />

Ein uraltes Böses verschlang einst die Seelen einer Händlergruppe und bedient sich<br />

ihrer nun um neue Opfer in die Falle zu locken. Können die Abenteurer sowohl der tödlichen<br />

Kälte der Eislandschaft als auch dem Bösen entkommen?<br />

84 Strafe der Ungläubigen – Ein Abenteuer für Spherechild<br />

Ein Sembare bringt Viren aus einem Labor von der modernen Welt Icros auf die<br />

Fantasy-Welt Valcreon. Als „Strafe Gottes“ getarnt, will er damit einige Dörfer in seinen<br />

Besitz bringen. Die Charaktere müssen auf beiden Sphären dagegen vorgehen.<br />

Lesen & Spielen<br />

14 Das Fantasydorf † 21 Hakims Kochecke<br />

Realistische Besiedlungen im Spiel<br />

Leckere Rezepte für Rollenspielrunden<br />

35 Kriegswesen im Mittelalter † 43 Religion im Rollenspiel<br />

Militär realistischer darstellen<br />

Das Darstellen von Religion im Spiel<br />

46 Instant Abenteuer † 51 Flagframing<br />

Die Räuberhöhle<br />

Spielern bieten was sie wollen<br />

69 Offen heraus 70 Systemvorstellung †<br />

Erweiterung um Erweiterung<br />

Das Weltenbuch<br />

72 Now for something completely different 74 Raubkopien von Rollenspielen<br />

Geskriptete Szenen<br />

Mehr als ein Kavaliersdelikt<br />

79 Rollenspieldesign 82 Ohne Schmidt und Johnson<br />

Teil 1: Was ist Rollenspieldesign?<br />

Alternative Auftraggeber in Shadowrun<br />

94 Zauberei mit Murmeln<br />

Ein alternatives System für Magie<br />

113 Igor Riegel<br />

Zwischen Zuckerschock und Befriedigung<br />

Kurzgeschichten & Comics<br />

96 Ritter und Magier 97 Die Legende des heiligen Glenn Grant †<br />

97 Die Dame des Frostes † 98 Heimkehr †<br />

Rezensionen<br />

100 Götter und Kulte † 101 Sharn – Stadt der Türme †<br />

104 Spieler-Handbuch Eberron † 102 Das Zauber-Kompendium †<br />

103 Drachenreiter † 104 Twilight Imperium<br />

105 Nexus Ops 106 Zug um Zug<br />

106 Der Weg nach Drakonia † 107 Descent – Journeys into the Dark †<br />

109 Descent – Well of Darkness † 109 Descent – Altar of Despair †<br />

110 Descent – Road to Legend † 110 Das Schwert †<br />

111 Battlelore †<br />

Seite 2<br />

Mai 2008


Die Dritte Seite<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Die dritte Seite<br />

VORWORT<br />

Das Thema Fantasy kam vor ein paar Jahren<br />

nach langer Durststrecke wieder groß<br />

raus – zumindest im Kino. Neben dem unumgänglichen<br />

Der Herr der Ringe und auf dem<br />

Erfolg von Harry Potter reitend gab und<br />

gibt es etliche Filme – mal mehr und mal weniger<br />

gelungen. Darüber wurde schon reichlich<br />

geschrieben und ich will Euch gar nicht<br />

weiter damit langweilen.<br />

Viel lieber verkünde ich mit einem gewissen<br />

Stolz, dass wir pünktlich die neue <strong>Anduin</strong><br />

fertig bekommen haben. Obwohl wir uns<br />

keine bestimmte Seitenzahl als Ziel gesetzt<br />

haben, können wir das Thema Fantasy auf<br />

erstaunlichen 114 Seiten behandeln.<br />

Wenn es weiter so gut läuft, dann werden<br />

wir in diesem Jahr noch zwei weitere Ausgaben<br />

der <strong>Anduin</strong> veröffentlichen können<br />

– es stehen die Schwerpunktthemen Independent<br />

Rollenspiele und Crossovers an.<br />

Während also die nächste Ausgabe Euch ein<br />

paar der unbekannteren Rollenspielsysteme<br />

näher bringen möchte, wird die übernächste<br />

<strong>Anduin</strong> wild verschiedene Stimmungen und<br />

Settings mischen.<br />

Ich freue mich schon darauf und hoffe,<br />

dass wir Euch auch weiterhin als Leser gut<br />

unterhalten können.<br />

Liebe Grüße,<br />

Tommy •<br />

Leserbriefe<br />

Ausgabe 94 – Teil 1<br />

Hey Thomas, ich weiß wie frustrierend<br />

es sein kann, wenn nach getaner Arbeit die<br />

Rückmeldungen ausbleiben, so in etwa hast<br />

Du es im Interview mit lorp.de ja auch anklingen<br />

lassen. Vielleicht freut Dich das Lob eines<br />

schon lange nicht mehr aktiven, aber noch<br />

immer interessierten Rollenspielers. Ich hab<br />

bislang über ein paar Inhalte (der <strong>Anduin</strong> 94)<br />

geschaut und bin beeindruckt. Besonders<br />

möchte ich Dich allerdings für das Layout<br />

loben, das mir ausgesprochen gut gefällt. :)<br />

Weiter so! •<br />

Thorsten<br />

Ausgabe 94 – Teil 2<br />

Ich habe gerade das Interview auf Lorp.de<br />

gelesen. Ich freue mich genauso wie alle, dass<br />

die <strong>Anduin</strong> wieder unter den Lebenden weilt.<br />

Mit Anmerkungen habe auch ich mich bisher<br />

zurückgehalten. Statt „Fanmail“ habe ich<br />

auf meinem Blog unter www.amel.tk einen<br />

Post geschaltet und verlinke euch außerdem.<br />

Schön, dass ihr wieder da seid! •<br />

Andreas<br />

Ausgabe 94 – Teil 3<br />

Es ist soweit, die erste echte neue <strong>Anduin</strong><br />

seit einer gefühlten Ewigkeit ist erschienen<br />

und widmet sich mit dem Schwerpunktthema<br />

Mystery neben KULT und Cthulhu allerlei anderen<br />

dunklen Themen, die eine Erwähnung im<br />

Ruf mehr als notwendig machen. Ladet Euch<br />

die feinen 116 Seiten herunter und zelebriert<br />

die Rückkehr einer Legende! •<br />

Der Ruf<br />

Ausgabe 94 – Teil 4<br />

Krass, krass, krass! Da wird mein Gemecker<br />

in der letzten <strong>Anduin</strong> als Leserbrief gedruckt,<br />

so dass ich mich doch glatt genötigt fühle,<br />

mich noch einmal zu melden. Während mir<br />

das aufgewärmte Ding mit der Nummer 93<br />

gar nicht gefallen hat, weiß ich gar nicht wie<br />

ich Euch für die Ausgabe 94 danken soll. Einhundertundsechszehn<br />

prall gefüllte Seiten zu<br />

meinem Lieblingsthema: dem düsteren Rollenspiel.<br />

Und durchgehend hochwertige Qualität<br />

über nahezu alle Artikel. Aber wo Licht, da<br />

auch Schatten. Der Teil über das Abenteuerschreiben<br />

wirkte doch sehr wie zum Selbstzweck<br />

und war viel zu lang. Und die hohe Anzahl<br />

an Abenteuern ist auch nicht für alle der<br />

Volltreffer. Aber was soll man meckern, wenn<br />

da eine Hand voll Leute sich in ihrer Freizeit<br />

hinsetzen und uns allen ein solch geniales Magazin<br />

hinlegen, hinter dem sich einige professionelle<br />

Magazine verstecken sollten? Eben: gar<br />

nichts… ;-) •<br />

Sankrobal<br />

Ausgabe 94 – Teil 5<br />

Jetzt mal ganz ehrlich: wie hat die deutsche<br />

Rollenspielszene das eigentlich zwei Jahre lang<br />

ohne Euch ausgehalten? Wie konnten wir nur<br />

ohne diese Mischung aus Abenteuern und Artikeln,<br />

Comics und Zeichnungen, Professionalität<br />

und Fandom auskommen? Selbst wer mit<br />

all dem nichts anfangen kann („Ich spiele ungern<br />

fertige Abenteuer…“, „Ich weiß schon alles<br />

über das Spielleitern…“, „Comics finde ich<br />

öde…“, „Manche Zeichnungen sind ja nicht so<br />

dolle…“, „Viel zu gutes Layout, das ist ja kein<br />

Fanzine mehr…“ usw.), der muss doch zumindest<br />

eines sehen: welchen enormen Schub die<br />

KONTAKT<br />

D. Kufner – dragonlady@dragonwood.de<br />

T. Looschelders – tobias@schwertklinge.de<br />

A. Hartung – www.spherechild.de<br />

I. Schulze – www.greifenklaue.de<br />

J. Lange – JLange@OrbisArcanum.de<br />

T. Hagler – webtommi@gmx.de<br />

T. Heinig – tommy@anduin.de<br />

<strong>Anduin</strong> der Rollenspielszene gibt. Ein Hobby,<br />

für das sich Leute in ihrer Freizeit so einsetzen<br />

ohne Bezahlung und ohne Anerkennung (sonst<br />

wäre die <strong>Anduin</strong> wahrscheinlich nie eingestellt<br />

worden), das kann nicht am Ende sein. Das<br />

lebt und das wächst und das ist es wert, weiter<br />

betrieben zu werden! Ich werde allen meinen<br />

Bekannten von der <strong>Anduin</strong> erzählen, damit ihr<br />

weitermacht. •<br />

Uwe<br />

Pericula Subire<br />

Ich habe ein Abenteuer, das aber etwas länger<br />

ist, nämlich ungefähr 100 Seiten. Ich würde<br />

das gerne veröffentlichen, denke aber, dass es<br />

zu lang ist für die <strong>Anduin</strong>. Jetzt habe ich gesehen,<br />

dass es auch noch das Magazin Pericula<br />

Subire gibt, in dem längere Abenteuer publiziert<br />

werden. Darf ich Euch mein Abenteuer<br />

schicken und veröffentlicht ihr das dann?<br />

Raundair<br />

Am liebsten ist es uns, wenn für lange<br />

Abenteuer zunächst eine Zusammenfassung<br />

geschickt wird, die so ein bis zwei Seiten lang<br />

ist. Neben einer Übersicht über die Handlung<br />

sollte auch kurz auf die Stimmung und eventuelle<br />

Besonderheiten – und natürlich auf<br />

das System eingegangen werden. Halten wir<br />

das Abenteuer nach einer Prüfung dieser Zusammenfassung<br />

für geeignet, so steht einer<br />

Veröffentlichung in der <strong>Anduin</strong> oder der Pericula<br />

Subire nichts mehr im Weg. •<br />

Lovarian Adventures<br />

Erstmal Gratulation zum Neustart – geniale<br />

Ausgabe habt Ihr da mit der Nummer 94 abgeliefert!<br />

Aber ich habe mal eine Frage. In den<br />

älteren <strong>Anduin</strong>s gab es mehrere Comicserien,<br />

eine davon war Lovarian Adventures. Werdet<br />

Ihr die irgendwann mal weiterführen?<br />

Thorsten<br />

Wir haben nicht vor, den Comic in der <strong>Anduin</strong><br />

weiterzuführen. Es gibt ihn aber weiterhin<br />

im Netz (siehe Seite 52). •<br />

Mai 2008<br />

Seite 3


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SOMMERNACHTSTRAUM<br />

Sommernachtstraum<br />

EIN ABENTEUER FÜR ARTESIA<br />

TEXT: MARCO BARRETO-BITTNER<br />

ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />

Vorwort<br />

Unsere Geschichte spielt in den Mittleren<br />

Königreichen, dem Schauplatz der ARTESIA<br />

Comics und des gleichnamigen Rollenspiels<br />

von Mark Smylie. Es ist geeignet für alle<br />

Gruppen, vorzugsweise gemischten, die sowohl<br />

über kampforientierte Charaktere, als<br />

auch Mystiker verfügen. Perfekt passt die<br />

Geschichte direkt im Anschluss an das Einführungsabenteuer<br />

aus dem Grundregelwerk.<br />

Wir beginnen in Erid Dania am Rande des<br />

Erid Wold, in dem kleinen Ort Chysauster.<br />

Ansonsten lässt sich das Abenteuer auch irgendwo<br />

in eine Reise einbauen. Erid Dania ist<br />

eine Region gemäßigten Klimas, mit vielen<br />

weiten Ebenen und großen Mischwäldern im<br />

Norden.<br />

Der Erid Wold ist ein solcher Wald – groß<br />

und finster. Seit vielen Jahrhunderten begegnet<br />

man in diesem Wald mehr Geistern und<br />

Fabelwesen als anderswo in den Mittleren<br />

Königreichen, was an einer schrecklichen<br />

Geschichte aus dem Goldenen Zeitalter liegt.<br />

Um diese Geschichte und einen Schatten aus<br />

dieser Zeit, geht es im folgenden Abenteuer.<br />

Eine zentrale Rolle spielt der Konflikt zweier<br />

Religionen. Das alte Pantheon der göttlichen<br />

Familie auf der einen Seite und der Heilige<br />

König auf der anderen. Spielleiter, die mit<br />

der Mythologie von ARTESIA nicht vertraut<br />

sind, können sich an der Christianisierung im<br />

frühen Mittelalter orientieren.<br />

Zur Vorbereitung empfehle ich das Kapitel:<br />

„The Spring Queen & The golden realm of<br />

An-Athair“ aus dem Grundregelwerk.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Geschichte dreht sich um die mythischen<br />

Erzählungen der Frühlingskönigin<br />

und dem goldenen Zeitalter der Wälder von<br />

Erid Wold. Die Charaktere werden mit einem<br />

Geist aus dieser Zeit konfrontiert und haben<br />

die Chance einen Rückblick in die Geschichte<br />

zu werfen. Sie werden Teil einer Tragödie einer<br />

längst vergangenen Zeit.<br />

Fulric, ein Jäger, ist ein Anhänger des alten<br />

Glaubens. Er liebt Sylvia, die Frau des Schreiners<br />

und trifft sich mit ihr im Wald. Bei einem<br />

dieser Treffen werden sie beinahe von Sylvias<br />

Mann entdeckt und fliehen in Ihrer Not in ein<br />

altes Hügelgrab.<br />

Mit einem Stoßgebet an seine Göttin erweckt<br />

Fulric unwissentlich den Geist eines<br />

Priesters, der vor Jahrhunderten in diesem<br />

Teil der Welt gelebt hat.<br />

In dieser alten Zeit waren die Wälder von<br />

Erid Wold ein wunderbarer Ort an dem die<br />

Menschen in Harmonie mit der Natur lebten.<br />

Die Frühlingsköniginnen, Priesterinnen aus<br />

dem versunkenen Ürüne Düre (vergleichbar<br />

mit Atlantis), wachten über diesen Ort und<br />

ihre Krieger bewachen die Wälder und alle<br />

Bewohner darin. Dann kamen die Aurianer,<br />

ein wildes Volk aus dem Norden, mit Ihren<br />

Langschiffen über das Meer und lernten vom<br />

Gehörnten, dem Verräter an den Göttern, die<br />

dunkle Magie mit der sie das Paradies zerstörten.<br />

Sie schmiedeten Äxte und fällten die<br />

Seite 4<br />

Abenteuer


SOMMERNACHTSTRAUM<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Bäume. Sie verbrannten das<br />

goldene Reich und erschlugen<br />

die letzte Königin.<br />

Diese Geschichte scheint<br />

sich für den Geist des Priesters<br />

aus dieser Zeit zu wiederholen.<br />

Der Ritter des Ortes,<br />

Ser Galwyn, bessert sein<br />

Auskommen mit dem Verkauf<br />

von Holz auf, das er in den<br />

Wäldern schlagen lässt. Damit<br />

verstößt er unwissentlich<br />

gegen ein uraltes Gesetzt und<br />

bringt den Fluch des Priesters<br />

über sich und das Dorf.<br />

Die Charaktere betreten in<br />

dem Moment die Bühne, in<br />

dem die Dorfbewohner auf<br />

Geisterjagd ziehen. Nach einer<br />

ersten Konfrontation mit<br />

den Geisterwesen des Waldes<br />

begeben sich die Charaktere<br />

auf Spurensuche in die Vergangenheit.<br />

Neben Begegnungen<br />

mit Geistern, Hexen,<br />

schrulligen Dorfbewohnern<br />

und Priestern des Sonnenhofes<br />

sind sie bestens vorbereitet einen zweiten<br />

Anlauf zu nehmen.<br />

Tatsächlich finden die Charaktere die arme<br />

Sylvia und das verlassene Hügelgrab. Sieht<br />

es zunächst so aus als könnten sie die arme<br />

Frau retten und den bösen Geist aus dem<br />

Grab vertreiben, so haben sie doch nicht mit<br />

den Besonderheiten der Anderswelt gerechnet.<br />

Zeit spielt in der Anderswelt eine andere<br />

Rolle als auf unserer Seite der Schwelle und<br />

Geister sind in diesem Wald nicht so leicht zu<br />

vertreiben wie anderswo.<br />

Ob alle Mitglieder der Gruppe dieses Abenteuer<br />

bei klarem Verstand überstehen und<br />

ob es ein Happy End zwischen Fulric und Sylvia<br />

gibt, das liegt im Ermessen der Gruppe.<br />

Dass sie eine Nacht erleben, die sie so schnell<br />

nicht vergessen werden, das liegt in Euren<br />

Händen, verehrter Spielleiter.<br />

Kapitel 1<br />

Geisterjagt<br />

Der Mob<br />

am Waldrand<br />

Die Charaktere reiten einen schlammigen<br />

Waldweg entlang. Es regnet und Nebel liegt<br />

über den Feldern. Die Strasse wird von gefällte<br />

Baumstämmen gesäumt und die Felder<br />

sehen verkommen aus. In der Ferne erklingt<br />

ein Donnergrollen.<br />

Abenteuer<br />

Plötzlich trägt der Wind das wilde Gebell<br />

von Hunden heran. Eine kleine Gruppe flackernder<br />

Lichter taucht zwischen den Bäumen<br />

auf und nähert sich der Gruppe.<br />

Voran reitet Ser Galwyn, Sohn des Dyrek,<br />

Ritter von Chysauster. Galwyn ist ein<br />

dicklicher Mann, mit grauen Schläfen und<br />

prächtigem Doppelkinn. Zusammen mit seinem<br />

Schnauzbart und den kleinen Äuglein<br />

erscheint er eher wie eine feiste Bulldogge<br />

denn einem Ritter.<br />

„He da! Gebt Euch zu erkennen oder die<br />

Hunde reißen Euch in Stücke!“<br />

Die Bauern sammeln sich vor den Charakteren.<br />

Da ist außer Ser Galwyn noch:<br />

• Arraca, Tochter des Ser Galwyn. Sie ist<br />

erst 14 Jahre jung, aber in ihrem Blick erkennt<br />

man ihre fürstlichen Ahnen. Sie ist<br />

zierlich und trägt goldene Zöpfe, die von<br />

den Zweigen zerzaust und verdreckt<br />

sind.<br />

• Naeras Gower, der Dorfpriester des Sonnenhofes.<br />

Er ist ein untersetzter Mann<br />

Mitte dreißig mit goldenem Haar und<br />

einer Tonsur. Er ist in eine einfache Kutte<br />

gehüllt, trägt den Stab des Sonnenkönigs<br />

und sein Gesicht zeigt unverholen<br />

Angst.<br />

• Oswin Theowain, der Holzfäller. Er ist<br />

groß gewachsen, blond, wie für einen<br />

Aurianer typisch und sehr aufbrausend.<br />

• Malcom, Sohn des Corlien, der Schmied.<br />

Ein dunkler Typ mit mächtigen, behaarten<br />

Armen und Vollbart. Bewaffnet mit<br />

einem schweren Hammer und in eine<br />

improvisierte Lederrüstung gehüllt.<br />

• Umasza, Sohn des Yerwin, ein junger<br />

Bursche, der seinen Lebensunterhalt als<br />

Holzfäller verdingt. Bewaffnet ist mit<br />

einer Axt, doch sein Gesicht lässt eine<br />

gewisse Entschlossenheit vermissen.<br />

Wenn sich die Charaktere einigermaßen<br />

zu benehmen wissen, lässt sie Ser Galwyn<br />

ziehen. Er hat in dieser Nacht ganz andere<br />

Sorgen als ein paar herumstreunende Abenteurer.<br />

Wenn Sie fragen oder gar ihre Hilfe<br />

anbieten bekommen Sie eine erstaunliche<br />

Geschichte präsentiert.<br />

Die Geschichte<br />

der Bauern<br />

Seit einigen Tagen geht ein Geist in dieser<br />

Gegend um. Er hat sich bereits Fulric, den Jäger<br />

und Sylvia, die Frau des Tischlers, geholt.<br />

Vor ein paar Stunden hat der brave Ulin, der<br />

Bursche des Müllers, den Geist am Waldrand<br />

gesehen.<br />

„Er ist größer als jeder Mensch und trägt<br />

das Geweih eines mächtigen Hirsches auf<br />

dem Kopf. Sein zottiges Fell ist mit dem<br />

Nebel versponnen aus dem er aufsteigt und<br />

in seinen Klauen hält er einen grauenhaften<br />

Stab, auf den er die Schädel seiner Opfer<br />

spießt.“<br />

Natürlich entspricht das nicht ganz der<br />

Wahrheit, aber es gibt gut wieder, welche<br />

Angst die Bauern haben. Ser Galwyn macht<br />

Seite 5


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SOMMERNACHTSTRAUM<br />

noch einen gefassten Eindruck, aber auch<br />

Ihm sieht man an, dass er nicht oft in dem<br />

Kampf reitet.<br />

Die Spieler können nun selbst entscheiden,<br />

ob Sie die Gruppe in den Wald begleiten,<br />

oder ob sie weiter nach Chysauster ziehen<br />

und dort in der Herberge Trüffelschwein (siehe<br />

Kapitel „Gasthaus Trüffelschwein“) übernachten.<br />

Geister<br />

im Wald<br />

Die Gruppe betritt den Wald. Im moosigen<br />

Untergrund hinterlassen sie tiefe Spuren in<br />

denen das Wasser stehen bleibt. Nebelfetzen<br />

hängen im dichten Unterholz, die knorrigen<br />

Bäume stehen immer dichter zusammen. Der<br />

Wind rauscht in den Blättern, und der Blitz<br />

wirft bizarre Schatten.<br />

Der Spielleiter hat in dieser Szene die<br />

Chance, magiebegabten Charakteren oder<br />

solchen, die über das dritte Auge verfügen,<br />

einen Vorgeschmack zu geben, was auf sie<br />

zukommen wird. Gleichzeitig ist die Szene<br />

bestens geeignet eine drückende und tragische<br />

Atmosphäre aufzubauen.<br />

Die Geschichte<br />

von Erid Wold<br />

Die Wälder von Erid Wold sind alt, sehr alt<br />

und die Schwelle zur Anderswelt ist hier näher.<br />

Seit der Gehörnte die Aurianer verführte<br />

und mit seiner Dunklen List Krieg und Zerstörung<br />

über das Land brachte, gehen die<br />

Geister der Verratenen und Toten im Wald<br />

um. Charaktere mit dem Gift Second Sight haben<br />

die Chance die Geister an diesem Ort zu<br />

sehen. Erinnerungen an längst vergangene<br />

Zeiten.<br />

Seite 6<br />

OFFTOPIC<br />

Der Ruf<br />

Schickes Layout, etliche Abenteuer<br />

und Artikel, kostenlos, im PDF Format<br />

– klingt nach der <strong>Anduin</strong>? Falsch<br />

gelegen!<br />

Die Rede ist hier<br />

nämlich von dem<br />

Fanzine für düsteres<br />

Rollenspiel Der<br />

Ruf. Wer was für die<br />

dunkleren Seiten<br />

des Rollenspiels<br />

übrig hat und die<br />

<strong>Anduin</strong> mag, der wird den Ruf lieben.<br />

Unbedingt hinsurfen, runterladen und<br />

genießen! •<br />

URL: www.der-ruf.de<br />

Krieger mit bronzenen Rüstungen verstellen<br />

Euch den Weg. Wundersame Frauen<br />

arbeiten im Hintergrund, sie pflegen die<br />

Bäume und singen zur Musik der Vögel.<br />

Zwischen ihnen bringt ein Mann mit Hirschmaske<br />

Opfer dar. Golden scheint die Sonne<br />

zwischen den Blättern hindurch.<br />

Plötzlich schlägt das Licht um. Wo Licht war<br />

ist nun Dunkelheit. Wie auf einem Negativ<br />

werden die Frauen zu grellen, weißen<br />

Gestalten. Die Krieger liegen erschlagen am<br />

Boden, ihre Augen weit aufgerissen und<br />

ihre Körper mit klaffenden Wunden geschlagen.<br />

Gehörnte Wilde fallen über die Frauen<br />

her, zerreißen Ihre Kleider, würgen sie und<br />

ertränken sie schließlich im Fluss.<br />

„Geht fort! Flieht! … Dies ist nicht Euer<br />

Kampf. … Der Hüter ist zurückgekehrt. Er<br />

wird Euch bestrafen. …“<br />

„So traurig… Die Königin des Frühlings…<br />

so traurig.“<br />

Charaktere mit guten Kenntnissen in Geschichte<br />

sollten eine Chance haben diese<br />

Bilder zu verstehen. Je besser das erreichte<br />

Ergebnis, desto mehr Details erfahren die<br />

Charaktere aus der Geschichte (siehe: „The<br />

Spring Queen & The golden realm of An-<br />

Athair“).<br />

Tief im<br />

Unterholz<br />

Plötzlich ragt ein Schatten vor der Gruppe<br />

auf. Vor dem silbernen Licht des Mondes,<br />

umflochten von den Gespinsten des Nebels<br />

wirkt er übergroß. Ein mächtiges Geweih<br />

scheint aus seinem Totenschädel zu ragen<br />

und in seiner Rechten hält er einen Stab. Für<br />

zwei Herzschläge herrscht Stille, dann bricht<br />

das Chaos los.<br />

Die Helden haben noch die Chance ihre<br />

Initiative zu ermitteln. Bei 11 stürmen kleine<br />

und große Wesen aus dem Wald. Tiere, die<br />

von schrecklichen Geistern besessen sind.<br />

Hirsche, Wildschweine und sogar Hasen, verwandelt<br />

in unheimliche Chimären mit Klauen,<br />

Hörnern und langen Reißzähnen. Unter ihnen<br />

zwei Hünen, einer mit Bären- und der andere<br />

mit Wolfskopf. Beim Anblick dieser bizarren<br />

Schar wenden sich die ersten Dörfler zur wilden<br />

Flucht. Ser Galwyn und der Priester leisten<br />

zunächst Widerstand, doch schon nach<br />

wenigen Kampfrunden gehen sie verwundet<br />

zu Boden.<br />

Die Charaktere sehen sich einer Übermacht<br />

entgegen. Ihr, verehrter Spielleiter, solltet die<br />

Gruppe so stark machen, dass die Charaktere<br />

auch mit viel Glück keine Chance haben. Sie<br />

können nun bis zur Bewusstlosigkeit kämpfen<br />

oder aufgeben. In jedem Fall werden die<br />

Kreaturen nie mit voller Wucht zuschlagen,<br />

so, als wollten sie ihre Gegner nicht ernsthaft<br />

verletzten (ein Charakter mit Tactics kann das<br />

eventuell feststellen). Ob sie aufgeben oder<br />

irgendwann bewusstlos zu Boden gehen<br />

spielt keine Rolle. Die Charaktere sollten sich<br />

irgendwann im Morgengrauen leicht verletzt<br />

am Waldrand wieder finden.<br />

Kapitel 2<br />

Das Dorf<br />

Gasthaus<br />

Trüffelschwein<br />

Schon früh am morgen erwacht das Dorf<br />

aus einem unruhigen Schlaf. Die letzten Nebelfetzen<br />

werden schnell von der Morgensonne<br />

vertrieben und eine wohlige Wärme<br />

macht sich breit. Die Männer versammeln<br />

sich im Gasthaus. Wenn die Charaktere nicht<br />

mit im Wald waren, werden sie durch hitzige<br />

Diskussionen aus dem Schlaf gerissen.<br />

„Ich geh da nicht mehr raus! Ich bin doch<br />

nicht verrückt!“<br />

„Und was machen wir sonst? Ich hab<br />

schließlich eine Familie zu ernähren!“<br />

„Soll Ser Galwyn doch gehen. Schließlich<br />

hat er uns den Dreck doch eingebrockt!“<br />

„Lasst uns Hethis befragen. Die kennt sich<br />

doch mit so was aus.“<br />

„Hethis? Die alte Hexe? Dafür wird Dich<br />

Nearas aufknüpfen.“<br />

Die Diskussion verstummt, sobald die Fremden<br />

den Raum betreten oder irgendwie auf<br />

sich aufmerksam machen. Besonders natürlich,<br />

wenn sich jemand von Stand in der Gruppe<br />

befindet. Das Dorf steckt offensichtlich in<br />

der Klemme. In den letzten Monaten wurde<br />

die Arbeit auf dem Feld vernachlässigt, weil<br />

das Geschäft mit dem Holz mehr einbrachte.<br />

Wenn sie nun nicht mehr in den Wald gehen,<br />

wird es für den Winter nicht reichen und um<br />

noch die Ernte ein zu holen ist es längst zu<br />

spät. Viele müssten das Dorf wohl verlassen<br />

und als Tagelöhner nach Westmark ziehen,<br />

in die nächste Stadt. Natürlich bittet man die<br />

Charaktere um Hilfe. Wenn der Geist nicht<br />

vertrieben wird, so ist das Dorf verloren.<br />

Geschichten<br />

im Dorf<br />

Im Dorf gehen verschiedene Geschichten<br />

um. Aus jeder können die Charaktere ihre<br />

eigenen Schlüsse ziehen. Es können sich gar<br />

einige Sub-Plots daraus entwickelt, die wir an<br />

dieser Stelle jedoch nicht weiter verfolgen.<br />

Die Spieler sollten nach Herzenslust Erkundigungen<br />

anstellen. Je nach dem mit wem sich<br />

Abenteuer


SOMMERNACHTSTRAUM<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

die Charaktere im Dorf unterhalten, bekommen<br />

Sie Informationen auf unterschiedliche<br />

Weise präsentiert.<br />

Die alten Götter<br />

Die Spannung zwischen den alten Göttern<br />

und dem Sonnenhof spiegeln sich in der<br />

Dorfbevölkerung wider. Der Sonnenhof wird<br />

vertreten durch Naeras Gower, dem höchst<br />

motivierten Dorfpriester aus Auria. Ihm folgt<br />

auch Ser Galwyn, wenn auch nur sehr missmutig.<br />

Die Rituale der alten Götter werden noch<br />

von vielen Dorfbewohnern befolgt. Eine<br />

Hexe, die alte Hethis, lebt im Wald. Zu ihr<br />

kann man gehen wenn man Rat braucht und<br />

die alten Riten abhalten will.<br />

Das geheime Paar<br />

Jeder weiß eigentlich, dass der Jäger Fulric<br />

und Sylvia, die Frau des Tischlers, etwas<br />

Abenteuer<br />

miteinander hatten, aber ihrem Mann gegenüber<br />

halten sich natürlich alle zurück. Schon<br />

nach einer kleinen Andeutung gab es eine<br />

wilde Schlägerei in der Taverne, seither ist<br />

das Thema in der Öffentlichkeit eher Tabu.<br />

Hinter vorgehaltener Hand dagegen… Viele<br />

zerreißen sich heimlich das Maul darüber.<br />

Sylvia ist allgemein sehr beliebt im Dorf, Man<br />

erzählt sich, dass sie von Ihrem Vater mit<br />

dem Tischler verheiratet wurde. Es soll wohl<br />

um Schulden gegangen sein, aber genaues<br />

weiß keiner.<br />

Der unbeliebte Ritter<br />

Die Dorfbewohner geben Ser Galwyn die<br />

Schuld für den Fluch. Alte Geschichten erzählen<br />

von den Aurianern, die vor vielen Jahrhunderten<br />

über das Land kamen und die goldenen<br />

Wälder der Frühlingskönigin zerstörten.<br />

Nun kommt wieder ein Ritter aus Auria her,<br />

bringt seinen Pfaffen mit und weckt den Zorn<br />

der alten Götter. Das sagt ihm natürlich keiner<br />

ins Gesicht und das Geld, das der Holzhandel<br />

einbringt, nehmen alle gern.<br />

Der Wald und<br />

die Anderswelt<br />

Im Wald gibt es geheime Wege. Wer sie<br />

kennt, der kann sich durch die Anderswelt<br />

bewegen und geheime Orte finden. Das ist<br />

aber nicht ganz ungefährlich. Die Zeit vergeht<br />

anders an diesen Orten und auf diesen<br />

Wegen. Bleibt man zu lange, vergeht das<br />

ganze Leben wie ein Traum und die eigene<br />

Familie ist tot.<br />

Will man die Wege finden, sollte man nach<br />

alten Steinen Ausschau halten. Sie sind mit<br />

magischen Zeichen beschrieben und finden<br />

sich oft in der Nähe riesiger Baumstümpfe.<br />

Hier wird ein Teil der Geschichte des Gehörnten<br />

verarbeitet. Er lehrte den Aurianern<br />

einen Zauber, mit denen Sie die Krieger Ürüne<br />

Dürés besiegen konnten. Noch heute können<br />

sich Eingeweihte – wie Hethis – auf den<br />

geheimen Pfaden unnatürlich schnell bewegen.<br />

Der Schatz<br />

der Frühlingskönigin<br />

Es geht das Gerücht um, im Wald seien<br />

noch mächtige Artefakte aus Ürüne Düré<br />

verborgen. Die Priester der Frühlingsköniginnen<br />

hätten sie mit in ihre Gräber genommen.<br />

Leider ist noch keiner aus der Anderswert zurückgekehrt<br />

um davon zu berichten.<br />

Die heiligen Bäume<br />

Viele Dorfbewohner glauben, dass die<br />

Holzfäller einen der heiligen Bäume gefällt<br />

haben. Diese Bäume stehen im Erid Wold seit<br />

dem Anbeginn der Zeit. Sie sind seine Wächter.<br />

Wenn der letzte dieser Bäume stirbt,<br />

dann endet der Erid Wold und alles was in<br />

ihm lebt.<br />

Einer der Bäume stützt das Hügelgrab des<br />

Priesters. Wenn Magie einen wichtigen Stellenwert<br />

in der Kampagne der Gruppe einnimmt,<br />

dann lassen sich von diesen Bäumen<br />

alte Geheimnisse erfahren und interessante<br />

Erkenntnisse gewinnen.<br />

Kapitel 3<br />

Personen<br />

Ser Galwyn,<br />

der Ritter des Ortes<br />

Der Ritter ist eine Hauptperson in dieser<br />

Geschichte. Je nach dem von welcher Seite<br />

die Spieler und/oder die Charaktere den<br />

Fall betrachten, ist er für die missliche Lage<br />

Seite 7


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SOMMERNACHTSTRAUM<br />

Seite 8<br />

seines Dorfes verantwortlich. Der Spielleiter<br />

sollte sich also etwas Mühe machen Ser<br />

Galwyn zu beschreiben, ihn immer wieder<br />

auftauchen zu lassen und Raum für Interaktion<br />

und Konflikte zu bieten.<br />

Ser Galwyn ist eher ein Ritter der traurigen<br />

Gestallt. Seine Augen wirken stumpf und<br />

müde und sein Bauch lässt erkennen, dass er<br />

seit Jahren an keinem Turnier oder ernsten<br />

Kampf mehr teilgenommen hat.<br />

In Gesellschaft trägt er ein Sonnenamulett,<br />

doch eigentlich ist Ihm der Glaube egal. Er<br />

sieht derlei Dinge eher pragmatisch. „Wess<br />

Brot ich ess, dess Lied ich sing!“ So könnte<br />

man seine Philosophie zusammenfassen. Seinen<br />

Berater, Naeras Gower, hat er von Prinz<br />

Fionne von Hagenwall, seinem Lehnsherren,<br />

„empfohlen“ bekommen, so verbindet ihn<br />

nicht mal zu diesem ein herzliches Verhältnis.<br />

Allein seine Tochter, Arraca ist der Sonnenschein<br />

seines Lebens und gerade die hat sich<br />

in den letzten Wochen zunehmend von ihm<br />

abgewandt.<br />

Über die Jahre ist er zunehmend frustriert<br />

und von seinem Leben enttäuscht. Politisch<br />

ist er in Chysauster isoliert. Seine beiden Söhne,<br />

Gail und Arbier, sind absolute Nichtsnutze.<br />

Sie werden sein Lehen ruinieren, sollten<br />

sie ihn einmal beerben und wenn er nicht ab<br />

und zu selbst Hand anlegt, wie ein gewöhnlicher<br />

Bauer, dann könnte er nicht mal Haus<br />

und Hof erhalten, wie es seinem Stand würdig<br />

ist.<br />

Ser Galwyn spricht nur mit den Charakteren<br />

wenn Sie zumindest einen ordentlichen<br />

Beruf gelernt haben oder gar einen Titel besitzen.<br />

Ansonsten kann nur eine sehr gute<br />

Lösung für „sein Problem“ die Tür zu seinem<br />

Haus öffnen ohne dass er die Hunde auf die<br />

Charaktere hetzt.<br />

Von Galwyn erfahren die Charaktere viel<br />

über die „undankbare Gegend“. Das Land<br />

rund um das Dorf ist zur Landwirtschaft<br />

wenig geeignet. Der feuchte Boden wirft<br />

nicht viel Ertrag ab. Er würde seiner Tochter<br />

– „meinem einzigen Sonnenschein in dieser<br />

Gegend“ – gerne eine Ausbildung an der Universität<br />

von Newgate bezahlen, aber ohne<br />

die Einkünfte aus dem Holzhandel kann er<br />

das nicht.<br />

Galwyn glaubt, dass Hethis, die Hexe, hinter<br />

all dem steckt. Sie hasst ihn dafür, dass er<br />

die Bäume im Wald schlagen lässt. Nun hat<br />

sie auch das Dorf gegen ihn aufgebracht und<br />

er befürchtet, dass bald erstes Blut fließen<br />

wird, aber es wird nicht seines sein.<br />

Ser Galwyns Haus<br />

Es liegt etwas abseits des Dorfes, auf einer<br />

kleinen Insel im See. Es ist das einzige Haus in<br />

ganz Chysauster, das aus Stein erbaut wurde.<br />

Leider keine besonders gute Idee, da es mittlerweile<br />

beginnt im feuchten Untergrund zu<br />

versinken. Risse ziehen sich die Wände entlang<br />

und auch das Dach hat die besten Tage<br />

schon hinter sich.<br />

ARraca,<br />

die Tochter des Ritters<br />

Arraca, die Tochter des Ritters, wirkt für<br />

ihre 14 Jahre bereits sehr reif und erwachsen.<br />

Ihr strohblondes Haar ist meist zu einem langen<br />

Zopf gebunden und Sie trägt pragmatische,<br />

feste Kleidung aus Leder und derben<br />

Stoffen. Ihr Benehmen ist stets ein wenig<br />

burschikos und Fremden gegenüber gibt Sie<br />

sich oft abweisend und provokativ.<br />

Im Grunde ist Arraca frustriert. Ihre Brüder<br />

sind faule Dummköpfe und sie wird als Frau<br />

wohl verdammt sein einen ebenso schwachsinnigen<br />

aurischen Ritter zu heiraten. Für<br />

ein Studium fehlt ihrem Vater das Geld und<br />

eine Ausbildung an der Waffe kommt in Ihrer<br />

Familie nicht in Frage. Oft hat sie darüber<br />

nachgedacht das Dorf einfach zu verlassen.<br />

Vielleicht mit einer Gruppe von Abenteurern?<br />

Vielleicht als Knappe? Nun ja, bisher hat sich<br />

keine Gelegenheit ergeben und das Dorf kann<br />

sie auch schlecht im Stich lassen. Schließlich<br />

fühlt sie sich den Bewohnern verpflichtet.<br />

Manchmal, wenn sie im Wald unterwegs<br />

ist und ihren Gedanken nachgeht, geschehen<br />

seltsame Dinge. Mal hat sie den Eindruck die<br />

Tiere reden zu Ihr. Mal sieht sie seltsame Erscheinungen<br />

zwischen den Bäumen. Bisher<br />

hat sie nur mit Sylvia darüber gesprochen.<br />

Arraca besitzt das dritte Auge und bringt<br />

hervorragende Veranlagungen für die arcanen<br />

Künste mit.<br />

Abenteuer


SOMMERNACHTSTRAUM<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Naeras Gower,<br />

der Dorfpriester<br />

Naeras sieht bei Licht betrachtet nicht<br />

mehr so ängstlich aus wie bei Nebel im Wald.<br />

Seine Augen funkeln trotzig, als hätte er sich<br />

seine gestrige Panik sehr zu Herzen genommen<br />

(siehe Kapitel „Der Mob am Waldrand“).<br />

Er hat heute seine festliche Kutte mit dem<br />

goldenen Sonnensymbol gewählt und sein<br />

blondes Haar funkelt in der Morgensonne.<br />

Naeras ist ein aufrichtiger Mann. Seit er ein<br />

kleiner Junge von 12 Jahren war und zum ersten<br />

mal die mächtigen Tempel des Sonnenhofes<br />

in Heliopolis sah, wusste er, was seine<br />

Bestimmung sein würde. Seit diesem Tag<br />

sind viele Jahre vergangen. Er hat das Licht<br />

des göttlichen Königs in die Welt getragen,<br />

an jeden Ort, an den seine Kirche ihn rief.<br />

Zuletzt an den Hof des Kronprinzen von Erid<br />

Dania, Hektor Thurias.<br />

Zunächst war er glücklich über die Gelegenheit<br />

direkt am königlichen Hofe wirken<br />

zu können, doch schon bald stellte sich heraus,<br />

dass Politik und Intrige bei Hofe einen<br />

höheren Stellenwert hat als der Glaube. Sein<br />

Fehler war es schließlich, das Herz des Kronprinzen<br />

zu gewinnen. Die Lehre des heiligen<br />

Königs war etwas, das selbst der Kronprinz<br />

mit seinem einfachen Verstand als Wahrheit<br />

erkannte und in seiner Einfältigkeit hatte er<br />

in Naeras einen Mann gefunden, der aufrichtig<br />

war und der nicht danach trachtete ihn<br />

auszunutzen.<br />

Schließlich strafte man Naeras, um Hektor<br />

zu treffen. Eines schönen Morgens zerrte<br />

man Naeras aus seinem Bett, zog ihm einen<br />

Sack über den Kopf und ließ ihn in den Kerker<br />

werfen. Er weiß bis heute nicht den Grund dafür.<br />

Ein Gesandter des heiligen Hofes sprach<br />

einige Wochen später zu ihm. Sie würden ihn<br />

laufen lassen und ihm wieder eine Gemeinde<br />

zuweisen. Wenn er es aber wagen sollte an<br />

den Hof des Königs zurück zu kehren, so warte<br />

der Tod auf ihn.<br />

Die Geschichte ist nun einige Jahre her.<br />

Seit er Ser Galwyn als Berater zugeteilt wurde<br />

hat Naeras alle Hoffnung aufgegeben jemals<br />

etwas Bedeutendes in seinem Leben zu<br />

bewirken. Die Seelen der Bauern zu retten<br />

und gegen Aberglauben und Hexen zu kämpfen,<br />

das ist nicht, was er sich in Heliopolis geschworen<br />

hat.<br />

In den letzten Tagen ist so etwas wie Ehrgeiz<br />

in ihm aufgeflammt. Endlich hat er die<br />

Chance sich zu beweisen, sich und den anderen<br />

zu zeigen, was in ihm steckt. Im Gespräch<br />

mit den Charakteren wird er darauf drängen<br />

den Geist gemeinsam zu bekämpfen.<br />

Er kennt da einen Segen der Sonnenhofes<br />

Abenteuer<br />

(Death Rite), der, mit etwas Unterstützung<br />

der Helden, den Geist vertreiben könnte.<br />

Diesen Vorschlag macht er natürlich besonders<br />

dann, wenn sich ein Priester oder ein<br />

sehr gläubiger Ritter unter den Charakteren<br />

befindet.<br />

Naeras Lösung<br />

Diese Lösung ist sicher der aggressivste<br />

Weg, aber wenn es den Charakteren gelingt<br />

mit Naeras zum Hügelgrab zu kommen und<br />

das Ritual zu beenden, so wird Fulric tatsächlich<br />

von dem Geist befreit, verliert darüber<br />

allerdings den Verstand.<br />

Leon, Sohn des Cerwyn,<br />

Tischler und Sylvias<br />

Mann<br />

Leon ist ein blonder Hüne ende dreißig. Er<br />

hat ein hässliches Gesicht, das von Pockennarben<br />

gezeichnet ist und er trägt einen<br />

buschigen Schnurrbart. Seine Nase ist von<br />

feinen Adern durchzogen und rötlich geschwollen.<br />

Meist riecht er nach Alkohol und<br />

wirkt ungepflegt.<br />

Als Tischler hat Leon stark von dem Holzhandel<br />

profitiert. Seine Werkstatt hat er kürzlich<br />

neu ausgestattet und schuldet einigen<br />

Händlern in Westmark viel Geld dafür. Jetzt,<br />

wo kein Holz mehr geschlagen wird, steht er<br />

vor dem Aus. Seit nun auch noch seine Frau<br />

verschwunden ist, gibt es nichts mehr, was<br />

ihn von der Flasche weg bringt. Entsprechend<br />

lange brauchen die Charaktere um ihn<br />

zu wecken, wenn sie versuchen Informationen<br />

von Ihm zu erhalten.<br />

Befragt man Ihn zu der Nacht, in der seine<br />

Frau verschwunden ist, so wird er unsicher<br />

und druckst zunächst nur rum. Nach einiger<br />

Überzeugungsarbeit gesteht er ein seine Frau<br />

Seite 9


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SOMMERNACHTSTRAUM<br />

in den Wald verfolgt zu haben.<br />

Er ahnte, dass Sie ein<br />

Verhältnis hatte und wollte<br />

herausfinden wer ihm<br />

die Hörner aufsetzte. Tief<br />

im Wald, er hatte längst<br />

die Orientierung verloren,<br />

stand er plötzlich vor einem<br />

steinernen Eingang<br />

zu einem Erdhügel. Er hörte<br />

Stimmen und plötzlich<br />

einen Schrei.<br />

„Durch Mark und Bein<br />

ist mir das gegangen. Da<br />

hab ich es mit der Angst<br />

bekommen und bin<br />

weggerannt.“<br />

Leon vermutet, dass Sylvia<br />

in dieser Nacht starb<br />

und mit ihr jede Hoffnung<br />

auf Glück und eine Familie.<br />

Je später die Charaktere<br />

ihn befragen, desto<br />

Schlimmer wird sein Zustand<br />

sein. Eines Nachts,<br />

der Spielleiter sollte sich einen dramatischen<br />

Moment aussuchen, dreht er völlig durch und<br />

rennt volltrunken in den Wald. Sollten die<br />

Charaktere nicht zufällig zur Hilfe eilen, wird<br />

es das letzte sein, dass man von ihm sieht.<br />

Kapitel 4<br />

Der Wald<br />

Ich gehe davon aus, dass die Charaktere ihren<br />

nächsten Ausflug bei Tag unternehmen.<br />

Ansonsten werden sich die Szenen mit denen<br />

in der vergangenen Nacht gleichen, nur<br />

das die Wunden, die unsere Helden davon<br />

tragen, nicht mehr so harmlos sind, wie am<br />

Abend zuvor.<br />

Charaktere mit entsprechenden Begabungen<br />

finden im Wald viele alte Wege. Die<br />

Geister der Natur sind ungewöhnlich präsent<br />

hier.<br />

Die gefallene<br />

Königin<br />

Die Charaktere sind schon einige Zeit unterwegs,<br />

je nach Fähigkeiten mehr oder weniger<br />

Ziellos, als sie in der Ferne unterdrücktes<br />

Schluchzen hören.<br />

Hilfe aus der Zeit<br />

Plötzlich, ganz unvermittelt, streift die<br />

Charaktere ein warmer Hauch. Die Luft beginnt<br />

zu flimmern und die Umgebung verschwimmt.<br />

Charaktere mit Second Sight oder<br />

ähnlichen Fähigkeiten erkennen sofort, dass<br />

Seite 10<br />

sie auf der Schwelle zur Anderswelt stehen.<br />

Ein Schritt und sie haben diese Welt verlassen.<br />

Ein seltener Moment in dem sich Dimensionen<br />

zu begegnen scheinen. Wenn die<br />

Charaktere entkommen möchten, können<br />

sie das durch eine gelungene Geschicklichkeitsprobe<br />

schaffen. Das Tor zur Anderswelt<br />

schließt sich kurz vor Sonnenuntergang wieder.<br />

Bach im Wald –<br />

eine helle Lichtung<br />

Machen die Charaktere den Schritt in die<br />

Anderswelt, so betreten sie eine traumhafte<br />

Szene auf einer blumenbewachsenen Lichtung<br />

im Wald. Der Wald hat sich verändert.<br />

Er ist irgendwie leichter geworden. Durch<br />

die Baumkronen zieht sich golden das Licht<br />

der Sonne. Vögel singen in den Zweigen und<br />

Tiere spielen am Waldrand scheinbar ohne<br />

Scheu. Barfuß nähert sich ihnen eine wunderschöne<br />

Frau. In ein langes weißes Kleid<br />

gehüllt, einen goldenen Reif in den braunen<br />

Locken. Ihre Augen scheinen gütig und traurig<br />

zugleich.<br />

„Seit gegrüßt Fremde. Was führt Euch<br />

hierher, in meinen Traum?“<br />

Die Charaktere begegnen Iala, einer der<br />

letzten Frühjahrsköniginnen. Vor Jahrhunderten<br />

wurde sie in diesem Wald von Aurianern<br />

geschändet und im nahen Fluss ertränkt. Seit<br />

dem hat sich die Welt verändert und sie hat<br />

ihren Frieden mit den Menschen gemacht,<br />

hat ihnen vergeben.<br />

Heute sucht sie nur noch selten den Kontakt<br />

zu Sterblichen, doch in den letzten Tagen<br />

dringt neues Leid zu ihr und erfüllt ihr<br />

Herz mit Schwermut. Das Schicksal von Fulric<br />

und Sylvia hat sie berührt, vor allem, weil Fulric<br />

dem alten Weg folgt und ihrer Göttin, Adjia<br />

Luna, immer ein treuer Gefolgsmann war.<br />

Die beiden haben es in ihren Augen nicht verdient<br />

so zu leiden.<br />

So wird Sie den Charaktere einen Weg<br />

zeigen Fulric zu retten. Ihr Weg ist die Vergebung.<br />

Durch eine Probe versucht Sie den<br />

Charakteren die Augen zu öffnen:<br />

„Geht dort in diesen Hain und Ihr werdet<br />

einen Weg finden.“<br />

Die Probe<br />

Lassen sich die Charaktere auf die Probe<br />

ein und betreten den Hain, so sind sie plötzlich<br />

umgeben von einem diffusen Licht. Alles<br />

scheint ein wenig langsamer abzulaufen und<br />

Ihre Stimmen haben einen seltsamen Hall.<br />

Sie halten Äxte in den Händen und sind offenkundig<br />

mit dem fällen von Bäumen beschäftigt.<br />

Zwischen ihnen wandelt eine dunkle, unheimliche<br />

Gestalt umher die Flüche murmelt<br />

und schwarze Steine auf die Baumstümpfe<br />

legt…<br />

Diese Szene ist sehr abhängig von der<br />

Gruppe und der Spielleiter benötigt viel Fingerspitzengefühl<br />

um die Stimmung an dieser<br />

Stelle gut zu transportieren und an die eigenen<br />

Spieler anzupassen. Sinn ist es, bei den<br />

Spielern Verständnis für die Entwicklung dieses<br />

Ortes zu vermitteln und Ihnen Geschichten<br />

und Bilder zu geben, mit denen Sie den<br />

Abenteuer


SOMMERNACHTSTRAUM<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Geist in Fulric besänftigen können. Iala lässt<br />

die Charaktere an Ihren Gefühlen und ihrer<br />

Entwicklung teilhaben.<br />

Dabei beobachtet sie, wie sich die Charaktere<br />

verhalten. Die Szene sollte auf keinen<br />

Fall in einen Monolog des Spielleiters ausarten.<br />

Die Spieler sollten eingreifen können<br />

und auch dazu ermuntert werden. Wie in<br />

einem lebendigen Traum finden sie sich mal<br />

hier mal dort wieder.<br />

Sprechen mit Menschen, finden sich plötzlich<br />

in der Perspektive einer Liebenden oder<br />

eines Mörders wieder. Sie werden zu Priestern<br />

und zu Königen aber immer sollten Sie<br />

die Gelegenheit haben ihre Rolle auch zu<br />

spielen und sich zu beweisen.<br />

Nach jeder Szene wird den Charakteren<br />

kurz schwarz vor Augen und sie befinden<br />

sich in einer neuen Situation. Ich empfehle<br />

Situationen ohne wirklichen Ausweg. Situationen,<br />

in denen die Charaktere Entscheidungen<br />

treffen müssen. Zwischen Recht oder Gerechtigkeit,<br />

dem Glauben oder ihrem Leben.<br />

Situationen, in den sie also nicht „gewinnen“<br />

können, sondern in denen ihr Herz und ihr<br />

Charakter auf die Probe gestellt wird.<br />

Beispiele:<br />

• Eine Rotte wilder Männer, wie sie einige<br />

Bäume fällen und Steine auf die Baumstümpfe<br />

legen. Der dunkle Gehörnte<br />

bewegt sich zwischen ihnen. Er verführt<br />

mit Lust und Macht, sät Zwietracht und<br />

Hass. Die Spieler schlüpfen in die Rolle<br />

der Aurianer und fühlen die Gier, den<br />

Hass und die Angst vor dem dunklen<br />

Gott. Sie können sich dabei beobachten<br />

wie sie ein Dorf überfallen und alle<br />

Bewohner töten, auch die Frauen und<br />

Kinder. Werden sie sich dem Rausch<br />

hingeben, oder werden sie als Verräter<br />

von den eigenen Leuten erschlagen?<br />

• Das Blut der Unschuldigen erreicht die<br />

Küste, der Sand färbt sich rot. Xy, Gott<br />

des Meeres und der Aurianer sieht die<br />

Untaten seines Volkes und verstößt sie.<br />

Priester werfen sich in den Staub und<br />

verzweifeln. Panik macht sich breit. Bruder<br />

tötet Bruder und ein Volk richtet sich<br />

selbst. Die Spieler schlüpfen in die Rolle<br />

eines Priesters. Sie spüren die Schuld<br />

und die Scham. Sie werden gestraft von<br />

Ihrem Gott und erfahren die Einsamkeit,<br />

die Isolation von dem, was Ihnen Kraft<br />

und Erkenntnis gab. Sie sind hilflos und<br />

allein. Sie konnten Ihre Gemeinde nicht<br />

vor dem Gehörnte bewahren.<br />

• Jahre vergehen und die Aurianer tauschen<br />

das Schwert gegen den Pflug.<br />

Familien mischen sich mit den umliegenden<br />

Völkern. Kinder kommen auf die<br />

Welt und wachsen in Ihrer neuen Heimat<br />

auf. Neue Königreiche entstehen und<br />

vergehen wieder. Die Charaktere sehen<br />

Liebe und Leid. Die Zeit des Gehörnten<br />

und des Krieges sind vergessen. Ein<br />

Charakter schlüpft in die Rolle eines/r<br />

Liebenden und muss sich zwischen der<br />

Tradition seiner aurianischen Familie und<br />

seiner Geliebten entscheiden.<br />

Der Spielleiter kann hier kurze Szenen für<br />

einzelne Spieler oder längere Szenen für die<br />

ganze Gruppe wählen. Es ist eine gute Gelegenheit<br />

Dramatik zu erzeugen, Konflikte zu<br />

entwickeln und ohne Rücksicht auf den eigenen<br />

Charakter eine interessante Rolle zu<br />

spielen. Einfach mal ausprobieren.<br />

Ialas Lösung<br />

In jedem Fall schrecken die Charaktere<br />

nach einiger Zeit aus einem unruhigen Schlaf<br />

auf. Sie befinden sich wieder auf der Lichtung<br />

und alles was sie erlebt haben erscheint<br />

ihnen wie ein böser Traum. Haben sie sich<br />

gut geschlagen? In diesem Fall reicht ihnen<br />

Iala eine goldene Rose.<br />

„Nehmt sie! Sie wird ihn an mich erinnern<br />

und beruhigen. Er wird Fulric der Liebe<br />

wegen freigeben.“<br />

Damit schickt sie die Charaktere wieder in<br />

den Wald. Es ist mittlerweile Abend geworden<br />

und die Sonne steht bereits tief am Himmel.<br />

Die Charaktere sollten<br />

gelernt haben, dass es keine<br />

gute Idee ist nachts schutzlos<br />

im Wald unterwegs zu sein.<br />

Die alte Hethis<br />

Tief im Wald, in einer verlassenen<br />

Bärenhöhle, wohn Hethis,<br />

die Kräuterhexe. Selbst<br />

die Alten im Dorf kennen Sie<br />

nur als greise Frau mit weißem<br />

Haar und knorrigem Gesicht.<br />

Ihre Stimme ist rau und<br />

zerbrechlich, aber Ihre Augen<br />

sind wach und funkeln voller<br />

Lebenslust.<br />

Hethis Höhle liegt tief im<br />

Wald verborgen. Die unregelmäßige<br />

Öffnung, die in<br />

den Erdhügel führt, wird<br />

durch eine robuste Holztür<br />

versperrt. Hethis macht<br />

zwei Handbewegungen und<br />

legt den Riegel um, dabei<br />

schwingt die Tür nach innen.<br />

In der Höhle riecht es nach<br />

Kräutern, Ruß und Alkohol.<br />

An den Wänden stehen Tonkrüge<br />

mit Sigilen verziert.<br />

Einige Bücher stehen in den<br />

Abenteuer<br />

Seite 11


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SOMMERNACHTSTRAUM<br />

Regalen und kleine Tiegel enthalten Zutaten,<br />

von denen die Charaktere wohl nicht mal wissen<br />

wollen wie sie gewonnen werden. Einige<br />

Augenblicke später hat Hethis einige Fackeln<br />

und ein kleines Feuer in einer Ecke der Höhle<br />

entzündet. Alles in allem wirkt der Raum<br />

recht wohnlich und warm.<br />

Hethis ist alt wie ein Baum. Sie lebt seit<br />

mehr als hundert Jahren in diesem Wald und<br />

sie kennt jeden Strauch, jeden Stein und alle<br />

Tiere und Menschen darin. Sie kann den Helden<br />

helfen. Ob sie es tut liegt daran, welchen<br />

Preis sie bereit sind zu zahlen.<br />

Hilfe Sylvias<br />

Sylvia, der Frau des Tischlers, hilft sie gerne.<br />

Sie hat die „kleine“ zu Welt gebracht<br />

und hoffte schon darauf sie eines Tages in<br />

ihre Geheimnisse einweihen zu können,<br />

doch dann ist sie von ihrem Vater mit diesem<br />

„stumpfsinnigen Wildschwein Leon“ verheiratet<br />

worden.<br />

Sollten die Charaktere die Frau nach ihrer<br />

Begegnung in der Anderswelt zu Hethis bringen,<br />

so wird sie Sylvia einen übel riechenden<br />

Tee einflößen, ihre Haut mit einigen Sigilen<br />

bemalen und uralte Worte der Beruhigung<br />

murmeln. Anschließend bietet Sie den dankt<br />

sie den Charakteren und bietet Ihnen eine<br />

gute Gemüsesuppe an.<br />

Die Charaktere haben Zeit genug sich mit<br />

Hethis zu unterhalten, ihre Pläne mit ihr zu<br />

besprechen, Geschichten von den Geistern<br />

im Wald zu hören und sie um Hilfe zu bitten.<br />

Hethis erzählt ihnen die Geschichten der<br />

Spring Queen, wenn sie diese noch nicht kennen<br />

und stellt Vermutungen an über die Motive<br />

des Geistes. Selbst die Karten kann sie<br />

den Charakteren legen. Alles in allem sollten<br />

die Charaktere feststellen, dass Hethis ein<br />

weise und wohlwollende Frau ist.<br />

Der Preis der Hexe<br />

Sie möchte zurück ins Dorf und sie braucht<br />

eine Schülerin. Es wird auch für sie die Zeit<br />

kommen, diese Welt zu verlassen und dann<br />

soll der Wald nicht ohne Hirtin sein. Wenn die<br />

Charaktere ihr eine Lösung bieten, wird sie<br />

gerne bereit sein auch ihnen zu helfen.<br />

Eine denkbare Kandidatin wäre Arraca, die<br />

Tochter des Ritters. Sie ist begabt und wäre<br />

sogar interessiert. Natürlich wird das nicht<br />

ganz einfach den Vater zu überzeugen. Der<br />

Priester ist natürlich absolut dagegen.<br />

Hethis Lösung<br />

Ob Sie den Helden gegen Fulric und den<br />

Geist zur Seite steht, liegt, wie gesagt, an den<br />

Umständen. Auf keinen Fall wird sie mit einem<br />

Priester arbeiten und einen Exorzismus<br />

vornehmen. Sie respektiert den Geist, so wie<br />

sie alle Erinnerungen an die alten Zeiten ehrt.<br />

Natürlich würde sie Fulric gerne helfen, aber<br />

alles was ihr einfällt ist, den Geist wieder in<br />

sein Grab zu sperren.<br />

Wenn Fulric nicht mit eingesperrt werden<br />

soll, würde das aber bedeuten den Geist vorab<br />

zu bannen, oder zu locken.<br />

Wenn die Charaktere die goldene Rose der<br />

Königin besitzen, so wäre das sicher ein Ansatz,<br />

praktisch ein Lockmittel. Auch ein edles<br />

Tier, wie einen Hirsch oder einen Bär käme in<br />

Frage.<br />

Das Hügelgrab<br />

Finden die Charaktere tagsüber den Weg<br />

hierher, stehen sie plötzlich, umringt von einem<br />

Kreis uralter Bäume, vor einem Hügel.<br />

Aus seiner Mitte erhebt sich eine mächtige<br />

Eiche. Ihre Äste zeichnen sich drohend vor<br />

dem klaren Himmel ab. Die Sonne vertreibt<br />

die klamme Feuchtigkeit des Waldes und<br />

Dunst steigt von der feuchten Erde auf. Direkt<br />

vor den Helden liegen zwei Monolithen,<br />

mit Moos bewachsen und von Jahrhunderten<br />

zerfressen, wachen sie vor dem Eingang<br />

eines Grabes.<br />

Wenn die Helden den Ort näher untersuchen<br />

entdecken sie frische Spuren vor dem<br />

Eingang. Jemand hat sich kürzlich an dem<br />

Unterholz zu schaffen gemacht und das Grab<br />

geöffnet. Der Stein vor dem Eingang wurde<br />

ein Stück beiseite gerollt und Fußspuren führen<br />

ins Innere.<br />

Folgen die Charaktere den Spuren, so betreten<br />

Sie eine annähernd kreisrunde Gruft.<br />

Gestützt wird das Grab von einer mächtigen<br />

Eiche, deren Wurzeln auch teilweise die Wände<br />

der Gruft abstützen. Der ganze Raum erweckt<br />

den Eindruck als sei er gewachsen und<br />

nicht erbaut worden. Nur hie und da wird das<br />

Seite 12<br />

Abenteuer


SOMMERNACHTSTRAUM<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

organische Aussehen von einigen Wandmalereien<br />

unterbrochen.<br />

Zur Linken, gleich neben dem Eingang,<br />

liegen die traurigen Überreste zweier Grabräuber.<br />

Was sie getötet hat? Wer weiß das<br />

heute schon noch. Mit Fallen oder ähnlichem<br />

müssen die Charaktere hier jedenfalls nicht<br />

rechnen. Und Geister? Nun, die sind tagsüber<br />

nicht hier. Tagsüber…<br />

Am hinteren ende des Raumes, zunächst<br />

verdeckt durch die Eiche, ist ein prächtiger<br />

Sarkophag aufgebaut. Rechts und links von<br />

ihm halten zwei große Statuen Wache über<br />

den Toten, sie stellen menschliche Gestallten<br />

dar, eine mit dem Kopf eines Bären, die andere<br />

mit dem Kopf eines Wolfes. Wenn die Charakter<br />

die Dörfler in der ersten Nacht begleitet<br />

haben, erkennen sie die Statuen sofort<br />

wieder (siehe „Der Mob am Waldrand“).<br />

Tatsächlich sieht das Grab vollständig erhalten<br />

aus. Öffnen die Charaktere den Sarg,<br />

finden Sie einige wertvolle Grabbeigaben aus<br />

der Zeit der Frühlingskönigin, für Sammler<br />

sicher ein Vermögen wert. Natürlich ziehen<br />

sie damit besonders den Zorn der Geister<br />

auf sich. Spätestens nach Einbruch der Nacht<br />

werden sie kommen und sich die Schätze holen.<br />

Kapitel 5<br />

Kampf<br />

mit dem Geist<br />

Wann es zum Kampf mit dem Geist kommt,<br />

liegt an dem Lösungsweg den die Charaktere<br />

einschlagen. Am wahrscheinlichsten die Höhle<br />

der alten Hethis oder das Hügelgrab in der<br />

Nacht.<br />

Hethis Hilfe<br />

Während die Charaktere noch in ein Gespräch<br />

mit der alten Hexe vertieft sind und<br />

über die Zukunft des Dorfes sprechen (siehe<br />

Kapitel „Die alte Hethis“), verstummt sie mitten<br />

im Satz.<br />

„Er ist da!“<br />

Auch die Charaktere haben die Chance die<br />

Präsenz eines Geistes zu spüren. Fulric ist in<br />

der nähe und mit ihm sein Gefolge. Er ist auf<br />

der Suche nach Sylvia. Nebel zieht plötzlich<br />

unter der Tür her und Geräusche eines großen<br />

Tiers sind vor der Höhle zu hören. Es ist<br />

zu hoffen, dass die Helden geistesgegenwärtig<br />

genug sind nicht gleich raus zu stürmen.<br />

Wenn doch, wird Hethia zumindest versuchen<br />

sie davon abzuhalten. Mit einer rotbraunen<br />

Flüssigkeit ist sie damit beschäftigt magische<br />

Symbole vor die Tür zu malen, als plötzlich etwas<br />

Schweres gegen diese schlägt.<br />

Ritter und Magier<br />

TEXT UND ILLUSTRATION: MATTHIAS BUYKEN<br />

„Gebt Sie heraus! Herrin! Kommt zu mir!…“<br />

Es entbrennt ein Kampf um die Höhle. Mit<br />

vergleichenden Kraftproben können sich die<br />

Charaktere gegen die Eindringlinge wehren.<br />

Ihr, werter Spielleiter, solltet diese Szene<br />

auskosten. Die Angriffe gegen die Tür werden<br />

immer wilder. Bald schon reicht eine klauenbewehrte<br />

Hand durch die Tür und greift nach<br />

einem Charakter. Nach einiger Zeit erscheint<br />

Sylvia im Raum. Von dem Spektakel offenkundig<br />

aus ihrem Schlaf gerissen. Ihre Augen<br />

voller Tränen und das Gesicht von Angst gezeichnet,<br />

doch ihre Liebe zu Fulric und ihre<br />

Sorge um sein Wohl ist stärker.<br />

In diesem Moment zersplittert die Tür.<br />

Außen, vor der Tür steht ein großer Mann,<br />

gekleidet in Felle, mit einem Helm aus einem<br />

Hirschschädel. Für einige Sekunden herrscht<br />

absolute Stille.<br />

Nun ist es an den Charakteren eine Lösung<br />

zu finden. Die Einfachste ist natürlich den<br />

Körper Fulrics zu erschlagen und den Geist<br />

mit Hethis Hilfe oder der Hilfe eines Priesters<br />

zu bannen. Geht, ist aber sicher nicht besonders<br />

romantisch. Haben die Charaktere Ialas<br />

Rose (siehe „Die Probe“), so haben sie eine<br />

realistische Chance den Geist zu besänftigen.<br />

Sie können dann mit entsprechendem Rollenspiel<br />

und passenden Proben eine friedliche<br />

Lösung erzielen. Dazu müssen Sie den<br />

Geist zunächst überzeugen, dass sich die Zeiten<br />

geändert haben. Sie sollten ein möglichst<br />

emotionales und buntes Bild der Entwicklung<br />

zeichnen. Wenn sie es dann noch schaffen,<br />

überzeugend von Ialas Vergebung zu berichten,<br />

so wird der Geist Fulric frei lassen.<br />

Kapitel 6<br />

Zurück im Dorf<br />

Im Idealfall kehren die Charaktere nach<br />

einer langen Nacht mit Sylvia und Fulric zurück<br />

ins Dorf. Hier ist die Aufregung natürlich<br />

groß. Viele hatten befürchtet, die Charaktere<br />

hätten das Dorf im Stich gelassen, andere<br />

sorgten sich um ihr Leben.<br />

Jeder Erfolg wird von den Dorfbewohnern<br />

gefeiert und die Charaktere mit Lob und Anerkennung<br />

bedacht. Doch schon bald werden<br />

auch die ersten Fragen laut. Wie geht es<br />

nu weiter? Wovon wird das Dorf in Zukunft<br />

leben?<br />

Dem Spielleichter bieten sich hier viele<br />

Chancen für einen stimmungsvollen Ausklang<br />

mit viel Charakterspiel. Wird Ser Galwyn und<br />

Naeres sich mit Hethis einigen können? Wie<br />

sieht die Zukunft von Arraca aus? Werden die<br />

Dorfbewohner ihre Fehler wiederholen?<br />

Das Dorf braucht jedenfalls einen neuen<br />

Zimmermann und Tischler, Arraca würde die<br />

Charaktere gerne begleiten und Hethis sucht<br />

noch immer eine Nachfolgerin.<br />

Spielleiter die dieses Abenteuer gerne in<br />

ihre Kampagne einbauen möchten, bietet<br />

sich hier auch die Chance einen Cliffhanger<br />

einzubauen oder gleich mit dem neuen<br />

Abenteuer zu starten. In jedem Fall sollte er<br />

die Spieler mit ein paar Erfahrungspunkten<br />

belohnen und ihren Charakteren vielleicht<br />

ein paar Punkte in Geschichtswissen geben.<br />

Schließlich haben sie in den letzten Tagen die<br />

Geschichte lebendig erlebt. •<br />

Abenteuer<br />

Seite 13


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DAS FANTASY DORF<br />

Das Fantasy Dorf<br />

WIE MAN BESIEDLUNGEN ATMOSPHÄRISCHER MACHT<br />

TEXT: CHRISTOPH MASER<br />

ILLUSTRATION: KAI GRAF<br />

Sie ritten in das Dorf, das aus ein paar Häusern<br />

bestand und da war auch noch so ein<br />

Gasthaus mit einem Schild davor. Das Dorf war<br />

aus Steinen gebaut und dann haben sie darin<br />

übernachtet. Davor gab es noch eine Suppe.<br />

Das war ganz nett, aber jetzt weiter…<br />

Ich bin ein großer Fan von Atmosphäre.<br />

Damit meine ich nicht nur Hintergrundmusik,<br />

Kerzenlicht und gehobenes Rollenspiel<br />

am Tisch, nein, viel wichtiger ist doch die Atmosphäre<br />

im Spiel, die Stimmigkeit, der Zusammenhalt<br />

und die Konsistenz des Erzählten.<br />

Gerade im Fantasygenre fehlt mir eine<br />

solche Stimmigkeit oft, denn die Umwelt<br />

meines Charakters wird leider all zu oft nur<br />

zur nebensächlichen Bühne, in der ich meine<br />

Abenteuer erleben kann. Da ist ein Dorf, da<br />

wohnen zwar Leute, aber die wohnen da eigentlich<br />

nur, um mir einen Auftrag zu geben!<br />

Sobald ich das Dorf verlassen habe, ist das<br />

Dorf auch nicht mehr da. Denn es ist unglaubwürdig,<br />

unbelebt und bloße Kulisse.<br />

Aber ein Dorf wartet eigentlich nicht darauf,<br />

dass endlich mal Helden vorbei kommen,<br />

damit es eine Existenzberechtigung hat.<br />

Ein Dorf ist Lebensraum und somit ein Ort,<br />

an dem gelebt wird. Menschen leben dort,<br />

gehen ihrem Tagwerk nach, verlieben sich,<br />

feiern, sterben, pflegen ihre alltägliche Praxis,<br />

schlachten Schweine, tanzen und freuen<br />

sich, wenn mal ein Fremder ins Dorf kommt,<br />

um neues zu berichten oder freuen sich noch<br />

viel mehr, wenn ein Fremder ins Dorf kommt,<br />

um ihnen zu helfen. Aber wenn der Fremde<br />

wieder gegangen ist, geht das eigentlich Leben<br />

weiter mit Pflügen, säen, lachen und leider<br />

auch sterben.<br />

Im Folgenden finden sich ein paar Anregungen<br />

und Parameter, wie man ein Dorf<br />

auch improvisiert glaubwürdig machen kann.<br />

Oftmals überschneiden sich die Fragen und<br />

beeinflussen sich dabei. Und natürlich muss<br />

nicht jedes Dorf ausgearbeitet sein – oftmals<br />

sind die durchreisenden Charaktere<br />

geschwächt, verletzt, in Eile oder so genervt<br />

von ihrer Umwelt, dass die 10 Stunden Aufenthalt<br />

in der Siedlung tatsächlich mit den<br />

Fragen „Was kostet ein Zimmer?“ „Wie gut<br />

ist das Bier?“ „Kann man das `Tagesgericht´<br />

essen?“ abgehandelt werden können. Aber<br />

Seite 14<br />

selbst hier helfen zwei oder drei eingeworfene<br />

Details, um den Übernachtungsort in ein<br />

anderes Licht zu rücken.<br />

Die Substanz<br />

eines Dorfes<br />

Der erste Teil des Artikels beschäftigt sich<br />

mit der „Hardware“ eines Dorfes und damit<br />

mit der Frage, wie und wo es gebaut ist und<br />

wie es aussieht.<br />

Landschaftliche<br />

Merkmale und<br />

Versorgung<br />

Eine Siedlung entsteht über die Zeit und<br />

dabei spielen landschaftliche Merkmale<br />

eine wichtige Rolle. Wie<br />

ist die Infrastruktur? Gibt es<br />

eine große Straße, die oft<br />

bereist wird, einen Fluss<br />

oder ein Gewässer mit<br />

Hafen? Wenn ja wird<br />

sich dieser Besucherstrom<br />

auf die Anzahl<br />

von Gasthöfen,<br />

Handwerkern und<br />

Dienstleistern und<br />

dergleichen niederschlagen.<br />

Auch<br />

wird dies die Frage<br />

nach der Größe der<br />

Ansiedlung beeinflussen.<br />

Hierfür sind<br />

auch andere Faktoren<br />

wichtig. Einige<br />

sind: Gibt es<br />

andere große<br />

Städte in<br />

der Umgebung?<br />

Ist die Siedlungsfläche<br />

gut?<br />

Ist der Boden stabiler<br />

Baugrund oder eher<br />

morastig? Steht die<br />

Stadt an einem Hang<br />

und muss Baugrund erst<br />

mühsam aus dem Berg heraus<br />

gehauen werden? Und gibt es ausreichende<br />

Mengen an Wasser und Nahrung in<br />

der Stadt zu erschwinglichen Preisen? Hierfür<br />

müssen entweder genug landwirtschaftliche<br />

Nutzflächen oder entsprechende Rohstoffe<br />

wie Holz, besonderer Stein zum Bauen,<br />

Edelmetalle etc. vorhanden sein, die gegen<br />

Nahrung eingetauscht werden können. Auch<br />

die Frage nach ausreichend Wasser sollte gestellt<br />

werden. Als Faustregel können 10 Liter<br />

pro Person und Tag gelten, wenn halbwegs<br />

sparsam damit umgegangen wird und keine<br />

Wasser verschwendenden Gewerbe vorhanden<br />

sind. Etwa 1,5 Liter werden getrunken,<br />

1,5 verkocht und der Rest wird für Vieh, Gewerbe<br />

und das alltägliche Leben benötigt.<br />

Haufendorf<br />

Lesen & Spielen


DAS FANTASY DORF<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Siedlungsformen<br />

Kultur, Landschaft und Nutzen eines Dorfes<br />

bestimmen seine Siedlungsform. Benötigt<br />

das Dorf Schutz vor Tieren oder unliebsamen<br />

Gesellen, so wird man seine Häuser<br />

und Scheunen eher zusammen gedrängt<br />

bauen und, sofern es Wohlstand und<br />

der ansässige Herrscher erlauben, mit<br />

einer Mauer oder einem irgendwie gearteten<br />

Schutz versehen. Fühlt man<br />

sich sicher und betreibt man Landwirtschaft,<br />

so werden die einzelnen<br />

Gehöfte weit entfernt von einander<br />

stehen, umgeben von den eigenen Feldern.<br />

Ein Versammlungshaus, vielleicht<br />

ein Gasthaus und eine Werkstatt bilden<br />

etwas, was man grob als Ortskern<br />

bezeichnen kann.<br />

Der Weiler<br />

Weiler ist der Überbegriff<br />

für eine Ansammlung von Häuser,<br />

die in der Regel keine geschlossene<br />

Bebauung aufweist<br />

und über keine Gebäude wie Kirche<br />

oder Gasthaus verfügt, die eine zentrale<br />

Funktion haben. Weiler sind alles, was<br />

größer ist als ein Gehöft, also ein Wohnhaus<br />

für eine Bauernfamilie mit Gesinde und die<br />

dazugehörigen Wirtschaftsgebäude.<br />

Das Haufendorf<br />

Unter einem Haufendorf versteht man<br />

eine nach und nach gewachsene Ansammlung<br />

von Häusern unterschiedlicher Größe<br />

und Funktion ohne erkennbare Symmetrie<br />

– jeder hat gebaut, wo es ihm in Sinn kam.<br />

Haufendörfer haben meist einen unregelmäßigen<br />

Grundriss um einen zentralen Teich, ein<br />

Gebäude oder einen Dorfplatz. Wer es ganz<br />

genau nehmen will, kann ein Haufendorf<br />

noch aufgliedern. Der Dorfkern ist eben der<br />

Kern des Dorfes. Mit Ackerflur werden die<br />

Häuser bezeichnet, die deutlich nicht mehr<br />

Teil des Dorfkerns sind und das Land direkt<br />

neben dem Dorf. Unter Almende versteht<br />

man das dem Dorf eigene Land oder Besitztümer<br />

um das Dorf herum.<br />

Lesen & Spielen<br />

Das Straßendorf<br />

Das Straßendorf hat seinen Namen von<br />

seiner klaren Form. Nahezu alle Häuser stehen<br />

an der Hauptstraße entlang aufgereiht<br />

oder an einer der wenigen Nebenstraßen.<br />

Wildweststädte sind klassische Straßendörfer,<br />

aber auch Siedlungen, die entlang einer<br />

Hauptstraße schnell aus dem Boden schießen.<br />

Es ist billiger und zentraler, gleich an der<br />

Hauptstraße zu bauen, auf der Menschen<br />

und damit Kunden vorbei kommen, als erst<br />

mühsam eine halbwegs feste Straße zu bauen,<br />

um dort dann in zweiter Reihe sein Haus<br />

hinzustellen.<br />

Eine mit dem Straßendorf verwandte Form<br />

ist das so genannte Marschhufendorf. Hier<br />

reihen sich die Häuser nicht an einer Straße<br />

sondern an einem Kanal auf, auf dem Schiffe<br />

verkehren.<br />

Die Platzsiedlung<br />

Ähnlich wie Straßensiedlungen haben<br />

auch Platzsiedlungen ihren Namen von ihrem<br />

Siedlungsaufbau. Zentrum des Dorfes<br />

ist ein größerer Platz, an dem die wichtigen<br />

Gebäude wie Kirche, Tempel, Gasthof und<br />

Versammlungshaus stehen. Vom Dorfplatz<br />

gehen einige Straße ab, an denen weitere<br />

Häuser stehen.<br />

Eine Sonderform des Platzdorfes ist das<br />

so genannte Angerdorf. Hierbei gruppieren<br />

sich die Häuser meist um einen Teich – im eigentlichen<br />

Wortsinn ist Anger eine mit Gras<br />

bewachsene Wiese - der dem gesamten Dorf<br />

gehört und oftmals als Löschteich oder als<br />

Gewässer für Mühlen, Hammerwerke oder<br />

andere Betriebe genutzt wird.<br />

Straßendorf<br />

Das Runddorf<br />

Eine weitere Sonderform der Platzsiedlung<br />

bildet das Runddorf, auch Rundling genannt.<br />

Der rundliche Dorfplatz in der Mitte ist nur<br />

über einen Weg an das Verkehrsnetz angeschlossen.<br />

Um den<br />

Platz sind wenige Gebäude<br />

angeordnet. Oft stehen in der Mitte<br />

dieser Dorfform Fluchttürme, die den<br />

Anwohnern Schutz bieten<br />

sollen. Wenn möglich wurden<br />

solche Siedlungen auf<br />

einer Anhöhe errichtet und<br />

man sorgte für ausreichend<br />

Sicht durch Rodung oder Aussichtstürme.<br />

Streusiedlung<br />

Eine Streusiedlung ist eine nicht geschlossene<br />

Siedlung meist ohne erkennbaren Ortskern,<br />

die aus weit auseinander liegenden<br />

Bauernhöfen und Weilern bestehen. Oftmals<br />

wird ein Gasthof an Straße zum „Zentrum“<br />

einer solchen Siedlung, in dem die Bewohner<br />

der weit entfernten Häuser bei Gelegenheit<br />

zusammen kommen und sich austauschen.<br />

Architektur,<br />

Baustil, Aussehen<br />

Wie sind die Häuser gebaut? Aus welchem<br />

Material bestehen sie? Sind sie groß oder<br />

klein? Wie viele Räume hat ein normales<br />

Haus?<br />

In welchem Landstrich<br />

sind die Häuser gebaut?<br />

Die Umgebung prägt das Aussehen eines<br />

Dorfes. Große fruchtbare Ebenen bringen<br />

die fantasytypischen Bauerndörfer hervor.<br />

Bergdörfer haben einen anderen Charakter.<br />

Dörfer an Seen oder Meeren werden von<br />

diesen Elementen geprägt sein. Ist es sehr<br />

warm, wird ein Haus sehr luftig sein. An Küstenregionen<br />

und anderen sehr windigen Gefilden<br />

sind die Häuser halb in die Erde gebaut,<br />

Seite 15


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DAS FANTASY DORF<br />

so dass nur noch die<br />

sehr flachen Dächer am Horizont<br />

zu sehen sind. Man muss<br />

in ein solches Haus förmlich<br />

herabsteigen. Oder handelt es<br />

sich um klassische Häuser und Hütten?<br />

In feuchten und regnerischen Gebieten<br />

wird man, wenn möglich, Häuser auf Stelzen<br />

bauen, um der Feuchtigkeit des Bodens zu<br />

entkommen und um die Tiere draußen zu<br />

halten.<br />

Wie groß ist die Besiedlung?<br />

Dorf ist nicht gleich Dorf. Es gilt ein paar<br />

Fragen zu stellen. Wie groß ist die Besiedlung?<br />

Lebt nur eine Großfamilie in einer Hand<br />

voll Häusern, sind mehrere Familien ansässig<br />

oder findet man mehrere hundert Anwohner<br />

vor?<br />

Aus was sind<br />

die Häuser gebaut?<br />

Fachwerk ist eine relativ haltbare Methode<br />

zu bauen, jedoch nicht ganz billig und sie<br />

erfordert etwas Know-How. Ist ein Wald in<br />

der Nähe, dessen Holz man leicht bearbeiten<br />

kann, wird wohl dieser Werkstoff bevorzugt<br />

eingesetzt. Allerdings ist das Holz meist<br />

Eigentum des adligen Landbesitzers und<br />

Waldarbeit gehört zu den gefährlichsten und<br />

härtesten Arbeitsbereichen, die man sich vorstellen<br />

kann. Um eine 30 Meter hohe Eiche in<br />

Bretter zu verwandeln, arbeiteten zwei Männer<br />

über eine Woche lang. Steinhäuser aus beschlagenen<br />

Steinquadern sind sehr teuer und<br />

man benötigt einen Steinbruch in der Nähe.<br />

Platzsiedlung<br />

Anders<br />

sieht das z.B.<br />

mit Schieferhütten in<br />

bergigem Gelände aus.<br />

Schieferplatten werden<br />

übereinander gestapelt und<br />

mit Lehm verschmiert, um den<br />

Wind abzuhalten. Oder besteht das Haus<br />

gar nur aus Torfplatten, die aufeinander gestapelt<br />

wurden oder auf ein Holzgerüst gelegt<br />

worden sind?<br />

Raumaufteilung?<br />

Wie viele Räume hat das Standardhaus? Einer<br />

oder mehrere? Und reicht für große Häuser<br />

das Geld und die nötigen handwerklichen<br />

Kenntnisse? Was muss alles im Haus untergebracht<br />

werden? Gibt es eine eigene Scheune<br />

oder müssen Werkzeug, Vieh, Vorräte und<br />

alle Personen unter einem Dach schlafen?<br />

Das ist zwar laut, aber die Tiere wärmen gerade<br />

in kalten Winternächten das Haus.<br />

Werkstätten<br />

und Einrichtungen?<br />

Was für Werkstätten kann man finden?<br />

Ernähren sich die Bewohner nur aus ihren<br />

Höfen oder vom Fischfang oder befinden<br />

sich noch andere Berufe im Dorf? Ein Handwerksmeister<br />

wird sich in einem kleineren<br />

Dorf nicht halten können, jedoch erlernten<br />

Bauern neben ihrer Arbeit auf dem Hof<br />

noch andere Handwerke, denen sie im Winter<br />

nachgehen konnten. Dem Werkzeugmachertum<br />

oder der Kräuterkunde konnte<br />

man bedingt im eigenen Haus nachgehen,<br />

so dass man keine gesonderte Werkstatt im<br />

Dorf errichten musste. Anders sah dies mit<br />

Handwerken aus, die für das Dorf gefährlich<br />

waren. Eine Schmiede gilt als feuergefährlich<br />

und wird somit möglichst in einem eigenen<br />

Bereich untergebracht werden, der aber<br />

meist an das Wohnhaus des Schmiedes angebaut<br />

war. Dass man in einem Dorf keinerlei<br />

Kunstschmiedefertigkeit erwarten<br />

kann, dürfte auch<br />

klar sein. Jedoch kann solch<br />

ein Schmied Nägel und einfache<br />

Geräte für die Feldarbeit<br />

herstellen, einen Pflug oder<br />

vielleicht sogar eine Achse reparieren<br />

und Pferde beschlagen.<br />

Besitzt das Dorf einen<br />

gemeinsamen großen Backofen,<br />

in dem einmal pro Woche<br />

eingeheizt und dann gemeinsam<br />

Brot gebacken wird, oder macht das<br />

jeder Hof in einem eigenen Ofen? Selbige<br />

Frage gilt auch für den Räucherofen, in dem<br />

Fisch und Fleisch haltbar gemacht wird. Gibt<br />

es eine Mühle, bzw. einen Bach für die Mühle,<br />

oder steht ein großer Mahlstein in der Mitte<br />

des Dorfes, an den jeder seinen eigenen<br />

Ochsen anjochen kann, um dort zu mahlen?<br />

Gasthäuser sind ebenfalls eine klassische Frage.<br />

Nicht alle Dörfer liegen an einer großen<br />

Straße und beherbergen Tag für Tag Gäste.<br />

Gasthöfe sind also nicht die Regel. Jeder Bauer<br />

wird ohne weiteres einem zahlenden Gast<br />

ein Bett oder einen Platz im Stroh anbieten.<br />

Das Gästehaus<br />

Wenn es einen guten wirtschaftlichen<br />

Grund – viele Durchreisende, trinkfreudige,<br />

zahlreiche Bevölkerung mit etwas Wohlstand<br />

– gibt, ein Gasthaus zu eröffnen, dann<br />

wird dies in einer Fantasywelt wohl auch jemand<br />

tun. Oftmals ist das ein Mann oder eine<br />

Frau, die über etwas Startkapital verfügt und<br />

oder für die Landwirtschaft oder einen anderen<br />

Beruf nicht geeignet ist. Der Wirt hat<br />

einen Gast- oder Schankraum und eventuell<br />

Schlafzimmer oder einen großen Schlafsaal.<br />

Manchmal kehrt am Abend das Dorf bei ihm<br />

ein. Da dies aber meist nur einmal pro Woche<br />

geschieht, kann es sein, dass der Gastraum<br />

geschlossen bleibt, wenn keine Gäste von<br />

Außerhalb kommen.<br />

Ein Wirt, der es sich leisten kann, braut sein<br />

eigenes Bier und verkauft es an die Bewohner<br />

weiter, versorgt einige Schweine und dient in<br />

Notsituationen als Metzger, wobei jeder Hofbewohner<br />

in der Lage ist, ein Tier zu schlachten.<br />

Minenarbeiter werden hierzu aber in der<br />

Regel schon etwas Hilfe brauchen, wenn sie<br />

das Fleisch des zu schlachtenden Tieres nicht<br />

ungenießbar machen wollen.<br />

Der Tempel<br />

Wenn das Dorf groß und reich genug ist<br />

und dies auch zeigen will, baut es meist einen<br />

Tempel oder eine Kapelle. Dies sind dann oft<br />

die einzigen Gebäude aus Stein und stehen<br />

im Zentrum des Dorfes. Nachdem jeder Dorfbewohner<br />

daran mitgearbeitet hat, ist man<br />

entsprechend stolz auf seinen Tempel und<br />

wird dies im ewigen Konkurrenzkampf mit<br />

Seite 16<br />

Lesen & Spielen


DAS FANTASY DORF<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

dem Dorf nebenan auch so oft wie möglich<br />

erwähnen.<br />

Das Gemeinschaftshaus<br />

In kleinen oder armen Siedlungen erfüllt<br />

das Gemeinschaftshaus die Rolle<br />

des Gasthauses und des Tempels.<br />

Es besteht aus einem Raum, in<br />

dem bei Bedarf Tische und Bänke –<br />

Bretter auf Böcken – bereits gestellt werden.<br />

Einmal pro Woche öffnet einer der Bewohner<br />

ein Fass importierten Biers, das<br />

er an die Dorfbewohner verkauft. An einem<br />

solchen Ort wird nicht wild gezecht wie<br />

im Gasthaus in der Stadt, da man am kommenden<br />

Morgen ja wieder sehr früh auf<br />

dem Feld und bei den Tieren zu sein hat<br />

– und meist die Menge an Bier nicht<br />

ausreicht. Man tauscht sich über die<br />

vergangene Woche aus, spekuliert<br />

über die kommenden Ernte und<br />

den Winter, redet über Bekannte<br />

und tratscht ausführlich über Nachbarn.<br />

Dann gibt es etwas Musik von<br />

zwei Flöten und den Takt stampft man<br />

auf den Holzboden, während die jüngeren,<br />

unverheirateten Bewohner tanzen. Sind<br />

Gäste im Dorf, werden diese entweder in Privathäusern<br />

untergebracht oder können ihr<br />

Lager im Gemeinschaftshaus aufschlagen,<br />

das an den Göttertagen im Winter auch als<br />

Raum für die Gottesdienste dient. Manchmal<br />

ist auch der größte im Dorf vorhandene<br />

Wohnraum gleichzeitig das Gemeinschaftshaus,<br />

wenn das Dorf sich ein solches nicht<br />

leisten kann.<br />

Die Bewohner<br />

eines Dorfes<br />

Der zweite Teil des Artikels widmet sich<br />

nun der Frage, wer in einem Dorf lebt und<br />

wie es sich dort leben lässt. Je nach Größe,<br />

Lage und Funktion einer Siedlung haben die<br />

Bewohner jeweils besondere Berufe oder darüber<br />

hinaus Rollen zu erfüllen. Neben dem<br />

eigentlichen Broterwerb engagiert sich der<br />

eine oder andere noch in einem „Ehrenamt“<br />

oder erfüllt einen zweiten Beruf.<br />

Arbeiter und Bauern<br />

Mehr als 80% aller Bewohner eines Dorfes<br />

werden sich dem Haupterwerb des Dorfes<br />

widmen, d.h. Landwirtschaft oder Arbeiten<br />

in einem Steinbruch, beim Holzfällen oder in<br />

einer Mine. Sie sind meist ungebildete, arme<br />

Leute, die ihr Dorf niemals groß verlassen<br />

haben und Fremden mit Misstrauen oder<br />

Neugierde begegnen, um zu erfahren, was<br />

in der großen weiten Welt um sie herum los<br />

ist. Dass diese große weite Welt nicht schon<br />

nach der nächsten großen<br />

Stadt endet, versetzt sie jedes Mal in skeptisches<br />

Staunen. Solche Familien haben meist<br />

viele Kinder – jedes Jahr der Ehe eines – die<br />

als Arbeitskraft auf dem Hof oder beim Geschäft<br />

helfen. Während bei Wald- oder Minenarbeit<br />

jede Arbeitskraft geschätzt wird,<br />

kommt es in bäuerlicher Umgebung zu dem<br />

Problem, dass nur der älteste Sohn den Hof<br />

erben wird. Das lässt seine jüngeren Brüder<br />

entweder die Wahl, bei ihm als Knechte zu<br />

arbeiten oder als ungelernte Arbeiter in die<br />

Ferne zu ziehen, um im Militär, in der Stadt<br />

oder auf anderen Bauernhöfen ihr Glück zu<br />

finden. Gibt es in der Siedlung einen Hafen<br />

oder dergleichen, wird sich auch eine Reihe<br />

von Stauern finden lassen, also ungelernte<br />

Be- und Entlader von Schiffen, die ihre pure<br />

Körperkraft verkaufen und gegen einen Obolus<br />

auch Felsen von Feldern und Baumstämme<br />

von Straße räumen.<br />

Handwerker<br />

Jedes Dorf verfügt dazu noch über eine<br />

Reihe von Handwerkern wie Fassmacher,<br />

Schleifer, Dachdecker, Schreiner und dergleichen.<br />

Oft kann ein Handwerker an einem<br />

Ort nicht alleine von seinem Beruf leben, so<br />

dass die meisten Handwerker nebenher auch<br />

noch Landwirtschaft betreiben. Liegt die<br />

Siedlung an einer befahrenen Straße sieht<br />

die Sache schon besser aus. Hier können<br />

Wagenmacher und Schmiede durch das Beschlagen<br />

von Pferden und dem Ausbessern<br />

von Metallteilen an Wagen und Ausrüstung<br />

Runddorf<br />

ebenso von ihrer Kunst leben. Letzterer wird<br />

in diesem Fall ein Grobschmied sein und einfache<br />

Handwerksklingen wie Sensenblätter,<br />

Messer, Hufeisen und bei ausreichendem<br />

Metallvorkommen auch Nägel für Baustellen<br />

herstellen.<br />

Mögliche Handwerksberufe wären abhängig<br />

von der Größe und der Struktur z.B:<br />

Grobschmied: Kann einfache Schmiedearbeiten<br />

erledigen.<br />

Kürschner: Verarbeitet Tierhäute zu<br />

Leder und Pelzen.<br />

Wagner: Baut und repariert Wagen<br />

und ähnliche Holzkonstruktionen wie<br />

Wasserräder.<br />

Böttcher: Stellt wasserdichte Gefäße<br />

wie Fässer und Eimer her oder verschalt<br />

wasserdichte Rohrsysteme für<br />

Mühlen, Handwerksbetriebe, Minen,<br />

etc.<br />

Zimmermann: Erbaut Häuser.<br />

Schreiner: Macht Möbel und Kleinholzarbeiten;<br />

schnitzt oftmals auch.<br />

Müller: Mahlt das Korn der Bauern.<br />

Frauen und Kinder<br />

Frauen arbeiten mindestens so hart wie<br />

ihre Männer im Haus und auf dem Hof. Sie<br />

kochen, waschen, putzen, unterstützen<br />

die Männer auf dem Feld oder gehen ihnen<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 17


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DAS FANTASY DORF<br />

wenn möglich in der Werkstatt zur Hand. Je<br />

nachdem, wie aufgeschlossen die Dorfgemeinschaft<br />

ist, genießen Frauen das Recht,<br />

wie ihre Männer abends im Gemeinschaftshaus<br />

zusammen zu sitzen.<br />

Dazu kommt die „Erziehung“ der Kinder,<br />

die in der Hand der ganzen Sippe liegt.<br />

Säuglinge werden meist von den nicht mehr<br />

arbeitsfähigen Großeltern betreut. Bis zum<br />

dritten Lebensjahr lässt man den Kinder<br />

freien Lauf, dann werden sie so weit wie<br />

möglich in die Arbeit des Hofes einbezogen.<br />

Spätestens mit sechs Jahren arbeiten sie voll<br />

mit, versorgen die Hühner und das restlichen<br />

Kleinvieh, sammeln Kleinholz und packen an,<br />

wo es ihnen erlaubt wird.<br />

Die „Dorf-Elite“<br />

In jedem Dorf gibt es einige Männer und<br />

Frauen, die etwas einflussreicher sind als die<br />

anderen und denen aus nachvollziehbaren<br />

oder auch nicht nachvollziehbaren Gründen<br />

besonderer Respekt entgegen<br />

gebracht wird. An<br />

er Spitze steht der<br />

Dorfschulze, Dorfälteste<br />

oder Bürgermeister,<br />

der<br />

Streusiedlung<br />

für das Dorf nach außen hin spricht und für<br />

Recht und Ordnung sorgt und sich um die<br />

Dorfsteuerabgaben kümmert. Diese Männer<br />

oder Frauen sind meist geachtete Menschen<br />

mit großem Einfluss, der auf ihre Familien abfärbt.<br />

Wenn sich das Amt des Dorfschulzen<br />

vererbt, kann auf einen beeindruckenden<br />

Bürgermeister ein unfähiger oder ein tyrannischer<br />

folgen. Ebenso sorgt größerer Wohlstand<br />

zu Neid und/oder Ansehen. Hierbei ist<br />

der Einäugige König der Blinden, d.h. wer<br />

zwei Rinder besitzt ist reicher als der mit nur<br />

einem. Gibt es eine Geldquelle, die das Dorf<br />

von Außerhalb versorgt wie eine Handelsstraße,<br />

Minen, Steinbrüche, etc. werden einige<br />

Personen im Dorf stark davon profitieren,<br />

was über kurz oder lang dazu führen wird,<br />

dass sie über gehörigen Einfluss verfügen.<br />

Je nach Setting kann auch Bildung oder<br />

besondere Leistung ein Grund sein, angesehen<br />

zu sein. Priester oder Gelehrte – „Er hat<br />

sein ganzes Leben lang studiert und dabei<br />

ein ganzes Buch gelesen!“ – können ebenso<br />

wie Kriegsveteranen<br />

oder der Gewinner<br />

des großen<br />

Dorflaufes<br />

Anno 436 davon<br />

ausgehen, eine<br />

Sonderstellung<br />

in der Dorfgemeinschaft<br />

zu genießen.<br />

Leben im Dorf<br />

Was man so tut den<br />

ganzen Tag lang<br />

Zuerst mal muss jeder Dorfbewohner was<br />

essen, sofern er nicht einfach nur als Bühnenbild<br />

für die Abenteuer der Helden benutzt<br />

wird. Daher wird er sich mindestens 8,<br />

eher aber 10 bis 12 Stunden am Tag seinem<br />

Broterwerb widmen. Ein Bauer wird also auf<br />

dem Feld oder bei den Tieren sein, Futter<br />

sammeln für den Winter oder Gemüse ernten<br />

und tausend andere Sachen. Auch wenn<br />

es dunkel geworden ist, wird es noch nicht<br />

ruhig. Werkzeuge müssen repariert werden,<br />

Seile und Stoffe hergestellt werden und all<br />

die kleinen Arbeiten, die man im Schein der<br />

Dämmerung oder der kleinen Lampe machen<br />

kann. Meist geht man sehr früh ins Bett, weil<br />

der Tag anstrengend war, Licht zu teuer ist<br />

und das Vieh am frühen Morgen versorgt<br />

werden will. Auch für einen Handwerker, der<br />

nebenher nur ein paar Beete bewirtschaftet<br />

und sonst von seinem Handwerksberuf leben<br />

kann, ist es mit 8 Stunden am Tag nicht<br />

getan. Auch er ist auf das Tageslicht angewiesen<br />

und muss vorbereiten und nachbereiten.<br />

Material muss gesucht, gesichtet und<br />

richtig gelagert werden, Werkzeug gepflegt<br />

und gebaut werden. Ein Schmied muss lange<br />

bevor das erste Eisen ins Feuer gelegt werden<br />

kann, das Feuer richtige entzünden, das<br />

den Ofen aufwärmt und dann lange Zeit die<br />

richtige Temperatur halten muss. Dazu muss<br />

Brennstoff geholt und gebunkert werden. Jeder<br />

Handwerker, der mit Holz arbeitet, muss<br />

sich um die richtigen Rohstoffe kümmern,<br />

diese ablagern und manchmal stundenlang<br />

in seinen Vorräten nach dem richtigen Fell<br />

oder dem richtigen Stück Holz suchen. Wenn<br />

es zu dunkel in den Werkstätten wird um<br />

noch arbeiten zu können, kann man immer<br />

noch schnell nach den eigenen Beeten<br />

oder Schweinen sehen, die<br />

man hinter dem Haus hält<br />

und man bereitet sich auf<br />

den kommenden Tag vor.<br />

Dazu kommen die Sorgen<br />

um Gesundheit, Steuern,<br />

genug zu Essen und den<br />

wenigen Luxus, den man<br />

sich leisten kann.<br />

Was wir als Freizeit bezeichnen,<br />

wird es kaum geben,<br />

wenn das Dorf nicht übermäßig<br />

reich ist. Und doch gibt es Gelegenheit<br />

für Muse und Geselligkeit. Die Stunden vor<br />

dem Schlafen gehören der Familie und werden<br />

meist mit kleinen Arbeiten wie Nähen<br />

und Stopfen von Kleidung, Instandhaltung<br />

Seite 18<br />

Lesen & Spielen


DAS FANTASY DORF<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

ERLÄUTERUNG<br />

Besiedlungen sind Lebensraum und als<br />

Lebensraum bezeichnet man den Raum,<br />

in dem sich Leben abspielt. Leben nennt<br />

man die Gesamtheit aller Dinge, die sich<br />

in einer Existenz ereignen. Gesamtheit<br />

schließt alles mit ein.<br />

von Werkzeug oder dem Einlagern von Essen<br />

verbracht. Da hier die ganze Familie an einem<br />

Ort ist, ist nun Zeit für das Erzählen von Geschichten<br />

und das gemeinsame Singen von<br />

Liedern. Sind die Charaktere Gast an so einem<br />

Abend, wird man sie bestürmen, wahre oder<br />

erfundene Geschichten zu erzählen oder<br />

neue Spottgedichte und Lieder zu singen, die<br />

die Familie lernen kann. Handwerklicher Zeitvertreib<br />

wie Nähen, Sticken, Schnitzen oder<br />

ähnliches ist ebenfalls sehr beliebt, hat man<br />

doch am Ende ein Kleid, einen Holzlöffel oder<br />

etwas anderes, was man täglich gebrauchen<br />

kann. Und auch tagsüber vertreibt man sich<br />

die Arbeitszeit mit Singen, Erzählen oder<br />

mehr oder weniger komplizierten Spielen,<br />

die man während der Arbeit spielen kann.<br />

Meist sind das Frage und Antwortspielchen,<br />

besondere Reime oder Verse, die abwechselnd<br />

übers Feld gebrüllt oder gesungen werden<br />

müssen. Oftmals ist es aber zu heiß und<br />

die Arbeit zu hart, so dass schweigend gearbeitet<br />

wird. In der Mittagspause, die je nach<br />

Hitze während der Mittagszeit auch mehrere<br />

Stunden dauern kann, isst man gemeinsam,<br />

schläft etwas und vertreibt sich die Zeit wie<br />

es gefällt.<br />

Wo im Dorf<br />

der Bär steppt<br />

Da fast jeder im Dorf der Arbeit nachgehen<br />

muss, wird es tagsüber nur wenige Zentren<br />

geben, an denen man sich treffen kann. Ist es<br />

in der Stadt der Brunnen, an dem man sich<br />

trifft, so ist dieser auf dem Land mit ausreichend<br />

Wasserquellen überflüssig. Sonst findet<br />

auch hier das Leben statt, denn Wasser<br />

brauchen alle. Manchmal treffen sich die<br />

Frauen und jungen Mädchen am Fluss oder<br />

im Waschhaus, um gemeinsam zu waschen<br />

und zu plappern. Gibt es eine Gemeinschaftsmühle<br />

oder ein gemeinsames Backhaus, so<br />

finden sich mehrere Familien zusammen,<br />

um gemeinsam ihr Mehl zu mahlen, dies zu<br />

teilen und ebenso gemeinsam den Backofen<br />

anzuheizen und ihr Brot zu backen. So ist es<br />

sehr wahrscheinlich, den Dorfschulzen oder<br />

den Schmied am Backofen oder Mahlstein zu<br />

treffen. Der Backofen wird wegen der Feuergefahr,<br />

der Mahlstein eher wegen des großen<br />

Platzbedarfs – man muss das gemahlene<br />

Lesen & Spielen<br />

Schrot ja noch worfeln, d.h. im Wind hochwerfen<br />

und diesen die Spreu fortwehen lassen<br />

– nicht auf dem Dorfplatz stehen. Dieser beherbergt<br />

wahrscheinlich einen überdachten<br />

Brunnen – wenn dieser gebraucht wird – und<br />

die wichtigen Gebäude wie Gasthaus, Tempel<br />

und dergleichen. Gasthäuser sind auch nur<br />

dann belebt, wenn die Menschen genug Geld<br />

haben, dort zu trinken oder viele Gäste durch<br />

das Dorf kommen. Auch wenn die Dorfgemeinschaft<br />

ein neues Haus baut – ein Haus<br />

für ein Brautpaar, eine neue Scheune, etc. –<br />

kommen alle zusammen. Und religiöse Feste<br />

und Gottesdienste sind Ereignisse, zu denen<br />

man andere Gesichter zu sehen bekommt als<br />

auf dem eigenen Hof oder im eigenen Haus.<br />

Gerade lange Gottesdienste sind deswegen<br />

so beliebt, weil man einige Stunden lang sitzen<br />

konnte, ohne etwas tun zu müssen. Und<br />

oftmals herrscht andauerndes Getuschel unter<br />

den Gläubigen, die an den Segnungen der<br />

Götter weitaus weniger Interesse haben als<br />

am Klatsch der Nachbarschaft.<br />

Feste und Feiern<br />

Wer es sich leisten kann, der unterbricht<br />

seinen Alltag durch Festtage. Oft feiert die<br />

ganze Dorfgemeinschaft zusammen, während<br />

Feste, die eine einzelne Person ehren<br />

– wie Geburtstage – nicht groß gewürdigt<br />

werden. Gefeiert wird, wenn es wenig zu tun<br />

gibt und man Hoffnung hat. Das ist vor allem<br />

im Frühjahr und im Herbst der Fall. Im Frühjahr<br />

hat man den kalten Winter überstanden.<br />

Endlich kann man auf besseres Essen und<br />

Wetter hoffen und die drückende Enge des<br />

Hauses verlassen. Der Sommer bringt die<br />

Hoffnung auf bessere Zeiten und man feiert<br />

ihn. Im Herbst hat man die Ernte eingebracht<br />

und hofft, damit durch den Winter zu kommen.<br />

Die Felder sind abgeerntet, man muss<br />

sich auf den Winter vorbereiten. Da hilft ein<br />

gemeinsames Fest, die Dunkelheit der kommenden<br />

Tage zu vergessen. Geburten und<br />

Hochzeiten, sowie der Tod eines Bewohners<br />

sind die Feste der Dorfgemeinschaft. Religiöse<br />

Tage oder geschichtliche Daten – der<br />

Geburtstag des Königs oder der Todestags<br />

eines Nationalheldens – sind ebenfalls Grund<br />

zum Feiern. Das muss nicht immer in Form eines<br />

rauschenden Gelages mit Bier und Essen<br />

geschehen. Besondere Tänze oder Kleider,<br />

Theaterstücke, Umzüge oder ein besonderes<br />

Essen sind auch Formen des Festes. Und<br />

in sehr abgelegenen Gegenden ist es auch<br />

Grund zum Feiern, wenn Besuch kommt.<br />

Dies kann ein Verwandter, ein fahrender Sänger<br />

oder auch eine Abenteurergruppe sein,<br />

die Unterhaltung und Abwechslung vom<br />

Alltag bringen. Die Nachbarn werden eingeladen,<br />

jeder bringt etwas mit und die Charaktere<br />

genießen die volle Aufmerksamkeit<br />

von mehr als drei Dutzend Dorfbewohnern,<br />

die mit gerunzelter Stirn oder glänzenden<br />

Augen den Geschichten lauschen, die sie zu<br />

hören bekommen.<br />

Kindheit und Jugend –<br />

Männer und Frauen<br />

Alle im Dorf nehmen nach ihren Möglichkeiten<br />

am Leben und Überleben teil. Kinder<br />

werden im Säuglingsalter von den Großeltern<br />

oder älteren Geschwistern betreut oder<br />

sind in der Nähe der Mutter zu finden. Hier<br />

ist es nicht selten, dass ein Kind, das gerade<br />

laufen lernt, einfach mit einem Strick um den<br />

Fuß an einen Baum gebunden und sich selber<br />

überlassen wird. Sobald Kinder alt genug<br />

sind, müssen sie mithelfen. Auf dem Dorf<br />

gibt es immer Möglichkeiten für ein Kind zu<br />

arbeiten: Gänse hüten oder das Aufsammeln<br />

von Getreideähren (Ährenlesen), das Sammeln<br />

von Brennholz oder Beeren und Pilzen.<br />

Auch kleinere Arbeiten auf dem Feld oder auf<br />

dem Hof fallen unter die Verantwortung der<br />

Kinder. Und natürlich müssen die Älteren auf<br />

ihre jüngeren Geschwister acht geben. Auch<br />

gilt es recht schnell, das Gewerbe von Vater<br />

oder Onkel zu lernen und zu wissen, wie man<br />

einen Hof führt, ein Fass macht oder Holz bearbeitet.<br />

Bereits mit zwölf Jahren unterscheidet<br />

sich der Alltag des Kindes nicht mehr<br />

groß von dem seiner Eltern.<br />

Jungen werden im Alter von 15 bis 18,<br />

Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren verheiratet.<br />

Handwerker heiraten etwas später,<br />

da sie erst noch ein paar Jahre auf die Wanderschaft<br />

(Walz) geschickt werden, um in<br />

der Ferne weiter zu lernen. Diese Walz ist<br />

für einige bekannte Helden der erste Schritt<br />

aus dem Dorf gewesen. Und so hat oft ein<br />

16-Jähriger Böttcher das Dorf verlassen, um<br />

zehn Jahre später als erfahrener Held zurück<br />

zu kehren und von Abenteuern in fernen Ländern<br />

zu berichten. Den Hobel hat er gegen<br />

das Schwert getauscht und die Alten schütteln<br />

missbilligend den Kopf, da er den jungen<br />

Burschen Flausen in den Kopf setzt.<br />

Hochzeiten werden meist von den Eltern<br />

arrangiert. Meist wissen alle seit Jahren,<br />

wen sie heiraten werden, da man zusammen<br />

aufwächst und man absehen kann, wann<br />

welcher Junge und welches Mädchen im<br />

richtigen Alter sind. Manchmal werden die<br />

jungen Männer auch ausgeschickt, um in anderen<br />

Dörfern auf Brautschau zu gehen. Dort<br />

werden Tanzveranstaltungen abgehalten, zu<br />

dem junge Männer und Frauen aus den anliegenden<br />

Dörfern kommen, um sich kennen zu<br />

lernen. Alles weitere organisieren dann die<br />

Eltern der Brautleute. Man lebt zusammen<br />

Seite 19


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DAS FANTASY DORF<br />

mit den Eltern des Bräutigams auf deren Hof.<br />

Und schon bald nach der Hochzeit werden<br />

die ersten Kinder gezeugt.<br />

Während Männer sich um den Broterwerb<br />

kümmern, in der Werkstatt und auf den Feldern<br />

arbeiten, ernten und Holz schlagen,<br />

Häuser bauen und die Belange der Familie<br />

nach außen hin tragen, kümmern sich die<br />

Frauen um die Familie, das Essen, Haus und<br />

Hof, Vieh und Gemüsebeete, Kleidung und<br />

Gesundheit und gehen ihren Männern dort<br />

zur Hand, wo sie können und noch geringe<br />

Zeitreserven haben. Je nach Kultur und Bildungsgrad,<br />

Wirtschaft und Lage gibt es eine<br />

klare Rollentrennung. So werden alle, die<br />

die Rollenbilder durchbrechen wollen, in der<br />

Dorfgemeinschaft auf Vorbehalte und Ablehnung<br />

stoßen. Auch Personen, die von Außen<br />

kommen, wird man mit Vorsicht begegnen.<br />

So ist der reisende Krieger ein willkommener<br />

Gast, ist es jedoch eine Frau, die ihr Schwert<br />

um die Hüfte gegürtet hat, so kann dies,<br />

trotz aller Gleichberechtigung, zu Fragen<br />

führen. Anders wird nur, wer nicht normal<br />

sein kann – Kriegerin wird nur, wer keinen<br />

Mann findet.<br />

Wer alt ist, hat einst die Jungen ernährt<br />

und fordert nun das Recht ein, ernährt zu<br />

werden. Doch nur selten kann man sich erlauben,<br />

untätig am Feuer zu sitzen. Man<br />

steht der jüngeren Generation mit Rat und<br />

Tat zur Seite. Arbeit in der Küche oder im<br />

Stall, im Haus und mit den Kindern wird oft<br />

dem Großmüttern oder Großtanten überlassen,<br />

solange die Mutter der Familie noch<br />

kräftig genug ist, um anderswo anzupacken.<br />

Alte Männer arbeiten so lange es geht wie<br />

alle anderen Männer. Wenn dies nicht mehr<br />

geht, so werden leichtere Arbeitsfelder für<br />

sie gefunden und sie stehen mit ihrer Erfahrung<br />

und ihrem Rat zur Seite. Man wird geboren,<br />

arbeitet und stirbt. Dazwischen gibt<br />

es Zeiten für Schlaf, Nahrung und Gebet.<br />

Sie ritten in das Dorf am Fluss. Ein paar Häuser,<br />

gebaut aus dem grauen Stein, der überall<br />

zu sehen war, und Holz, waren scheinbar<br />

wahllos zwischen ein paar Wege geworfen.<br />

Die Reisenden hatten sich nicht die Mühe gemacht,<br />

den Namen der Siedlung zu erfahren.<br />

Es regnete und sie wollten nur einen trockenen<br />

Schlafplatz, egal wie diesen Name war. An<br />

einigen Türen hingen verwelkende Girlanden<br />

aus grünen Zweigen, Reste irgendeines Festes.<br />

Eine der Türen ging auf und ein Mann mit den<br />

Schultern eines Bärs und dem Gesicht so hässlich<br />

wie keine Hure in keinem Hafenbordell<br />

musterte die Reisenden schweigsam. Dann<br />

winkte er sie zu sich hinein und wies ihnen mit<br />

knappen Worten einen Schlafplatz im oberen<br />

Geschoss zu. Die Pferde verbrachten die Nacht<br />

in einem Schuppen.<br />

Den Namen ihres Gastgebers erfuhren sie<br />

nicht, nur dass der Ort Laubdorf hieß. Er war<br />

Schmied und vermietete Schlafgelegenheiten.<br />

Später brachte eine alte Frau einen Eintopf, für<br />

den sie ihr ein paar Münzen gaben. Das Essen<br />

war gut. Neugierige Kinder steckten ihre Köpfe<br />

zum Fenster und zur Tür hinein und betrachteten<br />

sie, verschwanden aber sofort kichernd,<br />

wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkte.<br />

Später, als der Regen aufgehört hatte, spielte<br />

einer der Reisenden Harfe und sang auf dem<br />

Dorfplatz. Das tat er, weil er sich gerne im Mittelpunkt<br />

stehen sah, aber die meisten Dorfbewohner<br />

setzen sich einen Moment lang vor<br />

ihre Haustüren und lauschten. Sie schliefen<br />

und wurden durch einen Hahn geweckt, der<br />

irgendwo krähte und das Dorf in den Tag hinein<br />

riss. Die alte Frau, die bereits den Eintopf<br />

gebracht hatte, servierte aufgebackenes Brot<br />

und ein paar Eier, sowie Nüsse und süße, kleine<br />

Äpfel.<br />

Dann brachen sie wieder auf. Hinter der<br />

nächsten Biegung hatten sie Laubdorf bereits<br />

wieder vergessen und fragten sich, wo sie die<br />

kommende Nacht verbringen würden. •<br />

Abenteuerwettbewerb 2008<br />

Seite 20<br />

Schon früher haben wir immer mal wieder<br />

einen Abenteuerwettbewerb ausgeschrieben<br />

und die besten Abenteuer dann<br />

in der <strong>Anduin</strong> veröffentlicht. Stets war ein<br />

bestimmtes Thema oder zumindest einige<br />

Schlüsselwörter vorgegeben, an die sich die<br />

Autoren halten mussten. Auch im Jahr 2008<br />

wollen wir wieder einen Abenteuerwettbewerb<br />

ausschreiben.<br />

Thema: Crossover<br />

Erklärung: Es müssen mindestens zwei klassische<br />

und meist getrennte Themengebiete<br />

miteinander gemischt werden. Beispielsweise<br />

Vampire im Weltraum, Cowboys im Weltraum,<br />

Drachen in der Jetztzeit, Raumpiraten<br />

in einer Fantasywelt, Klischeepiraten in einer<br />

Comicwelt, Superhelden auf einer Raumstation,<br />

klassische Abenteurer/Schatzsucher in<br />

New York, etc. Je geschickter und wilder diese<br />

Themengebiete gemischt werden, desto<br />

höher die Chancen auf den Sieg.<br />

Zusätzlich müssen aber noch ein paar formale<br />

Dinge beachtet werden:<br />

• Das Abenteuer muss ein One-Shot mit<br />

vorgefertigten Charakteren (3 bis 5)<br />

sein.<br />

• Das Abenteuer muss systemunabhängig<br />

geschrieben sein.<br />

• Die Länge sollte zwischen 20.000 und<br />

100.000 Zeichen (ohne Leerzeichen)<br />

betragen.<br />

• Das Abenteuer ist als Word, OpenOffice,<br />

RTF oder reines Textdokument abzugeben.<br />

• Die Richtlinien im Abenteuerleitfaden<br />

(siehe <strong>Anduin</strong> 94) sind zu beachten.<br />

Abgabeschluss: 31.08.2008 – 23:59 Uhr<br />

Teilnehmer können gerne vorab eine max.<br />

5000 Zeichen lange Zusammenfassung per E-<br />

Mail an mich schicken, damit ich kurz prüfen<br />

kann, ob sich die Idee im Rahmen der Vorgabe<br />

bewegt.<br />

Die beiden besten Abenteuer werden in<br />

der <strong>Anduin</strong> 97 veröffentlicht – eventuelle<br />

weitere gute Einsendungen können in späteren<br />

Ausgaben veröffentlicht werden. Für die<br />

ersten beiden Plätze gibt es eine Urkunde,<br />

Ruhm und sogar einen Sachpreis!<br />

Der Rechtweg ist ausgeschlossen. Eine<br />

Jury bestehend aus drei engen Mitarbeitern<br />

der <strong>Anduin</strong> (darunter ich) werden die Abenteuer<br />

beurteilen.<br />

Fragen, Hinweise, Anmerkungen und gerne<br />

auch Teilnahmeankündigungen könnt<br />

Ihr uns gerne in unserem Forum schreiben:<br />

www.tanelorn.net •<br />

Lesen & Spielen


HAKIMS KOCHECKE<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

HAKIMS<br />

KOCHECKE<br />

LECKERE REZEPTE FÜR EURE ROLLENSPIELRUNDE<br />

TEXT: STEFAN HOLZMAIER<br />

Tomatensuppe<br />

mit Reis<br />

100 g Langkornreis in kochendes Wasser<br />

geben, wieder zum Kochen bringen und 15<br />

Minuten aufquellen lassen. In der Zwischenzeit<br />

2 Zwiebeln und 1 Knoblauchzehe abziehen<br />

und in Würfel schneiden. 1 EL Olivenöl in<br />

einem großen Topf erhitzen und Zwiebel- und<br />

Knoblauchwürfel darin andünsten. 500 g Tomaten<br />

(passiert oder frisch, enthäutet), 250<br />

ml Wasser und 1 EL gekörnte Gemüsebrühe<br />

hinzufügen und alles zum Kochen bringen.<br />

Nach 10 Minuten 1 TL Tomatenmark unterrühren<br />

und mit 1 TL Paprikapulver, 1 Prise<br />

Cayennepfeffer und 1 TL Zucker würzen.<br />

Den gegarten Reis hinzufügen und erwärmen.<br />

Suppe mit etwas gehackter Petersilie<br />

bestreuen.<br />

Je nach Geschmack ein ungesüßtes Sahneoder<br />

Crème-fraîche-Häubchen auf die Suppe<br />

geben.<br />

Pochiertes Ei<br />

AUF Ciabatta<br />

Von 1 Ciabattabrot der Länge nach 4 zirka<br />

2 Millimeter dicke Scheiben abschneiden.<br />

Damit das Brot dafür weich genug ist, sollte<br />

es am Vortag in Klarsichtfolie gewickelt<br />

werden. 2 Liter Wasser mit 100 ml Essig in<br />

einem breiten Topf aufkochen. 4 Eier einzeln<br />

in Tassen aufschlagen. Das Wasser mit einem<br />

Kochlöffel rühren, bis sich ein kleiner Strudel<br />

bildet. Jeweils ein Ei hineingleiten lassen und<br />

etwa 2 Minuten pochieren. Das Eiweiß soll<br />

dann fest, der Dotter jedoch noch flüssig<br />

sein. Die Eier vorsichtig herausheben, sofort<br />

in kaltem Wasser abschrecken, gut trocken<br />

tupfen, mit Salz und schwarzem Pfeffer aus<br />

der Mühle würzen.<br />

Die pochierten Eier danach je mit 1 fein geschnittenen<br />

Scheibe Parmaschinken umhüllen<br />

und in eine Ciabattascheibe einschlagen.<br />

In eine heiße Pfanne etwas Öl geben und darin<br />

von beiden Seiten goldgelb braten.<br />

Lesen & Spielen<br />

Mangoparfait<br />

3 frische Mangos vom Kern lösen und<br />

schälen. Vom Mangofleisch 100 g grobe<br />

Stücke wegnehmen und pürieren. Den Rest<br />

Mango für die Garnitur kalt stellen. Zum<br />

Püree nach Geschmack Zucker hinzugeben<br />

und gut mixen, bis sich der Zucker vollständig<br />

aufgelöst hat. Das Eigelb von 6 Eiern mit<br />

1/3 von 500 ml Sahne über einem Wasserbad<br />

rührend erhitzen, bis es bindet. Auf Eis stellen<br />

und langsam kalt rühren.<br />

Mangopüree einrühren. Rest der Sahne<br />

aufschlagen. Davon 1/3 in die Masse einrühren.<br />

Danach die restlichen 2/3 der Sahne vorsichtig<br />

unterheben, so dass ein schönes Volumen<br />

entsteht. Masse in Förmchen füllen und<br />

für etwa 1/2 Tag in den Tiefkühler stellen, bis<br />

sie gut durchgefroren ist.<br />

Zum Anrichten Mangofleisch dekorativ auf<br />

einem Teller verteilen und das Parfait darauf<br />

stürzen.<br />

Grünkohl-<br />

Eintopf<br />

1 kg geputzten Grünkohl verlesen, gründlich<br />

waschen und portionsweise etwa 3 Minuten<br />

in reichlich kochendem Salzwasser<br />

blanchieren. Abtropfen lassen, grob hacken.<br />

2 mittelgrosse Zwiebeln schälen und würfeln.<br />

2 EL Butterschmalz in einem Topf erhitzen,<br />

die Zwiebeln darin anbraten. Grünkohl<br />

zugeben und zirka 1 1/2 l Wasser zugießen.<br />

Aufkochen und 2–3 EL gekörnte Gemüsebrühe<br />

einrühren. Zugedeckt etwa 1 Stunde<br />

kochen.<br />

750 g Kartoffeln schälen, waschen und in<br />

Stücke schneiden. 4 Mettwürste (etwa 300<br />

g) mit den Kartoffeln etwa 30 Minuten vor<br />

Ende der Garzeit zum Grünkohl geben und<br />

mitgaren. Eventuell 1 EL Senfkörner in einer<br />

Pfanne ohne Fett kurz rösten und zugeben.<br />

Grünkohl mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken,<br />

die Würste halbieren.<br />

Grünes<br />

Fondue<br />

1,5 kg Zucchini waschen und grob raspeln.<br />

3 Knoblauchzehen schälen und in Scheiben<br />

schneiden. 5 Thymianzweige waschen, trocken<br />

schütteln und zupfen. Alles zusammen<br />

mit 3 bis 4 EL Olivenöl bei schwacher Hitze<br />

zugedeckt 50 bis 60 Minuten dünsten, bis<br />

das Gemüse völlig zerfällt.<br />

150 g Gruyère entrinden und reiben, unter<br />

die Zucchini rühren und das Ganze in tiefen<br />

Tellern mit Weißbrot zum Tunken servieren.<br />

Mohnnudeln<br />

1 kg mehlige Kartoffeln schälen, in Salzwasser<br />

gar kochen, Wasser abgießen und die<br />

zerdrückten Kartoffeln im heißen Ofen (200<br />

Grad) ca. 20 Minuten dämpfen. Die Kartoffeln<br />

mit 150 g Mehl und 1 Ei gut verkneten<br />

und etwas ruhen lassen.<br />

Aus dem Teig fingergroße Nudeln formen,<br />

in eine gebutterte Pfanne geben, mit 150 g<br />

gemahlenem Mohn bestreuen und kurz im<br />

heißen Ofen (immer noch 200 Grad) dünsten.<br />

Mit etwas Puderzucker bestreuen und<br />

servieren.<br />

Fränkische<br />

Kürbissuppe<br />

Fleisch von 1 Speisekürbis in Stücke schneiden,<br />

1 Zwiebel klein würfeln, in 2 EL Margarine<br />

glasig dünsten. Mit 1 l Gemüsebrühe<br />

aufgießen, die Kürbisstücke dazugeben und<br />

weich kochen, pürieren, mit Salz, Pfeffer<br />

und dem Saft einer halben Zitrone würzen.<br />

Anschließend 1/8 l süsse Sahne unterrühren<br />

(die Suppe darf nicht mehr kochen), auf Teller<br />

geben.<br />

Zum Schluss mit in 100 g Butter gerösteten<br />

Brotwürfelchen garnieren und mit 1 EL<br />

Rosenpaprikapulver bestreuen. •<br />

Seite 21


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

Das Böse<br />

über der Stadt<br />

EIN ABENTEUER FÜR ARCANE CODEX®<br />

TEXT: JOACHIM A. HAGEN<br />

ILLUSTRATION: JENNIFER LANGE, DANIELA KUFNER<br />

Einführung<br />

Willkommen in Kreijor, Fremder. Vor Jahrtausenden<br />

wandelten die Götter selbst auf<br />

diesem Boden, und noch heute kannst Du ihr<br />

Wirken in dieser Welt erkennen. In diesen Landen<br />

magst Du mit Geschick, Klugheit und Mut<br />

Ruhm und Reichtum erringen – oder ein einsames<br />

Grab in der Wildnis.<br />

“Das Böse über der Stadt” ist ein Abenteuer<br />

für das epische Dark Fantasy-Rollenspiel<br />

Arcane Codex®, das dem Spielleiter die wichtigsten<br />

Ereignisse der Episode an die Hand<br />

gibt. Die weitere Feinarbeit, die sich als Reaktion<br />

auf die Handlungen der Spieler ergibt,<br />

liegt dann bei ihm. Das Szenario kann in fast<br />

jedem Land gespielt werden – in Vargothia<br />

beispielsweise könnte die namensgebende<br />

Stadt Murnau heißen – und ist nicht auf eine<br />

bestimmte Gruppe von Charakteren festgelegt.<br />

Die Einbindung der Spielercharaktere<br />

muss sich jedoch nach Art der Gruppe verändern.<br />

“Das Böse über der Stadt” geht schwerpunktmäßig<br />

davon aus, dass die Titel gebende<br />

Stadt den Charakteren bekannt ist – zum<br />

Beispiel ihre Heimatstadt – und dass sie ein<br />

persönliches Interesse an deren Fortbestand<br />

haben.<br />

Der Hintergrund<br />

Ein Kult plant, eine finstere Wesenheit<br />

namens Daenethor zu beschwören.<br />

Daenethor kann ein mächtiger Dämon<br />

aus dem Abgrund sein, aber auch ein<br />

vergessener Gott, welcher in Vergessenheit<br />

geraten ist und nur noch als Schatten seines<br />

einstigen Selbst existiert. Ob Daenthor wirklich<br />

ein Gott ist, der nur lokal bzw. regional<br />

verehrt wurde, oder eine Wesenheit, die sich<br />

als Gott verehren ließ bzw. die Rolle eines<br />

Gottes annahm, das bleibt dem Spielleiter<br />

überlassen oder einfach ungewiss.<br />

Bei dem Kult handelt es sich um die Nachfahren<br />

einstiger Anhänger Daenethors, welche<br />

die untergegangene Stadt Szannesh<br />

Seite 22<br />

bewohnten. Die früheren Kultisten wurden<br />

durch die Angehörigen der gegenwärtigen<br />

Religionen als Ketzer bzw. Dämonenanbeter<br />

verfolgt und fast völlig ausgelöscht. Auch das<br />

Wissen des Kultes wurde ein Opfer der Flammen,<br />

und nur einige alte Zeugnisse existieren<br />

noch in den vergilbenden Archiven einiger<br />

Tempel. Der Kult, seiner Macht beraubt, geriet<br />

in Vergessenheit, und so geschah es auch<br />

mit Daenethor. Nur einige Kultisten überlebten,<br />

über die Lande verstreut, und gaben ihr<br />

Wissen unter dem Siegel der Verschwiegenheit<br />

über die Jahrhunderte (oder Jahrtausende)<br />

hinweg an ihre Nachkommen weiter.<br />

Einem dieser Daenethor-Anhänger ist es<br />

gelungen, im Laufe der letzten zehn Jahre<br />

wieder einen geheimen Kult zu errichten,<br />

welcher in der Stadt, in der diese Geschichte<br />

spielt, beheimatet ist. Fast sein ganzes<br />

Leben hat dieses Kult-Oberhaupt damit verbracht,<br />

das verstreute schriftliche Wissen<br />

um Daenethor durch Bestechung, Diebstahl,<br />

Erpressung und sogar Mord in seinen Besitz<br />

zu bringen. Insbesondere half ihm dabei die<br />

Erkenntnis, dass die jetzige Stadt über den<br />

Ruinen des alten Szannesh erbaut wurde.<br />

Teile von Szannesh existieren noch in unterirdischen<br />

Hohlräumen und werden unter<br />

anderem von den Kriminellen der Stadt als<br />

Verstecke benutzt. Diese Räume sind sozusagen<br />

die Obergeschosse der einstigen Häuser,<br />

und man kann noch weiter hinab. Tief<br />

unten in diesem Labyrinth aus verschütteten<br />

und eingestürzten Gemäuern liegt der Tempel<br />

des Daenethor, oder vielmehr, was noch<br />

davon übrig ist. Die geheimen Kammern des<br />

Tempels, die von der Zerstörung verschont<br />

blieben, enthielten die Kunde von Ritualen,<br />

mit denen Daenethor verehrt wurde, und<br />

sogar solche, mit denen er in die materielle<br />

Welt gerufen werden kann.<br />

Der Kult betreibt jetzt aktiv die Rückkehr<br />

Daenethors. Mit Blutopfern wird ein neuer<br />

Tempel geweiht und für die endgültige Herbeirufung<br />

Daenethors vorbereitet.<br />

Die Handlung<br />

im Überblick<br />

1. Akt<br />

Bei der Untersuchung einer vermeintlichen<br />

Krankheit, welche in einem Stadtviertel grassiert,<br />

finden die Spielercharaktere eine rituell<br />

verstümmelte Leiche in einem Brunnen. Die<br />

dabei verwendeten Symbole erweisen sich<br />

nach einigen Recherchen schließlich als Zeichen<br />

eines uralten Kultes, der schon lange als<br />

zerstört gilt.<br />

Als die Kultisten ein weiteres Opfern entführen,<br />

um es rituell zu schlachten, kommt<br />

die Stadtwache dazwischen. Einer der Kultisten<br />

wird dabei verletzt und hinterlässt eine<br />

Blutspur, welche vor dem Haus eines wohlhabenden<br />

Bürgers – Damian Fogg – endet.<br />

Eine Untersuchung des Hauses ergibt nichts;<br />

Fogg ist nichts nachzuweisen. In der gleichen<br />

Nacht entführt der Kult ein weiteres Opfer.<br />

Die Charaktere werden vermutlich jetzt<br />

Fogg beschatten. Gegen Sonnenuntergang<br />

verlässt er seine Haus, um einen Freund um<br />

Mitbruder im Kult zu besuchen. Durch einen<br />

Geheimgang in dessen Keller gelangen sie in<br />

ein Gebäude in der Nachbarstraße und begeben<br />

sich von dort aus in den Tempel des<br />

Kultes, der in einem abgelegenen Gebäude<br />

am Stadtrand liegt, welches als Lagerhaus<br />

benutzt wird.<br />

Als die Charaktere das Gebäude stürmen,<br />

ist das Ritual bereits vollzogen. Einige der<br />

Kultisten – darunter Fogg – kämpfen bis zum<br />

Tode. Er stirbt mit dem Wort “Daenethor!”<br />

auf den Lippen. Die gefangenen Kultisten<br />

werden verhört, wissen aber nichts zu sagen,<br />

und enden auf dem Schafott oder dem Scheiterhaufen.<br />

2. Akt<br />

Obgleich die Charaktere meinen, das Ritual<br />

verhindert zu haben, wurde Daenethor erfolgreich<br />

beschworen. Seine Essenz schwebt<br />

unsichtbar über der Stadt und fördert eine<br />

gereizte Atmosphäre, in der die Menschen<br />

Abenteuer


DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

über Wochen hinweg immer hartherzige,<br />

streitsüchtiger und gewalttätiger werden.<br />

Die Ausschreitungen machen schließlich ein<br />

härteres Durchgreifen der städtischen Autoritäten<br />

– unter anderem eine nächtliche<br />

Ausgangssperre – von Nöten. Die Stadtwache,<br />

die auch unter dem unheilvollen Einfluss<br />

leidet, macht sich durch ihr hartes Vorgehen<br />

alles andere als beliebt, was den Unmut der<br />

Bevölkerung noch weiter schürt. Es entsteht<br />

ein explosives Klima von Furcht, Misstrauen<br />

und Hass. Dies stellt den idealen Nährboden<br />

für radikale Gruppen dar, welche einen Umsturz<br />

planen.<br />

Die Spielercharaktere finden mittlerweile<br />

heraus, dass die Kultisten eine Wesenheit<br />

namens Daenethor verehrten. Die rituellen<br />

Zeichen auf den geopfertem Menschen können<br />

schließlich als diesem Kult zugehörig<br />

identifiziert werden. Weitere Nachforschungen<br />

über den Daenethor-Kult bringen die<br />

Charaktere auf die Spur der Stadt Szannesh.<br />

Am Ende bekommen sie heraus, dass diese<br />

untere der jetzigen Stadt liegt.<br />

Es beginnt ein Abstieg in die Unterwelt. In<br />

den Ruinen von Szannesh stoßen die Charaktere<br />

auf entflohene Verbrecher sowie eine<br />

Gruppe Ghule, die seit Jahren unter der Stadt<br />

dahinvegetiert.<br />

Im Tempel des Daenethor finden die Charaktere<br />

dann alte Dokumente, deren Sprache<br />

erst entschlüsselt werden muss. Die<br />

Aufzeichnungen, die das verstorbene Kultoberhaupt<br />

Damian Fogg hinterlassen hat,<br />

sind dabei eine große Hilfe.<br />

3. Akt<br />

Die Spannungen in der Bevölkerung spitzen<br />

sich zu. Die Obrigkeit greift immer härter<br />

durch, um Ruhe und Ordnung zu gewährleisten.<br />

Unangemessen harte Gerichtsurteile<br />

und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung.<br />

Die Bevölkerung steht am Rande der<br />

Revolution.<br />

Durch die Übersetzung der alten Schriften<br />

erfahren die Charaktere von der Religion um<br />

Daenethor, der in menschlicher Gestalt über<br />

einen nach seinen Richtlinie aufgebauten, totalitären<br />

Stadtstaat herrschte. Ihnen wird bewusst,<br />

dass Daenethor von dem damaligen<br />

Herrscher der Stadt Besitz ergriff, um einen<br />

Bürgerkrieg zu beenden und von da an als<br />

Gottkönig der Stadt Szannesh verehrt wurde.<br />

Die Ähnlichkeit zu der Situation in der aktuellen<br />

Stadt lässt vermuten, dass Daenethor<br />

absichtlich ein Klima der Gewalt schafft, das<br />

in einen Bürgeraufstand mündet, um dann<br />

den Herrscher der Stadt zu übernehmen,<br />

den Aufstand blutig niederzuschlagen und<br />

QUELLE<br />

Dieses Abenteuer erschien bereits im<br />

Fanzine Artefakt und wird im rahmen<br />

der <strong>Anduin</strong> mit freundlicher Genehmigung<br />

der Redaktion und des Autoren<br />

veröffentlicht.<br />

sich dann als Erlöser feiern zu lassen, der<br />

schließlich mit eiserner Faust über die Stadt<br />

herrschen wird.<br />

Was die Charaktere nicht wissen: Daenethor<br />

ist tatsächlich für die vergiftete Atmosphäre<br />

in der Stadt verantwortlich; er benötigt<br />

jedoch die emotionale Energie eines<br />

Aufstandes, um genug Kraft zu entwickeln,<br />

um sich in einem Menschen zu inkarnieren.<br />

Der auserwählte Körper ist während der dreißig<br />

Sekunden der Übernahme noch normal<br />

verwundbar, danach erhält er unglaubliche<br />

Macht.<br />

Den Charakteren stehen jetzt mehrere<br />

Lösungswege offen: Vielleicht ziehen sie es<br />

vor, durch Verhandlungen den Aufstand im<br />

Keim zu ersticken; damit schieben sie aber<br />

Daenethors Rückkehr nur hinaus. Oder sie<br />

warten, bis er vom Gebieter der Stadt Besitz<br />

ergreift und töten diesen dann. Damit<br />

machen sie sich aber des Mordes schuldig,<br />

Abenteuer<br />

Seite 23


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

und niemand wird ihnen glauben. Oder sie<br />

überlassen die Stadt einfach ihrem Schicksal<br />

und wenden der Heimkehr des Bösen den<br />

Rücken zu.<br />

1. Akt<br />

Zur Einweihung ihres Tempels verrichten<br />

die Anhänger des Daenethor<br />

Blutopfer. Die etwas unterbelichteten<br />

Kultisten, die mit der Entsorgung einer<br />

der Leichen beauftragt waren, warfen<br />

diese einfach mit Gewichten beschwert in<br />

den nächsten Stadtbrunnen. Durch die fortschreitende<br />

Verwesung des Leichnams wurde<br />

das Brunnenwasser vergiftet. Infolgedessen<br />

leiden die Einwohner des Stadtteils, die<br />

aus dem Brunnen ihr Trink- und Kochwasser<br />

schöpfen, unter einer schleichenden Vergiftung,<br />

die nach außen hin als mysteriöse<br />

Krankheit wahrgenommen wird.<br />

Auftritt der Spielercharaktere<br />

Die Charaktere untersuchen die seltsamen<br />

Krankheitsfälle in dem betroffenen Stadtviertel.<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten,<br />

sie in diese Angelegenheit zu verwickeln: Ein<br />

Heiler oder Priester wird auf die Situation im<br />

Viertel aufmerksam gemacht und um Hilfe<br />

gebeten. Ein wohlhabender Bürger, der mit<br />

seiner gesamten Familie von der “Krankheit”<br />

betroffen ist, setzt eine Belohnung in Höhe<br />

von 500 Kupfermünzen für denjenigen aus,<br />

der herausfindet, was die Art und Ursache<br />

der Erkrankung ist; das könnte ein Einstieg<br />

für Abenteurer sein. Stehen die Charaktere<br />

im Dienste von Recht und Ordnung – Ritter,<br />

Paladine, Dämonenjäger oder ähnliches – so<br />

tritt die Obrigkeit an sie heran und ersucht<br />

um ihre Unterstützung. Ob es dabei eine<br />

finanzielle Vergütung gibt und in welcher<br />

Höhe, das bleibt dem Spielleiter überlassen.<br />

Handelt es sich bei den Charakteren um<br />

Durchreisende, so steigen sie zufällig in einem<br />

Gasthaus an, welches in dem betroffenen<br />

Stadtviertel liegt. Beim Essen fällt ihnen<br />

auf, dass alle Gäste irgendwie kränklich aussehen.<br />

Am nächsten Tag geht es ihnen selber<br />

schlecht, da ihr Essen mit dem Brunnenwasser<br />

gekocht wurde. Auf Nachfrage erfahren<br />

sie von der Krankheit, die in dem Viertel um<br />

sich greift.<br />

Ermittlungen<br />

Die Nachforschungen der Charaktere erbringen<br />

folgende Erkenntnisse:<br />

Die Krankheit ist vor einigen Wochen zum<br />

erstem Mal aufgetreten. Sie ruft zunehmende<br />

Übelkeit und Schwäche hervor.<br />

Bisher hat es nur wenige Tote gegeben,<br />

ausschließlich Säuglinge (welche das Gift<br />

Seite 24<br />

durch die Muttermilch aufgenommen haben),<br />

Kleinkinder und Alte.<br />

Die einzigen, die nicht betroffen sind, sind<br />

die Säufer des Viertels. Das kommt daher,<br />

das sie kein Brunnenwasser trinken, und nur<br />

wenig essen. Und wenn, dann nichts, was mit<br />

Wasser gekocht wurde. Diese Erkenntnis soll<br />

den Charakteren nicht auf dem Silbertablett<br />

serviert werden. Vielmehr sollten sie im Gespräch<br />

mit den Trinkern beiläufig erfahren,<br />

dass diese nach eigener Aussage nie Wasser<br />

zu sich nehmen.<br />

Vor allem sollen die Ermittlungen dazu dienen,<br />

den Charaktere den Ernst der Lage in<br />

diesem Stadtviertel vor Augen zu führen.<br />

Der Tote im Brunnen<br />

Steigt ein Charakter in den Brunnen hinab,<br />

so kann er einige Meter unter der Wasseroberfläche<br />

einen Körper ausmachen. Taucht<br />

er hinab, so stellt er fest, dass der aufgedunsene<br />

Leib an Händen und Füßen mit Schnüren<br />

umwickelt ist, an denen Steine als Gewichte<br />

hängen.<br />

Kommen die Charaktere bei ihren Ermittlungen<br />

nicht auf den Brunnen, so faulen bei<br />

dem Toten die Gliedmaßen so weit ab, dass<br />

die Leiche durch die Faulgase, die sich in ihr<br />

gebildet haben, aufsteigt, und vom Nächsten,<br />

der Wasser aus dem Brunnen holen will,<br />

entdeckt wird.<br />

Autopsien gab es in Mittelalter noch nicht,<br />

aber eine Leichenbeschau des grotesk aufgequollenen<br />

und teilweise verwesten Toten<br />

ergibt immerhin Folgendes: Die Leiche ist<br />

menschlichen Geschlechts und in schäbige<br />

Kleidung gehüllt. Die Taschen der Hose sind<br />

leer, die Oberbekleidung fehlt völlig. In Brust<br />

und Bauch sind blutleere Schnitte zu erkennen,<br />

die seltsame Zeichen bilden. Die Kehle<br />

wurde mit einem scharfen Instrument durchschnitten.<br />

Die ärmliche Kleidung deutet darauf hin,<br />

dass der Tote aus schlechten Verhältnissen<br />

stammt; das abgenutzte Schuhwerk mit den<br />

löcherigen Sohlen bestätigt dies. Der Verstorbene<br />

könnte ein Land- oder Stadtstreicher<br />

gewesen sein. Die Verwendung von Gewichten,<br />

um die Leiche unter Wasser zu halten,<br />

deuten auf ein geplantes Verbrechen hin.<br />

Die seltsamen Zeichen<br />

Keiner der Charaktere und auch niemand<br />

von der Stadtwache weiß mit den seltsamen<br />

Krakeln, die in das Fleisch des Toten eingeritzt<br />

wurden, etwas anzufangen. Das zentrale<br />

Symbol ähnelt einem Kreis mit einer Art<br />

Spirale in der Mitte. Der Rand des Kreises<br />

wird durch vier gleichschenklige Dreiecke<br />

mit nach innen gerichteten Spitzen unterbrochen,<br />

die im 90-Grad-Winkel zueinander stehen.<br />

Stellt man sich den Kreis als Uhr vor, so<br />

befänden sich die Dreiecke bei halb elf, halb<br />

zwei, halb fünf und halb acht.<br />

Vermutlich führen die ersten Mutmaßungen<br />

in Richtung des Ryse-Kultes oder des<br />

“Gehörnten Mondes”. Es ist aber auch möglich,<br />

dass der Mörder sein Opfer quasi signiert<br />

hat, ihm sein Markenzeichen ins Fleisch<br />

schnitt.<br />

Am besten kopieren die Charaktere die Zeichen<br />

und beginnen mit ihren Nachforschungen.<br />

Sollten sie dabei mit der Stadtwache<br />

zusammenarbeiten, verkürzt dies die Informationsbeschaffung<br />

erheblich.<br />

Kein Bürger der Stadt, auch kein Magier,<br />

Gildenangehöriger oder Mitglied der Unterwelt<br />

kann mit den Zeichen etwas anfangen.<br />

(Die Charaktere könnten ja auch die Insassen<br />

des Gefängnisses befragen, ob die Symbole<br />

mit Verbrecherorganisationen, z.B. der Gilde<br />

der Diebe, in Zusammenhang stehen.) Früher<br />

oder später dehnen sich Ermittlungen der<br />

Charaktere wahrscheinlich auf die Tempel<br />

der verschiedenen Glaubensrichtungen aus.<br />

Den einfachen Priester sagen die Symbole<br />

auch nichts; sie verweisen in diesem Zusammenhang<br />

auf ihre Vorgesetzten, die vielleicht<br />

mehr wüssten. Eine Unterredung mit den<br />

geistlichen Würdenträgern kommt aber nur<br />

rasch zustande, falls die Charaktere zu beeindrucken<br />

verstehen oder darauf verweisen,<br />

dass sie mit der Obrigkeit – also der Stadtwache<br />

– zusammenarbeiten. Ein Priester, der innerhalb<br />

seines eigenen Ordens ermittelt, hat<br />

natürlich von vornherein bessere Karten.<br />

Sofern die Charaktere angemessen höflich<br />

und freundlich auftreten, ist man gerne<br />

bereit, ihnen bei den Ermittlungen zu helfen<br />

und in den Archiven des Tempels nachzusehen,<br />

ob dort Hinweise auf derartige Symbole<br />

existieren. Nur falls die Charaktere einen<br />

sehr guten Eindruck hinterlassen und als vertrauenswürdig<br />

angesehen werden, gestattet<br />

man ihnen selbst Zutritt zu den Archiven. Die<br />

bedeutsamen Informationen sind auf Grund<br />

ihres Alters irgendwo in der hintersten Ablage<br />

zu finden und auf mehrere Schriftrollen<br />

und Bücher verstreut. Ein suchender Charakter<br />

würfelt pro vier Stunden in den Archiven<br />

einmal auf Nachforschen mit MW 20. Je angesagtem<br />

Erfolg verringert sich die Zeit für<br />

die Nachforschungen um eine Stunde. Ein<br />

perfekter Erfolg verringert die Zeit um zwei<br />

Stunden. Die maximale Zeit, welche die Spielercharaktere<br />

in den Archiven verbringen<br />

dürfen, liegt bei acht Stunden.<br />

Es ist nicht zwangsläufig nötig, dass die<br />

Gruppe Zugang zu allen folgenden Informationen<br />

bekommt, bevor die Handlung weiter<br />

Abenteuer


DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

geht. Selbst falls die Charaktere nicht fündig<br />

werden konnten, kann die Geschichte trotzdem<br />

weiter gehen. Die Charaktere können<br />

nach Zerschlagung des Kultes gezielter mit<br />

der Recherche fortfahren und die Informationen<br />

auch erst im 2. Akt ausgraben. Entscheidend<br />

ist, dass die Handlung nicht unnötig<br />

durch fehlgeschlagene Würfe verzögert<br />

wird.<br />

Lassen die Charaktere in den Archiven<br />

nachsuchen, so legt der Spielleiter fest, wann<br />

sie welche Informationen erhalten.<br />

Folgendes ist zu finden (jeder Punkt stellt<br />

eine gefundene Information dar):<br />

• die Zeichen auf dem Toten fanden bei<br />

einem uralten Kult von Götzendienern<br />

Verwendung;<br />

• die verehrte Wesenheit hieß Daenethor;<br />

• der Kult brachte Menschenopfer dar;<br />

• das ruchlose Treiben des Kults wurde<br />

schließlich durch eine Offensive von<br />

Vertretern der “richtigen” Religionen<br />

– vor allem der Anhänger des Peiron –<br />

zerschlagen und ausgelöscht;<br />

• der Kult war nur in einer Stadt namens<br />

Szannesh heimisch, die ebenfalls vernichtet<br />

wurde und im Dunkel der Zeiten<br />

verschwand;<br />

• die ehemalige Lage von Szannesh ist<br />

nicht bekannt.<br />

Die ältesten dieser Aufzeichnungen sind in<br />

der Alten Sprache gehalten und müssen erst<br />

von einem Archivar übersetzt werden.<br />

Die Erkenntnis, dass das alte Szannesh unter<br />

der jetzigen Stadt liegt, sollte den Charakteren<br />

erst im 2. Akt zu Teil werden.<br />

Falls die Charaktere nicht von selbst auf<br />

die Idee kommen, bei den Tempeln nachzufragen,<br />

ist halt ein Mitglied der Stadtwache<br />

so schlau.<br />

Abenteuer<br />

Das nächste Opfer<br />

In einer der kommenden Nächte, jedoch<br />

nicht später als in der dritten Nacht nach Auffinden<br />

der Leiche im Brunnen, versuchen die<br />

Kultisten, ein weiteres Opfer zu entführen.<br />

Dabei handelt es sich um eine Prostituierte.<br />

Zufällig kommt gerade im rechten – oder für<br />

die Kultisten im falschen – Augenblick eine<br />

nächtliche Patrouille der Stadtwache vorbei.<br />

Einer der Kultisten wird im folgenden Handgemenge<br />

verwundet.<br />

Als der Befehlshaber der Wache davon erfährt,<br />

lässt er nach den Charakteren schicken.<br />

Dies gilt allerdings nur, falls die Charaktere<br />

bislang mit der Wache zusammengearbeitet<br />

haben. Falls nicht, so erfahren sie erst am<br />

nächsten Morgen gerüchteweise von dem<br />

Vorfall und müssen dann dem müden Wachhabenden<br />

die Informationen “aus der Nase<br />

ziehen”.<br />

Die Charaktere werden plötzlich in ihrer<br />

Nachtruhe gestört, als ein Soldat der Stadtwache<br />

an ihre Tür klopft. Er ist ziemlich außer<br />

Atem, als ob er gerannt sei. Seine Meldung<br />

ist kurz und bündig: Die Charaktere sollen<br />

sich rasch ankleiden und ihm folgen. Es habe<br />

einen Überfall gegeben, der möglicherweise<br />

für die Charaktere von Interesse sei.<br />

Der Wachsoldat führt die Gruppe dann<br />

durch die stillen Straßen der Stadt in ein Viertel,<br />

in dem unteres Bürgertum und Handwerker<br />

wohnen. Vorort werden gerade zwei Soldaten<br />

medizinisch versorgt: Einer hat einen<br />

übel blutendem Schnitt über dem Auge, der<br />

zweite einen Stich in den Bauch erhalten. Der<br />

anwesende Wachhabende klärt die Charaktere<br />

kurz über die Situation auf: Eine Hure sei<br />

auf dem Heimweg nach der Sperrstunde in<br />

den Spelunken von zwei Unbekannten überfallen<br />

und niedergeschlagen worden. Zufällig<br />

hörte eine vorbeikommende Patrouille den<br />

Schrei der Frau und überraschte die verdächtigen<br />

Personen, als sie die Bewusstlose gerade<br />

wegschleppen wollten. Auf Anruf hielten<br />

die Verdächtigen, welche die Wache bisher<br />

nicht bemerkt hatten, inne. Dann zogen sie<br />

plötzlich zwei Dolche und attackierten die<br />

Wache, bevor sie sich zur Flucht wanden.<br />

Einem der Wachsoldaten gelang es noch,<br />

einem Flüchtigen einen Schwerthieb zu versetzen.<br />

Die Wache nahm die Verfolgung auf,<br />

verlor die Fliehenden jedoch aus den Augen,<br />

weil ihr ständig Blut aus einer Wunde in die<br />

Augen lief.<br />

Eine Befragung der beiden Wachen und<br />

der Hure fördern keine weiteren Informationen<br />

zu Tage.<br />

Bei einer Untersuchung des Tatorts im<br />

Licht von Fackeln oder Öllaternen bemerken<br />

die Charaktere früher oder später eine Reihe<br />

kleiner Blutstropfen, welche offenbar von<br />

einem der Flüchtigen stammen. Die Verfolgung<br />

führt die Gruppe quer durch die Stadt<br />

und einige Hinterhöfe in eine Wohngegend<br />

für Bürger der Oberschicht. Die Verfolgung<br />

der Spur wird durch Würfe auf Aufmerksamkeit<br />

geregelt. Ein misslungener Wurf bedeutet,<br />

dass die Gruppe die Spur verliert und erst<br />

wieder den Anschluss suchen muss.<br />

Schließlich stehen die Charaktere vor dem<br />

Haus von Damian Fogg, einem Mitglied der<br />

örtlichen Handelsgilde. Das erfahren die Charaktere<br />

aber erst im Zuge weiterer Erkundigungen.<br />

Im Augenblick sehen sie nur, dass<br />

sie vor einem Haus aus Stein stehen, dessen<br />

Aufmachung auf wohlhabende Bewohner<br />

schließen lässt.<br />

Damian Fogg<br />

Damian Fogg ist ein Mitglied der örtlichen<br />

Handelsgilde und ein angesehener Sohn der<br />

Stadt, der ein kleines, aber florierendes Unternehmen<br />

aufgezogen hat. Seine Handelsreisen<br />

in den Anfangsjahren haben ihn kreuz<br />

und quer durch das Land und auch jenseits<br />

der Grenzen geführt. Mittlerweile hat Herr<br />

Fogg einige Angestellte, die für ihn auf Reisen<br />

gehen. Soweit die offiziell erhältlichen<br />

Informationen.<br />

Abgesehen davon ist Damian Fogg auch<br />

der Nachfahre des letzten Daenethor-Priesters<br />

und Oberhaupt des örtlichen Kultes,<br />

welcher nach Jahrzehnten des Forschens<br />

eine Möglichkeit gefunden hat, den Gott<br />

wieder in diese Welt zu holen. Als dessen<br />

Günstling verspricht sich Fogg davon Macht<br />

und Reichtum.<br />

Die letzten Informationen fand Fogg in<br />

den Ruinen des alten Daenethor-Tempels,<br />

welcher tief unter der Stadt in lichtlosen<br />

Höhlen ruht.<br />

Damian Foggs zwei Diener sind ebenfalls<br />

Mitglieder des Kultes und ihm treu ergeben.<br />

Die bisherigen Ereignisse<br />

Die Kultisten teilten sich auf der Flucht.<br />

Der Verwundete floh zu Fogg und berichtete<br />

ihm von seinem Scheitern. Fogg ließ ihn kurz<br />

verbinden, schnauzte dem Mann an, was ihm<br />

einfiele, hier aufzutauchen, und schärfte ihm<br />

ein, ein Ersatzopfer zu beschaffen. Dann warf<br />

er den Mann zur Hintertür hinaus. Die Blutflecken<br />

im Haus wurden sofort aufgewischt.<br />

Leider dachte in der Hitze des Gefechtes niemand<br />

daran, vor der Tür nachzusehen.<br />

Nächtlicher Besuch<br />

Falls die Charaktere die Tür von Damian<br />

Foggs Haus eintreten, aurechen oder das<br />

Schloss knacken, wird Fogg, sobald er die<br />

Eindringlinge bemerkt hat, laut zum Fenster<br />

hinaus um Hilfe schreien, was innerhalb<br />

kurzer Zeit seine Nachbarn aufschreckt und<br />

die Stadtwache auf den Plan ruft. Bis dahin<br />

stellen sich die Diener von Herrn Fogg den<br />

Charakteren mit improvisierten Waffen, wie<br />

Schüreisen, entgegnen, während Damian<br />

Fogg sich in seinem Zimmer einschließt. Bei<br />

Ankunft der Stadtwache müssen die Charaktere<br />

sich dann wegen Einbruchs und ggf.<br />

Körperverletzung oder sogar wegen Mordes<br />

verantworten. Dafür wandern sie hinter<br />

Gitter. Ein Angriff auf die Stadtwache stellt<br />

dann das Ende dieses Szenarios dar und den<br />

Beginn einer Karriere als Gesetzlose dar.<br />

Sollten die Charaktere von Mitgliedern der<br />

Stadtwache begleitet werden, so kommt ein<br />

ungesetzliches Eindringen sowieso nicht in<br />

Seite 25


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

Frage.<br />

Ein Klopfen an der Tür ruft nach einiger<br />

Zeit einen der Hausdiener auf den Plan. Die<br />

folgenden Unterredung spielt sich durch<br />

die geschlossenen Tür ab und verlangt von<br />

den Charakteren, den Mann hinreichend zu<br />

beeindrucken, einzuschüchtern oder durch<br />

reines Charisma zu überzeugen, den Charakteren<br />

Zutritt zu gewähren. Schließlich öffnet<br />

der Diener, in Schlafrock und Schlafmütze gekleidet<br />

sowie mit Kerze in der Hand, die Tür.<br />

Darauf folgt der Auftritt des Hausherren Damian<br />

Fogg, der erneut über das Anliegen der<br />

Gruppe in Kenntnis gesetzt werden muss.<br />

Fogg gestattet als gesetzestreuer Bürger<br />

natürlich eine Durchsuchung des Anwesens,<br />

die nichts zu Tage fördert. Ein aufmerksamer<br />

Charakter bemerkt die feuchten Stellen im<br />

Flur. Daraufhin angesprochen erwidert Fogg,<br />

er habe sich einen Mitternachtsimbiss geholt<br />

und dabei versehentlich Bier verschüttet. Die<br />

blutigen Tücher, mit denen der Boden aufgewischt<br />

wurde, hängen sauber ausgewaschen<br />

zum Trocknen in der Waschküche. Auch sonst<br />

gibt Damian Fogg sich keinerlei Blöße.<br />

Selbst falls eine Hausdurchsuchung die<br />

weiter unten beschriebene Kladde oder die<br />

Eingangstür zum Geheimgang zu Tage fördern<br />

sollte, reicht dies nicht aus, um Fogg zuverhaften.<br />

Den Charakterren fehlt auch jegliche<br />

Handhabe, die Kladde zu konfiszieren.<br />

Vor der Hintertür sind keine Blutspuren<br />

mehr zu finden, da die Wunde des Kultisten<br />

verbunden wurde. Die Charaktere stehen vor<br />

einer Sackgasse. Ihr einziger Anhaltspunkt ist<br />

nunmehr Damian Fogg.<br />

Falls die Charaktere Fogg scharf verhören<br />

oder gar foltern, so bleibt er bis zum nächsten<br />

Tag standhaft. Dann aber bricht er zusammen<br />

und verrät die Machenschaften der<br />

Kultisten. So erfahren die Charaktere von<br />

dem Ritual (s. Das Finale) und erreichen die<br />

Lagerhalle gerade noch rechtzeitig, um den<br />

Kultisten den Garaus zu machen. Derweil erhängt<br />

sich Damian Fogg in seiner Zelle oder<br />

ertränkt sich im Latrineneimer.<br />

Sollte einer der Charaktere es schaffen,<br />

heimlich in Damian Foggs Haus einzudringen,<br />

so findet er dort keinerlei Hinweise auf<br />

Foggs Dasein als Kultist. Eine genaue Untersuchung<br />

von Foggs Schreibtisch in seinem<br />

Arbeitszimmer – Suchen mit MW 20 – fördert<br />

eine akribisch beschriebene Kladde zu Tage,<br />

die offenbar eine Art Wörterbuch und Grammatik<br />

für eine unbekannte Sprache darstellt.<br />

Es könnte sich dabei auch um eine Geheimsprache<br />

handeln. Ein Handschriftenvergleich<br />

würde ergeben, dass die Eintragungen von<br />

Fogg stammen. Bei aufmerksamen Hinschauen<br />

(MW 17) fällt auf, dass die Tinte am Anfang<br />

Seite 26<br />

der Kladde heller ist als die auf den letzten<br />

Seiten. Ein Intelligenzwurf mit MW 15 führt<br />

zu der Erkenntnis, dass die Eintragungen offenbar<br />

lange Zeiträume auseinander liegen,<br />

weil die Tinte der früheren Paragraphen bereits<br />

auszubleichen beginnt.<br />

Bei diesem Buch handelt es sich um eine<br />

von Fogg selbst angelegte Grammatik und<br />

Wörterbuch der Alten Sprache, in der viele<br />

Aufzeichnungen über Daenethor gehalten<br />

waren.<br />

Die Utensilien für die Beschwörung bewahrt<br />

Fogg in einem gemieteten Lagerhaus<br />

auf, in dem auch die Versammlungen des Kultes<br />

stattfinden. Das Haus wurde von einem<br />

Strohmann gemietet und kann nicht mit ihm<br />

in Verbindung gebracht werden.<br />

Eine kleine Überwachung<br />

Den Charakteren bleibt nichts<br />

weiter übrig, als Damian Fogg zu<br />

überwachen oder überwachen zu<br />

lassen. Er erhält keinerlei verdächtigen<br />

Besuche oder zeigt irgendwelche<br />

auffälligen Aktivitäten. Erst gegen<br />

Abend verlässt er sein Haus, um sich zu<br />

seinem Freund – und Mit-<br />

Kultisten – Amalwin<br />

Brauer zu begeben.<br />

Dessen Domizil<br />

liegt dreihundert<br />

Meter weiter<br />

stadtauswärts.<br />

Beide Kultisten<br />

verlassen dann<br />

das Haus durch<br />

einen Geheimgang<br />

im Keller.<br />

Dabei handelt<br />

es sich genaugenommen<br />

um<br />

einen Durchbruch<br />

der Kellerwand<br />

und einen kurzen<br />

Gang, der im Keller<br />

eines Hauses endet, welches<br />

auf die Parallelstraße<br />

hinausführt. Dieses<br />

Haus gehört ebenfalls<br />

Amalwin Brauer. Der<br />

frühere Eigentümer<br />

ließ diesen Gang anlegen,<br />

damit er sich<br />

ungestört zu Schäferstündchen<br />

begeben<br />

konnte, ohne sichtbar<br />

sein Haus zu verlassen<br />

oder ein anderes zu betreten<br />

(die Zugänge zu<br />

diesem Gang sind nur<br />

durch Suchen mit MW<br />

17 zu entdecken; das schließt ein Abklopfen<br />

der Wände mit ein). Fogg und Brauer ziehen<br />

sich vor Verlassen des Hauses allerdings um,<br />

damit etwaige Verfolger verwirrt werden. Sie<br />

wiederzuerkennen setzt einen Aufmerksamkeitswurf<br />

mit MW 20 voraus.<br />

Sofern die Charaktere nicht auch die Parallelstraße<br />

beobachten oder die Kultisten trotz<br />

Beobachtung nicht erkennen, erhalten sie<br />

schließlich durch eine heranhetzende Stadtwache<br />

Bescheid, dass Fogg in der Nähe eines<br />

Lagerhauses am Stadtrand gesehen worden<br />

sei.<br />

Abenteuer


DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Sollten die Charaktere Fogg und seinen<br />

Kumpan sowieso schon verfolgen, führen die<br />

beiden die Gruppe zu besagtem Lagerhaus.<br />

Fogg und Brauer schlagen die Tür hinter sich<br />

zu und verriegeln sie. Auch im Falle einer Verfolgungsjagd<br />

sollten Fogg und Brauer sich ihren<br />

Verfolgern durch ihre bessere Ortskenntnis<br />

und für sie glückliche Umstände – ein<br />

Karren, der den Charakteren plötzlich den<br />

Weg abschneidet, ein Passant, der plötzlich<br />

den Weg kreuzt – so lange entziehen können,<br />

bis sie in dem Gebäude verschwunden<br />

sind.<br />

Das Finale<br />

Die Fenster der Lagerhalle sind von innen<br />

zugenagelt und haben eine Struktur von 16<br />

bei einer Härte von 5. Die beschlagene Tür<br />

hat eine Härte von 13 und eine Struktur von<br />

100. Die Tür ist von innen verriegelt und kann<br />

nicht mit Schlösser öffnen geöffnet werden.<br />

Sobald die Charaktere damit beginnen, Türen<br />

und Fenster einzuschlagen, weiß Fogg,<br />

dass das Spiel verloren ist. Seine einzige Hoffnung<br />

besteht darin, seinen Gott herbeizurufen,<br />

und so beschleunigt er die Beschwörung.<br />

Die übrigen Kultisten (Anzahl wie Spielercharaktere<br />

bzw. Charaktere plus Stadtwachen)<br />

bewachen derweil Tür und Fenster, um die<br />

Eindringlinge hinzuhalten. Hierbei erweisen<br />

sie sich als überraschend findig: Die Deckel<br />

alter Kisten werden beidhändig geführt als<br />

Schilde (RS 1, Härte 5, Struktur 6) gegen<br />

Fernkampfwaffen zweckentfremdet, herausgerissene<br />

Latten geben improvisierte Wurfgeschosse<br />

ab (Schaden 1w10-2) usw. Alle Kultisten<br />

sind mit einem Dolch bewaffnet und<br />

tragen normale Straßenkleidung, allenfalls<br />

verstärkte Kleidung.<br />

Den eindringenden Charakteren bietet sich<br />

ein grausiges Bild: An Wänden und Boden des<br />

Lagerhauses, das von einigen flackernden<br />

Öllampen und Kerzen erhellt wird, prangen<br />

Symbole aus getrocknetem Blut. Das größte<br />

davon, in dem Fogg steht, sieht so aus wie<br />

das Symbol auf der Leiche in dem Brunnen.<br />

Auf einer Bank in der Mitte des Symbols liegt<br />

eine weibliche Gestalt – eine weitere Prostituierte.<br />

Von ihrem bleichen Bauch hebt sich<br />

das eingeschnittene Symbol Daenethors<br />

blutrot an und aus ihrer durchtrennten Kehle<br />

sprudelt Blut in eine irdene Schale.<br />

Foggs beschwörende Stimme schwillt zu<br />

einem Crescendo an und bricht abrupt ab.<br />

Plötzlich wird es in dem Raum eisig kalt, und<br />

der Atem dampft aus den Mündern. Fogg<br />

blickt die Charaktere triumphierend an, doch<br />

sein Grienen weicht Bestürzung, als nichts<br />

weiter passiert. Sobald die Charaktere ihn<br />

angreifen, stößt er sich selbst den Dolch<br />

ins Herz. Er röchelt noch: “Daenethor…<br />

Abenteuer<br />

herrscht… Lüge”, bevor er dahinscheidet.<br />

Nach dem Selbstmord ihres Hohepriesters<br />

geben alle Kultisten ihren Widerstand auf<br />

und lassen sich festnehmen.<br />

Nachwehen<br />

Eine Durchsuchung von Damian Foggs<br />

Haus bringt die bereits oben erwähnte Kladde<br />

zum Vorschein. Die überlebenden Kultisten<br />

berichten lediglich, sie hätten von Foggs<br />

ruchlosem Treiben – den Menschenopfern<br />

– bis zum Schluss nichts gewusst. Unter der<br />

Folter gestehen sie jedoch, Damian Fogg<br />

habe eine Wesenheit namens Daenethor<br />

beschwören wollen, und sie als seine Diener<br />

wären reich belohnt worden. Sobald es um<br />

die Frage nach den Morden geht, belasten<br />

die Kultisten sich entweder gegenseitig oder<br />

den toten Fogg. Sie werden alle zum Tode<br />

auf dem Schafott oder dem Scheiterhaufen<br />

verurteilt.<br />

Falls die Charaktere die ganze Zeit über<br />

mit der Stadtwache zusammengearbeitet<br />

haben, erhalten sie eine Aufwandsentschädigung<br />

von acht Kupfermünzen pro Tag.<br />

Erfahrungs- und Ruhmpunkte<br />

Erkenntnis, dass sich die Krankheit über<br />

das Trinkwasser verbreitet: 1 EP<br />

Zutritt zu den Archiven eines Tempels<br />

ergattert: 1 EP<br />

Teilnahme an der Zerschlagung des<br />

Kultes: 1 RP<br />

Stattdessen oder zusätzlich können auch<br />

die Regeln im Grundregelwerk S. 333f verwendet<br />

werden. Ein Charakter sollte für<br />

diesen Spielabschnitt nicht mehr als vier Erfahrungspunkte<br />

erhalten, es sei denn, er hat<br />

ein herausragendes Verhalten an den Tag<br />

gelegt.<br />

2. Akt<br />

Nachdem den Kultisten das Handwerk<br />

gelegt wurde, scheint die Gefahr gebannt.<br />

Doch der Schein trügt: Daenathor<br />

ist erfolgreich beschworen worden, und<br />

sein übler Einfluss macht sich zunehmend im<br />

Stadtgebiet bemerkbar. Damit die Charaktere<br />

aber Zeuge der weiteren Geschehnisse<br />

werden können, muss der Spielleiter sie zunächst<br />

an der Abreise hindern. Die Durchsuchung<br />

von Damian Foggs Haus, die Verhöre<br />

der Kultisten sowie der anschließende Prozess,<br />

bei dem die Charaktere als Zeuge der<br />

Anklage auftreten, und die abschließende<br />

Hinrichtung all das sollte wenigstens eine Woche<br />

in Anspruch nehmen. Zusätzlich gewährt<br />

der Fürst, der von der Stadt aus das Umland<br />

regiert, den Charakteren eine Audienz, da er<br />

sie persönlich kennen lernen möchte. Diese<br />

Audienz ist für das Ende der zweiten Woche<br />

angesetzt, und es wäre äußerst unhöflich,<br />

diese auszuschlagen.<br />

Während ihres Aufenthaltes könnten die<br />

Charaktere die Zeit nutzen, um in den Tempelarchiven<br />

zu stöbern und mehr über den<br />

Kult des Daenethor herauszubekommen.<br />

Die Lage spitzt sich zu<br />

In den kommenden zwei Wochen wird sich<br />

die Atmosphäre in der Stadt unter dem Einfluss<br />

Daenethors deutlich zum Schlechtem<br />

verändern. Schließlich entlädt sich der aufgestaute<br />

Groll in einem Bürgeraufstand, der<br />

Daenethors Widerkehr einläutet (s. 3. Akt).<br />

Davor sollten die Charakter in alltäglichen<br />

Szenen jedoch die zunehmende Spannung in<br />

der Stadt bemerken. Der Spielleiter kann die<br />

folgenden Vorschläge benutzen und sie nach<br />

Belieben über den zweiten Akt verteilen. Er<br />

kann aber auch eigene Zwischenfälle arrangieren.<br />

Der Aufstand findet erst nach der Rückkehr<br />

der Charaktere aus den Ruinen von Szannesh<br />

statt. Kurz vor dem Abstieg der Charaktere in<br />

die Unterwelt der Stadt sollten die Aggressionen<br />

schon weit fortgeschritten sein.<br />

Zwei Marktfrauen<br />

Zwei Marktweiber streiten sich. Das ist<br />

zwar nichts Ungewöhnliches, aber der Ton<br />

scheint doch um einiges giftiger zu sein als<br />

gewöhnlich, so als läge der Angelegenheit<br />

ein persönlicher Groll zu Grunde. Jeden Tag<br />

flammt der Streit erneut auf, und der Ton<br />

wird immer gehässiger, bis es für Ohrenzeugen<br />

nicht mehr amüsant, sondern unangenehm<br />

ist zuzuhören. Einige Tage später<br />

bewerfen sie sich mit Obst oder Gemüse,<br />

und schließlich gehen sie aufeinander los.<br />

Vielleicht blitzt auch plötzlich ein Messer in<br />

einer Faust…<br />

Das Wirtshaus<br />

In der Herberge, in der die Charaktere<br />

abgestiegen sind – mittlerweile als Gäste<br />

der Stadt, da sie Prozesszeugen sind – und<br />

in dem Wirtshaus, das die Charaktere besuchen,<br />

machen sich ebenfalls Stimmungsumschwünge<br />

bemerkbar. Das Personal wird immer<br />

mürrischer und kratzbürstiger, die Gäste<br />

werden immer wortkarger und beschweren<br />

sich laufend über Unterbringung, das Essen,<br />

die lausige Bedienung usw. Es ist, als fände<br />

jeder überall ein Haar in der Suppe. Der Wirt<br />

schnauzt wegen jeder Kleinigkeit seine Bedienungen<br />

an, auch vor Gästen, und schließlich<br />

wird auch die eine oder andere Ohrfeige<br />

ausgeteilt.<br />

Eine Schankmagd erhält von einem Gast<br />

einen Backenstreich, weil das Bier angeblich<br />

Seite 27


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

unsauber gezapft sei. Ein zweiter Gast schreitet<br />

zur Rettung der jungen Frau, indem er<br />

dem ersten eins mit dem Bierkrug überzieht.<br />

Und schon ist die schönste Schlägerei im Gange,<br />

die auf den Rest des Lokals übergreift.<br />

Schließlich werden Schlägereien in den<br />

Kneipen alltäglich,, und auch Knochenbrüche<br />

und andere erste Verletzungen sind an<br />

der Tagesordnung.<br />

Die Stadtwache<br />

Das Auftreten der Wachsoldaten wird immer<br />

herrischer und selbstgerechter. Schließlich<br />

nimmt ihre Pflichtausübung den Charakter<br />

einer Schikane an: Bürger werden ohne<br />

ersichtlichen Grund verhört, gedemütigt, zu<br />

einer Geldstrafe angehalten oder verhaftet.<br />

Auch die Faust sitzt dem Auge des Gesetzes<br />

sehr locker. Bei der Festnahme von Verbrechern<br />

setzt sich zunehmend die Maxime<br />

“Keine Gefangenen” durch. Charaktere, die<br />

auf Grund ihrer Teilnahme an der Zerschlagung<br />

des Kults noch einen Sympathiebonus<br />

genießen, können in Gesprächen Aussagen<br />

wie “den Schweinestall gründlich ausmisten”,<br />

“Bürger sind zu verwöhnt, das wird<br />

sich grundlegend ändern”, “da muss man<br />

hart durchgreifen”, “Schmerz ist ein guter<br />

Lehrmeister” oder “eine tüchtige Abreibung<br />

hat noch keinem geschadet” aufschnappen.<br />

Die Bürger<br />

Die Abneigung der Bürger gegen die Obrigkeit<br />

wird immer offensichtlicher. Die giftigen<br />

Blicke, welche die Stadtwache erntet, die<br />

kurzen, getuschelten Gespräche, in denen<br />

es darum geht, dass “Dinge sich grundlegend<br />

ändern müssen”, das Urinieren eines<br />

Bürgers an die Fahnen des Fürsten – all das<br />

sind Symptome, das die Gesellschaft aus den<br />

Fugen gerät.<br />

Allgemeine Stimmung<br />

Die Bewohner in der Stadt werden immer<br />

reizbarer, aggressiver, launischer und zänkischer,<br />

ja sogar gehässiger, je mehr Tage ins<br />

Land gehen. Schließlich kommt es überall zu<br />

Raufereien und Schlägereien, die nicht selten<br />

mit blutigen Köpfen und gebrochenen Nasen<br />

enden. Die Ursachen sind meist Bagatellen.<br />

Die Zunahme an Kneipenschlägereien mit<br />

ernstlich Verletzten und die Ausbreitung<br />

von Gewaltverbrechen führt dazu, dass eine<br />

Ausgangssperre von Sonnenuntergang bis<br />

Sonnenaufgang verhängt wird, was den Unmut<br />

in der Bevölkerung weiter schürt. Die<br />

Stadtwache, die ebenfalls unter dem Einfluss<br />

Daenethors steht, greift immer härter durch,<br />

um der Lage Herr zu werden, doch Gewalt<br />

erzeugt nur mehr Gewalt.<br />

Der Fürst hofft durch öffentliche Bestrafungen<br />

wie Auspeitschungen, An-den-Pranger-stellen<br />

und sogar Hinrichtungen die Situation<br />

unter Kontrolle zu bekommen, aber er<br />

erreicht genau das Gegenteil. Der siedende<br />

Groll in der Bevölkerung entlädt sich im 3.<br />

Akt in einem gewalttätigen Aufstand.<br />

Die Beeinträchtigung<br />

der Charaktere<br />

Auch die Spielercharaktere können sich<br />

dem unheilvollen Einfluss nicht entziehen.<br />

Sie sind zunehmend gereizter Stimmung,<br />

und ab Beginn der zweiten Woche müssen<br />

sie jedes Mal einen Willenskraftwurf mit MW<br />

11 bestehen, um in einer angespannten Situation<br />

nicht ihren Aggressionen freien Lauf zu<br />

lassen. Der MW steigt jeden Tag um einen<br />

Punkt.<br />

Neue Erkenntnisse<br />

Weitere Nachforschungen in Richtung des<br />

Daenethor-Kults tragen Frucht. Sofern die<br />

Spielercharaktere keine weiteren Anstrengungen<br />

in diese Richtung unternehmen,<br />

kümmern sich die Religionsgemeinschaften<br />

in der Stadt selbst darum, da sie das plötzliche<br />

Auftauchen eines neuen Kults alarmiert<br />

hat. Die gewonnenen Erkenntnisse, die sie<br />

aus den Tiefen ihrer Archive ausgraben und<br />

aus der Alten Sprache übersetzen, bringen<br />

sie den Charakteren zu Gehör.<br />

Auch das Stadtarchiv, das nichts zum Thema<br />

Daenethor aufwies, wird jetzt gezielt auf<br />

Hinweise durchforstet.<br />

Folgendes kommt ans Licht:<br />

Die Stadt Szannesh wurde vor Jahrhunderten<br />

wegen ihrer Verehrung eines Götzen, die<br />

auch mit Menschenopfern verbunden war,<br />

geschleift, die Einwohner wurden vertrieben<br />

und die federführenden Kultisten hingerichtet.<br />

Anschließend bedeckte man die Überreste<br />

der Stadt mit Erde, um sie regelrecht vom<br />

Erdboden verschwinden zu lassen.<br />

Intensivere Recherchen ergeben, dass die<br />

aktuelle Stadt über den Resten von Szannesh<br />

erbaut wurde. Tatsächlich ist man in der<br />

Vergangenheit bei Ausschachtungsarbeiten<br />

bereits auf Ruinen gestoßen, was darauf hinwies,<br />

dass hier bereits eine Siedlung existiert<br />

hat. Da die Archäologie in dieser Zeit keine<br />

wissenschaftliche Bedeutung hat, ließ man<br />

die Angelegenheit auf sich beruhen, insbesondere<br />

als man feststellte, dass die Ruinen<br />

keine Wertgegenstände bargen.<br />

Der Spielleiter mag sich folgendes Bild zur<br />

Verdeutlichung vorstellen: Die Überreste des<br />

alten Szannesh liegen unter einem künstlich<br />

aufgeschütteten Hügel. Die Flachdächer der<br />

höheren Gebäude und die Ruinen von Türmen<br />

liegen nur knapp zwei Meter unter der<br />

Erdoberfläche, so dass sie bei der Aushebung<br />

von Kellern entdeckt werden konnten. Die<br />

neuen Gebäude wurden dann sozusagen auf<br />

den Dächern der alten errichtet. Allerdings<br />

ist man nicht alle Nase lang auf Ruinen gestoßen,<br />

sondern nur in einigen wenigen Fällen.<br />

Das Wissen darum geriet im Laufe der Zeit in<br />

Vergessenheit, da es keinen Nutzen brachte,<br />

und verstaubte in irgendwelchen Archiven.<br />

Fortgesetzte Ermittlungen führen schließlich<br />

zu der Erkenntnis, dass bereits einmal in<br />

den ersten hundert Jahren nach Stadtgründung<br />

eine Expedition in die unterirdische<br />

Stadt unternommen wurde, allerdings ohne<br />

irgendwelche Wertgegenstände zu Tage zu<br />

fördern oder wichtige Erkenntnisse zu erbringen.<br />

Der damalige Einstieg befindet sich in einem<br />

mittlerweile baufälligen Gebäude in<br />

einem der verrufensten Stadtviertel, in das<br />

sich nach Einbruch der Dunkelheit selbst die<br />

Stadtwache nur mit Verstärkung wagt.<br />

Alle oben genannten Erkenntnisse erhalten<br />

die Charaktere entweder durch eigene<br />

Nachforschungen oder durch NSC, aber nur<br />

Stück für Stück, so dass sie erst gegen Mitte<br />

oder Ende der zweiten Woche von dem Einstieg<br />

erfahren.<br />

Ab in die Unterwelt<br />

Möglicherweise finden sich in den versunkenen<br />

Ruinen von Szannesh noch weitere<br />

Hinweise auf den Kult des Daenethor. Entweder<br />

kommt die Gruppe selber auf diese<br />

Idee, oder sie wird von einer Religionsgemeinschaft,<br />

beispielsweise den Peiron-Priestern,<br />

oder dem Bürgermeister der Stadt beauftragt.<br />

Das Honorar kann vom Spielleiter<br />

individuell festgelegt werden, sollte aber<br />

vierzig Kupfermünzen pro Kopf nicht übersteigen,<br />

auch nicht nach Verhandlungen. (Ein<br />

Leibwächter verdient 25 Kupfermünzen pro<br />

Tag.)<br />

Der Stadtteil, in dem sich das Haus mit dem<br />

Einstieg befindet, ist als “der Unterbauch” bekannt.<br />

Hier finden sich schmierige Kaschemmen,<br />

in deren Hinterzimmern Glücksspiel betrieben<br />

wird, Rauschgifthöhlen, zweit- und<br />

drittklassige Bordelle sowie allerlei Etablissements<br />

von zweifelhaftem Ruf. Diebe, Hehler<br />

und Halsabschneider haben den Unterbauch<br />

zu ihrer Domäne erklärt. Selbst die gelegentlichen<br />

Razzien der Stadtwache können daran<br />

nichts ändern.<br />

Der “Unterbauch” ist aber auch eine<br />

Wohngegend, in der einfache Arbeiter und<br />

Tagelöhner hausen. Die Häuser sind allesamt<br />

windschief, schmutzig von Ruß und Dreck<br />

und wirken allesamt etwas verkommen. Die<br />

einfach bis abgerissen gekleideten Leute,<br />

Seite 28<br />

Abenteuer


DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

denen die Gruppe auf der Straße begegnet,<br />

werfen den Charakteren verstohlene, misstrauische<br />

Blicke zu. Sofern die Charaktere<br />

deutlich sichtbar bewaffnet oder in Begleitung<br />

der Stadtwache unterwegs sind – man<br />

gibt ihnen maximal drei Soldaten mit –, lässt<br />

man sie in Ruhe. Andernfalls werden sie zum<br />

Ziel von Taschendieben. Pro Charakter würfelt<br />

der Spieler einmal mit 7 + 2w10 mit MW<br />

15. Klappt der Wurf, so verliert der Charakter<br />

einen kleinen Gegenstand nach Wahl des<br />

Spielleiters oder 2w10 Kupfermünzen; bei<br />

einem perfekter Erfolg trifft beides zu. Nur<br />

bei einem kritischen Fehler bemerkt der Betroffene,<br />

dass sich eine fremde Hand in seine<br />

Taschen verirrt hat.<br />

Sind die Charaktere in Begleitung der<br />

Stadtwache, so wird wenigstens einer von<br />

ihnen mit einem faulen Ei oder einer matschigen<br />

Tomate beworfen. Der Werfer ist nicht<br />

auszumachen, und niemand hat etwas gesehen.<br />

Dies ist ein weiteres Anzeichen für die<br />

steigende Abneigung der Bevölkerung gegen<br />

die Obrigkeit.<br />

Sofern die Charaktere den “Unterbauch”<br />

bei Nacht betreten, werden sie einmal mit<br />

einem Steinschauer beworfen. Dadurch erleidet<br />

jeder Charakter 1w10 – 2 Schaden. Die<br />

Attentäter sind nicht auszumachen.<br />

Außerdem geraten die Charaktere einmal<br />

in einen Hinterhalt von vier bis sechs Halsabschneidern.<br />

Sofern den Charakteren kein<br />

Aufmerksamkeitswurf mit MW 18 gelingt, geraten<br />

sie beim Durchqueren einer Gasse überraschend<br />

in den Hinterhalt der Verbrecher,<br />

die plötzlich hinter abgestellten Fässern und<br />

vermeintlichen Müllhaufen hervorkommen<br />

oder von Vordächern herabspringen. Tritt<br />

dies die Charaktere überraschend, so sind<br />

sie in der ersten Kampfrunde erst nach den<br />

Halsabschneidern dran. Die Gauner handhaben<br />

ihre relevante Waffe mit 6 + 2w10, haben<br />

keinen Schadensbonus und eine Konstitution<br />

von Sechs. Sie sind mit Messern und Keulen<br />

bewaffnet.<br />

Sobald die Halsabschneider merken, dass<br />

sie keine leichte Beute vor sich haben, fliehen<br />

sie und verlieren sich im Gewirr der Gassen.<br />

Sie werden keinesfalls bis zum Tode kämpfen.<br />

Abenteuer<br />

Der Einstieg<br />

Der Einstieg zu den Ruinen befindet sich<br />

in einem baufälligen, heruntergekommenen<br />

Gebäude. Das Erdgeschoss besteht aus grob<br />

behauenen Natursteinen, Dach und Obergeschoss<br />

wurden aus Holz errichtet. Das Dach<br />

ist an einigen Stellen eingestürzt und das Holz<br />

im gesamten Obergeschoss ist morsch. Das<br />

gilt auch für die Treppe ins Obergeschoss. Sofern<br />

ein Charakter keinen Geschicklichkeits-/<br />

Athletik-Test mit MW 17 besteht, geben die<br />

Stufen, auf denen er steht, plötzlich nach,<br />

und er stürzt maximal zwei Meter in die Tiefe.<br />

Der gleiche Test wird auch nach Betreten des<br />

Obergeschosses wiederholt. Bei Fehlschlag<br />

bricht der Boden unter dem Charakter ein,<br />

und der Betroffene stürzt zwei Meter tief ins<br />

Untergeschoss.<br />

Eine Durchsuchung des Erdgeschosses<br />

ergibt dreckige Zimmer, alte, kaputte Holzmöbel,<br />

die zum Teil verschürt wurden, sowie<br />

einige Bettstätten aus beschmutzten Wolldecken.<br />

Einer der Räume wird offensichtlich<br />

als Latrine benutzt. In dem Haus haben sich<br />

einige Obdachlose und Bettler eingelassen,<br />

die tagsüber außer Haus sind, sofern einige<br />

nicht gerade ihren Rausch ausschlafen.<br />

Eine Falltür im Boden führt in einen unaufgeräumten<br />

Erdkeller, in dem sich kaputte<br />

Kisten, alte Kleider und alte Kartoffelsäcke<br />

stapeln. Mit MW 15 bei einem Aufmerksamkeitswurf<br />

bemerkt man, dass die in die Keller<br />

führende Leiter noch keine Anzeichen von<br />

Verfall zeigt.<br />

Bei einer gründlichen Durchsuchung des<br />

Kellers mit MW 16 stoßen die Charaktere<br />

schließlich auf eine Holzkiste, unter der sich<br />

der Einstieg in die Unterwelt verbirg. Ein Aufmerksamkeitswurf<br />

mit MW 11 ergibt, dass an<br />

der Unterseite der Kiste zwei Lederschlaufen<br />

angebracht wurden, die offenbar dazu<br />

dienen, die Kiste von unten her über das<br />

Einstiegsloch zu ziehen. Eine weitere Leiter<br />

führt in lichtlose Tiefen.<br />

Der Turm<br />

Was die Charaktere vor sich bzw. unter sich<br />

haben, sind die Reste eines Turmes, der noch<br />

vier Stockwerke misst. Die Charaktere steigen<br />

also wenigstens insgesamt acht Meter in<br />

die Tiefe, bis sie das Erdgeschoss erreichen.<br />

Die einzelnen Stockwerke sind durch kleine<br />

Stiegen miteinander verbunden. Alle<br />

Räume des Turmes sind staubig, aber nicht<br />

so staubig, wie sie nach Jahrhunderten sein<br />

müssten.<br />

Der Turm dient nämlich als Versteck einer<br />

Verbrecher-Gilde, die hier die Mitglieder unterbringt,<br />

die kurze oder längere Zeit untertauchen<br />

müssen.<br />

Einmal in der Woche werden sie mit Nahrungsmitteln<br />

versorgt. Die Verbrecher bewohnen<br />

nur das zweite Obergeschoss, weil<br />

weiter unten die Luft zu schlecht wird.<br />

Lichtverhältnisse<br />

Unter der Erde ist es grundsätzlich dunkel.<br />

Die Charaktere sind daher gut beraten, sich<br />

reichlich mit Lampen oder Fackeln einzudecken.<br />

Hinweise zu unterirdischen Expeditionen<br />

finden sich auf S. 321 im Grundregelwerk.<br />

Der Spielleiter sei an dieser Stelle daran erinnert,<br />

dass Fackeln und Laternen nicht ewig<br />

brennen, was insbesondere bei längeren Expeditionen<br />

zu beachten ist.<br />

Der dritte Stock<br />

Die Charaktere befinden sich in einem<br />

runden, völlig leeren Raum mit gemauerten<br />

Wänden. Der Durchmesser des Raumes beträgt<br />

sechs Meter. Eine Stiege führt hinab in<br />

die dritte Etage, aus der ein Lichtschein hinaufdringt.<br />

Der zweite Stock<br />

Hier hausen drei Verbrecher. Die Luft riecht<br />

säuerlich und verbraucht. Die Verbrecher haben<br />

folgende Werte: Dolche 6 + 2w10, Kurzschwert<br />

6 + 2w10, Kon 6, Rüstung: verstärkte<br />

Kleidung (RS: 1). Die Halunken sind gerade<br />

mit einem Kartenspiel beschäftigt. Sofern die<br />

Charaktere leisen (d.h. mit Schleichen gegen<br />

MW 11) in das Obergeschoss des Turms eingestiegen<br />

sind, hocken die Verbrecher noch<br />

im Schein einer Öllampe beisammen und benutzen<br />

eine Kiste als behelfsmäßigen Tisch.<br />

Wurden sie jedoch aufgeschreckt, so haben<br />

sie die Lampe gelöscht und warten mit<br />

gezogenen Waffen in der Dunkelheit. Eine<br />

Falltür führt hinab ins nächste Stockwerk.<br />

Der erste Stock<br />

Hier stinkt es erbärmlich, denn in diesem<br />

Raum befindet sich der Latrinenkübel und<br />

eine behelfsmäßige Waschgelegenheit. Die<br />

Abwässer werden durch eine Falltür ins Erdgeschoss<br />

gekippt.<br />

Das Erdgeschoss<br />

Dieser Raum ist eine wahre Sickergrube,<br />

in der sich Faulgase gebildet haben. Das Versteck<br />

ist schließlich schon lange in Benutzung.<br />

Öffnen die Charaktere die Falltür zum Erdgeschoss,<br />

so schlägt ihnen dabei ein umwerfender<br />

Gestank entgegen. Lässt ein Charakter<br />

eine Fackel nach unten fallen oder steigt mit<br />

offenem Licht – und dazu zählt auch eine Laterne<br />

– die beschmutzte Stiege nach unten,<br />

so löst er damit eine Explosion der Faulgase<br />

aus. Jeder Charakter, der sich im Erdgeschoss,<br />

auf dem Weg ins Erdgeschoss oder<br />

an der Einstiegsluke befindet, erleidet durch<br />

die Druckwelle 2w10 betäubenden Schaden,<br />

gegen den keine Rüstung schützt. Zudem<br />

schleudert die Explosion noch eine Fontäne<br />

Jauche empor, die alle im Raum Anwesenden<br />

bespritzt. Unter der Wucht der Detonation<br />

erbebt auch der Turm, und Staub rieselt aus<br />

dem Gemäuer. Er bleibt aber stehen.<br />

Seite 29


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

Beim Abstieg über die glitschige Steige ins<br />

Erdgeschoss müssen die Charaktere einen<br />

Geschicklichkeits-/Akrobatik-Wurf mit MW 15<br />

bestehen, oder sie stürzen in die Tiefe.<br />

Der Boden des Raumes ist 1,50 Meter hoch<br />

mit einer stinkenden Mischung aus Jahre<br />

alten Abwässern, Urin und Kot gefüllt, landwirtschaftlich<br />

auch Gülle genannt. Ein Teil<br />

der Abwässer ist durch den gestampften<br />

Erdboden gesickert und hat diesen in Morast<br />

verwandelt. Es gibt hier nur eine Tür nach<br />

draußen, die aber von innen vernagelt wurde.<br />

Die Tür hat Härte 10 und Struktur 50.<br />

Sofern die Faulgase nicht durch ein Explosion<br />

beseitigt wurden, erschweren sie das<br />

Atmen, weswegen jeder im Raum vom Ersticken<br />

bedroht ist (vgl. Ertrinken im Regelwerk<br />

S. 162).<br />

Im Erdgeschoss hatten sich zudem Dutzende<br />

von Ratten häuslich niedergelassen, die<br />

allerdings eventuell durch die Explosion der<br />

Faulgase umgekommen sind. Falls nicht, so<br />

fallen sie jetzt aufgebracht über die Eindringlinge<br />

her. Für das Rattenrudel nehme man<br />

die Werte des Schwarmes fleischfressender<br />

Fliegen aus dem Grundregelwerk S. 340.<br />

Es hilft nichts: Die Charaktere müssen<br />

durch die stinkende Brühe waten und die Tür<br />

einschlagen. Danach ergießt sich die Jauche<br />

in den freigelegten Gang.<br />

Der Weg ins Ungewisse<br />

Die Expedition führt die Charaktere weiter<br />

in die Ruinen von Szannesh. Als die Stadt geschleift<br />

wurde, haben sich unter den Trümmern<br />

Hohlräume gebildet, die auch von den<br />

Erdmassen nicht gefüllt wurden. Es ist folglich<br />

noch Luft vorhanden, allerdings ist diese<br />

dünn und muffig.<br />

Der Weg durch die Ruinen ist ein Alptraum:<br />

Die Charaktere müssen sich durch die natürlichen<br />

Hohlräume zwängen, durch Spalten<br />

kriechen und über Erdhaufen von Einstürzen<br />

robben, immer von der Gefahr bedroht, dass<br />

die Wände plötzlich nachgeben. Durch eingestürzte<br />

Wandstücke betreten sie dann die<br />

Reste ehemalige Gebäude. Dort befindet sich<br />

nichts von Wert, nur zerstörte Einrichtungen<br />

und die Leichen der Erschlagenen, die beim<br />

Angriff auf die Stadt umkamen.<br />

Glücklicherweise finden die Charaktere<br />

dann plötzlich immer wieder “Wegweiser”:<br />

Spuren im Staub, weggeworfene abgebrannte<br />

Fackeln, frisch durchbrochene Wände. Die<br />

sind die Hinterlassenschaften von Damian<br />

Foggs Expedition. Er ist seinerzeit durch einen<br />

anderen Einstieg hereingekommen und<br />

hat sich mühsam mit seinen Helfern den Weg<br />

zum Tempel gebahnt. Dabei ging es nicht<br />

ohne Irrwege ab. Selbst wenn die Charaktere<br />

Damians Spuren folgen, gelangen sie immer<br />

wieder an Stellen, an denen die Spuren in zwei<br />

Richtungen laufen. Mit einer 50 : 50 Chance<br />

erwischen die Charaktere den richtigen Weg,<br />

sonst landen sie nach 2w10 Minuten in einer<br />

Sackgasse und müssen umkehren.<br />

Beim Weg durch die Ruinen wird der zunehmende<br />

Luftmangel der schlimmste Feind<br />

der Charaktere werden. Für den direkten<br />

Weg zum Tempel benötigen die Charaktere<br />

zwei Stunden zuzüglich der Zeit, die sie durch<br />

Irrwege verlieren.<br />

Alle 15 Minuten im Spiel müssen die Charaktere<br />

einen Konstitutionswurf ablegen, zunächst<br />

gegen MW 8, dann gegen MW 9 und<br />

so weiter. Für jeden Fehlschlag erhält der<br />

Charakter einen Punkt betäubenden Schaden,<br />

bei einem kritischen Fehler sogar zwei.<br />

Tragen die Charaktere Fackeln bei sich, die<br />

ebenfalls Sauerstoff verbrauchen, so erhöht<br />

sich der MW um drei.<br />

Ghule!<br />

Als die Stadt zerstört wurde, verstecken<br />

sich einige der Bewohner in den Keller ihre<br />

Häuser bzw. zwischen den Ruinen. Sie alle<br />

wurden mitsamt der Stadt lebendig begraben.<br />

Zuerst aßen sie die verbliebenen Lebensmittel,<br />

dann Ungeziefer, später ihre Toten<br />

und dann sich selbst. Im Überlebenskampf<br />

wurde der Kannibalismus zu einer monströsen<br />

Selbstverständlichkeit.<br />

Als die wenigen Überlebenden schließlich<br />

am Luftmangel und Entkräftung zu Grunde<br />

gingen, ließ ihre Bösartigkeit sie als Ghule<br />

(Beschreibung s. Grundregelwerk S. 364)<br />

weiterleben. Und nach einigen Jahrhunderten<br />

ihres untoten Daseins sind sie verdammt<br />

hungrig…<br />

Zu einem beliebigen Zeitpunkt während<br />

der Expedition sollten die Charaktere von einer<br />

gleich großen Gruppe Ghulen attackiert<br />

werden. Ob die Charaktere versehentlich in<br />

ein Ghulnest hineinlaufen, in einen Hinterhalt<br />

geraten oder längere Zeit verfolgt werden,<br />

das sei dem Spielleiter überlassen.<br />

Die Ghule sind übrigens auch die Erklärung<br />

dafür, weswegen die Tür im Erdgeschoss des<br />

Turmes von innen vernagelt war.<br />

Auf Grund der beengten Verhältnisse in<br />

den Gängen oder unterirdischen Räumen<br />

wird der Gebrauch jeder Waffe, welche die<br />

Größenklasse M überschreitet – zum Beispiel<br />

Zweihandwaffen – mit einem Abzug von -3<br />

belegt; zudem entfällt der Stärkebonus auf<br />

den Schaden. Des Weiteren bleibt nur wenig<br />

Platz zum Ausweichen, wodurch der VW aller<br />

Beteiligten, auch der Ghule um -2 reduziert<br />

wird; dies gilt auch für Ausweichmanöver.<br />

Der Tempel<br />

Der Spielleiter sollte den Weg der Charaktere<br />

atmosphärisch so dicht wie möglich schildern.<br />

Sie befinden sich gut zehn Meter unter<br />

der Oberfläche, und können jederzeit von<br />

einem Erdrutsch verschüttet werden. Um<br />

sie herum ist es dunkel, und ihre Sichtweite<br />

ist stark begrenzt. Da kann schon ein Gefühl<br />

der Klaustrophobie aufkommen. Deswegen<br />

führt der Spielleiter einmal einen Furchtwurf<br />

mit 2 + 2w10 gegen den geistigen Widerstand<br />

(GW) der Charaktere durch. Näheres zur Auswirkung<br />

von Furcht auf Seite 311 im Grundregelwerk.<br />

Die Furcht dauert bis zur Rückkehr<br />

der Charaktere ans Tageslicht an.<br />

Am Ende ihrer Odyssee landen die Charaktere<br />

schließlich in der zerstörten Haupthalle<br />

des Tempels. Eingestürzte Säulen und Teile<br />

des eingebrochenen Dachs haben sich so<br />

verkeilt, dass sie eine Art schiefes M bilden,<br />

welches den Tempel vom völligen Einsturz<br />

bewahrt hat. Trotz der Zerstörung ist die frühere<br />

Majestät des Tempels noch zu erahnen:<br />

Herrliche Reliefs und Verzierungen bedecken<br />

Wände, Säulen und Boden. In der Altarnische<br />

prangt in dunklem Stein meterhoch das Zeichen<br />

Daenethors.<br />

Damian Foggs Spuren führen die Charaktere<br />

zu einer geheimen Bibliothek. Die Geheimtür<br />

in der Wand wurde offengelassen.<br />

Schriftrollen und Folianten liegen achtlos<br />

herum; offenbar wurde der gesamte Raum<br />

durchsucht und dabei auf den Kopf gestellt.<br />

Das war Fogg, der nach einer Möglichkeit<br />

suchte, seine Gott zurückzuholen. Alle wesentlichen<br />

Fundstücke hat er mitgenommen,<br />

in mühevoller jahrelanger Kleinarbeit aus<br />

der Alten Sprache übersetzt und schließlich<br />

außerhalb seines Hauses an einem nur ihm<br />

bekannten Ort versteckt.<br />

Die Charaktere sollte nur wenig Gelegenheit<br />

erhalten, sich hier umzusehen. Kaum haben<br />

sie eine Schriftrolle oder einen Folianten<br />

aufgenommen, geht ein Stöhnen durch das<br />

Gemäuer des Tempels. Nach Jahrhunderten<br />

gibt die belastete Struktur endlich nach. Die<br />

Charaktere müssen rasch zum Ausgang rennen,<br />

während um sie herum die Decke einstürzt.<br />

Dreimal müssen sie dabei einen Ausweichen-Wurf<br />

mit MW 13 bestehen, um nicht<br />

von Trümmerstücken getroffen zu werden<br />

und 1w10 + 3 Schaden zu nehmen.<br />

Kaum haben die Charaktere den Tempel<br />

verlassen, als er auch schon hinter ihnen einstürzt.<br />

Eine gewaltige Wolke aus Staub und<br />

Dreck hüllt die Charaktere ein, und sie müsse<br />

zehn Runden lang die Luft anhalten, um keinen<br />

Dreck einzuatmen (vgl. Ertrinken S. 162<br />

im Regelwerk).<br />

Seite 30<br />

Abenteuer


DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Der Weg zurück dauert für die Charaktere<br />

wieder wenigstens zwei Stunden, wobei sie<br />

wieder aufpassen müssen, ob sie nicht Damians<br />

Spuren in die falsche Richtung folgen.<br />

Dies entscheiden Orientierungswürfe mit<br />

MW 11. Die Charaktere müssen so oft würfeln,<br />

wie sie auf dem Herweg Abzweigungen<br />

hatten; also nach Entscheid des Spielleiters.<br />

Jeder Fehlschlag kostet 2w10 Minuten zusätzliche<br />

Wegzeit. Wie auch beim Hinweg,<br />

müssen die Charaktere auch jetzt Konstitutionswürfe<br />

ausführen.<br />

Es spielt keine Rolle, ob die Charaktere den<br />

Weg zurück zum Turm nehmen oder Damians<br />

Spuren zurückverfolgen zu einem Gebäude<br />

mit vier Geschossen, dessen Deckenausstieg<br />

in ein enormes leeres Weinfass führt, dessen<br />

Vorderteil sich aufklappen lässt. Die Charaktere<br />

sind in einer Kellerei gelandet, die einem<br />

der verstorbenen Kultisten gehörte.<br />

Endlich können sie wieder frische Luft atmen!<br />

Bei sich haben sie eins der Dokumente<br />

aus der Tempelbibliothek, das der Entzifferung<br />

harrt. Sollten die Charaktere nicht daran<br />

gedacht haben, so legt der Spielleiter fest,<br />

dass einer der Charaktere unbewusst eine<br />

Schriftrolle umklammert hatte, als er aus<br />

dem einstürzenden Tempel floh.<br />

Erfahrungspunkte<br />

Abstieg in die Unterwelt und erfolgreiche<br />

Rückkehr: 1 EP<br />

Kampf gegen die Ghule: 1 EP<br />

3. Akt<br />

Abenteuer<br />

Als Letztes muss das mitgebrachte<br />

Schriftstück entziffert werden. Falls<br />

sich einer der Charaktere bislang<br />

mit der Kladde aus Damian Foggs Besitz,<br />

welche als Wörterbuch und Grammatik zur<br />

Alten Sprache dient, regelmäßig beschäftigt<br />

hat, so kann er jetzt sechs Erfahrungspunkte<br />

ausgeben, um die Alte Sprache verstehen zu<br />

können. In diesem Fall benötigt er auf Grund<br />

der Komplexität der Sprache einen Tag, um<br />

sich durch das Fundstück zu lesen und zur<br />

entscheidenden Stelle zu gelangen. Es dauert<br />

genauso lange, die Schrift von einem Gelehrten<br />

– z. B. in einem der Tempel – übersetzen<br />

zu lassen.<br />

Bei dem Schriftstück, egal ob Foliant oder<br />

dicke Schriftrolle, handelt es sich offenbar<br />

um einen Teil der Stadtchronik von Szannesh.<br />

Leider ist das genaue Datum nicht mehr leserlich.<br />

Gegen Ende des Dokumente stößt<br />

der Leser auf folgende Passage:<br />

“…doch in jener Zeit geschah es, dass großer<br />

Unfriede unsere Stadt Szannesh heimsuchte.<br />

Unruhe und Streit herrschte unter der Bevölkerung,<br />

und schließlich reichte bereits ein<br />

falsches Wort aus, dass Blut vergossen wurde.<br />

Alle Bemühungen unseres gnädigen Herrschers<br />

Simeon IV., den Zustand der Verrohung<br />

und Zügellosigkeit zu beenden, wurden mit<br />

Zorn beantwortet – so wie bei einem Hunde,<br />

der die Hand beißt, die ihn füttert. Schließlich<br />

hielt nichts mehr die schäumende Wut des<br />

undankbaren Volkes in Schranken, und ein wütender<br />

Mob wälzte sich durch die Straßen, Tod<br />

und Zerstörung folgten ihm wie Bluthunde.<br />

Bruder wandte sich gegen Bruder, Väter gegen<br />

ihre Kinder.<br />

Doch in der dunkelsten Stunde erbarmte<br />

sich der, der von nun an Daenethor geheißen<br />

würde, unserer. Er erfüllte unseren Herrscher<br />

Simeon IV., und dieser trat hinaus vor das<br />

wütende Volk und sprach zu ihm. Da wich die<br />

Verblendung von ihnen, und die Weisheit der<br />

Worte Daenethors erfüllten ihr Herz. Und so<br />

gelobte das Volk, seinen Retter Daenethor zu<br />

verehren bis zum Ende aller Zeit und ihm einen<br />

Platz in ihrer Mitte zu geben, wie er ihm<br />

gebührte, auf das er die Geschicke Szanneshs<br />

lenken möge bis in alle Ewigkeit.<br />

Und so kehrte die Hoffnung in die Straßen<br />

von Szannesh zurück, und die Stadt blühte<br />

und gedieh unter der Herrschaft Daenethors,<br />

unseres Allerhöchsten, dessen fleischliche Hülle<br />

einst Simeon IV. gewesen ward. Diejenigen<br />

aber, die falschen Geistes waren und sich weigerten,<br />

die Güte unseres Herren anzuerkennen<br />

und ihn zu verehren, wie es versprochen ward,<br />

wurden gefangen und geopfert zu seinem<br />

Wohlgefallen.<br />

Heil Daenethor!”<br />

Auf den Folgeseiten wird die Herrschaft<br />

Daenethors gepriesen. Wer zwischen den<br />

Zeilen liest, erkennt jedoch schnell, dass es<br />

sich um eine Diktatur handelte, in der jeder<br />

jeden bespitzelte, um ihn beim kleinsten Verdacht<br />

auf Unbotmäßigkeit an die Obrigkeit<br />

zu verraten.<br />

Hexenkessel<br />

In dem Augenblick, in dem die Charaktere<br />

die Parallelen zwischen der Lage in Szannesh<br />

und der jetzigen Stadt verstehen, sollte der<br />

Volksaufstand losbrechen. Eine aufgewühlte<br />

Menge drängt sich durch die Straßen, bewaffnet<br />

mit allem, was ihr in die Hände gerät,<br />

und greift alle Vertreter der verhassten<br />

Obrigkeit an. Die Straßen verwandeln sich<br />

in ein Schlachtfeld, durch das man sich nur<br />

mit größter Mühe seinen Weg bahnen kann.<br />

Überall werden Scheiben eingeschlagen und<br />

Gegenstände demoliert. Tod und Verwüstung<br />

kennzeichnen den Weg des Mobs.<br />

Den Charakteren sollte mittlerweile klargeworden<br />

sein, dass Daenethor versuchen<br />

wird, den Herrscher der Stadt zu übernehmen<br />

und dann Kraft seines Einflusses den<br />

Aufstand zu beenden. Danach wird er sich<br />

als Retter in höchster Not feiern und verehren<br />

lassen. Die alte Schrift lässt auch keinen<br />

Zweifel daran, welches Schicksal Daenethors<br />

Gegnern droht. Die Charaktere müssen also<br />

zur Residenz des Herrschers gelangen. Dazu<br />

können sie in wildem Galopp durch die Straßen<br />

sprengen und jeden Widerstand niederreiten<br />

oder den gefahrvollen Weg über die<br />

Dächer wählen oder sich zu Fuß durch die<br />

Straßen der Stadt bewegen und zu versuchen,<br />

den Mob in Seitengassen zu umgehen<br />

oder zu überholen.<br />

Die Rettung des Bürgermeisters<br />

Stadtwachen werden ergriffen und zu Tode<br />

getrampelt, das Rathaus gestürmt und alle<br />

Beamten verprügelt, erschlagen oder zum<br />

Fenster hinaus geworfen. Rasch werden einige<br />

Stricke organisiert, dem Bürgermeister<br />

und den höchsten Beamten die Schlinge um<br />

den Hals gelegt, und dann werden sie vom<br />

Rathausbalkon gestoßen, um zu baumeln.<br />

Es liegt an den Charakteren, diesen Lynchmord<br />

noch zu verhindern. Die Mitglieder des<br />

Mobs sind keine ausgebildeten Kämpfer,<br />

und ihre Waffen sind Knüppel, Handsicheln,<br />

Werkzeuge wie Hämmer und Äxte, aber auch<br />

Messer in verschiedenen Größen. Was ihnen<br />

an Kampfgeschick fehlt, machen sie aber<br />

durch ihre blinde Wut wieder wett. Schwer<br />

verwundete Gegner geben sofort auf oder<br />

versuchen zu fliehen. Allerdings verlieren die<br />

Charaktere wertvolle Zeit auf dem Weg zur<br />

Residenz des Fürsten.<br />

Ihr weiteres Fortkommen kann dann noch<br />

durch aggressive Zusammenrottungen von<br />

Aufständischen und Plünderern behindert<br />

werden.<br />

Die Residenz<br />

Der Wohnsitz des Fürsten ist zur Verteidigung<br />

vorbereitet worden: Türen und Fenster<br />

im Erdgeschoss sind verrammelt, und in einigen<br />

Fenstern des Obergeschosses sind Wachen<br />

mit Armbrüsten oder Bögen zu sehen.<br />

Die Spielercharaktere werden zunächst<br />

mit einem Warnschuss empfangen, sofern<br />

sie offensichtlich bewaffnet sind. Der Zutritt<br />

zur Residenz ist ihnen verwehrt. Jetzt kann<br />

es sich auszahlen, falls die Charaktere bislang<br />

mit der Obrigkeit gut zusammengearbeitet<br />

haben und ihre Namen bekannt sind. Andernfalls<br />

müssen sie ihr Charisma einsetzten<br />

oder überzeugend argumentierten. Sind sie<br />

erfolgreich, wird aus einem Fenster im Obergeschoss<br />

ein Seil herabgelassen, an dem sie<br />

emporklettern müssen. Kaum haben sie es<br />

geschafft, stürmt schon der aufgebrachte<br />

Seite 31


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

Mob auf den Platz, und das Seil muss rasch<br />

eingeholt werden.<br />

In der Residenz angekommen, müssen die<br />

Charaktere zuerst die Wachen überzeugen,<br />

dass man ihnen ihre Waffen lässt und dass<br />

sie dringend zum Fürsten müssen.<br />

Vielleicht versuchen die Charaktere aber<br />

auch zuerst, den Mob zu besänftigen und die<br />

Menge durch Verhandlungen hinzuhalten<br />

oder irgendwie zu beeinflussen.<br />

Daenethors Rückkehr<br />

Der Fürst befindet sich in seinen Privatgemächern<br />

mit einigen seiner treuesten<br />

Gardisten. Die Anzahl entspricht der der<br />

Spielercharaktere. Der Spielleiter entscheidet,<br />

ob Daenethor den Fürsten übernimmt,<br />

bevor oder nachdem die Charaktere eingetroffen<br />

sind. Dabei sollte er fairerweise die<br />

Konsequenzen dieser Entscheidung ebenso<br />

berücksichtigen wie die Geschwindigkeit,<br />

mit der die Charaktere zur Residenz gelangt<br />

sind.<br />

Der Fürst wurde<br />

bereits übernommen<br />

Daenethor ist am Ziel angelangt. Sein neuer<br />

Körper verfügt bereits über ungeahnte Fähigkeiten;<br />

die Werte befinden sich im Appendix.<br />

Äußerlich erscheint der Fürst unverändert, es<br />

geht jedoch eine Aura großer Macht von ihm<br />

aus, und sein Blick hat etwas Zwingendes. Es<br />

ist unmöglich, die Gardisten des Fürsten davon<br />

zu überzeugen, dass ihr Herr von einer<br />

dunklen Macht besessen ist. Der Fürst sagt<br />

lediglich beiläufig zu seinen Wachen: “Merkt<br />

Ihr, dass sie mit den Aufständischen im Bunde<br />

sind. Es sind Verräter. Tötet sie!”<br />

Der Kampflärm alarmiert sofort weitere<br />

Wachen. Sind die Charaktere zum Gemach<br />

des Fürsten geleitet worden, so haben sie es<br />

mit wenigstens zwei weiteren Gardisten zu<br />

tun, und nach drei Runden treffen<br />

1W4 weitere Soldaten ein. Der<br />

Rest der Soldaten ist mit<br />

der Verteidigung der Residenz<br />

gegen die Aufständischen<br />

beschäftigt. Ihr<br />

Anzahl kann mit 1W6 +<br />

4 willkürlich bestimmt<br />

werden.<br />

Sobald die Charaktere<br />

mit den Soldaten<br />

fertig geworden<br />

sind, müssen sie<br />

feststellen, dass Daenethor<br />

ein harter<br />

Brocken ist. Vielleicht<br />

müssen sie unverrichteter<br />

Dinge fliehen.<br />

Der Fürst wurde noch<br />

nicht übernommen<br />

Unterrichten die Charaktere den Fürsten<br />

von ihren Erkenntnissen, so schnauzt er sie<br />

an: “Was erzählt Ihr da für Märchen? Merkt<br />

Ihr nicht, dass wir ganz andere Probleme im<br />

Augenblick haben? Helft lieber bei der Verteidigung<br />

meines Heims!”<br />

Einen Augenblick später entringt sich<br />

ein Röcheln seiner Kehle, und die Augäpfel<br />

verdrehen sich nach oben, bis nur noch das<br />

Weiße zu sehen ist. Ein kurzes Zucken läuft<br />

durch seinen Körper, während seine Wache<br />

ihn ratlos und verblüfft anstarren. Dann entspannt<br />

sich der Fürst, und ein Lächeln gleitet<br />

über seinen Lippen. Das Ganze dauert zehn<br />

Sekunden.<br />

Daenethor hat gerade den Fürsten übernommen.<br />

Ihm bleiben noch zwanzig Sekunden,<br />

bis sein neuer Körper die volle Macht erlangt.<br />

In dieser Zeit ist er verwundbar wie ein<br />

normaler Mensch. Stirbt der Fürst in dieser<br />

Zeit, so wird Daenethor damit aus der materiellen<br />

Ebene verbannt.<br />

Die Charaktere können die Gelegenheit<br />

ausnutzen, dass die Aufmerksamkeit der Wachen<br />

sich auf den Fürsten konzentriert, und<br />

angreifen. Die Wachen gelten als überrascht<br />

und sind eine Runde lang nicht handlungsfähig.<br />

Der Fürst hingegen versucht, in die<br />

anliegenden Gemächer zu fliehen und Verstärkung<br />

zu rufen. Die Gardisten verteidigen<br />

ihren Herren bis zum Tode.<br />

Sollte der Fürst getötet werden, versuchen<br />

sie, sich an seinen Mördern zu rächen. Wie<br />

im vorherigen Abschnitt ruft auch hier der<br />

Kampf weitere Soldaten herbei. Da Daenthor<br />

geschlagen ist, weicht mit ihm auch die Atmosphäre<br />

der Aggression von der Stadt, und<br />

der Aufstand hört innerhalb kurzer Zeit auf<br />

zu existieren.<br />

Sollte einer der Charaktere den Fürsten<br />

k.o. schlagen, während Daenethor diesen<br />

übernimmt, so nehmen die Wachen die Gruppe<br />

fest. Sobald der Fürst aus seiner Bewusstlosigkeit<br />

erwacht, lässt er die Charaktere im<br />

Keller einsperren, und versichert, dass er<br />

sich um die Angelegenheit kümmern werde,<br />

sobald der Aufstand niedergeschlagen sei.<br />

Es liegt im Ermessen des Spielleiters, ob die<br />

Übernahme des Fürsten durch Daenethor<br />

dann gescheitert ist oder nicht.<br />

Flucht aus der Residenz<br />

Egal, ob die Charaktere jetzt eingesperrt<br />

sind, den Fürsten getötet haben oder vor<br />

Daenethor fliehen, sie müssen die Residenz<br />

verlassen. Ein waghalsiger Sprung aus einem<br />

unbewachten Fenster in die Menge darunter<br />

mag da bereits helfen. Für den Mob sind<br />

Seite 32<br />

Abenteuer


DAS BÖSE ÜBER DER STADT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

jedoch aller Personen, die aus der Residenz<br />

kommen, Feinde, und der gesprungene Charakter<br />

läuft in Gefahr, mit bloßen Händen in<br />

Stücke gerissen zu werden. Der Charakter<br />

muss um sein Leben kämpfen. Sind die Charaktere<br />

zur Residenz geritten, so stehen ihre<br />

Pferde vielleicht noch irgendwo so in der<br />

Menge, dass man mit einem waghalsigen<br />

Sprung im Sattel landen und davon reiten<br />

kann. Allerdings wird der Mob dann immer<br />

noch versuchen, den Reiter vom Pferd zu<br />

ziehen.<br />

Alternativ können die Charaktere sich auch<br />

entschließen, die Wachen an einer verbarrikadierten<br />

Tür zu überfallen, diese zu öffnen<br />

und sich dem Mob damit als Verbündete anzubiedern.<br />

Während die mordlüsterne Menge<br />

ins Haus strömt, können die Spieler sich<br />

dann absetzen.<br />

Die Flucht sollte so dramatisch und schnell<br />

ablaufen wie möglich.<br />

Daenethors Plan<br />

Sobald Daenethor den Fürsten übernommen<br />

hat, und die Charaktere ausgeschaltet<br />

sind, tritt er auf den Balkon der Residenz<br />

und wendet sich gebieterisch an das Volk.<br />

Die Menge kann sich seiner hypnotischen<br />

Ausstrahlung nicht entziehen und lauscht<br />

atemlos seinen Worten. Zugleich beendet<br />

Daenethor den Bann der Aggression, den er<br />

über die Stadt gelegt hat, und bricht damit<br />

dem Aufstand das Genick.<br />

Er beendet seinen Ansprache mit den Worten:<br />

“Geht jetzt nach Hause, und die Angelegenheit<br />

ist damit erledigt. Ihr seid nur unschuldige<br />

Opfer, die Volksverhetzern zum<br />

Opfer gefallen sind. Gegen diese werde ich<br />

unnachsichtig vorgehen, aber euch ist nichts<br />

vorzuwerfen. Und nun geht!”<br />

Die “Volksverhetzer” sind entweder die<br />

Charaktere, die mittlerweile auf der Flucht<br />

sind oder in seinem Keller schmachten, sowie<br />

alle möglichen Feinde, derer sich Daenethor<br />

in den kommenden Wochen entledigen will.<br />

Daenethor tritt diesmal nicht als Gott auf,<br />

sondern behält die Rolle des Fürsten bei und<br />

errichtet unter dem Vorwand von Ordnung<br />

und Sicherheit ein totalitäres Regime, in dem<br />

ein Bürger den nächsten bespitzelt, um sich<br />

bei der Obrigkeit einzuschmeicheln. Nach<br />

und nach wird Daenethor durch Intrigen die<br />

Vertretungen der verschiedenen Religionen<br />

gegeneinander ausspielen und ihre Machtposition<br />

innerhalb der Stadt empfindlich beschneiden.<br />

Auf der Flucht<br />

Sofern den Charakteren die Flucht glückt,<br />

haben sie eine ungewissen Zukunft vor sich.<br />

Abenteuer<br />

Haben sie Daenethor getötet, so sind sie in<br />

den Augen der Öffentlichkeit des Mordes<br />

schuldig. Sofern sich jemand an ihre Namen<br />

oder ihr Aussehen erinnern kann, zum Beispiel<br />

die Gardisten in der Residenz, so wird<br />

nach ihnen gesucht, und schließlich sogar<br />

ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Der Preis ist<br />

hoch genug, dass es für die Charaktere angeraten<br />

scheint, die<br />

Region zu verlassen und vielleicht sogar ins<br />

Ausland zu fliehen.<br />

Überlebt Daenethor, so gibt er den Charakteren<br />

offiziell die Schuld am Aufstand sowie<br />

den Toten, und setzt ebenfalls ein Kopfgeld<br />

auf sie aus. Zudem schreckt er nicht davor<br />

zurück, auch gedungene Mörder anzuwerben.<br />

Schließlich wissen die Charaktere viel zu<br />

viel…<br />

Selbst mit den alten Schriften, die von Daenethor<br />

künden, wird es den Charakteren<br />

schwer fallen, irgend jemanden von ihrer Version<br />

der Ereignisse zu überzeugen. Schließlich<br />

haben sie keinerlei stichhaltige Beweise,<br />

sondern nur Auslegungen vorzubringen.<br />

Und keine religiöse Bewegung, so sehr sie<br />

sich auch den Kampf gegen die Finsternis<br />

auf die Fahnen geschrieben haben mag, wird<br />

sich gerne mit dem Mord an einem Fürsten in<br />

Verbindung bringen lassen.<br />

Erfahrungspunkte<br />

Rettung des Bürgermeisters: 1 EP<br />

Überleben des Abenteuers: 1 EP<br />

Das Ende?<br />

Zum Schluss dieser Episode sind die<br />

Charaktere vermutlich gesuchte<br />

Verbrecher und vogelfrei. Dies ist<br />

vielleicht kein schönes Ende, aber eine gute<br />

Motivation für die Charaktere, ihr Glück in<br />

der Fremde zu versuchen.<br />

Falls Daenethor weiterhin über die Stadt<br />

herrscht, finden sie eventuell auf ihren Reisen<br />

eine Möglichkeit, ihn auszutreiben und den<br />

Fürsten von seiner Besessenheit zu erlösen.<br />

Oder sie finden Verbündete bei Dämonenjägern<br />

und Paladinen und kehren mit einer größeren<br />

Gruppe zurück, um ihre Heimatstadt<br />

aus Daenethors Klauen zu befreien.<br />

Das alternative Ende<br />

Dies ist ein möglicher Spielabschluss für<br />

den gutherzigen Spielleiter. Sofern es den<br />

Spielern gelingt, den Fürsten innerhalb von<br />

dreißig Sekunden, nachdem Daenethor in ihn<br />

eingedrungen ist, zu töten oder ins Koma zu<br />

schicken, so verlässt Daenethor seinen Wirtskörper.<br />

Ein unmenschliches Kreischen voller<br />

Hass und Verzweiflung ist zu hören, während<br />

eine unförmige, grotesk aussehende Wolke<br />

aus dem Körper des Fürsten heraustritt und<br />

sich rasch auflöst. Im Zimmer ist es plötzlich<br />

eiskalt geworden.<br />

Jeder Gardist, der dieser Szene beiwohnt,<br />

stellt sofort die Kampfhandlungen ein, denn<br />

selbst dem Dümmsten ist jetzt klar, dass der<br />

Fürst besessen war. In den kommenden Tagen<br />

wird der Vorfall von weltlichen und geistlichen<br />

Autoritäten untersucht, welche die<br />

Charaktere von jeder Schuld freisprechen.<br />

Vielleicht gibt es noch eine Belohnung vom<br />

Sohn des Fürsten, der froh ist, dass er früher<br />

an die Macht kommen durfte. Und dann reiten<br />

unsere Helden gemeinsam in den Sonnenuntergang…<br />

Ruhm- und Erfahrungspunkte<br />

Aktive Teilnahme am gesamten Abenteuer:<br />

1 EP<br />

Vernichtung Daenethors (jetzt oder<br />

später): 1 RP<br />

Appendix<br />

Nichtspielercharaktere<br />

Hinweis: Die Attributsmodifikatoren sind<br />

bereits mit den Fertigkeitswerten verrechnet<br />

worden. Der Spielleiter braucht also nur noch<br />

2w10 zum Fertigkeitswert hinzuzufügen.<br />

Die Werte können selbstverständlich dem<br />

Können der Spielercharaktere entsprechend<br />

erhöht oder gesenkt werden.<br />

Baron Ignaz von Murnau<br />

(Daenethor)<br />

Die Zahlen in den Klammern geben die<br />

Werte nach der Übernahme an.<br />

Eigenschaften:<br />

St 5 (10) • Kon 5 (10) • Ge 5 (10) •<br />

Wa 5 (10) • Int 6 (11) • Will 7 (12) •<br />

Cha 7 (12)<br />

Fertigkeiten:<br />

Aufmerksamkeit (Wa) 5 (10), Ausweichen<br />

(Ge) 5 (10), Beeindrucken (Cha)<br />

8 (13), Empathie (Cha) 7 (12), Etikette<br />

(Int) 8 (13), Lesen und Schreiben,<br />

Mode (Int) 5 (11), Reiten (Ge) 5 (10),<br />

Rhetorik (Cha) 7 (12), Taktik (Int) 5<br />

(11), Tanzen (Ge) 5 (10), Wissen: Kultur<br />

(Int) 7 (13), Wissen: Adel (Int) 8<br />

(13), Wissen: Geographie (Int) 5 (11),<br />

Wissen: Mathematik (Int) 4 (10), Wissen:<br />

Ortskunde “Murnau” (Int) 6 (12),<br />

Wissen: Recht und Gesetz (Int) 7 (13),<br />

Wissen: Wappenkunde (Int) 6 (12),<br />

Zechen (Kon) 5 (10), Fechtwaffen<br />

(Ge) 6 (11)<br />

Initiative: +0 (+5)<br />

Widerstandswerte:<br />

VW: 14 (24)<br />

Seite 33


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das BÖSE ÜBER DER STADT<br />

SR: 14 (24)<br />

GW: 17 (27)<br />

Waffen und Kampfwerte:<br />

Rapier 6 (11) 1w10 +2<br />

(1w10+7)<br />

Schlag/Tritt 0 1 w 1 0 / 2<br />

[(1w10/2 +5] (B)<br />

Ringen 0 1 w 1 0 / 2<br />

[(1w10/2 +5] (B)<br />

Lebenspunkte Ignatz:<br />

0/5, -2/10, -4/15, -6/20, Außer<br />

Gefecht/25, Koma/30<br />

Lebenspunkte Daenethor:<br />

0/10, -2/20, -4/30, -6/40, Außer<br />

Gefecht/50, Koma/60<br />

Arkane Macht: 7 (11)<br />

Potenzial: 3 (5)<br />

Baron Ignatz herrscht trat vor zehn 10 Jahren<br />

das Erbe seines Vaters an und herrscht<br />

seitdem über Murnau und das Umland. Er ist<br />

45 Jahre alt, mittelgroß und von schlankem<br />

Körperbau. Ein leichter Bauchansatz wird<br />

durch die gut geschnittene Kleidung erfolgreich<br />

kaschiert. Graue Strähnen durchziehen<br />

das dunkle, volle Haar und den kurzgestutzten<br />

Schnurr- und Kinnbart.<br />

Baron Ignatz kleidet sich immer nach der<br />

letzten Mode; sein persönlicher Stil setzt auf<br />

dezente, geschmackvolle Eleganz. Vor seiner<br />

Übernahme durch Daenethor ist Baron<br />

Ignatz vor allem daran interessiert, in seiner<br />

Stadt Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten.<br />

Solange die Charaktere ihm dabei behilflich<br />

sind, wird er ihnen weitgehend freie<br />

Hand lassen, was jedoch nicht bedeutet,<br />

dass sie auf seine umfassende Untertützung<br />

zählen können. Ignatz ist ein zu gewiefter<br />

Politiker, der immer darauf achtet, sich den<br />

Rücken frei zu halten.<br />

Daenethor kann nur noch durch Magie<br />

oder magische Waffen verletzt werden, sobald<br />

er sich länger als dreißig Minuten in seinem<br />

menschlichen Körper befindet.<br />

Stadtwache<br />

Eigenschaften:<br />

St 6 • Kon 6 • Ge 6 • Wa 6 • Int 5 •<br />

Will 6 • Cha 5<br />

Fertigkeiten:<br />

Aufmerksamkeit (Wa) 7, Ausweichen<br />

(Ge) 7, Beruf: Stadtwache (Int) 6,<br />

Gassenwissen (Int) 5, Einschüchtern<br />

(Will) 7, Wissen: Ortskunde “Murnau”<br />

(Int) 8, Schwerter (St) 6, Waffenloser<br />

Kampf (Ge) 5<br />

Initiative: +2 (0 mit Rüstung)<br />

Widerstandswerte:<br />

VW: 16<br />

SR: 16<br />

GW: 15<br />

Waffen und Kampfwerte:<br />

Langschwert 12 2w10 + 1<br />

Dolch 1 1w10<br />

Schlag/Tritt 2 1w10/2 + 1<br />

(B)<br />

Ringen 2 1w10/2 + 1<br />

(B)<br />

Lebenspunkte:<br />

0/6, -2/12, -4/18, -6/24, Außer<br />

Gefecht/30, Koma/36<br />

Ausrüstung:<br />

Langschwert, Dolch, Rüstung aus<br />

beschlagenem Leder (RS: 5, Bel.: -2),<br />

Signalhorn<br />

Kultisten<br />

Eigenschaften:<br />

St 5 • Kon 5 • Ge 6 • Wa 6 • Int 7 •<br />

Will 6 • Cha 5<br />

Fertigkeiten:<br />

Aufmerksamkeit (Wa) 6, Ausweichen<br />

(Ge) 4, Beruf: “jeweiliger Beruf” (Int)<br />

7, Gassenwissen (Int) 3, Wissen: Ortskunde<br />

“Murnau” (Int) 8<br />

Weitere Fertigkeiten nach Wahl des<br />

Spielleiters<br />

Initiative: +2<br />

Widerstandswerte:<br />

VW: 16<br />

SR: 14<br />

GW: 18<br />

Waffen und Kampfwerte:<br />

Waffe FW inkl. Boni<br />

Schaden inkl. Schadensbonus<br />

Dolch 1 1w10<br />

Schlag/Tritt 1 1w10/2 (B)<br />

Ringen 1 1w10/2 (B)<br />

Lebenspunkte:<br />

0/6, -2/12, -4/18, -6/24, Außer<br />

Gefecht/30, Koma/36<br />

Ausrüstung:<br />

normale Kleidung, Gegenstände des<br />

täglichen Bedarfs, Dolch. Weitere<br />

Gegenstände nach Wahl des Spielleiters.<br />

Bei den Kultisten handelt es sich um Angehöriger<br />

des Mittelstandes, die allesamt<br />

Daenethor aus rein eigensüchtigen Motiven<br />

verehren. Ihr Oberhaupt ist Damian Fogg.<br />

Die Kultisten werden hier nur grob skizziert,<br />

da die meisten von ihnen sowieso nicht individuell<br />

ausgespielt werden müssen.<br />

Falls doch, so gilt als Faustregel, dass jeder<br />

Kultist Fertigkeiten, die mit seinem Lebensunterhalt<br />

in Verbindung stehen, auf Werten<br />

von 5 bis 7 hat. Dies schließt auch Foggs<br />

Hausdiener mit ein.<br />

OFFTOPIC<br />

Rollenspielertreffpunkte<br />

Es ist nicht immer einfach, Mitspieler<br />

zu finden. Aus diesem Grund wurde<br />

das Projekt Rollenspielertreffpunkte<br />

finden! gegründet. Erstellt werden soll<br />

ein Flyer, der auf größeren Messen<br />

und Conventions verteilt wird. Darauf<br />

sind nach Regionen geordnet Stammtische<br />

und Spielrunden zu finden.<br />

Wer mehr wissen möchte, selbst<br />

einen Treffpunkt melden will oder<br />

bereit wäre, Flyer zu verteilen, für den<br />

ist folgender Link interessant:<br />

www.rollenspiel-almanach.de/<br />

rollenspielertreffpunkte-finden<br />

Dort findet man schon jetzt eine längere<br />

Liste mit Treffpunkten.<br />

Aufständischer Bürger<br />

Eigenschaften:<br />

St 5 • Kon 5 • Ge 5 • Wa 5 • Int 5 •<br />

Will 5 • Cha 5<br />

Fertigkeiten:<br />

Aufmerksamkeit (Wa) 5, Ausweichen<br />

(Ge) 4, Beruf: “jeweiliger Beruf” (Int)<br />

7, Wissen: Ortskunde “Murnau” (Int)<br />

7<br />

Initiative: +0<br />

Widerstandswerte:<br />

VW: 14<br />

SR: 14<br />

GW: 14<br />

Waffen und Kampfwerte:<br />

Waffe FW inkl. Boni<br />

Schaden inkl. Schadensbonus<br />

Improvisiert 1 1w10<br />

0<br />

Schlag/Tritt 1 1w10/2 (B)<br />

0<br />

Ringen 1 1w10/2 (B)<br />

0<br />

Lebenspunkte:<br />

0/5, -2/10, -4/15, -6/20, Außer<br />

Gefecht/25, Koma/30<br />

Ausrüstung:<br />

normale Kleidung, improvisierte Waffen<br />

wie Knüppel, Steine, Messer<br />

Diese Bürger sind keine trainierten Kämpfer,<br />

sondern Teil eines blutrünstigen Mobs.<br />

In ihrer Erregung lassen sie sich zu Gewalttaten<br />

hinreißen, die sie tags darauf vermutlich<br />

bitter bereuen werden. Lediglich ihre<br />

überlegene Zahl macht sie gefährlich. Falls<br />

die Charaktere sich mit den Aufständischen<br />

auseinander setzen müssen, so kommen auf<br />

einen Charakter zwei bis drei Gegner. •<br />

Seite 34<br />

Abenteuer


KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Kriegswesen im<br />

Mittelalter<br />

MITTELALTERLICHE KRIEGSSITUATIONEN REALISTISCHER DARSTELLEN<br />

TEXT: JAN-CHRISTIAN SCHOSKA<br />

Kriegsgründe:<br />

Warum kämpfen?<br />

Im Spätmittelalter fand ein Wandel in der<br />

Zusammensetzung der Heere statt. Das traditionelle<br />

Lehensheer, bestehend aus verpflichteten<br />

Wehrfähigen und Lehensträgern,<br />

wurde ergänzt durch das neu aufgenommene<br />

Söldnerwesen.<br />

Die Gründe und Motivationen für Schlachten<br />

und Kriege teilen sich in zwei große<br />

Bereiche. Einerseits die Ursachen für eine<br />

militärische Auseinandersetzung, also die<br />

Motive der kriegsführenden Parteien, und<br />

andererseits die antreibenden Gedanken der<br />

an den Kampfhandlungen teilhabenden Bevölkerungsschichten.<br />

Da es nur selten vorkommt, dass Spielercharaktere<br />

in Positionen geraten, in denen<br />

sie über Krieg und Frieden ganzer Nationen<br />

entscheiden können, ist der erste Bereich für<br />

Spielleiter nicht ganz so wichtig wie der zweite.<br />

Daher wird dieser im Folgenden nur kurz<br />

beschrieben. Dagegen sind die Gründe der<br />

einzelnen Kämpfer nicht zu unterschätzen.<br />

Viele Spielleiter dürften bereits die Erfahrung<br />

gemacht haben, dass noch so gut<br />

ausgedachte Einleitungen nicht immer für<br />

jeden Spieler eine ausreichende Motivation<br />

darstellen. Da gibt es den Goldgierigen, für<br />

den keine Moral existiert oder den geistlich<br />

Verklärten, dem weltliche Gründe unwichtig<br />

erscheinen. Welche Mittel und Wege Ihnen<br />

als Spielleiter im späten Mittelalter zur Verfügung<br />

stehen, um noch den letzten Spieler anzutreiben,<br />

wird im Rahmen dieses Abschnittes<br />

näher erläutert.<br />

Allein die Existenz stehender Heere bietet<br />

ein großes Aggressionspotenzial. Noch dazu<br />

wenn es an möglichen Konfliktpunkten nicht<br />

fehlt. Da gibt es z.B. religiöse Unterschiede,<br />

totalitäre Machtansprüche, kulturelle Differenzen<br />

und unklare Grenzverhältnisse.<br />

Vergleicht man nun die Gründe mit einem<br />

RPG wie DSA, so stellt man fest, all diese<br />

Gründe werden uns bereits geliefert. Es existiert<br />

ein Kontinent namens Aventurien, der<br />

auf engstem Raum verschiedenste Kulturen<br />

und Reiche beherbergt. Verfeindete Religionen,<br />

namentlich das 12-Göttertum und die<br />

Erzdämonen, verkörpern die exakten Gegensätze.<br />

Ihre Kulte bekämpfen sich bis auf<br />

das Letzte. Angestachelt durch machtgierige<br />

Fürsten gipfelt das Ganze immer wieder in<br />

Kriegszügen.<br />

Sie als Spielleiter können nun für interessierte<br />

Helden einen realistischen Hintergrund<br />

generieren.<br />

• Wählen Sie zwei oder mehr Parteien für<br />

Ihren Konflikt.<br />

• Sorgen Sie für glaubhafte Konfliktgründe.<br />

Lassen Sie sich dabei ruhig von geschichtlichen<br />

oder aktuellen Ereignissen<br />

inspirieren.<br />

• Legen Sie einen zeitlichen Ablauf für alle<br />

Geschehnisse fest.<br />

• Sorgen Sie für ausgearbeitete Erzählsequenzen.<br />

Diese geben den Spielern das<br />

Gefühl einer sich eigenständig verändernden<br />

Welt, die nicht nur auf ihre Aktionen<br />

reagiert; sondern sich weitgehend<br />

unabhängig von ihnen entwickelt.<br />

Das stehende Heer in Form eines Berufsheeres<br />

existierte zu Beginn des Spätmittelalters<br />

nicht. Damit fällt eine Motivation in<br />

Form des Broterwerbs im Dienste einer Partei<br />

flach. Dies wird zwar von den meisten Pen<br />

& Paper RPGs ignoriert, trifft aber für Spielercharaktere<br />

trotzdem zu. Für diese kommen<br />

feste Anstellungen nämlich nur selten in Frage,<br />

da das Abenteurerleben viele Ortswechsel<br />

mit sich bringt. Eine weitere Motivation<br />

bilden die Verpflichtungen, die mit Grundbesitz<br />

einhergehen.<br />

In den meisten spätmittelalterlichen Herrschaftssystemen<br />

waren Landbesitzer zu<br />

Diensten für das regierende System verpflichtet.<br />

Die Dienste reichten von „einfachen“<br />

Frondiensten für die Errichtung von Gebäuden,<br />

bis zu Wehrdiensten. Vor allem Adelige<br />

mussten ihren Beitrag in den Armeen leisten.<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 35


ANDUIN <strong>95</strong><br />

KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />

Da aber Spielercharaktere nur in den seltesten<br />

Fällen adelig oder im Besitz größerer Güter<br />

sind, bietet es sich an, die Charaktere von<br />

eben solchen Adeligen anheuern zu lassen.<br />

Oder aber die Charaktere schließen sich<br />

einem der im späten Mittelalter aufkommenden<br />

Söldnerverbände an, um dann wiederum<br />

von einem der regierenden Systeme angeheuert<br />

zu werden.<br />

Beide oben beschriebenen Methoden basieren<br />

auf materieller Vergütung. Eine derartige<br />

Vergütung war im späten Mittelalter<br />

nicht unüblich. Die in diesem Zeitraum immer<br />

mehr ausufernden, kriegerischen Aktivitäten<br />

erforderten viele Soldaten. So viele, dass<br />

häufig die Wehrdienstleistenden nicht ausreichend<br />

waren. Somit mussten zusätzliche<br />

Truppen angeheuert werden. In der Folge<br />

entstanden Söldnerverbände, die die Nachfrage<br />

befriedigten. Derartige Verbände bieten<br />

sich auch für RPGs an.<br />

Erstens ist es für einen Spielleiter einfacher<br />

in Schlachten verschiedene Gruppierungen<br />

auftreten zu lassen, wenn diese aus Personengruppen<br />

mit den gleichen Werten bestehen.<br />

Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel eine<br />

Seite 36<br />

MITTELALTER<br />

Wenn wir vom Mittelalter sprechen,<br />

dann beziehen wir uns auf die Zeit der<br />

Ritter und Burgen. Doch wann begann<br />

diese faszinierende Epoche? Und wann<br />

endete sie? Die heutzutage bekanntesten<br />

Eckdaten sind 500 n.Chr. bis 1500<br />

n.Chr.<br />

Dies sind allerdings nur vereinfachte<br />

Daten. Sie wurden aus rein praktischen<br />

Gründen festgesetzt. Bei der Einteilung<br />

in die Epochen Altertum, Mittelalter<br />

und Neuzeit, stellt sich nämlich das<br />

Problem der Begründung einer derartigen<br />

Einteilung. So könnten politische,<br />

soziale, gesellschaftliche oder auch<br />

kirchliche Veränderungen für eine<br />

Unterscheidung der Epochen herangezogen<br />

werden. Wie entstand also der<br />

Begriff Mittelalter? Wie seine zeitliche<br />

Festlegung?<br />

Zum ersten Mal sprachen die Menschen<br />

um das Jahr 1500 n.Chr. von<br />

einem Mittelalter. Unter anderem gab<br />

die Reformation den Menschen das<br />

Gefühl in ein neues Zeitalter einzutreten.<br />

Sie dachten, eine dunkle Epoche<br />

hätte ihr Ende erreicht und würde<br />

durch eine hellere ersetzt. In diesem<br />

Zusammenhang wurde der Begriff Mittelalter<br />

negativ geprägt. Er stand für<br />

eine finstere Periode in der Geschichte.<br />

Auch heute noch verwenden wir den<br />

Begriff,,finsteres Mittelalter“.<br />

Festgelegt wurde die Zeit der Epoche<br />

erstmals im 17. Jahrhundert. Damals<br />

begann das Mittelalter im Jahre 476<br />

mit dem Ende des weströmischen<br />

Reiches. Sein Ende wurde mit der<br />

Eroberung Konstantinopels im Jahre<br />

1453 datiert.<br />

Diese und andere Daten gelten bis heute<br />

noch. Es gibt allerdings trotz einiger<br />

markanter Ereignisse keine wirklichen<br />

geschichtlichen Brüche, die als Begründung<br />

für die Epocheneinteilung<br />

verwendet werden können.<br />

Das Mittelalter stellt also einen sehr<br />

großen Zeitraum dar. In den ca. 1000<br />

Jahren fanden große Entwicklungen in<br />

der Militärtechnik statt. Diese können<br />

in diesem Artikel nicht vollständig<br />

wiedergegeben werden. Um aber nicht<br />

nur einen oberflächlichen Überblick zu<br />

liefern, beschränken wir uns auf den<br />

für Rollenspiele wichtigsten Teil des<br />

Mittelalters, das späte Mittelalter.<br />

Im Mittelalter angesiedelte RPGs,<br />

wie zum Beispiel DSA, befinden sich<br />

technisch gesehen fast immer auf dem<br />

Stand des späten Mittelalters.<br />

Als Spätmittelalter gilt der Zeitraum<br />

vom Ende des Hochmittelalters (ungefähr<br />

1250) bis zum Beginn der Reformation<br />

(ungefähr 1500).<br />

Gruppe leicht bewaffneter Bauern, eine kleine<br />

Einheit gut ausgerüsteter Adliger und ein<br />

Söldnerverband.<br />

Auf diese Weise sortiert fällt es später<br />

leichter den Überblick über das Verhalten der<br />

einzelnen Verbände zu behalten. In einigen<br />

Spielsystemen gibt es vorgefertigte Listen<br />

mit Werten für bestimmte Verbände, die ein<br />

Spielleiter verwenden kann. Sollten Sie keine<br />

derartigen Listen zur Verfügung haben, erstellen<br />

Sie sich ruhig selbst welche. Sie sind<br />

nützlich und ersparen eine Menge Arbeit für<br />

zukünftige Schlachten.<br />

Zweitens sind viele RPG-Gruppen in ihrer<br />

Zusammensetzung bereits kleine, schlagkräftige<br />

Söldnereinheiten. Sie lassen sich<br />

also durchaus als Söldner in einen größeren<br />

Verband integrieren.<br />

Die materielle Vergütung bestand nicht nur<br />

aus harter Währung. Zwar war diese häufig<br />

der Anreiz für das Söldnervolk, jedoch bot<br />

die Aussicht auf Plündergut schon immer<br />

eine starke Motivation. Auch wurde durch<br />

die Veränderungen im Spätmittelalter ein<br />

Gefecht oft zu einer äußerst verlustreichen<br />

Angelegenheit für die Söldner. Durch die<br />

massive Ausweitung der Kriege und die Modernisierung<br />

der Waffentechnik, wurde der<br />

Krieg zu einer noch blutigeren Arbeit für alle<br />

Söldner. Noch halb im Kampfrausch, kam es<br />

teilweise zu Plünderungen.<br />

Neben der Verpflichtung und dem Verdienst<br />

gab es aber noch weitere Gründe für<br />

eine Teilnahme am Kriegsgeschehen. Abenteuerlust,<br />

Kampfeswut und Blutgier sind Eigenschaften,<br />

die auch viele Spielercharaktere<br />

auszeichnen. Die nachfolgende Liste soll<br />

die genannten Motivationen zusammen mit<br />

einigen weiteren Situationen als Anregungen<br />

für Spielleiter enthalten.<br />

• Spielergruppe auf Wanderschaft: Auf<br />

einer befestigten Straße begegnet den<br />

Charakteren ein Trupp Waffenträger.<br />

Diese sind gerade auf dem Weg zu<br />

einem Heereszug, um sich mit diesem<br />

zu vereinigen. Sobald sie die Charaktere<br />

erreicht haben, tritt den Spielercharakteren<br />

der vernarbte Anführer in den<br />

Weg und mustert sie. Nach kurzem<br />

Zögern fordert er die „Neuen“ auf, mit<br />

in die Schlacht zu ziehen. Es gäbe Ruhm<br />

zu erwerben und der Sold sei gut.<br />

• Spielergruppe in einer Stadt: Auf einem<br />

belebten Marktplatz versammeln sich<br />

Schaulustige um einen Herold. Dieser<br />

sorgt mithilfe eines Trommlers für Ruhe<br />

und trägt ein Angebot des Herzogs (Titel<br />

beliebig) vor. Gesucht werden dringend<br />

starke, mutige Männer und Frauen. Ein<br />

Kriegszug stehe bevor. Jeder könne sich<br />

für eine Entlohnung bei den Männern<br />

des Herrschers verpflichten.<br />

• Spielergruppe in der Nähe einer Kaserne:<br />

Ein den Spielern deutlich überlegener<br />

Soldatentrupp verstellt diesen<br />

den Weg. Die Spielercharaktere werden<br />

aufgefordert, ihre Pflicht in der Armee zu<br />

leisten. Dass es sich dabei nicht um einen<br />

Vorschlag, sondern um eine Zwangsrekrutierung<br />

handelt, wird schnell klar.<br />

• Spielergruppe in der Wildnis: An einem<br />

kalten Morgen wärmen sich die Spielercharaktere<br />

gerade an einem lodernden<br />

Lagerfeuer auf, als plötzlich Trommeln<br />

ertönen. Kurz darauf ist in einiger Entfernung<br />

der Aufmarsch vieler Menschen und<br />

Pferde zu hören. Auch aus der entgegengesetzten<br />

Richtung sind Geräusche zu vernehmen.<br />

Zwei Armeen beziehen Stellung.<br />

Leider befinden sich die Charaktere genau<br />

zwischen ihnen.<br />

• Spieler mit hohem sozialem Status:<br />

Eine völlig verstörte Frau taucht bei<br />

einem Charakter auf (wahlweise auch<br />

ein verstörter Mann). Sie bricht vor dem<br />

Charakter zusammen. Nach gutem Zure-<br />

Lesen & Spielen


KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

den beginnt sie schluchzend zu erzählen.<br />

Ihr Verlobter wurde in der Nacht vor der<br />

Hochzeit von einem Trupp rekrutierender<br />

Soldaten aufgegriffen. Sie hätten den<br />

im Waffengang Unerfahrenen verpflichtet<br />

und mitgenommen. Nun bittet sie<br />

den Charakter nach ihrem Verlobten zu<br />

suchen. Es liegt an dem Charakter ihn<br />

zurückzubringen.<br />

Logistik:<br />

Wie anfangen?<br />

„Die Logistik beeinflusst alle Schlachten –<br />

sie entscheidet viele.“<br />

— General Dwight David Eisenhower<br />

Nachdem nun die Gründe für einen Krieg<br />

feststehen, stellt sich die Frage: Wie anfangen?<br />

Dass es dabei nicht nur um militärische<br />

Planung geht, wird schnell klar, wenn es dazu<br />

kommt die Versorgung der Truppen sicher zu<br />

stellen. Lebensmittel müssen besorgt und zu<br />

den Kämpfern gebracht werden. Der Nachschub<br />

von Ausrüstung jeglicher Art muss<br />

gewährleistet werden. Dies fällt unter den<br />

Begriff Logistik.<br />

Wie in jedem Krieg, spielt die Logistik auch<br />

im Spätmittelalter eine entscheidende Rolle.<br />

Allerdings lässt sie sich in den meisten Rollenspielen<br />

vernachlässigen. Für einen Spielleiter<br />

ist weniger die tatsächliche Logistik, als vielmehr<br />

die Darstellung derselben wichtig. Solange<br />

kein Spielercharakter in den Planungsstab<br />

eines Generals berufen wird, muss keine<br />

Logistik existieren. Die Erzählung einiger logistischer<br />

Bestandteile (z.B.: ein Wagenzug<br />

mit Vorräten oder Burschen, die Pfeile an die<br />

Front tragen) ist ausreichend.<br />

Sollten Sie als Spielleiter aber einmal einer<br />

Spielrunde ermöglichen, eine wirkliche Führungsposition<br />

zu erreichen, so empfiehlt es<br />

sich die Logistik zu umgehen. Die Logistik<br />

stellt ein sehr kompliziertes Betätigungsfeld<br />

dar. Es kann zu einem echten Spaßkiller werden<br />

einen Feldzug bis ins Kleinste zu planen.<br />

Als Ausweg bietet sich an, alles Nebensächliche<br />

in die Hände von Nichtspielercharakteren<br />

zu legen.<br />

Die Spieler sind nur für die grobe Planung<br />

der militärischen Aktionen zuständig. Ein<br />

Heer von Offizieren übernimmt alle anderen<br />

Aufgaben. Die eigentliche Logistik erscheint<br />

wieder als Erzählsequenzen.<br />

Nun einige Beispiele für Spieleraufgaben<br />

im Bereich Logistik.<br />

• In einem Lager mit ungewöhnlichen<br />

Spielercharakteren: Möglich sind grundsätzlich<br />

alle Berufe, die im Kriegsfall nur<br />

im Bereich Logistik auftreten. Da wären<br />

alle Köche, Schmiede und Wagenlenker,<br />

die sich in die Gruppe verirrt haben. Alle<br />

diese Spielansätze ziehen ihren Reiz aus<br />

der besonderen Situation. Nichts was<br />

sonst einfach wäre ist auch unter den<br />

Bedingungen eines Krieges einfach. Versuchen<br />

sie einmal mit knappen Vorräten die<br />

Wünsche einer Horde hungriger Söldner<br />

(dagegen sind Wölfe harmlos) zu befriedigen.<br />

• In einem Lager: Aufgrund des Verlustes<br />

eines Unteroffiziers müssen in dem Lager<br />

der Charaktere einige wichtige Aufgaben<br />

neu verteilt werden. Den Spielern wird<br />

die Aufgabe zuteil, die knappen Wasservorräte<br />

an die Truppen auszugeben. Es<br />

liegt an ihnen zu entscheiden, wer wie<br />

viel bekommt. Die Zeit sich Freunde oder<br />

Feinde zu machen ist gekommen.<br />

Unter normalen Umständen erlebt ein einfacher<br />

Soldat, Söldner oder Zivilist die Logistik<br />

nicht als Ganzes. Ihm fallen nur einzelne<br />

Unternehmungen auf. Um einem Spielleiter<br />

die Darstellung der Logistik zu ermöglichen,<br />

gibt es nun einige Vorschläge für Erzählsequenzen.<br />

• Hinter der Front: Ein leicht bewachter<br />

Wagenzug zieht schwerfällig in Richtung<br />

Front. Schwer beladen mit billigen<br />

Nahrungsmitteln und Wasserfässern.<br />

Die unzureichende Bewachung des Zugs<br />

bietet Gelegenheit für Überfälle. Ohne die<br />

Ankunft eines Wagenzugs ist ein ganzer<br />

Frontabschnitt Hunger und Durst ausgeliefert.<br />

• In einem Dorf nahe der Frontlinie: Eine<br />

Gruppe Soldaten (vom Typ Schläger)<br />

klopft bei jedem Bauern an die Tür. Sie<br />

fordern Nahrungsmittel und Tiere ein.<br />

Ohne Rücksicht wird alles Brauchbare<br />

mitgenommen. Auch nicht eindeutig unter<br />

dem Zeichen einer der Kriegsparteien<br />

stehende Spielercharaktere, kommen in<br />

Bedrängnis.<br />

• An der Front: Jungen und Mädchen<br />

rennen durch den Pfeilhagel zwischen den<br />

umgestürzten Wagen und Erdwällen. Sie<br />

versuchen unter Lebensgefahr Munition<br />

an die Schützen auszugeben. Ein Mädchen<br />

mit einem Bündel Pfeile wird getroffen<br />

und bricht zusammen. Jemand muss<br />

helfen. Außerdem geht den Charakteren<br />

selbst die Munition aus.<br />

Die Armee:<br />

Wer kämpfte?<br />

Dieses Kapitel befasst sich mit den Soldaten,<br />

die in einem mittelalterlichen Heerzug<br />

vorhanden waren.<br />

Meist war der mittelalterliche Soldat männlich.<br />

Es ist nur ein Fall bekannt, in dem eine<br />

Frau, auch als solche unter ihren Kameraden<br />

bekannt, offiziell Schulter an Schulter mit ihren<br />

männlichen Kameraden kämpfte. Diese<br />

Frau konnte wegen ihres rohen Verhaltens<br />

allerdings schon fast als Mann angesehen<br />

werden,, wenn man den Quellen Glauben<br />

schenken darf.<br />

So wie die Männer den Frauen im Heer zahlenmäßig<br />

überlegen waren, so waren es die<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 37


ANDUIN <strong>95</strong><br />

KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />

Infanteristen der Kavallerie. Das heißt allerdings<br />

nicht, dass die Kavallerie weniger wichtig<br />

als die Infanterie war. Im Gegenteil. Der<br />

berittene Soldat war in einem mittelalterlichen<br />

Krieg wichtiger, als der Panzer heute. Es<br />

gibt nur wenige bekannte Beispiele in denen<br />

eine Armee im Mittelalter einen Krieg ohne<br />

Kavallerie gewonnen hat. Also versuchte<br />

man ein Gefecht ohne Reiter zu vermeiden.<br />

Aus diesem Grund soll gleich noch gesondert<br />

auf die Kavallerie eingegangen werden.<br />

Infanteristen sind entweder nicht professionelle<br />

Kämpfer wie Bauern, Handwerker,<br />

Bürger oder ein professioneller zum Kämpfen<br />

ausgebildeter Soldat, der im stehenden<br />

Heer eines Landes dient und mit dem blutigen<br />

Handwerk seinen Lebensunterhalt<br />

finanziert. Das wohl jedem Spieler bekannte<br />

Beispiel dieser Profis stellt der ordinäre<br />

Stadtgardist dar.<br />

Aufgrund der fehlenden Ausbildung und<br />

mangelnden Erfahrung im Kampf Mann gegen<br />

Mann, stellen die nicht professionellen<br />

Kämpfer nur in Ausnahmesituationen das<br />

wichtigste Glied einer Armee dar, auf dem<br />

die taktische Planung des Feldherrn beruht.<br />

Viel mehr bilden die erfahrenen Kämpfer das<br />

tragende Element in einem Krieg.<br />

Den Nichtprofessionellen wird meist nur<br />

die undankbare Rolle des Köders zugewiesen<br />

oder sie werden als erste in den Kampf<br />

geschickt, um dem Gegner möglichst viele<br />

Verluste zuzufügen ohne dafür die für viel<br />

Geld ausgebildeten Vollzeitsoldaten opfern<br />

zu müssen. Natürlich galt nicht immer die<br />

Parole, schickt die Bauern vor, die machen<br />

das schon – schließlich benötigte das Land<br />

auch nach einem Krieg noch eine produktive<br />

Landwirtschaft bzw. eine funktionierende Infrastruktur.<br />

Die Vollzeitsoldaten können aus allen<br />

Volksgruppen stammen, da ein Adeliger eher<br />

selten die Rolle eines einfachen Soldaten<br />

übernehmen wird. Wie schon erwähnt stellen<br />

diese Berufskämpfer das grundlegende<br />

Glied einer Armee dar. Diese Soldaten leben<br />

in dem Land, dem die Armee in der sie kämpfen<br />

angehört. Manchmal konnte es allerdings<br />

vorkommen, dass die eigenen Kräfte nicht<br />

ausreichend waren. Man musste also Verstärkung<br />

von Außen hinzuziehen. Allianzen<br />

mit anderen Ländern war eine Möglichkeit,<br />

das Anwerben von Söldnern die andere.<br />

Söldner wurden nicht einzeln angeworben,<br />

sondern Söldner schlossen sich zu Gruppen<br />

zusammen, die auch über eigene Erkennungszeichen<br />

und Farben verfügten. Diese<br />

Gruppen wurden im Ganzen in die eigene<br />

Armee eingefügt.<br />

Seite 38<br />

Die Infanterie<br />

Die Infanterie stellte den Hauptteil der mittelalterlichen<br />

Armeen. Sie verwendete verschiedenste<br />

Waffen. Schwerter und Schilde,<br />

Speere, Hiebwaffen wie Morgensterne oder<br />

Hämmer und Schusswaffen wie Bogen oder<br />

Armbrust.<br />

Die bis jetzt genannten Soldaten gehörten<br />

allesamt der Infanterie an. Außerdem gab es<br />

noch die Kavallerie, die meist mit Schild und<br />

Schwert oder einem Speer bewaffnet war.<br />

Zusätzlich zur Einteilung durch die Bewaffnung,<br />

also ob ein Soldat eher für Nah- oder<br />

Fernkampf d.h. offensiv oder defensiv orientiert<br />

war, wurde die Infanterie noch in Reserveeinheiten<br />

und Kampfeinheiten aufgeteilt.<br />

Die Kavallerie<br />

Die stärkste Waffe auf den Schlachtfeldern<br />

des Mittelalters war wohl die Kavallerie.<br />

Die speziell für diese berittenen Soldaten<br />

gezüchteten Pferde mussten groß gebaut<br />

sein, ein enormes Gewicht tragen können<br />

und ausdauernd sein. Das Gewicht, das allein<br />

der schwer gepanzerte Ritter auf die Waage<br />

brachte, lag bei etwa 150 kg, das der Rüstung<br />

des Pferdes lag etwas darunter. Ein voll ausgestattetes<br />

Pferd mit gepanzertem Ritter<br />

trug wenigstens 200 kg. Um während der<br />

Schlacht nicht unter der enormen Belastung<br />

zusammenzubrechen, mussten die Pferde<br />

die oben bereits genannten Eigenschaften<br />

erfüllen: Größe, Kraft und Ausdauer. Eigenschaften,<br />

die natürlich auch außerhalb der<br />

Schlacht trainiert werden mussten, damit<br />

das Pferd nicht verweichlichte.<br />

Stimmte das Terrain des Schlachtfeldes,<br />

mähte die Kavallerie alles nieder. Ein Sieg einer<br />

Armee die über keine eigene Kavallerie<br />

verfügte, war selten. Hatte man also keine<br />

Kavallerie in den eigenen Reihen und stand<br />

einer gegnerischen Kavallerie auf freiem Feld<br />

gegenüber, standen die Chance eher schlecht<br />

und dementsprechend sank die Motivation<br />

der eigenen Soldaten. Denn im Kampf von Infanterie<br />

gegen Kavallerie gab es nur wenige<br />

Möglichkeiten, um nicht von der halben Tonne<br />

Gewicht überrannt zu werden und unter<br />

den Hufen des Pferdes zu sterben.<br />

Die beste Möglichkeit war, das Pferd statt<br />

dem Reiter anzugreifen, also zu versuchen<br />

das Pferd zu Fall zu bringen, indem man auf<br />

die Beine des Pferdes einschlug. Fiel das<br />

Pferd, hatte der Reiter wenige Chancen zu<br />

überleben. Durch seine schwere Rüstung<br />

war er so unbeweglich, dass er Helfer benötigte<br />

um sich wieder aufzurichten. Aus<br />

eigener Kraft war das unmöglich. Also war<br />

das Pferd die Schwachstelle und wurde dementsprechend<br />

gepanzert, vor allem im Halsbereich<br />

und an den Beinen. Das ergab zwei<br />

Vorteile. Es war schwerer das Pferd zu Fall zu<br />

bringen und es war für die Kavallerie leichter,<br />

die gegnerische Infanterie nieder zu reiten,<br />

ohne, dass das Tier dabei von einem Schwert<br />

oder Speer am Hals verletzt wurde. Die Kavallerie<br />

war sozusagen die Panzergruppe des<br />

Mittelalters.<br />

Man benötigte also Kavallerie. Die Chancen<br />

auf einen Sieg ohne waren einfach zu<br />

gering.<br />

Allerdings brachte die Kavallerie im Unterhalt<br />

einige Probleme mit. Für die Pferde benötige<br />

man Stallungen, weiträumige Wiesen<br />

mit festem Boden und genügend Raum zum<br />

Haferanbau. Zur Pflege der Tiere, deren Rüstungen<br />

und Stallungen waren viele Knechte<br />

und Jungen, sowie Schmiede und andere<br />

Handwerker notwendig. Die Stallungen wurden<br />

häufig in Burgen errichtet, um die Verfügbarkeit<br />

der Kavallerie möglichst immer<br />

zu garantieren und um die Stallungen einem<br />

Gegner im Kriegsfall nicht preiszugeben, was<br />

zusätzliche Kosten mit sich brachte. Kavallerie<br />

war also sehr kostspielig.<br />

Und trotzdem konnte es passieren, dass<br />

sie im Kampf wegen sumpfigem oder felsigem<br />

Terrain nicht eingesetzt werden konnte.<br />

Der Vergleich mit den heutigen Panzern ist<br />

also sehr treffend.<br />

Bewaffnet war die Kavallerie meist mit<br />

Schwert und Schild oder Speer. Allerdings<br />

war das gepanzerte Pferd die Hauptwaffe,<br />

da die schwere Rüstung die Reiter eher unbeweglich<br />

und träge werden ließ.<br />

Erscheinung:<br />

Wie sahen sie aus?<br />

Betrachtet man eine Armee unter dem<br />

Blickpunkt eines Rollenspiels, wirft sich automatisch<br />

die Frage nach dem allgemeinen<br />

visuellen Eindruck der Armee auf die Spielercharaktere<br />

auf. Waren Armeen eher ein<br />

einheitlicher tarnfarbener Brei in Formation,<br />

also etwa heutige Verhältnisse, oder kam<br />

eine mittelalterliche Armee schreiend bunt<br />

und auffällig daher? Leider ist über die Kleidung<br />

der Menschen des Mittelalters relativ<br />

wenig bekannt. Speziell die Soldaten und<br />

die Männer und Frauen die dem Heerzug<br />

folgten, wurden bei den historischen Wissenschaftsarbeiten<br />

aus dieser Epoche selten<br />

oder nur unvollständig behandelt.<br />

Das Wenige was über das Aussehen, also<br />

den Kleidungsstil eines gewöhnlichen Soldaten<br />

bekannt ist, stammt aus archäologischen<br />

Ausgrabungen, historischen Aufzeichnungen,<br />

Kunst und comicartigen Abbildungen,<br />

wie diejenigen auf dem Teppich von Bayeux,<br />

Lesen & Spielen


KRIEGSWESEN IM MITTELALTER<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

der eine der Hauptquellen für Bewaffnung<br />

und Rüstung dieser Epoche darstellt. Funde<br />

aus einer Ausgrabung geben immer lediglich<br />

ein Bild davon ab, wie diese spezielle Person<br />

schließlich begraben wurde. Ob der Leichnam<br />

zu Lebzeiten gleich gekleidet war oder<br />

ob die Kleidung des Toten beispielhaft für<br />

seine Zeit, also Mode war, weiß niemand. Es<br />

lassen sich also nur Vermutungen über die<br />

Kleidung anstellen.<br />

Setzt man den gesunden Menschenverstand<br />

ein, so kommt wohl jeder zu der Erkenntnis,<br />

dass Menschen egal in welcher<br />

Zeit und Epoche sie lebten, bunte Kleidung<br />

häufig der ungefärbten Kleidung vorzogen.<br />

Es ist also nicht bewiesen, aber doch in gewisser<br />

Weise logisch, dass die Armeen eher<br />

farbenfroh anzusehen und wenn es nur zwei<br />

Landesfarben waren. Tarnfarbene Kleidung<br />

ist eher unwahrscheinlich und wurde, wenn<br />

überhaupt, nur für Späher eingesetzt.<br />

Der einzelne Soldat trug entweder ein<br />

Kettenhemd oder einen Plattenrock. Ob unter<br />

oder über der Kleidung war wahrscheinlich<br />

von den persönlichen Vorstellungen<br />

und Geschmäckern von Kleidung abhängig.<br />

Unter der Rüstung musste jedoch und jeder<br />

DSA-Spieler weiß das, eine wattierte<br />

Unterkleidung getragen werden, damit ein<br />

Schwerthieb die Ringe nicht in das eigene<br />

Fleisch treiben konnte und das Kettenhemd<br />

durch die Reibung mit der Unterkleidung<br />

nicht verrutschte.<br />

Geht man nach der Kleiderordnung, die für<br />

Tempelritter galt, mussten diese eine gepolsterte<br />

Kappe, zwei Hemden, den Waffenrock<br />

u.a. immer mitführen. Ein Sergeant, weniger<br />

gut gerüstet als ein Ritter, trug zum Kettenhemd<br />

noch Kettenbeinlinge und z.B. einen<br />

Eisenhut, die sogar bemalt wurden. Bei einer<br />

kalten Witterung wurde häufig wattierte<br />

Kleidung mit einem Gugel (Kapuze mit einem<br />

weiten Kragen für Hals und Schultern) getragen.<br />

Bei Google oder Ebay findet man immer<br />

einige Bilder dazu.<br />

Beispielsweise trugen walisische Bogenschützen<br />

aus Flynt knielange Tuniken und<br />

bis zur Brust reichende Gugel, die einheitlich<br />

aus grünem und weißem Stoff genäht wurden.<br />

Also eine einheitliche Bekleidung für<br />

eine ganze Gruppe von Soldaten. Ob dieses<br />

Beispiel jedoch für eine ganze Armee eines<br />

Königreichs anwendbar ist oder ob es eher<br />

eine Randerscheinung darstellt, ist unsicher.<br />

Das Bild einer Armee in der jeder Soldat unterschiedliche<br />

Kleidung mit verschiedensten<br />

Farben trug ist also genauso möglich, wie<br />

eine komplett einheitlich in blau und rot gekleidete<br />

Armee oder eine farbliche Übereinstimmung<br />

der einzelnen Einheiten. Als Spielleiter<br />

bleibt einem bei der Farbwahl somit<br />

freie Hand.<br />

Ritter schmückten ihren Topfhelm häufig<br />

mit einem Zimier (Helmschmuck der an der<br />

Oberseite des Helmes angebracht wurde und<br />

bei Turnieren phantastische Ausmaße annehmen<br />

konnte im Kampf jedoch unzweckmäßig<br />

war). Unter den Wohlhabenden waren<br />

im 15. Jahrhundert mit Edelsteinen besetzte<br />

goldene Kugeln sehr populär, während der<br />

einfache Soldat sich auf einen um den Helm<br />

gewickelten Schal oder eine Feder am Helm<br />

als Schmuck beschränkte. Reich ausgestatte<br />

Leibgarden trugen oft mit Edelsteinen besetzte<br />

Helmbüsche.<br />

Zur Identifizierung von Einheiten wurden<br />

Offizieren häufig Nummern ihrer Einheit auf<br />

den Helm gemalt.<br />

Ein weiterer Punkt, der unter den Soldaten<br />

Prestigestatus erreichte, war die Intensität<br />

des Glanzes der Stahlteile einer Rüstung oder<br />

des Helmes. Regen, Nebel und Schweiß bedeckten<br />

diese Teile nach einem Tagesmarsch<br />

mit rotem Flugrost. Also wurde die Rüstung<br />

mittels eines Bimssteines und Öl gereinigt<br />

und auf Hochglanz poliert. Kettenhemden<br />

lassen sich wegen des typischen Ringgeflechtes<br />

weniger leicht pflegen. Sie wurden meist<br />

in einen Sack mit Sand und Essig gesteckt<br />

oder ganz einfach in einem Fass voller Sand<br />

gereinigt.<br />

Verletzungen:<br />

Warum ich?<br />

Zu jeder Zeit sind Kämpfe mit Verletzungen<br />

und Leid verbunden. Dies gilt besonders<br />

auch im Spätmittelalter. Die medizinische<br />

Versorgung war, wenn überhaupt vorhanden,<br />

mangelhaft und nichts im Vergleich zu<br />

unseren heutigen Methoden. Sollten den<br />

Charakteren in ihrem Spielsystem keine magischen<br />

Mittel zur Verfügung stehen, lassen<br />

Sie sie also ruhig die Folgen eines Kampfes<br />

spüren.<br />

Verletzungen bieten – richtig dargestellt –<br />

ein gutes erzählerisches Potential, solange<br />

die Spieler nicht nur mit der Veränderung ihrer<br />

Werte gequält werden, sondern eine Geschichte<br />

erzählt bekommen. Die Spielercharaktere<br />

können aktiv in den Heilungsprozess<br />

einbezogen werden. Es kann zu einem eigenen<br />

Abenteuer geraten, bestimmte Heilkräuter<br />

zu suchen oder einen Verletzten sicher<br />

durch ein Kriegsgebiet zu eskortieren.<br />

Eine Verletzung sollte aber nie mit medizinischen<br />

Fachbegriffen beschrieben werden.<br />

Erstens waren die meisten Fachwörter oder<br />

Krankheitsbilder im späten Mittelalter unbekannt<br />

und zweitens zerstört es die Atmosphäre<br />

genau zu wissen welches Organ auf<br />

welche Weise verletzt wurde.<br />

Bei all dem ist unwichtig, ob die Verletzung<br />

oder Krankheit mitsamt ihren Auswirkungen<br />

medizinisch richtig erzählt ist. Sollte dem<br />

Spielleiter jedoch einmal ein anwesender<br />

Mediziner widersprechen, so gilt auch hier<br />

die goldene RPG-Regel: der Spielleiter hat<br />

immer Recht. Und etwas, das zu einem guten<br />

Rollenspiel beiträgt, kann nie falsch sein!<br />

Allerdings stellt sich die Frage, ob wirklich<br />

ein Spieler die Rolle des schwer Verletzten<br />

übernehmen sollte. In einer Gruppe mit<br />

schauspielerisch veranlagten Spielern kann<br />

es sehr stimmungsvoll sein, einen verletzten<br />

Charakter darzustellen. Viele Spieler werden<br />

sich jedoch benachteiligt fühlen. Für sie ist<br />

ein beinahe handlungsunfähiger Charakter<br />

ein Spaßkiller. Und nichts kann frustrierender<br />

sein, als alleine auf einer Bahre zu liegen,<br />

während der Rest der Gruppe nach Heilpflanzen<br />

sucht oder gegen eine Horde Gegner<br />

kämpft. Für einen solchen Fall empfiehlt es<br />

sich, einen NPC als Verletzten zu wählen.<br />

Um die Folgen eines Kampfes zu verdeutlichen,<br />

ohne dabei einen Charakter zu benachteiligen,<br />

gibt es jetzt ein paar Vorschläge für<br />

Erzählsequenzen.<br />

• Auf Reisen hinter der Front: Ihr Weg<br />

führt die Charaktere an einer Ansammlung<br />

primitiver Zelte vorbei. Nachdem aus<br />

dem Inneren eines am Wegrand stehenden<br />

Zeltes einige markerschütternde<br />

Schreie ertönen, betreten die Charaktere<br />

(hoffentlich) dasselbe. In ihm steht Liege<br />

an Liege. Ein blutüberströmter Feldarzt<br />

versucht einen panisch um sich schlagenden<br />

Verwundeten zu behandeln. Er ruft<br />

nach dem vermeintlich stärksten Charakter<br />

und bittet ihn um Hilfe. Schon sehen<br />

sich die Spieler mit einigen Hilfsdiensten<br />

beauftragt den Ärzten zur Hand zu gehen.<br />

• Mitten im Frontgebiet: Kameraden<br />

tragen einen Verletzten über die Leichen<br />

der Gefallenen. Ohne Hilfe oder eine Trage<br />

kommen die Erschöpften nicht mehr<br />

weit. Entweder die Spieler greifen ein und<br />

helfen, oder die Träger schleppen den<br />

Verwundeten noch einige Schritte, bevor<br />

sie zusammenbrechen.<br />

• In einer entscheidenden Schlacht: Die<br />

Schlacht ist derart wichtig, dass auch<br />

noch die letzten Soldaten mobilisiert<br />

werden. Ein Teil des Truppenaufgebotes<br />

besteht aus schwer Verwundeten.<br />

Humpelnde und mit Verbänden übersäte<br />

Gestalten ziehen in ein letztes Gefecht. •<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 39


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DAS ERBE DER DRACHENTÖCHTER<br />

Das Erbe<br />

der Drachentöchter<br />

EIN KURZES UNIVERSELLES FANTASY-ABENTEUER<br />

TEXT: FRIEDERIKE SCHMUTZLER<br />

ILLUSTRATION: MONIQUE HAGEL<br />

Vorwort<br />

Die beiden schönen Zwillingstöchter<br />

des Fürsten Arad von Dekandur,<br />

Theria und Ellesin, sind in höchsten<br />

Nöten: Ihr böser Vetter Drake von Bel'Adyn<br />

hat ihren Vater ermordet und bedrängt nun<br />

die Schwestern, ihn zum Nachfolger ihres Vaters<br />

zu machen, am besten durch eine Hochzeit<br />

mit Theria. Er wird von mächtigen Adligen<br />

aus den umliegenden Provinzen unterstützt,<br />

denn die beiden jungen Frauen werden nicht<br />

nur für vollkommen unfähig gehalten und<br />

auch aufgrund ihrer halbelfischen Herkunft<br />

abgelehnt, sie hüten auch einen uralten<br />

Schatz: das Draconium, ein Edelstein, der es<br />

seinem Träger möglich macht, sich mit einem<br />

Drachen zu verständigen, ohne den Drachen<br />

jedoch dabei zu versklaven oder sich gefügig<br />

zu machen. Seit Jahrhunderten ist dieser<br />

Stein im Besitz der Familie von Dekandur, und<br />

man kennt die weiblichen Dekanduri auch im<br />

ganzen Land als die „Drachensprecher“.<br />

Nur Theria hat jedoch die Fähigkeit ihrer<br />

Vorfahrinnen geerbt, sie ist auch die Erbin<br />

von Dekandur. Ihre Schwester Ellesin und<br />

deren Verlobter Jack Randall stehen ihr<br />

bei gegen die Anfeindungen, doch dann<br />

geschieht etwas Unvorhergesehenes: ein<br />

Erdbeben zerstört das Draconium. Nur eine<br />

uralte Prophezeiung kann jetzt noch helfen:<br />

Laut einer alten Handschrift in der Bibliothek<br />

von Dekandur besteht noch Hoffnung, ein<br />

neues Draconium zu erschaffen mit der Hilfe<br />

von einigen Fremden, die in Kürze eintreffen<br />

werden (wenn der Spielleiter möchte, kann<br />

er sich passende Umschreibungen für die<br />

Charaktere ausdenken, die dann in der Prophezeiung<br />

erwähnt werden). Die Zutaten<br />

müssen allerdings innerhalb von 3 Tagen bis<br />

zur Mitternacht des dritten Tages ab Ankunft<br />

der Charaktere herbeigeschafft werden, ansonsten<br />

ist Dekandur verloren und fällt Drake<br />

in die Hände.<br />

An diesem Punkt beginnt die Handlung und<br />

die Charaktere kommen ins Spiel. Sie können<br />

sich auf der Durchreise befinden, aber auch<br />

Seite 40<br />

von der wundersamen Gabe der Dekanduri<br />

gehört haben und sich daher gezielt auf dem<br />

Weg dorthin befinden. Vielleicht ist ihre Information<br />

über die Baronie schon älter und<br />

sie haben daher noch nichts von Lord Arads<br />

Tod gehört.<br />

Einstieg<br />

Die Gruppe wird unterwegs von einer<br />

Schar von bewaffneten Männern<br />

(20 einfache Soldaten/Fußvolk plus<br />

ein Hauptmann) angehalten, die behaupten,<br />

Wegzoll kassieren zu wollen in Höhe von einem<br />

Goldstück pro Kopf. Ihr oberster Herr<br />

ist der Lord Drake von Bel'Adyn. Weisen die<br />

Charaktere den Hauptmann darauf hin, dass<br />

es sich bei der Strasse zum einen um eine öffentliche<br />

Strasse handelt und zum anderen<br />

(wenn sie bereits das Wissen über die Gegend<br />

haben), es sich hier um Land des Herren von<br />

Dekandur handelt, werden die Soldaten zum<br />

Kampf übergehen. Während des Kampfes<br />

kommt ein unbekannter Mann hinzu und<br />

hilft der Gruppe. Der Hauptmann zieht sich<br />

mit seinen Männern zurück, nicht ohne noch<br />

ein paar Schmährufe zu hinterlassen.<br />

Der unbekannte Mann stellt sich vor: Sein<br />

Name ist Jack Randall, seine momentane Heimat<br />

ist das Schloss Dekandur, wo er bei den<br />

Schwestern Ellesin und Theria lebt. Er lädt<br />

die Gruppe ein, sich ihm anzuschließen.<br />

Während die Gruppe mit Randall eintrifft<br />

und in den grossen Saal gehen will, fällt ihnen<br />

im Burghof ein Mann auf, der das Gleiche<br />

Wappen trägt wie die Soldaten, die sie angegriffen<br />

haben. Dieser Mann ist jedoch wesentlich<br />

vornehmer gekleidet als die Soldaten.<br />

Auf Nachfrage erfahren sie, dass es sich<br />

hierbei um Drake Bel'Adyn handelt, der um<br />

die Hand von Lady Theria anhält. Diese hat<br />

jedoch allen Grund, ihn abzulehnen, denn so<br />

wie es aussieht, hat Drake den Vater der beiden<br />

Schwestern auf dem Gewissen. Nur der<br />

Hinweis, dass sie noch trauert, hält den Mann<br />

im Moment davon ab, seiner Forderung<br />

Nachdruck zu verleihen. Leider hat Bel'Adyn<br />

die mächtigsten Adligen der Gegend hinter<br />

sich, denn die meisten der Männer sind der<br />

Meinung, dass Frauen nicht regieren sollten.<br />

Außerdem sind die beiden Frauen Halbelfen,<br />

und auch Ellesins Verlöbnis mit dem nicht<br />

adligen Jack Randall trägt nicht zur Verbesserung<br />

der Lage bei.<br />

Die Schwestern glauben jedoch, dass hinter<br />

Drakes Plänen etwas ganz anderes steckt,<br />

nämlich das Draconium. Hierbei handelt es<br />

sich um einen mächtigen Edelstein, der einer<br />

dafür ausgebildeten und dieser Fähigkeit<br />

mächtigen Magierin die Fähigkeit verleiht,<br />

einen Drachen zu rufen. Dieser Drache wird<br />

Dekandur gegen alle Widrigkeiten beschützen.<br />

Eine alte Sage besagt, dass Dekandur<br />

nicht angegriffen werden kann, solange sich<br />

das Draconium auf der Burg befindet. Doch<br />

ein Erdbeben (von dem nicht ganz klar ist, ob<br />

es natürlichen Ursprungs war) kurz vor der<br />

Ankunft der Helden hat das Draconium zerstört.<br />

Auf der Suche nach Hilfe hat sich eine<br />

uralte Prophezeiung gefunden, und Theria<br />

hofft nun, die Gefährten helfen ihr dabei und<br />

liest ihnen die Prophezeiung vor, wie in der<br />

Einleitung beschrieben. Diese weist jedoch<br />

nur darauf hin, dass die Gruppe, die sich auf<br />

Dekandur befindet, helfen kann. Weitere<br />

Hinweise kann laut dem Buch nur der blinde<br />

Seher Kherion, der in einer Höhle weiter<br />

nördlich wohnt, geben.<br />

Jack Randall kann die Gruppe als NSC begleiten,<br />

da er sich in der Gegend gut auskennt.<br />

Kherions Höhle<br />

Wer Kherions Höhle betreten will,<br />

muss zunächst an dem Torwächter<br />

vorbei. Dieser stellt der Gruppe<br />

ein Rätsel:<br />

Ein Schmerz, ein Ausruf<br />

und ein ewig Nein<br />

wird stets der Grund<br />

von aller Freundschaft sein.<br />

Abenteuer


DAS ERBE DER DRACHENTÖCHTER<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Lösung: Harmonie<br />

Verfasser: Franz von Brentano<br />

Jedes Mitglied der Gruppe hat genau einen<br />

Lösungsversuch, ist das Rätsel dann nicht<br />

gelöst, muss die Gruppe gegen den Torwächter<br />

und seine Untotenarmee kämpfen. Der<br />

Torwächter hat noch 10 Zombies hinter sich,<br />

er selbst ist schwer gepanzert und mit einer<br />

Hiebwaffe wie Schwert oder Morgenstern<br />

bewaffnet und sollte kein zu einfacher Gegner<br />

für die Gruppe sein.<br />

Hinter dem Torwächter betritt die Gruppe<br />

eine riesige hohe Höhle, die ca. 20m hoch ist<br />

und von der zwei Gänge abgehen.<br />

Der erste Gang endet nach kurzer Zeit in<br />

einer Bärenhöhle, in der drei Schwarzbären<br />

hausen, die die Charaktere sofort angreifen.<br />

Nach einem Kampf gegen die Bären nimmt<br />

die Gruppe den anderen Gang. Dort erwartet<br />

sie nach kurzer Zeit eine weitere Gruppe<br />

Zombies (ca. 10-15, je nach Gruppenstärke<br />

und Bewaffnung). Dann macht der Gang eine<br />

Biegung, und hier warten 7 Spinnen. In der<br />

nächsten Höhle sind 6 Spinnen, die den Charakteren<br />

das Leben schwer machen, dann<br />

endlich begrüßt sie der blinde Seher:<br />

„Ihr seid weit gereist, meine Freunde, und<br />

ich weiß was euer Begehr ist. Es ist wahrlich<br />

edel von euch, den Herrinnen von Dekandur zu<br />

helfen, und ihr habt alle Gefahren gemeistert,<br />

um zu mir zu finden. Seid mir willkommen und<br />

nehmt Platz an meiner Tafel.“<br />

Kherion bietet der Gruppe an, sich auszuruhen<br />

und eventuelle Verletzungen zu versorgen<br />

sowie etwas zu essen, dann erklärt er,<br />

was zu tun ist: „Das Auge des Drachen kann<br />

wieder erstellt werden, doch es bedarf vielen<br />

Geschicks und vieler Dinge: den Nebelstein,<br />

welcher verloren ging in den Höhlen von Zeria,<br />

wo die Goblins hausen, Blüten vom Mitternachtskraut,<br />

Asche aus dem Tempel von Arkothayn,<br />

das Blut von einer Person, die der Magie<br />

kundig ist und das Ei eines Greifen. Findet diese<br />

Gegenstände und bringt sie nach Dekandur,<br />

doch ihr müsst euch beeilen, ihr habt nur wenig<br />

Zeit, bis zum nächsten Neumond müsst ihr<br />

alles gefunden haben und ins Schloss gebracht<br />

haben, denn sonst ist alles verloren!“<br />

Jack Randall weiß, wo die Pflanze wächst,<br />

einem Charakter, der sich mit Pflanzen auskennt,<br />

dürfte die Blume bei einem gelungenen<br />

Fertigkeitswurf ebenfalls bekannt sein.<br />

Ein NSC aus dem nahe gelegenen Dorf wird<br />

wissen, wo der Tempel zu finden ist, und bei<br />

der Aufgabe, bei der es um das Blut geht,<br />

sollten die Charaktere im Verlauf des Abenteuers<br />

dahinter kommen, dass es reicht,<br />

wenn sie einen Magier lediglich in den Finger<br />

schneiden. Das Greifenei ist im Gebirge zu<br />

finden. Alle Zutaten sind innerhalb von drei<br />

Tagen bis zum nächsten Neumond zu besorgen<br />

und nach Dekandur zu bringen, ansonsten<br />

war alle Mühe umsonst.<br />

Die Gruppe verlässt den Seher und macht<br />

sich wieder auf den Weg.<br />

Die Aufgaben<br />

Die Höhlen von Zeria<br />

Um zu den in der Prophezeiung genannten<br />

Orten zu gelangen, braucht die Gruppe eine<br />

Karte. Entweder werden sie eine von Jack<br />

Randall erhalten bzw. ihn als Ortskundigen<br />

mitnehmen, sie können im Dorf bei der Burg<br />

eine Karte käuflich erwerben oder ein Dorfbewohner<br />

weist ihnen den Weg. Die Karte<br />

sollte den Spielern an dieser Stelle als Handout<br />

ausgehändigt werden.<br />

Am Eingang findet die Gruppe zwei Torwächter<br />

der Goblins, die – wenn sie noch Gelegenheit<br />

dazu bekommen – darauf hinweisen,<br />

dass in der Höhle ein Ritual zu Ehren des<br />

Goblin-Häuptlings stattfindet, aus diesem<br />

Grund haben sich alle Stämme der Region<br />

dort versammelt. In der Höhle befinden sich<br />

über 150 Goblins, die wild zu Trommelmusik<br />

tanzen, alle sind sehr ekstatisch und bewaffnet<br />

bis an die Zähne. An dieser Stelle kann<br />

der Spielleiter, wenn mit Musik gearbeitet<br />

wird, gut ein sehr schnelles und rhythmisches<br />

Stück mit viel Trommeln einsetzen, um<br />

dem Fest die nötige Untermalung zu geben.<br />

Gibt es einen Unsichtbarkeitstrunk oder einen<br />

entsprechenden Zauber, so ist dieser<br />

einzusetzen, denn die Gruppe kann gerne<br />

versuchen, sich durch die Goblins durchzumogeln,<br />

aber das wird schwer. Der Edelstein<br />

befindet sich auf dem Altar, der ganz am<br />

Ende der Höhle auf einem natürlichen Sockel<br />

steht. Von dort muss er entwendet werden<br />

und zurückgebracht werden.<br />

Blüten des Mitternachtskrauts<br />

Die Pflanze blüht, wie der Name schon<br />

sagt, nur um Mitternacht. In dem Wald hat<br />

sich jedoch auch eine Räuberbande niedergelassen,<br />

die sich nicht gerne stören lässt.<br />

Abenteuer<br />

Seite 41


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DAS ERBE DER DRACHENTÖCHTER<br />

Die 20 Männer und Frauen halten die Gruppe<br />

für den langen Arm des Gesetzes und wehren<br />

sich mit Händen und Füßen, Männer wie<br />

Frauen. Im Lager der Räuber findet die Gruppe<br />

Nahrungsmittel, die aus umliegenden<br />

Dörfern gestohlen wurden, Gold und wertvolle<br />

Bücher.<br />

Die Pflanze blüht immer um Mitternacht<br />

unter einer Eiche, dort findet die Gruppe sie<br />

auch.<br />

Blut eines Magiebegabten<br />

Wie bereits erwähnt, reicht es hier, dass<br />

sich ein magischer Charakter allenfalls in den<br />

Finger schneidet und zwei-drei Tropfen Blut<br />

verliert. Natürlich sollte der Spielleiter an dieser<br />

Stelle die Spieler nicht zu schnell auf die<br />

richtige Lösung bringen, sondern vielleicht<br />

ein wenig mit ihren Ängsten spielen, dass<br />

zum Bestehen des Abenteuers einer aus ihrer<br />

Gruppe sterben muss.<br />

Asche aus dem<br />

Tempel von Arkothayn<br />

Der Tempel befindet sich unterhalb der<br />

Goblinhöhlen, einst war es wohl ein Bane-<br />

Tempel. Im Inneren befinden sich zwei große<br />

Spinnen. Der Altar hat zwei Rauchschälchen,<br />

in beiden befindet sich Asche. Die richtige<br />

Asche ist im linken Schälchen, wenn man von<br />

der Tür her kommt, mit Hilfe von Magie oder<br />

magischen Gegenständen kann dies entdeckt<br />

werden.<br />

Ei eines Greifen<br />

Die Greifen nisten im Gebirge weit im Norden,<br />

noch hinter den Hügeln, in denen sich<br />

die Höhlen befinden. Hier gibt es mehrere<br />

Nester, denn es ist Brutzeit. Die Greifen sind<br />

zu zweit, dann gibt es noch den Rest des<br />

Schwarms weiter entfernt. Hat die Gruppe<br />

Pferde mitgebracht, wittern die Greifen Beute<br />

und schlagen zu, ansonsten lassen sie die<br />

Gruppe gewähren, bis sie den Diebstahl entdecken.<br />

Die Rückkehr<br />

nach Dekandur<br />

Zurück in Dekandur hat Ellesin eine<br />

traurige Nachricht für die Gruppe:<br />

Theria wurde von Drake entführt, er<br />

will sie auf diese Weise zu einer sofortigen<br />

Eheschließung drängen. Er hat erfahren, dass<br />

das Draconium zerstört wurde, und will nun<br />

nicht länger auf eine Antwort der Schwestern<br />

warten. Außerdem hat er sich neben<br />

seinen menschlichen Verbündeten noch einen<br />

tierischen dazu geholt: den Drachen Tyrtainur,<br />

einen gefürchteter Gegner. Dies weiß<br />

die Gruppe und Ellesin allerdings noch nicht<br />

Seite 42<br />

zu diesem Zeitpunkt.<br />

Da nur Theria in der Lage ist, mit einem<br />

Draconium einen Drachen zu rufen, muss<br />

erst das neue Draconium erstellt werden,<br />

auch Ellesin drängt darauf, denn sie weiß,<br />

ihre Schwester würde es niemals zulassen,<br />

dass sie gerettet würde, aber dafür im Gegenzug<br />

Dekandur und alles, was daran hängt<br />

für immer unterginge.<br />

Das Ritual wird in der Burg durchgeführt. Es<br />

muss noch ein Feuerbecken herbei geschafft<br />

werden, in das die Zutaten der Reihe nach<br />

geworfen werden, und der folgende Spruch<br />

muss von einem Magier verlesen werden:<br />

Aus dem Nebel der Stein,<br />

die Pflanze der Nacht,<br />

Blut des Zauberers,<br />

Asche der Bösen Macht,<br />

vom Greifen das Ei,<br />

das Auge des Drachen wieder sei!<br />

Mit einem lauten Knall wird das Feuer verlöschen<br />

und in der Asche befindet sich das<br />

Draconium, ein faustgroßer, gelblicher und<br />

eher unscheinbarer Edelstein.<br />

Der Angriff<br />

auf Bel'Adyn:<br />

Die Burg wird von mehreren Bewaffneten<br />

gehalten. Gelangen die Charaktere<br />

in den Innenhof, werden sie<br />

feststellen, dass schon eine Hochzeitszeremonie<br />

in vollem Gange zu sein scheint. Im linken<br />

hinteren Turm befindet sich eine Kapelle,<br />

in der auch Theria und Drake sowie ihre<br />

Hochzeitsgäste sind. Drake will die Hochzeit<br />

um jeden Preis abhalten und wird sich den<br />

Abenteurern natürlich in den Weg stellen.<br />

Wird er angegriffen, erscheint der Drache,<br />

den er zuvor beschwören hat lassen. Hat die<br />

Gruppe das Draconium mitgebracht, so wird<br />

es Theria übergeben, die damit ihrerseits<br />

einen Drachen zu Hilfe ruft. Die beiden Drachen<br />

kämpfen gegeneinander, während die<br />

Charaktere sich Drake vornehmen sollten.<br />

Sobald Drake besiegt ist, verschwindet<br />

auch der Drache.<br />

Abschluss des<br />

Abenteuers<br />

ANMERKUNG<br />

Das Abenteuer wurde ursprünglich für<br />

Advanced Dungeons and Dragons konzipiert,<br />

liegt hier jedoch in einer für verschiedene<br />

Systeme spielbaren Form vor.<br />

Je nach Gruppengröße, Level und Ausrüstung<br />

der Spieler kann die Stärke und<br />

Anzahl der Gegner in den Kämpfen verringert<br />

bzw. heraufgesetzt werden.<br />

Die beiden Schwestern und Jack Randall<br />

sind wieder glücklich zurück auf<br />

Dekandur. Sollten die Charaktere<br />

sich entschließen, Drake einer übergeordneten<br />

Instanz (König, oberster Lehensherr)<br />

auszuliefern, dann wird Drake eingekerkert<br />

und Jack für seine Verdienste zum Ritter<br />

geschlagen und mit dem Lehen Bel'Adyn belohnt.<br />

Theria ihrerseits belohnt die Gruppe,<br />

indem sie ihnen erlaubt, sich in der Bibliothek<br />

die Zaubersprüche durchzusehen und auch<br />

neue Waffen bereitstellt.<br />

NSC Sektion<br />

Theria von Dekandur<br />

Theria ist die ältere der beiden Zwillingsschwestern<br />

und somit die Erbin von Dekandur.<br />

Sie ist wie ihre Schwester deutlich<br />

sichtbar eine Halbelfe, sie hat lange schwarze<br />

Haare und ist eine wunderschöne junge<br />

Frau. Theria ist eine Magierin, ihre hervorstechendste<br />

Fähigkeit ist die Gabe, mit Hilfe des<br />

Draconiums einen Drachen herbeizurufen.<br />

Das Tier wird jedoch nicht von ihr oder dem<br />

Stein beherrscht, sondern stellt sich freiwillig<br />

in ihren Dienst. Nur der Träger des Draconiums<br />

hat dann Einfluss auf den Drachen und<br />

kann sich mit diesem verständigen.<br />

Ellesin von Dekandur<br />

Die jüngere Zwillingsschwester von Theria<br />

und Verlobte von Jack Randall. Ellesin<br />

hat blonde Haare und ist ebenso wie ihre<br />

Schwester eine Halbelfe. Ellesin verfügt über<br />

keinerlei magische Fähigkeiten, sie kann aber<br />

gut mit dem Bogen umgehen.<br />

Jack Randall<br />

Ein junger Mann unbekannter Herkunft,<br />

der mit den Schwestern auf der Burg lebt.<br />

Jack ist gekleidet wie jemand, der sich im<br />

Wald und in der Natur auskennt, je nach System<br />

obliegt es dem Spielleiter, sich einen<br />

passenden Beruf für ihn auszudenken. Jack<br />

ist nicht von Adel, und das sollte auch an seinem<br />

Äußeren und seinem Verhalten zu sehen<br />

sein. Jack ist der Verlobte von Ellesin von Dekandur.<br />

Drake von Bel'Adyn<br />

Ein kriegerischer Adliger, der stets in Rüstung<br />

auftritt. Er hat den Vater der beiden<br />

Schwestern vermutlich umgebracht und hält<br />

nun in regelmäßigen Abständen um Therias<br />

Hand an, um sich die Macht des Draconiums<br />

und auch das Land der Schwestern zu sichern.<br />

•<br />

Abenteuer


Religion im Rollenspiel<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Religion im Rollenspiel<br />

DAS DARSTELLEN VON RELIGION IM SPIEL<br />

TEXT: VOLKER HERFELD<br />

ILLUSTRATION: KATHY SCHAD<br />

Es war einmal und ist noch immer so auf einer<br />

Ebene weit entfernt, dass die Erste-Hilfe-<br />

Kästen durch eine wundersame Fügung des<br />

Schicksals laufen konnten. Sie sprachen auch<br />

von Zeit zu Zeit, doch diese Überlieferungen<br />

sind bestenfalls unsicher, da niemand ihren<br />

Ausführungen lauschen wollte, oder sie sprachen<br />

im moralischen Hochfrequenzbereich,<br />

sehr zur Freude von Verwundeten, die nicht<br />

zuhören mussten oder wollten. In größeren<br />

Städten brachten diese wunderlichen Arzneiköfferchen<br />

ihr Geld dann in einen großen<br />

Bau, den sie wohl für eine Waffenschmiede,<br />

einen Rüstungsmacher oder eine Kreissparkasse<br />

hielten, was aber alles falsch war, denn<br />

sie bekamen nie etwas zurück.<br />

Wer schon einmal einen Kleriker im Rollenspiel<br />

verkörpert hat, weiß wahrscheinlich<br />

schon, um welche traurigen Gestalten es sich<br />

hier handelt. Auch wenn manche Systeme<br />

ihren Priestercharakteren diese bittere Pille<br />

vorenthalten (wie etwa DSA), sind Kleriker<br />

in Systemen, die ihnen das Monopol auf Heilung<br />

zugesichert haben, oftmals nur eine Anlaufstation<br />

für Wiedererweckungen.<br />

Dies liegt jedoch nicht an dem Spieler, der<br />

nach solchen Abenden seine Würfel frustriert<br />

in die Ecke feuert, sondern meistens<br />

an Problemen der Religionsdarstellung im<br />

Rollenspiel allgemein. Schließlich ärgert man<br />

sich als Spielleiter immer wieder darüber,<br />

dass es nicht gelungen ist, die Helden nur auf<br />

Grund der netten Bitten des Oberpriesters<br />

auf eine haarsträubend gefährliche Suche<br />

zu schicken, und diese erst durch Zugeständnisse<br />

diverser Art (ein schöner Heilzauber,<br />

ein Trank, ein kleiner Griff in die kirchliche<br />

Schatzkammer oder ähnliche Tricks) für sich<br />

und das vorbereitete Abenteuer gewonnen<br />

werden konnten.<br />

Lesen & Spielen<br />

Warum ist das<br />

eigentlich so schwer?<br />

Wieso können Spieler, die anscheinend<br />

keinerlei Probleme damit haben, ein anderes<br />

Geschlecht, einen Elfen oder Zwerg mit<br />

stattlichen 120 Jahren auf dem Buckel, einen<br />

zähnefletschenden Barbaren oder Ahnliches<br />

zu spielen, nur selten einen wirklich überzeugenden<br />

Priester mimen, von anderen gläubigen<br />

Helden ganz zu schweigen? Ein Grund ist<br />

sicherlich, dass der Glaube, sowohl in unserer<br />

als auch in der Fantasywelt, mehr ist als ein<br />

bloßes Lippenbekenntnis oder der monatlich<br />

fällige Zehnt an die Kirche (zumindest sollte<br />

er das sein…). Einer Religion anzugehören<br />

heißt generell, eine bestimmte Weltanschauung<br />

zu haben, die eigenen Erfahrungen und<br />

die Geschichte unter einem bestimmten<br />

Blickwinkel zu betrachten.<br />

In unserer Spielgruppe wurde dies einmal<br />

von einem Spieler sehr konsequent umgesetzt,<br />

indem der gespielte Mönch jede<br />

Abweichung von seinem sehr asketischen<br />

Glauben (was bei zwei trinkfesten, hormonstrotzenden<br />

Musketieren als Gefährten häufig<br />

der Fall war) als Vorzeichen für eine Strafe<br />

seines Gottes ansah – eine Sicht, die natürlich<br />

durch jede Niederlage, sei es im Kleinen in einem<br />

Kampf oder am Ende eines Abenteuers,<br />

bestätigt wurde.<br />

Ein Charakter, der leidenschaftlich einer<br />

Glaubensrichtung angehört, wird auf einen<br />

unvorhergesehenen Schicksalsschlag sicherlich<br />

anders reagieren als ein ungläubiges<br />

Kind des 20. oder 21. Jahrhunderts. Auch<br />

wenn dies manchmal schwer fällt, sollte<br />

sich ein(e) Spieler(in) dessen während des<br />

Spiels bewusst sein, und Geschehnisse ruhig<br />

auch einmal irrational interpretieren. Was<br />

bei uns als Aberglaube abgetan wird, wie<br />

etwa das Lesen aus den Eingeweiden von<br />

Opfertieren nach bester Asterix-Manier, ist<br />

in anderen Religionen durchaus legitim und<br />

ernst zu nehmen. Und ein Priester, der nach<br />

eingehender Betrachtung eines Gänsedarms<br />

auf unheilschwangere Wolken am Horizont<br />

hinweist, ist bei weitem stimmungsvoller<br />

als sein Kollege, der mit statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnungen<br />

jongliert.<br />

Welcher Glaube?<br />

Im Fantasyrollenspiel ist der Polytheismus<br />

weit verbreitet, was allgemein als stimmungsvoller<br />

Gegensatz zu unserer monotheistischen<br />

Kultur und Realität aufgefasst<br />

wird. Leider bringt so ein Pantheon neben<br />

einfallsreichen bunten Namen und der lang<br />

ersehnten Gelegenheit, endlich einmal zu<br />

Isis und Osiris beten zu können, auch große<br />

Schwierigkeiten mit sich.<br />

An erster Stelle steht hier natürlich die<br />

Vielfalt, die zu berücksichtigen nicht immer<br />

leicht ist. Gern verlieren Meister oder Spieler<br />

den Überblick, und so fallen einige mächtige<br />

Wesen unter den Spieltisch und erfüllen im<br />

Heldenleben eine geringere Rolle als der Ork,<br />

der hinter der nächsten Ecke lauert. Man<br />

kann kaum erwarten, dass jeder auf einmal<br />

alle Götter und Nebengötter und deren Heilige<br />

und Kindeskinder kennt, doch sollten sich<br />

meist ein paar wenige überirdische Gestalten<br />

heraus kristallisieren, die für den jeweiligen<br />

Landstrich typisch und vorrangig sind. In einer<br />

Küstenstadt in DSA beispielsweise sollte<br />

sich der Efferd-Kult vom Rondra-Kult der<br />

Amazonen durch mehr unterscheiden als<br />

durch den bloßen Namen über dem Tempeleingang.<br />

Er sollte z.B. auch andere Riten und<br />

Verhaltensweisen verlangen, was ja auch<br />

stark im Alltagsleben der Bevölkerung sichtbar<br />

sein sollte.<br />

Dazu stellt sich die Frage, wie denn nun<br />

genau dieser oder jener Kult aussieht. Von<br />

der Tatsache, dass es keine vorgegebenen Liturgien<br />

oder heiligen Schriften für die Zwölf<br />

Götter Aventuriens oder die vielen Götter<br />

der Vergessenen Reiche gibt, muss man sich<br />

hier nicht irritieren lassen. Wer keine genauen<br />

Regeln für seinen Glauben kennt, kann<br />

diese einfach, vielleicht in Absprache mit<br />

dem Spielleiter, erfinden. Dass dann jede Silvanus-Gemeinschaft<br />

bei jeder Gruppe anders<br />

aussieht und teilweise völlig andere Regeln<br />

aufgestellt hat, tut der Sache ja keinen Abbruch.<br />

Die Kirche<br />

als Kulturträger<br />

Wenn man in unsere eigene Vergangenheit<br />

zurückblickt, fällt auf, dass die christliche Kirche<br />

des Mittelalters neben groß angelegten<br />

militärischen Selbstmordkommandos wie<br />

den Kreuzzügen auch noch eine andere sehr<br />

prägende Seite hatte. Für viele Jahrhunderte<br />

war die Kirche der Kulturträger schlechthin.<br />

Mönche und Priester waren unter den wenigen<br />

Auserwählten, die lesen und schreiben<br />

konnten, lange bevor sich der Adel darauf<br />

Seite 43


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Religion im Rollenspiel<br />

RELIGION<br />

Als Religion bezeichnet man eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher kultureller Phänomene,<br />

die menschliches Verhalten, Handeln und<br />

Denken prägen und Wertvorstellungen<br />

normativ beeinflussen. Es gibt keine wissenschaftlich<br />

allgemein anerkannte Definition<br />

des Begriffs Religion.<br />

Die weltweit größten Religionen nach<br />

Anhängerzahl sind: Christentum, Islam,<br />

Hinduismus, Buddhismus, Daoismus, Sikhismus,<br />

Judentum, Bahai, Konfuzianismus<br />

und Shintō.<br />

— Quelle: wikipedia.de<br />

besann, auch einmal einer anderen Beschäftigung<br />

nachzugehen als dem ständigen Jagen,<br />

Bogenschießen, Reiten und Turniere<br />

austragen. In Klöstern wurden die Bücher<br />

dieser Zeit in mühsamer Handarbeit erstellt,<br />

und wer eine Bibliothek aufsuchen wollte,<br />

wurde nur in sakralen Gebäuden fündig und<br />

kaum bei Hofe.<br />

Im Rollenspiel verschiebt sich das Ganze<br />

ein wenig, denn hier haben die Klöster als<br />

Bildungsanstalten eine enorme Konkurrenz –<br />

die Magier und ihre Akademien. Es gibt wohl<br />

kaum Magier, die nicht des Lesen und Schreibens<br />

mächtig sind, und wenn, dann sind<br />

diese bedauerlichen Analphabeten wahrscheinlich<br />

das Gespött ihrer Genossen. Diese<br />

Abschaffung eines Bildungsmonopols kann<br />

für die konkrete Würfelwelt bedeuten, dass<br />

sich dadurch eine gewisse Allgemeinbildung<br />

enorm verbreiten kann, zumindest weiter,<br />

als das im Mittelalter der Fall war. Magier bilden<br />

ihre Schüler und Schülerinnen aus. Diese<br />

gründen eine eigene Schule, aus der wieder<br />

lauter kleine Zauberlehrlinge hervorgehen,<br />

die ebenfalls des Lesens mächtig sind, die<br />

auch noch weitere Bücher abschreiben (oder<br />

diese einfach magisch kopieren, wenn sie etwas<br />

fauler sind). Diese Bücher finden immer<br />

mehr Verbreitung, und irgendwann gibt es<br />

Stadtbibliotheken.<br />

Das ist eine der Möglichkeiten. Die andere<br />

wäre, einen Konkurrenzkampf zwischen<br />

der Art des Wissens der Magierakademien<br />

und der Kirchen zu inszenieren, schließlich<br />

gründen sich beide auf unterschiedliche Erklärungsmuster<br />

für die Welt, was bei den<br />

Praios-Geweihten im Schwarzen Auge zum<br />

Ausdruck kommt. Hiermit lässt sich ein wunderschönes<br />

Verwirrspiel mit den Helden beginnen,<br />

wenn diese Nachforschungen über<br />

eine seltsame Begebenheit anstellen und<br />

dann feststellen müssen, dass die Magierbücher<br />

etwas anderes sagen (z.B. eine Störung<br />

in den arkanen Kräften, die nur durch einen<br />

bestimmten Zauber wieder beendet werden<br />

kann) als die Priesterbücher (z.B. der Zorn der<br />

Götter hat Gestalt angenommen und kann<br />

nur durch ein entsprechendes Opfer wieder<br />

verbannt werden). Wer von beiden Recht<br />

hat, bleibt dem Meister überlassen. Ganz geschickt<br />

wäre es, eine Lösung zu finden, die in<br />

beide Richtungen interpretiert werden kann,<br />

so dass weder die eine noch die andere Art<br />

des Wissens in Misskredit gebracht wird.<br />

Kirchenaufbau<br />

Wer eine fiktive Glaubensgemeinschaft im<br />

Rollenspiel darstellen will, sollte sich über die<br />

Architektur der Kirche Gedanken machen,<br />

also sowohl was den Aufbau der innerkirchlichen<br />

Hierarchie als auch eventuell die tatsächlichen<br />

Glaubenshäuser anbelangt.<br />

Am Anfang aller Überlegungen zum ersten<br />

Punkt steht die Entscheidung über die Strenge<br />

der Hierarchie. Sind alle Dorfpriesterinnen<br />

untereinander gleichberechtigt wie bei Schamanenreligionen<br />

und vielen Naturvölkern,<br />

die auf Grund der Tatsache, dass ihre Ansiedlungen<br />

weit entfernt voneinander liegen und<br />

kein regelmäßiger Austausch stattfindet, keine<br />

übergreifenden Strukturen haben? Oder<br />

nimmt man sich eher eine mehr oder weniger<br />

streng organisierte hierarchische Kirche<br />

der eigenen Umwelt zum Vorbild (z.B. katholische<br />

oder protestantische Kirche)? Nach<br />

meiner Erfahrung sind Strukturen wie die<br />

in den christlichen Gemeinschaften leichter<br />

zu spielen, sei es aus Vertrautheit mit dieser<br />

Denkart, sei es aufgrund der höheren überregionalen<br />

Macht, die ein derart organisierter<br />

Glaube ausüben kann. Im Rollenspiel werden<br />

dann meist nur namentliche Variationen des<br />

Priesteramtes (Oberpriester, Erzpriester,…)<br />

verwendet, selten Titel wie Bischof oder<br />

Kardinal, und hoffentlich bei niemandem ein<br />

oberster Brückenbauer, der ja nur in einem<br />

bestimmten Glauben Sinn macht.<br />

Das andere ist die Architektur der Gotteshäuser.<br />

Viele Zeichner schwanken zwischen<br />

zwei Extremen, der gotischen Kathedrale,<br />

die sich besonders für Gruselabenteuer (z.B.<br />

AD&D Ravenloft-Setting) eignet, und dem<br />

Tempel im pseudo-antiken Stil. Für was man<br />

sich entscheidet, ist sicherlich Geschmackssache<br />

und sollte der Gruppe, ihren Vorlieben<br />

und der Spielwelt angepasst sein. Wenn man<br />

sich aber entschieden hat, muss man auch<br />

einigermaßen einheitlich bleiben. Grunddesigns<br />

können ja verändert werden – eine Kirche<br />

aus dem 17. Jahrhundert sieht ja auch anders<br />

aus als eine aus den 60er Jahren – doch<br />

sollte man nicht gleich in eine andere Kategorie<br />

wechseln. Auch hochmoderne Kirchengebäude<br />

unserer Zeit besitzen keine Vorhalle<br />

Seite 44<br />

Lesen & Spielen


Religion im Rollenspiel<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

mit dorischen Säulen. Und wie sollen sich die<br />

armen Götter zurechtfinden, wenn jede Grafschaft<br />

ihre Heimstätten anders konstruiert?<br />

Atheismus<br />

Selbst wenn man einmal klar gestellt hat,<br />

dass in diesem Fürstentum nun mal für einen<br />

bestimmten Tempel Abgaben zu entrichten<br />

sind, reicht diese Anstrengung von Seiten<br />

des Spielleiters natürlich noch nicht, um eine<br />

Religion stimmungsvoll einzubinden. Denn<br />

woran glauben eigentlich die Helden?<br />

Häufig übertragen Spieler ihre eigene Weltsicht<br />

auf die ihrer Charaktere, was nicht selten<br />

zu seltsam anmutenden und unfreiwillig<br />

komischen Szenen führen kann. Ein profanes<br />

Beispiel: Spielleiter: „Ein Blitz zuckt durch den<br />

Himmel, und ein tiefes Grollen erschüttert<br />

die Erde.” Spieler: „Ich zähle die Sekunden<br />

zwischen Blitz und Donner, um festzustellen,<br />

wie weit das Gewitter noch entfernt ist.” Es<br />

ist immer wieder rührend mit anzusehen,<br />

dass in einer vorwissenschaftlichen Welt die<br />

Schallgeschwindigkeit kein Geheimnis ist!<br />

Die Spieler mögen ja durchaus auch Atheisten<br />

sein, die für alles, was geschieht, eine<br />

natürliche Erklärung aus dem Hut zaubern<br />

können und die Existenz eines Gottes mit<br />

dem Hinweis auf die Unbeweisbarkeit verneinen,<br />

doch sieht dies in einer Fantasywelt<br />

ganz anders aus. Die Götter greifen tatsächlich<br />

auch mal ins Geschehen ein und zeigen<br />

sich durch ihr Wirken oder durch das Wirken<br />

ihrer Diener, mögen diese Geweihte, Kleriker<br />

oder sonst wie heißen. Ein Held wird daher<br />

einen schwierigen Stand haben, seinen Atheismus<br />

zu verteidigen – also genau das Gegenteil<br />

unserer Welt.<br />

Die beste Lösung hierfür ist wohl, einen<br />

solchen Aspekt bei der Erschaffung des Charakters<br />

zu berücksichtigen: wo ist er oder sie<br />

aufgewachsen, welchem Glauben hängt der<br />

Charakter an und wie äußert sich dies? Gab es<br />

Momente, die ihn oder sie vielleicht einmal,<br />

wenn schon nicht an der Existenz, so doch an<br />

der Weisheit der göttlichen Entscheidungen<br />

zweifeln ließen? Ein solcher Charakter ist in<br />

jedem Fall stimmungsvoller im Rollenspiel als<br />

ein 08/15-Atheist, dessen einziger Gott der<br />

Spielleiter ist. Diese Überlegungen betreffen<br />

nicht nur Priester und Paladine, sondern<br />

auch jeden anderen Charakter. Eine versoffene<br />

Kriegerin, die schon lange nicht mehr den<br />

Göttern geopfert hat, ist wahrscheinlich ein<br />

anderer Typ als die im Glauben sichere Kämpferin,<br />

die, von sich, ihrer Sicht, ihrer Stärke<br />

und der Richtigkeit ihres Glaubens überzeugt,<br />

mit dem Namen der Schwertgöttin in<br />

die Schlacht zieht.<br />

RELIGION<br />

Mehr über das Thema „Religion im Rollenspiel“<br />

könnt Ihr in der <strong>Anduin</strong> 87 nachlesen,<br />

die sich dem Schwerpunkt Religion<br />

widmet.<br />

ENVOYER<br />

Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />

Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />

worden.<br />

Der Spielleiter<br />

Und welchen Einfluss hat eben dieser<br />

Spielleiter auf Religionen im Rollenspiel? Neben<br />

den offensichtlichen Möglichkeiten des<br />

göttlichen Eingreifens und der gewährten<br />

Wunder muss sich ein Spielleiter die Frage<br />

stellen, inwieweit man einem religiösen Charakter<br />

entgegenkommt.<br />

Wenn sich ein Spieler als einziger in der<br />

Gruppe mit einem fremden, erfundenen<br />

Glauben abmüht und einen überzeugten<br />

Gläubigen spielt, ohne dass dies vom Spielleiter<br />

honoriert wird und sich dann vielleicht<br />

zusätzlich auch noch dem Spott der Mitspieler<br />

ausgesetzt sieht, die sich dann zu so lustigen<br />

Scherzen wie „Dein Gott schläft wohl<br />

gerade” nach nicht eingetretenem Beistand<br />

von oben hinreißen lassen, ist großer Frust<br />

vorprogrammiert.<br />

Andererseits darf eine überirdische Macht<br />

auch nicht erpressbar sein, so dass Spielleiter<br />

hier einen Mittelweg zwischen Unterstützung<br />

und scheinbarem im Stich lassen<br />

gehen müssen. Ideal ist es natürlich, wenn<br />

das scheinbare Von-Gott-Verlassen-Sein sich<br />

später als Rettung herausstellt, und den Ungläubigen<br />

(oder vielleicht auch nur Andersgläubigen)<br />

so die wahre Macht des Gottes<br />

gezeigt wird.<br />

Fazit<br />

Solchen Ansprüchen gerecht zu werden,<br />

ist nicht einfach, und für manche Spielgruppen<br />

ist Religion vielleicht nicht das dringlichste<br />

Problem, wenn man noch damit kämpft,<br />

einen halbwegs runden Charakter zu präsentieren,<br />

der nicht nur der Spieler in Rüstung<br />

mit dem Schwert in der Hand ist. Wer aber<br />

mit Religionen spielt und diesen auch als<br />

normalerweise lebensgestaltenden Weltanschauungen<br />

gerecht werden will, sollte sich<br />

vorher gründlich mit dem Thema auseinandersetzen,<br />

wie der Glaube für den eigenen<br />

Charakter und auch innerhalb der eigenen<br />

Gruppe gehandhabt werden soll. •<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 45


ANDUIN <strong>95</strong><br />

DIE RÄUBERHÖHLE<br />

IGOR RIEGEL<br />

Instant Abenteuer<br />

TEIL I: DIE RÄUBERHÖHLE<br />

TEXT: ALEXANDER HARTUNG<br />

ILLUSTRATION: JENNIFER LANGE<br />

Die Räuberbande<br />

Die Räuberbande besteht aus acht Gesetzlosen,<br />

die ihr Lager in einer Höhle in einem<br />

Wald etwa vier Kilometer von einem Dorf<br />

entfernt aufgeschlagen haben. Von dort aus<br />

überfallen sie kleine Karawanen und einzelne<br />

Reisende, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />

Eine gut bewaffnete Gruppe lassen<br />

sie unbehelligt ziehen. Die Bande besteht aus<br />

sechs etwa gleich starken Kämpfern, einem<br />

Magier und dem Anführer.<br />

Ansoru Alltu<br />

Ansoru Alltu ist 36 Jahre alt und der Anführer<br />

der Bande. Er ist 1,91 m groß, wiegt 107<br />

kg und hat lange, schwarze Haare und einen<br />

dunklen Vollbart.<br />

Er wurde vor elf Jahren von seinem Lehnsherrn<br />

Gut vertrieben. Aus Rache tötete er ihn<br />

und wurde so zu einem Gesetzlosen. Die langen<br />

Jahren als Räuber und Mörder haben aus<br />

dem Bauern einen harten, brutalen und grausamen<br />

Menschen gemacht. Im Laufe der Zeit<br />

hat Ansoru Alltu erkannt, dass er mit einer<br />

Räuberbande größere Raubzüge durchführen<br />

kann. Im Laufe von zwei Jahren fand er<br />

immer mehr loyale Kriminelle, die ihn als unumstrittenen<br />

Anführer akzeptieren. Ansoru<br />

Alltu hat sich an das Leben als Gesetzloser<br />

gewöhnt. Ihm macht es nichts aus, auf der<br />

Flucht zu sein oder in einem geheimen Versteck<br />

im Wald zu wohnen. In den letzten Jahren<br />

wurde er einer der meist gesuchtesten<br />

Räuber im ganzen Reich.<br />

Sein Geld gibt er, als einfacher Bauer verkleidet,<br />

sofort wieder aus. Er treibt sich oft<br />

tagelang in Gasthäusern und Bordellen herum<br />

und ist außerdem ein begeisterter Würfelspieler.<br />

Ansoru Alltu ist ein sehr starker Kämpfer<br />

mit der Keule und guter Bogenschütze, der<br />

lange, auf sich alleine gestellt, in der Wildnis<br />

überleben kann.<br />

Seite 46<br />

Malet Meng<br />

Malet Meng ist ein Magier, der seine Ausbildung<br />

als Novize abgebrochen hat, weil er<br />

sich von den Zwängen der Magiergilde eingeengt<br />

fühlte. Er ist 34 Jahre alt, 1,72 m groß<br />

und wiegt 81 kg. Malet Meng hat dunkelblonde<br />

Haare und trägt braune Lederhose mit einer<br />

grünen Robe als Überwurf.<br />

Der Magier ist ein zurückhaltender Mensch,<br />

der aber seine Interessen mit aller Kraft<br />

durchsetzen zu vermag. Er neigt zu Grausamkeiten<br />

gegenüber seinen Opfern und lässt<br />

sich nur vom Anführer der Räuberbande,<br />

Ansoru Alltu, zügeln. Malet Meng findet sein<br />

Leben momentan recht erträglich. Er möchte<br />

durch die Überfälle genug Geld ansammeln,<br />

um sich später ein angenehmes Leben in<br />

einer Stadt leisten zu können.<br />

Wegen eines plump<br />

durchgeführten Überfalls<br />

wird der Magier in mehreren<br />

Städten gesucht.<br />

Malet Meng ist ein<br />

mittelmäßig begabter<br />

Runenzauberer, verfügt<br />

aber auch über ein wenig<br />

Können in der Heil- und Illusionsmagie.<br />

Der Magier<br />

versucht jeden Nahkampf<br />

zu vermeiden. Kann er<br />

diesem einmal nicht entkommen,<br />

so kämpft er mit<br />

einem Dolch.<br />

Die Räuber<br />

Die Räuber sind eine<br />

sehr einheitliche Gruppe.<br />

Sie sind zwischen 18 und 34<br />

Jahren alt und werden alle<br />

gesucht. Die Gesetzlosen<br />

haben keine Ausbildung<br />

und verfügen über keine<br />

Ersparnisse. Sie leben von<br />

ihren Überfällen und sind<br />

ihrem Anführer Ansoru<br />

Alltu treu ergeben, dessen<br />

Befehle sie unbedingt Folge<br />

leisten. Den Magier Malet<br />

Meng fürchten sie zwar<br />

etwas, aber da er ihnen bei<br />

Überfällen zur Seite steht,<br />

haben sie auch ihn in ihre<br />

Gemeinschaft aufgenommen.<br />

Die Räuber haben keine grausamen Neigungen,<br />

gehen aber brutal gegen jeden<br />

Feind und gegen jedes Opfer vor. Sie versuchen<br />

ihre Opfer nicht zu töten, sondern nur<br />

kampfunfähig machen. Trotzdem schrecken<br />

sie aber vor einem Mord nicht zurück. Im<br />

Kampf bevorzugen sie handliche Holzkeulen<br />

und selbst hergestellte Kurzbögen.<br />

Der Wolf<br />

Die in der Höhle lebenden Wölfe sind alles<br />

andere als zahm und stellen auch für die<br />

Räuber eine Gefahr dar. Es sind kräftige Tie-<br />

Lesen & Spielen


IGOR DIE RÄUBERHÖHLE<br />

RIEGEL<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

re, im Rudel geschickte Jäger sind. Außer in<br />

den kältesten Monaten, wenn die Nahrung<br />

extrem knapp ist, bleiben die Wölfe aber von<br />

den Räubern fern.<br />

Die Überfälle<br />

Bei einem Überfall beteiligen sich immer<br />

meist vier der sechs Räuber, der Magier und<br />

der Anführer. Zwei Räuber bleiben zurück,<br />

um die Höhle zu bewachen. Die Räuber<br />

wechseln ständig den Ort der Überfalle, so<br />

dass nicht ermittelbar ist, wo sich ihr Lager<br />

befindet. Oft nimmt die Bande auch einen<br />

Tagesmarsch in Kauf, um einen neuen Platz<br />

für einen Angriff zu finden. Mehrere Stunden<br />

vor dem Raubzug wird in beide Richtungen<br />

des Weges je ein Kundschafter geschickt.<br />

Meist handelt es sich um einen als Händler<br />

getarnten Räuber, der die Straße abläuft, um<br />

mögliche Opfer zu auszuspähen. Manchmal<br />

besucht ein Räuber auch den Markt, um nach<br />

reichen, aber wenig bewachten, Händlern<br />

Ausschau zu halten. In vielen Fällen erfolgen<br />

die Überfälle einen Tag vor oder nach dem<br />

wöchentlich stattfindenden Markt.<br />

Die Taktik der Räuber<br />

Der erste Angriff der Räuber gilt immer<br />

den Wachen, vor allem magiefähigen Wächtern.<br />

Sie warten gut getarnt im Unterholz<br />

und greifen schnell mit ihren Kurzbögen an.<br />

Das Unterholz wurde meist zusätzlich mit einem<br />

Illusionszauber des Magiers getarnt, so<br />

dass ein zufälliges Entdecken des Hinterhalts<br />

nahezu unmöglich ist. Sobald der erste Pfeil<br />

abgeschossen wurde, lassen die Räuber ihre<br />

Bögen fallen, ziehen ihre Keulen und stürmen<br />

aus dem Versteck. Der Magier bleibt<br />

versteckt im Wald und versucht die Räuber<br />

mit Zaubersprüchen zu unterstützen.<br />

Lesen & Spielen<br />

Nach dem Überfall<br />

Ist der Überfall gelungen, wird die Beute<br />

an den schnellsten und besten Läufer, ihren<br />

Anführer Ansoru Alltu, übergeben. Dieser<br />

rennt, mit wenigen Umwegen, direkt zum Lager<br />

zurück. Die anderen Räuber trennen sich<br />

und flüchten in verschiedene Richtungen,<br />

um mögliche Verfolger zu verwirren. Kurz<br />

vor Einbruch der Dunkelheit finden sich alle<br />

Räuber wieder zusammen. Sollte einer der<br />

Räuber verletzt sein, so schaffen ihn seine Kameraden<br />

von der Straße und lassen ihn vom<br />

Zauberer in der Gruppe notdürftig heilen.<br />

Misslingt der Überfall, so flüchten die Räuber<br />

ebenfalls in alle Himmelrichtungen, verbringen<br />

die Nacht jedoch im Freien und treffen<br />

sich erst zum übernächsten Sonnenaufgang<br />

wieder in ihrem Lager. Die Männer versuchen<br />

in einer solchen Situation zwar auch ihre Verletzten<br />

zu versorgen (aus Angst, dass diese<br />

ihr Versteck verraten könnten), lassen aber<br />

ihre Kameraden zurück, sollte das Risiko bestehen,<br />

selbst gefasst zu werden.<br />

Die Räuberhöhle<br />

Die Höhle der Räuber liegt sehr tief im Wald<br />

und ist weder durch einen Weg noch einen<br />

Trampelpfad zu erreichen – man muss sich<br />

durch Unterholz und starken Bewuchs schlagen.<br />

Vor der Höhle wacht Tag und Nacht (gut<br />

getarnt) immer ein Räuber, der sich zumeist<br />

mit einem seiner Gefährten abwechselt. Außerdem<br />

ist die Höhle mit einigen Fallen ausgestattet,<br />

die entweder vor Eindringlingen<br />

warnen oder diese schädigen soll.<br />

Lichtung<br />

Vor der Höhle ist eine kleine Lichtung, die<br />

von großen Bäumen und dichtem Gestrüpp<br />

umgeben ist. Auf dieser Lichtung befindet<br />

sich eine Feuerstelle, die von sehr trockenem<br />

Holz befeuert wird, das im Bereich des Höhleneingangs<br />

aufbewahrt wird.<br />

1 – Runenfalle<br />

Nach der ersten Abzweigung sind drei kleine,<br />

gut getarnte Runen auf dem Boden aufgezeichnet.<br />

Wenn man eine dieser Runen betritt,<br />

so wird ein Feuerzauber ausgelöst, der<br />

alle Personen im Umkreis von 3 Metern trifft.<br />

Den Räubern ist der Standort dieser Runen<br />

bekannt, daher umgehen sie diese.<br />

2 – Holztor<br />

Hier befindet sich ein breites, in der Decke<br />

verstecktes Holztor, das vom Wolfkäfig (3)<br />

aus gesteuert werden kann. Das Holztor ist<br />

sehr stabil und passt sich gut in den Gang ein.<br />

Dieses Tor kann dazu genutzt werden, ungebetene<br />

Gäste in der Höhle zu fangen.<br />

3 – Wolfshöhle<br />

In dieser Höhle, durch ein Gitter vom Gang<br />

getrennt, befinden sich drei Wölfe, die von<br />

den Räubern versorgt werden. Sie greifen<br />

jeden Eindringling an, wenn der Käfig geöffnet<br />

wird. An dem Käfig befindet sich auch ein<br />

Mechanismus, der das Holztor (2) steuert.<br />

4 – Schlafsaal<br />

Hier übernachten die Räuber. In diesem<br />

Schlafsaal befinden sich acht Betten mit<br />

Strohmatratzen und einige kleinere Schränke<br />

sowie ein Regal, in dem die Räuber ihre<br />

Bögen und Keulen ablegen.<br />

5 – Versammlungssaal<br />

In diesem Raum essen die Räuber und vertreiben<br />

sich die Zeit mit Würfelspielen.<br />

6 – Vorratskammer<br />

Hier lagern die Speisen und Getränke der<br />

Räuber. Der Raum hat einen schmalen Eingang<br />

und ist ideal um Lebensmittel kühl zu<br />

halten.<br />

7 – Beutekammer<br />

In diesem Höhlenraum verstauen die Räuber<br />

ihre Beute. Der Eingang des Raums ist<br />

mit einer Runenfalle (8) gesichert.<br />

8 – Runenfalle<br />

Wie in Raum 1 sind drei kleinere, schwer<br />

sichtbare Runen auf dem Boden aufgezeichnet.<br />

Wenn man eine dieser Runen betritt, so<br />

wird ebenfalls ein Feuerzauber ausgelöst.<br />

Mögliche Abenteuer<br />

Zufallsbegegnung<br />

Die Gruppe streift nur zufällig durch die<br />

Region und stellt sich als lohnendes Ziel für<br />

einen Überfall heraus.<br />

Wächter der Karawane<br />

Die Charaktere werden von einem Händler<br />

beauftragt seine wertvolle Fracht zu schützen.<br />

Nicht weit von dem Dorf entfernt greifen<br />

die Räuber an.<br />

Bitte um Hilfe<br />

Die Gruppe wird von einem Dorfvorsteher<br />

gebeten dem Treiben einer Räuberbande ein<br />

Ende zu bereiten. Diese überfällt in unregelmäßigen<br />

Abständen immer wieder Handelskarawanen<br />

und Reisende, die den Weg durch<br />

das Dorf nehmen wollen. Die ständigen<br />

Raubzüge schaden dem Handel in dem Dorf<br />

und führen zu großen Einnahmeverlusten bei<br />

dem dortigen Wochenmarkt. Beim letzten<br />

Überfall wurden sogar ein Händler und seine<br />

beiden Wachen getötet.<br />

Mögliche Lösung<br />

Es ist nahezu unmöglich für die Gruppe das<br />

Versteck der Räuberbande zu entdecken.<br />

Nach jedem Überfall trennen sich die Räuber<br />

und laufen auf unterschiedlichen Wegen zu<br />

ihrem Lager zurück. Dabei versuchen sie alle<br />

Spuren zu verwischen. Eine Möglichkeit, die<br />

Räuber zur Strecke zur bringe, wäre einen<br />

der Männer zu fangen und ihn zu verhören.<br />

Weiterhin könnte ein geschickter Spurenleser<br />

dem Räuber mit der Beute folgen, der ihn<br />

fast auf direktem Weg zur Höhle führt. Dort<br />

werden die restlichen Räuber bis zur Nacht<br />

eintreffen. Wichtig hierbei ist, dass der Räuber<br />

sich nicht verfolgt fühlt. Dann wird er unvorsichtig<br />

und gibt sich nicht viel Mühe mit<br />

dem Verwischen der Spuren. •<br />

Seite 47


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SCHATTENHAIN<br />

Schattenhain<br />

EIN AGONE-DRAMA<br />

TEXT: THORSTEN SCHLEER<br />

ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />

„Die Sehnsucht verbrennt mich.<br />

Dieses schreckliche Verlangen, unheilbringende<br />

Faszination boshafter Schönheit. Keine<br />

Liebe, nur verzehrende Glut der Lust, gepaart<br />

mit der Bereitschaft zu töten um zu besitzen.<br />

Verzeih mir, meine Liebste, was ich mir selbst<br />

nicht verzeihen kann.<br />

Heute Nacht musst du sterben, weil ich<br />

versage!“<br />

Ein Geschenk, ein Kunstwerk, ein Drama,<br />

zwei Möglichkeiten zu spielen und einzutauchen<br />

in die Welt von AGONE.<br />

Einleitung<br />

Es ist der 13.Tag des Herbstes, des verfluchten<br />

Monats, im Jahr 1450. Auf dem Gut des<br />

jungen Barons Rubin de Farouche findet ein<br />

Maskenball statt. Eine Feier um die bösen<br />

Geister des verfluchten Monats zu täuschen<br />

und zu vertreiben und ein Fest um die Verlobung<br />

des jungen Herrn mit der schönen Catherine<br />

LeBlanc zu feiern.<br />

Zahlreiche Gäste sind geladen und beschenken<br />

das verliebte Paar. Doch unter Ihnen ist<br />

Einer, der ein verhängnisvolles Geschenk mit<br />

sich bringt… die Maske.<br />

Sein Geschenk ist das Bild SCHATTENHAIN<br />

und das Drama beginnt.<br />

Zwei Möglichkeiten<br />

Es gibt zwei Möglichkeiten dieses Drama<br />

zu spielen. Die erste Möglichkeit ist es<br />

mit einer normalen Gruppe als Gäste oder<br />

Freunde des Barons einzusteigen. Die<br />

zweite Möglichkeit ist es, die vorgegebenen<br />

NSC an die Spieler zu verteilen und sie<br />

in deren Rolle schlüpfen zu lassen. Beide<br />

Versionen versprechen ein unterschiedliches<br />

Spielempfinden.<br />

Das Bild<br />

SCHATTENHAIN ist ein faszinierendes Bild,<br />

das auf Inspirierte und Glanzlose gleichermaßen<br />

erstaunlich wirkt. Es ist von unbestimmtem<br />

Alter und von einem unbekannten<br />

Künstler. Es zeigt eine erstaunlich realistische<br />

Lichtung in einem paradiesischen, schattigen<br />

Wald, durch den ein silbernes Flüsschen<br />

fließt.<br />

Seite 48<br />

Die Schatten der Bäume fallen von allen<br />

Seiten auf die Lichtung und scheinen im Verlauf<br />

des Tages langsam zu wandern. Auch der<br />

Fluss erweckt keinen starren, sondern einen<br />

fließenden, lebendigen Eindruck. Betrachtet<br />

man das Bild in vollkommener Ruhe, glaubt<br />

man fast das Plätschern des Wassers hören<br />

zu können.<br />

Für den SL<br />

Das Kunstwerk ist eine Bilderwelt, geschaffen<br />

von dem Inspirierten Satyr Galliot, dessen<br />

Abbild auch heute noch in dieser Bilderwelt<br />

lebt, sich aber nur nachts in dem veränderten<br />

Bild zeigt.<br />

Tagsüber taucht in dem Bild jedoch immer<br />

wieder eine unglaublich schöne Frau, eine<br />

Morgana auf, die einen männlichen Betrachter<br />

sofort in ihren Bann zieht.<br />

Nachts ändert sich das Bild. Aus der idyllischen<br />

Lichtung wird ein bedrückender Ort.<br />

Von den nahen Bäumen, die sich nun mit<br />

knorrigen, verwachsenen Ästen der Lichtung<br />

zuwenden um sie wie mit Knochenfingern zu<br />

fassen, hängen die verwesenden Körper von<br />

Männern verschiedener Völker, die ihre Gesichter<br />

vom Betrachter abwenden. In diesem<br />

nächtlichen Bild taucht immer wieder das<br />

Abbild Galliots auf, der traurig über die Lichtung<br />

wandert ohne jedoch Kenntnis<br />

von den Leichen zu nehmen.<br />

Weitere Informationen<br />

Durch einen erfolgreichen<br />

Wurf auf Geschichte und Legenden<br />

(Spezialität: Kunst) + INT<br />

gegen DIF 20, kann man<br />

herausfinden, dass dieses<br />

Bild aus einer Zeit<br />

vor der Flamboyanz<br />

stammt, jedoch<br />

immer wieder<br />

in verschiedenen<br />

Adelshäusern<br />

aufgetaucht<br />

ist.<br />

Außerdem<br />

kann man<br />

sich an folgende<br />

Gerüchte<br />

erinnern:<br />

• Gemalt wurde das Bild von einem Satyr.<br />

• Der Wert des Bildes wird von Sammlern<br />

als unbezahlbar angesehen.<br />

• Einer von Erkmans Söhnen besaß dieses<br />

Bild und es wurde angeblich während<br />

der Bruderkriege (991) zerstört.<br />

• Urgamands Diener und Berater Quellus<br />

stahl seinem Herrn das Bild (993).<br />

• In Kesh warf die verstoßene<br />

Kurtisane eines Prinzen das<br />

Bild aus Eifersucht in ein<br />

Feuer.<br />

Abenteuer


SCHATTENHAIN<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

• Das Bild ist ein Sinnbild für eine sehr<br />

große Liebe.<br />

• In dem Bild befinden sich kleine Mengen<br />

von magischen Splittern (Wert 2), die<br />

mit PER + Concord gegen DIF 18 wahrgenommen<br />

werden können.<br />

Erster Akt<br />

Maskenball<br />

Das Drama beginnt mit dem Ende des Balls.<br />

Die meisten der Gäste verlassen das Anwesen.<br />

Der Abend klingt gemütlich aus und die<br />

wertvollen Geschenke werden noch einmal<br />

fasziniert betrachtet, allen voran natürlich<br />

das erstaunliche und bezaubernde Bild vom<br />

Schattenhain.<br />

Schließlich wird Baron Rubin de Farouche<br />

höchst persönlich das Bild in einen anderen<br />

Raum bringen und keinem der Gäste, höchstens<br />

seiner Verlobten den Zutritt gewähren.<br />

Für den SL<br />

Ist der Baron ein SC gilt es zu beschreiben<br />

wie einzigartig dieses Gemälde ist und wie<br />

die Gäste es gierig anstarren. Jeder von Ihnen<br />

will das Bild besitzen, das wird dem Baron<br />

klar. Doch es ist sein Bild, seines alleine<br />

und da ist noch mehr. Noch weiß er nicht<br />

was, doch etwas ist da.<br />

Ist er kein SC sollten die Spieler des seltsame<br />

Verhalten des Barons mitbekommen.<br />

Zweiter Akt<br />

Die Schöne<br />

und das Biest<br />

Der Söldner Gold wird zum stetigen Begleiter<br />

des Barons, der sich nun zunehmend in<br />

den eigenen Wänden bedroht fühlt.<br />

Abenteuer<br />

Er hat die wunderschöne Frau in dem Bild<br />

entdeckt und sie ihn. Das weiß er, denn er<br />

kennt nun ihren Namen: Sélené.<br />

Gold hat sie auch gesehen, doch sie ignoriert<br />

den Söldner, hat nur Augen für den<br />

Baron. Sie wartet auf ihn, doch er weiß nicht<br />

wie er zu ihr kommen kann.<br />

Catherine bemerkt die Veränderungen an<br />

ihrem Verlobten, kann sich seine Abweisung<br />

jedoch nicht erklären. Auch ihre Vertraute<br />

Dhalia kann sich die Veränderung des Barons<br />

nicht erklären.<br />

Für den SL<br />

Ist der Baron ein SC gilt es die Begegnung<br />

mit Sélené ausführlich zu beschreiben. Wie<br />

wundervoll sie ist und wie verzweifelt. Für<br />

den Baron muss Catherine nun zu einer eifersüchtigen<br />

Bedrohung werden. Man kann als<br />

SL beispielsweise immer wieder einwerfen<br />

„Sie ist eifersüchtig“, „Sie wird das Bild zerstören“<br />

oder ähnliches, wenn Catherine etwas<br />

sagt – als die Stimme im Kopf des Barons.<br />

Nichtsdestotrotz liebt der Baron Catherine<br />

noch. Auch das sollte klar werden.<br />

Für Catherine als SC wird langsam klar,<br />

dass sie um Rubin kämpfen muss. Etwas beeinflusst<br />

ihn und sehr wahrscheinlich kommt<br />

es von diesem Bild.<br />

Sind weder Rubin noch Catherine SCs wird<br />

sich Lady Catherine an die Spieler wenden<br />

und ihnen ihre Verzweiflung schildern und<br />

sie um Hilfe bitten.<br />

Dritter Akt<br />

Blutnacht<br />

Es beginnt mit einem Traum. Baron Rubin<br />

de Farouche träumt von Sélené. Sie steht<br />

nackt auf der Lichtung und hält einen silbernen<br />

Dolch. Tränen laufen ihr Gesicht herab<br />

und sie flüstert Rubin zu: „Nur das Blut der<br />

Liebe öffnet den Weg. Beeile dich…“<br />

Als er erwacht, liegt neben ihm auf dem<br />

Nachttisch der silberne Dolch und er weiß,<br />

dass Catherine sterben muss, damit er zu Sélené<br />

gelangen kann…<br />

Früher oder später wird er sich nicht mehr<br />

dagegen wehren können oder er wird wahnsinnig.<br />

Klebt Catherines Blut an dem Dolch<br />

(sie muss nicht tot sein) fungiert er als Schlüssel<br />

zur Bilderwelt. Ist sie geöffnet, kann jeder<br />

dem Baron folgen.<br />

Taucht man in die Bilderwelt ein, sieht man<br />

für einen Sekundenbruchteil das Gesicht eines<br />

Satyrs, Galliots, und verliert anschließend<br />

kurz das Bewusstsein. Öffnet man die Augen<br />

wieder, befindet man sich auf der Lichtung.<br />

Jedoch auf der Lichtung, wie sie Nachts auf<br />

dem Bild erscheint. Auf der Lichtung steht<br />

eine Staffelei (Nr.6 auf dem Plan), mit einer<br />

genauen Kopie des Bildes vom Schattenhain.<br />

Von der Staffelei aus hat man genau den<br />

Blickwinkel, den man als Betrachter des Bildes<br />

einnimmt.<br />

Der Wald ist dicht und man kann sich leicht<br />

verlaufen (Navigation DIF 20).<br />

Mit einer gelungenen Probe kann man die<br />

Himmelrichtung bestimmen in die man läuft.<br />

Plan der Bilderwelt<br />

1.) Die Lichtung<br />

2.) Haus von Sélené<br />

3.) Grabmal<br />

4.) Haus von Galliot<br />

5.) Rosenfeld<br />

6.) Staffelei<br />

Umgeben ist die Bilderwelt von wallenden<br />

schwarzen Wänden, die zwar nachgeben wie<br />

zähes Gummi, aber sich nicht durchschreiten<br />

lassen.<br />

Vierter Akt<br />

Schattenhain<br />

In diesem Akt ist alles möglich. Sélené wird<br />

versuchen den Baron für sich einzuspannen.<br />

Sie will Galliot tot sehen, der sie (ihrer Meinung<br />

nach) verschmäht. Sie beschreibt ihn<br />

als schrecklichen Satyr, der in den Wäldern<br />

sein Unwesen treibt und verantwortlich ist<br />

für die Toten in den Bäumen (eine Lüge, da<br />

sie selbst es ist, die ihre versagenden Verehrer<br />

aufknüpft).<br />

Auch die anderen Charaktere wird sie versuchen<br />

in diese Hetze einzubeziehen oder sie<br />

aber durch die Hand des Barons sterben zu<br />

lassen.<br />

Sélené selbst ist nur ein gezeichnetes Geschöpf<br />

des wahren Galliot, der ihr zu ehren<br />

diese Bilderwelt erschaffen hat. Solange Galliot<br />

in der Bilderwelt lebt, kann sie nicht getötet<br />

werden. Nach kurzer Zeit wird ihr Leichnam<br />

in einem bunten Farbenspiel zerfließen<br />

und sie wird kurz darauf wieder auf der Lichtung<br />

erscheinen. Nun wird sie allerdings Jagd<br />

auf ihren „Mörder“ machen, voller Hass und<br />

ohne Gnade.<br />

Galliot wird die „Eindringlinge“ zunächst<br />

versuchen zu ignorieren. Gelingt dies nicht<br />

wird er versuchen Abstand zu ihnen zu halten.<br />

Besonders die Vista Zauber Chaotisches<br />

Wachstum oder Blätterwerk eigenen sich<br />

hierfür. Er pendelt hauptsächlich zwischen<br />

seiner Hütte und dem Grabmal hin und her.<br />

Legt Rosen auf das Grab und trauert um seine<br />

Liebste.<br />

Das Grabmal ist schlicht. Ein einfacher<br />

Steinhügel über und über bedeckt mit den<br />

wunderschönsten Rosen, die man sich vorstellen<br />

kann.<br />

Verteidigt Galliot sich selbst, wird er versuchen<br />

seinen Gegner nicht zu töten. Verteidigt<br />

er aber das Grab kämpft, er ohne Rücksicht.<br />

Catherine oder ein anderer weiblicher Charakter<br />

kann Galliots Aufmerksamkeit erregen<br />

und ihn sogar in ein Gespräch verwickeln.<br />

Spricht man von Sélené, wird er weinen und<br />

sich zurückziehen. Spricht man von der Frau<br />

die ihn töten will, lacht er nur über das „klägliche<br />

Abbild“.<br />

Auch Galliot ist nur die gemalte Erinnerung<br />

an den Schöpfer dieser Bilderwelt und daher<br />

auch nicht auf normalem Weg zu töten.<br />

Ebenso wie Sélené wird er jedes Mal wieder<br />

auf der Lichtung erstehen.<br />

Wie man das Problem löst<br />

Möglichkeit 1<br />

Ein Treffen zwischen Galliot und Sélené<br />

arrangieren. Galliot kann Sélené endgültig<br />

töten bzw. sie ihn. Stirbt einer der beiden<br />

Seite 49


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SCHATTENHAIN<br />

bricht die Bilderwelt zusammen.<br />

Möglichkeit 2<br />

Jeder kann die Staffelei nutzen um aus<br />

dem Gedächtnis ein Portrait eines Raumes<br />

zu malen.<br />

[(Vista+Painting)/2+ INT gegen DIF 20].<br />

Jetzt muss er noch den Silberdolch des Barons<br />

erbeuten und in den Fluten des Flusses<br />

reinwaschen, dann funktioniert er als Schlüssel<br />

zurück.<br />

Möglichkeit 3<br />

Catherine oder Rubin sterben im Kampf<br />

und der jeweils andere zeigt die Trauer so<br />

offensichtlich Galliot, dass dieser aus seiner<br />

eigenen Trauer gerissen wird. Galliot wird<br />

nun Rubin oder Catherine helfen und den anderen<br />

helfen zu entkommen.<br />

Dramatis Personae<br />

Baron Rubin de Farouche<br />

Baron (S. 129 AGONE GRW)<br />

Rubin ist reich, beliebt und hat mit Catherine<br />

LeBlanc die Frau seines Lebens gefunden.<br />

Ein Grund zu feiern und das Feiern liebt der<br />

junge Baron. Seit vielen Jahren steht ihm<br />

sein Leibwächter Gold treu zur Seite, der sein<br />

Vertrauen genießt und den er als Freund und<br />

Lehrmeister schätzt. Rubin ist unbeschwert,<br />

lebenslustig und glücklich verliebt.<br />

Gold<br />

Oger Söldner (S. 142 AGONE GRW)<br />

Gold steht seit vielen Jahren im Dienste<br />

der Farouches. Dem jungen Baron dient er<br />

als Leibwächter und Lehrmeister. Gold weiß,<br />

dass der Baron ihm mehr vertraut<br />

als jedem Anderen am Hofe. Ein<br />

Vertrauen das den alten Söldner<br />

ehrt und stolz macht. Mittlerweile<br />

hat Gold ein eigenes kleines<br />

Vermögen angehäuft. Doch<br />

die Treue ist mittlerweile der<br />

Freundschaft gewichen. Einem<br />

noch stärkeren Band.<br />

Dhalia aus den<br />

Witwenlanden<br />

Medusa Kurtisane (S. 139 AGO-<br />

NE GRW)<br />

Sie hat Catherine aus ihrer Heimat<br />

an den Hof des Barons de<br />

Farouche begleitet. Sie mag das<br />

Mädchen und hat fast so etwas<br />

wie freundschaftliche Gefühle<br />

für das Kind. Dhalias Aufgabe ist<br />

es Catherine zu einer perfekten<br />

Ehefrau zu erziehen. Diese Aufgabe<br />

nimmt sie sehr ernst, jedoch<br />

nicht ohne die emanzipierte Weltansicht der<br />

Medusen mit einzuflechten. Anscheinend will<br />

Catherines Vater, die Eigenständigkeit seiner<br />

Tochter bewahren ohne jedoch das Ansehen<br />

seiner Familie zu gefährden.<br />

Catherine LeBlanc<br />

Eclipsistin (S. 130 AGONE GRW)<br />

Catherine hat nach kurzer Zeit des Werbens,<br />

dem Antrag des jungen Barons de Farouche<br />

zugestimmt. Auch für sie war es Liebe<br />

auf den ersten Blick. Es war einfach ein perfekter<br />

Moment mit einem perfekten Mann.<br />

Nun ist sie seit einigen Tagen auf seinem<br />

Anwesen und genießt seine ungeteilte Aufmerksamkeit.<br />

Stets in ihrer Begleitung befindet sich ihre<br />

Freundin und Mentorin Dhelia, die Catherine<br />

auf Geheiß ihres Vaters zur perfekten Ehefrau<br />

erziehen soll, damit sie der Familie keine<br />

Schande bereitet.<br />

Galliot<br />

Satyr Künstler (S. 143 AGONE GRW)<br />

Origin: Flamboyant<br />

Ersetzen:<br />

Traditions Princley Comm. 5 – Flamboyance<br />

5<br />

Musik 8 – Painting 10<br />

Tune 8 – Vista 10<br />

Conceal 5 – Conceal 7<br />

Stealth 6 – Stealth 8<br />

Magie:<br />

ART: 10, Vista: 10, Magical Art Pot.: 20<br />

Alle Vista Zauber.<br />

Als Spielercharakter ist Galliot sicherlich<br />

am schwierigsten zu spielen. Er tritt erst etwas<br />

später im Spiel auf, wird dann jedoch zu<br />

einer Schlüsselfigur.<br />

Galliot ist die personifizierte Trauer. Trübsinnig<br />

und schwermütig schwelgt er in Erinnerung<br />

an seine verlorene Liebe Sélené.<br />

Tag ein Tag aus bringt er die schönsten Rosen<br />

von seinem Feld an ihr Grab und schüttet<br />

ihr sein schweres Herz aus. Gelegentlich<br />

wandert er durch den Hain, ohne ihn jedoch<br />

wirklich wahr zu nehmen.<br />

Eindringlingen geht er, sofern möglich, aus<br />

dem Wege. Immer wieder betreten Fremde<br />

seine Bilderwelt, doch das ist ihm mittlerweile<br />

egal.<br />

Eine Frau die aussieht wie ein glanzloses<br />

Abbild seiner Liebsten durchstreift die Wälder<br />

ebenfalls ab und an, doch an dieser nutzlosen<br />

Kopie interessiert ihn nichts.<br />

Sein Leben dreht sich einzig und allein um<br />

das Grabmal und dessen Pflege.<br />

Sélené<br />

Morgana<br />

STA 6 MEL 6<br />

STR 5 AIM 6<br />

AGI 7 ASC 0<br />

PER 5 ART 8<br />

WILL 6 DB 0<br />

INT 6 HPB 25<br />

CHA 12 HP 49<br />

CRE 4 SWT 16<br />

SIZ 0 CWT 25<br />

Weapon: Bogen 9, Dolch 8 •<br />

Seite 50<br />

Abenteuer


FLAGFRAMING<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

FLAGFRAMING<br />

DIE KUNST, DAS SPIEL AUF DIE SPIELER ZUZUSCHNEIDERN<br />

TEXT: TOBIAS LOOSCHELDERS<br />

So genannte Flaggen, engl. flags, bezeichnen<br />

die Vorlieben und Bedürfnisse der Spieler.<br />

Der Spielleiter rahmt, engl. to frame, das<br />

Spiel durch das Anspielen dieser Vorlieben<br />

ein. Er versucht also, das Spiel so zu gestalten,<br />

dass möglichst viele der Erwartungen<br />

und Vorlieben der Spieler (und natürlich auch<br />

seiner eigenen) angesprochen werden. Man<br />

könnte das flagframing also auch herunterbrechen<br />

auf „Finde raus, was deine Spieler<br />

wollen und gib es ihnen!“.<br />

Eine Flagge kann dabei von „Ich will Kühe!“<br />

über „die verschollene Schwester finden“<br />

und „ich will meinen Astrologie-Skill ausspielen“<br />

bis zu „ich mag taktische Kämpfe“ alles<br />

sein.<br />

Die meisten Spieler zeigen ständig ihre<br />

Vorlieben. Sei es durch ein Kopfnicken oder<br />

ein „Cool!“ als Reaktion auf eine als gut empfundene<br />

Aktion am Spieltisch. Oder durch<br />

eine konkrete Ansage, wie „hey, mach doch<br />

mal wieder was in nem Dungeon“ oder auch<br />

einen auffallend hohen Spielwert.<br />

Insgesamt sind Flaggen also die Dinge,<br />

die ein Spieler cool findet und somit gern im<br />

Spiel sehen würde. Flaggen sind wunderbar<br />

dazu geeignet, die alte Regel zu befolgen, jeden<br />

Charakter mindestens einmal am Abend<br />

in Szene zu setzen. Sie geben dem Spieler die<br />

Gelegenheit seinen Charakter in den Situationen<br />

zu spielen, in denen er ihn gern sehen<br />

möchte.<br />

Oft passiert es, dass der Spielleiter für sich<br />

allein ein Abenteuer schreibt und sich dann<br />

herausstellt, dass es die Spieler gar nicht<br />

interessiert. Meistens liegt das daran, dass<br />

das Abenteuer die Charaktere nicht genug<br />

einbezieht. Das wiederum kann entweder an<br />

der Motivation der Charaktere liegen oder<br />

daran, dass das Abenteuer einfach nichts mit<br />

den Charakteren zu tun hat. Der eine Charakter<br />

würde lieber den Mörder seines Mentors<br />

suchen und ein anderer Charakter würde sich<br />

lieber dem Studium seines neuen Zauberbuches<br />

widmen, als von einem Fremden als Karawanenwächter<br />

angeheuert zu werden.<br />

In Cthulhu-Büchern ist vom „Sog der Gefühle“<br />

die Rede, wenn der Mörder des Mentors<br />

sich nun das Zauberbuch des zweiten<br />

Charakters stiehlt und sich später als Bruder<br />

Lesen & Spielen<br />

des dritten Charakters entpuppt. So ist zumindest<br />

sicher gestellt, dass die Handlung<br />

die Gruppe persönlich angeht. Wenn die<br />

Gruppe solche moralischen Konflikte mag,<br />

sind Flaggen auch ein geeignetes Mittel diese<br />

herbeizuführen. Dabei haben sich besonders<br />

Relationship-maps und Conflict-webs<br />

(vgl. <strong>Anduin</strong> 94) als hilfreich erwiesen.<br />

Aber Flaggen lassen sich nicht nur für die<br />

Plotplanung benutzen, sondern auch dazu<br />

um Szenen und NSC zu entwickeln. Dazu<br />

stellt man einen NSC einer Flagge entgegen<br />

(„Ihr glaubt an falsche Götter!“) oder fördert<br />

eine Flagge durch einen NSC („Ah, Sie<br />

interessieren sich auch für Molekularbiologie?“).<br />

Besonders gut sind NSC, die gleich<br />

zwei Flaggen von zwei Spielern ansprechen.<br />

Das könnte z.B. der NSC sein, der etwas von<br />

der Gruppe will, aber einerseits rassistisch<br />

ist (Charakter A ist Menschenrechtler) und<br />

andererseits alles für sein Land tun würde<br />

(Charakter B ist genauso). Oder ein NSC beschwört<br />

einen Konflikt innerhalb eines Charakters<br />

herauf, in dem er eine Flagge fördert<br />

und einer anderen widerspricht.<br />

Es gibt viele Wege, die Vorlieben der Spieler<br />

herauszufinden. Der Spielleiter kann einfach<br />

versuchen zu beobachten, was dem Spieler<br />

Spaß macht und wie er am liebsten spielt.<br />

Dabei kann er auch ein bisschen auf den Leitstil<br />

des Spielers schielen, denn der gibt sicher<br />

auch Aufschlüsse darüber.<br />

Viel direkter und oft auch sinnvoller ist<br />

es, die Spieler einfach direkt zu fragen. Entweder<br />

im Gespräch oder über einen kleinen<br />

Fragebogen. Bei einem Gespräch ist es häufig<br />

besser, kurz mit jedem Spieler einzeln zu<br />

reden, da beim Gespräch in der Gruppe manche<br />

Dinge oft ungesagt bleiben.<br />

Ein paar Fragen, die helfen Flaggen herauszufinden<br />

sind:<br />

„Was ist Rollenspiel für dich?“<br />

„Warum gerade der Charakter/die Klasse?“<br />

„Was möchtest du mit deinem Charakter<br />

erleben?“<br />

„Welche Szene hattest du bei dem Char im<br />

Kopf, als du ihn gemacht hast?“<br />

„Welche Rolle soll der Char in der Gruppe<br />

einnehmen?“<br />

„Welche Ziele hat dein Charakter?“<br />

Je nach Spielstil können auch diese Fragen<br />

hilfreich sein:<br />

„Welchen inneren Konflikt hat der Charakter?“<br />

„Welche Personen sind ihm besonders<br />

wichtig?“<br />

Klar sind die Fragen teilweise schwierig zu<br />

beantworten, gerade bevor man den Charakter<br />

überhaupt gespielt hat. Aber ein, zwei beantwortete<br />

Fragen können als erste Grundlage<br />

für den Anfang schon genügen. Während<br />

des Spiels kann man schließlich noch weitere<br />

Flaggen sammeln.<br />

Anstatt direkte Fragen zu stellen, kann der<br />

SL den Spieler auch bitten einfach darüber<br />

zu erzählen, wie er sich seinen Charakter vorgestellt<br />

hat. In jedem Fall ist es wichtig, dass<br />

sich der SL dabei ein paar Notizen macht.<br />

Ein kleines Beispiel<br />

Nehmen wir an, der SL hätte sich nach dem<br />

Gespräch mit einem seiner Spieler folgende<br />

Notizen gemacht:<br />

Gundar, der Barbarenkrieger<br />

- Vater ist Stammeshäuptling<br />

- ist sehr stark<br />

- kann keiner Frau etwas zu Leide tun<br />

- denkt, dass Magier aller schlecht sind<br />

Daraus, dass sein Vater Häuptling ist, könnte<br />

man ganz gut einen Abenteueraufhänger machen.<br />

Vielleicht bittet der Vater seinen Sohn<br />

um etwas oder jemand aus dem Stamm bedroht<br />

die Position des Vaters.<br />

Dass Gundar sehr stark ist, wird im Spielverlauf<br />

üblicherweise von selbst angesprochen<br />

werden. Es schadet trotzdem nichts, wenn es<br />

der SL im Hinterkopf behält. Die Tatsache, dass<br />

er keiner Frau etwas zu Leide tun kann, kann<br />

der SL durch einen weiblichen NSC mit konträren<br />

Zielen zu Gundars ansprechen. Die letzte<br />

Flagge,, alle Magier seien schlecht, könnte dadurch<br />

angespielt werden, dass ein Heilmagier<br />

Gundar das Leben rettet.<br />

Daneben ist auch der Charakterbogen eine<br />

Fundgrube für Flaggen. Schließlich steigert<br />

man die Fertigkeiten, die man cool findet.<br />

Besonders die hohen und die unerwarteten<br />

Werte (Schlösser knacken beim Heiler oder<br />

Seite 51


ANDUIN <strong>95</strong><br />

FLagFraming<br />

das Wissenstalent Börse beim Streetsam)<br />

sind hier beachtenswert. Der Heiler kann<br />

zum Beispiel unerwartet damit glänzen, die<br />

Gruppe durch eine verschlossene Tür zu bringen.<br />

Der Streetsam könnte z.B. ein kleines<br />

Handout bekommen, was die Situation eines<br />

Konzerns am Aktienmarkt erklärt und so<br />

den Runnern ein paar weitere Hinweise geben.<br />

Die besonders niedrigen Werte können<br />

manchmal auch interessant sein – vielleicht<br />

findet der Spieler ja Gefallen daran, eine<br />

Schwäche auszuspielen.<br />

Genauso können aber auch Randnotizen<br />

am Bogen wichtig sein. Zum Beispiel möchte<br />

ein Charakter, der sich besonders viele Titel<br />

gibt, dass diese Einfluss im Spiel haben. Das<br />

kann über den Gelehrten geschehen, der den<br />

Charakter respektvoll mit seinen Titeln anspricht<br />

oder über einen heruntergekommenen<br />

Penner, der darüber herzieht.<br />

Wenn das System mit Vor- und Nachteilen<br />

arbeitet, stehen auch schon einige Flaggen<br />

direkt auf dem Charakterblatt. Hat der starke<br />

Krieger eine Angst vor Schlangen angegeben,<br />

wäre es ja interessant eine Schlangengrube<br />

in den nächsten untergegangenen<br />

Tempel einzubauen. Das könnte eine schöne<br />

Szene werden. Wird der Charakter von einer<br />

Gruppe streitlustiger Seemänner verfolgt,<br />

wäre es auch schade, diese nicht irgendwann<br />

einmal auftauchen zu lassen. Der SL kann<br />

den Spieler auch einfach bitten, ihm noch ein<br />

paar Informationen zu der Gruppe zu geben<br />

(„Was sind denn das so für Typen? Wie heißt<br />

der Anführer?“). Ein kurzer Blick auf die Sonderfertigkeiten,<br />

die nichts mit Kampf zu tun<br />

haben, schadet sicher auch nicht.<br />

Sehr schön lassen sich auch Flaggen aufgreifen,<br />

die etwas mit der moralischen Einstellung<br />

oder Überzeugungen des Charakters<br />

zu tun haben. Das ist der beste Nährboden<br />

für konfliktreiches, dramatisches Spiel. Was<br />

ist also das Menschenbild des Charakters?<br />

Wovon ist er überzeugt? Welche Motive hat<br />

er, das zu tun, was er tut?<br />

Natürlich findet man auch in der Hintergrundgeschichte<br />

des Charakters einige interessante<br />

Dinge, wie einige wichtige Personen<br />

oder Gruppen. Auch Sichtweisen des Charakters<br />

können in seiner Geschichte dargestellt<br />

sein.<br />

Die bisher genannten Möglichkeiten zielten<br />

alle auf das Flaggenerfassen vor dem<br />

Spiel ab, aber natürlich ist das auch während<br />

des Spiels möglich. Vielleicht sagt einer der<br />

Spieler von sich aus, was ihm besonders gefallen<br />

hat und was nicht. Aber es ist auch sicher<br />

nichts Schlechtes daran, als SL einfach<br />

nach einer Sitzung oder einem Abenteuer<br />

noch mal danach zufragen. Aber auch an den<br />

Seite 52<br />

OFFTOPIC<br />

Abenteuer in Lovaria<br />

In früheren Ausgaben der <strong>Anduin</strong> – genauer gesagt in den Ausgaben 70 bis 84 –<br />

präsentierten wir unseren Lesern die deutsche Übersetzung des englischsprachigen<br />

Fantasy-Comics Lovarian Adventures.<br />

Doch mit dem Ende des dritten Kapitels haben wir die Veröffentlichung abgebrochen,<br />

da wir damals die einzelnen Seiten schneller veröffentlicht haben, als der<br />

Zeichner Geejay neue Episoden erdenken und anfertigen konnte. In der Zeit seit<br />

der Ausgabe 84 jedoch hat sich der Comic weiterentwickelt und ist nun bereits im<br />

siebten Kapitel abgekommen – wurde aber seit Ende 2006 nicht weitergeführt.<br />

Wir haben nicht vor, den Comic in der <strong>Anduin</strong> weiterzuführen, können Euch aber<br />

einen Blick darauf sehr empfehlen. Wer des Englischen mächtig ist, findet die<br />

Geschichte auf folgender Seite: www.drunkduck.com/Lovarian_Adventures<br />

Erde<br />

Von Ausgabe 79 bis 84 hatten wir zudem den Comic Erde in der <strong>Anduin</strong>, der aber<br />

leider niemals fortgesetzt oder zu einem abschließenden Ende gebracht wurde.<br />

Bruno der Bandit<br />

Besonders in früheren Ausgaben der <strong>Anduin</strong>, aber auch als Revival in der <strong>Anduin</strong> 91,<br />

haben wir die deutsche Übersetzung von Bruno der Bandit veröffentlicht, einem<br />

schrägen Fantasy-Comic über einen Banditen und seinen Begleiter, den Minidrachen<br />

Fiona.<br />

Bruno the Bandit wird bis heute weiter gezeichnet und ist auf Englisch unter folgendem<br />

Link zu erreichen: www.brunothebandit.com<br />

Reaktionen seiner Mitspieler erkennt man<br />

oft schon, was gut ankam und was nicht.<br />

Und auch daran, wie die Spieler außerhalb<br />

des Spiels über den Spielabend oder das –geschehen<br />

sprechen. Moralische Ansichten der<br />

Charaktere ergeben sich auch oft im Spiel<br />

allein („Für die Götter? Pah! Ich will Gold sehen!“).<br />

Deswegen sollte der SL auch hin und<br />

wieder im Spiel mögliche Flaggen notieren.<br />

Schließlich bleibt die Frage, ob die Flagge<br />

auch wirklich für den SL wichtig ist. Es kommt<br />

ja schließlich vor, dass der Plot selbst dafür<br />

sorgt, dass er seine spektakulären Stunts bekommt.<br />

In dem Fall braucht sich der SL natürlich<br />

nicht extra den Kopf zu zerbrechen,<br />

wie er dem Spieler eine solche Szene bieten<br />

kann.<br />

Selbstverständlich sollte der SL auch keine<br />

Flaggen verwenden, die gar nicht zum<br />

Spielstil der Gruppe passen. Eine Gruppe<br />

strategischer Dungeonkämpfer hat sicher<br />

weniger Interesse daran, charakterzentrierte<br />

Konflikte zu erleben, als eine Gruppe, die aus<br />

Erzählern besteht. Das sollte aber bestimmt<br />

ohne große Vorüberlegung intuitiv zu handhaben<br />

sein, wenn man seine Gruppe ein wenig<br />

kennt.<br />

Bei all den möglichen Ansatzpunkten bisher<br />

darf der SL die bevorzugte Spielweise<br />

seiner Mitspieler nicht außer Acht lassen.<br />

Wenn der Spieler keinen Spaß daran hat,<br />

sich vor Schlangen zu fürchten, ist diese Info<br />

auch als Flagge uninteressant. Wenn er sich<br />

nicht sicher ist, kann er natürlich einfach versuchen,<br />

die Flagge anzuspielen und sie streichen,<br />

wenn er merkt, dass der Spieler nicht<br />

darauf eingeht. Bei den Überlegungen im<br />

Vorhinein halte ich die Spielertypen und das<br />

7-Ecken-Modell für eine gute Basis (vgl. „Das<br />

Rollenspiel – die theoretische Seite“ in der<br />

<strong>Anduin</strong> 85). •<br />

Lesen & Spielen


Das Orakel von H‘Rabaal<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Orakel<br />

von H‘Rabaal<br />

EIN KURZABENTEUER FÜR DAS SCHWARZE AUGE<br />

TEXT: THOMAS HAGLER<br />

ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />

Vorwort<br />

Immer wieder kommt es vor, dass ein Magier<br />

oder Gelehrter in einer Heldengruppe<br />

gezielt nach verlorenem Wissen aus der Zeit<br />

der Echsen sucht. Sei es, um magische Fundstücke<br />

aus dem letzten Abenteuer zu enträtseln<br />

oder um unübersetzbare Schriften zu<br />

deuten. Möglicherweise auch, um den einen<br />

oder anderen Zauber der Echsen zu erlernen,<br />

der in den Akademien der Menschen nicht<br />

mehr bekannt ist.<br />

Das folgende Kurzabenteuer für das<br />

Schwarze Auge ist genau zu diesem Zweck<br />

geschrieben. Ein Gelehrter unter den Helden<br />

stößt auf ein Textfragment aus den Chroniken<br />

von Ilaris und erfährt so, dass das Orakel<br />

von H’Rabaal durchaus auch für Menschen<br />

ein kostbarer Quell des Wissens sein kann.<br />

Von seinem Bemühen, die Weisheit des Orakels<br />

zu empfangen, handelt dieses Abenteuer.<br />

Im ersten Kapitel – das durchaus auch als<br />

„Prolog für einen Gelehrten“ gespielt werden<br />

kann – wird die Reise nach H’Rabaal<br />

geschildert sowie die Begegnung mit der<br />

„Stimme des Orakels“, die den Helden eine<br />

Aufgabe stellt, die sie lösen müssen, bevor<br />

sie das Orakel befragen dürfen.<br />

Das zweite Kapitel widmet sich eben dieser<br />

Queste, einer Reise zu einer kleinen Vulkaninsel<br />

im Selem-Grund, von wo die Helden<br />

das Ei eines „Heiligen Wesens“ beschaffen<br />

müssen.<br />

Im dritten Kapitel schließlich dringen die<br />

Helden tief ins Hochland von H’Rabaal vor<br />

und gelangen zur Orakelstätte. Dort können<br />

sie sich dem Orakel stellen und darauf hoffen<br />

nach bestandener Queste nun Weisheit zu<br />

empfangen.<br />

Das Abenteuer bietet einige Besonderheiten,<br />

die es von den üblichen Szenarios<br />

unterscheidet:<br />

• Es eignet sich vortrefflich, um<br />

einmal einem Spieler die Gelegenheit<br />

zu geben, sich an einem Achaz<br />

als Charakter zu versuchen.<br />

• Die Helden dürfen während des gesamten<br />

Abenteuers nicht lügen, nicht töten<br />

und nicht umkehren auf ihrem Weg.<br />

• Magiebegabte Helden können am Ende<br />

Zauber erlernen, die nicht im Codex<br />

Cantiones zu finden sind.<br />

• Das Orakel selbst kann als Auänger für<br />

ein weiteres Abenteuer dienen, indem<br />

es den Helden am Ende des Abenteuers<br />

einen entsprechenden Orakelspruch mit<br />

auf den Weg gibt.<br />

Prolog<br />

Die Suche nach<br />

verlorenem Wissen<br />

Den besten Einstieg in das Abenteuer<br />

bildet das Streben eines Helden (im Allgemeinen<br />

eines Magiers) nach mehr oder fundierterem<br />

Wissen über Geheimnisse der Echsenmenschen.<br />

Dazu kann der Meister ihm<br />

ein Textfragment (siehe Seitenkasten auf der<br />

nächsten Seite) beim Besuch einer Bibliothek<br />

oder mit der Beute des letzten Abenteuers in<br />

die Hände spielen.<br />

Darin ist davon die Rede, dass die Echsenwesen<br />

die Kraft der Magie besitzen und ihr<br />

Wissen sogar an Würdige weiterreichen.<br />

Doch ist dies nicht Ketzerei?<br />

Warum jedoch sollte eine solche Entdeckung<br />

unserer weisen Göttin zur Schande<br />

gereichen? Wissen wir denn nicht, dass die<br />

Götter ewiglich und uralt sind? Wissen wir<br />

denn nicht, dass die minderen Echsenwesen<br />

erschaffen wurden lange vor den die<br />

Schöpfung krönenden Menschen? Wissen<br />

wir denn nicht, dass auch sie in aller urtümlichen<br />

Einfalt die Ehrfurcht vor den Wahren<br />

Mächten kennen? Was liegt näher denn die<br />

Vermutung, dass sich die Wandelbare schon<br />

ehedem jenen Unwissenden offenbarte, zu-<br />

Abenteuer<br />

Seite 53


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Orakel von H‘Rabaal<br />

HANDOUT<br />

Die Chroniken von Ilaris<br />

Kompilation einer ketzerischen<br />

Hesinde-Sekte in Zorgan, ca. 190 vor Hal<br />

Die Schlangenmenschen verehren eine<br />

Göttin des Wandels, H’Szint mit Namen.<br />

Es braucht wenig Phantasie, aber einigen<br />

Mut, um sich zu vergegenwärtigen, um<br />

welche von uns allen so geliebte Gottheit es<br />

sich hierbei nur handeln kann. Das schlangenhaft-zischende<br />

ihres Namens mag der<br />

stillen Weisheit der heutigen Namensform<br />

gewichen sein, doch die Identität ist unverwechselbar.<br />

Und wenn auch die Lehrer der<br />

zwölfgöttlichen Kirchen es nicht wahrhaben<br />

wollen, so gehen doch die Gemeinsamkeiten<br />

weit über den Gleichklang des Namens<br />

hinaus. Wie sonst wäre es zu erklären, dass<br />

das geheime Orakel von H’Rabaal, welches<br />

die echsischen Diener der H’Szint als Heiligtum<br />

behüten, auch denen, die treue Diener<br />

der Hesinde sind, seine Weisheit offenbart?<br />

Soviel ist gewiss, dass ich keinen falschen<br />

Götzen Verehrung oder Respekt gezollt<br />

habe und mich allein von den Lehren Hesindes<br />

leiten ließ in meinem Streben, die<br />

Schatten der Vergangenheit ihrer Schleier<br />

zu berauben. Und doch bestand ich die Prüfungen<br />

des Orakels und mir wurde Einsicht<br />

geschenkt. Ja, mehr noch, die Priester des<br />

Orakels waren nachher sogar bereit, mich<br />

ohne Lug und Schaden in den Geheimnissen<br />

ihrer Rituale, ihrer Magie und ihrer Kultur<br />

zu unterwiesen!<br />

Und von welchem falschen Götzen und<br />

von welchen Götzendienern hat man je gehört,<br />

dass sie die Diener der Zwölfe solcherart<br />

mit Wahrheit und Wissen beschenken?<br />

mal – dies darf nicht unerwähnt bleiben – ihr<br />

und unser heiliges Tier ja doch jenem Echsengeschlechte<br />

entlehnt ist und nahe steht?<br />

Auf nach H’Rabaal<br />

Die Reise in die kleine Dschungelstadt<br />

H’Rabaal wird nicht im Detail beschrieben,<br />

da sie praktisch von jedem beliebigen Punkt<br />

Aventuriens ausgehen kann. In den allermeisten<br />

Fällen wird sie aber wohl mit dem Schiff<br />

bis Brabak und dann mit einer offenen Kutsche<br />

über den einzigen vorhandenen Pfad in<br />

den Dschungel führen.<br />

• Vom Schiff her und aus dem Horasreich<br />

kommend wirkt der Regenwald und das<br />

Regengebirge wildromantisch. Jeden<br />

Morgen steigt der Nebel in großen<br />

Schwaden aus den Wäldern empor in<br />

die Höhen der Berge. Schildern Sie ruhig<br />

alles sehr idyllisch. Später, wenn die<br />

Helden durch den Dschungel wandern<br />

müssen, denken sie vielleicht wehmütig<br />

daran zurück.<br />

• Helden, die zum ersten Mal in ihrem<br />

Leben das Kap umsegeln, kommen natürlich<br />

nicht um eine Kap-Taufe herum.<br />

Die rauhen Seeleute veranstalten an<br />

diesem wichtigen Punkt der Reise ein<br />

kleines Gelage. Der Reihe nach wird<br />

jeder Täufling kopfüber in ein großes<br />

Fass mit Meerwasser gestülpt und nach<br />

einer kurzen Weile wieder herausgezogen.<br />

Der Äußeren Taufe folgt dann<br />

sofort die Innere mit einem kräftigen<br />

Schluck Branntwein. Zahlende Fahrgäste<br />

werden zwar nicht direkt gezwungen<br />

mitzumachen, aber sie sollten schon<br />

bemerken, dass die Taufe eigentlich für<br />

jeden dazugehört…<br />

• Brabak selbst ist eine interessante Stadt,<br />

die vielen Abenteuern Platz bietet. Da<br />

die Helden aber nur auf der Durchreise<br />

sind, liegt es im Ermessen des Meisters,<br />

ob hier etwas Besonderes passiert<br />

oder nicht. Denkbar wäre z.B. eine<br />

Begegnung mit brabakischen Beutelschneidern,<br />

Betrügern oder gar einer<br />

organisierten Verbrecherbande. Sollten<br />

die Helden nach Informationen suchen,<br />

so könnte eine zwielichte Gestalt in der<br />

Nähe der düsteren und unzugänglichen<br />

Magierakademie ihnen für einen horrenden<br />

Preis „Das geheime Echsenwissen<br />

einer uralten Bruderschaft“ verkaufen.<br />

Viel sinnvolles wird dieses Wissen nicht<br />

enthalten, aber es bietet dem Meister<br />

eine gute Gelegenheit Ängste oder Hoffnungen<br />

bei den Spielern zu wecken.<br />

• Die Reise über Land bietet Platz für<br />

Zufallsbegegnungen mit der Flora und<br />

Fauna des Südens. Für wirklich bedrohliche<br />

Ereignisse wird aber später noch<br />

Zeit sein. Vermitteln sie auch hier ruhig<br />

das Flair einer Safari. Dann ist es später<br />

umso leichter, den Unterschied dieser<br />

halbwegs zivilisierten Gegend zum ‘richtigen’<br />

Dschungel deutlich zumachen.<br />

Kapitel 1<br />

In H’Rabaal<br />

Sollten die Helden erwarten, dass ihre Aufgabe<br />

darin besteht, den direkten Weg zum<br />

Orakel zu finden, so werden sie in H’Rabaal<br />

eines Besseren belehrt. Bereits dort können<br />

die Helden von der „Stimme des Orakels in<br />

H’Rabaal“ erfahren, dass sie vor dem heiligen<br />

Orakel nur dann bestehen werden, wenn<br />

sie eine angemessene Gabe mitbringen. Und<br />

dass die Priester des Orakels ihnen nur helfen<br />

werden, wenn sie vor dem Orakel bestehen.<br />

Schließlich wird die „Stimme“ die Helden<br />

auf eine Queste schicken um eben jene Gabe<br />

zu beschaffen. Auf einem heiligen Berg auf<br />

einer Insel im Selem-Grund sollen sie suchen<br />

und von dort eine machtvolle Reliquie mitbringen.<br />

Dann erst wird ihnen der Weg zum<br />

Orakel gewiesen werden.<br />

Die Stadt H’Rabaal<br />

Offiziell gehört die heute von Menschen bewohnte<br />

Stadt zum Königreich Brabak, wenngleich<br />

der mächtigste und reichste Gutsbesitzer<br />

der Stadt, Azzaph Charazzar, sich gerne<br />

als König von H’Rabaal betiteln lässt. Sowohl<br />

in der Stadt als auch im umliegenden Sumpf<br />

sind zahlreiche Zeugnisse echsischer Kultur<br />

zu sehen. Die eindrucksvollsten Zeitzeugen<br />

längst vergangener Äonen sind einige uralte<br />

Stufenpyramiden und Tempelbauten, die<br />

teilweise bereits tief in den sumpfigen Boden<br />

eingesunken sind.<br />

Im Umland von H’Rabaal und teilweise<br />

auch in der Stadt leben einige Dutzend Achaz<br />

und Ziliten. Die Menschen handeln mit ihnen<br />

und es gereicht beiden Seiten zum Vorteil.<br />

Dennoch sind sich beide Seiten nicht sehr<br />

vertraut. Die Echsen hüten eifersüchtig ihre<br />

Geheimnisse und die Menschen vermeiden<br />

es furchtsam, zu weit in das Land der Echsen<br />

vorzudringen oder sich allzu auffällig für ihre<br />

Tempel und Gräber zu interessieren.<br />

Der Tempel der Hesinde<br />

Ein Kuriosum dieser Stadt sind jene „Häuser“<br />

einiger Menschen, die aus den liegen gebliebenen<br />

Panzern riesiger Schildkröten, die<br />

wohl seit Jahrhunderten ausgestorben sind,<br />

bestehen. In einem dieser mehrere Manneslängen<br />

großen Panzer ist auch der kleinste<br />

Hesindetempel Aventuriens untergebracht.<br />

Dieser Ort und der dortige Geweihte stellen<br />

eine geeignete Anlaufstelle für die Helden<br />

dar. Zunächst hält man sich zwar etwas bedeckt,<br />

aber bei halbwegs taktvollem Vorgehen<br />

lässt sich der alte Geweihte überreden,<br />

ein Gespräch mit der „Stimme des Orakels “<br />

zu arrangieren.<br />

Das Gespräch mit Chrazz’chk<br />

Die „Stimme“ scheint auf den ersten Blick<br />

ein typischer Schamane der Achaz zu sein<br />

(„typisch“ zumindest für jene hartgesottenen<br />

Abenteuerer, die in ihrem Leben bereits<br />

einmal einem Schamanen der Achaz begegnet<br />

sind). Doch bei genauerer Beobachtung<br />

und vor allem im Gespräch zeigt sich, dass<br />

die „Stimme“ wesentlich gebildeter und aufgeklärter<br />

ist, als man es etwa von einem Naturzauberer<br />

eines Achazstammes etwa am<br />

Loch Harodrol her kennt.<br />

Seite 54<br />

Abenteuer


Das Orakel von H‘Rabaal<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Chrazz’chk ist in der Tat ein Weiser seines<br />

Volkes, des Lesens und Schreibens kundig<br />

und bewandert in der Mythologie seines Volkes.<br />

Er dient dem Orakel von H’Rabaal, das im<br />

unzugänglichen Bergland hinter den Sümpfen<br />

liegt. Chrazz’chk ist der Mittelsmann zwischen<br />

Orakel und Welt, denn er entscheidet,<br />

wann und wem gestattet wird, den Weg zum<br />

Orakel und seinen Priestern zu finden.<br />

Nachdem die Helden ihre Bitte vorgetragen<br />

haben, wird er ihnen zunächst erklären, dass<br />

die Weisen des Orakels tatsächlich über Altes<br />

Wissen verfügen. Doch ebenso wie die einfachen<br />

Menschen und Echsen hier in H’Rabaal<br />

friedlich miteinander Handel treiben, so streben<br />

auch die Weisen danach, mit den Gelehrten<br />

unter den Menschen friedlich zu handeln.<br />

Es hat sich aber gezeigt, dass bei den Gelehrten<br />

und Wissbegierigen unter den Menschen<br />

aufrichtiger Wissensdurst oft gepaart ist mit<br />

Machtgier und Skrupellosigkeit. Deshalb teilen<br />

die Orakelpriester ihr Wissen nicht mehr<br />

ohne Weiteres mit den Menschen.<br />

Nur wer aufrichtig nach der Erkenntnis<br />

strebt, nicht als Feind der Echsen, sondern<br />

als Diener H’Szints, der darf darauf hoffen,<br />

von ihnen gelehrt zu werden. Um diese<br />

Aufrichtigkeit aber zu prüfen, muss sich der<br />

Wissbegierige dem Orakel zu einer Prüfung<br />

stellen.<br />

Helden, die nicht vor das Orakel treten<br />

wollen und nur als Begleitung dabei sind,<br />

werden zunächst mit den Worten: „Ihr werdet<br />

gerufen, wenn man euch braucht!“ weggeschickt.<br />

Diese Helden können sich einstweilen<br />

ein Quartier in der Stadt suchen, denn<br />

sie werden bis zum nächsten Morgen in Ungewissheit<br />

ausharren müssen. .<br />

Die erste Prüfung<br />

Jenen Helden, die sich zur Prüfung bereit<br />

erklärt haben, teilt Chrazz’chk knapp mit,<br />

dass ihre Prüfung bereits hier und jetzt beginnt.<br />

Ohne jede weitere Vorbereitung müssen<br />

die Helden ihm nun folgen, wenn sie sich<br />

der Prüfung unterziehen wollen.<br />

Der Priester führt die Helden auf sicheren<br />

Pfaden durch die brodelnden Sümpfe zu<br />

einer einsamen Pyramide. Er erklärt ihnen,<br />

dass in dieser Pyramide ein großes Geheimnis<br />

ruht, dass bislang noch kein Mensch zu<br />

ergründen vermochte und dass dies auch ihnen<br />

nicht gestattet sein wird.<br />

Danach erklimmt er mit ihnen die Spitze<br />

der Pyramide und gebietet ihnen, sich dort<br />

neben dem versiegelten Eingang niederzulassen<br />

und nun bis zum folgenden Sonnenaufgang<br />

in Meditation und Gebet an H’Szint<br />

auszuharren und kein Wort miteinander zu<br />

wechseln.<br />

Anschließend verschwindet er ohne weiteren<br />

Kommentar.<br />

Die Nacht in H’Rabaal<br />

Was in dieser Nacht passiert, hängt ausschließlich<br />

von den Helden ab, die nicht an<br />

der Prüfung teilnehmen. Legen diese sich<br />

einfach irgendwo schlafen, so vergeht die<br />

Nacht ohne Zwischenfälle. Nutzen sie aber<br />

die Nacht, um die Stadt zu erkunden, so<br />

werden sie irgendwann Chrazz’chk dabei<br />

beobachten, wie er alleine neben einem<br />

Sumpfloch steht und sein Gewand säubert.<br />

Neben ihm steht ein Achaz-Krieger und wartet<br />

achtungsvoll. Chrazz’chk spricht kurz mit<br />

dem Krieger, woraufhin dieser sich verneigt<br />

und schnellen Schrittes verschwindet.<br />

Der weitere Verlauf muss nun von Ihnen<br />

improvisiert werden, da kaum abzusehen ist,<br />

was die Helden unternehmen. Sie werden<br />

jedoch keinesfalls in der Nacht die Pyramide<br />

im Sumpf finden. Der Krieger geht direkt zu<br />

seinem Quartier und legt sich schlafen. Der<br />

Priester verschwindet hinter dem nächsten<br />

Gebäude und ist dann nicht mehr aufzufinden.<br />

Eventuell sieht man wenig später eine<br />

Flugechse aus einem nahen Gebüsch aufsteigen.<br />

Gefahr droht hier niemandem, solange<br />

die Helden sich nicht mit den Echsenmenschen<br />

anlegen.<br />

Achten Sie darauf, dass diese Szene nicht<br />

zu lang gerät, da ja einige Spieler zum stummen<br />

Zusehen verdammt sind. Man kann jedoch<br />

durchaus die Prüfung dann als bestanden<br />

deuten, wenn die Spieler es tatsächlich<br />

schaffen, keine Kommentare abzugeben.<br />

Schließen Sie die Szene damit ab, dass Sie<br />

die Spieler erneut bitten, kurz den Raum zu<br />

verlassen.<br />

Die Queste<br />

Sobald die Sonne aufgeht, kehrt der Achazpriester<br />

zur Pyramide zurück. Ein junger Krieger<br />

seines Volkes (der, mit dem er am Abend<br />

zuvor gesprochen hat) begleitet ihn bis zum<br />

Fuß der Pyramide und wartet dort respektvoll,<br />

während Chrazz’chk sie erneut erklimmt.<br />

Oben angekommen fragt er die Helden, ob<br />

sie immer noch bereit sind, sich der Prüfung<br />

des Orakels zu stellen. Wenn sie dies bestätigen,<br />

so teilt er ihr mit, welche Aufgabe das<br />

Orakel ihnen zugedacht hat:<br />

Den Weg der H’Szint sollst du gehen<br />

und die Wahrheit ehren.<br />

– Sprich also keine Lüge auf deinem Weg!<br />

Den Weg der Zzsah sollt du gehen<br />

und das Leben ehren.<br />

– Nimm also kein Leben auf deinem Weg!<br />

Den Weg des Ssad’Navv sollst du gehen<br />

und unaufhaltsam voranschreiten.<br />

MEISTERTIPP<br />

Der Achaz als Heldentyp<br />

An dieser Stelle bietet sich eine gute Gelegenheit<br />

für einen ihrer Spieler, einmal einen<br />

Achaz als Helden zu führen. Der Spieler<br />

des Achaz muss dazu bei weitem nicht<br />

über so viel Hintergrundwissen verfügen<br />

wie etwa der Echsenpriester. Statt dessen<br />

sollte er sich einige Sitten und Gebräuche<br />

seines Echsenstammes überlegen um die<br />

Andersartigkeit der Achaz zu den Menschen<br />

darstellen zu können.<br />

Der Achaz-Krieger ist ein Auserwählter<br />

seines Stammes, der die letzten zwei Jahre<br />

seines jungen Lebens damit verbracht<br />

hat, die alten Heiligtümer, die den Echsenmenschen<br />

hier noch verblieben sind, zu<br />

bewachen. Sein Dienst hier ist fast zu Ende<br />

und nach dieser letzten Aufgabe die ihm<br />

Chrazz’chk gestellt hat, kann er gehen,<br />

wohin er will.<br />

– Kehre also niemals um auf deinem Weg!<br />

Den Weg der Sad’Huarr sollst du gehen<br />

und das heilige Gelege suchen.<br />

– Suche also das Gelege des Chor’chna’ben!<br />

Den Weg des Orakels sollst du gehen<br />

und ihm dein Achtung erweisen.<br />

– Bring also das Heilige zum Heiligen<br />

und du kannst bestehen!<br />

Der Priester kann erklären, dass<br />

Chor’chna’ben eines der alten und heiligen<br />

Wesen ist, die von den Priestern verehrt werden<br />

und dass sein Gelege im „warmen Berg<br />

auf der heiligen Insel“ zu finden ist. Auch<br />

die Lage der Insel kennt der Priester und<br />

kann sie beschreiben. Über die Natur des<br />

Chor’chna’ben jedoch enthüllt er bis auf eine<br />

Bemerkung nichts: „Ihr werdet seine Gegenwart<br />

spüren, doch werdet ihr ihn weder sehen<br />

noch berühren, solange ihr dem Weg der<br />

Queste folgt.“<br />

Nachdem die Helden die Worte des Priesters<br />

vernommen und verstanden haben, fügt<br />

er noch hinzu, dass der am Fuß der Pyramide<br />

wartende Krieger sie bei ihrer Queste begleiten<br />

wird und bei ihrer Rückkehr Zeugnis abzulegen<br />

hat über das Verhalten der Helden.<br />

Danach überreicht er ihnen eine auf ein grobes<br />

Pergament gezeichnete Karte der Insel<br />

und wünscht ihnen den Segen H’Szints für<br />

die Unternehmung.<br />

Zum Schluss (falls noch Helden in der Stadt<br />

warten) empfiehlt er ihnen, bei der Auswahl<br />

ihrer Helfer für die Queste sorgfältig zu sein<br />

und nur mitzunehmen, wem sie gänzlich<br />

vertrauen, da sie sich auch für deren Tun vor<br />

Abenteuer<br />

Seite 55


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Orakel von H‘Rabaal<br />

NSC<br />

VESPERTILIO ORGANO<br />

Vielleicht kennen Sie den Schwarzmagier<br />

Vespertilio Organo noch aus der<br />

Phileasson-Saga. Je nachdem, zu welcher<br />

Zeit sie dieses Abenteuer ansiedeln, kann<br />

er hier unabhängigen Forschungen nachgegangen<br />

sein (17 bis 28 Hal), oder aber<br />

bereits im Auftrag der Großen Schlange<br />

tätig gewesen sein (nach 28 Hal).<br />

dem Orakel verantworten müssen.<br />

Die Karte<br />

Zeichnen sie eine grobe Karte vom Selem-<br />

Grund und wählen sie eine kleine Insel dort<br />

aus. Diese ist auf der Karte mit einem großen<br />

Kreuz gekennzeichnet.<br />

Kapitel 2<br />

Die Insel des<br />

Chor’chna‘ben<br />

Um vor dem Orakel von H’Rabaal bestehen<br />

zu können, müssen die Helden zusammen<br />

mit dem Achaz-Krieger die Insel des<br />

Chor’chna’ben aufzusuchen und im dortigen<br />

heiligen Berg das „Heilige“ finden. Dabei<br />

dürfen sie weder töten noch lügen, noch<br />

umkehren auf ihrem Weg (jedenfalls nicht<br />

so, dass es der Achaz und damit das Orakel<br />

bemerkt…).<br />

Verschiedene Ereignisse werden die Helden<br />

in Versuchung führen und auf die Probe<br />

stellen, doch wenn sie unbeirrbar an der<br />

Weisung festhalten, kann ihnen kaum etwas<br />

passieren. Am Ende wird sich aber zeigen,<br />

dass der heilige Berg entweiht wurde, denn<br />

der Schwarzmagier und Chimärologe Vespertilio<br />

Organo ist vor wenigen Wochen in<br />

den Berg eingedrungen um den Karfunkel<br />

des Chor’chna’ben zu rauben. Durch eine List<br />

konnte das Heilige Wesen dies verhindern,<br />

doch vermochte es weder sich selbst noch<br />

seinen Lebensraum vor dem zu bewahren,<br />

was die dämonischen Wesen des Vespertilio<br />

ihm antaten.<br />

Das Perlenmeer<br />

und der Selem-Grund<br />

Die Gewässer, die die Helden nun befahren<br />

müssen, sind nicht eben ungefährlich. Die<br />

Piraten der Südsee treiben hier genauso ihr<br />

Unwesen wie die schwarzen Galeeren der<br />

Al’Anfaner. Je nach Geschmack kann die Reise<br />

ereignislos bis lebensgefährlich verlaufen.<br />

Da aber auch jetzt schon die Gebote des Echsenpriesters<br />

(nicht töten, nicht lügen, nicht<br />

zögern) gelten, kann solch eine Begegnung<br />

leicht zum Scheitern der Queste führen…<br />

Die Stadt Selem<br />

Um nähere Informationen über die Gegend<br />

zu erhalten oder sich angemessen auszurüsten,<br />

können die Helden die Stadt Selem besuchen,<br />

die sie bislang vermutlich nur wegen<br />

ihres ausgesprochen schlechten Rufes vom<br />

Hörensagen kennen. Jetzt können die Helden<br />

erleben, wie berechtigt dieser Ruf ist. Allein<br />

die Durchquerung vom Hafen zum Stadtzentrum<br />

mit dem Alten Markt sollte nicht völlig<br />

unproblematisch verlaufen. Vielleicht macht<br />

die „Attacke“ eines Seuchenkranken einen<br />

Besuch im hiesigen Perainetempel nötig.<br />

Mit Informationen und Tränken ausgestattet<br />

können die Helden sich dann auf den auf<br />

ihrer Karte beschriebenen Weg durch den<br />

Selem-Grund machen.<br />

Die Insel des Chor’chna’ben<br />

Die Insel des Chor’na’ben ist nicht sehr<br />

groß, und ihr Anblick wird geprägt von einem<br />

großen, rauchenden Berg aus schwarzgrauem<br />

Fels, der weit über den schmalen, mit<br />

Mangroven und Schlingpflanzen bewachsenen<br />

Küstenstreifen aufragt. Der Berg im<br />

Zentrum der Insel bedeckt etwa die Hälfte<br />

des kleinen Eilandes und erhebt sich beinahe<br />

2.000 Schritt über das Meer. Statt eines<br />

Gipfels sieht man ein unnatürlich glatt wirkendes<br />

Hochplateau, über dem sich eine<br />

dünne Rauchsäule in den Himmel windet. Es<br />

scheint, als haben die Elementarherren des<br />

Feuers und des Erzes auf diesem Berg vor<br />

langer Zeit einen Kampf ausgefochten und<br />

nur schwarze und verkohlte Reste hinterlassen.<br />

Die Hüter des heiligen Berges<br />

Die Insel wird von einem Stamm Echsenmenschen<br />

bewohnt, die den heiligen Berg<br />

bewachen. Nie haben sie den Berg erstiegen<br />

und den jungen Kriegern dieses Stammes ist<br />

dies auch bei Todesstrafe verboten. Der Berg<br />

gilt als Wohnstätte der Götter und damit als<br />

unantastbar. Die Echsen wissen dass von Zeit<br />

zu Zeit Auserwählte kommen, die den Berg<br />

besuchen dürfen. Die Auserwählten müssen<br />

jedoch zunächst ihren Mut, ihre Entschlossenheit<br />

und ihre friedlichen Absichten beweisen.<br />

Der Schamane der Achaz kann spüren,<br />

dass seit einiger Zeit etwas Böses den heiligen<br />

Berg bedrängt und er kann auch die Präsenz<br />

des heiligen Wesens nicht mehr spüren.<br />

Deshalb sind die Achaz besonders wachsam,<br />

und der Schamane versucht einzuschätzen,<br />

ob die Helden wahre Diener der H’Szint sind,<br />

oder ob ihr Streben eher den bösen Kräften<br />

gleicht, die hier am Wirken sind.<br />

Bereits bei der Ankunft werden die Helden<br />

von einem der Achaz bemerkt und wenig<br />

später ist fast der gesamte Stamm versammelt,<br />

um die Schritte der Helden zu beobachten.<br />

Nähern sich die Helden dem Berg,<br />

so werden sie sich schon bald beobachtet<br />

Seite 56<br />

Abenteuer


Das Orakel von H‘Rabaal<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

fühlen können und wenig später sind sie von<br />

den Echsenmenschen eingekreist.<br />

Mit der Hilfe des Achaz-Kriegers ist es den<br />

Helden möglich, sich hier zu verständigen.<br />

Wichtig ist dabei, dass die Helden weder Lügen<br />

noch Töten dürfen. Wenn sie den Echsen<br />

die Wahrheit sagen, wird ihnen vom Schamanen<br />

erklärt, dass der heilige Berg tabu ist<br />

und keinesfalls betreten werden darf. Der<br />

Schamane der Echsen vollführt während er<br />

spricht seltsame Tänze und Ritualgesten und<br />

reißt dabei mindestens einem der Helden ein<br />

einzelnes Haar aus. Anschließend erklärt er<br />

dem Achaz-Krieger, dass er den Helden sagen<br />

soll, dass er nun ihr Leben in seiner Hand<br />

habe und sie sich sehr gründlich überlegen<br />

sollen, ob sie „den Weisungen folgen oder<br />

ihnen zuwider handeln wollen“ (auf den<br />

Wortlaut achten!).<br />

Erfüllt von Selbstsicherheit und ohne weitere<br />

Kommentare lassen die Echsen die Helden<br />

allein und verschwinden im Gebüsch.<br />

Wollen die Helden dem Wortlaut ihrer Aufgabe<br />

gehorchen, so müssen sie ohne zu zögern<br />

weitergehen und dürfen nicht wegen der<br />

Drohungen des Schamanen umkehren. Dies<br />

ist es auch, was der Schamane hier auf die<br />

Probe stellen will.<br />

Begegnungen auf der Insel<br />

Von den Echsenmenschen haben die Helden<br />

nichts zu befürchten, wenn sie sich auf<br />

direktem Wege zum Berg begeben und nicht<br />

in das Dorf eindringen. Im dschungelartigen<br />

Inselwald kann es jedoch durchaus zu anderen<br />

Begegnungen kommen. Hier sind im wesentlichen<br />

alle Tiere und Pflanzen heimisch,<br />

die es auch in den nahen Echsensümpfen<br />

gibt, abgesehen von den sehr großen Raubtieren.<br />

Einige Vorschläge für Begegnungen:<br />

• Jagdgras<br />

• Disdychonda<br />

• Basilisken-Panzerkröte<br />

• Hornechse<br />

Der „warme Berg“<br />

Die Helden erklimmen den schon seit langem<br />

nicht mehr aktiven Vulkan, um in seinem<br />

Inneren das Gelege des Chor’chna’ben zu finden.<br />

Sie wissen kaum etwas darüber, was sie<br />

erwartet, oder was für ein Wesen hier lebt.<br />

Sie können bestenfalls mutmaßen, dass es<br />

hier um etwas anderes als um ‘Kindesraub’<br />

unter Echsen geht, da es sich immerhin um<br />

die Prüfung durch ein heiliges Orakel handelt.<br />

Während die Helden den Berg erklimmen,<br />

stoßen sie früher oder später auf einen schmalen,<br />

von unten nicht zu sehenden Pfad,<br />

der rund um den Berg herum steil aufwärts<br />

führt. Wenn sie dem Pfad folgen, ist der Weg<br />

zwar länger, aber dafür auch ohne Kletterausrüstung<br />

gangbar. Vorsichtig sollte man<br />

aber dennoch sein, vor allem, wenn man sich<br />

einem der zahlreichen Nester großer Raubvögel<br />

nähert, die hier am warmen Berg zu<br />

finden sind.<br />

Gut 1.800 Schritt über dem Meer endet<br />

der Pfad vor einer mächtigen, kunstvoll bearbeiteten<br />

schwarzen Steinplatte an der<br />

Westwand des Berges. Der knapp drei Schritt<br />

hohe und ebenso breite Stein wirkt wie ein<br />

Portal, durch das der Zugang zu einer Höhle<br />

verschlossen wird.<br />

Ein weiterer Aufstieg an der fast senkrecht<br />

aufragenden Felswand ist selbst mit Kletterausrüstung<br />

nur noch unter höchstem Risiko<br />

möglich. (Klettern mindestens 15!)<br />

Sollten die Helden Kraft ihrer Magie zu Fliegen<br />

vermögen, werden sie von giftigen Vulkandämpfen<br />

am Kraterrand zum Umkehren<br />

gezwungen – der Weg durch die Kammern<br />

sollte ihnen nicht erspart bleiben.<br />

Abenteuer<br />

Seite 57


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Orakel von H‘Rabaal<br />

Die Kammern der Prüfung<br />

Hinter dem Portal befindet sich in der Tat<br />

ein Höhlensystem, durch das man ins Innere<br />

des heiligen Berges gelangen kann.<br />

H’Szint: Das Portal<br />

Sieht man sich das Portal genauer an, so<br />

lässt sich folgende Inschrift entziffern (echsisch):<br />

Was ist der Anfang der Ewigkeit?<br />

Was ist das Ende jeder Stunde?<br />

Was ist der Anfang allen Endes?<br />

Was ist das Ende aller Tage?<br />

Unter dieser Inschrift befinden sich neun<br />

mit runenartigen Gravuren verzierte Stäbchen<br />

von jeweils einem halben Spann Länge.<br />

Versucht man diese zu bewegen, so zeigt<br />

sich, dass sie sich auf der Steinplatte beliebig<br />

hin- und herschieben lassen, sich jedoch<br />

nicht ohne weiteres entfernen lassen (sozusagen<br />

sehr starke Haftmagnete).<br />

Lösen die Helden das Rätsel, indem sie die<br />

Runenstäbe korrekt zu einem ‘E’ anordnen,<br />

so öffnet sich das Portal. Lautlos und offenbar<br />

von Dschinnenhand geführt gleitet es<br />

nach links weg und gibt den Blick in einen<br />

dunklen, feuchten Gang von zwei Schritt<br />

breite und Höhe frei, der direkt nach Osten,<br />

zum Zentrum des Berges führt.<br />

Der Stein der Kraft<br />

Nach wenigen Metern öffnet sich der Gang<br />

in die erste Höhle. Diese ist beinahe kreisrund<br />

und hat einen Durchmesser von etwa<br />

zwei Schritt. In ihrer Mitte steht ein zylindrischer,<br />

mattschwarzer Stein, der bis an die<br />

Decke reicht. Dahinter kann man die Öffnung<br />

in einen weiteren Gang sehen.<br />

Trägt einer der Helden eine Metallrüstung,<br />

so spürt er schon im Gang eine seltsame<br />

Kraft, die ihn in die Höhle ziehen will (das<br />

es an der Rüstung liegt, merkt er zunächst<br />

nicht). Reagiert er schnell genug, so kann<br />

er noch dagegen ankämpfen, doch wenn<br />

er auch nur ein oder zwei weitere Schritte<br />

macht, wird die Kraft so stark, dass sie ihn<br />

gegen den Stein in der Raummitte schleudert<br />

(RS*2 Schadenspunkte).<br />

Alle übrigen Helden, die metallene Gegenstände<br />

bei sich tragen, spüren die Kraft spätestens,<br />

wenn sie den Raum betreten. Alle<br />

Waffen und jegliches magnetische Material<br />

wird unweigerlich zum Stein gezogen und<br />

Seite 58<br />

ENVOYER<br />

Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />

Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />

worden.<br />

bleibt dort haften. Es zeigt sich auch, dass<br />

dort schon eine Vielzahl teilweise sehr fremdartiger<br />

Waffen und Rüstungsteile kleben.<br />

Die einzige Chance, kleine Metallgegenstände<br />

durch den Raum zu bekommen besteht<br />

darin, sich ganz eng an der Wand zu<br />

bewegen und sehr stark zu sein. (KK-Probe<br />

erschwert um Unzen/10)<br />

Ssad’Navv: Der direkte Weg<br />

Nach einem weiteren kurzen Gangstück<br />

erreichen die Helden eine etwas größere<br />

Höhle von etwa 3 Schritt Länge und knapp<br />

vier Schritt Breite. In dieser Höhle gibt es neben<br />

einem wiederum nach Osten führenden<br />

Gang auf der gegenüberliegenden Seite auch<br />

noch einen Weg, der nach Nordwesten führt.<br />

Vor dem geradeaus liegenden Gang steht<br />

eine Steintafel mit einer Inschrift (echsisch):<br />

Es ist schlimmer als die Niederhöllen!<br />

Es ist schöner als die Liebe!<br />

Es dient den Toten als Nahrung!<br />

Es tötet Lebende qualvoll,<br />

wenn sie es essen!<br />

Es wird auf ewig deine Geißel sein,<br />

wenn du diese Pforte durchschreitest!<br />

Die Antwort auf dieses Rätsel lautet<br />

schlicht: Nichts. Und demzufolge haben die<br />

Helden auch nichts zu befürchten, wenn sie<br />

in den nächsten Gang eintreten. Die Pforte,<br />

die sie dazu durchschreiten müssen, wirkt<br />

allerdings sehr düster und bedrohlich und<br />

weist eine starke magische Aura auf. Aus<br />

einer Ritze, die sich über die gesamte Breite<br />

des Durchgangs erstreckt, quillt beständig<br />

eine dünne Wand aus Rauch empor.<br />

Wenn sie der Meinung sind, dass die Helden<br />

diese zusätzliche Hilfe nötig haben, können<br />

sie hier erwähnen, dass alle Metallklingen<br />

(natürlich nur, wenn ein kräftiger Held<br />

sie bis hierher mitbringen konnte) von dem<br />

Rauch beschlagen werden und fortan seltsam<br />

matt wirken. Die Waffen sind dadurch<br />

für eine Weile magisch. Der Beschlag verschwindet<br />

im Laufe der nächsten Tage, doch<br />

für den Kampf gegen die Spinnendämonen<br />

kommt er wie gerufen.<br />

Blicken die Helden sich im Raum um, so sehen<br />

sie in dem Gang, der in nordwestlicher<br />

Richtung zurückführt, einen leichten goldenen<br />

Schimmer.<br />

Die Prüfung sieht vor, dass sie diesen Gang<br />

ignorieren und unbeirrbar voranschreiten.<br />

Lassen sie sich vom Schimmer locken oder<br />

von der Inschrift ablenken, so haben sie eine<br />

kleine Strafe verdient. Hehe!<br />

Der Raum der Versager<br />

Nach wenigen Schritten kann man am<br />

Ende des Ganges einen Raum sehen, in dem<br />

goldene Gegenstände im Fackelschein glitzern.<br />

Im Gang befindet sich jedoch eine gut<br />

versteckte Falltür. Nur für den Fall, dass die<br />

Helden den Boden wirklich äußerst gründlich<br />

abtasten, können sie die Falltür mit einer Sinnesschärfe-Probe<br />

entdecken. Lassen sie hier<br />

ruhig so viele Helden wie möglich in die Falle<br />

tappen, sie haben es nicht besser verdient.<br />

Die Falltür klappt also weg, kurz bevor der<br />

erste Held den Raum erreicht und alle, die<br />

sich im Gang befinden, stürzen zwei Schritt<br />

in die Tiefe.<br />

Der Boden ist bedeckt mit Splittern aus<br />

Kristallglas, das sich sofort durch alle Kleidung<br />

und Ausrüstung der Helden schneidet.<br />

Die Helden selbst erleiden durch zahlreiche<br />

Schnittwunden 2W6 Trefferpunkte.<br />

Die Gegenstände im Raum wirken tatsächlich<br />

als wären sie aus Gold und nur eine sehr<br />

gründliche Analyse vermag zu offenbaren,<br />

dass es kein echtes Gold sein kann. Die goldenen<br />

Schalen, Münzen, Pokale, Becher etc.<br />

fühlen sich alle kühl und schwer an und ein<br />

leichter Schauer durchfährt jeden, der etwas<br />

davon berührt. Für je 20 Unzen, die ein Held<br />

von diesem Schatz an sich nimmt, erleidet er<br />

im Folgenden pro Stunde einen Schadenspunkt.<br />

Und zwar so lange, bis er die Schätze<br />

in diesen Raum zurück gebracht hat.<br />

Zzsah: Der Drache des Lebens<br />

In der letzten und größten Höhle wird geprüft,<br />

ob die Helden dem Weg der Zzsah treu<br />

sind. Die Decke des ovalen und gut zwanzig<br />

Schritt durchmessenden Raumes erstreckt<br />

sich acht Schritt über den Helden. Der Boden<br />

ist gar nicht zu sehen, da der Raum fast vollständig<br />

von einem kristallklaren See eingenommen<br />

wird. Am östlichen Ende der Halle<br />

ist ein etwa zwei Schritt breiter Wasserfall zu<br />

sehen, der sich beständig in den kleinen See<br />

ergießt. Sobald einer der Helden das Wasser<br />

berührt, erfüllt ein düsteres, bedrohliches<br />

Grollen die Höhle. Der Gefahreninstinkt der<br />

Helden schlägt an und alle Nackenhaare<br />

sträuben sich. Augenblicke später beginnt<br />

die Wasseroberfläche zu brodeln und zu<br />

schäumen. Dann erhebt sich ein mächtiger,<br />

blauschimmernder Drache aus dem See!<br />

Der Wasserdrache hat eine Flügelspannweite<br />

von fünf Schritt und reicht mit seinem<br />

gewaltigen Haupt knapp vier Schritt in die<br />

Höhe. Mit einem kräftigen Wasserschwall,<br />

den er beim Auftauchen ausspuckt, schleudert<br />

er die Helden gegen die Höhlenwand (je<br />

1W6 SP). Dann geht er zum Angriff mit Wasserstrahl,<br />

Klauen und Schwanz über.<br />

Bei dem Drachen handelt es sich um eine<br />

mächtige Illusion! Der Schaden, den er verursacht,<br />

erscheint den Helden durchaus real, so<br />

lange sie sich in diesem Raum aufhalten. Zu<br />

Abenteuer


Das Orakel von H‘Rabaal<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Tode kommen können sie in diesem Kampf<br />

jedoch nicht (sie werden dann nur bewusstlos).<br />

Kein Hieb und kein Kampfzauber vermag<br />

dem Drachen etwas anzuhaben. Ja,<br />

er gewinnt sogar noch an Kraft mit jedem<br />

Schadenspunkt, den er eigentlich einstecken<br />

müsste. Umgekehrt verliert er jedoch mit jedem<br />

Hieb, den er austeilt, an Kraft und Heilzauber<br />

können ihn empfindlich schwächen.<br />

Die Helden können dies nach einigen Hieben<br />

und Paraden erkennen (Klugheitsprobe).<br />

Dass sie es mit einer Illusion zu tun haben, ist<br />

weit schwerer zu durchschauen. Sobald einer<br />

der Spieler diesen Verdacht äußert, kann<br />

ein Magier durchaus versuchen, die Illusion<br />

zu zerstören. Die Stufe des Illusionisten ist<br />

dabei 20.<br />

Sobald die Illusion durchbrochen oder der<br />

Drache bezwungen ist, verblassen die Wunden<br />

und der LE-Verlust der Helden kann wie<br />

bei einem waffenlosen Kampf als reiner Ausdauer-Verlust<br />

betrachtet werden.<br />

Das Tal des Chor’chna’ben<br />

Nachdem die Helden die letzte Prüfung<br />

bestanden haben, können sie das hinter<br />

dem Wasserfall verborgene letzte Gangstück<br />

durchqueren. An seinem Ende befindet sich<br />

ein weiteres Steinportal, dass sich jedoch<br />

durch eine Gesamt-KK von 21 nach außen<br />

drücken lässt. Dahinter befindet sich der Vulkankrater,<br />

das Tal des Chor’chna’ben.<br />

Abenteuer<br />

Das Tal des Chor’chna’ben<br />

Bereits beim Öffnen des letzten Tores ändert<br />

sich die Stimmung radikal. Die konzentrierte<br />

Stille und Reinheit der Kammern der<br />

Prüfung weicht etwas anderem, zutiefst bedrohlichem<br />

und unnatürlichem. Versuchen<br />

sie als Meister, dies ruhig soweit möglich<br />

durch grelles Licht und passende Musik zu<br />

unterstreichen.<br />

Entgegen der Erwartungen (zumindest<br />

des Achaz) strahlt das Tal keineswegs die<br />

Ruhe und Friedlichkeit eines heiligen Ortes<br />

aus. Statt dessen wirkt das Tal böse, hässlich<br />

und abweisend. Der erste Blick in das Tal bestätigt<br />

dieses Gefühl. Es ist deutlich zu erkennen,<br />

dass hier vor nicht allzu langer Zeit eine<br />

blühende Flora existiert hat. Doch nun sind<br />

alle Bäume und Sträucher von widerlichen<br />

weißgrauen Schleiern eingehüllt und eitergelbe<br />

Tautropfen hängen daran. Das ganze<br />

Tal ist von dämonischer Präsenz erfüllt und<br />

wirkt dementsprechend unheilig.<br />

Das Tal durchmisst mehrere hundert<br />

Schritt. Zwischen den Überresten der Pflanzen<br />

ragen einige kurios geformte Basaltsäulen<br />

bis zu 15 Schritt hoch auf. Im Zentrum<br />

des Kraters befindet sich ein großer Riss von<br />

mehreren Schritt Breite und 30 Schritt Länge.<br />

Die Karten zu diesem Abenteuer zeigen<br />

das Tal im Querschnitt und von oben.<br />

Dringen die Helden bis etwa zur Mitte des<br />

Tales vor, so werden sie von den Kreaturen<br />

angegriffen, die Vespertilio im Tal zurückgelassen<br />

hat. Es handelt sich eindeutig um<br />

dämonische Wesen aus der Domäne der Asfaloth.<br />

Sie zu vernichten widerspricht demzufolge<br />

natürlich nicht der Weisung, kein Leben<br />

zu nehmen (und das sollten die Helden auch<br />

sehr deutlich spüren)!<br />

Die Spinnenchimären<br />

Die etwa einen Schritt großen, spinnenartig-dämonischen<br />

Untiere sind weder sehr robust<br />

noch besonders kampffähig. Allerdings<br />

sind sie – wie alle dämonischen Wesen – nur<br />

durch Magie zu verletzen. Helden, die keine<br />

magischen Waffen haben, sind aber keineswegs<br />

nutzlos, da allein durch ihr beherztes<br />

Zuschlagen verhindert werden kann, dass<br />

sich alle Spinnen zugleich auf einen einzelnen<br />

Gegner stürzen. Ein kräftiger Schlag einer<br />

normalen Waffen fügt den Wesen zwar<br />

keinen Schaden zu, vermag sie aber durchaus<br />

zurückzudrängen (KK-Probe+5 wirft eine<br />

Kreatur so weit zurück dass sie ein Mal nicht<br />

angreifen kann). Dass sich der mutige Held<br />

durch seinen Einsatz in große Gefahr gegen<br />

einen (für ihn) unverwundbaren Gegner begibt,<br />

ist eine ganz andere Frage…<br />

Die Werte: AT: 7 PA: 4 RS: 1 LE: 20<br />

TP: 1W+1 (ätzende nässende Wunden!)<br />

Kalkulieren sie pro Held etwa vier dieser<br />

Kreaturen. Gleichzeitig angreifen können allerdings<br />

nur jeweils drei der Spinnen (und nur<br />

zwei, wenn die Helden einen Halbkreis vor einer<br />

Felswand bilden).<br />

Wird eine Spinne getötet, so zerplatzt sie<br />

in einer Wolke aus schleimigem Glibber und<br />

verursacht bei allen Umstehenden nochmals<br />

1W+1 TP. Wenn die Helden das ein paar Mal<br />

erlebt haben und einschätzen können wie<br />

viel die Monster aushalten, können sie im<br />

rechten Moment durch eine Ausweichen-<br />

Probe dem Glibber entkommen. Um fliegende<br />

Helden am Kraterrand abzufangen oder<br />

aber um auch sehr starke Heldengruppen<br />

ein wenig ins Schwitzen zu bringen, können<br />

sie die Spinnenwesen mit übermenschlichen<br />

Sprungfähigkeiten versehen oder ihnen die<br />

Fähigkeit geben, Spinnenfäden zu verschießen.<br />

Wenn die Helden vor den Kreaturen fliehen,<br />

sich verstecken oder sie bezwungen haben<br />

und sich nachher umsehen, können sie<br />

folgende Entdeckungen machen:<br />

Der tote Drache<br />

Unter den Spinnweben befinden sich nicht<br />

nur Pflanzen, sondern auch die Überreste eines<br />

großen Echsenwesens. Teilweise bis auf<br />

die Knochen abgefressen, teilweise noch mit<br />

fauligen Fleischfetzen behangen liegt zwischen<br />

den Säulen der Körper eines Drachenwesens.<br />

Die Helden können jedoch nur vermuten,<br />

dass es sich dabei um die sterblichen<br />

Überreste des Chor’chna’ben handelt.<br />

Das Drachennest<br />

Sehen die Helden sich die Basaltsäulen<br />

genauer an, so werden sie bemerken, dass<br />

sich auf einer besonders großen und breiten<br />

Säule eine Art Nest befindet. Die Ausmaße<br />

dieses Nestes sind so groß, dass wohl nur ein<br />

Drache dort seine Eier abgelegt haben könnte.<br />

Die Säule selbst wird umhüllt vom heißen<br />

Rauch, der aus dem Riss im Kraterboden aufsteigt.<br />

Auf dieser zehn Schritt hohen Säule<br />

befindet sich das Gelege des Chor’chna’ben.<br />

Das Gelege des Chor’chna’ben<br />

Gelingt es einem der Helden, die Säule zu<br />

erklettern, so gelangt er zum Gelege des<br />

Chor’chna’ben. Im Nest liegen die Überreste<br />

mehrerer Dracheneier. Große, dunkelgraue,<br />

ledrige Fetzen, bedeckt mit einer dicken Rußschicht.<br />

Einiges Wühlen in diesen Überresten<br />

fördert ein einziges kleines, intakt scheinendes<br />

Ei zutage. Sobald aber die warme Hand<br />

eines Menschen das Ei berührt, erglimmt es<br />

leicht in rötlichem Schimmer. Der Held spürt<br />

ein zartes Kribbeln, das ausgehend von seiner<br />

Hand seinen ganzen Körper durchläuft.<br />

Schließlich spricht eine leise, flüsternde Stimme<br />

zu ihm:<br />

Geschändet ist das heilige Tal.<br />

Erschlagen der heilige Diener der H’Szint.<br />

Der Seelenstein des Chor’chna’ben<br />

ist nun in deiner Hand.<br />

Bring Heiliges zu Heiligem, um die Hoffnungen<br />

des Bösen zunichte zu machen.<br />

H’Szints Segen über dich, wenn du den<br />

Willen der Göttin erfüllst.<br />

H’Szints Fluch über dich, wenn meinem<br />

Mörder Vespertilio zufällt, was er nie erlangen<br />

darf!<br />

Nach diesen Worten lässt das Glimmen<br />

nach und das ledrige Ei fühlt sich kühl und<br />

ruhig an. Sollten die Helden auf die Idee kommen,<br />

das Ei zu öffnen, so findet sich darin<br />

tatsächlich der Karfunkel des Chor’chna’ben.<br />

Und es wird sie tatsächlich ein schrecklicher<br />

Fluch treffen, wenn sie den letzten Wunsch<br />

dieses Wesens nicht erfüllen…<br />

Zurück nach H’Rabaal<br />

Sobald die Helden das Ei des Chor’chna’ben<br />

in den Händen halten, können sie sich eigentlich<br />

auf den Rückweg nach H’Rabaal machen.<br />

Vermutlich sind sie aber sehr angeschlagen<br />

Seite 59


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Orakel von H‘Rabaal<br />

und eventuell rechnen sie ja auch noch mit<br />

einem Konflikt mit den Echsenmenschen auf<br />

der Insel. Als Schlafplatz eignet sich besonders<br />

die Kammer des Wasserdrachens. Die<br />

Illusion erscheint kein weiteres Mal und in<br />

der friedlichen Kammer ist die Regeneration<br />

sogar um einen Punkt verbessert. Das Wasser<br />

ist zudem sehr klar, erfrischend und mineralstoffreich.<br />

Von den Echsenmenschen im Tal haben<br />

die Helden eigentlich nichts zu befürchten.<br />

Doch diese werden auf jeden Fall noch einmal<br />

auftauchen. Der Schamane wird sie dann<br />

eingehend nach dem befragen, was sie auf<br />

dem heiligen Berg erfahren haben. Können<br />

die Helden ihn davon überzeugen, dass sie<br />

den Karfunkel wirklich nach H’Rabaal bringen<br />

und nicht für sich behalten wollen, so<br />

beschenkt er den Helden, dem er zuvor das<br />

Haar genommen hat, nun mit einem magischen<br />

Edelstein.<br />

Durch ein Schamanenritual wurde der<br />

Stein mit einem Schutzzauber versehen und<br />

das Haar in den Stein eingeschlossen. Seinem<br />

Besitzer vermag es nun, solange er es<br />

trägt, eine um 1 erhöhte Magieresistenz zu<br />

verschaffen (unzerstörbar ist das Artefakt<br />

allerdings nicht).<br />

Die Echsen geleiten die Helden zurück zu<br />

ihrem Schiff und drücken beim Abschied<br />

nochmals ihre Achtung und Anerkennung<br />

vor den tapferen Helden aus. Falls nötig, haben<br />

sie auch ein paar Heilkräuter anzubieten.<br />

Zu den Ereignissen auf dem Berg kann der<br />

Schamane nur erklären, dass er vor wenigen<br />

Wochen eine böse Macht gespürt hat und<br />

eine große Unruhe in der Geisterwelt.<br />

Allerdings war der Schamane überzeugt,<br />

dass keine böse Macht dem als Halbgott verehrten<br />

heiligen Wesen auf Dauer etwas anhaben<br />

kann, so dass er nicht bereit war, das<br />

Tabu des Berges zu brechen.<br />

Die Reise zurück nach H’Rabaal kann eigentlich<br />

ohne Komplikationen verlaufen,<br />

beziehungsweise ähnlich wie der Weg zur<br />

Insel.<br />

Kapitel 3<br />

Das Orakel<br />

von H’Rabaal<br />

Kehren die Helden nach H’Rabaal zurück,<br />

so werden sie von Chrazz’chk bereits erwartet.<br />

Dieser lässt sich den Verlauf der Expedition<br />

zunächst ausführlich schildern und von<br />

dem Achaz bestätigen. Danach erklärt er den<br />

Helden, dass er sie nun zum Orakel führen<br />

wird, wo sie sich der letzten Prüfung unterziehen<br />

und vor den Augen des Orakels bestehen<br />

müssen.<br />

Der Weg zum Orakel<br />

Das Orakel liegt im schwer zugänglichen<br />

Hochland von H’Rabaal. Der Achaz, der die<br />

Helden schon auf ihrer Queste begleitet<br />

hat, wird sie weiter durch den unwegsamen<br />

Dschungel in die Berge führen. Auf der etwa<br />

drei Tage dauernden Reise müssen die Helden<br />

mit allerlei Unbilden des Regenwaldes<br />

rechnen. Allgemein soll das Gefühl vermittelt<br />

werden, dass das Orakel tatsächlich schwer<br />

zugänglich und ohne kundigen Führer kaum<br />

zu finden ist.<br />

• Pro Stunde Fußmarsch sinken Attacke,<br />

Parade, Gewandtheit und Körperkraft<br />

um je einen Punkt. Legen die Helden<br />

eine Rast ein, so regenerieren sich die<br />

Werte in zwei Spielrunden jeweils um<br />

einen Punkt<br />

• Die Regeneration ist durch die ungewohnte<br />

und ungemütliche Umgebung<br />

vermindert auf 1W6-1 pro Nacht<br />

• Die schwüle Hitze des Regenwaldes erschwert<br />

die Konzentration, weshalb alle<br />

Zauberproben um 2 Punkte erschwert<br />

sind. Talentproben sind um 1 erschwert<br />

• Die Helden schwitzen wie die Troperzen<br />

und müssen deshalb mindestens<br />

vier Liter pro Tag trinken. Wasser zu<br />

finden ist zwar kein Problem, versäumt<br />

man es aber, das Wasser abzukochen,<br />

ist die Gefahr groß, an „Manaks Vergeltung“<br />

zu erkranken (Dauer: 2W6 Tage, 1<br />

SP pro Tag, keine Regeneration).<br />

• Mögliche Begegnungen im Dschungel:<br />

– Riesenaffen<br />

– Palmviper<br />

– Würgeschlange<br />

– Säbelzahntiger<br />

– Moskitos<br />

– Gelbschwanzskorpione<br />

– Vogelspinnen<br />

Das Orakel<br />

In einem kleinen, ungewöhnlich friedlichen<br />

Bergtal liegt das Ziel der Helden. Einige einfache<br />

Hütten lassen erkennen, dass hier Achaz<br />

wohnen. Außer einem reich geschmückten<br />

und von mehreren Echsenkriegern (Achaz<br />

und Marus) bewachten Höhleneingang ist<br />

sonst nichts bedeutsames zu sehen. Aus einer<br />

der Hütten steigt in dicken Schwaden<br />

dunkler, würzig riechender Rauch auf.<br />

Die Wache im Gebüsch<br />

Die Helden werden von einem zunächst im<br />

Gebüsch verborgenen Achaz angesprochen,<br />

sobald sie einige Schritte in das Tal vorgedrungen<br />

sind. Erklären sie den Grund ihres<br />

Kommens, so gebietet die Wache ihnen, all<br />

ihre Waffen abzulegen bevor sie weiter in<br />

das heilige Tal gehen. Sobald sie gehorchen,<br />

geleitet er sie zu der Hütte, aus der der würzige<br />

Rauch aufsteigt.<br />

Die Echsenpriester<br />

In besagter Hütte sind drei der Priester<br />

des Orakels versammelt und führen<br />

gerade ein Rauschkraut-Ritual durch.<br />

Eine weitere Wache vor dem Zelt teilt<br />

dies den Helden mit und bittet sie,<br />

zu warten. Nach einiger Zeit tritt einer<br />

der Priester aus dem Zelt und begrüßt<br />

die Helden. Sie bekommen einen<br />

Schlafplatz zugewiesen, können sich<br />

waschen und ein Mahl mit den Priestern<br />

einnehmen.<br />

Man teilt ihnen mit, dass jeder Held<br />

nur ein Mal und zwar jeder einzeln vor<br />

das Orakel treten darf. Der erste, der<br />

vor das Orakel tritt, soll das Ei des<br />

Chor’chna’ben mit sich führen.<br />

Seite 60<br />

Abenteuer


Das Orakel von H‘Rabaal<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Wenn das Orakel zustimmt, sind die Echsenpriester<br />

bereit, ihr Wissen mit den Helden<br />

zu teilen und sie, soweit sie es vermögen<br />

(und es ihnen gestattet wurde), zu unterrichten.<br />

Das Orakel<br />

Die Höhle ist dunkel und groß. Wer immer<br />

sich dem Orakel stellt, darf keine andere<br />

Lichtquelle als einen kleinen Gwen Petryl<br />

mit sich führen, dessen Lichtschein gerade<br />

ausreicht um den Weg einen Schritt weit zu<br />

beleuchten. In der unüberschaubaren Höhle<br />

voller Tropfsteine windet sich ein langer<br />

schmaler Gang, teils natürlich, teils künstlich<br />

angelegt, in die Tiefe. Immer lauter wird die<br />

Symphonie aus dem Tropfen des Wassers,<br />

dem Hallen der eigenen Schritte und einem<br />

dumpfen Brummen aus der Tiefe.<br />

Nach einer Weile klingt alles seltsam harmonisch.<br />

Der Pfad endet nicht, doch geht<br />

er nicht mehr weiter in die Tiefe. Nach einer<br />

weiteren Weile fühlt es sich an, als laufe man<br />

im Kreis, auch wenn nirgendwo eine Abzweigung<br />

nach oben zu sehen ist. Eine letzte kleine<br />

Weile vergeht bis die harmonischen Klänge<br />

plötzlich leiser werden und eine sanfte<br />

Stimme in der Muttersprache des Helden zu<br />

sprechen anhebt:<br />

Weiter und immer weiter. Geh den Kreis des<br />

Lebens.<br />

Eine suchende Seele bist du. Eine suchende<br />

Seele in meiner Halle…<br />

Eine suchende Seele mit einer Gabe…<br />

Den Weg der Götter bist du gegangen…<br />

[oder: Den Weg der Götter bist du gegangen,<br />

so gut du es vermochtest]<br />

Vertraue! Vertraue in die Weisen Lenker der<br />

Welt…<br />

Verschenke nun deine Gabe. Schenke sie der<br />

Tiefe, wirf sie mir zu…<br />

Und höre was durch mich dir zu wissen<br />

bestimmt ist…<br />

[oder: Sage mir nun, welches Wissen du dir<br />

von mir erhoffst…]<br />

Nun sollte jeder Held ein persönliches Orakel<br />

erhalten. Versuchen Sie bereits bei der<br />

Vorbereitung des Abenteuers herauszufinden,<br />

welche Geheimnisse die Helden gerne<br />

erfahren würden oder was es sie zu wissen<br />

drängt (vielleicht die Zusammenhänge eines<br />

nie ganz geklärten Abenteuers)?<br />

Wenn Sie für den betroffenen Helden bereits<br />

ein Folgeabenteuer wissen, versuchen<br />

Sie, eine geeignete Verbindung oder Vorahnung<br />

dazu herzustellen.<br />

Nachdem das persönliche Orakel gesprochen<br />

ist, fährt die Stimme wie folgt fort:<br />

Abenteuer<br />

Du hast dich der Prüfung meiner Priester<br />

gestellt und du hast dich meiner Prüfung<br />

gestellt.<br />

Du sollst unterwiesen werden im alten Wissen,<br />

soweit du es zu fassen vermagst.<br />

Hüte dich aber, die Grenzen zu überschreiten<br />

zu jenem Wissen, das den Sterblichen<br />

verboten ist. Hüte dich vor den Versuchungen,<br />

die den Wissenden umso stärker<br />

treffen.<br />

Hüte Dich… und geh mit dem Segen der<br />

vielgestaltigen H’Szint…<br />

Die letzten Silben verklingen als Echo widerhallend,<br />

während die Harmonie der natürlichen<br />

Klänge wieder lauter wird. Unvermittelt<br />

beginnt der Pfad anzusteigen und den<br />

Besucher zurück ans Tageslicht zu führen.<br />

Das Gelöbnis<br />

Nachdem alle, die wollen, sich der Prüfung<br />

gestellt haben, ziehen sich die Echsenpriester<br />

ein weiteres Mal für eine Weile zurück.<br />

Danach erklären sie, dass das Orakel entschieden<br />

hat und die Helden für Wert erachtet<br />

wurden, unterwiesen zu werden.<br />

Nun müssen sie noch den Priestern des<br />

Orakels geloben, dass sie das Wissen, welches<br />

sie hier erlernen, niemals wider den<br />

Gesetzen der H’Szint und niemals wider den<br />

Echsen von H’Rabaal einsetzen. Außerdem<br />

müssen sie versprechen, niemals den Weg<br />

zum Orakel an jene preiszugeben, die nicht<br />

fest sind im Glauben an die Göttin.<br />

Der Lohn der Mühen<br />

Alle Helden, die sich erfolgreich dem Orakel<br />

gestellt haben, können nun für eine Weile<br />

im Tal bei den Echsenpriestern bleiben. Hier<br />

haben sie die Möglichkeit die Sprache der<br />

Echsen zu lernen und – sofern sie magiebegabt<br />

sind – einige Echsenzauber zu erlernen.<br />

Eventuell können sie auch in die Geheimnisse<br />

der Kristallomantie eingeweiht werden (siehe<br />

Mysteria Arkana).<br />

Davon abgesehen, haben sich natürlich alle<br />

Helden einige Abenteuerpunkte verdient. Ich<br />

würde für ein absolut korrektes Bestehen der<br />

Prüfung 300 Abenteuerpunkte vorschlagen.<br />

Weitere 150 Abenteuerpunkte dürfen sich<br />

jene Helden teilen, die die Spinnendämonen<br />

vernichtet haben.<br />

Für schönes Rollenspiel, besonders im Umgang<br />

mit den Achaz, können pro Held weitere<br />

10 bis 30 Abenteuerpunkte verteilt werden.<br />

Insbesondere können solche Helden<br />

belohnt werden, die mit interessanten Ideen<br />

die Handlung vorangebracht und bereichert<br />

haben, oder die durch erinnerungswürdige<br />

Szenen zum Spielspaß beigetragen haben.<br />

Anhang<br />

Die Magie der<br />

Echsenmenschen<br />

Die Magie der Echsen ist fremdartig und geheimnisvoll,<br />

doch mag es unter besonderen<br />

Umständen auch einem Menschen gelingen,<br />

sie Ansatzweise zu verstehen. Analog zum<br />

gildenmagischen Verständnis der Elfenmagie<br />

oder der Zauberkräfte der Töchter Satuarias<br />

wird ein Magier auch hier vor allem die Ähnlichkeiten<br />

zu bekannten gildenmagischen<br />

Zaubern besonders hervorheben, um einen<br />

Ansatzpunkt für seine Studien zu haben. Der<br />

Magier lernt folglich nicht „auf echsische Art<br />

zu zaubern“ sondern er lernt „die echsischen<br />

Zauber in die gildenmagische Wirkungsweise<br />

umzuwandeln“. Auch die hier angegebenen<br />

Namen der Zauber sind natürlich nicht die<br />

echsischen Namen, sondern Vorschläge dafür,<br />

wie ein Gildenmagier die Sprüche nennen<br />

könnte.<br />

Im Folgenden werden einige neu entwickelte<br />

oder modifizierte Zauber vorgeschlagen,<br />

wie sie bei den Priestern in H’Rabaal<br />

oder aus alten Schriften der Echsen gelernt<br />

werden könnten. Bei allen Sprüchen ist zu<br />

beachten, dass die angegebenen Startwerte<br />

dann zum Tragen kommen, wenn der Magier<br />

diese Sprüche weitergeben will. Beim Lernen<br />

direkt von den Echsenpriestern können Sie<br />

einige freie Steigerungswürfe zugestehen,<br />

damit der Spielerheld sein neues Wissen<br />

auch nutzen kann.<br />

Desintegratum Gardianum<br />

Eine Kristallzauberei der Echsen<br />

Technik: Um die magische Matrix quasipermanent<br />

an einem Ort zu fixieren, ist ein kleiner<br />

Diamantsplitter notwendig, der im Zentrum<br />

des gewünschten Wirkungsbereiches<br />

positioniert werden muss (Wert: ca. 5 Dukaten).<br />

Sodann verlässt der Magier den zukünftigen<br />

Wirkungsbereich, hält seine Hände wie<br />

eine Kugel umfassend vor den Körper und<br />

spricht die Formel.<br />

Zauberdauer: 20 Sekunden<br />

Probe: KL/FF/KK<br />

Wirkungsweise: Sobald der Zauber gesprochen<br />

ist, bleibt er an den Diamantsplitter<br />

gebunden bis irgendeine tote Materie in<br />

seinen Wirkungsbereich gelangt. Erst in diesem<br />

Moment wird er aktiv und wirkt dann<br />

für die gesamte Wirkungsdauer auf alle<br />

tote Materie die in seinen Wirkungsbereich<br />

eindringt wie der bekannte DESINTEGRATUS<br />

PULVERSTAUB.<br />

Kosten: 25 ASP<br />

Reichweite: maximal Stufe des Magiers in<br />

Schritt<br />

Seite 61


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Orakel von H‘Rabaal<br />

Wirkungsdauer: Ab dem Moment des Auslösens<br />

für Stufe des Magiers in Minuten<br />

Startwerte: Wie der Startwert des normalen<br />

DESINTEGRATUS; Bonus +3 wenn der DESIN-<br />

TEGRATUS ein aktiver Spruch ist<br />

Antigravita Sumu‘ Hand<br />

Eine Bewegungszauberei der Echsen<br />

Technik: Der Zaubernde berührt den Gegenstand<br />

seiner Wahl und spricht die Formel.<br />

Zauberdauer: 2 Minuten<br />

Probe: IN/FF/KK<br />

Wirkungsweise: Der Zauber hebt die<br />

Schwerkraft, Sumus Griff, auf beziehungsweise<br />

erzeugt eine entgegengesetzt wirkende<br />

Kraft wählbarer Stärke (1x, 2x, 3x…),<br />

welche der Magier durch geistigen Befehl<br />

beliebig zwischen Null und dem vorher<br />

festgelegten Maximalwert steuern kann.<br />

Solange exakt Wirkungsfaktor 1 aufrecht<br />

erhalten wird, befindet sich der Gegenstand<br />

in der Schwebe. Ist dieser unter 1, sinkt der<br />

Gegenstand, übersteigt er 1, so steigt er<br />

nach oben.<br />

Kosten: Maximaler Multiplikator mal 5 + 1<br />

pro Stein + 1 pro Minute<br />

Reichweite: B; Sichtweite<br />

Seite 62<br />

Wirkungsdauer: Je nach ASP Aufwand,<br />

jedoch höchstens Stufe des Zaubernden in<br />

Minuten<br />

Startwerte: Magier: -10; Scharlatan: -20;<br />

Hexe: -12; Druide: -12; Diener Sumus: -12; Herr<br />

der Erde: -12; Schelm: -12; Auelf: -15; Waldelf:<br />

-15; Firnelf: -18; Halbelf: -20<br />

Meisterhinweis: Um den Gegenstand ruhig<br />

in der Schwebe zu halten, muss dem Magier<br />

eine Intuitionsprobe+3 gelingen. Der Zauber<br />

wird um 8 Punkte erschwert, wenn er nicht<br />

nur bei Berührung sondern auf Sichtweite<br />

wirken soll. Die Wirkung ist sofort beendet,<br />

wenn der Zaubernde den Gegenstand aus<br />

den Augen verliert.<br />

Fulmen Delenda<br />

Ein Kampfzauber der Echsen<br />

Technik: Um die volle Wirkung zu entfalten,<br />

muss der Magier an der „Zauberhand“ einen<br />

speziell gravierten Rubinring (Materialwert<br />

ca. 10 Dukaten) tragen. Der Magier ballt die<br />

Hände zur Faust und kreuzt die Arme vor der<br />

Brust. Dann zeigt er ruckartig mit gespreizten<br />

Fingern auf sein Ziel.<br />

Zauberdauer: nach Stärke des Zaubers (Anzahl<br />

der Schadenswürfel in Sekunden)<br />

Probe: MU/FF/KK<br />

Wirkungsweise: Dieser Zauber ermöglicht<br />

es dem Magier, während der Zauberdauer<br />

nach freiem Willen Blitze aus seinen<br />

Fingerspitzen schießen zu lassen, welche<br />

ein beliebiges Ziel innerhalb seiner Reichweite<br />

treffen. Die Blitze richten pro Sekunde<br />

1W6 Schaden an. Die maximale Anzahl W6<br />

muss vor dem Zaubern festgelegt werden.<br />

Das Limit hierfür liegt bei 3W6 + Stufe. Der<br />

Schaden kann auf verschiedene Ziele verteilt<br />

werden, jedoch sind pro Ziel 3 extra ASP<br />

nötig, die nur zum Zielen dienen und keinen<br />

Schaden bewirken. Die Farbe der Blitze lässt<br />

sich beim Erlernen des Spruches festlegen.<br />

Sollte die direkte Richtung zum Ziel<br />

versperrt sein (der Blitz mach auch kleine<br />

Kurven, um zum Beispiel ein Ziel noch zu erreichen,<br />

das hinter einem Baum in Deckung<br />

geht), schlägt er in das Nächstbeste ein.<br />

Kosten: 3 ASP pro Ziel, 3 ASP pro 1W6 SP<br />

Reichweite: max. Stufe mal 2 Schritt, jedoch<br />

min. 5 Schritt<br />

Wirkungsdauer: Anzahl der Schadenswürfel<br />

in Sekunden<br />

Startwerte: Magier: -10; Scharlatan: -18;<br />

Hexe: -20; Druide: -12; Diener Sumus: -15;<br />

Herr der Erde: -12; Schelm: -20; Auelf: -15;<br />

Waldelf: -18; Firnelf: -18; Halbelf: -18<br />

Abenteuer


Das Orakel von H‘Rabaal<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Meisterhinweis: Fällt bei einer der Zauberproben<br />

eine 20, so kann es sein, dass sich<br />

ein Nebenstrang vom Hauptblitz abspaltet<br />

und bis zu 25% der Schadenspunkte auf ein<br />

anderes Ziel umleitet…<br />

Eidechsenbeine<br />

Eine Bewegungszauberei der Echsen<br />

Technik: Der Zaubernde benetzt Fußsohlen<br />

und Handflächen mit seinem Speichel<br />

und spricht dabei die echsische Formel.<br />

Zauberdauer: 12 Sekunden<br />

Probe: IN/GE/KK<br />

Wirkungsweise: Dieser Verwandlungszauber<br />

ermöglicht es, einer Eidechse gleich<br />

Wände hinauf- oder hinunterzuklettern.<br />

Während der Wirkungsdauer des Spruches<br />

kann der Zaubernde mit bloßen Händen und<br />

Füßen alle Flächen entlang laufen, an der<br />

auch einer Eidechse laufen könnte. Er ist<br />

dabei in der Lage, maximal die Hälfte seines<br />

Eigengewichtes an Kleidung und Gepäck<br />

zu tragen. Der Zauber kann auch auf einen<br />

Gefährten angewendet werden, dann muss<br />

jedoch die halbe MR überwunden werden.<br />

Kosten: 9 ASP pro Spielrunde<br />

Reichweite: Z,B<br />

Wirkungsdauer: Je nach ASP-Aufwand<br />

Startwerte: Magier: -6; Scharlatan: -10;<br />

Hexe: -6; Druide: -6; Diener Sumus: -7; Herr<br />

der Erde: -8; Schelm: -7; Auelf: -7; Waldelf: -7;<br />

Firnelf: -7; Halbelf: -7<br />

Meisterhinweis: Der Zauber ermöglicht<br />

zwar das Erklettern jeder normalen Wand,<br />

doch er senkt nicht die Höhenangst des<br />

Zauberers. Bei besonders spektakulären<br />

Klettereien sollte diese durchaus geprüft<br />

werden.<br />

Vorgetäuschter Tod<br />

Eine Illusion der Echsen<br />

Technik: Der Zauberer wirft den Staub eines<br />

Achats (Wert: ca. 10 Silbertaler) dort in<br />

die Luft, wo sein Abbild entstehen soll. Dabei<br />

spricht er die Formel.<br />

Zauberdauer: 8 Sekunden<br />

Probe: KL/CH/GE (+MR)<br />

Wirkungsweise: Dieser Zauber erschafft ein<br />

Doppelbild des Zaubernden, das dann auf<br />

täuschend echte Weise stirbt (Meisterentscheid).<br />

Diese Illusion wirkt nur optisch. Die<br />

Probe wird um die höchste MR der Zuschauer<br />

erhöht.<br />

Kosten: 15 ASP<br />

Reichweite: Das Trugbild entsteht in maximal<br />

7 Meter Entfernung vom Zauberer. Beim<br />

VORGETÄUSCHTEN TOD darf er sich aber<br />

bis zu maximal Stufe mal 10 Schritt entfernt<br />

haben.<br />

Wirkungsdauer: Der „Tod“ tritt nach spätestens<br />

einer Spielrunde ein. Die „Leiche“<br />

Abenteuer<br />

bleibt noch so viele Stunden an Ort und<br />

Stelle liegen, wie ZF-Punkte beim Zaubern<br />

übrigbehalten wurden.<br />

Startwerte: Magier: -6; Scharlatan: -8; Hexe:<br />

-7; Druide: -7; Diener Sumus: -12; Herr der<br />

Erde: -12; Schelm: -5; Auelf: -9; Waldelf: -9;<br />

Firnelf: -9; Halbelf: -9<br />

Kraft der Sonne<br />

Ein ritueller Heilzauber der Echsen<br />

Technik: Der Zaubernde hält seinen Sonnenkristall<br />

an die Stirn, während er der Sonne<br />

zugewandt ruht. Mit geschlossenen Augen<br />

wiederholt er langsam die Zauberworte.<br />

Zauberdauer: Die Wirkung setzt nach drei<br />

Minuten ein<br />

Probe: IN/CH/CH<br />

Wirkungsweise: Für jede Spielrunde, die der<br />

Zaubernde oder eine von ihm beim Zaubern<br />

berührte Person (der Zauber wirkt nur auf<br />

Einzelpersonen) ruhend bei Sonnenschein<br />

unter freiem Himmel verbringt, erhält er<br />

W6+2 Lebenspunkte zurück. Was „Sonnenschein<br />

unter freiem Himmel“ bedeutet, legt<br />

der Meister fest; man sollte aber bedenken,<br />

dass der Zauber aus dem Süden Aventuriens<br />

stammt. Der Zauber kann jederzeit abgebrochen<br />

oder maximal Stufe des Zaubernden in<br />

Spielrunden aufrechterhalten werden.<br />

Kosten: 3 ASP pro Spielrunde<br />

Reichweite: Z, B<br />

Wirkungsdauer: nach ASP-Einsatz<br />

Startwerte: Magier: -8; Scharlatan: -12; Hexe:<br />

-8; Druide: -8; Diener Sumus: -4; Herr der<br />

Erde: -4; Schelm: -14; Auelf: -6; Waldelf: -6;<br />

Firnelf: -6; Halbelf: -6<br />

Meisterhinweis: Bevor der Zauber zum<br />

ersten Mal eingesetzt werden kann, muss<br />

sich der Zauberer in einem Ritual einen persönlichen<br />

Kristall schaffen, durch den später<br />

das Sonnenlicht zu Lebenskraft verwandelt<br />

wird. Dies kostet ihn einen permanenten<br />

ASP. Der Kristall ist recht robust, aber nicht<br />

unzerbrechlich.<br />

Schlangenkörper<br />

Eine Verwandlung der Echsen<br />

Technik: Während der Zaubernde sich<br />

schlangengleich windet, singt er die Zauberworte<br />

leise vor sich hin.<br />

Zauberdauer: 30 Sekunden<br />

Probe: MU/GE/GE<br />

Wirkungsweise: Der Zauber macht die<br />

Knochen so weich und biegsam, dass der<br />

Zaubernde sich einer Schlange gleich durch<br />

engste Öffnungen winden kann.<br />

Kosten: 10 ASP pro Spielrunde<br />

Reichweite: Z<br />

Wirkungsdauer: Je nach vorher festgelegtem<br />

ASP-Einsatz<br />

Startwerte: Magier: -10; Scharlatan: -12;<br />

Hexe: -6; Druide: -12; Diener Sumus: -15; Herr<br />

der Erde: -12; Schelm: -6; Auelf: -8; Waldelf:<br />

-8; Firnelf: -8; Halbelf: -8<br />

Meisterhinweis: Die Zaubergesten erfordern<br />

eine gewissen Gelenkigkeit. Gegebenenfalls<br />

ist hier eine Akrobatik- oder Körperbeherrschungsprobe<br />

durchaus angemessen,<br />

deren Misserfolg die Zauberprobe deutlich<br />

erschwert.<br />

Schlangenbiß<br />

Ein Angriffszauber der Skrechim<br />

Dieser Zauber dient den Skrechim dazu,<br />

einen Gegner mit einem magisch vergifteten<br />

Biss kampfunfähig zu machen. Die Wirkung<br />

eines Schlangengiftes wird dabei so modifiziert<br />

und konzentriert, dass die Wirkung<br />

schmerzhaft und betäubend genug ist um<br />

die meisten Gegner zumindest für einige Zeit<br />

auszuschalten. Da menschliche Magier über<br />

keinerlei Giftzähne verfügen, ist dieser Zauber<br />

für sie ohne Nutzen. Allerdings erlaubt es<br />

die Kenntnis der Thesis, einen solchen Zauber<br />

frühzeitig zu erkennen und dem Beißangriff<br />

geeignete Maßnahmen entgegenzusetzen<br />

(Intuitionsprobe).<br />

Runen der Skrechim<br />

Ein Schutzzeichen der Echsen<br />

Technik: Um ein Buch oder eine Schrift mit<br />

einer Rune zu schützen, zeichnet der Zaubernde<br />

diese mit Krötenblut im Mondlicht<br />

auf das Schriftstück und spricht dabei die<br />

Formel, wodurch die Rune mit dem Buchtext<br />

„verschmilzt“.<br />

Zauberdauer: 1 Minute<br />

Probe: KL/FF/FF<br />

Wirkungsweise: Die Rune wird durch den<br />

Zauber in einen Text eingewoben und erzeugt<br />

im Geist des Lesers eine Art Schockwelle,<br />

die ihm einen solchen Schlag versetzt,<br />

dass er für 1W20 KR bewusstlos wird, wenn<br />

ihm nicht eine um die doppelte Stufe des<br />

Zauberers erschwerte Selbstbeherrschungsprobe<br />

gelingt. Auf jeden Fall aber ist die<br />

Erfahrung sehr schmerzhaft und schreckt<br />

vor weiterem Lesen ab.<br />

Kosten: 3W6+10 ASP<br />

Reichweite: B<br />

Wirkungsdauer: Augenblicklich, sobald der<br />

Text gelesen wird.<br />

Startwerte: Magier: -5; Scharlatan: -9;<br />

Hexe: -8; Druide: -12; Diener Sumus: -15; Herr<br />

der Erde: -15; Schelm: -15; Auelf: -12; Waldelf:<br />

-14; Firnelf: -16; Halbelf: -13<br />

Meisterhinweis: Beim Erschaffen der<br />

Rune sollte darauf geachtet werden, gegen<br />

welche MR der Zauber theoretisch geglückt<br />

wäre. Hat ein Leser eine MR die über diesem<br />

Wert liegt, so vermag ihm die Rune nicht zu<br />

schaden. •<br />

Seite 63


ANDUIN <strong>95</strong><br />

FROSTIGE RACHE<br />

Frostige Rache<br />

EIN UNIVERSELLES KURZABENTEUER<br />

TEXT: FALK BONGERT<br />

ILLUSTRATION: JIM<br />

Vorwort<br />

„Frostige Rache“ ist ein Fantasy Abenteuer,<br />

geeignet für fast jedes System und jede<br />

Gruppengröße. Das Abenteuer ist bewusst<br />

ohne Bezug zu einer bestimmten Welt, und<br />

ohne Werte für Gegner oder bestimmte<br />

Proben geschrieben, da es so universell wie<br />

möglich gehalten sein soll. Der Handlungsort<br />

hingegen ist relativ speziell, und die zurückzulegenden<br />

Entfernungen sind nicht so klein,<br />

dass es sich für jede Welt eignen würde.<br />

Ort des Geschehens<br />

Spielt man in einer besonders detailliert<br />

beschriebenen Welt, sollte man die Namen<br />

der Orte ändern, und sich eine passende<br />

Stelle in der Spielwelt suchen. Bei freien oder<br />

eigenen Welten stellt sich das Problem natürlich<br />

nicht.<br />

Die Gegend, in der das Abenteuer spielt, ist<br />

die so genannte Salbtaler Ebene, ein fürchterlich<br />

kalter Ort umgeben von einem Gebirgsring,<br />

an dem die Temperaturen selten<br />

über den Gefrierpunkt steigen. Da zunächst<br />

die Reise in diese Gegend ansteht, darf sich<br />

die Gruppe auch andernorts aufhalten, aber<br />

allzu weit sollte die Entfernung nicht sein, da<br />

es sonst unglaubwürdig wird.<br />

Gruppenauswahl<br />

Zwar ist „Frostige Rache“ theoretisch mit<br />

jeder Gruppe spielbar, aber es eignet sich am<br />

besten für eine Gruppe mit relativ niedriger<br />

Machtstufe (da sonst das Abenteuer leicht<br />

gesprengt werden kann) und höchstens 6<br />

Spielern (da sonst die Möglichkeiten zur Aufteilung<br />

besonders beim Finale hinderlich sein<br />

könnten).<br />

Stimmung<br />

Bei „Frostige Rache“ handelt es sich um<br />

ein Horror und/oder Survival Abenteuer. Je<br />

nachdem, wie man den Fokus setzen möchte,<br />

kann man stärker auf den Überlebenskampf<br />

im Eis oder die beklemmende Enge im<br />

frostigen Gebirge eingehen, und so die Stimmung<br />

des Abenteuers bestimmen.<br />

Handlungsübersicht<br />

Im Folgenden führe ich kurz auf, was es in<br />

den nächsten Kapiteln zu erfahren gibt:<br />

Zusammenfassung der Ereignisse: Was<br />

hat zu der Situation geführt? Was wird den<br />

Charakteren passieren? Welche NSC gilt es zu<br />

treffen?<br />

Reise nach Salbtal: Wie und wo beginnt<br />

das Geschehen? Zudem wird die Reise nach<br />

Salbtal und der Aufenthalt dort behandelt.<br />

Der Schneesturm: Wie der Trupp vom Weg<br />

abkommt und schließlich in der Höhle landet.<br />

Eisgefängnis: Die Geschehnisse in der Höhle<br />

und das Grauen, das dort der Charaktere<br />

harrt.<br />

Freiheit: Die Flucht aus der Höhle und das<br />

Ende des Abenteuers.<br />

Seite 64<br />

Abenteuer


FROSTIGE RACHE<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Zusammenfassung<br />

der Ereignisse<br />

Vor einigen Jahrtausenden gab es einen<br />

harten Kampf zwischen Mächten des Guten<br />

und des Bösen, (seien es Dämonen gegen<br />

Engel, Teufel gegen Helden oder was immer<br />

zum Spiel am besten passt), den das Gute<br />

letztlich gewann und die böse Macht tief<br />

unter dem heutigen Salbtaler Gebirge in ein<br />

Gefängnis einsperrte. Nach vielen Jahren<br />

jedoch wurden die Gitter des Gefängnisses<br />

morsch und brüchig, und das düstere Wesen<br />

begann Kontrolle über seine Umgebung zu<br />

bekommen. Und es sann auf Rache.<br />

Vor etwa 100 Jahren war eine kleine Gruppe<br />

Händler, begleitet von drei Leibwächtern,<br />

unterwegs in die Salbtaler Ebene. Sie handelten<br />

in Salbtal selbst, der einzigen Stadt in der<br />

Ebene, und wollten über einen Gebirgspass<br />

wieder nach Süden hinaus aus dem Gebiet.<br />

Bevor sie das Gebirge erreichen konnten, kamen<br />

sie in einen fürchterlichen Schneesturm,<br />

und mussten am Rand der Berge in einer großen<br />

Höhle Zuflucht suchen. Es ertönte noch<br />

ein grausames, lautes Tiergebrüll, danach<br />

verschüttete eine Lawine den Weg aus der<br />

Höhle. Aber zum Glück gab es einige Gänge,<br />

die tiefer in das Gestein führten.<br />

Die eigentlich zum Schutz der Händler angedachten<br />

Leibwächter wurden panisch und<br />

entschlossen sich, die Händler umzubringen.<br />

Damit mussten sie die Vorräte nur noch<br />

durch drei und nicht mehr durch acht hungrige<br />

Mäuler teilen. Ein kleines Mädchen, die<br />

kleine Tochter zweier Händler, entkam ihnen<br />

jedoch, kroch in eine kleine Öffnung und versteckte<br />

sich dort so lange sie konnte.<br />

Nachdem die Händler tot waren machte<br />

sich das Unheil unter dem Berg daran, sich<br />

ihrer Seelen zu bemächtigen. Es tötete die<br />

Leibwächter und ließ das kleine Mädchen<br />

elendig verhungern.<br />

Seither schickt das Böse die Geister der<br />

Händler immer wieder auf die Reise um Opfer<br />

anzulocken und in das eisige Gefängnis zu<br />

bringen, damit es sich dort ihre Seelen einverleiben<br />

kann.<br />

Die Charaktere werden nun wie damals<br />

die Leibwächter von den Händlern angesprochen<br />

sie zu begleiten. Dadurch werden<br />

sie erst nach Salbtal und von dort aus zu der<br />

verhängnisvollen Höhle gelangen und dort<br />

schließlich von dem Bösen gejagt, bis sie vor<br />

Angst sterben oder entkommen können.<br />

Die Händler im Detail<br />

Ephraim Wollschnitt<br />

Ephraim ist der Leiter des kleinen Trupps.<br />

Abenteuer<br />

Er ist fast vierzig Jahre alt, mittelgroß mit<br />

kurzen braunen Haaren und insgesamt ein<br />

unauffälliger Typ. Freundlich und höflich, ruhig<br />

und gelassen, einfach ein netter Kerl, der<br />

allerdings gerne erzählt und nicht so schnell<br />

auf den Punkt kommt.<br />

Cassia Wollschnitt<br />

Die Frau von Ephraim ist Mitte dreißig, mittelgroß,<br />

etwas füllig und hat lange, braune<br />

Haare. Sie ist ebenso freundlich wie ihr Mann<br />

und kümmert sich rührend um ihre Kinder.<br />

Sie ist stiller als ihr Mann und insgesamt<br />

ebenso unauffällig.<br />

Richard Wollschnitt<br />

Der Sohn der Händler ist acht Jahre alt,<br />

schlank und hat kurze braune Haare wie sein<br />

Vater. Er ist sehr neugierig, aufgedreht und<br />

geht seiner Umwelt schnell auf die Nerven.<br />

Jedem, der es sehen will, zeigt er sein Medaillon,<br />

das er an einer Kette um den Hals trägt,<br />

und das er von seinem Großvater bekommen<br />

hat, der es vor vielen Jahren für eine Heldentat<br />

bekommen haben soll.<br />

Miriam Wollschnitt<br />

Die Tochter der Wollschnitts ist fünf Jahre<br />

alt, schlank mit lockigen blonden Haaren. Sie<br />

ist fürchterlich ruhig, und sagt kein Wort. Die<br />

Eltern behaupten, dass es nur eine Phase sei,<br />

die vorbeigehen würde, und Richard behauptet<br />

seine Schwester würde hin und wieder zu<br />

ihm sprechen, aber wäre viel langweiliger als<br />

früher. Der Grund für die Apathie ist, dass das<br />

Böse keine vollständige Kontrolle über ihren<br />

Geist hat, da sie nicht gewaltsam umgekommen<br />

ist.<br />

Walther Desmond<br />

Walther ist der zweite Händler, er ist etwas<br />

jünger als Ephraim, größer und dicker, hat<br />

kurze schwarze Haare und trägt einen sauber<br />

gestutzten Vollbart. Zwar höflich, aber<br />

stiller und leichter zu reizen als Ephraim ist<br />

er insgesamt ein netter Zeitgenosse, der erst<br />

nach dem dritten Bier anfängt zu plaudern.<br />

Reise nach Salbtal<br />

Das Abenteuer beginnt in einer Kleinstadt<br />

namens Willingen, irgendwo einige Tagesreisen<br />

südlich der Salbtaler Ebene. In dem Örtchen<br />

gibt es nur eine einzige Kneipe, „Das<br />

Nimmerleere Fass“, in der die Charaktere auf<br />

die Händler treffen werden.<br />

Das Nimmerleere Fass<br />

In dem Gasthaus sind ausschließlich Einheimische,<br />

hauptsächlich Bauern, Holzfäller und<br />

diverse Handwerker, und es ist durchschnittlich<br />

gut gefüllt. Nachdem alle Charaktere<br />

eingetroffen sind – egal wie sie sich gesetzt<br />

haben, sind immer noch mindestens 2 Tische<br />

frei – nehmen kurz nach ihrem Eintreffen die<br />

Händler Platz. Ebenso wie die Charaktere<br />

fallen sie auf, da sie nicht von hier sind, aber<br />

auch weil sie zwei kleine Kinder dabei haben.<br />

Sie beobachten den Schankraum und speisen<br />

ganz gewöhnlich.<br />

Ob die Charaktere sich bereits kennen oder<br />

nicht ist bis dahin vollkommen egal. Sie sitzen<br />

nun entweder verteilt oder zusammen,<br />

oder möglicherweise in Kleingruppen. Etwas<br />

später kommen vier Holzfäller rein, die zur<br />

größten Ansammlung von Spielercharakteren<br />

marschieren und behaupten es wäre ihr<br />

Stammtisch, und die Fremden sollten zusehen,<br />

dass sie Land gewinnen.<br />

Ob es nun zu einer Schlägerei kommt, die<br />

Charaktere die Holzfäller magisch beeindrucken<br />

oder nachgeben ist fast nebensächlich,<br />

aber die Holzfäller sollten schon ordentlich<br />

Aufruhr machen. Die Aufmerksamkeit führt<br />

dann dazu, dass sich die Händler an die Charaktere<br />

wenden, und ihnen vorschlagen sie<br />

zu begleiten. Wem diese Zusammenführung<br />

zu einfach erscheint, für den einige Alternativideen:<br />

• Auf dem Marktplatz von Willingen<br />

findet ein kleines Boxturnier statt, das<br />

von einem der Charaktere gewonnen<br />

wird. Ephraim wird so auf die Gruppe<br />

aufmerksam und spricht sie an.<br />

• Kurz hinter Willingen treffen die Charaktere<br />

zufällig auf den Händlertrupp,<br />

der grade dabei ist einen Goblinangriff<br />

zurückzuschlagen. Nachdem die Charaktere<br />

geholfen haben, beginnt Ephraim<br />

mit den Verhandlungen.<br />

• Es wird ein großes Wetttrinken veranstaltet<br />

im Nimmerleeren Fass, und<br />

die Charaktere nehmen teil. Wenn am<br />

nächsten Tag das große Katerfrühstück<br />

ansteht gibt es einen lauten Streit zwischen<br />

zwei Bauern, der schnell handgreiflich<br />

wird, und den Kopfschmerzen<br />

der Charaktere nicht grade zuträglich<br />

ist. Schlichtet man die Zwietracht, wird<br />

dadurch Ephraim auf die Gruppe aufmerksam.<br />

Der Auftrag<br />

Wenn es um die Bezahlung geht, sollte<br />

man großzügig sein, aber es nicht übertreiben.<br />

Die Händler sind eigentlich nicht bereit<br />

Vorauszahlungen zu leisten, würden nur im<br />

Notfall höchstens ein Viertel der ausgemachten<br />

Summe vorab auszahlen. Dafür sind sie<br />

bereit Kost und Logis zu übernehmen, und<br />

werden auch nötige Ausrüstung bezahlen,<br />

(besonders warme Kleidung, Schneebrillen,<br />

Seite 65


ANDUIN <strong>95</strong><br />

FROSTIGE RACHE<br />

OFFTOPIC<br />

Wer mehr über die Hintergründe der<br />

<strong>Anduin</strong> erfahren möchte, dem sei folgendes<br />

Interview empfohlen, das Ingo<br />

Schulze für die LORP geführt hat:<br />

www.lorp.de/magazin/artikel.asp?id=181<br />

etc.) und garantieren schließlich eine Prämie<br />

je nachdem wie gut sie ihre Waren in Salbtal<br />

veräußern können.<br />

Der Händlertrupp hat drei große Planwagen,<br />

die von jeweils zwei Pferden gezogen<br />

werden, wobei Ephraim im vordersten sitzt,<br />

Cassia mit den Kindern den mittleren lenkt<br />

und Walther im letzten fährt. Wenn die Charaktere<br />

etwas daran ändern möchten ist das<br />

in Ordnung, aber Cassia lässt sich nicht von<br />

den Kindern trennen.<br />

Sie haben hauptsächlich getrocknete<br />

Früchte, Kaffeebohnen, Tee und Kakaobohnen<br />

geladen und haben genügend Ausrüstung<br />

(Zelte, Fackeln, Nahrungsmittel etc.)<br />

dabei um ohne großartige Nachkäufe die<br />

Reise zu überstehen.<br />

Wie lang genau die Reise nach Salbtal ist,<br />

hängt davon ab wo sich die Gruppe gerade<br />

aufhält, sollte aber wenigstens drei, vier Tage<br />

dauern. Es läuft alles ganz ruhig, vor allem<br />

abends wird Ephraim viel erzählen und Richard<br />

die Charaktere nerven, und auch sonst<br />

ist Raum für Charakterspiel.<br />

Angriff der Wölfe<br />

Vor dem Pass über das Gebirge in die Salbtaler<br />

Ebene gibt es eine kleine Begegnung.<br />

Gegen Mittag überfällt ein Rudel Wölfe den<br />

kleinen Trupp. Ob es sich dabei um gewöhnliche<br />

Grauwölfe oder übergroße Schreckenswölfe<br />

handelt, und wie viele es genau sind<br />

sollte von der Stärke der Charaktere abhängen.<br />

Am besten ist es eine große Herausforderung,<br />

die jedoch nicht mit dem Tod eines<br />

Charakters enden sollte. Wenn dann zwei<br />

oder drei Kampfrunden ausgestanden sind,<br />

in denen die Gruppe spüren sollte, dass es<br />

ernst, aber machbar ist, kommt Ephraim mit<br />

einer Fackel bewaffnet aus einem der Wagen<br />

auf die Wölfe zu, die nun angsterfüllt die<br />

Flucht ergreifen.<br />

Wenn Nachfragen kommen, kann sich Ephraim<br />

die Geschichte nur so erklären, dass die<br />

Wölfe bereits angeschlagen waren durch die<br />

Charaktere und durch das Feuer dann endgültig<br />

vertrieben wurden.<br />

Sollten die Spieler nun, oder zu einem beliebigen<br />

anderen Zeitpunkt Wind davon bekommen,<br />

dass sie es mit Geistern zu tun haben,<br />

egal ob durch Magie oder weltliche Mittel, ist<br />

das in Ordnung. Die Geister behaupten, dass<br />

sie nur ihre Hilfe wollen um ihre sterblichen<br />

Überreste aus der Höhle zu besorgen, und<br />

dachten dass dieser Weg der sicherste dafür<br />

sei. Kommen die Charaktere dann in die Höhle<br />

geht es ganz normal weiter.<br />

Die Ebene<br />

Wenn es in die Ebene geht sollte man beginnen<br />

auf die grausam kalten Temperaturen<br />

hinzuweisen, Schneeblindheit, Schneewehen<br />

usw. Einfach die Probleme eines arktischen<br />

Abenteuers ausnutzen um eine beklemmende<br />

Stimmung zu erzeugen.<br />

Steuert man dann schließlich auf die Stadt<br />

Salbtal selbst zu, erklärt Ephraim dass die<br />

Leute hier einen merkwürdigen, kaum zu verstehenden<br />

Dialekt sprechen. Er drückt dann<br />

einem der Charaktere ein paar Münzen in die<br />

Hand und bittet ihn anschließend zu einem<br />

bestimmten Kerl am Stadteingang zu gehen,<br />

ihm die Münzen zu reichen und auf die Wagen<br />

zu deuten. Er wüsste, was dass bedeuten<br />

würde.<br />

So gelangt man nach Salbtal, und wird von<br />

den Händlern im ansehnlichen Gasthof „Falkenschlag“<br />

untergebracht.<br />

Zwei Tage vergehen weitestgehend ereignislos.<br />

Die Händler scheinen ihre Waren<br />

zu veräußern und Neue einzukaufen, (Erze,<br />

Felle etc.) aber werden nie im Gespräch mit<br />

jemand anderem als den Charakteren gesehen.<br />

Darauf angesprochen behaupten sie,<br />

viele spezielle Handelspartner hier zu haben,<br />

die sie im Privaten besuchen.<br />

Weiter geht es dann mit der Reise zurück in<br />

wärmere Gefilde.<br />

Der Schneesturm<br />

Schon kurz nach dem Verlassen von Salbtal<br />

beginnt der Himmel sich zu zu ziehen, doch<br />

die Händler meinen, das sei ganz normal, und<br />

echte Schneestürme würden sich anders ankündigen.<br />

Doch nach ein paar Stunden wird<br />

es ganz offensichtlich, dass dort ein Schneesturm<br />

aufzieht. Die Händler meinen, dass<br />

der Weg zurück länger sei als der Weg vor,<br />

und dass sie am Rande des Passes mehrere<br />

Höhlen kennen, in denen man den Sturm gut<br />

aussitzen kann.<br />

Der Sturm nimmt ohrenbetäubende Züge<br />

an, schwerer Hagel, fast keine Sicht. Man<br />

sollte den Charakteren ruhig die Hölle heiß<br />

machen. So werden sie freudig in die Höhle<br />

und damit in ihr Verderben rennen.<br />

Kampf im Sturm?<br />

Will man gerne Kämpfe einstreuen, könnte<br />

während des Sturm ein Eisgeschöpf über die<br />

Charaktere herfallen, ein Schneeelementar<br />

oder ein Säbelzahntiger. Mit den zusätzlichen<br />

Problemen des Sturms bietet das eine<br />

wunderbare Chance für einen interessanten<br />

Kampf.<br />

Die Höhle<br />

Der Weg ist anstrengend, und man kommt<br />

nur langsam voran, aber kurz vor Ende des<br />

Tages erreicht man schließlich die Höhle.<br />

Die Höhle ist hoch und breit genug um mit<br />

den Wagen herein zu fahren und sie sogar<br />

quer zu stellen, um so noch besseren Schutz<br />

vor dem Schneetreiben zu haben. Es wird<br />

durchgeschnauft, erste Pläne gemacht (der<br />

Rauch eines Feuers würde nach draußen<br />

oder durch die höheren kleinen Gänge nach<br />

hinten wegziehen) doch plötzlich gibt es ein<br />

lautes Gebrüll von draußen, gefolgt von Getöse<br />

und einem Erdbeben, und schließlich<br />

stürzt eine gigantische Schneemenge vor die<br />

Höhlenöffnung. Auch nachdem es dunkel ist<br />

(sofern die Charaktere nicht schon ein Feuer<br />

entzündet haben) rumpelt es noch eine<br />

kleine Weile, so dass klar sein sollte wie viel<br />

Schnee dort vor dem Eingang liegt.<br />

Zum Glück gibt es einige Gänge ins Bergesinnere,<br />

die groß genug für Menschen sind.<br />

Eisgefängnis<br />

Nachdem der erste Schock überwunden,<br />

und ein kleines Feuer entzündet ist (oder auf<br />

andere Weise Licht geschaffen wurde) kann<br />

man sich das Unheil etwas genauer betrachten.<br />

Die große Höhle, in der man sich befindet,<br />

ist etwa acht Meter breit, drei Meter hoch<br />

und gut zwanzig Meter lang. Sie endet in einer<br />

Vielzahl kleiner Öffnungen, von denen lediglich<br />

sechs groß genug sind, um von einem<br />

erwachsenen Menschen benutzt werden zu<br />

können. Die anderen Öffnungen sind unterschiedlich<br />

groß, von der Größe eines Dachses<br />

hinunter bis zur Größe einer Maus, und<br />

verteilen sich über die komplette Rückwand<br />

der Höhle. Es handelt sich um eine Felshöhle,<br />

und einen Tunnel anzulegen ist ohne Magie<br />

absolut keine Option.<br />

Die Schneemassen, die den Eingang versperren,<br />

sind gigantisch. Sich durch sie hindurch<br />

in die Freiheit zu graben sollte ziemlich<br />

schnell als Option wegfallen. Ein Schmelzen<br />

(egal ob mit Fackeln oder Feuermagie) der<br />

Schneemassen würde dazu führen, dass<br />

die Höhle voll mit Wasser läuft, da auch die<br />

Gänge dahinter nach oben gehen, und so<br />

die Höhle eine Kuhle bildet. Mit besonders<br />

mächtiger Magie könnte man den Schnee<br />

wohl schon wegschaffen, daher sollte man<br />

Seite 66<br />

Abenteuer


FROSTIGE RACHE<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

dieses Abenteuer, wie oben beschrieben,<br />

nicht unbedingt mit den mächtigsten Helden<br />

spielen.<br />

Aus den Öffnungen strömt Luft, also muss<br />

es irgendwo nach Draußen führen. Allerdings<br />

strömt die Luft durch alle Öffnungen, und<br />

scheint zu „pulsieren“, also stoßweise zu<br />

kommen. Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass<br />

einer der großen Gänge in die Freiheit führt.<br />

Das Verschwinden<br />

Die Händler hätten gerne, dass die Leibwächter<br />

sich die Gänge einzeln ansehen, um<br />

einen Weg heraus zu suchen. Sie selbst wollen<br />

auf keinen Fall mit, sie möchten bei Frau<br />

und Kindern bleiben, die Pferde beruhigen<br />

etc.<br />

Bestehen einer oder mehrere Charaktere<br />

darauf ebenfalls in der Höhle zu bleiben, sollte<br />

sich irgendwann eine Gelegenheit finden,<br />

in der die Charaktere nicht auf die Händler<br />

achten. Sobald dieser Moment kommt, sind<br />

die Händler plötzlich und absolut spurlos<br />

verschwunden. Das Gleiche passiert mit den<br />

Pferden, den Waren und zuletzt mit den Vorräten.<br />

Wenn die Charaktere also nichts in ihrem<br />

persönlichen Gepäck haben, könnte es<br />

schnell hungrig werden.<br />

In den vielen kleinen Öffnungen gibt es<br />

prinzipiell nichts zu finden. Sind die Spieler<br />

jedoch besonders einfallsreich, nutzen gar<br />

Teamwork, um die kleinen Gänge zu untersuchen,<br />

sollte man ihnen eine Belohnung dafür<br />

geben. Es könnte einmal ein kleiner Edelstein<br />

hineingerollt sein, oder vielleicht eine Flasche<br />

mit einem magischen Gebräu. Je nach<br />

System und Setting eine Kleinigkeit eben.<br />

Wenn sie langweilig an die Sache heran gehen,<br />

z. B. „Ich greif mal rein – find ich was?“,<br />

dann sollten sie leer ausgehen.<br />

Wenn die Charaktere wie geplant und von<br />

den Händlern verlangt in einem der Gänge<br />

verschwinden, werden sie wiederkommen<br />

und nur noch 3 leere Planwagen vorfinden.<br />

Alle anderen Spuren der Händler sind verschwunden.<br />

Nun zu den begehbaren Gängen, die tiefer<br />

in den Berg führen.<br />

Die Gänge<br />

Wie erwähnt sind dort sechs Gänge, die<br />

eine Rolle spielen. Es gibt keine Karte von<br />

den Gängen, da eine starre Beschreibung<br />

welcher Gang nun wie verläuft dazu führen<br />

kann, dass die Spieler ausgerechnet den<br />

Gang als erstes nehmen, der nach Draußen<br />

führt. Um dies zu verhindern bedient man<br />

sich dem so genannten Illusionismus. Den<br />

Spielern soll es scheinen, als wären die Gänge<br />

festgelegt, und sie hätten „durch Zufall“<br />

Abenteuer<br />

die Gänge in einer bestimmten Reihenfolge<br />

abgearbeitet, obwohl ihre Entscheidung den<br />

linken oder rechten Gang zu nehmen vollkommen<br />

unwichtig war. Damit diese Illusion<br />

klappt, sollte man so tun, als ob man eine<br />

richtige Karte liest. Im Idealfall macht man<br />

sich eine kleine Skizze.<br />

Die Gänge sind jeweils so breit, dass ein<br />

Charakter bequem gehen kann, aber es hilft<br />

der bedrückenden Stimmung, wenn man<br />

zwischendurch Engpässe beschreibt, an denen<br />

vielleicht geduckt gegangen werden<br />

oder man sich hindurchquetschen muss.<br />

Insgesamt wirken die Gänge zwar natürlichen<br />

Ursprungs, also nicht bearbeitet, aber<br />

so recht natürlich wirkt das Labyrinth nicht.<br />

Immer wieder gibt es kleinere Öffnungen,<br />

aus denen man einen Luftstrom verspürt,<br />

und kleine Abzweigungen, die in Sackgassen<br />

münden.<br />

Hin und wieder sollte ein Rundweg eingebaut<br />

werden, also eine Kreuzung an der sich<br />

vier Gänge treffen, von denen zwei jedoch ineinander<br />

verlaufen. Außerdem sollte man ein<br />

ständiges Auf und Ab beschreiben, das es für<br />

die Charaktere unmöglich macht zu wissen<br />

wie tief sie tatsächlich unter der Oberfläche<br />

sind.<br />

Zu guter Letzt kann man immer mal wieder<br />

größere Öffnungen, also fast schon Höhlen<br />

beschreiben, in denen die Charaktere nebeneinander<br />

gehen können. Auch wenn es hier<br />

nichts zu finden gibt kann man die Spieler mit<br />

„Bewegungen im Augenwinkel“ sehr gut aus<br />

der Fassung bringen.<br />

Je weiter die Charaktere in den Berg vordringen,<br />

umso stärker sollten die beklemmenden<br />

Beschreibungen werden. Man kann<br />

dann auch einen fauligen, unnatürlichen Geruch<br />

beschreiben, und die Charaktere Stimmen<br />

hören lassen, die sich dann jedoch als<br />

Luftströmungen herausstellen – oder einfach<br />

erklärungslos stehen bleiben. Das Gefühl, in<br />

einem Horrorfilm zu stecken, kann man hier<br />

wunderbar aufbauen.<br />

Die Reise durch jeden einzelnen Gang dauert<br />

ca. eine Stunde. Folgendes gibt es in den<br />

Gängen zu finden.<br />

Der erste Gang<br />

Der erste Gang mündet irgendwann in eine<br />

kleine Höhle aus der mehrere dachshohe<br />

Öffnungen weggehen, und in der das Skelett<br />

eines etwa fünf Jahre alten Mädchens liegt.<br />

Inwieweit die Charaktere das Alter abschätzen<br />

oder gar herausfinden können, dass es<br />

ein weibliches Skelett ist, hängt von ihren Fähigkeiten<br />

ab, aber dass es ein menschliches<br />

Kinderskelett ist sollten sie in jedem Fall erkennen<br />

können.<br />

Nicht vergessen: Wenn die Charaktere<br />

aus diesem ersten Gang zu den Planwägen<br />

zurückkehren sind die Händler schon nicht<br />

mehr in der Höhle.<br />

Die weiteren Gänge<br />

Der zweite bis fünfte Gang sind mehr oder<br />

minder austauschbar. In welchem Gang die<br />

Charaktere landen ist dem Spielleiter selbst<br />

überlassen.<br />

Eine schöne Szene kann man bekommen,<br />

wenn noch mindestens drei Gänge unerforscht<br />

sind, und die Spieler ihre Charaktere<br />

aufteilen wollen.<br />

Man lässt nun eine Gruppe den einen Gang<br />

ganz normal erkunden bis zum Ende. Die<br />

zweite Gruppe jedoch begegnet kurz vor<br />

dem Ende, also nach etwa einer Stunde, die<br />

nicht zu beschwerlich beschrieben werden<br />

sollte, „der anderen Gruppe“.<br />

Natürlich ist den Spielern sofort klar, dass<br />

die Wesen, die sie dort sehen, nicht ihre Kameraden<br />

sind, immerhin dürfen deren Spieler<br />

nicht in die Handlung eingreifen, aber den<br />

Charakteren eben nicht. Man muss als Spielleiter<br />

lediglich die Spieler dazu bewegen, dass<br />

der Weg zurück, den sie gekommen sind, viel<br />

einfacher sei, als der Weg den die „angebliche“<br />

Gruppe benutzen musste, und sie umdrehen.<br />

Wenn sie dann wieder in der Haupthöhle<br />

sind wartet die echte andere Gruppe<br />

bereits auf sie, und die Charaktere können<br />

sich mit allen Problemen auseinander setzen,<br />

die diese Geschichte mit sich bringt.<br />

Der zweite Gang endet in einer recht großen<br />

Höhle, deren hintere Wand von unzähligen<br />

etwa faustgroßen Öffnungen übersät ist.<br />

Davor findet man drei Skelette, zwei Erwachsene<br />

und ein Kind von etwa acht Jahren, das<br />

ein Medaillon in den Knochenhänden hält.<br />

Wenn den Spielern noch nicht klar gewesen<br />

sein sollte, was eigentlich vorgeht, spätestens<br />

jetzt sollte bei jedem der Groschen gefallen<br />

sein.<br />

Der dritte Gang endet irgendwann in einer<br />

Sackgasse, aber kurz zuvor gibt es eine kleine<br />

Höhle von vielleicht fünf mal fünf Metern, in<br />

der man hinter einem Stalagmiten ein zusammengekauertes<br />

Männerskelett findet, dem<br />

eindeutig der Schädel eingeschlagen wurde.<br />

Die Größe des Knochengerüstes stimmt mit<br />

der von Walther Desmond überein.<br />

Der vierte Gang endet in einer großen Höhle<br />

voller Stalaktiten und Stalagmiten. Hinter<br />

einem Geröllhaufen finden sich drei Skelette<br />

von erwachsenen Menschen, und die Überreste<br />

ihrer Waffen und Rüstungen. In einen<br />

Fels wurde eine Art Abschiedsbrief gemeißelt,<br />

und man kann noch in etwa erkennen,<br />

was der Mann schrieb: „Wir hätten sie nicht<br />

Seite 67


ANDUIN <strong>95</strong><br />

FROSTIGE RACHE<br />

umbringen dürfen, es war ein großer Fehler,<br />

ich hoffe die Götter vergeben uns. Bitte vergebt<br />

uns! Das Fleischzeug soll mich nicht bekommen!“<br />

Je nach dem wie kräftig die Charaktere<br />

sind, und wie sehr man Kämpfe im Abenteuer<br />

möchte, kann man jetzt die drei Geister<br />

der Leibwächter auftauchen und über die<br />

Charaktere herfallen lassen. Möchte man die<br />

Charaktere belohnen könnte eine der Waffen<br />

der Leibwächter vielleicht magisch sein, oder<br />

zwischen den Knochen sich ein anderes magisches<br />

Gimmick finden.<br />

Der fünfte Gang<br />

Der fünfte Gang endet in einer kleinen<br />

Höhle von höchstens drei mal drei Metern,<br />

deren Rückwand nahezu glatt ist und ebenfalls<br />

von etlichen faustgroßen Öffnungen<br />

übersät ist. Hier sollte der faulige Gestank<br />

besonders prominent beschrieben und die<br />

düstere Stimmung stark untermalt werden.<br />

Auf dem Boden mitten in der Höhle sieht<br />

man ein perfektes Pentagramm wie in den<br />

Steinboden gemeißelt.<br />

Zerstört einer der Charaktere das Pentagramm,<br />

z. B. mit Hammer und Meißel, hört<br />

man ein zischendes Geräusch, und anschließend<br />

ein tiefes Blubbern aus den Öffnungen.<br />

Verlassen die Charaktere nun den Raum wieder,<br />

ohne etwas zu tun, beginnt das Blubbern<br />

gerade als der Letzte im Begriff ist, die Höhle<br />

zu verlassen. Beobachten sie die Wand noch<br />

einen Augenblick, so können sie sehen, wie<br />

eine fleischige Masse erst aus einer Öffnung,<br />

dann aus immer mehr Öffnungen gekrochen<br />

kommt, und sich langsam im Raum sammelt.<br />

Versuchen die Spieler es mit Kommunikation<br />

vernehmen sie nichts weiter als ein bösartiges<br />

„Blub-Schlurf“ Geräusch. Greifen sie<br />

die Masse mit einfachen Mitteln (Schwerter,<br />

Äxte, Pfeile etc.) an zeigt das keine Wirkung,<br />

nutzen sie jedoch ihr magisches Arsenal (Zauber,<br />

magische Waffen etc.) zuckt die Masse<br />

kurz zurück, und verhält sich in etwa so wie<br />

man es von sich bewegendem Hackfleisch<br />

erwarten würde.<br />

Versucht einer der Charaktere die Masse<br />

anzufassen „schnappt“ diese zu, umschließt<br />

so viel vom Charakter wie sie zu fassen bekommt<br />

und beginnt ihn zu verdauen. Das<br />

sollte sehr schmerzhaft, aber nicht tödlich<br />

sein.<br />

Früher oder später erkennen die Charaktere,<br />

dass Flucht die beste Variante ist. Jetzt<br />

tickt die Uhr, und die Masse folgt ihnen unaufhaltsam.<br />

Sie kommt durch jede noch so<br />

kleine Öffnung, und scheint nie langsamer zu<br />

werden.<br />

Seite 68<br />

Der letzte Gang<br />

Zuletzt nun der Gang, der tatsächlich zum<br />

Ausgang führt. Am Ende des Ganges kann<br />

man schon ein Licht von draußen wahrnehmen<br />

(zumindest wenn es nicht mehr Nacht<br />

ist; da die Charaktere etwa sieben oder acht<br />

Stunden in der Höhle verbracht haben ist es<br />

nicht unbedingt unrealistisch, immerhin können<br />

in Polarregionen die Nächte sehr kurz<br />

sein). Ein steiler Schacht führt nach oben in<br />

die Freiheit.<br />

Freiheit<br />

Der Schacht sollte gerade so hoch sein,<br />

dass es eine gute Herausforderung für die<br />

Charaktere ist. Er ist zwar breit genug für die<br />

Charaktere, aber mit der ein oder anderen<br />

engeren Stelle brauchen die Charaktere gerade<br />

so lange für den Aufstieg, dass der letzte<br />

unten schon die Fleischmasse sehen kann,<br />

die sich den Weg nach oben bahnt.<br />

Jeder Charakter, der lebend hinaus ins<br />

Freie kommt, wird erstmal geblendet. Rund<br />

um das Loch, aus dem sie kommen, ist<br />

Schnee und Eis, und da vorher die Augen<br />

stundenlang nur an Fackellicht gewöhnt waren<br />

wird das Sehen einen Moment auf sich<br />

warten lassen.<br />

Der Eistrichter<br />

Irgendwann stellen sie dann aber fest, dass<br />

sie sich in einer Art Eistrichter befinden, dessen<br />

Wände gut sechs, sieben Meter hoch und<br />

sehr steil sind. Aus dem Loch blubbert derweil<br />

die Masse, die sich unaufhörlich nähert.<br />

Haben die Charaktere Transportmagie zur<br />

Verfügung wird das nun sehr einfach. Wenn<br />

nicht steht ein besonders schwieriger Aufstieg<br />

an. Jeder Charakter, der es nicht schafft,<br />

wird wohl von dem Hackfleisch eingesaugt.<br />

Das Böse wird jedoch nicht die Steilwand erklimmen,<br />

sondern sich zurückziehen, wenn<br />

kein Charakter mehr am Boden des Trichters<br />

ist.<br />

Nun sind die Charaktere frei und irgendwo<br />

auf dem Gebirgszug. Es dauert sicherlich ein<br />

paar Stunden bis sie herausbekommen wo<br />

genau sie sich befinden und wie sie wieder in<br />

die Zivilisation kommen.<br />

Abschluss des Abenteuers<br />

Ignorieren die Spieler das Unheil in der<br />

Höhle und wollen nur weg, endet das Abenteuer<br />

jetzt und es sollte vielleicht ein wenig<br />

Erfahrung verteilt werden.<br />

Wollen die Spieler jedoch etwas dagegen<br />

tun, so wird entweder durch das Setting vorgegeben<br />

was nun passiert, oder alternativ<br />

gibt es zwei Tagesreisen südlich eine Stadt in<br />

der ein Tempel des Gottes steht, der in der<br />

Welt für derlei Geschichten zuständig ist. Die<br />

dortigen Priester sind sicherlich an der Geschichte<br />

interessiert.<br />

Gehen die Charaktere nicht mit auf die Reise<br />

zurück zur Höhle, endet das Abenteuer<br />

an der Stelle. Kommen sie mit, werden die<br />

Priester zunächst auf magische Weise den<br />

Schnee weg schmelzen, und danach mit den<br />

Charakteren die Höhle durchsuchen. Leider<br />

gibt es überhaupt keine Anzeichen für<br />

die Erzählungen der Charaktere. Sämtliche<br />

Spuren sind weg. Die Priester erklären, dass<br />

vielleicht durch die unangenehme Erfahrung<br />

des Schneesturms, und die Zeit in der engen<br />

Höhle, die Charaktere eine Art Halluzination<br />

gehabt haben. Sie haben keine bessere<br />

Erklärung, und da sie keine Spuren von Bösem<br />

erkennen können ziehen sie tatenlos<br />

ab. Zuletzt stehen die Charaktere noch am<br />

Eingang der Höhle, allein, mit der Frage was<br />

sie als nächstes tun sollen. Da hören sie noch<br />

ein letztes Geräusch, ein sinistres Blubbern<br />

irgendwo tief aus dem Berg. Ein sehr passender<br />

Abschluss für ein Horrorabenteuer wie<br />

ich finde.<br />

Belohnungen<br />

Viele Belohnungen stehen nicht an für<br />

die Charaktere. Die Münzen, die sie evtl. als<br />

Vorleistung bekommen haben, sind noch da,<br />

und an manchen Stellen konnten sie ja Kleinigkeiten<br />

finden. Dafür sollte man vielleicht<br />

ein wenig großzügiger bei der Vergabe von<br />

Erfahrungspunkten sein.<br />

Wie es weiter geht<br />

Anschließend bieten sich einige Möglichkeiten<br />

die Geschichte fortzuführen. Die<br />

Charaktere könnten sich daran machen, herauszufinden,<br />

was es jetzt eigentlich mit dem<br />

Hackfleisch-Dämon auf sich hat, und was die<br />

Händler-Geister zu bedeuten hatten. Geeignete<br />

Orte so etwas zu erfahren wären Salbtal<br />

(vielleicht gibt es hier eine Bibliothek?) oder<br />

die nächsten größeren Städte.<br />

Vielleicht versuchen die Charaktere danach<br />

auch, die gute Macht, die dereinst das Böse<br />

hier eingeschlossen hat, wieder zu finden,<br />

und stellen fest, dass sie selbst verschwunden<br />

ist. Hieraus kann man eine ganze Kampagne<br />

über das Wiederfinden eines Halbgottes<br />

oder Erzengels basteln.<br />

Wenn die Spieler kein Interesse an der<br />

Fortsetzung dieses Handlungsstranges haben,<br />

besteht die Möglichkeit das Ambiente<br />

der arktischen Salbtaler Ebene für interessante<br />

Anschlussabenteuer zu nutzen. Ärger<br />

mit Frostriesen oder Eisdrachen? Ein Überfall<br />

von Neandertalern? Es gibt unzählige Möglichkeiten<br />

für spannende Geschichten. •<br />

Abenteuer


OFFEN HERAUS - DAS SPRACHECK<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Offen heraus<br />

DAS SPRACHECK IN DER ANDUIN<br />

TEXT: TOMMY HEINIG<br />

Fantasy Flight Games macht es besonders<br />

gerne. Nein, sie sind nicht alleine, es gibt da<br />

schon noch mehr. Avalon Hill zum Beispiel.<br />

Oder ein deutsches Beispiel: Kosmos hat es<br />

schon sehr früh gemacht. Wenn man so genau<br />

drüber nachdenkt, dass sind sie eigentlich<br />

überall. Wovon ich hier eigentlich schreibe?<br />

Na, von Erweiterungen. Erweiterungen<br />

von Brettspielen.<br />

Findet Ihr nicht auch, dass das langsam<br />

Überhand nimmt? Der erste Fall, bei dem mir<br />

das aufgefallen ist, das war damals Die Siedler<br />

von Catan. Das Spiel war zu seiner Zeit<br />

echt nett und hat es geschafft, das öffentliche<br />

Interesse an Brettspielen wieder anzufachen.<br />

Aber die Veröffentlichungspolitik<br />

war schon sehr bizarr. Erst konnte man nur<br />

mit maximal vier Spielern Spaß haben, dann<br />

kam die Ergänzung für 5 und 6 Spieler. Aber<br />

nicht, dass man bei den darauf folgenden Erweiterungen<br />

gleich für größere Spielrunden<br />

geplant hätte. Nein, auch die Seefahrer von<br />

Catan, Städte und Ritter und Händler und<br />

Barbaren lassen sich zunächst nur zu viert<br />

spielen. Mal davon abgesehen, dass drei solche<br />

Erweiterung ohnehin merkwürdig wirken<br />

– auf mich zumindest.<br />

Gleiches Prinzip, anderer Verlag: Carcassonne<br />

wurde ebenfalls mit etlichen Erweiterungen<br />

bedacht. Oder Dungeon Twister,<br />

Doom, Descent – Journeys into the Dark,<br />

Runebound, Warcraft, World of Warcraft<br />

oder Arkham Horror. Ha! Die letzten sechs<br />

Spiele sind alle von Fantasy Flight Games. Die<br />

machen es also tatsächlich besonders gerne.<br />

Doch was treibt die Verlage dazu, ein Spiel<br />

mit etlichen Ergänzungen zu füttern, bis es<br />

bestenfalls genial optimiert und schlimmstenfalls<br />

aufgebläht wirkt? Sollte ein Spiel<br />

nicht von Anfang an ein möglichst gutes<br />

Spielgefühl bieten?<br />

Ich denke, die Antwort liegt unter anderem<br />

in meinem Regal. Dort liegen nämlich<br />

zumindest die gerade genannten Spiele von<br />

Fantasy Flight Games mitsamt ihrer Erweiterungen.<br />

Es gibt also offensichtlich Leute<br />

(Esel?) die tatsächlich bereit sind, Geld für die<br />

Erweiterungsorgien zu bezahlen. Und zwar<br />

nicht zu knapp – sowohl Esel als auch Geld.<br />

Denn sonst würde es sich für die Verlage ja<br />

kaum lohnen.<br />

Ist ja auch klar, da man sich einen Teil der<br />

Entwicklungskosten sparen kann. Beispielsweise<br />

kann man Grafiken wiederverwenden,<br />

oder Material, welches das ursprüngliche<br />

Spiel zu teuer gemacht hätte, nachreichen.<br />

Dass der Gesamtpreis dadurch höher liegt<br />

als er es gewesen wäre, wenn man das Material<br />

gleich mit in die Packung gelegt hätte,<br />

kommt sicher zumindest nicht ungelegen.<br />

Anders kann ich mir zumindest die Siedler<br />

von Catan nicht erklären.<br />

Zudem verkaufen sich bekannte Namen<br />

besser als unbekannte. Wenn man schon<br />

einmal ein Spiel eingeführt hat – wie etwa<br />

Carcassonne – dann macht es natürlich Sinn<br />

diesen Namen so lange wie möglich zu nutzen.<br />

Bei Computerspielen führte dieses Verhalten<br />

in eine Sackgasse, die in immer schneller<br />

veröffentlichten Erweiterungen gipfelt.<br />

Die Publisher glauben, die wegbrechenden<br />

Verkaufszahlen durch höhere Quantität auffangen<br />

zu können. Ein Trugschluss wie Titel<br />

wie Need for Speed oder Fifa zeigen (beziehungsweise<br />

zeigen sollten – denn es gibt immer<br />

noch genügend Leute, die diese minimal<br />

veränderten Versionen im Halbjahrestakt<br />

kaufen). Glücklicherweise sind wir bei den<br />

Brettspielen aber trotz der immer mehr in<br />

Mode kommenden Erweiterungen noch weit<br />

von solchen Zuständen wie bei den Computerspielen<br />

entfernt.<br />

Wenn es wie im Fall von Descent – Journeys<br />

into the Dark dazu führt, dass das Spiel<br />

immer facettenreicher wird und neue Ideen<br />

hinzukommen, die den Spielspaß auch auf<br />

Dauer gewährleisten, dann können Erweiterungen<br />

ja wohl auch kaum schlecht sein,<br />

oder? Nun ja, zum einen wird aber nicht jedes<br />

Spiel durch die Erweiterungen tatsächlich<br />

besser. World of Warcraft zum Beispiel<br />

war vor der Erweiterung komplex (Stichwort<br />

Charaktersteigerung) und ist nach der Erweiterung<br />

nur etwas für promovierte WoW-Supportmitarbeiter.<br />

Am schlimmsten aber finde ich es, wenn<br />

Verlage durch Erweiterungen etwas tun, das<br />

leider bei Computerspielen seit langem gemacht<br />

wird. Es wird ein unfertiges, da nicht<br />

ausreichend getestetes, Spiel auf den Markt<br />

geworfen und anschließend mit Flicken versorgt,<br />

die den eigentlich ursprünglich geplanten<br />

Spielspaß sicher stellen sollen.<br />

Bei Computerspielen sind diese Patches<br />

in den meisten Fällen kostenlos – aber bei<br />

Brettspielen in den wenigsten Fällen. Viel<br />

häufiger werden sie in der Form von Erweiterungen<br />

an zahlende Kunde verteilt – zu<br />

einem ordentlichen Preis versteht sich. Beispiele<br />

gefällig? Wie wäre es mit Doom, das<br />

in der ursprünglichen Version so schwer ist,<br />

dass man es als Marine kaum schaffen kann.<br />

Oder Arkham Horror, das vor der Erweiterung<br />

viel zu einfach war. Was für ein Spiel, bei<br />

dem man gemeinsam gegen die Spielmechanik<br />

antritt, ein absoluter Motivationstöter ist.<br />

Beide Spiele – Doom und Arkham Horror<br />

– wurden erst mit Erweiterungen ausbalanciert<br />

und gut spielbar.<br />

Da lobe ich mir seltene Ausnahmen wie<br />

den Verlag Days of Wonder. Okay, Zug um<br />

Zug ist ein anderes Thema, aber zum Beispiel<br />

wird deren Tabletop Battlelore (wie bei Tabletops<br />

üblich) mit Figurensätzen ergänzt.<br />

Hat sich in einer Erweiterung ein Ungleichgewicht<br />

oder ein anderer Fehler eingeschlichen,<br />

so gibt es von Verlagsseite umgehend<br />

ein kostenloses Austauschprogramm. Sicherlich<br />

wäre es auch hier schöner gewesen, die<br />

Patzer wären gar nicht passiert. Aber wenigstens<br />

bekommt man die Behebung kostenlos<br />

und nicht in Form einer teuren Erweiterung.<br />

Mich würde Eure Meinung zu diesem Thema<br />

sehr interessieren. Wenn Ihr etwas dazu<br />

schreiben wollt – egal ob als Spieler, als Spieleentwickler<br />

oder gar als Verleger – so könnt<br />

ihr dies entweder in unserem Forum tun oder<br />

per E-Mail an leserbrief@anduin.de. •<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 69


ANDUIN <strong>95</strong><br />

SYSTEMVORSTELLUNG<br />

Das Weltenbuch<br />

DAS SATIRISCHE FANTASY-ROLLENSPIEL<br />

TEXT: JÜRGEN MANG<br />

ILLUSTRATION: JÜRGEN MANG, ANDREAS REXFORT<br />

Suchst Du epische Abenteuer? Eine Welt, in<br />

der Elfen noch echte Elfen, Zwerge noch echte<br />

Zwerge und böse Kriegsherren noch wirklich<br />

böse sind? Willst Du einen strahlenden Helden<br />

spielen – der für das Gute streitet, in düsteren<br />

Katakomben gegen eine Überzahl von Orks<br />

kämpft und mächtige Artefakte entdeckt?<br />

Und findest Du außerdem, Fantasy solle sich<br />

nicht so ernst nehmen? Dann sei Willkommen<br />

beim Weltenbuch, dem satirischen Fantasyrollenspiel.<br />

Das Weltenbuch ist ein satirisches und<br />

klischeehaftes Rollenspiel, dessen hervorspringendes<br />

Merkmal die Welt ist – die aufgeschlagene<br />

Doppelseite eines Buches. Auf<br />

dieser klischeehaften Fantasywelt stellen die<br />

Spieler wagemutige Helden dar, die epische<br />

Abenteuer erleben.<br />

Es gibt kaum ein Fantasyklischee, das auf<br />

dem Weltenbuch keine Gültigkeit hat. Auf<br />

der Doppelseite sollen durchaus ernsthafte<br />

Abenteuer gespielt werden, es ist kein Bierund<br />

Brezel-Rollenspiel zum Herumalbern,<br />

aber ein humoristischer Aspekt soll ruhig immer<br />

dabei sein.<br />

Die Doppelseite<br />

Das Weltenbuch wurde vor 8149 Jahren<br />

vom Leser aufgeschlagen, seither entwickelte<br />

sich, unter Mithilfe der anderen sieben<br />

Götter, eine fantastische Fantasywelt. Diese<br />

Welt wird von ihren Bewohnern einfach „die<br />

Doppelseite“ genannt. Merkwürdigerweise<br />

existieren auf dieser Welt die gleichen Naturgesetze<br />

wie auf einer kugelförmigen Welt:<br />

Es gibt den gewohnten Tag-Nacht-Rhythmus<br />

und Gravitation.<br />

Die Oberfläche der Doppelseite wird von<br />

Schreibwaren geprägt. Die Gebirge bestehen<br />

aus gefestigten Bröseln, einem Bleistift,<br />

einem Lesezeichen und einem Eselsohr.<br />

Das gewaltige Tropfenmeer wird von einer<br />

Sprudelflasche genährt und fließt durch den<br />

Rinnsal in die Falzschlucht. Über allen diesen<br />

Gegenständen breitete sich Staub aus. Durch<br />

die Macht des Gestalters und des Autors entstand<br />

eine blühende Flora und Fauna.<br />

Die Rassen und Völker<br />

Auf der Doppelseite leben viele menschliche<br />

Völker und Fantasyrassen. Neben Elfen<br />

und Zwergen verstärken auch Kobolde, Halblinge,<br />

Gnome, Feen und Yetis die gute Seite.<br />

Die zwei ältesten Rassen, die Elfen und Zwerge,<br />

greifen nur noch selten in das Geschehen<br />

der Welt ein – es ist die Zeit der Menschen<br />

und der anderen guten Rassen.<br />

Ihnen gegenüber stehen die bösen Rassen:<br />

Goblins, Oger, Orks und Trolle. Diese leben<br />

abgeschieden hinter dem Lesezeichengebirge<br />

und stellen nur eine Bedrohung dar, wenn<br />

aus der Unterseite ein Dämon emporsteigt,<br />

um sie in einen Krieg gegen das Gute zu führen.<br />

Die Echsenmenschen leben im heißesten<br />

Teil der Kuzduwüste und die Dunkelelfen tief<br />

in ihren Minen, der dunklen Stadt Dar-Cid.<br />

Dazwischen stehen die verschiedenen<br />

Menschenvölker, wobei der Großteil der<br />

Menschen dem Guten zugewandt ist. Dadurch<br />

können die bösen Rassen nur einen<br />

kleinen Teil der Doppelseite für sich beanspruchen<br />

und der letzte Krieg zwischen Gut<br />

und Böse fand vor 500 Jahren statt. Die Menschen<br />

beschäftigen sich weitgehend mit sich<br />

selbst: Die Kleinkarierten streiten kontinuierlich<br />

vor Gericht über alles nur denkbare, das<br />

Zweite Menschenreich konkurriert, seit man<br />

zurückdenken kann, mit dem Ersten Kaiserreich<br />

und die Barbarische Union ist uneinsichtig<br />

kriegerisch.<br />

Die Regeln<br />

Es ist bewusst ein klassisches System geworden,<br />

das zu dieser klischeehaften Fantasywelt<br />

passen soll. Die Regeln sind einfach<br />

gehalten, so dass der Spielleiter sie ebenso<br />

befolgen kann, wie er dies von den Spielern<br />

erwartet.<br />

Heldenerschaffung<br />

Jeder Held wird auf der Basis eines Klischees<br />

erstellt, z.B. Paranoider Dieb, Nerviger<br />

Zauberer oder Lustiger Überlebenskünstler,<br />

das die Rasse und somit die Attribute und<br />

den Beruf, die Klischeefertigkeit, bestimmt.<br />

Um den Helden den eigenen Wünschen anzupassen,<br />

können danach die Attribute verändert<br />

und Fertigkeiten und Ausrüstung gekauft<br />

werden. Ein Name, die Beschreibung<br />

des Helden und das Festlegen von Flags<br />

schließen die Heldenerschaffung ab.<br />

Seite 70<br />

Lesen & Spielen


SYSTEMVORSTELLUNG<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Fertigkeitsproben<br />

Alle Proben werden mit Attribut + Fertigkeit<br />

+ 2W6 gegen einen vom Spielleiter festgelegten<br />

Mindestwurf durchgeführt. Es gibt<br />

Patzer und kritische Erfolge und natürlich<br />

Mali und Boni, die auf den MW angerechnet<br />

werden.<br />

Kampf<br />

Auch Attacke und Parade im Kampf werden<br />

mit vergleichenden Fertigkeitsproben<br />

abgewickelt. Der Schaden wird von der Differenz<br />

von Angriffs- und Verteidigungswurf<br />

sowie der Waffe beeinflusst und von den Lebenspunkten<br />

abgezogen. Durch ein paar kleine<br />

Absicherungen sollte, trotz des tödlichen<br />

Kampfsystems, kein Held nur durch einen<br />

verpatzten Würfelwurf sterben. Der Spieler<br />

hat immer noch die Möglichkeit, einen zufällig<br />

bestimmten Gott anzuflehen um den Helden<br />

zu retten.<br />

Magie<br />

Die Magie der Doppelseite wird in die Bereiche<br />

Zauberei, Hexerei und Beschwören<br />

unterteilt. Unter jedem dieser Bereiche gibt<br />

es verschiedene Kategorien, die Zauberer,<br />

Hexen und Schamanen exklusiv erlernen<br />

können. Wenn ein Zauber gesprochen werden<br />

soll, wird die Kategorie und der MW vom<br />

Spielleiter festgelegt und eine Fertigkeitsprobe<br />

abgelegt. Diese Probe bestimmt auch,<br />

wie viel Manapunkte der Magiewirkende von<br />

seinem Manapool abziehen muss.<br />

Heldenpunkte<br />

Die Heldenpunkte sind der zentrale Mechanismus<br />

um vom Möchtegernhelden zum<br />

Profiheld aufzusteigen. Neben der normalen<br />

Steigerung dienen Heldenpunkte auch zur<br />

Vereinfachung von Proben und zum Erlangen<br />

eines Mitspracherechts bei den Auswirkungen<br />

von Proben. Heldenpunkte können<br />

durch das Erfüllen selbst bestimmter Flags<br />

und der Flags des Abenteuers erlangt werden.<br />

Die Abenteuer<br />

Mit dem Weltenbuch-Rollenspiel sollen die<br />

Spieler epische Abenteuer auf der Doppelseite<br />

bestehen und dies schon von Beginn an.<br />

Die Helden sind schon als Möchtegernheld<br />

überdurchschnittlich begabt und können<br />

ganze Städte vor dem Untergang bewahren<br />

oder gegen niedere Dämonen antreten.<br />

Durch die Heldenpunkte können die Helden<br />

immer wagemutigere Aktionen meistern<br />

und ein Sicherheitsnetz sorgt dafür, dass<br />

allzu Wagemutige auch eine zweite Chance<br />

bekommen. Epische Abenteuer und tollkühne<br />

Helden sollen gespielt werden, nicht zaudernde<br />

Anfänger, die ein kleines Dorf retten.<br />

Durch die Flags der Helden und die vorgestellte<br />

Abenteuererschaffung mit der Hilfe<br />

von Flags im Spielleiterkapitel lassen sich<br />

schnell, und vor allem passende, Abenteuer<br />

erstellen, die direkt auf die Helden zugeschnitten<br />

sind.<br />

Das Projekt<br />

Das Weltenbuch wurde von Jürgen Mang<br />

alias jcorporation im Herbst 2004 erdacht und<br />

seitdem auch in Eigenregie, natürlich unter<br />

tatkräftiger Hilfe von Unterstützern, entwickelt.<br />

Das Weltenbuch wird komplett online<br />

und frei entwickelt. Alle Texte und ein druckreifes<br />

PDF stehen unter das.weltenbuch.de<br />

unter einer CC-Lizenz zur Verfügung. Neben<br />

einem Forum bietet die Webseite auch einen<br />

interaktiven Heldengenerator, der fertig ausgefüllte<br />

Heldenpergamente erzeugt, und ein<br />

Wiki, in das jeder eingeladen ist, eigene Inhalte<br />

zum Weltenbuch beizusteuern. •<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 71


ANDUIN <strong>95</strong><br />

AND NOW FOR SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT<br />

Now for something<br />

completely different…<br />

HEUTE: GESKRIPTETE SZENEN<br />

TEXT: CHRISTOPH MASER<br />

Oft kann es vorkommen, dass ein Spielleiter<br />

beim Abenteuer schreiben den Ausgang<br />

einer Szene bereits festgelegt hat, bevor diese<br />

überhaupt gespielt wurde. Der Dieb entkommt.<br />

Die Charaktere retten die Prinzessin<br />

nicht. Ein Einbruch geht gnadenlos in die<br />

Hose. Das Shuttle stürzt ab. Das Auto kommt<br />

von der Strasse ab. Und dergleichen mehr.<br />

Auch einige Kaufabenteuer kennen Sätze<br />

wie „Der Erzfeind sollte in dieser Szene unbedingt<br />

entkommen.“ Oder „Warum die Charaktere<br />

einen Autounfall haben, liegt in den Händen<br />

des Spielleiters. Zu Beginn des Abenteuers<br />

passiert ein solcher Unfall…“ Dramaturgische<br />

Szenen, Abenteuereinstiege und dergleichen<br />

benötigen einfach ab und an einen festgelegten<br />

Ausgang. Und nur ein Gegner, der den<br />

Charakteren ein halbes Dutzend Mal durch<br />

die Lappen gegangen ist, ist auch ein Gegner,<br />

bei dem man sich freut, wenn man ihn dann<br />

endlich zu fassen bekommt.<br />

Nun werden solche Szenen zwar oft ausgespielt,<br />

aber der SL muss tricksen, um den<br />

vorher festgelegten Ausgang zu erreichen.<br />

Würfelwürfe werden verändert, NSCs würfeln<br />

öfter oder ein guter Wurf des Spielers<br />

wird uminterpretiert. Der Spieler hat vermeintliche<br />

Freiheit, die ihm aber weggenommen<br />

wird.<br />

Hier sind geskriptete Szenen eine Möglichkeit,<br />

diese Probleme zu umgehen. Da der<br />

Spieler keine Freiheit hat – und das auch weiß<br />

– kann sie ihm nicht weggenommen werden.<br />

Und solange es allen Spaß macht und/oder<br />

dem Abenteuer dient, ist das legitim. Den<br />

Spielern wird vor dem Spielen der Szene bereits<br />

das Ende verraten, jedoch wissen sie,<br />

was man von ihnen und ihren Charakteren<br />

erwartet.<br />

Wenn die unten beschriebene Idee mit<br />

der Gruppe oder dem aktuellen Setting nicht<br />

funktioniert hat und die Gruppe auch keinen<br />

neuen Versuch unternehmen will, sollte man<br />

diese Idee ruhen lassen. Wichtig ist aber,<br />

es mal auszuprobieren. Ebenso sollte man<br />

geskriptete Szenen nicht überstrapazieren,<br />

selbst wenn sie gut funktionieren.<br />

Spieler und Spielleiter, die Wert darauf legen,<br />

alle Szenen ergebnisoffen zu halten und<br />

den gesamten Ablauf des Abenteuers in die<br />

Würfel zu legen, werden mit dieser Idee wenig<br />

Freude haben.<br />

Was sind<br />

geskriptete Szenen?<br />

Zwei der Spieler verfolgen einen Mörder.<br />

Als sie ihn stellen, entdecken sie, dass es<br />

sich um einen alten Bekannten handelt, den<br />

sie für tot hielten und der im Verlauf des<br />

Abenteuers noch eine wichtige Rolle spielt.<br />

Daher ist es wichtig, dass der Mörder seinen<br />

Verfolgern entkommt. Um nicht einhundert<br />

verschiedene Ausreden zu erfinden, warum<br />

die Verfolgungsjagd schief geht und um die<br />

passende Dramaturgie in der Einstiegsszene<br />

zu erhalten, reicht der Spielleiter vor Beginn<br />

des Spiels den beiden betroffenen Spielern<br />

jeweils einen Zettel.<br />

Auf dem Zettel für Spieler 1 ist Folgendes<br />

zu lesen:<br />

Hinweis: Dies ist die Einstiegsszene für das<br />

heutige Abenteuer. Es ist wichtig, dass alles<br />

so abläuft wie unten beschrieben. Tob Dich<br />

innerhalb der gesetzten Grenzen ordentlich<br />

aus und versuche, es dramatisch zu<br />

gestalten.<br />

Du verfolgst einen Mörder durch die<br />

Baustelle. Von Deinem Gefährten wirst Du<br />

getrennt. Er wird sich im Laufe der Verfolgungsjagd<br />

schwer verletzen. Du rennst zur<br />

Unfallstelle. Unvermittelt wirst Du auf eine<br />

Person treffen, die Du nicht erwartest. Die<br />

Umstände Eures Zusammentreffens sind<br />

überraschend und ungünstig.<br />

Spiele actionreich, aber kontrolliert.<br />

Dein Gegner muss entkommen, da er der<br />

Aufhänger für das heutige Abenteuer ist.<br />

Spiele Deinen Charakter aus wie Du meinst.<br />

Sorge aber dafür, dass Du keine Munition<br />

mehr hast, wenn Du auf ihn schießen willst<br />

oder erzähle, dass Du zu erschrocken bist.<br />

Dein Gegenüber hat dir das Leben gerettet.<br />

Vielleicht schenkst Du ihm nun das seine,<br />

um ihn im restlichen Abenteuer zu jagen.<br />

Oder Du musst Dich entscheiden zwischen<br />

einer weiteren Verfolgung oder Deinem<br />

verletzten Freund.<br />

Weitere Informationen wirst Du im Spiel<br />

erhalten.<br />

Der zweite Spieler erhält folgenden Text:<br />

Hinweis: Dies ist die Einstiegsszene für das<br />

heutige Abenteuer. Es ist wichtig, dass alles<br />

so abläuft wie unten beschrieben. Tob Dich<br />

innerhalb der gesetzten Grenzen ordentlich<br />

aus und versuche, es dramatisch zu<br />

gestalten.<br />

Du wirst zusammen mit Spieler 1 einen<br />

Mörder durch eine Baustelle verfolgen.<br />

Ich möchte, dass Du einen Unfall baust,<br />

bei dem Du bewusstlos wirst. Ein Baugerüst<br />

gibt nach, Du überschätzt Dich beim<br />

Springen, rutschst beim Klettern ab, etc. Es<br />

ist wichtig, dass nicht Dein Verfolger Dich<br />

verletzt – und diesen Verfolger sollst Du<br />

auch nicht einholen oder abknallen.<br />

Wichtig: Sorge dafür, dass Spieler 1 nicht<br />

bei dir ist, wenn Du den Unfall hast, sondern<br />

ca. 30 Sekunden benötigt, um bei dir<br />

zu sein. Weitere Informationen wirst Du –<br />

wenn nötig – im Spiel erhalten.<br />

Nachdem beide Spieler ihre Anweisungen<br />

gelesen haben, spielt der SL zusammen mit<br />

ihnen die Szene. Die beiden Spieler beschreiben<br />

die Verfolgungsjagd, der Spielleiter reagiert.<br />

Dann werden die beiden getrennt<br />

(„Ich schneide ihm den Weg ab! Folge Du ihm<br />

weiter!“) und Spieler 2 erleidet einen Unfall.<br />

Spieler 1 kommt ihm zur Hilfe und erkennt<br />

auf einmal in dem Mörder seinen totgeglaubten<br />

Bruder Robert. Er lässt ihn entkommen,<br />

schwört aber, ihn ab nun erbarmungslos zu<br />

jagen.<br />

Der Spielleiter gibt Spieler 1 am Ende noch<br />

einen Zettel. Auf diesem steht:<br />

Das ist Robert, Dein totgeglaubter Bruder,<br />

der vor zwei Jahren bei einem Unfall starb.<br />

Robert hat dir das Leben gerettet, als er<br />

Seite 72<br />

Lesen & Spielen


AND NOW FOR SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Dich im Kindesalter aus eurem brennenden<br />

Haus trug. Robert hat Deine Eltern<br />

umgebracht und Dich dafür ins Gefängnis<br />

gebracht.<br />

Wichtig: Gib im Spiel die Information preis,<br />

dass Du Robert unendlich hasst und ihn bis<br />

ans Ende der Welt jagen wirst. Das kannst<br />

Du ihm ins Gesicht sagen.<br />

Der Spielleiter konnte sich auf die Beschreibung<br />

und kleine Details konzentrieren, da er<br />

nicht die Flucht des Mörders planen und die<br />

Szene entsprechend anpassen musste. Die<br />

beiden Spieler ärgern sich nicht, dass am<br />

Schluss mal wieder alles durch SL-Willkür endet<br />

und können sich innerhalb der gesteckten<br />

Grenzen austoben, ohne zu befürchten,<br />

etwas falsch zu machen oder etwas zu übersehen.<br />

Dabei ist alles noch sehr spannend,<br />

da sie wissen, dass am Ende offenbar eine<br />

unerwartete Überraschung auf sie wartet.<br />

Vorfreude ist die schönste Freude. Und die<br />

restliche Gruppe hatte besonderes Kopfkino.<br />

Wenn Spieler 1 am Ende seinen eigenen<br />

Bruder erkennt und sich ein gequältes „Robert…<br />

ich verstehe nicht. Du solltest tot sein!“<br />

abringt, dann hasserfüllt „Ich sollte Dich umbringen,<br />

Du verdammtes Schwein!“ brüllt,<br />

um letztendlich „Du hast damals mein Leben<br />

gerettet. Nun lasse ich Dich ziehen und rette<br />

Deines. Aber ich schwöre, ich werde Dich verfolgen<br />

und umbringen. Und nun verschwinde.<br />

Du bist nicht mehr mein Bruder!“ zu flüstern,<br />

ist das besser, als mit Spielleiterwillkür den<br />

Bösewicht doch noch entkommen zu lassen<br />

und Spieler 1 mitzuteilen. „Entsetzt blickst<br />

Du den Mörder an. Das ist Robert, Dein totgeglaubter<br />

Bruder, der dir einst das Leben rettete<br />

und den Du wegen eines schrecklichen Verrates<br />

am liebsten umbringen würdest.“<br />

Das verlangt natürlich einiges von den<br />

Spielern ab.<br />

Wo passen<br />

geskriptete Szenen?<br />

Geskriptete Szenen lassen sich fast universell<br />

einsetzen.<br />

Lesen & Spielen<br />

1) Wenn eine Szene einen bestimmten Ausgang<br />

haben soll, den man auf anderem<br />

Wege nicht erreichen kann als durch<br />

Schummeln. Oben genanntes Beispiel<br />

hätte man z.B. auch lösen können,<br />

indem sich die beiden Brüder über ein<br />

unüberwindbares Treppenhaus hinweg<br />

erkennen oder SC1 vor die Wahl gestellt<br />

wird, SC2 zu versorgen oder den NSC zu<br />

verfolgen.<br />

2) Wenn man Rückblenden aus dem Leben<br />

der Charaktere einbauen möchte. Der<br />

vorgesetze Offizier, der einem das Leben<br />

rettete. Der ewige Liebesschwur auf<br />

den Klippen am Meer aus glücklicheren<br />

Zeiten, der für den Hintergrund des Charakters<br />

wichtig ist. Der alte Freund aus<br />

guten Zeiten, der nun verschwunden<br />

ist. Ein immer wiederkehrender Traum,<br />

in dem der Spieler jedes Mal ein Stück<br />

näher an die Tür kommt, die er bisher<br />

nie öffnen konnte. Der Bruch des großen<br />

Schwurs. Das verlorene Duell. Der Unglücksfall,<br />

der die Schwester tötete oder<br />

verstümmelte.<br />

3) Um Szenen und Episoden zu erzählen, in<br />

die die Spieler nicht involviert sind, die<br />

sie aber in Erfahrung bringen können.<br />

Der alte Mann erzählt den SCs von dem<br />

tragischen Eifersuchtsdrama, das vor<br />

fast 100 Jahren die alte Mühle zerstörte.<br />

Der SL kann nun erzählen oder solche<br />

geskripteten Szenen austeilen. Neben<br />

dem Plotablauf finden sich auf den<br />

Skripten noch kurze Charakterbeschreibungen<br />

der handelnden Personen. Und<br />

schon spielen die Spieler, wie Lenny<br />

seinen Bruder Bob erschlug, weil dieser<br />

seine Frau Magrete liebte und wie Magretes<br />

Schwester daraufhin die Mühle<br />

anzündete.<br />

Wie mache ich das?<br />

Ein paar einfache Regeln sollte man beim<br />

Schreiben von geskripteten Szenen beachten.<br />

1) Die Texte sollten kurz sein oder in einem<br />

passenden Moment von den Spielern<br />

gelesen werden können. Nichts hemmt<br />

den Spielfluss so sehr wie ein „Moment,<br />

ich muss mal kurz diese Din A4-Seite hier<br />

lesen.“<br />

2) Die Szene, die gespielt wird, sollte nicht<br />

länger als wenige Minuten am Spieltisch<br />

dauern. Wer weiß, dass ihm der Gegner<br />

eh entkommen wird oder wer von<br />

seinem Geliebten verraten wird, möchte<br />

nicht unbedingt 6 Stunden lang spielen,<br />

bis der Verrat endlich kommt.<br />

3) Der Spielleiter sollte den Charakter<br />

ungefähr kennen, für den er die Szene<br />

geschrieben hat. Nichts ist ärgerlicher,<br />

als wenn ein Charakter zu etwas<br />

gezwungen wird, was er von seinem<br />

Charakterkonzept her nicht machen<br />

würde. Hier kann man aber mit dem<br />

Spieler im Vorfeld reden. „Ich habe<br />

einmal in meinem Leben den Schwur der<br />

Gewaltlosigkeit gebrochen. Nur einmal,<br />

und es verfolgt mich mein ganzes Leben.“<br />

4) Es muss nicht immer Zucker dabei sein,<br />

damit Spieler die bittere Bevormundung<br />

schlucken. Wer merkt, dass der eigene<br />

Charakter im Mittelpunkt steht und<br />

wem Charakterhintergrund wichtig ist<br />

und wer diesem auch Raum im Spiel geben<br />

möchte, wird in einer geskripteten<br />

Szene auch eine bittere Pille schlucken.<br />

5) So vage wie möglich. Nichts langweilt<br />

mehr, als im Szeneskript alles Wichtige<br />

zu erfahren, was man auch im Spiel<br />

hätte in Erfahrung bringen können. Man<br />

kann eine solche Szene auch in mehrere<br />

Skripten aufteilen und so die Spannung<br />

aufrecht halten. •<br />

DANKSAGUNG<br />

Nein, dieser Seitenkasten gehört nicht<br />

zum nebenstehenden Artikel. Viel mehr<br />

möchte ich diesen Platz hier nutzen, um<br />

mich in meiner Funktion als Chefredakteur<br />

bei einigen Leuten für Ihre Unterstützung<br />

zu bedanken.<br />

Danke, Dani, für das Titelbild und die<br />

kurzfristige Unterstützung bei so vielen<br />

weiteren Artikeln! Ohne Dich wäre diese<br />

Ausgabe wesentlich ärmer!<br />

Ebenfalls ein herzliches Dankeschön<br />

geht an Tobi, der zwar dieses Mal nur mit<br />

einem Artikel präsent ist, dafür aber die<br />

Motivation im Forum hoch hält, große Teile<br />

des Lektorats übernommen hat und uns<br />

auf der RPC vertreten wird.<br />

Für besondere Konstanz und die wunderbare<br />

Texte möchte ich mich bei Friederike,<br />

Joachim und Marco bedanken, die<br />

alle drei jeweils in dieser und der letzten<br />

Ausgabe ein Abenteuer beigesteuert haben.<br />

Jennifer und Norman für Ihre Hilfe in<br />

letzter Minute.<br />

Grüße und ein dickes Dankeschön gehen<br />

an die Ursu, die ihre Zeit in den öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln mit dem Lektorat<br />

der <strong>Anduin</strong> verbringt.<br />

Für die Unterstützung durch Rezensionen<br />

gilt mein Dank Ingo und der Seite<br />

www.lorp.de.<br />

Und dann noch einen besonderen Dank<br />

an Michael Knarr, der wahrscheinlich<br />

ohne es zu ahnen, mir das Thema für die<br />

Rubrik „Offen heraus“ geliefert hat.<br />

Natürlich gibt es noch viele weitere Personen,<br />

welche diese Ausgabe der <strong>Anduin</strong><br />

durch ihre Ideen, Texte und Illustrationen,<br />

vor allem aber durch ihre unentgeltliche<br />

und hochmotivierte Arbeit, erst möglich<br />

gemacht haben. Bei ihnen allen möchte<br />

ich mich herzlich bedanken!<br />

Euer Tommy<br />

Seite 73


ANDUIN <strong>95</strong><br />

RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />

Raubkopien<br />

von Rollenspielen<br />

MEHR ALS EIN KAVALIERSDELIKT<br />

TEXT: ALEXANDER DOTOR<br />

ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />

Die letzten Klänge der Eiscreme-Werbung<br />

verstummen und das Licht wird dunkler.<br />

Gemütlich sinkt man in den Kinosessel, füllt<br />

die Hand mit Popcorn, wirft ein. Doch statt<br />

bunter Bilder erscheint ein Text mit dem<br />

Charme einer Todesanzeige. Raubkopien<br />

sind verboten. Im Saal verteilte Lacher. „Oh,<br />

vielleicht hätte ich mal meinen Rechner ausmachen<br />

sollen.“ Abfilmen wird bestraft. „He<br />

Lisa, musst du immer die Kamera aufbauen.“<br />

Gelächter. Leise werden Anekdoten von Studentenwohnheimen<br />

und Datenlagern im Terrabyte-Bereich<br />

ausgetauscht. Die Meldung<br />

steht immer noch da. Ein entnervtes „Boah,<br />

wir wissens langsam!“. Stur bleibt der Text<br />

auf der Leinwand und beginnt erst Sekunden<br />

später langsam auszublenden.<br />

Raubkopien von Filmen und Musikstücken<br />

aus dem Internet laden: ein „Kavaliersdelikt“<br />

der modernen Medienwelt. eMule, Kazaa<br />

und weitere File-Sharing-Programme nutzen<br />

das Internet, um Dateien auszutauschen. Alles,<br />

was sich in eine Datei packen lässt, kann<br />

auch über diese Tauschbörsen getauscht<br />

werden: Filme, Musik, Bilder und Bücher –<br />

und darunter auch Rollenspiele. Doch kriegen<br />

die Verlage so was überhaupt mit, und<br />

was tun sie dagegen?<br />

Im Zeichen des Esels<br />

„[Etwas runtergeladen?] Ja, wenn interessante<br />

Produkte erhältlich sind. Bei<br />

Mainstream-Systemen ist das oft schon<br />

einige Tage nach Erscheinen der Fall.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Aus der Anfangszeit der Rollenspiele sind<br />

mir Raubkopien – Fotokopien unserer<br />

Regelwerke – noch gut bekannt. Zum Glück<br />

hielt sich die Kopiererei in Grenzen.“<br />

— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />

Schauen wir uns mal das „Angebot“ an Rollenspielen<br />

näher an. Ich habe mich zu diesem<br />

Zweck am 5.5.04 auf dem Server „Razorback<br />

2“ mit dem File-Sharing-Client eMule eingeloggt.<br />

Zu diesem Zeitpunkt<br />

waren ca. 550.000 Benutzer<br />

online, die knapp über 50.<br />

Mio. Dateien zum Download freigegeben<br />

hatten. Nun habe ich nach<br />

pdf-Dateien gesucht, die in ihrem Dateinamen<br />

den Namen eines gängigen<br />

Rollenspielsystems enthalten. D&D<br />

schlägt dabei alle Systeme um Längen.<br />

„Natürlich bekommen wir mit, dass es<br />

Raubkopien (Scans und PDF-Dateien)<br />

unserer Produkte gibt. In der Regel werden<br />

wir von Kunden darauf hingewiesen, die<br />

sich besorgt über diese Entwicklung an<br />

uns wenden. Viel Aufmerksamkeit können<br />

wir dieser Tatsache aber nicht widmen, da<br />

gerade aufgrund der Struktur der Tauschbörsen<br />

eine Verfolgung sehr aufwendig und<br />

kostspielig ist, wie ja auch die Bemühungen<br />

der Musik- und Filmindustrie zeigen.“<br />

— Björn Meyer, Amigo<br />

„Wir beobachten den Markt, speziell eBay.<br />

Wir bekommen viele Hinweise über illegales<br />

Vorgehen, was unsere Produkte betrifft,<br />

von einzelnen Leuten aus der Szene, die<br />

unsere Produkte in kopiertem Zustand<br />

angeboten sehen, über Hinweise auf eBook<br />

Anbieter, die illegalerweise Romane oder<br />

Rollespielprodukte ins Netz stellen, bis hin<br />

zu CDs, rammelvoll mit unserem Material,<br />

die uns von der Polizei geschickt werden.“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

„Bislang sind mir solche Raubkopien nicht<br />

bekannt; allerdings sind wir wahrscheinlich<br />

ein zu kleiner Verlag, um wirklich davon<br />

betroffen zu sein.“<br />

— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />

Diese Beobachtung von Ralf deckt sich mit<br />

meinen Suchergebnissen bei eMule. Es scheinen<br />

vor allem größere Verlage von Raubkopien<br />

betroffen zu sein – weitgehend unbekannte<br />

Systeme oder Supplements kleiner<br />

Verlage waren überhaupt nicht vertreten.<br />

Eine Liste der „beliebtesten“ Produkte<br />

habe ich nicht erstellt – da hätte ich die halbe<br />

D&D Produktpalette aufzählen können, bevor<br />

irgend ein anderes System drankommt.<br />

Darum habe ich einfach von jedem System<br />

das „beliebteste“ Produkt rausgesucht, also<br />

für das die meisten Quellen zur Verfügung<br />

standen. Der Mittelerde-Atlas von MERP<br />

steht wahrscheinlich wegen der „Herr der<br />

Ringe“-Filme so hoch im Kurs.<br />

„Chaosium, der amerikanische Hersteller,<br />

hat durchaus ein Problem mit Raubkopien.<br />

Kopien von unseren Werken sind, soweit ich<br />

weiß, noch nicht im Umlauf. Wir beobachten<br />

das aber.“<br />

— Frank Heller, Pegasus<br />

Seite 74<br />

Lesen & Spielen


RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

ES IST SCHWER einen<br />

Raubkopierer zu fangen<br />

„Raubkopien sind schwer zu verfolgen –<br />

wegen Ländergrenzen und Anwaltskosten.“<br />

Lesen & Spielen<br />

— Lynn Willis, Chaosium<br />

Durch die Verbreitung von Raubkopien<br />

über das Internet ist es gar nicht so einfach<br />

für die Verlage auf Raubkopien entsprechend<br />

zu reagieren. Während die Dateien Ländergrenzen<br />

ohne Aufwand passieren, können<br />

die rechtlichen Schritte nur mit großer Mühe<br />

ausgeführt werden. Bisher leistet es sich<br />

meines Wissens nur die Filmindustrie, auch<br />

gegen „private“ Raubkopierer im Ausland<br />

vorzugehen. Viele Raubkopierer rechnen sogar<br />

mit diesem „Schutz“ vor ausländischen<br />

Verlagen.<br />

„Es gibt ja die Gesellschaft zur Verfolgung<br />

von Urheberrechtsverletzungen. Dieser<br />

melden wir auf Bitten von Chaosium Verstöße<br />

in Deutschland, die Chaosium betreffen.<br />

Wir selbst waren, wie gesagt, noch nicht<br />

betroffen, aber auch da würde es sicher<br />

ähnlich ablaufen.“<br />

— Frank Heller, Pegasus<br />

Bei deutschen Verlagen muss man schon<br />

eher mit Konsequenzen rechnen, denn auch<br />

über eMule oder Kazaa kann die Adresse eines<br />

Rechners eindeutig bestimmt werden.<br />

Diese wird eurem Provider (z.B. Deutsche<br />

Telekom) zugeordnet, der dann eine Verbindung<br />

mit eurer Person (bzw. dem, der die<br />

Rechnung zahlt) herstellen kann.<br />

„Wenn wir merken, dass zum Beispiel<br />

jemand im Internet Produkte von uns zum<br />

Download anbietet, dann wird er zunächst<br />

darauf aufmerksam gemacht, dass wir das<br />

nicht tolerieren. Sollte darauf keine Reaktion<br />

erfolgen, dann übergeben wir die Sache<br />

einem Anwalt.“<br />

— Florian Don-Schauen, FanPro<br />

„Im Internet bin ich bisher nur auf die Kopien<br />

von zwei unserer Abenteuer gestoßen.<br />

Im ersten Fall wurde das Abenteuer auf<br />

meine Bitte hin sofort vom Server genommen;<br />

im zweiten Fall waren die reinen Spieldaten<br />

auf ein anderes Sujet umgeschrieben<br />

worden und eine Einigung mit dem „Bearbeiter“<br />

vergleichsweise unproblematisch.“<br />

— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />

„Es gibt zwei Sorten [von Raubkopierern]:<br />

der Fan, der für seinen eigenen Gebrauch<br />

kopiert, und Leute, die viele Kopien erstellen<br />

in der Hoffnung damit Geld zu machen.“<br />

— Lynn Willis, Chaosium<br />

„Da die rechtliche Verfolgung sehr aufwendig<br />

und kostspielig ist, bleibt hier vor<br />

allem die Möglichkeit durch Aufklärung und<br />

Informationen eine größere Sensibilität bei<br />

den Spielern zu erzeugen. Häufig ist nicht<br />

bekannt, wie aufwendig und kostspielig die<br />

Entwicklung und Produktion von qualitativ<br />

hochwertigen Rollenspielprodukten ist.“<br />

— Björn Meyer, Amigo<br />

Die Verlage wollen bestimmt nicht alle Kopierer<br />

in den Knast bringen, sondern sie gehen<br />

oft sehr kulant vor, bevor sie rechtliche<br />

Schritte einleiten – Geschichten von „den<br />

bösen Verlagsleuten, die einem drohen, weil<br />

man mal ein Bild aus einem Abenteuer online<br />

gestellt hat“, können wohl ins Reich der Fabeln<br />

verwiesen werden. Doch nur, weil man<br />

höflich auf einen Missstand hinweist, heißt<br />

das noch lange nicht, dass er einem fast egal<br />

ist – ganz im Gegenteil:<br />

„FanPro geht rechtlich gegen Raubkopierer<br />

vor, und das kann allen anderen Herstellern<br />

auch nur empfohlen werden. Wer Rollenspiele<br />

raubkopiert, sollte sich klarmachen,<br />

dass er kleine Firmen schädigt, die Alternativen<br />

in einer immer desolater werdenden<br />

Unterhaltungslandschaft anbieten […] Das<br />

macht wütend, und daher wehren wir uns.“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

„Wir leben in der „Geiz ist geil!“-Gesellschaft;<br />

wir wollen alles haben, es darf aber<br />

nichts kosten. Wieso sollte ich für etwas<br />

zahlen, was ich auch kostenlos haben kann?<br />

Die „Ich-AG“ spart ihr Geld und blickt nur<br />

noch auf sich selbst; nach mir die Sintflut,<br />

Hauptsache, mir geht es besser! […] Merkt<br />

man eigentlich, dass mich dieses Thema<br />

etwas nervt?“<br />

— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />

Den Verlagen sind Raubkopien bekannt<br />

und sie sind ihnen nicht egal. Doch rechtliche<br />

Maßnahmen sind aufwändig, und auch oft<br />

nicht im Sinne des Verlages. Immerhin geht<br />

es um (gesetzesunkundige) Privatpersonen<br />

– und potenzielle Kunden. Zudem haben die<br />

Verlage einen Ruf zu verlieren.<br />

„Mir kommen dabei schlicht und einfach die<br />

Begriffe „Rücksichtslosigkeit“ und „Egozentrik“<br />

in den Sinn. In meinen Augen laufen<br />

Raubkopierer auf einer Linie mit Leuten, die<br />

ihren Sperrmüll irgendwo im Wald ablegen<br />

oder hierzulande verbotene Pflanzenschutzmittel<br />

und Medikamente in die Dritte Welt<br />

verscherbeln: den Blick nur auf den eigenen<br />

Vorteil gerichtet.“<br />

— Florian Don-Schauen, FanPro<br />

Gebt mir einen Grund!<br />

„[Die Verlage sagen], dass alle, die Raubkopien<br />

runterladen böse Schwerverbrecher<br />

sind und man ihnen am besten die Finger<br />

abscheiden soll, damit sie nicht mehr würfeln<br />

können.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

Diskussionen über Raubkopien drohen<br />

leicht aus dem Ruder zu laufen und zu verhärteten<br />

Fronten zu führen – einen tieferen<br />

Einblick in die Thematik bekommt man dadurch<br />

allerdings nicht. Vielleicht sollten wir<br />

die Ursache ergründen. Warum laden sich<br />

Leute überhaupt Raubkopien runter?<br />

„Wenn Raubkopierer ehrlich wären, steht<br />

bei den meisten ein Motiv im Vordergrund:<br />

Geld sparen. Hinzu kommen noch andere<br />

Dinge, bis hin zu der Idee des „Robin Hood“-<br />

Verhaltens: Manch einer, der im Spiel als<br />

Shadowrunner Großkonzerne schädigt,<br />

fühlt sich im echten Leben genauso cool,<br />

wenn er einen Kon wie FanPro schädigt.“<br />

— Florian Don-Schauen, FanPro<br />

„Man muss wissen, dass die Auflagen im<br />

Rollenspielbereich sehr klein sind, selbst bei<br />

den eigentlich größeren Verlagen. Rollenspiel<br />

ist auch auf Macherseite überwiegend<br />

Liebhaberei und keine Abzocke. Selbst bei<br />

einem großen Spiel wie DSA merkt man das<br />

noch. Verkaufsstrategien, die die Käufer<br />

dazu bringen sollen, noch mehr Bücher kaufen<br />

zu müssen, sind oft auch nicht Abzocke,<br />

sondern verzweifelter Überlebenskampf<br />

eines Verlages.“<br />

— Frank Heller, Pegasus<br />

„Robin Hoods“ gibt es wohl überall – mir<br />

sind sie besonders aus der Computerbranche<br />

bekannt, wo gigantische Konzerne, wie Microsoft<br />

oder Intel, den Markt z.T. aggressiv<br />

dominieren. Aber FanPro als Microsoft der<br />

Rollenspiel-Szene?<br />

„Hm, chronische Geldknappheit. Ab und zu<br />

kleinere „Originale“ kann ich mir gerade<br />

noch leisten, aber ich bin wirklich so pleite,<br />

wie es den Anschein macht. Von daher<br />

bleibt mir doch nicht wirklich die Wahl,<br />

wenn ich „auf dem aktuellen Stand“ bleiben<br />

will.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Die Produkte sind zu teuer? Stimmt nicht,<br />

gemessen an der Arbeit und den Kosten, die<br />

in Rollenspielentwicklung einfließen, müssten<br />

sie viel teuerer sein. Daher geben sich ja<br />

auch keine größeren Firmen mit Rollenspielen<br />

ab – es rentiert sich nicht für sie!“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

„Aufgrund der recht hohen Preise von<br />

Seite 75


ANDUIN <strong>95</strong><br />

RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />

VERGRIFFENES<br />

Vergriffene Produkte<br />

Nicht alle Raubkopien sind aktuelle Produkte.<br />

Nicht mehr erhältliche Werke bilden<br />

einen festen Bestandteil in den Tauschbörsen<br />

im Internet. Doch rechtlich gesehen<br />

sind diese Dateien ebenfalls Raubkopien.<br />

„Als Fan fände ich es von Vorteil, wenn<br />

auf diese Weise vergriffene Werke noch<br />

erhältlich blieben; wie viele Spiele oder<br />

Abenteuer und Quellenbände sind über<br />

die Jahre verschwunden und gar nicht<br />

mehr erhältlich. Und so könnte ich meine<br />

„Ghostbusters“- oder „Gamma World“-<br />

Sammlung endlich komplettieren, wenn<br />

auch vielleicht nur „elektronisch“.“<br />

— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />

„Klar ist es nicht gut für die Verlage, aber<br />

zum Teil ist es die einzige Möglichkeit an<br />

alte oder seltene Systeme zu kommen.“<br />

— anonymer Spieler<br />

„[…] sehe ich persönlich das Kopieren<br />

von vergriffenen Büchern mit etwas<br />

mehr Langmut. Denn hier entgeht dem<br />

Verlag kein Geld, das an anderer Stelle<br />

fehlt; ein Schaden würde erst bei einer<br />

Neuauflage eintreten können. Ich will<br />

hier natürlich niemandem raten, „Kopiere<br />

vergriffene Bücher“, denn verboten<br />

ist auch dies, aber ein Verlag wird sich<br />

dadurch sicher nicht im gleichen Maße<br />

geschädigt sehen.“<br />

— Frank Heller, Pegasus<br />

„Ein Argument wäre, alte und vergriffene<br />

Werke zugänglich zu machen und<br />

zumindest auf diesem Weg den nächsten<br />

Spielergenerationen zur Verfügung zu<br />

stellen. Das wäre vielleicht auch mal eine<br />

interessante Aufgabe für die Verlage,<br />

etwas Gutes für ihre Kunden zu tun.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

Rollenspielbüchern kann ich Spieler, die<br />

häufig Schüler oder Studenten sind, ja<br />

verstehen, wenn sie diese Kosten nicht<br />

tragen wollen.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Die meisten MIDGARD-Spieler sind<br />

Studenten oder stehen im Berufsleben,<br />

so dass der monetäre Aspekt bei uns<br />

keine so große Rolle spielt wie bei einem<br />

Rollenspiel, das sich in erster Linie an ein<br />

jüngeres Publikum wendet.“<br />

— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />

„Regelhefte sind sehr teuer, zudem<br />

nutzt man viele nicht sehr<br />

intensiv, so dass die<br />

Ausgabe einer höheren<br />

Summe nicht berechtigt<br />

erscheint.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„[…] Firmen, deren Produkte<br />

ohnehin nur von einem<br />

Teil einer Spielergruppe gekauft<br />

werden müssen (normalerweise<br />

haben wir 4-6 Spieler pro Rollenpielgruppe,<br />

aber nur einen<br />

Satz Regeln/Abenteuer).<br />

Daher ist es für Rollenspielhersteller<br />

doppelt bitter, wenn<br />

ihnen von ihrem vergleichsweise<br />

schmalen Einnahmenrinnsal auch<br />

noch das Wasser abgegraben wird.“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

Wenn das Taschengeld nicht ausreicht,<br />

dann greift man halt zum Download-Client.<br />

Das jüngere Publikum hat auch ein ganz anderes<br />

Verhältnis zum Geld und zum Bezahlen<br />

– es ist für die Freizeitgestaltung da und<br />

nicht zum Broterwerb. Und vielleicht spielt<br />

da auch noch die Gewöhnung an elektronische<br />

Medien eine Rolle. „Ältere“ Rollenspieler<br />

wollen vielleicht doch noch eher ein<br />

Buch in der Hand halten.<br />

„Da glaube ich wirklich dass, wer sich<br />

Raubkopien zieht, auch in den Laden geht<br />

und Bücher kauft.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Als Käufer ist einem das vielleicht nicht<br />

bewusst, denn das eigene Spezialgeschäft<br />

steht schließlich voll mit Rollenspielbüchern,<br />

die professionell aussehen – also<br />

muss doch jemand echt Kohle damit<br />

machen!? Nein, leider nicht, denn außer<br />

in ein paar Spezialgeschäften findet man<br />

keine Rollenspiele, und insgesamt sind die<br />

Zahlen daher gar nicht so hoch.“<br />

— Frank Heller, Pegasus<br />

„Für mich ist das eher temporär, wenn<br />

ich mal das nötige Geld habe (sprich: in<br />

einigen Jahren), hätte ich schon gern die<br />

Originale. Gerade auch, um die Rollenspiel-<br />

Industrie zu unterstützen.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Ich wollte wissen ob sich die Anschaffung<br />

des Endproduktes lohnt. Oft ist die Info<br />

der Firma mehr als dürftig, zum Glück hat<br />

WotC das erkannt und publiziert immer<br />

ausgiebig über ihre Neuvorstellungen.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Vielen Raubkopierern ist scheinbar gar<br />

nicht klar ist, welchen Schaden sie verursachen.<br />

Sie halten ein derartiges Verhalten<br />

häufig für ein Kavaliersdelikt oder sogar<br />

für Werbung für die Produkte. Dazu<br />

kommen wohl auch vereinzelt Raubkopierer,<br />

welche die Preise der Produkte für zu<br />

hoch halten und somit den Verlagen einen<br />

Denkzettel verpassen wollen. Das Internet<br />

ist an sich eine sehr positive Plattform, gerade<br />

auch für das Hobby Rollenspiel, aber<br />

leider hat es in den letzten Jahren gerade<br />

im Internet eine zunehmende Desensibilisierung<br />

für Rechte und geistiges Eigentum<br />

gegeben.“<br />

— Björn Meyer, Amigo<br />

Eine weitere Idee: Raubkopien werden<br />

einfach heruntergeladen, weil es möglich<br />

ist. Wenn man schon am Rechner sitzt und<br />

sich Musik saugt, dann kann man sich auch<br />

nebenbei ein Regelwerk ziehen. Es ist einfach,<br />

unkompliziert und es ist kein Aufbruch<br />

in ein Geschäft nötig. Manche Leute sammeln<br />

MP3s ohne sie zu hören – vielleicht<br />

sammeln manche auch Rollenspiele ohne<br />

sie zu spielen.<br />

„Ich lade Raubkopien runter als Nachschlagewerke,<br />

oder von neuen Systemen<br />

um mal in Ruhe reinzuschauen, oder weil<br />

ich noch nicht das Geld habe um mir die<br />

Bücher zu kaufen. Wenn meine Finanzen<br />

es zulassen, kaufe ich mir die Bücher. Denn<br />

auf Papier zu lesen ist angenehmer als am<br />

Monitor und die Qualität der runtergeladenen<br />

Sachen ist meist sch…“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Doch selbst wenn ich mir ein PDF ausdrucke,<br />

werde ich im Endeffekt kein wirkli-<br />

Seite 76<br />

Lesen & Spielen


RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

ches Buch haben, sondern einen Schnellhefter<br />

mit Prospekthüllen oder Ähnliches.<br />

Oder ich muss eventuell so viel Geld und<br />

Mühe aufwenden, dass sich das Raubkopieren<br />

nicht mehr lohnt.“<br />

— Ralf Sandfuchs, Krimsu<br />

„Tja, ich persönlich halte nicht viel davon<br />

Rollenspielprodukte zu kopieren. Ich habe<br />

lieber das echte Buch in der Hand, anstelle<br />

von irgendwelchen PDF-Dateien, deren<br />

Ausdruck mich fast so viel kostet wie das<br />

Endprodukt.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

Häufig sind die Scans der Produkte von<br />

schlechter Qualität. Es erfordert viel Zeit und<br />

Aufwand eine Kopie zu erstellen – mit ein<br />

paar Stunden ist es nicht getan. Jede Seite<br />

wird als Bild abgelegt und dann die Seiten zu<br />

einem PDF zusammengefasst. Oft ist dann<br />

die Auflösung so niedrig, dass die Schrift total<br />

verpixelt und somit kaum lesbar ist. Die<br />

Bilder müssten eigentlich nachbearbeitet<br />

werden und dies ist ohne entsprechende<br />

Kenntnisse in der digitalen Bildbearbeitung<br />

ein langwieriger Prozess. Bei Büchern und<br />

Rollenspielen gilt eben noch – im Gegensatz<br />

zu Film und Musik – dass eine Kopie schlechter<br />

als das Original ist.<br />

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass [Raubkopieren]<br />

ein ernstes Problem ist. Denn am<br />

Bildschirm lesen macht keinen Spaß, und<br />

ausdrucken ist bei den Mengen auch nicht<br />

mehr günstig.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Nachvollziehen kann ich das [Raubkopieren]<br />

bei Rollenspielprodukten überhaupt<br />

nicht, denn verkauft werden Raubkopien<br />

nicht immer. Oft werden sie zum freien<br />

Download ins Netz gestellt. Mir wäre schon<br />

das Scannen eines Abenteuers zu viel Arbeit.<br />

Wer macht so was also?“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

„Wozu manche Leute Zeit haben… die, die<br />

sich zum Einscannen Zeit nehmen.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

Wer hat Angst<br />

vor Raubkopien?<br />

Wenn es um die Folgen der Raubkopien<br />

geht, dann prallen zwei Welten aufeinander.<br />

Die Verlage zeichnen ein Horrorszenario, von<br />

einer Welt in der es keine Rollenspiele gibt<br />

und die Raubkopierer wissen genau, dass<br />

jede Kopie wirklich nie gekauft worden wäre.<br />

Untersuchungen über Rollenspiel-Raubkopien<br />

gibt es nicht, daher schiele ich mal auf<br />

die – wahrscheinlich ärger gebeutelte – Musikbranche:<br />

2000 waren es 78 Mio. illegal kopierte<br />

Alben und 1<strong>95</strong> Mio. verkaufte (28,5%<br />

sind illegale Kopien). 2003 standen dann 190<br />

Millionen illegal kopierte Alben gegen 133<br />

Millionen verkaufte (58,8% sind illegale Kopien).<br />

(Quelle: Deutsche Phonoverbände).<br />

„[Auswirkungen wären] im besten Fall zurückgehende<br />

Absätze, die dazu führen, dass<br />

der Verlag weniger Geld als erwartet verdient<br />

und beim nächsten Mal vielleicht eine<br />

niedrigere Auflage druckt, was wiederum<br />

heißt, dass das nächste Buch für alle Käufer<br />

teurer wird. Im schlechtesten Fall schädigt<br />

es den Verlag wirtschaftlich so stark, dass<br />

er seine Arbeit einstellen muss. Von einem<br />

solchen Fall habe ich allerdings noch nicht<br />

gehört; denkbar wäre es wohl.“<br />

— Frank Heller, Pegasus<br />

„Keine Ahnung, ich denke aber, dass die<br />

Leute die sich echt dafür interessieren auch<br />

die richtigen Bücher kaufen und nur die Sachen<br />

runterladen die sie sich sowieso nicht<br />

kaufen würden.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Wir müssen uns im Verlag um die Problematik<br />

kümmern. Das heißt, Leute, die z.B.<br />

eigentlich DSA entwickeln sollten, müssen<br />

sich mit Raubkopierern und deren Auftreten<br />

im Netz herumschlagen. Das kostet<br />

Zeit, was sich – auch preislich – dann auf die<br />

regulären Produkte auswirkt. Falls Raubkopien<br />

in unserem Bereich deutlich zunähmen,<br />

würden sie für die meisten Hersteller<br />

– und FanPro schließe ich da nicht aus – eine<br />

tödliche Bedrohung darstellen.“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

„Ob es tatsächlich etwas wie einen sichtbaren<br />

Einbruch gibt – weiß ich nicht.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Die Verlage produzieren nicht aus Spaß an<br />

der Freude und wenn sich ein Produkt nicht<br />

verkauft (d.h. kein Geld einspielt), werden<br />

weniger Nachfolgeprodukte auf den Markt<br />

gebracht und schließlich wird es ganz vom<br />

Markt genommen. Raubkopierer schneiden<br />

sich also im Endeffekt selber ins Fleisch –<br />

aber es wird sie immer geben.“<br />

— Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele<br />

„Ich denke dass es dem Verlag nicht wirklich<br />

auffällt, denn meistens sind Rollenspieler<br />

auch Jäger und Sammler und freuen sich<br />

wenn die persönliche Bibliothek wächst.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Eine unmittelbare Wirkung auf die<br />

Produkte selber ist nur schwer zu messen.<br />

OFFTOPIC<br />

Media Convert<br />

Im Internet gibt es inzwischen die verschiedensten<br />

Werkzeuge kostenlos<br />

– aber nicht wie früher als Programm<br />

zum Herunterladen und Installieren,<br />

sondern als Webanwendung direkt in<br />

Eurem Webbrowser.<br />

Ein solches Werkzeug ist Media<br />

Convert, das Euch Bilder, Musik und<br />

Videos bis zu einer Größe von 150 MB<br />

in die unterschiedlichsten anderen<br />

Formate umsetzt. Das Ganze funktioniert<br />

schnell und unkompliziert und ist<br />

zudem völlig kostenfrei.<br />

Natürlich gibt es genügend Desktop<br />

Werkezuge, die mehr können – aber<br />

als schnelle Hilfe, wenn man nicht lange<br />

nach einem geeigneten Programm<br />

suchen möchte, eignet sich Media<br />

Convert hervorragend. •<br />

URL: media-convert.com<br />

Langfristig wird es aber nach Meinung<br />

vieler Verlage dazu führen, dass vor allem<br />

kleinere Verlage nicht mehr genügend<br />

Produkte absetzen werden. Dies bedeutet,<br />

dass die Produktvielfalt abnehmen wird<br />

und somit das Hobby an Breite und Tiefe<br />

verlieren wird. Zudem werden kleinere<br />

Auflagen produziert werden, was natürlich<br />

entsprechend die Druckkosten und somit<br />

auch die Verkaufspreise erhöhen wird.“<br />

— Björn Meyer, Amigo<br />

„Ich glaube, gar nicht so große, da die<br />

meisten, die Raubkopieren sowieso nichts<br />

kaufen würden.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Eine Auswirkung hat es ggf. auch auf eine<br />

dritte Partei: die Rollenspielläden. Denn<br />

ich brauche keinen Laden vor Ort, um das<br />

Produkt zu testen. Ich kann es herunterladen<br />

und bei Amazon kaufen. Damit falle ich<br />

effektiv für den RPG-Händler von nebenan<br />

weg. Damit leiden weder Verlag noch Tester,<br />

nur der Ladenbesitzer…“<br />

— anonymer Spieler<br />

„Raubkopien sind Diebstahl. Es ist dasselbe<br />

als ob man aus einem Rollenspielladen<br />

direkt ein Heft/Buch klauen würde! Nur,<br />

dass hier nicht der Ladeninhaber geschädigt<br />

wird – na ja, der auch, da derjenige, der<br />

die Raubkopie hat, das Produkt nicht mehr<br />

im Laden kaufen wird – sondern direkt der<br />

Verlag/das System.“<br />

— anonymer Spieler<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 77


ANDUIN <strong>95</strong><br />

RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />

ENVOYER<br />

Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />

Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />

worden.<br />

Diese Unsicherheit – haben Raubkopien<br />

eine Auswirkung – ist zentral für dieses Thema.<br />

Wer contra Raubkopien argumentiert,<br />

kann auf die möglichen wirtschaftlichen Probleme<br />

hinweisen. Und das pro Raubkopieren?<br />

Es geht nicht um pro oder contra Raubkopien,<br />

sondern um egal und contra. Man<br />

versucht doch meist nur die vorgebrachten<br />

Argumente zu entkräften. Ein aktives pro<br />

Raubkopien habe ich bisher nicht erlebt,<br />

denn ein wirklich positives Argument für<br />

Raubkopien zu finden ist wohl sehr schwer.<br />

„[Raubkopieren] führt zu vermehrtem<br />

ausprobieren, was an sich positiv ist.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Ich halte es für wahrscheinlich, dass das<br />

den Verlagen ganz schön schadet. Andererseits<br />

kann ich mir auch vorstellen, dass ein<br />

Effekt einsetzt, der dem erwarteten entgegen<br />

gesetzt ist, dass mehr Menschen durch<br />

die „Appetithappen“ Interesse bekommen<br />

und hinterher investieren.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Umgekehrt ist dem Rollenspiel-Raubkopien<br />

keinerlei positiver Aspekt abzugewinnen<br />

– den gibt es bei der Musik in bestimmtem<br />

Maße, […] also hier kann man einer<br />

beschleunigten Verbreitung des Produkts<br />

über Raubkopien auch einen Werbeeffekt<br />

zubilligen, was aber nicht bedeutet, dass<br />

ich solche Praktiken gut heiße, es sei denn,<br />

der Künstler ist damit einverstanden.“<br />

— Werner Fuchs, FanPro<br />

„Unter Umständen könnten [die Verlage]<br />

sich erhoffen, dass Raubkopierer Blut<br />

lecken und dann doch kaufen.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

Nun – auch über diesen Werbeeffekt gibt<br />

es bei Rollenspielen keine Untersuchungen.<br />

Aber die oben genannten Zahlen der Musikbranche<br />

zeigen, dass das Interesse durch<br />

Raubkopien zunimmt. Dieses Interesse führt<br />

aber nur sehr bedingt. zu höheren Verkaufszahlen<br />

– wie bei Werbung erwünscht – sondern<br />

zu höheren Kopierzahlen. Raubkopieren<br />

nützt also nur, wenn man – ähnlich wie<br />

Microsoft mit Windows in der Computerbranche<br />

– die Kontrolle über den Rollenspielmarkt<br />

anstrebt.<br />

„Übrigens liegt im Problem der Kopien<br />

auch der Grund, warum wir uns sehr genau<br />

überlegen, irgendwelche Produkte als<br />

Software zu publizieren. Alles, was als Datei<br />

vorliegt, lädt zum Kopieren geradezu ein.<br />

Daher müssen wir bei einem DSA-Lexikon<br />

auf CD, bei einem versofteten Kartenwerk<br />

und auch bei einem Heldengenerator sehr<br />

genau überlegen, ob die hohen Programmier-Kosten<br />

überhaupt wirtschaftlich sein<br />

können – obwohl wir auf jeden Fall den Sinn<br />

solcher Produkte sehen.“<br />

— Florian Don-Schauen, FanPro<br />

Ein bisschen<br />

„Druck“ machen…<br />

„Die heutigen Standards für Rollenspielprodukte<br />

sind im Vergleich zu früher sehr<br />

hoch – hochwertige Inhalte und Texte,<br />

vierfarbiger Druck, qualitativ hochwertige<br />

Zeichnungen, Hardcover und gute Bindung,<br />

gute Papierqualität – dies alles hat natürlich<br />

auch seinen Preis.“<br />

— Björn Meyer, Amigo<br />

Kaum jemand will nur Raubkopien zum<br />

Rollenspielen verwenden. Die Kopien sind<br />

schlecht, teuer im Druck – besonders in Farbe<br />

– und ein Schlabberhefter ist dröge. Das<br />

ist der große Vorteil, den die gedruckten Materialien<br />

haben.<br />

„Natürlich bemühen wir uns, den Kunden<br />

auch das Gefühl zu vermitteln, dass das<br />

Original besser ist, als eine Kopie – indem<br />

wir zum Beispiel in zunehmendem Maße<br />

Hardcover produzieren, die einfach viel<br />

praktischer sind als ein abgehefteter Kopienstapel,<br />

oder Farbkarten und Handouts<br />

beilegen, die ebenfalls schlecht zu kopieren<br />

sind.“<br />

— Florian Don-Schauen, FanPro<br />

„Gute Sachen finden sich aber bei mir<br />

in Papierform – insbesondere wenn die<br />

Aufmachung stimmt. Edle, gut verarbeitete<br />

Hardcover, etc. – man wird dekadent. Das<br />

scheint auch der Weg der Verlage zu sein:<br />

Added Value durch ansprechendes Design<br />

– Sparfüchse laden immer schlechte Kopien<br />

aus dem Netz.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

Es gibt einige Beispiele für frei im Netz veröffentlichtes<br />

Material: Issaries (HeroQuest)<br />

bietet Quellenmaterial kostenlos an. Ironcrown<br />

Enterprises (Rolemaster) verkauft<br />

PDF-Versionen von einigen Produkten. Greg<br />

Stolze veröffentlicht Erweiterungen seines<br />

Systems Reign als zunächst kostenpflichtige,<br />

später freie Downloads. Neue, kleine Systeme<br />

(z.B. Endland, AERA) haben ihr komplettes<br />

Grundregelwerk im Netz freigegeben.<br />

Lohnt es sich vielleicht zusätzliches Material<br />

auf diesem Weg anzubieten? Ein paar Waffentabellen<br />

hier, ein paar Zaubersprüche dort?<br />

„Die von uns angebotenen Downloads sind<br />

bisher unentgeltlich, jedoch tragen wir uns<br />

mit dem Gedanken, diverses Material (auch<br />

Abenteuer) in Zukunft gegen eine geringe<br />

Gebühr im Web anzubieten. Wir werden<br />

dabei den Spielern finanziell soweit wie<br />

möglich entgegenkommen, denn ich weiß<br />

aus eigener Erfahrung, dass man nur dann<br />

etwas kauft (besonders online), wenn man<br />

sich nicht übers Ohr gehauen fühlt.“<br />

— Elsa Franke Verlag für F&SF-Spiele<br />

Am Ende?<br />

Ein Punkt fiel meiner Meinung nach bisher<br />

unter den Tisch: die Gleichgültigkeit gegenüber<br />

den Rollenspielwerken. Die Raubkopien<br />

machen aus ihnen ein billiges Wegwerfprodukt<br />

– mit einem Klick sind sie auf der Platte<br />

und mit einem weiteren Klick wieder gelöscht.<br />

Der Respekt gegenüber der Arbeit der<br />

Autoren und aller anderen Mitarbeiter geht<br />

in der Masse der herunterladbaren Produkte<br />

verloren. So gut wie niemand kann das ganze<br />

Material wirklich erfassen und verstehen, und<br />

so wird alles nur überflogen. Wer kann denn<br />

schon außergewöhnliche Werke innerhalb<br />

von 5 Minuten erkennen? Überspitzt gesagt,<br />

wandern die Produkte so vom Status der<br />

Sonderausgabe eines Hochglanzmagazins zu<br />

dem eines Supermarkt-Werbeprospekts im<br />

Briefkasten. Ganze Lebenswerke wandern in<br />

Minuten über die Leitung und schaffen eine<br />

neue Erwartungshaltung: wenn Werke, die<br />

mit viel Freude und Herzblut geschrieben<br />

werden, kostenlos und im Überfluss herumliegen,<br />

was muss dann erst geleistet werden,<br />

um für 20 € verkauft werden zu können?<br />

„[Was sagen Verlage und Autoren?] Genauso<br />

unterschiedliche Dinge wie Musiker<br />

bzw. Produzenten. Verlage stehen dem<br />

wahrscheinlich abgeneigter gegenüber als<br />

Autoren.“<br />

— Spieler/Spielerin<br />

„Vielleicht ist es aber auch einfach eine Notwendigkeit,<br />

sich damit abzufinden und auf<br />

die Ehrlichkeit der echten Fans zu hoffen,<br />

die auch bereit sind für ihre Devotionalien<br />

zu bezahlen.“<br />

— Ralf Sandfuchs, Krimsu •<br />

Seite 78<br />

Lesen & Spielen


RollenspielDesign<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Was ist<br />

Rollenspieldesign?<br />

TEIL I DER REIHE ÜBER ROLLENSPIELDESIGN<br />

TEXT: STEFAN „1OF3“ KOCH<br />

ILLUSTRATION: DANIELA KUFNER<br />

Rollenspiel-Design ist eine konzeptionelle<br />

Richtung, die Pen & Paper Rollenspiele anhand<br />

einer für das Spiel zuvor festgelegten<br />

Idee konzipieren und ausarbeiten will. Die<br />

Begrifflichkeit kam vermutlich erstmal im<br />

Umfeld der Forge (siehe Seitenkasten) auf,<br />

aber die Idee erfreut sich jüngst auch im<br />

Mainstream immer größerer Beliebtheit. So<br />

scheint die neue Edition von D&D, die im Juni<br />

dieses Jahres erscheinen wird, dieses Konzept<br />

ebenfalls zu verfolgen.<br />

Die dem Rollenspieldesign zu Grunde liegende<br />

Idee ist, dass man ein Rollenspiel nach<br />

intersubjektiven Kriterien betrachten kann,<br />

die mehr sagen als: „Gefällt mir (nicht).“ Das<br />

wichtigste Kriterium ist dabei, ob ein Spiel das<br />

hält, was es verspricht. Ein Spiel gilt demnach<br />

als gut designt, wenn es die eigenen Zielsetzungen<br />

in seinen Bestandteilen umsetzt.<br />

Die wichtigste Zielsetzung ist hierbei das<br />

Vorstellen einer gewissen Art von Spielerlebnis.<br />

Dazu bedient sich der Designer des<br />

Schreibens von Spielregeln.<br />

Rollenspiel<br />

und Regeln<br />

Als Erstes muss man erkennen, dass jedes<br />

Rollenspiel Regeln hat. Selbst wenn keine<br />

Zahlen benutzt werden, wie z.B. bei Engel<br />

von Feder&Schwert, gibt es trotzdem Regeln.<br />

Beispielsweise gibt es bei Engel einen<br />

Spielleiter, der bestimmte Aufgaben erfüllen<br />

soll.<br />

DIE FORGE<br />

Die Forge (http://www.indie-rpgs.com)<br />

ist ein Internet-Forum für Rollenspiel-<br />

Autoren, das von Ron Edwards gegründet<br />

wurde. Der in Forge-Kreisen häufig<br />

verwendete Begriff „kohärentes Design“<br />

erscheint allerdings doppelt-gemoppelt.<br />

Ein Spiel ist entweder designt, also einem<br />

bestimmten Konzept folgend, oder eben<br />

nicht.<br />

Der Designer kann selbstverständlich<br />

nicht davon ausgehen, dass eine<br />

Spielrunde die Regeln letztendlich<br />

so benutzt wie sie geschrieben stehen.<br />

Das Erstellen von Hausregeln ist<br />

schließlich seit jeher ein wesentlicher<br />

Bestandteil des Hobbys.<br />

Von einem Designer kann daher<br />

erwartet werden, dass seine<br />

Regeln einem Zweck genügen,<br />

nämlich das angestrebte Spielerlebnis<br />

zu fördern. Die Gruppe soll<br />

sich darauf verlassen können, dass<br />

sie, wenn sie die Regeln anwendet,<br />

dem angepriesenen Spielerlebnis nahe<br />

kommt.<br />

Die Möglichkeit einer Gruppe, die Regeln<br />

zu modifizieren, soll dadurch nicht beschnitten<br />

werden. Der Designer ist im Gegenteil<br />

gewisser Maßen in einer Beweispflicht, was<br />

seine Regeln angeht, so dass die Gruppe fundiert<br />

entscheiden kann, ob sie die Regeln so<br />

akzeptiert oder verändern möchte.<br />

Das Wesen der Regeln<br />

Was ist eine Regel im Rollenspiel? Im Grunde<br />

das Gleiche, wie bei allen anderen Spielen.<br />

Es handelt sich um Anweisungen darüber,<br />

was ein bestimmter Teilnehmer zu tun hat.<br />

Dieses einfache Konzept gerät allerdings<br />

vielfach in Vergessenheit. Gelegentlich<br />

kommt es beispielsweise vor – wenn etwa jemand<br />

in Internetforen ein selbstgemachtes<br />

Rollenspiel vorstellt – dass dort steht: „Es gibt<br />

drei Attribute: Muckis, Köpfchen und Beherztheit.<br />

Für eine Erfolgsprobe wird 1W12+Attribut<br />

gegen eine Schwierigkeit gewürfelt.“<br />

Vom Standpunkt des Rollenspiel-Designs<br />

kann dies nicht als Regel gelten. Eine korrekte<br />

Regel (bzw. ein Satz von Regeln) sähe beispielsweise<br />

so aus:<br />

Vorgeplänkel<br />

• Alle Teilnehmer bis auf einen erschaffen<br />

einen Protagonisten. Der verbleibende<br />

Teilnehmer wird als Hausmeister bezeichnet<br />

und spielt alle anderen auftretenden<br />

Charaktere.<br />

• Die Protagonisten und nur diese erhalten<br />

drei Eigenschaften: Muckis, Köpfchen und<br />

Beherztheit (deren Ermittlung wird an<br />

einer anderen Stelle definiert).<br />

• Der Hausmeister erhält einen Satz normaler<br />

Spielkarten (ausgenommen Joker)<br />

und zieht zu Beginn sieben Karten. Immer<br />

wenn er seine Hand leer gespielt hat,<br />

zieht er sieben neue Karten.<br />

Erfolgsproben<br />

• Der Hausmeister kann eine Karte von seiner<br />

Hand spielen, um einen Protagonisten<br />

vor eine Erfolgsprobe zu stellen.<br />

• Der Spieler des Protagonisten würfelt<br />

dann 1W12 plus ein Attribut seiner Wahl.<br />

• Ist das Ergebnis des Spielers höher als<br />

der Kartenwert +5 war der Protagonist<br />

erfolgreich. In diesem Fall darf der Spieler<br />

des Protagonisten einen anderen Spieler<br />

bitten, die Handlung ein wenig fortzuspinnen,<br />

wobei der Protagonist in möglichst<br />

positivem Licht dargestellt werden sollte.<br />

• Ist die Probe ein Fehlschlag kann der<br />

Hausmeister einen Spieler bitten, die<br />

Handlung ein Stück weiterzuspinnen,<br />

wobei der Protagonist sich ganz erheblich<br />

lächerlich machen sollte. Nachdem der<br />

Lesen & Spielen<br />

Seite 79


ANDUIN <strong>95</strong><br />

RollenspielDesign<br />

Erzähler geendet hat, zeigen alle mit dem<br />

Finger auf den Spieler des unglücklichen<br />

Protagonisten und lachen ihn aus.<br />

Im Unterschied zu jenem Forenbeitrag<br />

wird hier deutlich gesagt, was welcher Spieler<br />

wann tun soll. Insbesondere wird deutlich<br />

geregelt, wer die Erfolgsprobe initiiert und<br />

was hinterher dabei rauskommt.<br />

Die Begründung<br />

von Regeln<br />

Das obige Beispiel ist natürlich bewusst<br />

überzeichnet, aber grundsätzlich können Regeln<br />

fast alles beinhalten.<br />

i) Ein Spiel könnte als Regel haben, dass<br />

Spieler die direkte Rede benutzen sollen,<br />

wenn ein Charakter spricht.<br />

ii) Ein anderes Spiel könnte regeln, dass<br />

nur für bestimmte Charaktere direkte<br />

Rede benutzt wird.<br />

Beide Regeln können interessant sein,<br />

sofern sie zu den Zielsetzungen des Spiels<br />

passen. Es ist daher nötig, dass der Designer<br />

Regeln zumindest für sich begründen kann.<br />

Eine Begründung für (i) könnte sein, dass damit<br />

ein lebhafteres, ein direkteres Spiel entsteht.<br />

Aus diesem Grunde wird dies wohl in<br />

vielen Spielgruppen so gehandhabt.<br />

Variante (ii) könnte vielleicht für ein dystopisches<br />

Spiel passen, in dem die meisten<br />

Menschen gehirnlose Drohnen sind und nur<br />

einige wenige über einen freien Willen verfügen.<br />

(Man könnte den Gedanken weiterspinnen<br />

und nun eine numerische Ressource<br />

Freier Wille einführen, die einen Freidenker<br />

wieder zur Drohne werden lässt, wenn er zu<br />

Seite 80<br />

INFOS<br />

Über den Artikel<br />

Wir planen, Euch künftig regelmäßig<br />

Artikel zum Thema Rollenspieldesign zu<br />

liefern. Ideen für einen Namen für diese<br />

neue Rubrik können gerne per E-Mail oder<br />

im Forum abgegeben werden.<br />

Über den Autor<br />

Stefan bloggt regelmäßig zum Thema<br />

Rollenspieldesign auf seiner Seite:<br />

1of3.blogspot.com.<br />

Zum Thema<br />

Bereits in früheren Ausgaben der <strong>Anduin</strong><br />

haben wir über das Thema Rollenspieldesign<br />

berichtet. Ganz besonders empfehlen<br />

möchten wir Euch hier die Ausgabe<br />

85, in der ein Artikel über unterschiedliche<br />

Spieletypen zu finden ist.<br />

freigiebig damit umgeht.)<br />

Das Credo für den Designer ist daher eine<br />

geistige Unbeschwertheit, die sich nicht von<br />

Realismus, Tradition oder ähnlichen Ideen<br />

einschränken lässt, sondern sie benutzt, wo<br />

es passt, und spielerisch mit ihnen umgeht.<br />

Das Ungeregelte<br />

Nun mag es so scheinen, dass ein Designer<br />

alles regeln müsste. Das ist falsch, denn ein<br />

Reiz des Rollenspiels ist es, einfach einmal<br />

Dinge zu tun, die nicht in den Regeln stehen.<br />

Ich nehme einfach als Beispiel, den Urvater<br />

des Rollenspiels. So gibt es in D&D kaum<br />

Anreize „den Charakter auszuspielen“, trotzdem<br />

tun viele Spieler das.<br />

Das macht D&D nicht zu einem schlecht<br />

designten Spiel. In Wahrheit handelt es sich<br />

um eine bewusste Design-Entscheidung, sich<br />

mit solchen Dingen von der Designerseite<br />

nicht zu beschäftigen. Das geschriebene<br />

D&D konzentriert sich stattdessen auf sein<br />

Kerngeschäft, was es insoweit zu einem gut<br />

designten Spiel macht.<br />

Wenn dagegen ein Spiel sich auf die Fahnen<br />

schreibt, von höfischen Intrigen zu handeln,<br />

und stattdessen lieber seitenlange Regeln<br />

zum Monster Töten präsentierte, so muss<br />

man es für schlecht designt halten.<br />

Eng verwandt mit diesem Fehler ist es, der<br />

Gruppe bewusst Dinge zu überlassen, aber<br />

dies in falscher Weise zu tun. Beispielhaft für<br />

dieses Problem ist die Art und Weise wie in<br />

vielen Spielen die Abschnitte für den Spielleiter<br />

geschrieben sind. Während nämlich die<br />

Spieler eine handliche Anleitung zur Erschaffung<br />

ihrer Charaktere erhalten, bekommt der<br />

Spielleiter nur blumige Sätze.<br />

Daraus ergibt sich, dass selbstverständlich<br />

die Teilnehmer eigene Inhalte kreieren sollen.<br />

Wenn jedoch die Erschaffung eines bestimmten<br />

Elements für das angestrebte Spielerlebnis<br />

nötig ist, sollte es besser eine Check-Liste<br />

dafür geben.<br />

Das Rollenspiel<br />

an sich<br />

Bevor wir nun weiter einsteigen, sollte<br />

man sich vor Augen führen, was Pen & Paper<br />

Rollenspiel eigentlich im Allgemeinen ist.<br />

Dazu gibt es zwar, wie wir alle wissen, recht<br />

verschiedene Einstellungen, aber die folgende<br />

Beschreibung scheint mir dabei ein kleinster<br />

gemeinsamer Nenner zu sein:<br />

Beim Rollenspiel stellen sich die Teilnehmer<br />

gemeinsam eine fiktive Umgebung vor<br />

und manipulieren diese nach bestimmten<br />

Regeln. Sie übernehmen darüber hinaus<br />

Charaktere in dieser Umgebung und spielen<br />

sie.<br />

Diese Beschreibung enthält viele Dinge<br />

nicht. Dort steht nichts von Spielleitern, denn<br />

es gibt Rollenspiele, die keinen vorsehen.<br />

Ebenfalls wird nicht auf Werte oder Würfel<br />

eingegangen, denn auch hier finden sich Rollenspiele<br />

ohne. Ich werde in den beiden folgenden<br />

Abschnitten noch einmal auf diese<br />

speziellen Elemente eingehen.<br />

Festgehalten ist dagegen die vornehmliche<br />

Aufgabe von Regeln: Sie sind Konventionen<br />

mit denen die Teilnehmer die fiktive<br />

Umgebung manipulieren. Sie sind zunächst<br />

einmal keinesfalls die „Physik der Spielwelt“<br />

oder etwas ähnliches, wie wir auch schon an<br />

den Beispielen oben gesehen haben. Zwar<br />

kann man vereinzelt gewisse Vorgänge in<br />

der Spielwelt über Werte nachempfinden,<br />

aber auch diese Prozesse benötigen andere<br />

Regeln als Überbau, die den Inhalt der vorgestellten<br />

Umgebung gänzlich ignorieren.<br />

Werte und Würfel<br />

Zahlen und Zufallsexperimente sind Klassiker<br />

im Rollenspiel und viele Spieler haben<br />

Spaß daran, sich mit Regeln auseinanderzusetzen<br />

und taktisch mit ihnen umzugehen.<br />

Neben der Freude an der fiktiven Umgebung,<br />

den Charakteren und der entstehenden<br />

Handlung, gibt es hier für viele Spieler<br />

gleichsam einen zweiten Spielplatz, der den<br />

klassischen Gesellschaftsspielen ähnelt.<br />

Wer dies in sein Spiel einarbeiten möchte,<br />

sollte sich also mit den Prinzipien von Gesellschaftsspielen<br />

auseinandersetzen, aber<br />

an dieser Stelle scheint es mir wichtiger zunächst<br />

auf die spezielle Funktion von Werten<br />

und Zufall im Rollenspiel einzugehen.<br />

Die Funktion ist hierbei zweierlei. Zum einen<br />

protokollieren Werte ausgewählte Elemente<br />

der fiktiven Umgebung, zum anderen<br />

dienen Werte und Zufall dazu, Elemente der<br />

fiktiven Umgebung zu ändern. Neben den<br />

oben erwähnten Check-Listen können Zahlen<br />

daher einen wichtigen Beitrag liefern,<br />

um die Vorstellung gemäß des angestrebten<br />

Spielerlebnisses zu formen.<br />

Viele Fans machen dabei den Fehler, dass<br />

sie einen Satz von Werten allgemein für besser,<br />

realistischer oder förderlicher fürs richtige<br />

Rollenspiel halten. Jede solche Aussage ist<br />

falsch. Die Auswahl der Werte ist immer willkürlich,<br />

genauso wie die Auswahl der Dinge,<br />

die überhaupt durch Werte modelliert werden.<br />

Ein Satz von Werten ist genau dann gut<br />

für ein Rollenspiel, wenn er das angestrebte<br />

Spielerlebnis einfängt und nicht mehr.<br />

Lesen & Spielen


RollenspielDesign<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Der Spielleiter<br />

In der Vergangenheit habe ich vielfach eine<br />

gewisse Überraschung ausgelöst, wenn ich<br />

darauf hinwies, dass es Rollenspiele ohne<br />

Spielleiter gebe. Ich nehme an, diese Überraschung<br />

erklärt sich vor allem darin, dass sich<br />

im Begriff des Spielleiters zwei Grundideen<br />

vermischen.<br />

Zunächst ist da der Teilnehmer, der besonders<br />

engagiert ist, der bereit ist viel Geld für<br />

Materialien auszugeben, sich außerhalb der<br />

Spielsitzungen mit dem Hobby zu beschäftigen<br />

und dergleichen. In der Tat ist Rollenspiel,<br />

ist wohl kein Hobby, ohne solche Personen<br />

denkbar. Solche Teilnehmer werden<br />

auch als Alpha-Spieler bezeichnet.<br />

Lesen & Spielen<br />

Auf der anderen Seite ist der Spielleiter<br />

eine Regel. Wie wir gesehen haben, legen<br />

Regeln fest, was die Teilnehmer tun. Der<br />

Spielleiter ist nun ein Teilnehmer, der gewisse<br />

Aufgaben zugewiesen bekommt, die die<br />

anderen nicht haben. Tatsächlich benutzen<br />

viele Rollenspiele gleichsam eine Negativdefinition<br />

für den Spielleiter: Der Spielleiter tut<br />

alles, was die Spieler nicht tun.<br />

Diese Herangehensweise ist vom Standpunkt<br />

des Rollenspieldesigns nicht haltbar.<br />

Wenn es das Ziel ist, der Gruppe ein bestimmtes<br />

Spielerlebnis zu ermöglichen, muss es für<br />

jeden Teilnehmer eine konkrete Anleitung<br />

geben.<br />

Was den nicht vorhandenen Spielleiter<br />

angeht, ist es nun wohl einfach zu denken,<br />

dass man auch zwei oder mehr Teilnehmer<br />

für Sonderaufgaben abstellen könnte oder<br />

auch keinen. Insofern gibt es auch gar nicht<br />

Spielleiter im Allgemeinen, sondern nur für<br />

ein Spiel möglicherweise ein Aufgabenbündel,<br />

das als Spielleitung bezeichnet wird.<br />

Warum aber ist der Spielleiter als Regel so<br />

beliebt bzw. welche Aufgabe speziell kann<br />

eine Regel „Spielleiter“ besonders gut abdecken?<br />

Die Mittel, die einem Spielleiter für gewöhnlich<br />

zugesprochen werden, erlauben<br />

es in einfacher Weise, das Spiel am Laufen zu<br />

halten. Wenn das Spiel lahmt, kann der typische<br />

Spielleiter ohne Aufwand neue Elemente<br />

einbringen. Wenn das Spiel auseinander<br />

divergiert oder schlecht passende Elemente<br />

ins Spiel kommen, kann der Spielleiter abblocken.<br />

Wer also auf einen Spielleiter bzw. auf<br />

die übliche Negativdefinition verzichten will,<br />

muss sich insbesondere über diese Aspekte<br />

Gedanken machen.<br />

Fazit: Warum designte<br />

Rollenspiele?<br />

Letztlich lassen sich zwei Motivationen für<br />

das Rollenspieldesign erkennen. Zum einen<br />

gibt es eine Freude am Experimentieren. Wie<br />

weit kann man also mit der oben gegebenen<br />

Definition von Rollenspiel gehen? Welche<br />

Möglichkeiten und Grenzen gibt es? Unnötig<br />

zu sagen, dass gerade auch hinsichtlich von<br />

Spielwerten und Vorgehensweisen aus dem<br />

Rollenspieldesign in den letzten Jahren viele<br />

neue Anregungen gekommen sind.<br />

Auf der anderen Seite will das Rollenspieldesign<br />

einfachere und zugänglichere Spiele<br />

liefern, gerade auch indem dem eventuellen<br />

Spielleiter bessere Hilfestellungen geboten<br />

werden. Ein typischer Vorwurf ist hierbei,<br />

dass die Freiheit und Kreativität des Spielleiters<br />

beschränkt wird. Dies ist aber nicht haltbar,<br />

denn sonst müsste man auch eindeutige<br />

Regeln zur Charakter-Erschaffung als Einschränkung<br />

der Kreativität der Spieler sehen.<br />

Sofern dies einmal vorkommt, hat die Szene<br />

aber schon lange ein Mittel gefunden:<br />

Hausregeln.<br />

Wenn also einmal die Meinung entsteht,<br />

dass die jeweilige Anleitung zur Spielleitung<br />

unpassend ist, möge doch auch hier das gleiche<br />

Medikament verschrieben werden. Das<br />

Rollenspieldesign geht nur davon aus, dass<br />

das Anpassen eines Spiels eine Option sein<br />

sollte und keine Hürde, die es auf jeden Fall<br />

zu nehmen gilt. •<br />

Seite 81


ANDUIN <strong>95</strong><br />

OHNE SCHMIDT UND JOHNSON<br />

Ohne Schmidt<br />

und Johnson<br />

SHADOWRUN OHNE KLASSISCHE AUFTRAGGEBER – UNDENKBAR?<br />

TEXT: JENS ULLRICH<br />

ILLUSTRATION: JIM<br />

Der Aufhänger ist immer der Gleiche. Der<br />

Schieber ruft an, man solle sich mit einem<br />

Herrn Schmidt in einem Hinterzimmer oder<br />

irgendeinem anderen Ort treffen, um dort<br />

einen Job anzunehmen. So beginnt der typische<br />

Shadowrun. Aber soll und muss er das?<br />

Im Gegensatz zu vielen anderen Spielsystemen<br />

ist Shadowrun sehr fixiert auf den<br />

Arbeitsauftrag als Abenteueraufhänger. Die<br />

Charaktere sind mehr oder weniger professionelle<br />

Kriminelle, die für eher weniger als<br />

mehr vertrauenswürdige Mittelsmänner<br />

schmutzige Jobs erledigen und ansonsten<br />

kaum einen Finger krumm machen. Wie soll<br />

man solche Leute sonst in ein Abenteuer bekommen?<br />

Seite 82<br />

Der Schlüssel hierzu ist die Motivation.<br />

1. Geld<br />

Was fällt einem bei Motivationen von<br />

Runnern als Erstes ein? Nuyen. Entweder direkt<br />

auf einem virtuellen Konto oder einem<br />

Credstick, oder in Form von Waffen, Foki,<br />

Cyberware, Drogen oder anderen Goodies.<br />

Genau dafür erledigen Runner ihre krummen<br />

Geschäfte im Auftrag ihres Schmidts, warum<br />

also sollten sie das nicht auch ohne einen<br />

Auftraggeber tun?<br />

Der Aufhänger hier ist im Zweifelsfalle guter,<br />

alter Diebstahl. Wenn die Charaktere mitbekommen,<br />

dass ihr heiß ersehntes<br />

Spielzeug nächste Woche an einen<br />

Bodyshop in St. Pauli oder einen<br />

Thaumaturgen in Heidelberg geliefert<br />

werden soll, dürfte das den<br />

einen oder anderen anspornen mal<br />

auf eigene Rechnung zu arbeiten.<br />

Wenn das Objekt der Begierde jedoch<br />

nicht direkt „verwertbar“ ist, sondern<br />

versilbert werden soll, kann das wirkliche<br />

Abenteuer sogar erst nach dem eigentlichen<br />

Diebstahl beginnen. Denn einen<br />

echten Chagall, ein hochgezüchtetes<br />

Rennpferd oder einen taubeneigroßen<br />

Diamanten dürften die meisten Schieber<br />

gar nicht erst verkauft bekommen,<br />

was die Suche nach einem entsprechenden<br />

Hehler oder Zwischenhändler<br />

nicht ganz einfach gestalten<br />

dürfte. Sinnvollerweise<br />

sollte man diese Suche<br />

zwar vor dem eigentlichen<br />

Beschaffen erledigt<br />

haben, aber manchmal macht<br />

Gelegenheit einfach Diebe.<br />

2. Gefühle<br />

Auch wenn es genug Spieler gibt,<br />

die ihren Runnern kaum bis gar keine<br />

Gefühle zuschreiben, sollen emotional<br />

agierende Runner durchaus schon beobachtet<br />

worden sein. So kann es durchaus<br />

sein, dass Charaktere aus Liebe, Rache oder<br />

Eifersucht allerlei Bockmist bauen, zum Beispiel<br />

für eine Geliebte, für die eigenen Kinder<br />

oder sonst wie emotional wichtige Personen<br />

der Charaktere. Ob nun die Mutter schwer<br />

krank ist und dringend eine gerade erst neu<br />

entwickelte Behandlungsmethode benötigt<br />

oder die neue Liebschaft mit den schicken<br />

und sündhaft teuren Designercyberarmen<br />

aus der Auslage des Body Art liebäugelt, professionelle<br />

Kriminelle sollten hier ihre ganz<br />

eigenen Wege zur Beschaffung kennen. Vielleicht<br />

durchkreuzt aber auch irgendein vorwitziger<br />

Schamane immer wieder die Jobs<br />

der Runner, um die Magierin der Gruppe zu<br />

beeindrucken, oder ein Exec hat auf Novacoke<br />

den Bruder des Hackers überfahren, was<br />

Rache als Motivation sehr schnell ins Spiel<br />

bringen dürfte.<br />

3. Connections und<br />

Freunde<br />

Üblicherweise wollen Runner etwas von<br />

ihren Connections. Was also spricht dagegen,<br />

wenn das Spiel auch einmal anders herum<br />

laufen sollte? Möglicherweise traut sich<br />

der Hacker, der sonst immer seinen Kopf für<br />

die Runner hinhalten muss, nicht, ein Mädel<br />

anzusprechen, in das er verschossen ist, und<br />

bittet die Runner da etwas zu arrangieren.<br />

Dumm nur, dass sie ausgerechnet jetzt von<br />

einer echten Showgröße abgeschleppt oder<br />

gerade von den Tongs entführt wird. Dieses<br />

Spiel lässt sich natürlich für andere Connections<br />

fast beliebig weiter treiben. Verschwundene<br />

Verwandte, gestohlene Daten oder andere<br />

Bitten und Freundschaftsdienste sollten<br />

eine Menge Stoff für Abenteuer bieten.<br />

4. Feinde<br />

Ein guter Feind kann das Rückgrat einer<br />

ganzen Kampagne sein. Wichtig hierbei ist,<br />

dass seine Motive schlüssig sind und er zumindest<br />

zu Anfang am besten gar nicht erst<br />

Lesen & Spielen


OHNE SCHMIDT UND JOHNSON<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

persönlich in Erscheinung tritt. Gerade wenn<br />

er motiviert ist sich für Taten der Charaktere<br />

zu rächen, kann die ganze Angelegenheit für<br />

alle Beteiligten eine sehr persönliche Note<br />

bekommen. Vielleicht haben die Charaktere<br />

ja bei einem ihrer Runs den Lieblingsneffen eines<br />

karibischen Drogenbarons umgebracht.<br />

Er selbst ist zwar weit weg vom Geschehen,<br />

schickt aber seine Leute aus, um den Tätern<br />

das Leben zur Hölle zu machen. Sein Ziel ist<br />

dabei praktischerweise nicht der simple Tod<br />

der Charaktere, sondern ihnen nach und<br />

nach alles zu nehmen, was ihnen wichtig ist.<br />

Somit kann man sukzessiv ein Szenario der<br />

Bedrohung aufbauen, ohne nacheinander<br />

die Charaktere umzubringen oder immer<br />

wieder Mordanschläge scheitern zu lassen.<br />

Wenn dieser Drogenbaron auch noch einen<br />

Petrohougan zu seinen Freunden zählt und<br />

seine Leute die Charaktere aufstöbern und<br />

ihre Wohnungen auf den Kopf stellen konnten,<br />

dürfte Terror durch Ritualmagie nichts<br />

mehr im Wege stehen. Besonders interessant<br />

könnten dabei Zauber wie Traumsequenz<br />

oder Beeinflussen sein. Mittelfristig werden<br />

sich die Charaktere des Problems annehmen<br />

müssen, da der Baron durchaus Mittel und<br />

Motivation hat, den Runnern immer mehr<br />

nachzusetzen, was sogar in einen Trip in die<br />

Karibik und ein Katz-und-Maus-Spiel unter<br />

der karibischen Sonne münden kann.<br />

5. Ethik und Moral<br />

Die Welt ist hart und schmutzig, und entsprechend<br />

sind viele Charaktere abgestumpft<br />

und verroht. Viele, aber zum Glück nicht alle.<br />

Daher sollte es immer noch einige wenige<br />

geben, die gegen die Ungerechtigkeiten und<br />

die Schrecken der sechsten Welt antreten,<br />

wenn sie sich in ihrer Nähe ereignen. Wenn<br />

die Yakuza thailändische Mädchen im Keller<br />

des heruntergekommenen Mietshauses<br />

hält, in dem einer der Charaktere einen seiner<br />

Unterschlupfe aufgebaut hat, um sie als<br />

Schauspielerinnen an einen Ring von perversen<br />

BTL-Produzenten zu verkaufen, könnte<br />

das den einen oder anderen Charakter dazu<br />

veranlassen, über seinen Schatten zu springen<br />

und Profit Profit sein zu lassen. Dass die<br />

Yakuza wiederum eine solche Einmischung<br />

überhaupt nicht witzig findet und an solchen<br />

Hoodern nur zu gern ein Exempel statuieren<br />

möchte, ist nicht ganz unwahrscheinlich.<br />

Hieraus kann sich wiederum auch ein neuer,<br />

mächtiger Feind entwickeln. Vielleicht ist einer<br />

der Charaktere aber auch politisch interessiert<br />

und gehört zu Neo-Anarchisten, Ökoterroristen<br />

oder anderen Gruppierungen, die<br />

ihre ganz eigenen Beweggründe haben. Das<br />

bietet sich für Aufhänger aller Art natürlich<br />

ganz besonders an.<br />

Lesen & Spielen<br />

6. Zufall<br />

Manchmal hat man einfach<br />

Glück, oder Pech,<br />

und es drängen sich Personen<br />

oder Probleme in<br />

das Leben, ohne dass<br />

man so recht weiß woher<br />

sie kommen oder<br />

warum genau sie bei<br />

einem gelandet sind.<br />

Das beginnt<br />

beim klischeehaften<br />

Koffer,<br />

Paket oder<br />

F i n d e l k i n d<br />

vor der Haustüre,<br />

führt<br />

über Erpresser,<br />

Stalker, Fanboys<br />

oder verzweifelte<br />

Nachbarinnen im<br />

Bademantel bis hin<br />

zum Gestaltwandler<br />

in der Wohnung,<br />

der sich für seine wenn<br />

auch zufällige und unplanmäßige<br />

Rettung aus einem Labor<br />

beim letzten Run bedanken will und gleichzeitig<br />

darum bettelt, dass seine neuen Freunde<br />

sein Herrchen aus der Gefangenschaft bei<br />

den hiesigen Triaden befreien, die aus ihm<br />

das Rezept für die ewige Blume heraus quetschen<br />

wollen. Da Zufälle an sich weder von<br />

den Charakteren noch von NSCs bewusst<br />

herbeigeführt werden, sind die Motivationen<br />

für die Runner natürlich oft genug sehr gering,<br />

sich um die sich daraus entwickelnden<br />

Probleme zu kümmern.<br />

Die Charaktere<br />

Natürlich steht und fällt das ganze Spiel<br />

mit den Spielern und Charakteren. Jeder der<br />

oben genannten Aufhänger und Plotideen<br />

funktioniert nur so gut, wie er von den Charakteren<br />

angenommen wird. Es kommt ganz<br />

auf den einzelnen Charakter an, ob er auf eine<br />

bestimmte Motivation überhaupt anspringt.<br />

Der beinharte Samurai kann genauso gut die<br />

Türe einfach wieder zu machen, wenn er ein<br />

Findelkind vor seiner Türe findet, während<br />

die Wicca das Kleine am liebsten adoptieren<br />

möchte, ganz egal, ob es sich dabei um die<br />

entführte Tochter eines Politikers handelt<br />

oder es mit MMVV infiziert ist. Es bedarf daher<br />

eines gewissen Einfühlungsvermögens,<br />

wie neugierig, aktiv und extrovertiert die<br />

einzelnen Charaktere sind, denen man die<br />

Abenteueraufhänger serviert, und es ist mindestens<br />

genauso hilfreich, die Hintergrundgeschichte<br />

der Charaktere zu kennen, da man<br />

auf diese häufig solche Abenteuer aufbauen<br />

kann. Bei ganz harten Fällen aus der Riege<br />

„Ich habe keine Freunde und bewege mich<br />

nur, wenn man mich dafür bezahlt“ funktionieren<br />

Aufhänger um die Themen Gefühle,<br />

Ethik und Moral und Zufall selten bis gar<br />

nicht, während ein ablehnendes Verhalten<br />

gegenüber einer Connection zumindest dazu<br />

führt, dass eben diese ziemlich enttäuscht<br />

sein dürfte. Nichtsdestotrotz sollte man sich<br />

bewusst sein, dass es in diesen Fällen durchaus<br />

in Ordnung ist, wenn die Charaktere nicht<br />

auf die Abenteueraufhänger anspringen, und<br />

es daher überhaupt keinen Sinn macht, sie<br />

weiter damit zu traktieren oder ihnen direkt<br />

oder indirekt Sanktionen anzudrohen, nur<br />

weil sie nicht dem Plot folgen wollen. Flexibilität<br />

gehört nun einmal zum Handwerkszeug<br />

eines Spielleiters.<br />

Außerdem ist es selbstverständlich sinnvoll<br />

solche Aufhänger nur zu verwenden,<br />

wenn die Charaktere bereits eine feste Gruppe<br />

gebildet haben und sich entsprechend<br />

vertrauen und vielleicht sogar untereinander<br />

befreundet sind. Denn warum sollte der Hermetiker<br />

andere Runner um Hilfe bitten, wenn<br />

seine Hackerconnection seit zwei Wochen<br />

nichts mehr von seinem Sohn gehört hat, obwohl<br />

er sie kaum kennt und ihnen noch weniger<br />

über den Weg traut? Privates bleibt 2070<br />

eben allzu oft lieber privat und Vertrauen ist<br />

mehr wert als ein fetter Credstick. •<br />

Seite 83


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Strafe der Ungläubigen<br />

Strafe der Ungläubigen<br />

EIN ABENTEUER FÜR SPHERECHILD<br />

TEXT: ALEXANDER HARTUNG<br />

ILLUSTRATION: JIM, TOMMY HEINIG<br />

Hintergrund<br />

Ein Sembare möchte größere Gebiete von<br />

Valcreon unter seine Herrschaft bringen und<br />

versucht daher die Bevölkerung mit Viren aus<br />

einem Labor auf Icros einzuschüchtern.<br />

Dabei lässt der Sembare die Viren von einem<br />

Priester als eine Art Strafe Gottes für<br />

ungläubiges Verhalten verbreiten. Erst wenn<br />

sich die Bewohner der Region seinem Willen<br />

unterordnen, wird er sie wieder heilen.<br />

Die Charakter müssen den Viren-Hersteller<br />

auf Icros finden und den Verbreiter der Seuche<br />

auf Valcreon stoppen.<br />

Für dieses sphärenübergreifende Abenteuer<br />

benötigt jeder Spieler je einen Charakter<br />

auf Valcreon und Icros. Die beiden Gruppen<br />

sind dabei vom Erfolg ihrer Geschwister auf<br />

der jeweiligen anderen Welt abhängig.<br />

Das Erscheinen<br />

des Priesters<br />

Am zweiten Tag im dritten Mond kommt<br />

ein Priester Xehils in das Dorf Haaden, das<br />

nicht weit von der Grenze zwischen sinitischem<br />

Reich und T’chk-Reich (nordwestlich<br />

von Alt-Weiden) liegt. Der T’chk predigt von<br />

den Verfehlungen der Bewohner, deren Abkehr<br />

vom Glauben Xehils und warnt vor den<br />

Strafen, welche die Bewohner bald erwarten<br />

würden, sollten sie sich nicht bessern.<br />

Er stellt einige Forderungen, wie die Erbauung<br />

eines Xehil-Tempels und die Verbannung<br />

aller anderen Götter aus dem Alltag. In diesem<br />

Zusammenhang befiehlt er den Abriss<br />

des Dhea-Tempels in Haaden.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Dieses Verhalten passt eher zu einem Inquisitor,<br />

als zu einem Priester Xehils, der normalerweise<br />

Güte und Mitgefühl predigt. Diese<br />

Art des Verhaltens ist für einen Xehil-Priester<br />

höchst ungewöhnlich.<br />

Die Predigt erzeugt zwar Unruhe, wird<br />

aber nicht weiter beachtet. Zwei Tage später<br />

kommt der Priester wieder in das Dorf, um<br />

sich von den Fortschritten zu überzeugen. Da<br />

die Bewohner nicht mit dem Bau eines neuen<br />

Tempels begonnen haben und auch den<br />

Dhea-Tempel nicht niedergerissen haben,<br />

prophezeit er der Bevölkerung eine göttliche<br />

Strafe, die bis zu ihrem Gehorsam andauern<br />

wird. Tatsächlich erkranken einen Tag nach<br />

dieser Ankündigung die ersten Bewohner an<br />

einer Art Grippe, die sich schnell ausbreitet.<br />

Der Dorf-Heiler ist gegen die immer größer<br />

werdende Seuche fast machtlos, da Magie<br />

in dem Dorf nicht mehr zu funktionieren<br />

scheint und die nicht magischen Mittel keine<br />

Wirkung zeigen.<br />

Die Bewohner des Dorfs sind seit dieser<br />

Zeit gespalten. Einige wollen sofort einen Xehil-Tempel<br />

erbauen und den Dhea-Tempel abreißen,<br />

andere weigern sich dem Priester zu<br />

glauben und halten die Krankheit für einen<br />

großen Zufall. Mit jedem Tag sinkt die Anzahl<br />

der Zweifler an dem Priester mehr. Wenn die<br />

Charaktere ankommen, hat sich die Seuche<br />

schon so weit verbreitet, dass sich die Bevölkerung<br />

zum Handeln gezwungen sieht. Sie<br />

brennt den Dhea-Tempel nieder und beginnt<br />

mit dem Bau eines Xehil-Tempels.<br />

Die Taktik des Priesters<br />

Mit Hilfe eines Veränderungszaubers begibt<br />

sich der Priester (in Form eines sinitischen<br />

Reisenden) in das Dorf und späht<br />

dessen Wasserquelle aus. Dann kehrt er<br />

in seiner wahren Gestalt als T’chk wieder<br />

zurück und versucht die Bevölkerung<br />

mit einer Rede zu überzeugen.<br />

Zwei Tage später kehrt der Priester<br />

erneut zurück und macht sich<br />

ein Bild von den Fortschritten.<br />

Sollte sich nichts geändert haben,<br />

so droht er der Bevölkerung<br />

und kehrt dem Dorf scheinbar<br />

den Rücken. Tatsächlich kommt<br />

er aber in der Nacht mit vier Phiolen<br />

der Krankheitserreger wieder<br />

und kippt diese in den Brunnen des<br />

Dorfes.<br />

Breitet sich die Seuche aus und<br />

sind die Bewohner bereit, den Forderungen<br />

nachzugeben, wird der Priester<br />

sich einen Eimer mit Wasser bringen<br />

lassen, das Gegenmittel heimlich hineingeben<br />

und das Wasser an die Bevölkerung<br />

verteilen. Den Rest schüttet er in<br />

den Brunnen. Schon nach wenigen Stunden<br />

wird dieses Mittel wirken. Die Bewohner sind<br />

geheilt.<br />

Herkunft der Phiolen<br />

Die Phiolen mit den Krankheitserregern<br />

bzw. dem Gegenmittel wurden dem Priester,<br />

der tatsächlich ein Sembaren-Diener ist, von<br />

Icros übersandt. Diese im Labor gezüchteten<br />

Grippe-Erreger erhält der T’chk, ebenso wie<br />

das Gegenmittel, in kleinen Glasbehältern.<br />

Phiolen mit einem leichten Rotstich im Glas<br />

enthalten die Erreger, jene mit Blaustich das<br />

Gegenmittel.<br />

Seite 84<br />

Abenteuer


Strafe der ungläubigen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Die Erreger<br />

Die Grippeerreger führen nur in wenigen<br />

Fällen zum Tod und klingen, bei entsprechender<br />

Ruhe und Erholung, von alleine ab. Die<br />

Art der Grippe ist aber sehr ansteckend und<br />

kann sich schnell verbreiten. Vor allem Alte<br />

und Kinder werden von dem Erreger befallen.<br />

Die Motivation<br />

des Sembaren<br />

Der Sembare versucht mit dieser Methode<br />

einerseits Verwirrung zu stiften, andererseits<br />

aber auch sehr subtil seine Macht zu vergrößern.<br />

Mit diesen Dörfern als Basis und mit<br />

einem Diener an der Spitze, dem die Bevölkerung<br />

blind ergeben ist, lassen sich weitere<br />

Unternehmungen für die Vernichtung Valcreons<br />

planen.<br />

Die Störung<br />

Mit dem Moment der Verbreitung der<br />

Seuche, wird das betroffene Dorf von einer<br />

Störung heimgesucht, die als solche kaum<br />

zu erkennen ist. Im Umkreis von 200 m um<br />

die Phiolen bildet sich ein unsichtbares, nicht<br />

spürbares Feld, welches die Magie in diesem<br />

Bereich verzerrt. Das Feld wächst jeden Tag<br />

um etwa 50 m. Für jeden Zauber und jedes<br />

Artefakt, welches genutzt wird, muss vom<br />

Spielleiter (verdeckt) mit 2W20 gewürfelt<br />

werden, ob der Zauber gelingt oder nicht.<br />

2W20 Auswirkungen<br />

2 – 6 Magie funktioniert wie gewohnt<br />

7 – 29 Zauber funktioniert nicht<br />

30 – 37 Zauber hat die gegenteilige Wirkung<br />

oder (wenn nicht möglich)<br />

keine Wirkung<br />

38 – 40 Chaotische, unberechenbare<br />

Wirkung. Das Ergebnis wird vom<br />

Spielleiter festgelegt.<br />

Der Auftrag:<br />

Die Vision<br />

Ein Charakter (oder die ganze Gruppe) auf<br />

Valcreon wird von einer Vision der Sphäre<br />

heimgesucht. Er sieht einen Xehil-Priester<br />

vom Volk der T’chk, wie er auf dem Marktplatz<br />

eines kleinen Dorfes steht und eine<br />

flammende Rede hält.<br />

Auch wenn der Charakter die Worte nicht<br />

versteht, so scheint die Bevölkerung eingeschüchtert<br />

zu sein. Der Priester beendet<br />

die Rede, dreht sich um und verlässt das<br />

Dorf. Nur einen Augenblick später fallen die<br />

Dorfbewohner zu Boden und krümmen sich<br />

unter Schmerzen. Dann endet die Vision.<br />

Abenteuer<br />

Hinweise:<br />

Das Dorf war ausschließlich von Siniten bewohnt<br />

und lag auf einer größeren Waldlichtung.<br />

Außerdem konnte man ein Sägewerk<br />

und mehrere große Stapel Baumstämme sehen.<br />

Auf einem Gebäude, wahrscheinlich ein<br />

Wirtshaus, prangte das Wappen von Grivaron,<br />

einem Fürstentum im westlichen Teil des<br />

sinitischen Reichs, dessen Hauptstadt Alt-<br />

Weiden ist. Das Wappen ist eine grüne Tanne<br />

(mit schwarzem Stamm) auf einem Grashügel<br />

stehend mit braunem Hintergrund.<br />

Mit diesen Hinweisen müsste es den Charakteren<br />

klar werden, dass der Ort des Geschehens<br />

in der westlichen Waldregion des<br />

sinitischen Reiches, rund um Alt-Weiden,<br />

liegt. Dort wird der größte Teil der Holzarbeit<br />

des sinitischen Reiches getätigt.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Ist ein Sinite in der Gruppe, so kennt er diese<br />

Region oder hat zumindest von ihr gehört.<br />

Auch das Wappen dürfte ihm bekannt sein.<br />

Ansonsten helfen Proben auf Länderkunde<br />

oder das Befragen eines sinitischen Händlers,<br />

der weit gereist ist.<br />

Ankunft in der<br />

Region<br />

Ein erster Orientierungspunkt wird die<br />

Stadt Alt-Weiden sein, da sie das Zentrum<br />

dieser Region ist.<br />

Das Dorf finden<br />

Nur die ungefähre Beschreibung des Dorfs<br />

(Wappen an der Tür des Wirtshauses, Sägewerk,<br />

im Wald liegend…) wird wenig Erfolg<br />

bringen.<br />

Anlaufpunkt in Alt-Weiden könnte der<br />

Xehil-Tempel sein, da es sich bei dem T’chk<br />

um einen Xehil-Priester gehandelt hat. Sollten<br />

die Charaktere dort eine ungewöhnliche<br />

Krankheit bei den Bewohnern erwähnen, so<br />

erfahren sie von einem Dorf namens Haaden,<br />

in dem sich unerklärliche Erkrankungen ereignet<br />

haben. Der Xehil-Orden in Alt-Weiden<br />

ist in dieser Sache schon aktiv geworden. Einer<br />

der Priester, der Sinite Urfiel Utbok, wurde<br />

vor zwei Tagen in das 50 km nordwestlich<br />

von Alt-Weiden liegende Dorf gesandt, um<br />

sich von der dortigen Lage einen Eindruck zu<br />

verschaffen.<br />

Der Weg nach Haaden<br />

Nach Haaden führen kleinere Handelswege,<br />

welche die Reise dorthin unbeschwert<br />

machen. Wenn man sich von Alt-Weiden aus<br />

nordwestlich hält, kommt man an dem Dorf<br />

vorbei.<br />

Der zurückkehrende<br />

Xehil-Priester<br />

Nach etwa zwei Dritteln des Weges kommt<br />

der Gruppe ein Xehil-Priester entgegen, der<br />

auf dem Weg nach Alt-Weiden ist. Sprechen<br />

ihn die Charaktere an, so stellt er sich als Urfiel<br />

Utbok vor. Er erzählt der Gruppe, dass er<br />

in Haaden war. Die dortige Bevölkerung leidet<br />

an einer Art Grippe, die sich immer weiter<br />

ausbreitet. Als er seine magischen Fertigkeiten<br />

zur Heilung eingesetzt hat, schlug ein<br />

Zauber fehl und kehrte die heilende Wirkung<br />

in das Gegenteil um.<br />

Nur weil ihm zuvor einige Heilzauber gelungen<br />

waren, glaubte die Bevölkerung ihm,<br />

dass es nicht seine Schuld war. Urfiel ist sich<br />

sicher, dass er keinen Fehler beim Zaubern<br />

gemacht hat. Er kann sich nicht erklären, warum<br />

der Zauber eine umgekehrte Wirkung<br />

hatte.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Der Priester ist unsicher und von Selbstzweifeln<br />

geplagt. Er versteht nicht, wie ein einfacher<br />

Heilzauber eine solche Wirkung hat entfalten<br />

können. Die Ursache dafür weiß er nicht<br />

zu benennen.<br />

Aus Angst einen weiteren Bewohner zu töten<br />

und weil er ohne seine magischen Kräfte<br />

machtlos ist, hat sich der Xehil-Priester aus<br />

dem Dorf zurückgezogen.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Von dem T’chk-Priester und dessen Drohungen<br />

wird Urfiel Utbok nichts erzählen. Auch<br />

kann er die Ursache für die Seuche nicht benennen.<br />

Das Dorf Haaden<br />

Zustände im Dorf<br />

Die Gruppe sieht aus der Entfernung Rauchwolken<br />

in den Himmel steigen. Kommen die<br />

Charaktere nach Haaden, so werden sie ein<br />

Dorf in völliger Aufruhr antreffen:<br />

Die Dorfbewohner haben sich um den<br />

Dhea-Tempel gescharrt, der gerade bis auf<br />

die Grundmauern abbrennt. Anstatt den<br />

Tempel zu löschen, achten die Bewohner nur<br />

darauf, dass das Feuer nicht auf die anderen<br />

Häuser übergreift. Die Gesichter der Umherstehenden<br />

sind von der Trauer über diese Tat<br />

gezeichnet, aber niemand unternimmt etwas<br />

gegen den Brand.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Sollten die Charaktere versuchen zu löschen,<br />

so werden sie von der Bevölkerung abgehalten.<br />

Die Gruppe bekommt erklärt, dass das<br />

Feuer absichtlich gelegt wurde.<br />

Wer nicht an dem brennenden Tempel<br />

Seite 85


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Strafe der Ungläubigen<br />

steht, arbeitet ganz in der Nähe an einem<br />

neuen Gebäude – einem Xehil-Tempel. Dies<br />

scheint die einzige Betätigung der Bevölkerung<br />

zu sein.<br />

Sie arbeiten Tag und Nacht daran und<br />

machen einen gehetzten Eindruck. Die Bevölkerung<br />

ist verängstigt und reagiert unfreundlich,<br />

sollte sie jemand von der Arbeit<br />

ablenken wollen.<br />

Den Charakteren fällt auch auf, dass einige<br />

in der Bevölkerung erkrankt sind. Sie haben<br />

sich mit einer Art Grippe infiziert, die sie<br />

zwar nicht umzubringen scheint, aber doch<br />

schwächt. Die Kranken werden alle in ihren<br />

Häusern von ihren Familienmitgliedern oder<br />

anderen Freiwilligen gepflegt. Ein gemeinsames<br />

Krankenlager gibt es nicht.<br />

Seite 86<br />

Beginn der Krankheit<br />

Die ersten Anzeichen für eine Krankheit<br />

erfolgten schon am nächsten Morgen, nachdem<br />

der T’chk das Dorf wieder verlassen<br />

hatte und (in der Nacht) die Phiolen in den<br />

Brunnen geworfen hatte.<br />

Symptome:<br />

Die Krankheit beginnt mit einem Schwächegefühl<br />

und Appetitlosigkeit. Dann folgen<br />

Kopfschmerzen und Müdigkeit. Der Kranke<br />

beginnt zu husten und bekommt eine trockene<br />

Kehle. Schließlich kommt es zu Schüttelfrost<br />

und hohem Fieber.<br />

Die meisten Kranken des Dorfs sind schon<br />

im letzten Stadium mit hohem Fieber und<br />

Schüttelfrost.<br />

Der Virus ist zwar nur in seltenen Fällen<br />

tödlich, hat aber eine sehr kurze Inkubationszeit<br />

von ein bis zwei Stunden.<br />

Dorfbeschreibung<br />

Haaden besteht nur aus wenigen Häusern,<br />

ist aber Treffpunkt vieler Bauern und Holzfäller<br />

aus der Region. Das Dorf hat keine Mauern<br />

oder Wachtürme. Es liegt in der Nähe einer<br />

kleineren Handelsstraße und erfreut sich<br />

ab und zu auch an Durchreisenden.<br />

Ortsvorsteher ist Gazin Gahnach. Er scheint<br />

einer der wenigen Vernünftigen zu sein und<br />

ist für jede Hilfe dankbar. Er kann aber kein<br />

Gold oder andere Wertgegenstände für diese<br />

Hilfe erübrigen. Einzig freie Kost und Logis<br />

im einzigen Gasthaus des Orts kann er anbieten.<br />

1 – Gasthaus mit Stall<br />

Die „Waldstätte“, das einzige Wirtshaus<br />

der Region, ist bei den Bauern und Holzarbeitern<br />

ein beliebter Treffpunkt. Hier finden<br />

sich auch regelmäßig Händler auf der Durchreise<br />

ein. Besitzer der Waldstätte ist Marom<br />

Mindat, ein ruhiger Mann, der mit seiner Frau<br />

und seinen drei Kindern seit über einem Jahrzehnt<br />

dieses Gasthaus betreibt.<br />

Zurzeit wirkt das Gasthaus verlassen und<br />

leer. Das Personal der „Waldstätte“ ist entweder<br />

krank oder arbeitet am neuen Tempel.<br />

Marom Mindat hält das Wirtshaus zwar<br />

offen, ist aber die meiste Zeit mit der Versorgung<br />

der Arbeiter beschäftigt. Niemand verweilt<br />

länger als für eine schnelle Mahlzeit.<br />

2 – Marktplatz<br />

Der Marktplatz ist Treffpunkt und Zentrum<br />

für die Bewohner der Region. Viele haben<br />

Bauernhöfe und Holzfällerlager in der Nähe,<br />

suchen aber regelmäßig den Weg nach Haaden.<br />

Jeden Tag finden sich hier einige Stände,<br />

auf welchen die Bauern der Region ihre<br />

Erzeugnisse verkaufen oder durchziehende<br />

Händler ihre Waren anbieten.<br />

Momentan ist der Markt verwaist, weil<br />

Abenteuer


Strafe der ungläubigen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

durchziehende Händler Haaden meiden und<br />

die Bauern weder die Kraft noch die Zeit haben,<br />

ihre Waren anzupreisen.<br />

3 – Haus des Ortsvorstehers<br />

Gazin Gahnach ist seit 12 Jahren Ortsvorsteher<br />

von Haaden. Der 46-jährige schlanke,<br />

braunhaarige Mann ist gelernter Händler<br />

und verdient seinen Lebensunterhalt mit<br />

dem Verkauf von Sägen und anderen Werkzeugen.<br />

Gazin Gahnach ist seit dem ersten<br />

Tag erkältet. Die Krankheit hat ihn zwar geschwächt,<br />

aber er ist kräftig genug die Charaktere<br />

zu empfangen, auch wenn er sich<br />

nicht am Bau des Tempels beteiligen kann.<br />

Er erzählt ihnen alles über die Vorgänge der<br />

letzten Tage.<br />

4 – Krämerladen<br />

Jolim Jaal ist schon in der zweiten Generation<br />

der Besitzer des Krämerladens. Der junge,<br />

blonde Mann ist von dem Auftreten des<br />

Priesters sehr eingeschüchtert, ist aber von<br />

der Krankheit noch nicht betroffen. Im Laden<br />

finden sich eine Vielzahl an Gebrauchs- und<br />

Ausrüstungsgegenständen einfacher Qualität.<br />

Jolim arbeitet die meiste Zeit auch an<br />

dem Tempel und hält den Laden während<br />

dieser Zeit geschlossen.<br />

5 – Dhea-Tempel<br />

Als die Charaktere in das Dorf kommen,<br />

werden sie Zeugen, wie der Dhea-Tempel abbrennt.<br />

Der langjährige Priester des Tempels,<br />

Namal Noltom, war in der Bevölkerung sehr<br />

beliebt, erkannte die Situation der Bevölkerung<br />

an und verließ in der Nacht zuvor das<br />

Dorf in Frieden. Niemand weiß, wo er hingegangen<br />

ist.<br />

6 – Brunnen<br />

Der Dorfbrunnen ist etwa 8 m tief und 1,2<br />

m breit. Nach 5,5 m erreicht man die Wasseroberfläche,<br />

somit beträgt die Wassertiefe 2,5<br />

m. An dem Brunnen befindet sich eine Winde<br />

mit großem Eimer, der zum Wasser Schöpfen<br />

genutzt werden kann. Vor dem Brunnen ist<br />

eine kleine Tränke für Vieh und Reittiere angebracht.<br />

Bei der Ankunft der Charaktere befinden<br />

sich im Brunnen vier Phiolen mit dem Krankheitserreger.<br />

Leuchtet man in die Tiefe, so<br />

sieht man ein Glitzern, das von den dünnen<br />

Glasröhrchen kommt. Steigt man in den<br />

Brunnen, so kann man die, teilweise zerbrochenen,<br />

Phiolen bergen.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Auch die Charaktere sind gegen die Krankheitserreger<br />

nicht immun. Sollten sie von dem<br />

Wasser trinken, können auch sie erkranken<br />

(schwierige KO-Probe).<br />

7 – Sägewerk<br />

Das Sägewerk von Hinron Heersoc verarbeitet<br />

das Holz der Arbeiter rund um Haaden.<br />

Der Sinite hat mehrere Hilfsarbeiter, die<br />

ihm bei der schweren Arbeit helfen.<br />

Das Sägewerk ist Tag und Nacht besetzt<br />

um die Bretter für den neuen Tempel zu sägen.<br />

8 – Köhlerei<br />

Der Köhler Forthrun Farkas arbeitet eng<br />

mit dem Sägewerk des Dorfs zusammen. Er<br />

stellt Holzkohle her, die er hauptsächlich an<br />

die Schmiede der Region verkauft. Hinter<br />

dem großen Gebäude des Köhlers sind zwei<br />

Kohlenmeiler aufgebaut, die Forthrun ständig<br />

auf die richtige Temperatur hin kontrolliert.<br />

9 – Xehil-Tempel<br />

Der Neubau des Xehil-Tempels wird von<br />

der Bevölkerung mit aller Kraft und Eile vorangetrieben.<br />

Der Tempel wird das größte Gebäude<br />

im Dorf. Bei der Ankunft der Gruppe<br />

steht schon das äußere Gerüst.<br />

Die Charaktere im Dorf<br />

Die Dorfbewohner sind für jede Hilfe dankbar,<br />

auch wenn sie sich nicht um die Charaktere<br />

kümmern können. Jeder Heilkundige,<br />

der die Kranken pflegt oder jede starke Hand<br />

ÜBERSICHT<br />

Übersicht über die<br />

Ereignisse auf Valcreon<br />

Die Tabelle soll dabei helfen, den Überblick<br />

über die Ereignisse und Orte auf<br />

Valcreon zu behalten.<br />

Tag Ereignisse auf Valcreon<br />

-6 Priester kommt das erste Mal nach<br />

Haaden.<br />

-4 Priester wirft nachts die Phiolen in<br />

den Brunnen von Haaden.<br />

-3 Bei der Bevölkerung in Haaden<br />

zeigen sich erste Symptome.<br />

-2 Priester kommt das erste Mal nach<br />

Ellreo.<br />

-1 Die Unruhe in Haaden wächst.<br />

0 Priester wirft nachts die Phiolen in<br />

den Brunnen von Ellreo.<br />

0 Die Seuche greift um sich. Die Bevölkerung<br />

Haadens beugt sich den<br />

Forderungen.<br />

0 Charaktere kommen in Haaden an.<br />

1 Die ersten Symptome in Ellreo<br />

zeigen sich.<br />

1 Haaden wird „geheilt“. Die Bevölkerung<br />

ist dem Priester ergeben.<br />

2 Die Seuche greift um sich. Die<br />

Bevölkerung Ellreos beugt sich den<br />

Forderungen.<br />

3 Ellreo wird „geheilt“. Die Bevölkerung<br />

ist dem Priester ergeben.<br />

3 Der Priester erhält neue Phiolen<br />

und will neue Dörfer bekehren<br />

(nächstes Ziel: Arnkagen).<br />

4 Priester kommt das erste Mal nach<br />

Arnkagen.<br />

6 Priester wirft nachts die Phiolen in<br />

den Brunnen von Arnkagen.<br />

beim Bau wird gerne gesehen.<br />

Was die Bevölkerung<br />

über den Priester sagt<br />

Fragen die Charaktere nach den Geschehnissen<br />

der letzten Tage, so werden sie bereitwillig<br />

Auskunft erhalten. Die Bewohner erzählen<br />

vom ersten Erscheinen des Priesters,<br />

bis hin zum Ausbruch der Krankheit und dem<br />

Bau des Xehil-Tempels.<br />

Der Angriff auf den Priester<br />

Interessant ist noch die Geschichte eines<br />

Holzfällers aus der Region, der im Zorn auf<br />

den Priester losgegangen ist und ihn mit seiner<br />

Axt töten wollte. Der Angriff war überraschend<br />

und der Schlag gewaltig, aber die<br />

Axt brach ab ohne nur einen Kratzer am Kopf<br />

des T’chk zu hinterlassen. Der Holzfäller floh<br />

daraufhin ängstlich in den Wald und wurde<br />

Abenteuer<br />

Seite 87


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Strafe der Ungläubigen<br />

seither nicht mehr gesehen.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Die Bevölkerung ist eingeschüchtert und<br />

wird nichts Schlechtes über den Priester sagen.<br />

Gute Argumente und Versuche, die Bevölkerung<br />

vom Unrecht dieser Tat zu überzeugen,<br />

werden nicht helfen.<br />

Zaubern<br />

Sollten die Charaktere zaubern wollen, so<br />

werden sie von der Bevölkerung gewarnt,<br />

dass Magie nicht sicher funktioniert. Sie erzählen<br />

ihnen auch von dem Kranken, der<br />

durch einen Heilzauber des Xehil-Priesters<br />

Urfiel Utbok getötet wurde. Seit dieser Zeit<br />

wird keine Magie mehr ausgeübt.<br />

Sollte ein Charakter zaubern wollen, so<br />

müssen die Auswirkungen der Störung aus<br />

der Tabelle berücksichtigt werden. Bereits<br />

bestehende Zauber, magische Artefakte und<br />

Runen sind von dieser Störung nicht betroffen.<br />

Die Störungsausmaße erkennen?<br />

Die Ausmaße der Magie-Störung lassen<br />

sich nicht erfühlen oder auf eine andere Art<br />

feststellen. Da selbst bei dieser Störung Zauber<br />

gelingen können, wird es schwer sein die<br />

Ausmaße der Störung durch Zauberversuche<br />

zu erkennen.<br />

Die Bevölkerung aus<br />

dem Dorf bringen?<br />

Sollten die Charaktere die Vermutung haben,<br />

dass die Störung nur um die Region des<br />

Dorfs beschränkt ist, würde eine Auslagerung<br />

der Kranken eine magische Heilung möglich<br />

machen. Auf diesen Vorschlag werden die<br />

Bewohner von Haaden aber nicht eingehen,<br />

da sie sich davor fürchten, den Priester dadurch<br />

zu erzürnen.<br />

Wasser trinken?<br />

Trinken die Charakter Wasser aus dem<br />

Brunnen, so muss ihnen eine schwierige KO-<br />

Probe (20) gelingen, ansonsten werden auch<br />

sie krank.<br />

Ermittlungen<br />

Abgesehen von der Vision, deutet noch<br />

nichts auf einen Eingriff eines Sembaren hin.<br />

Einzig die Suche nach dem Krankheitserreger<br />

hilft hier weiter. Mögliche Ermittlungsrichtungen<br />

könnten sein:<br />

Magisch erzeugte Krankheit<br />

Dies ist relativ unwahrscheinlich, weil sich<br />

niemand der Bewohner bezaubert gefühlt<br />

hat und auch Personen erkrankt sind, die den<br />

Priester nicht zu Gesicht bekommen haben.<br />

Außerdem müsste der Priester ungewöhnlich<br />

viele Zauber gesprochen haben.<br />

Zufall<br />

Diese Annahme wird sich spätestens nach<br />

dem zweiten Dorf wieder zerstreuen, denn<br />

auch hier erkranken die Bewohner unmittelbar<br />

nachdem der Priester das Dorf verlassen<br />

hat.<br />

Gift bzw. vergifteter Brunnen<br />

Entspricht tatsächlich der Wahrheit, jedoch<br />

sind die Nutztiere in den Dörfern, die<br />

auch Wasser aus dem Brunnen bekommen,<br />

nicht betroffen, da die Erreger hierfür nicht<br />

aggressiv genug sind.<br />

Der Brunnen<br />

Stellen die Charaktere Ermittlungen an, so<br />

werden sie erfahren, dass der Brunnen (Gebäude<br />

6) die Hauptwasserquelle des Dorfs<br />

ist.<br />

Am Grund des Brunnens, etwas im<br />

Schlamm versunken, finden sich vier zerbrochene<br />

Glasphiolen, aus für diese Sphäre ungewöhnlich<br />

dünnem Glas. Reinigt man das<br />

Glas, so entdecken die Charaktere, anhand<br />

der ungewöhnlichen Verzierungen, dass diese<br />

nicht von Valcreon, sonder von Icros stammen.<br />

Weiterhin findet sich eine Art Stempel<br />

in dem Glas: In einem Dreieck findet sich der<br />

Buchstabe „W“.<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Das „W“ ist ein wichtiger Hinweis für die<br />

Herkunft der Phiolen, mit dem die Charaktere<br />

auf Valcreon aber nichts anfangen können.<br />

Die Rückkehr<br />

des Priesters<br />

Einen Tag nachdem die Gruppe in Haaden<br />

ankommt, erwarten die Bewohner die Rückkehr<br />

des Priesters. Das äußere Gerüst des<br />

Xehil-Tempels steht schon.<br />

Etwa zur Mittagszeit kommt der Priester in<br />

das Dorf. Die Bevölkerung versammelt sich<br />

auf dem Marktplatz und lauscht folgenden<br />

Worten:<br />

„Wie ich sehe, habt ihr meinen Wunsch<br />

erfüllt. Auch wenn die Arbeiten noch nicht<br />

abgeschlossen sind und euer Glaube längst<br />

nicht gefestigt ist, so wird Xehil Milde walten<br />

lassen und euch mit seiner Gnade segnen.<br />

Bringt mir einen Eimer mit Wasser.“<br />

Anmerkung für den Spielleiter<br />

Der Priester ist ein fanatischer Prediger, der<br />

mit lauter scharfer Stimme spricht, während<br />

die Bevölkerung eingeschüchtert seine Worte<br />

vernimmt. Die bedrückende, ängstliche Stimmung<br />

sollte während dieser Rede deutlich gemacht<br />

werden.<br />

Der T’chk bekommt sofort einen Eimer<br />

Wasser gereicht, in welchen er seinen rechten<br />

Arm hineinsteckt. Er schließt die Augen,<br />

wie bei einem Gebet, schüttet tatsächlich<br />

aber den Inhalt zweier Phiolen mit dem Gegenmittel<br />

in das Wasser. Dann lässt er jeden<br />

aus der Bevölkerung einen Schluck von dem<br />

Wasser trinken und schüttet den Rest in den<br />

Brunnen.<br />

Die Genesung<br />

Das Gegenmittel wirkt schnell. Schon am<br />

Abend spüren viele Bewohner eine Verbesserung<br />

ihres Zustands. Am nächsten Tag sind<br />

alle genesen, auch wenn einige von ihnen<br />

noch etwas schwach auf den Beinen sind.<br />

Die Bevölkerung ist erleichtert und dankbar,<br />

lässt aber bei dem Bau des Xehil-Tempels<br />

nicht nach.<br />

Aussehen und<br />

Unverwundbarkeit<br />

Der T’chk ist 1,32 Meter groß und etwa 48<br />

kg schwer. Er trägt einen hellgrauen Umhang<br />

und braune Lederschuhe. Seine Kleidung ist<br />

gepflegt und sauber. Er hat eine schrille,<br />

hohe Stimme und unterstreicht seine Worte<br />

stets mit ungewöhnlich aggressiven und hektischen<br />

Gesten.<br />

Durch ein Echo, geschaffen vom Sembaren,<br />

ist der Priester unverwundbar, solange<br />

der Diener auf Icros noch lebt. Dies zeigt sich<br />

auch in einer leicht strahlenden Aura, die den<br />

Priester ständig umgibt. Körperlicher Schaden<br />

und Zaubersprüche haben keine Wirkung<br />

auf ihn.<br />

Nach Icros<br />

Nehmen die Charaktere mit ihren Geschwistern<br />

auf Icros Kontakt auf und erzählen<br />

ihnen von dem ungewöhnlichen Logo, so<br />

lässt sich über das Computernetz schnell eine<br />

Tochterfirma eines großen Pharma-Konzerns<br />

(Givan+Honu) finden, welche in Sewen ihren<br />

Forschungsstandort hat – Wedast Pharmazie<br />

– ihr Logo ist ein stilisiertes „W“.<br />

Die Firma liegt in einem Industriegebiet Sewens<br />

in der Bauxitstrasse 12.<br />

Informationsbeschaffung<br />

Ein erster Anlaufpunkt könnte die Homepage<br />

der Firma sein. Wedast Pharmazie hat<br />

nur wenige hundert Mitarbeiter, die sich mit<br />

dem Erforschen von Krankheiten und Krankheitsbildern<br />

beschäftigen. Hierbei haben sie<br />

vier Schwerpunkte:<br />

1. Migräneforschung<br />

2. Medikamente gegen die Abstoßung<br />

transplantierter Organe<br />

Seite 88<br />

Abenteuer


Strafe der ungläubigen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

3. Maßnahmen zur Früherkennung von<br />

Schlaganfällen<br />

4. Impfstoffe gegen Influenza<br />

Vergleicht man diese Liste mit den Symptomen<br />

der Dorfbevölkerung auf Valcreon, kann<br />

man nur auf den Bereich der Impfstoffe gegen<br />

Influenza kommen. Folgt man dem Link<br />

dieses Forschungsgebiets, so findet man ein<br />

Bild des Wissenschaftlerteams von Wedast<br />

Pharmazie. Dieses besteht aus drei Personen:<br />

Rasim Addar, Thoru Sudes und Ulico Faher.<br />

Dr. Ulico Faher ist 59 Jahre alt, ledig und<br />

hat keine Kinder. Er ist der Leiter dieses<br />

Projekts. Er studierte an der Universität von<br />

Sewen Biologie, arbeitet bei verschiedenen<br />

Pharmaunternehmen und kam vor vier Jahren<br />

zu Wedast Pharmazie, um sich mit der Erforschung<br />

neuer Impfstoffe gegen Influenza<br />

zu befassen.<br />

Dr. Thoru Sudes ist 52 Jahre alt, verheiratet<br />

und hat ein Kind. Er studierte an der Universität<br />

von Colsem Biologie und Chemie. Er<br />

arbeitete eine Zeit lang in der medizinischen<br />

Forschung bevor er vor 9 Jahren zu Wedast<br />

Pharmazie kam.<br />

Dr. Rasim Addar ist ein aufstrebender 39<br />

Jahre alter Wissenschaftler. Er ist verheiratet<br />

und hat drei Kinder. Er schloss sein Medizinstudium<br />

an der Universität von Lobis als<br />

Jahrgangsbester ab und arbeitete fünf Jahre<br />

in einem Krankenhaus, bevor er sich der Forschung<br />

zuwandte. Seit 2 Jahren ist er bei Wedast<br />

Pharmazie.<br />

Weitere Informationen<br />

In den nächsten Tagen laufen bei Wedast<br />

Pharmazie mehrere Vortragsreihen, bei denen<br />

mit auswärtigen Experten die aktuellen<br />

Entwicklungen der Migräneforschung diskutiert<br />

werden. Eine Anmeldung ist kurzfristig<br />

möglich. Teilnehmen kann jeder Interessierte,<br />

der eine Gebühr von 200 GE zahlt.<br />

Eine Teilnahme an einem solchen Vortrag<br />

hätte den Vorteil, dass man sehr einfach in<br />

die Räume der Firma kommt. Ein Einbruch<br />

ist, aufgrund der sehr guten Sicherung des<br />

Geländes, kaum möglich.<br />

Wedast Pharmazie<br />

Das achtstöckige Gebäude ist ein moderner<br />

Büroturm und hat eine Grundfläche von etwa<br />

25 x 50 Metern. Die Außenwand ist überwiegend<br />

mit einbruchssicheren Fenstern verglast.<br />

Um das Gebäude verläuft ein drei Meter<br />

hoher Zaun, der kameraüberwacht wird.<br />

Neben dem Gebäude ist ein großes Parkhaus,<br />

das jeder Mitarbeiter mit seiner elektronischen<br />

Zugangskarte nutzen kann. Das<br />

Parkhaus wird nicht überwacht. Unbewachte<br />

Gästeparkplätze gibt es rund 100 m von dem<br />

Gebäude entfernt.<br />

Die Vortragsräume<br />

im ErdgeschoSS<br />

Die Vorträge werden im Erdgeschoß abgehalten.<br />

Ab dem ersten Stock beginnt der gesicherte<br />

Bereich. Für die Büros und die meisten<br />

Laborräume gibt es keinen zusätzlichen<br />

Sicherheitsbereich. Nur die Labore, in denen<br />

mit Viren, Bakterien und anderen gefährlichen<br />

Substanzen gearbeitet wird, haben eine<br />

zusätzliche Schleuse.<br />

Das Unternehmen ist recht groß, somit ist<br />

auf dem Flur eine gewisse Anonymität gewährleistet,<br />

wenn man sich nicht in den Büroräumen<br />

oder den Labors aufhält.<br />

1 – Eingang und Vorhalle<br />

Rechts vom Eingang sind Stehtische aufgebaut.<br />

Am Ende des Raums befindet sich eine<br />

Tür, die auch von einigen Mitarbeitern genutzt<br />

wird. Die Veranstaltungen sind immer<br />

gut besucht. Sie dauern im Schnitt vier bis<br />

fünf Stunden (überwiegend vormittags) und<br />

werden durch zwei Pausen unterbrochen,<br />

bei denen an den Stehtischen kleine Speisen<br />

und Getränke gereicht werden. Von hier aus<br />

gelangt man in den großen Veranstaltungsraum,<br />

der bis zu 200 Besuchern einen Sitzplatz<br />

bietet. Bei einer Veranstaltung sind im<br />

Schnitt 120 Besucher anwesend.<br />

Der untere Ausgang geht in eine kleine Küche,<br />

die überwiegend von einem externen<br />

Abenteuer<br />

Seite 89


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Strafe der Ungläubigen<br />

Catering-Service betrieben wird. Der obere<br />

Ausgang führt zu Fahrstühlen, die in den inneren<br />

Bereich fahren. Dort gibt es auch einen<br />

weiteren Eingang für Mitarbeiter.<br />

Links neben dem Empfang (2) ist der Eingang<br />

zur Küche, der aber keinen besonderen<br />

Ausweis benötigt. Von der Küche aus gelangt<br />

man nicht in die inneren Räume der Firma.<br />

Auch das Küchenpersonal einer externen Catering-Firma<br />

hat keine Ausweise, welche den<br />

Zugang nach oben ermöglichen.<br />

2 – Empfang<br />

Kommt man in das Gebäude hinein, so wird<br />

man gebeten, sich am Empfang zu registrieren.<br />

Hier erhält man die Unterlagen für das<br />

Seminar, einen offen zu tragenden Tagesausweis<br />

und ein Namensschild.<br />

3 – Großer Veranstaltungsraum<br />

Der Raum verläuft steil nach unten und hat<br />

eine große Bühne am Ende. Mit der großen<br />

Leinwand über der Bühne erinnert er an ein<br />

Kino. Die Sitze sind gepolstert und haben<br />

gute Beinfreiheit nach vorne. Während der<br />

Veranstaltungen werden hier mehrere Referenten<br />

Vorträge halten.<br />

4 – Technikraum<br />

Von diesem etwas abgetrennten Raum<br />

wird das Mikrofon, die Leinwand usw. gesteuert.<br />

Während der Vorträge befindet sich<br />

immer ein Techniker in dem Raum, der alle<br />

Medien steuert.<br />

5 – Toiletten<br />

Die nach Geschlecht getrennten Toiletten<br />

sind klein, sehr sauber und vor allem in den<br />

Vortrags-Pausen gut besucht.<br />

Störung auf Icros<br />

Die Störung auf Icros beschränkt sich auf<br />

das Gelände von Wedast Pharmazie. In unregelmäßigen<br />

Abständen löst (unbegründet)<br />

der Alarm aus, elektronisch gesteuerte Türen<br />

gehen ohne sichtbaren Grund auf oder bleiben<br />

verschlossen. Der Fahrstuhl bleibt stecken<br />

usw.<br />

Die Leitung des Unternehmens versucht<br />

die Störungen nicht publik zu machen und<br />

hält sie für eine Verkettung von unglücklichen<br />

Zufällen. Der größte Teil der Störung betrifft<br />

den Keller, das Erdgeschoß und den ersten<br />

Stock, so dass die Forschungsräume in den<br />

oberen Stockwerken nicht betroffen sind.<br />

Sollte sich die Störung aber weiter ausbreiten,<br />

müssen die Forschungslabors aus Sicherheitsgründen<br />

geschlossen werden.<br />

Beim Vortrag<br />

Seite 90<br />

Der Vortrag wird im Veranstaltungsraum<br />

(Raum 3) durchgeführt. Vor dem Raum ist ein<br />

Bereich mit Stehtischen und einem kleinen<br />

Buffet aufgebaut, an dem man sich auch während<br />

der Präsentation aufhalten kann. Dieser<br />

Bereich ist jedem Besucher frei zugänglich.<br />

Um weiter in das Gelände zu gelangen, benötigt<br />

man eine Magnetkarte, die eine gesicherte<br />

Tür öffnet. Es gibt mehrere Möglichkeiten<br />

in den inneren Bereich zu gelangen:<br />

Unauffälliges<br />

Hinterherlaufen<br />

Da bei den Vorträgen, vor allem in den<br />

Pausen, immer eine unübersichtliche Masse<br />

an Leuten herumsteht, und dieser Firmeneingang<br />

auch von einigen Mitarbeitern genutzt<br />

wird, ist es nicht schwer bei einer geöffneten<br />

Tür mitzulaufen und in den Mitarbeiterbereich<br />

zu gelangen.<br />

Die Mitarbeiter erkennt man meist daran,<br />

dass sie ihre Ausweise nicht offen an der Jacke<br />

bzw. am Hemd tragen und auch kein Namensschild<br />

haben.<br />

Kartendiebstahl<br />

Bei den Vorträgen sind einige Mitarbeiter<br />

in der Menge, so dass es (vor allem in den<br />

Pausen), einem Dieb leicht möglich wäre, die<br />

Eingangskarte eines Mitarbeiters zu stehlen<br />

(Taschendiebstahl: erschwert).<br />

Zugang elektronisch knacken<br />

Die elektronischen Schlösser sind mit moderner<br />

Software ausgestattet. Nur ein Charakter<br />

mit Computer, Elektrotechnik und<br />

Einbrechen kann das Schloss umgehen. Hier<br />

benötigt er eine erschwerte Probe (15) für<br />

Computer und Einbrechen und eine schwere<br />

Probe (25) für Elektrotechnik. Dies während<br />

einer Veranstaltung durchzuführen, dürfte<br />

aber zu auffällig sein.<br />

Die Abteilung für den<br />

Influenza-Impfstoff<br />

Die Abteilung für den Influenza-Impfstoff<br />

befindet sich im ersten Stock. Dies ist leicht<br />

herauszufinden, da in jedem Stockwerk (am<br />

Fahrstuhl) eine Übersicht der Abteilungen in<br />

diesem Gebäude angebracht ist.<br />

Neben den drei Forschern Rasim Addar,<br />

Thoru Sudes und Ulico Faher, sind in diesem<br />

Bereich noch jeweils drei Assistenten und<br />

eine Sekretärin zu finden. Die Sekretärin hat<br />

als einzige keinen Zugang zu den gesicherten<br />

Laborräumen.<br />

1 – Sekretariat<br />

Der kleine Raum ist mit einem Schreibtisch<br />

und einem Computer ausgestattet. Hier findet<br />

sich auch eine Vielzahl an Grünpflanzen.<br />

Die Sekretärin, Kanoa Niask, ist Anfang 50<br />

und kräftig gebaut. Sie kümmert sich um organisatorische<br />

Dinge und macht die Schreibarbeiten<br />

für diese Abteilung.<br />

2 – Büro der Assistenten<br />

Die drei Assistenten Isoa Laset, Thassim<br />

Addar und Vonu Sudes haben hier ihr Büro.<br />

Der Raum ist mit drei kleinen Schreibtischen<br />

und drei Stühlen eng zugestellt und bietet<br />

kaum Platz für die beiden Bücherregale.<br />

3 – Büro von Ulico Faher<br />

Ein großer Schreibtisch beherrscht die<br />

Raumgestaltung dieses Büros. Ulico Faher<br />

legt sehr viel Wert auf diese Art von Prestigeobjekt,<br />

da er in seinem Büro immer wieder<br />

wichtige Gäste empfängt. An der Seitenwand<br />

befindet sich ein langes Bücherregal überwiegend<br />

mit Fachbüchern gefüllt.<br />

In einem verschlossenen Fach im Schreibtisch<br />

(Einbrechen: normal) befinden sich zwei<br />

Schachteln mit Phiolen. Eine Packung enthält<br />

rote Phiolen, eine andere blaue Phiolen. Insgesamt<br />

fehlen 8 rote Phiolen (Krankheitserreger)<br />

und 4 blaue Phiolen (Heilmittel).<br />

In der Box findet sich auch eine Aufstellung<br />

der verschickten Phiolen. Auf dem Zettel sind<br />

die Dörfer Haaden und Ellreo abgehakt. Zwei<br />

weitere Namen (Arnkagen und Pawingen)<br />

scheinen die nächsten in der Lieferkette zu<br />

sein.<br />

4 – Büro von Thoru Sudes<br />

Dieses Büro wird von unzähligen Stapeln<br />

von Papier und Büchern beherrscht. Der<br />

Raum ist unordentlich und folgt einem merkwürdigen<br />

System, welches nur Thoru Sudes<br />

bekannt zu sein scheint.<br />

5 – Büro von Rasim Addar<br />

Rasim Addars Büro ist von einer fast klinischen<br />

Sauberkeit und sehr modern eingerichtet.<br />

Der Schreibtisch besteht aus Milchglas<br />

und in den Bücherregalen finden sich kleinere<br />

Skulpturen von künstlerischem Wert. Die<br />

Wände sind mit Drucken berühmter Maler<br />

versehen.<br />

6 – Forschungslabor-Schleuse<br />

Zu diesem Raum haben nur die drei Forscher,<br />

ihre drei Assistenten und speziell autorisiertes<br />

Sicherheitspersonal Zutritt. Die<br />

Assistenten dürfen nur in Begleitung von<br />

einem der drei Forscher das Labor betreten<br />

und sich nicht alleine dort aufhalten. Ohne<br />

die Zugangskarte der Forscher kommen sie<br />

nicht hinein.<br />

Der Vorraum dient als Hygieneschleuse.<br />

Hier müssen die Besucher spezielle Kleidung<br />

Abenteuer


Strafe der ungläubigen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

überziehen. Dieser Raum ist kameraüberwacht.<br />

Alle Gegenstände, die aus dem Labor<br />

gebracht werden, müssen in eine kleine<br />

Schleuse, in welcher sie bei hohem Druck und<br />

130 Grad Hitze desinfiziert werden. Die Anzüge<br />

werden regelmäßig ausgetauscht bzw.<br />

mit Essigsäure behandelt.<br />

Die Wand zum Labor hin besteht aus Glas.<br />

7 – Forschungslabor<br />

Das fensterlose Labor wird, im Gegensatz<br />

zu der Schleuse, nicht kameraüberwacht. Die<br />

Wände sind sehr robust und die Glasfenster<br />

zwischen Labor und Schleuse aus Hochsicherheitsglas.<br />

Der Raum besteht aus einer Vielzahl langer,<br />

halbhoher Arbeitstische mit Schubladen,<br />

Wasser- und Stromanschlüssen. Unzählige<br />

Geräte, Kabel und Schläuche machen das<br />

Labor für einen Laien unübersichtlich. Der<br />

Wert dieser Geräte geht in die Millionen.<br />

Die Forschungsaufzeichnungen werden in<br />

einen Computer eingegeben, der sehr gut<br />

gesichert ist (Hacking: schwer) und nicht am<br />

Computernetz (CN) hängt.<br />

Alle Viren lagern in Stahlbehältern mit minus<br />

190 Grad kaltem Stickstoff. Bei 37 Grad<br />

lagern die Zellkulturen in Plastikschalen mit<br />

rötlicher Nährlösung. Es gibt Notfallabsaugvorrichtungen<br />

und zwei Feuerlöscher.<br />

Wie gelangt man<br />

in das Büro?<br />

Bei Wedast Pharmazie ist es durchaus üblich,<br />

dass nachts gearbeitet wird. Die Wachleute<br />

gehen ab 20.00 Uhr in unregelmäßigen<br />

Abständen durch die Büros und machen das<br />

Licht aus, wenn sich niemand mehr in dem<br />

Raum befindet.<br />

Die Wachleute kennen sich mit den Mitarbeitern<br />

nicht gut genug aus, um zu erkennen,<br />

ob eine Person wirklich in das Büro bzw. in<br />

das Labor gehört. Wenn sich die Charaktere<br />

nicht auffällig verhalten, werden sie von den<br />

Wachleuten nicht angesprochen.<br />

In der Abteilung für Influenza-Impfstoff beginnen<br />

die Angestellten gegen 7.45 Uhr und<br />

arbeiten nur sehr selten länger als 19.00 Uhr.<br />

Warten die Charakter bis alle Mitarbeiter gegangen<br />

sind, so können sie ohne Probleme in<br />

die Räume gelangen. Die Wartezeit könnten<br />

sie in den Kaffeeecken auf den Stockwerken<br />

oder den Toiletten verbringen.<br />

Die Büros von Rasim Addar, Thoru Sudes<br />

und Ulico Faher sind abgeschlossen (Einbrechen:<br />

erschwert).<br />

Die Suche nach dem<br />

Abenteuer<br />

ABSENDER<br />

Informationen über die<br />

Influenza-Viren<br />

Insgesamt arbeiten nur die drei Wissenschaftler<br />

(Rasim Addar, Thoru Sudes und<br />

Ulico Faher) an neuen Impfstoffen gegen Influenza.<br />

Sie sind die einzigen, die Zugang zu<br />

tiefgefrorenen Grippeviren haben. Aufgrund<br />

der Sicherheitsvorschriften und der Schleuse<br />

ist es nicht möglich eine Phiole mit Grippeviren<br />

aus dem Labor herauszuschmuggeln.<br />

Hieraus lässt sich schließen, dass der „Versand“<br />

nach Valcreon aus dem Labor erfolgt<br />

sein muss. Somit muss einer der Mitarbeiter<br />

in diese Geschehnisse verstrickt sein.<br />

Überwachung?<br />

Die Charaktere könnten die Häuser bzw.<br />

Wohnungen der drei Wissenschaftler Rasim<br />

Addar, Thoru Sudes und Ulico Faher beobachten<br />

oder durchsuchen. Bei Ulico Faher<br />

fällt auf, dass er keinerlei soziale Kontakte<br />

hat und nichts unternimmt. Er bleibt nach der<br />

Arbeit zu Hause und surft durch das Computernetz.<br />

Sein Interesse gilt dabei ausschließlich<br />

der Forschung an Viren und biologischen<br />

Kampfstoffen.<br />

Rasim Addar und Thoru Sudes verbringen<br />

viel Zeit mit ihren Familien, widmen sich ihren<br />

Hobbys und beschäftigen sich, während ihrer<br />

Freizeit, kaum mit ihrer Arbeit.<br />

Ulico Faher<br />

Ulico Faher war ein sehr guter Virologe,<br />

wurde aber von einem Sembaren-Diener ermordet.<br />

Seine Leiche wurde vom Diener im<br />

Kühlschrank seiner Wohnung im Keller verstaut.<br />

Der Diener ist nachts bei Ulico Faher eingebrochen,<br />

hat den Wissenschaftler ermordet<br />

und konnte, dank dessen Bankunterlagen,<br />

schnell an Geld kommen.<br />

Mit Hilfe eines Sprachchips und eines Maskenbildners<br />

hat der Diener nun die Identität<br />

von Ulico Faher angenommen. Diese hervorragend<br />

geschaffene Maske nimmt der Diener<br />

des Nachts ab.<br />

Da der Wissenschaftler sehr zurückgezogen<br />

gelebt und überwiegend alleine gearbeitet<br />

hat, ist keinem seiner Kollegen das veränderte<br />

Verhalten aufgefallen. Trotzdem wirkt<br />

er ungewöhnlich mürrisch und zurückgezogen.<br />

Ulico Faher erklärt dies mit Unwohlsein<br />

und Schlafmangel.<br />

Die Wohnung von<br />

Ulico Faher<br />

Ulico Faher lebt in einem Mehrfamilienhaus<br />

in einer angesehenen Gegend Sewens.<br />

Das vierstöckige Gebäude beherbergt acht<br />

Wohnungen (auf jedem Stockwerk zwei), die<br />

durch ein offenes Treppenhaus sowie einen<br />

Fahrstuhl erreicht werden können. Die etwa<br />

90 Quadratmeter große Wohnung von Ulico<br />

Faher ist im dritten Stock.<br />

Beide Türen sind mit guten Schlössern<br />

gesichert, welche zum Öffnen eine schwere<br />

Einbrechen-Probe (25) benötigen. Alarmanlagen,<br />

Wachpersonal oder Überwachungskameras<br />

gibt es in diesem Haus nicht.<br />

1 – Eingang und Wohnzimmer<br />

Der größte Raum des Hauses ist mit teuren<br />

Möbeln eingerichtet. Der Boden besteht aus<br />

Fliesen, ist aber mit einigen Webteppichen<br />

bedeckt. Eine Couch steht vor dem Fenster<br />

und ein großer Fernseher beherrscht die Mitte<br />

des Raums. An den Wänden sind mehrere<br />

Bücherregale aufgestellt und einige Bilder<br />

aufgehängt. Die Wohnung ist in hellen Farben<br />

eingerichtet und macht einen gemütlichen<br />

Eindruck.<br />

An der rechten Wand, gleich neben dem<br />

Eingang, steht ein Schreibtisch mit Computer<br />

und Telefon. Auf dem ungesicherten Computer<br />

finden sich keine wichtigen Informationen<br />

– er dient nur dem Zugang ins CN. Die History<br />

des Browsers weist auf sehr wissenschaftliche<br />

Seiten hin. Links vom Eingang steht ein<br />

Klavier. In einem kleinen Regal finden sich<br />

einige Noten klassischer Musik.<br />

2 – Bad<br />

Das Badezimmer ist nicht sehr groß, aber<br />

luxuriös eingerichtet. Neben der Toilette und<br />

einem Waschbecken befindet sich hier auch<br />

eine große Dusche. Ulico Faher hat wenig Hygieneartikel.<br />

Diese sind aber von guter Qualität<br />

und teuer.<br />

3 – Küche<br />

Die kleine, aber modern eingerichtete Küche<br />

ist in Chrom gehalten. Der Kühlschrank,<br />

aus dem alle Zwischenwände ausgebaut<br />

wurden, ist sehr groß und beherbergt die<br />

Leiche des echten Ulico Faher, der durch eine<br />

durchgeschnittene Kehle getötet wurde. Aus<br />

diesem Grund sind viele Lebensmittel in der<br />

Küche verstreut. Die Küche ist unordentlich<br />

und riecht nach alten Lebensmitteln.<br />

Das Blut auf dem Boden wurde weitestgehend<br />

aufgewischt. Bei genauerem Hinsehen<br />

entdeckt man aber noch einige Blutspritzer<br />

auf den Armaturen des Küchenschranks.<br />

4 – Schlafzimmer<br />

Seite 91


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Strafe der Ungläubigen<br />

Das lang gezogene Schlafzimmer besteht<br />

aus einem breiten Bett und einigen Schränken,<br />

welche die Kleidung sowie die Schuhe<br />

von Ulico Faher enthalten. In einem kleinen<br />

Schrank finden sich noch einige Schmuckstücke<br />

(überwiegend Uhren). Hier legt der<br />

Diener in der Nacht auch die Maske von Ulico<br />

Fahers Gesicht ab.<br />

Ulico Faher<br />

verhören?<br />

Gelingt es den Charakteren den falschen<br />

Ulico Faher zu fangen, so bemerken sie, dass<br />

es sich bei ihm um einen Sembaren-Diener<br />

handelt.<br />

Bei einem Verhör wird er sich siegesbewusst<br />

und arrogant geben, auch wenn er<br />

noch nicht alle Phiolen nach Valcreon abgeschickt<br />

hat. Er wird wenig Konkretes sagen<br />

können, da er über die umfassenden Pläne<br />

auch nicht informiert ist. Seine Aufgabe ist<br />

nur das Stehlen des Virus’ und des dazu gehörenden<br />

Gegenmittels.<br />

Den Diener beseitigen<br />

Den Charakteren wird nichts anderes übrig<br />

bleiben, als den Diener aus dem Weg zu<br />

räumen. Mit dem Tod des Dieners und der<br />

Einstellung der Lieferungen von Phiolen nach<br />

Valcreon verliert auch der dortige T’chk-Priester<br />

seine Unverwundbarkeit.<br />

Zurück auf<br />

Valcreon<br />

Befinden sich die Charaktere zwei Tage<br />

nach ihrer Ankunft noch in Haaden, so werden<br />

sie einem Händler begegnen, der aus<br />

dem nahe gelegenen Dorf Ellreo kommt. Er<br />

erzählt, dass die Bewohner allem<br />

Anschein nach auch von<br />

der Seuche heimgesucht worden<br />

sind. Sie erzählten von einem<br />

Xehil-Priester, der zu ihnen<br />

gekommen ist und absoluten<br />

Gehorsam gefordert hat.<br />

Der Händler wird nur eine<br />

kurze Mahlzeit zu sich nehmen<br />

und dann wieder weiter ziehen.<br />

Das zweite Dorf<br />

– Ellreo<br />

Dieses Dorf weist viele Parallelen<br />

zu Haaden auf. Die Bevölkerung<br />

hat eine ähnliche Struktur.<br />

Auch sie haben kaum auf<br />

die anfänglichen Forderungen<br />

des Priesters reagiert, sind aber<br />

ebenso eingeschüchtert, wenn<br />

die Seuche immer mehr Einwohner befällt.<br />

Ellreo ist nicht viel größer als Haaden und<br />

liegt etwa 10 km nordwestlich von Haaden<br />

entfernt. Das Dorf ist ähnlich aufgebaut und<br />

hat etwa gleich viel Einwohner.<br />

Die Verbindungen<br />

zwischen den Dörfern<br />

Die Wege und Straßen zwischen den Dörfern<br />

Haaden, Ellreo, Arnkagen und Pawingen<br />

sind nicht sehr gut ausgebaut, auch wenn in<br />

der Nähe eine kleine Handelsstraße verläuft.<br />

Es gibt keinen geraden, direkten Weg dorthin.<br />

Man muss einigen kleinen Straßen und<br />

Waldwegen folgen, um in die Dörfer zu gelangen.<br />

Ohne eine gute Wegbeschreibung<br />

oder einen kundigen Führer sind die Dörfer<br />

nicht einfach zu erreichen.<br />

Der Kampf gegen<br />

DEN Priester<br />

Den Priester finden?<br />

Es wird schwierig, den Priester zu finden,<br />

da er eine gute Taktik anwendet, um eventuelle<br />

Verfolger zu verwirren. Er nutzt sein<br />

außergewöhnliches Können der Teleportation<br />

(Reise). Nachdem er außer Sichtweite der<br />

Dörfer gekommen ist, wird er sich mehrmals<br />

über größere Strecken teleportieren (immer<br />

1 km), bis er an seinem Unterschlupf oder<br />

dem nächsten Dorf angekommen ist.<br />

Tagsüber kann man den Priester aber in<br />

Ellreo oder Arnkagen erwarten. Grundsätzlich<br />

wird er des Nachts, nach seiner zweiten<br />

Rede, in die Dörfer zurückkehren und die Phiolen<br />

heimlich in den Brunnen werfen.<br />

Der Unterschlupf des Priesters<br />

Der Unterschlupf des Priesters ist eine<br />

Erdhöhle in einer dicht bewaldeten Gegend,<br />

durch die nur schwer durchzukommen ist. Mit<br />

Hilfe der Erdmagie hat der Priester sich einen<br />

bequemen und gut versteckten Unterschlupf<br />

geschaffen. Zu dieser Erdhöhle führen keine<br />

Spuren, so dass selbst außergewöhnlich gute<br />

Jäger keine Fährte zu der Erdhöhle finden.<br />

Die Phiolen<br />

Der Priester trägt die Phiolen, bruchsicher<br />

in Tuch eingewickelt, immer bei sich.<br />

Den Priester töten?<br />

Der Priester ist durch ein Echo von Icros<br />

geschützt, das an den Diener Ulico Faher gebunden<br />

ist. Erst wenn er tot ist, löst sich dieses<br />

auf und der T’chk wird wieder sterblich.<br />

Das Echo bewirkt eine Unverwundbarkeit<br />

gegenüber allen physischen Schäden und jeder<br />

magischen Beeinflussung. Jeder Schwertschlag,<br />

jeder Pfeil und jeder Zauber werden<br />

keine Wirkung zeigen.<br />

Zusätzlich zu dieser Unverwundbarkeit ist<br />

der Priester außerdem in der Lage Erdelementare<br />

sowie Dämonen zu beschwören.<br />

Dabei wird er vor allem Borvaar-Dämonen rufen,<br />

die er in der Gestalt eines Siniten erscheinen<br />

lassen wird.<br />

Die Reaktion der Bevölkerung auf<br />

einen Angriff<br />

Der größte Teil der Bevölkerung ist eingeschüchtert<br />

und verängstigt und wird bei einem<br />

Kampf zwischen der Gruppe und dem<br />

Priester flüchten. Sind die Bewohner aber<br />

schon auf die Bedingungen des Priesters eingegangen,<br />

wird es einige Männer geben, die<br />

den Priester, aus Angst vor dessen Rache,<br />

verteidigen werden, wenn auch nur halbherzig<br />

und nicht bis zu ihrem Tod.<br />

Die beste Taktik um den Priester zu töten,<br />

wäre ein schneller und überraschender Angriff.<br />

Unterstützung von der Bevölkerung<br />

dürfen die Charaktere nicht erwarten.<br />

Das Echo erlischt<br />

Wurde der Wissenschaftler/Diener auf<br />

Icros getötet, so wird der Priester wieder<br />

sterblich. Die Aura verschwindet sichtbar. Sobald<br />

er dies bemerkt, wird er zu seiner Sicherheit<br />

einige Erdelementare und Dämonen beschwören.<br />

Auch kann er vom Sembaren ein<br />

oder zwei Geistfänger als Wächter gestellt<br />

bekommen. Auch wird der Sembare, von seinem<br />

Punktgewinn ab und zu einen Bauern<br />

beeinflussen und ihn auf seine Seite ziehen.<br />

Seite 92<br />

Abenteuer


Strafe der ungläubigen<br />

Das Ende<br />

Werden die beiden Diener auf Valcreon<br />

und Icros getötet und die noch existierenden<br />

Phiolen vernichtet, so wird die Seuche nachlassen,<br />

bis sie schließlich ganz verschwindet.<br />

Die Störung verschwindet. Heilzauber können<br />

wieder angewendet werden.<br />

Es wird eine Zeit dauern, bis in den Dörfern<br />

die Normalität wieder zurückkehrt. In Haaden<br />

wird der Dhea-Tempel mit dem Baumaterial<br />

des Xehil-Tempels wieder aufgebaut.<br />

Die Bevölkerung wird aber noch für eine<br />

lange Zeit von den Ereignissen eingeschüchtert<br />

und verunsichert sein.<br />

Anhang<br />

T’chk-Priester<br />

Der Sembaren-Diener ist 1,32 Meter groß<br />

und etwa 48 kg schwer. Er trägt einen hellgrauen<br />

Umhang und braune Lederschuhe.<br />

Seine Stimme ist schrill und laut. Er unterstreicht<br />

seine Reden immer mit aggressiven<br />

Gesten. Er arbeitet mit der Angst der Bauern<br />

vor göttlichem Zorn und weiß dieses Mittel<br />

gut einzusetzen. Er kann sich durch einen<br />

mentalen Zauber (mit Ausrüstung) 300 m<br />

weit teleportieren. Zaubert er nicht mental,<br />

so erhöht sich die Reichweite auf 1500 m.<br />

ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />

7 7 13 9 14 13 22 15 59<br />

Krit. Tr Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />

7 -2 / -4 6 28<br />

Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />

Erste Hilfe 8 Stel sprechen 8<br />

Fliehen 4 T’chk lesen/schr. 15<br />

Ment. Verstärkung 12 T’chk sprechen 15<br />

Psychologie 9 Überleben 4<br />

Religion 7 Wahrnehmung 4<br />

Sinisch sprechen 7 Zauberkunde 15<br />

Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />

Waffenloser Kampf ST 2 2 1W6-3<br />

Waffenloser Kampf GE 4 6 1W6-2<br />

Zauberfertigkeit Zauberfertigkeit<br />

Beschwörung 19 Reise 24<br />

Erde 9 Veränderung 9<br />

Diener Icros<br />

Der Gorane hat eine schlanke Statur und ist<br />

1,77 m groß. Er trägt eine Maske und einen<br />

Sprachchip, der ihm das Aussehen und das<br />

Auftreten von Ulico Faher gibt. Durch Manipulation<br />

des Sembaren ist der Diener außergewöhnlich<br />

intelligent und ein meisterhafter<br />

Biologe. Somit war es ihm auch möglich den<br />

speziellen, eher harmlosen Grippevirus sowie<br />

das Gegenmittel zu erschaffen.<br />

Abenteuer<br />

ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />

9 8 13 11 10 21 8 18 -<br />

Krit. Tr. Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />

8 -2 / -4 3 8<br />

Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />

Astronomie 11 Fälschen 7<br />

Biologie 24 Goran lesen/schr. 19<br />

Chemie 12 Goran sprechen 19<br />

Computer 8 Mechanik 10<br />

Einbrechen 7 Medizin 19<br />

Elektrotechnik 11 Physik 12<br />

Erste Hilfe 19 Wahrnehmung 4<br />

Fahrzeuge fahren 8 Werkstoffkunde 8<br />

Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />

Waffenloser Kampf ST 2 3 1W6-3<br />

Pistole- 7 mm GE 8 0 1W6+4<br />

2 ApR (Pistole) (M) GE 0 0 0<br />

Bauer<br />

Die hier angegebenen Werte gelten beispielhaft<br />

für einen sinitischen Bauern aus der<br />

Region.<br />

ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />

12 10 9 8 8 9 7 25 -<br />

Krit. Tr. Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />

10 -3 / -6 2 7<br />

Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />

Jagen 8 Stel sprechen 4<br />

Landwirtschaft 9 Tierkunde 8<br />

Pflanzenkunde 7 Wahrnehmung 4<br />

Sinisch sprechen 9 Wetterkunde 6<br />

Spurenlesen 6<br />

Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />

Waffenloser Kampf ST 2 2 1W6-2<br />

Holzkeule ST 6 3 1W6<br />

Langbogen ST 9 0 2W6<br />

Geistfänger /<br />

Leibwächter<br />

Der von dem Sembaren geschaffene Geistfänger,<br />

mit dem Aussehen eines Siniten,<br />

kann vom Sembaren als Leibwächter des<br />

T’chk-Priesters erschaffen werden. In kurzer<br />

Zeit werden ein Händler, eine Wache und<br />

zwei umherreisende Söldner Opfer des Geistfängers,<br />

welche ihm seine hervorragenden<br />

Kampffertigkeiten ermöglichen.<br />

Der Geistfänger führt immer ein Langschwert<br />

und ein Langschild mit sich. Außerdem<br />

trägt er eine Kettenrüstung (Schutz: 3).<br />

Regeltechnisch gilt diese Kreatur als Lebewesen.<br />

ST KO GE SC CH IN GK LP MP<br />

17 18 13 14 8 7 7 65 -<br />

Krit. Tr. Ohn./Tod Ausw. Zauberres.<br />

26 -6 / -12 3 9<br />

Normale Fertigkeit normale Fertigkeit<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Beidhändigkeit (ST) 19 Ment. Verstärkung 4<br />

Fliehen 11 Sinisch sprechen 7<br />

Kampf in Rüstung 16 Stel sprechen 4<br />

Klettern 6 Überleben 12<br />

Körperverstärkung 17 Wahrnehmung 4<br />

Waffenfertigkeit Abh. A P SP<br />

Waffenloser Kampf ST 6 3 1W6+1<br />

2 ApR (WK) (M) ST 0 0 0<br />

Langschwert ST 13 12 1W6+4<br />

2 ApR (Langschwert) (M) ST 0 0 0<br />

Doppelh. Schl. (LS) (M) ST +4 0 +4<br />

Entwaffnen (Langs.) (M) ST 0 x 0<br />

Langschild GE 4 18 1W6-1<br />

Schildschlag GE 0 0 0<br />

Schwert + Schild 13 21 1W6+4<br />

Lanze KO 14 0 2W6+7<br />

Axt ST 10 8 1W6+3<br />

Wurfspeer ST 11 0 1W6+3<br />

Der Kraftaufwand<br />

des Sembaren<br />

Der Sembare wendet für den anfänglichen<br />

Angriff 150 Punkte auf. Die Nutzung dieser<br />

Punkte wird in der folgenden Tabelle ausführlich<br />

aufgeschlüsselt.<br />

Kraft<br />

Punkte<br />

2 Diener erschaffen 20<br />

Icros-Diener verstärken (200 Punkte) 6<br />

Valcreon-Diener verstärken (400 Punkte) 12<br />

Materietransfer (12 Phiolen – ca. 800 gr.) 32<br />

GK um +7 für Diener (Valcreon) 14<br />

Wärmesicht für Diener (Valcreon) 4<br />

Reise um +7 für Diener (Valcreon) 14<br />

Verbesserte Eigenschaft (+5 IN, Icros) 10<br />

Verbesserte Fertigkeit (+4 Biol., Icros) 8<br />

Echo erzeugen (Unverwund./Machtlvl 2) 30<br />

Summe 150<br />

Den daraus resultierenden Kraftgewinn<br />

von 12 Punkten täglich nutzt er, um Bauern in<br />

den Dörfern zu beeinflussen (Machtlevel 1, 12<br />

Punkte), einen Geistfänger zu erschaffen (15<br />

Punkte) bzw. um weitere Phiolen zu versenden<br />

(6 Stück, 400 Gramm, 16 Punkte)<br />

Sinitische Namen<br />

Da die Charakter mit einer Vielzahl an sinitischen<br />

Bauern zu tun haben, werden hier<br />

fünf weibliche und fünf männliche Namen<br />

aufgelistet:<br />

• Iddari Ihna, Kabja Kornim, Eyela Erral,<br />

Cheza Chanil, Namala Noltom<br />

• Ajom Auru, Cius Cethar, Jesaho Juaril,<br />

Fiaron Felarn, Nomul Nadec •<br />

Seite 93


ANDUIN <strong>95</strong><br />

ZAUBEREI MIT MURMELN<br />

Zauberei mit Murmeln<br />

EIN ALTERNATIVES SYSTEM ZUR DARSTELLUNG VON MAGIE<br />

TEXT: STEFAN HOLZMAIER<br />

ILLUSTRATION: STEFAN HOLZMAIER<br />

Das Grundproblem<br />

Egal, ob auf einem großen LARP-Event,<br />

bei einem Indoor-Live auf einer Convention<br />

oder sogar am Spieltisch beim Papier-und-<br />

Bleistift-Spiel: immer wieder gibt es Situationen,<br />

in denen zumindest ich mir ein einfaches,<br />

aber dennoch funktionierendes System<br />

gewünscht habe, Magie regeltechnisch abzubilden.<br />

Nach einigen Recherchen und Versuchen<br />

habe ich mir – zugegebenermaßen<br />

durch verschiedene Quellen inspiriert – ein<br />

eigenes System gebaut, das ich seither regelmäßig<br />

einsetze. Und das, meiner Meinung<br />

nach, in allen drei eben genannten Einsatzfällen<br />

verwendet werden kann.<br />

Überlegungen vorweg<br />

Meiner Meinung nach muss ein einfaches<br />

Magiesystem folgende Kriterien erfüllen:<br />

• Es muss fehlbar sein, das heißt es muss<br />

die Möglichkeit für Fehlschläge und<br />

auch für Patzer geben.<br />

• Es darf nicht leicht durch Schummler<br />

ausgetrickst werden (besonders bei<br />

Live-Events leider immer wieder ein<br />

Problem).<br />

• Der Zeitbedarf zum Sprechen eines Zauberspruchs<br />

sollte vom System berücksichtigt<br />

werden.<br />

• Es sollten unterschiedliche Arten von<br />

Magiern abgebildet werden können.<br />

• Es muss einfach zu erlernen und auszuführen<br />

sein.<br />

Das Grundsystem<br />

Der Magier bekommt einen blickdichten<br />

Beutel oder ein anderes blickdichtes Gefäß,<br />

in das er hineingreifen kann. In diesem Gefäß<br />

(dem Vorrat) befindet sich eine bestimmte<br />

Anzahl an weißen und schwarzen Murmeln.<br />

Wahlweise können natürlich auch andere<br />

Farben oder Gegenstände wie Runen oder<br />

Zettelchen verwendet werden. Allerdings<br />

sollte man darauf achten, dass man durch<br />

tasten die Unterschiede nicht fühlen kann<br />

und dass man bei der Farbwahl auch an dunkle<br />

Lichtverhältnisse denkt. In meinen weiteren<br />

Ausführungen gehe ich daher einfach<br />

von weißen und schwarzen Murmeln aus,<br />

wobei die schwarzen als Nieten (Fehlschläge)<br />

zählen.<br />

Bei jedem Zauber muss der Zauberer blind<br />

eine bestimmte Anzahl an Murmeln aus dem<br />

Vorrat ziehen. Ist bei den gezogenen Murmeln<br />

eine Niete dabei, so schlägt der Zauber<br />

fehl, ansonsten klappt alles wie gewünscht.<br />

Schwarze Murmeln kommen zurück in den<br />

Vorrat, weiße Murmeln aber kommen aus<br />

dem Spiel. Auf diese Weise steigt der Anteil<br />

der Nieten im Verlauf des Spiels immer weiter<br />

an.<br />

Beispiel: Der Zauberer hat 10 weiße und 1<br />

schwarze Murmel im Vorrat. Er möchte einen<br />

einfachen Zauber sprechen. Für diesen<br />

muss er zwei Murmeln aus dem Vorrat ziehen.<br />

Der Zauberer hat Glück und zieht zwei<br />

weiße Murmeln – der Zauber gelingt. Diese<br />

beiden Murmeln kommen aus den Vorrat,<br />

so dass das Verhältnis nun 8:1 ist. Später im<br />

Spiel soll ein schwererer Zauber gesprochen<br />

werden. Dieser kostet 5 Murmeln. Leider ist<br />

die dritte gezogene Murmel schwarz, der<br />

Zauberer muss aber dennoch weiter ziehen<br />

und zwei weitere weiße Murmeln aus dem<br />

Vorrat nehmen. Der Zauber ist misslungen<br />

und die schwarze Murmel kommt zurück in<br />

den Vorrat. Das Verhältnis liegt jetzt bei 4:1 –<br />

der nächste Zauber dürfte recht schwer werden<br />

und ein weiterer schwerer Zauber (mit<br />

fünf Murmeln) ist gar nicht mehr möglich (da<br />

bei den fünf Murmeln nun auf jeden Fall eine<br />

schwarze dabei ist).<br />

Feinheiten<br />

Durch größere Vorräte können mächtigere<br />

Zauberer dargestellt werden. So könnte ein<br />

unerfahrener Zauberschüler nur 10<br />

weiße Murmeln und zwei Nieten<br />

haben, ein Erzmagier hingegen<br />

30 weiße Murmeln und drei Nieten.<br />

Auch können unterschiedliche<br />

Arten von Zauberern abgebildet<br />

werden, indem man das Verhältnis von<br />

weißen und schwarzen Murmeln ändert.<br />

Und zudem können für verschiedene<br />

Magiearten unterschiedliche Zauberformeln<br />

festgelegt werden (also wie viele<br />

Murmeln gezogen werden müssen).<br />

Auch kann die Möglichkeit eines Patzers<br />

eingeführt werden (z.B. wenn mehr schwarze<br />

als weiße Murmeln gezogen werden, mindestens<br />

aber zwei).<br />

Wichtig ist, dass die Murmeln einzeln und<br />

nacheinander gezogen werden müssen. Jede<br />

Murmel muss kurz sichtbar gehalten werden,<br />

damit andere Spieler das Ergebnis sehen.<br />

Und ebenso wichtig ist, dass gezogene Nieten<br />

immer wieder in den Vorrat zurückkommen,<br />

gezogene weiße Murmeln aber nicht!<br />

Vorteile<br />

Dieses System erfüllt bereits jetzt, ohne<br />

die unten aufgeführten Optionen, die oben<br />

aufgeführten Kriterien. Es bietet die Möglichkeit<br />

für Fehlschläge und Patzer, ist einfach<br />

zu erlernen und durchzuführen, benötigt<br />

durch das einzelne Ziehen Zeit und es kann<br />

nur schwer geschummelt werden (okay, man<br />

kann Nieten einfach draußen lassen oder<br />

weiße Murmeln wieder in den Vorrat packen<br />

– aber ganz sicher ist kein System).<br />

Optionen<br />

Konzentration<br />

Wenn ein Zauberer sich auf eine Situation<br />

einstellen, das heißt einen Zauber vorbereiten,<br />

kann, dann sollte es einfacher sein,<br />

diesen Spruch zu sprechen. Die Energiekosten<br />

aber sollten identisch bleiben. Das kann<br />

Seite 94<br />

Lesen & Spielen


ZAUBEREI MIT MURMELN<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

man damit darstellen, dass der Zauberer einen<br />

Spruch benennt und gezielt eine weiße<br />

Murmel vorab aus dem Vorrat heraussucht.<br />

Wenn er nun den Zauber tatsächlich sprechen<br />

möchte, dann hat er ja bereits eine weiße<br />

Murmel, wodurch die Wahrscheinlichkeit<br />

für einen Erfolg steigt. Sollter er aber den<br />

Spruch nicht sprechen bzw. stattdessen einen<br />

anderen zaubern wollen, so verliert er<br />

die weiße Murmel als Kosten für die Vorbereitung.<br />

Man sollte eine Zeitspanne definieren, die<br />

verstreichen muss, bevor man den Zauber<br />

nach der Vorbereitung sprechen darf. Mein<br />

Vorschlag ist hier eine Minute.<br />

Rüstung<br />

Oft dürfen Zauberer laut Regelsystem keine<br />

Rüstung tragen, ohne dass dies wirklich<br />

begründet wird. Stattdessen könnte man die<br />

Regel einführen, dass je nach Rüstungsstärke<br />

zusätzliche Nieten in den Vorrat gelangen<br />

– also die Chance auf einen Fehlschlag durch<br />

die Rüstung erhöht wird.<br />

Macht<br />

Theoretisch kann jeder Zauberer – egal ob<br />

Lehrling oder Meister – jeden gelernten Zauber<br />

sprechen, unabhängig davon wie mächtig<br />

er ist. Einzige Bedingung: der Zauberer<br />

muss mindestens so viele weiße Murmeln<br />

im Vorrat haben wie der Zauber weiße Murmeln<br />

benötigt. Auch ein Lehrling kann, wenn<br />

er den Zauber gehört, gelesen oder wirklich<br />

gelernt hat, versuchen einen Dämonen zu<br />

beschwören. Wie groß die Wahrscheinlichkeit<br />

für ein Gelingen ist, das steht auf einem<br />

anderen Blatt.<br />

Weitere Farben<br />

Wer mag kann dieses System mit weiteren<br />

Farben ergänzen, sollte aber darauf bedacht<br />

sein, die Komplexität nicht zu sehr nach<br />

oben zu schrauben. In unseren Probespielen<br />

hat sich zum Beispiel der Einsatz von roten<br />

Murmeln bewährt. Jeder Zauberer bekommt<br />

mit seinem Startvorrat eine rote Murmel,<br />

dafür aber keine schwarze. Die rote Murmel<br />

stellt immer einen Fehlschlag dar, sobald sie<br />

gezogen wird. Sie kann nicht durch Vorteile<br />

(siehe unten) ignoriert oder aus dem Vorrat<br />

entfernt werden.<br />

Eine andere Möglichkeit ist eine blaue<br />

Murmel, die man sich als Vorteil von seinen<br />

Erfahrungspunkten kaufen kann. Sie kann<br />

aber nur gekauft werden, wenn im eigenen<br />

Vorrat im Ruhezustand mindestens 20 weiße<br />

Murmeln enthalten sind. Die blaue Murmel<br />

gilt als Joker, das heißt wenn sie gezogen<br />

wird, dann ist der Zauber automatisch gelungen<br />

und es müssen keine weiteren Murmeln<br />

Lesen & Spielen<br />

gezogen werden. Die blaue Murmel kommt<br />

aus dem Vorrat.<br />

Ruhe<br />

Der Murmelvorrat wird durch ein bestimmtes<br />

Ereignis wieder auf den Ausgangszustand<br />

mit allen Murmeln zurückgesetzt. Meist ist<br />

dieses Ereignis eine Nacht voll Schlaf – es<br />

könnten auch andere Dinge sein wie ein Ritual<br />

oder eine definierte Zeitspanne.<br />

Erfahrung<br />

Überhaupt bringt mich das zum Thema<br />

Steigerung und Erfahrungspunkte. Damit<br />

nicht jeder Magier immer gleich rumläuft,<br />

benötigen wir Regeln zur Steigerung der Fähigkeiten,<br />

die auch tatsächliche Individualisierung<br />

zulassen.<br />

Energievorrat<br />

Beginnen wir mal mit den Murmeln an sich.<br />

Damit das Verhältnis immer identisch bleibt<br />

wird bei jeder Steigerung ein Paket von fünf<br />

weißen und einer schwarzen Murmel gekauft.<br />

Als Startvorrat würde ich 5:1 oder 10:1<br />

ansetzen – je nachdem wie schwer man es in<br />

dem Setting haben soll. Jede Steigerung sollte<br />

etwas teurer werden als die vorhergehende.<br />

Beispielsweise könnten die ersten zwei<br />

Steigerungen je einen Erfahrungspunkt kosten<br />

und die nächsten zwei dann jeweils zwei<br />

Erfahrungspunkte, und so weiter.<br />

Zauberkenntnis<br />

Je nach Höhe der ausgegebenen Erfahrungspunkte<br />

kann der Zauberer zusätzliche<br />

Zauber lernen. Wie hoch die Kosten genau<br />

sind, das hängt vom Setting ab. Die Kosten<br />

sollten jedenfalls so angesetzt werden, dass<br />

der Zauberer tatsächlich darüber nachdenkt,<br />

ob es nun mehr Sinn macht, weitere Sprüche<br />

zu lernen, oder sich lieber in einem anderen<br />

Gebiet zu verbessern.<br />

Perfektion<br />

Um das Verhältnis von weißen zu schwarzen<br />

Murmeln zu verändern müssen schwarze<br />

Murmeln weggekauft werden. Dabei ist<br />

zu beachten, dass immer mindestens eine<br />

Niete im Vorrat verbleiben muss. Und auch<br />

hier sollte es immer teurer werden, die Nieten<br />

loszuwerden. Die erste Niete kostet drei<br />

Erfahrungspunkte, die nächste fünf, dann<br />

sieben, usw.<br />

Schnelligkeit<br />

Ein Magier mit Schnelligkeit kann zwei<br />

oder mehr Murmeln gleichzeitig ziehen, je<br />

nachdem wie hoch er den Vorteil bereits gesteigert<br />

hat. Jede Steigerung kostet zwei Erfahrungspunkte.<br />

Rituale<br />

Manchmal müssen mehrere Zauberer zusammenarbeiten,<br />

um gemeinsam ein Ritual<br />

zu vollenden. Für diese Gelegenheiten gibt<br />

es den Vorteil „Ritualmagie". Für jeden Punkt<br />

(kostet jeweils so viele Erfahrungspunkte<br />

wie der zu kaufende Rang) kann der Zauberer<br />

eine gezogene Niete ignorieren, wenn er<br />

das Ritual leitet. Natürlich kann es nur einen<br />

Leiter geben.<br />

Reihum zieht dann jeder beteiligte Zauberer<br />

je eine Murmel (auch wenn er Schnelligkeit<br />

haben sollte) und legt sie auf den<br />

gemeinsamen Ergebnishaufen. Wenn eine<br />

bestimmte Anzahl an weißen Murmeln zusammengekommen<br />

ist, ohne dass eine Niete<br />

auftauchte, die nicht ignoriert werden konnte,<br />

dann ist das Ritual erfolgreich (z.B. 20<br />

Murmeln für ein normales Ritual).<br />

Erhöhte Konzentration<br />

Während die einfache Konzentration (siehe<br />

oben) wahrscheinlich jeder Zauberer beherrschen<br />

wird, sind nur einige Zauberer in<br />

der Lage, sich ganz mit der Magie in Einklang<br />

zu bringen. Diese Magier können zwei, drei<br />

oder sogar vier weiße Murmeln vorab aus<br />

dem Vorrat sammeln, wenn sie ausreichend<br />

Zeit haben, sich auf den Zauber vorzubereiten.<br />

Dies könnte zum Beispiel eine Minute pro<br />

angesammelter weißer Murmel sein. Stets<br />

sollte der Zauberer aber mindestens eine<br />

Murmel noch blind aus dem Vorrat ziehen<br />

müssen.<br />

Da ein Zauberer mit erhöhter Konzentration<br />

viel Zeit investieren musste, um diese<br />

zu meistern, wird er weniger Zeit in das Erlernen<br />

von vielen Zaubersprüchen gesteckt<br />

haben. Oder anders gesagt, werden viele Erfahrungspunkte<br />

in „Erhöhte Konzentration"<br />

geflossen sein, die beim Steigern der Anzahl<br />

der Zaubersprüche fehlen. Auf diese Art bekommt<br />

man unterschiedliche Arten von Zauberern<br />

– auf der einen Seite die universellen<br />

Unsicheren und auf auf der anderen Seite die<br />

spezialisierten Perfektionisten.<br />

Sicherheit<br />

Dieser Vorteil wirkt so ähnlich wie „Erhöhte<br />

Konzentration". Für jeden Punkt „Sicherheit"<br />

muss der Zauberer eine zusätzliche<br />

Murmel pro Zauber aus dem Vorrat nehmen,<br />

darf dafür aber auch pro extra gezogene<br />

Murmel eine Niete ignorieren. Dadurch wird<br />

zwar der Vorrat schneller zur Neige gehen,<br />

aber wenigstens hat der Zauberer eine höhere<br />

Aussicht auf Erfolg. •<br />

Seite <strong>95</strong>


ANDUIN <strong>95</strong><br />

RITTER UND MAGIER<br />

Ritter und Magier<br />

DER SETINDEX<br />

TEXT UND ILLUSTRATION: MATTHIAS BUYKEN<br />

Seite 96<br />

Kurzgeschichten & Comics


KURZGESCHICHTEN<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Die Legende des<br />

Heiligen Glenn Grant<br />

TEXT: JOACHIM A. HAGEN<br />

Glenn Grant war ein Wanderprediger und<br />

Mann der einfachen Leute, der nach seinem<br />

Tode heilig gesprochen wurde. Grant stammte<br />

aus einfachen Verhältnissen und blieb Zeit<br />

seines Lebens auch als Priester der einfachen<br />

Lebensweise treu. Er liebte kräftiges Essen,<br />

Gesang sowie einen guten Schluck, und stellte<br />

immer wieder bei diesen Tätigkeiten seine<br />

enorme Ausdauer unter Beweis.<br />

Glenn Grants Weg führte ihn fast ausschließlich<br />

in abgelegene Dörfer und Weiler,<br />

die über kein eigenes Gotteshaus verfügten,<br />

allenfalls über eine Kapelle. Dort segnete<br />

er die Toten aus, taufte die Neugeborenen,<br />

schloss Ehen, nahm die Beichte ab und predigte<br />

das Wort Gottes. Oft kam er in einer<br />

Ortschaft nicht über die erste Wirtschaft hinaus<br />

und vereinte das Angenehme mit dem<br />

Nützlichen: Seine “Schankstubenpredigten”<br />

waren bald so berühmt, dass bei Glenn<br />

Grants Ankunft bereits eine brechend volle<br />

Kneipe auf ihn wartete.<br />

Ebenso erdverbunden waren auch Grants<br />

Bußen, die er bei der Beichte auferlegte.<br />

Statt Vaterunser und Ave Maria verteilte er<br />

kräftige Backpfeifen, Kopfnüsse und Tritte<br />

in das Gesäß. Einmal nahm er in Schnapslaune<br />

so viel Anlauf, dass sein Tritt den armen<br />

Sünder durch die Tür bis auf die nächste Straßenseite<br />

beförderte. Der arme Mann konnte<br />

danach eine Woche lang nicht richtig sitzen,<br />

aber seine Sünden waren ihm vergeben.<br />

Eine Geschichte, die sich um Glenn Grant<br />

rankt, besagt Folgendes: Der Heilige reiste<br />

auf seinem Weg ins nächste Dorf einst durch<br />

einen Wald, den Räuber unsicher machten.<br />

Der Priester hatte sich vor seiner Abreise<br />

noch ausgiebig mit Kohleintopf und Bier<br />

gestärkt und verfiel in einen seligen Schlummer,<br />

während sein Pferd – andere Versionen<br />

sprechen von einem Esel oder Maultier –<br />

selbstständig weiter trottete. Als die Räuber<br />

nun über Glenn Grant herfallen wollten, ließ<br />

dieser im Schlafe derart deftige und übel riechende<br />

Blähungen ab, dass die Wegelagerer<br />

das Weite suchten. Immer noch dösend kam<br />

Glenn Grant am Ziel seiner Reise an. Dort<br />

schlug man die Hände über dem Kopf zusammen,<br />

als man von seinem Wege durch den<br />

Räuberwald erfuhr. Grant aber lächelte und<br />

meinte: „Gott muss seine Hand wohl schützend<br />

über mich gehalten haben.”<br />

Über das Ableben des Heiligen Glenn Grant<br />

existieren verschiedene Versionen. Die Einen<br />

meinen, er habe sich mit einem Furz selbst in<br />

die Luft gesprengt, als er zu nah am Herdfeuer<br />

lagerte. Andere behaupten, er sei auf einem<br />

Bierfaß direkt in den Himmel hinein geritten.<br />

Und wiederum Andere sagen, er habe<br />

sich geweigert, ins Jenseits einzugehen, und<br />

ziehe immer noch seine Runden durch die<br />

Lande. In den Dörfern, die er einst besuchte,<br />

gibt es einmal im Jahr eine Glenn-Grant-<br />

Nacht. Bei Einbruch der Dunkelheit stellen<br />

die Dörfler ein Gefäß mit Wein, Bier oder<br />

Schnaps vor die Tür oder auf die Fensterbank,<br />

damit der Heilige sich bei seiner Durchreise<br />

stärken möge. Und tatsächlich sind am<br />

nächsten Morgen alle Gefäße leer.<br />

So lebt Glenn Grant bis heute in der Erinnerung<br />

der einfachen Leute fort. •<br />

Die Dame des Frostes<br />

TEXT: JOACHIM A. HAGEN<br />

Einst lebte in einer Stadt eine Frau, deren<br />

Schönheit weithin gerühmt ward. Ihre Haut<br />

war so zart und hell wie der sanfte Silberschein<br />

des Mondes in einer Vollmondnacht,<br />

und ihre Augen waren blau wie ein wolkenloser<br />

Himmel. Doch ihr Herz war kalt wie Eis.<br />

Viele, allzu viele Männer verloren ihr Herz an<br />

sie und versuchten, ihr zu gefallen mit Sonetten,<br />

Liedern, Kunstwerken und närrischen<br />

oder heldenhaften Taten. Doch niemand<br />

vermochte ihre Gunst zu erringen: Lächelnd<br />

schritt sie über die Scherben der Leben, die<br />

sie zerstört hatte, und trat auf die Männer,<br />

die sich ihr zu Füßen warfen. So groß war ihr<br />

Hochmut.<br />

Doch Gott, dessen Auge nichts verborgen<br />

bleibt, strafte sie für ihre Hoffart. Er verbannte<br />

sie auf den höchsten Berg, die Eisspitze,<br />

wo der ewige Frost regiert. Dort sollte sie<br />

bleiben, bis ihr Herz das Fühlen gelernt hatte.<br />

Aus ihren schönen Augen fielen bittere<br />

Tränen, doch sie trauerte nur um sich selbst,<br />

und so vermochte sie nur Eis zu weinen. Aus<br />

ihren frostigen Tränen entstand ein Schloss<br />

aus Eis, in dem sie seitdem ruhelos umherirrt.<br />

Wanderer berichten davon, sie in mondhellen<br />

Nächten auf den kalten Zinnen ihres<br />

Schlosses gesehen haben zu wollen, eine<br />

kalte, einsame Gestalt im Dunkel der Nacht.<br />

Doch wehe demjenigen, der ihrem Zauber<br />

verfällt und ihr Schloss betritt, denn ihr Frost<br />

wird ihm die Wärme des Lebens aus den Knochen<br />

saugen.<br />

Einst verfiel ein Fremder, der über das<br />

Gebirge kam, ihrer geheimnisvollen Schönheit<br />

und betrat die Hallen ihres Schlosses.<br />

Kurzgeschichten & Comics<br />

Seite 97


ANDUIN <strong>95</strong><br />

KURZGESCHICHTEN<br />

Er war Waffenschmied, und für sie fertigte<br />

er sein Meisterstück: eine Klinge aus reinem<br />

Eis, Frostbiss genannt, mit mächtigen Runen<br />

verziert. Das Eis stammte aus dem Herz eines<br />

Gletschers und war so kalt, dass es ständig<br />

von einer Schicht feinen Nebels umgeben<br />

ward. Doch er fand keine Gnade in ihren Augen.<br />

Eine Handelskarawane entdeckte ihn halb<br />

vergraben in einer Schneewehe. Seine Augen<br />

starrten blicklos gen Himmel, aber es<br />

war noch Leben in ihm. Man brachte ihn in<br />

die nächste Herberge und schickte nach einem<br />

Heiler. Dort erzählte er im Fieberwahn<br />

seine Geschichte, und ungestillte Sehnsucht<br />

lag in seiner Stimme, als er von der Dame berichtete<br />

und wie sehr er sich nach ihrer Berührung<br />

sehne.<br />

In dieser Nacht fauchte ein eisiger Wind<br />

um die Herberge und rüttelte an den Fensterläden.<br />

Schnee verdichtete sich zu einer<br />

weißen Mauer um das Haus, und Hagelkörner<br />

prasselten wie Steine gegen die Wände.<br />

Erst in den frühen Morgenstunden ließ das<br />

Wüten des Sturmes nach.<br />

Als man am nächsten Morgen das Zimmer<br />

des Fremden betrat, fand man sein Fenster<br />

offen und ihn, mit einer dicken Eisschicht bedeckt,<br />

auf seiner Pritsche liegen. Doch das<br />

Grausigste war: Seine Lippen waren zu einem<br />

seligen Lächeln verzogen.<br />

Dies ist die Geschichte, Reisender. Und<br />

falls Ihr den Weg über das Gebirge nehmt<br />

und oben auf der Eisspitze ein Schloss zu<br />

sehen meint, dann wendet den Blick ab, befehlt<br />

Euch Gottes Schutz an und geht weiter,<br />

so schnell Euch Eure Füße tragen.<br />

Lebt wohl. •<br />

Heimkehr<br />

TEXT: FRIEDERIKE SCHMUTZLER<br />

This is for long-forgotten<br />

light at the end of the world<br />

Horizon crying<br />

the tears he left behind long ago<br />

— Nightwish: The Islander<br />

Die Wellen brandeten an die Klippen, und<br />

der Wind blies die salzige Luft landeinwärts.<br />

Möwen kreischten über dem Meer, während<br />

sie immer wieder ihre Runden drehten,<br />

um dann unvermittelt herunter zu stossen<br />

in das gischtige Wasser und mit ihrer Beute<br />

im Schnabel in ihre Felsennester zurückzukehren.<br />

Keine von ihnen beachtete den alten<br />

Mann, der schon den ganzen Morgen auf einem<br />

Stein saß und gedankenverloren in die<br />

Ferne sah, denn sie wussten, ohne sein Boot<br />

war ein Fischer keine Konkurrenz für sie.<br />

Der alte Fischer seinerseits hatte kein Interesse<br />

an den Möwen und ihrem Tun. Er war<br />

mit seinen Gedanken beschäftigt, die ihm<br />

keine Ruhe ließen. Schon seit Tagen fand er<br />

keinen Schlaf mehr, merkwürdige Träume<br />

quälten ihn des Nachts und liessen ihn am<br />

Morgen müde und erschöpft aufwachen.<br />

Er war bei der Dorfheilerin gewesen, doch<br />

diese hatte ihn nur argwöhnisch angeblickt<br />

wie es alle Bewohner des Dorfes taten, auch<br />

nach dieser langen Zeit, und ihm geraten, am<br />

Abend ein wenig Milch zu trinken mit einer<br />

Kräutermischung, die sie ihm für einen viel zu<br />

hohen Preis verkauft hatte.<br />

Aber er war nun mal keiner der ihren, und<br />

das spürte er jeden Tag mehr.<br />

Seufzend erhob der alte Mann sich nun von<br />

seinem harten Sitz und richtete sich langsam<br />

auf, denn seine Knie schmerzten. Das Alter<br />

ging an niemandem spurlos vorüber. Noch<br />

einmal sah er zu den Möwen hinauf, dann<br />

ging er den Hügel hinab in Richtung Dorf.<br />

<br />

„Wo hast Du nur wieder gesteckt?“<br />

Seine Schwiegertochter erwartete ihn, die<br />

Hände in die Hüften gestemmt, in der Tür der<br />

Hütte, die er mit der Familie seines Sohnes<br />

teilte. Früher war dies sein Haus gewesen,<br />

erinnerte er sich, und er hatte hier das Sagen<br />

gehabt. Jetzt führte dieses schmallippige<br />

Wesen sich auf, als sei sie der König persönlich,<br />

und behandelte ihn wie einen ihrer Untertanen.<br />

„Du solltest Thrun mit den Netzen<br />

helfen,“ geiferte sie weiter, als sie bemerkte,<br />

dass er nicht auf ihre Worte reagiert hatte,<br />

sondern sie nur ansah. Sie hielt ihn für einen<br />

dummen Alten, der seine Zeit gehabt hatte,<br />

er war ihr lästig, das wusste er ganz genau.<br />

Seufzend schüttelte er den Kopf, was ihm<br />

nur ein schnippisches Brummen einbrachte,<br />

und ging weiter in Richtung des Anlegers.<br />

„He, da bist Du ja!“ Sein Sohn kam freudestrahlend<br />

auf ihn zu, und als der Alte in die<br />

Augen des jüngeren sah, durchfuhr in ein<br />

Stich.<br />

Es waren ihre Augen, die ihn da anblickten,<br />

ihr Meergrün und ihre Lachfalten, durch die<br />

das ganze Gesicht stets freundlich und jung<br />

aussah. Jeder hatte sie gemocht und verehrt,<br />

und genauso war es bei seinem Sohn. Warum<br />

nur hatte dieser wunderbare Mensch diesen<br />

Drachen heiraten müssen, der jetzt das Regiment<br />

in seinem Haus führte? Doch er würde<br />

nichts sagen, wie er schon lange nichts mehr<br />

sagte und gute Miene zum bösen Spiel machte.<br />

Stattdessen nuschelte er nur etwas von<br />

„Bin spazieren gewesen“ und ging dann mit<br />

seinem Sohn zu den anderen Fischern, um<br />

die Netze auszubessern. Während sein Sohn<br />

angeregt mit den anderen Männern scherzte<br />

und lachte, verrichtete der Alte seine Arbeit<br />

schweigend. Man grüsste ihn, seine Anwesenheit<br />

wurde zur Kenntnis genommen, aber<br />

das war alles, was er sich erhoffen durfte,<br />

seit Jahren, ja, sogar Jahrzehnten. Obwohl er<br />

schon so lange unter den Bewohnern dieser<br />

Insel lebte, wäre er niemals einer der Ihren.<br />

Zu eingeschworen waren die Gemeinschaft<br />

und die Bande der Menschen untereinander,<br />

als das ein Fremder Zugang zu ihnen gefunden<br />

hätte.<br />

Er war kein Fischer wie sie gewesen, obwohl<br />

er sich alle Mühe gegeben hatte, um<br />

sich an sie anzupassen, er hatte eine Frau aus<br />

ihrem Dorf geheiratet und mit ihr einen wunderbaren<br />

Sohn gezeugt. Und doch wusste er,<br />

dass sie hinter seinem Rücken immer noch<br />

von ihm als dem „Neuen“ sprachen – nach<br />

bald vierzig Jahren.<br />

Seite 98<br />

Kurzgeschichten & Comics


KURZGESCHICHTEN<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Vierzig Jahre zuvor<br />

Es war ein sonniger Tag in Mydran gewesen,<br />

jenem kleinen Fürstentum am Östlichen<br />

Meer. Einer jener Tage, an denen die Luft so<br />

klar war, dass man meilenweit sehen konnte,<br />

weit in die Ferne. Nun wurde es Abend, und<br />

die Sonne verschwand langsam am Horizont,<br />

ein riesiger glutroter Feuerball, dessen Hitze<br />

sich im Meer spiegelte und das Wasser in<br />

demselben Farbton erscheinen liess.<br />

Auf einem Balkon der unzähligen verzierten<br />

Türme des Fürstenschlosses stand ein<br />

junger Mann und blickte verträumt in die Ferne.<br />

Seit Tagen schon kam er jeden Abend hier<br />

herauf, um auf das Meer zu schauen, während<br />

die Sonne versank, und die Boote in den<br />

Hafen einliefen, und seit Tagen wurde seine<br />

Sehnsucht größer. Er wollte nicht mehr auf<br />

diesem Balkon stehen und zusehen, er wollte<br />

selbst hinausfahren und die Welt hinter dem<br />

Horizont kennen lernen.<br />

„Mein Sohn?“ Unbemerkt war eine ältere<br />

Frau an den jungen Mann herangetreten,<br />

sie stellte sich neben ihn und sah eine Weile<br />

wortlos mit ihm in die Ferne. Dann wandte<br />

sie sich wieder an ihren Sohn. „Du willst es<br />

also wirklich wagen?“ fragte sie, doch eigentlich<br />

war es keine Frage, sondern vielmehr<br />

eine Feststellung. Der junge Mann nickte nur,<br />

während seine Augen auf dem Gesicht der<br />

Frau ruhten. Sie sprach nicht weiter, sondern<br />

nahm nur seine Hände in die ihren und drückte<br />

sie fest. „Dann soll es so sein, mein Sohn.<br />

Reise hinaus in die Welt, wenn dies dein Begehr<br />

ist. Und wenn es ebenso dein Wunsch<br />

ist, wieder zurück zu kehren, um dein Erbe<br />

anzutreten, dann bist du mir immer willkommen.“<br />

Sie fasste seine Hände fester, denn sie<br />

wusste, dass der Prinz niemals zurückkehren<br />

würde.<br />

<br />

Nur zwei Tage später war es soweit, und<br />

das Schiff des Prinzen stach in See. Seine<br />

Mannschaft waren ihm ausnahmslos treu ergebene<br />

Männer, erfahrene Seefahrer auf der<br />

einen Seiten und einige der klügsten Köpfe<br />

von Mydran auf der anderen. Von einem<br />

wolkenlosen azurblauen Himmel lachte die<br />

Sonne, und der Wind blies kräftig, aber nicht<br />

stark.<br />

Es schien, als habe sich die ganze Bevölkerung<br />

am Kai versammelt, um das Schiff zu<br />

verabschieden. Eine Kapelle spielte, und der<br />

Bürgermeister der Stadt hielt eine Ansprache,<br />

in der er den Mut und den Forscherdrang des<br />

Prinzen lobte. Die Menschen jubelten und<br />

feierten, nur die Fürstin sass mit unbewegter<br />

Miene auf ihrem Thron auf dem Podest neben<br />

den anderen Würdenträgern und sagte<br />

kein Wort während der ganzen Zeremonie.<br />

Als das Schiff den Hafen verliess, blähten<br />

sich seine blütenweissen Segel im Wind, und<br />

der Prinz glaubte, noch nie etwas Schöneres<br />

in seinem ganzen Leben gesehen zu haben.<br />

Er scherzte mit einem der Wissenschaftler,<br />

der die Seevögel beobachten wollte, und besprach<br />

sich mit dem Kapitän über die Route.<br />

Am Abend lud er in der Offiziersmesse zum<br />

Essen und trank viele Male auf das Gelingen<br />

der Reise mit den Männern.<br />

Anderntags spazierte er über Deck und unterhielt<br />

sich mit den anderen Gelehrten und<br />

auch den Matrosen, die meistens erstaunt<br />

darüber waren, dass ein Adliger sich überhaupt<br />

für sie interessierte und so freundlich<br />

zu ihnen war, und beobachtete den Himmel<br />

und den Horizont durch sein Fernglas. Die<br />

Stimmung an Bord war ausgelassen und<br />

fröhlich, jeder wurde von dem Optimismus<br />

und der Sehnsucht des jungen Mannes angesteckt.<br />

Doch nur einen Monat später schien das<br />

alles verflogen zu sein. Die Männer kehrten<br />

zu ihrer täglichen Routine zurück, und der<br />

Prinz wurde von Tag zu Tag stiller und nachdenklicher.<br />

Er hatte ein klares Ziel vor Augen,<br />

das er erreichen wollte, doch solange er auch<br />

forschte und rechnete, er schien diesem Ziel<br />

kein bißchen näher zu kommen.<br />

<br />

Eines Abends kam der Kapitän in die Kajüte<br />

des Prinzen. „Herr, ich glaube, die Männer<br />

sind unruhig. Sie wollen wissen, wann wir<br />

wieder an Land kommen, und wann wir das<br />

Ziel unserer Reise erreicht haben,“ sagte er,<br />

während er verlegen seinen Dreispitz vor<br />

der Brust hielt. Er bemerkte, dass der junge<br />

Mann übermüdet war und schon seit Nächten<br />

nicht mehr geschlafen haben musste. Er<br />

hatte tiefe Ringe unter den Augen, und seine<br />

Haut war nicht wie die der anderen Männer<br />

von der Sonne gebräunt, sondern kränklich<br />

blass.<br />

Der Prinz antwortete nicht, sondern dachte<br />

über die Worte des Kapitäns nach. Dann<br />

schliesslich, nach einer halben Ewigkeit, wie<br />

es dem anderen Mann schien, sagte er: „Ihr<br />

seid ein guter Mann, und Ihr habt Recht.<br />

Gebt mir ein Boot und Vorräte, dann könnt<br />

Ihr umkehren.“ Der Ältere wollte etwas erwidern,<br />

denn was der Prinz vorhatte, war<br />

Selbstmord, vor allen Dingen, wenn man<br />

in Dingen der Seefahrt so unerfahren war.<br />

Doch der Jüngere schien keine Widerrede zu<br />

dulden, und so stand er schon bald an Deck,<br />

wo er der Mannschaft erklärte, was er zu tun<br />

gedachte. Die Männer waren erstaunt, einige<br />

versuchten, den Prinzen aufzuhalten, und an-<br />

OFFTOPIC<br />

Pericula Subire 03<br />

Im Rahmen unseres<br />

Schwestermagazins<br />

Pericula Subire<br />

haben wir im März<br />

2008 das Liverollenspielszenario<br />

Familienangelegenheiten<br />

veröffentlicht.<br />

14 bis 20 Spieler und 1 bis 2 Spielleiter<br />

treffen sich zur Testamentseröffnung<br />

des verstorbenen Horatius Bernstein.<br />

Dessen verstrittene Familie, auseinander<br />

gerissen von seinen Wutausbrüchen<br />

und ständigen Verdächtigungen,<br />

hofft nun auf ein ordentliches Erbe. •<br />

URL: www.pericula-subire.de<br />

dere tuschelten hinter vorgehaltener Hand,<br />

dass dies ein von vornherein zum Scheitern<br />

verurteiltes Unterfangen war.<br />

Dann wurde das Boot zu Wasser gelassen,<br />

und der Prinz sah mit Tränen in den Augen,<br />

wie das Schiff wendete und sich wieder in<br />

Richtung Mydran aufmachte. Aber er hatte<br />

seine Entscheidung getroffen, er wollte beenden,<br />

was er begonnen hatte.<br />

<br />

Er hatte nicht mit dem Wellengang gerechnet,<br />

mit der erbarmungslosen Sonne, dem<br />

ätzenden Salzwasser – und nicht mit dem<br />

Sturm, der aus dem Nichts über ihn hereinbrach.<br />

Alles hätte er ertragen können, doch<br />

gegen diese Naturgewalten war er machtlos,<br />

und als eine riesige Welle über dem kleinen<br />

Boot hereinbrach, schloss er die Augen in Erwartung<br />

seines baldigen Todes. Sein letzter<br />

Gedanke galt seinem Ziel, das er nun nie erreichen<br />

würde.<br />

<br />

Als er wieder erwachte, sah er sie. Sie hatte<br />

lange blonde Zöpfe und helle meergrüne<br />

Augen, ihre schlanken Hände hielten seinen<br />

Kopf und flößten ihm ein heisses Getränk ein.<br />

Er begriff, dass er überlebt hatte, er war gestrandet<br />

in einem kleinen Dorf auf einer Insel.<br />

Die Tochter eines der Fischer kümmerte sich<br />

liebevoll um ihn, nachdem die Männer ihn<br />

nach dem Sturm aus dem Meer gezogen hatten.<br />

Dies war nicht sein Ziel gewesen, doch<br />

für eine Weile konnte er bleiben.<br />

<br />

Der Alte warf einen Blick auf seinen Sohn.<br />

So lange hatte er nun gewartet.<br />

Es war wieder Zeit. •<br />

Kurzgeschichten & Comics<br />

Seite 99


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Rezensionen<br />

Rezensionen<br />

VORSTELLUNG UND BEWERTUNG VON SPIELEN, BÜCHERN UND MUSIK<br />

Götter und Kulte<br />

I. Schulze, www.lorp.de<br />

Götter und Kulte<br />

heißt das 272-<br />

seitige, als Hardcover<br />

gebundene<br />

Standardwerk für<br />

die Religion der Vergessenen<br />

Reiche<br />

zusammengestellt<br />

von Eric L. Boyd<br />

und Erik Mona.<br />

Der einleitende Teil versucht sich mit den<br />

grundsätzlichen Problemen des riesigen faerûnschen<br />

Pantheons zu beschäftigen. Was<br />

passiert mit toten Gottheiten, welche Mächte<br />

haben Götter und Avatare und was passiert,<br />

wenn sich zwei Pantheons überlappen.<br />

Desweiteren gibt es eine Einführung in das<br />

Auslesen der Werte, denn jedem mächtigen<br />

Gott wurde neben der Beschreibung auch<br />

Spielwerte mit auf dem Weg gegeben.<br />

Der Göttliche Rang regelt hierbei die<br />

Macht, die er besitzt und resultiert aus seinem<br />

Einfluß, den er besitzt z.B. in Form seiner<br />

Anhänger und Anbetern. Dieser bewegt<br />

sich im Rahmen von Null (z.B. Halbgötter)<br />

bis hoch zum 20. Rang, welcher theoretisch<br />

auch überschritten werden kann. Ao, der<br />

Gott, zu dem die Götter beten, wäre so eine<br />

Wesenheit.<br />

Auch finden sich hier die Fähigkeiten und<br />

Eigenschaften, die jeden Gott auszeichnen,<br />

z.B. Schadenreduzierung, maximierte Trefferwürfel<br />

oder automatische Erfolge. Insgesamt<br />

wirken mir die Regeln aber zu unbeholfen<br />

(Braucht man mit einem Angriffsbonus<br />

von +85 wirklich einen automatischen Erfolg?<br />

Beim Kampf gegen normale Wesen ist das de<br />

facto ein automatischer Erfolg). Ausführlich<br />

wird erklärt, dass die Belohnung in Form<br />

von Erfahrungspunkten für eine Begegnung<br />

mit einem Gott nicht automatisch seinem<br />

Herausforderungsgrad entspricht. Dies ist<br />

selbstverständlich nachvollziehbar, da es<br />

Charaktere über mehrere Stufen auf einmal<br />

hinwegheben würde, würde eine Begegnung<br />

so entlohnt werden. Oder man denke nur an<br />

klerikale Sprüche, die den Kontakt zu den<br />

Göttern ermöglichen. Der Text bietet dann<br />

Hilfestellungen, aber keine allgemeingültigen<br />

Richtlinien, wirkt dadurch aber auch etwas<br />

unbeholfen. Und bei einem Kampf Gott<br />

gegen Gott käme so nicht wirklich Spannung<br />

auf… Insgesamt hätte ich mir, wenn man<br />

sich schon entscheidet den Göttern Werte zu<br />

verpassen, elegantere Regeln gewünscht.<br />

Es folgen knapp 170 Seiten über die verschiedenen<br />

Götter unterteilt in „wichtige<br />

Gottheiten“ und „weitere Gottheiten“. Erstere<br />

sind im wesentlichen menschliche Götter,<br />

da diese einfach die größte Rasse und damit<br />

am meisten Anbeter stellen. Natürlich gibt<br />

es z.B. mit Lolth auch Ausnahmen, da diese<br />

ja die meisten der Dunkelelfen hinter sich<br />

weis. Diese werden jeweils im Durchschnitt<br />

auf etwa drei bis vier Seiten aufgestellt, eine<br />

Hälfte entfällt auf den Flufftext, die andere<br />

auf den Crunch.<br />

Gucken wir uns mal ein Beispiel an und<br />

picken uns Lathander heraus. Der Fürst des<br />

Morgens wird mit seinen wichtigsten Einflußbereichen<br />

beschrieben, wer an ihn glaubt<br />

und wann seine Kleriker zu ihm beten (und<br />

damit neue Kraft, sprich Zauber, schöpfen).<br />

Seine Geschichte wird kurz angerissen sowie<br />

welche Beziehungen er zu anderen Göttern<br />

pflegt. Zuguterletzt folgt ein Kurzabriß der<br />

Glaubenslehre und typische Beispiele von Lathander-Priestern<br />

und Tempeln. Der Werteteil<br />

ist dann sehr umfassend, schließlich kann<br />

so ein Gott einiges mehr als ein Orkkrieger<br />

Stufe 1. Neben seinen 45 Klassenstufen, 1155<br />

Trefferpunkten, einer RK 79 etc. sind es im<br />

wesentlichen natürlich die Sonderfertigkeiten,<br />

die das ganze in die Länge ziehen. Auch<br />

seine Avatargestalten, bis zu zwanzig gleichzeitig<br />

kann er immerhin erschaffen, bekommen<br />

Werte verpasst in Form zu Änderungen<br />

gegenüber seiner normalen Gestalt.<br />

Die „anderen Gottheiten“ werden dann<br />

wesentlich kürzer abgehandelt, auf Werte<br />

wird hier ganz verzichtet. Im Durchschnitt<br />

etwa eine halbe bis zu einer Seite wird auf<br />

die Beschreibung verwenden. Dies sind zum<br />

einen die weniger mächtigen Götter des<br />

menschlichen Pantheons, die Pantheons der<br />

anderen Rassen – Halblinge, Elfen, Drow,<br />

Zwerge, Gnome und Orks – sowie das mulhorandische<br />

Pantheon, welche grob an das<br />

ägyptische Pantheon erinnert.<br />

Die restlichen Seiten widmen sich den Themen<br />

„Heilige Stätten“ und „Verfechter des<br />

Glaubens“. Erstere sind besondere Orte des<br />

Glaubens, die vollständig und mit Kartenmaterial<br />

beschrieben sind und zudem einige<br />

Szenariotipps beinhalten. Letztere sind auf<br />

Faerûn abgestimmte Prestigeklassen, die<br />

mit dem Glauben zu tun haben. Im Anhang<br />

finden sich noch die Erklärung neuer Talente,<br />

göttlicher Sonderfähigkeiten sowie Übersichtstabellen,<br />

z.B. Gottheiten der Monster<br />

oder die Domänen der faerûnschen Götter.<br />

Gerade der deutsche Leser dürfte erfreut<br />

sein, da er die meisten Texte noch nicht<br />

kennt. Der englischsprachige Leser hingegen<br />

kennt schon große Teile der Originaltexte, die<br />

auf den Werken „Faith & Avatars“, „Demihuman<br />

Deities“ sowie „Powers & Pantheons“<br />

aus der zweiten Edition basieren. Aber jene<br />

wurden nie übersetzt und so ist es doch ein<br />

deutlichen Mehrwert gegenüber den Texten<br />

aus dem Kampagnenset, die zum Vergleich<br />

knapp 35 Seiten umfassen.<br />

Zwar erhält man keine so detaillierte Darstellung<br />

wie z.B. DSA sie bietet, was Gottesdienst<br />

oder den Aufbau oder Hierarchie<br />

eines Ordens betrifft. Aber wenn man einen<br />

Kleriker oder einen anderen Verfechter des<br />

Glaubens spielen möchte, findet man hier<br />

reichlich Auswahl und Ansatzpunkte. Ebenso<br />

beschränkt sich die Auswahl für Druiden und<br />

Waldläuer nicht mehr auf zwei, drei Naturgottheiten,<br />

sondern auf eine breite Palette.<br />

Ob man Götter Werte geben sollte oder<br />

nicht, dies würde endlose Seiten an Diskussion<br />

füllen. Wenn man es aber schon macht,<br />

dann hätte ich mir eine bessere Form gewünscht.<br />

So hat man reichlich Werte für die<br />

mächtigsten Götter Faerûns, aber keine für<br />

die weniger mächtigen oder Halbgötter. Und<br />

wenn es tatsächlich mal zu einer epischen<br />

Schlacht zwischen der Spielergruppe und<br />

einem Gott kommt, dann vermutlich erstmal<br />

mit einem Schwächeren… So hätte man<br />

Götter und Kulte<br />

4<br />

Art Quellenband<br />

Verlag Feder & Schwert<br />

Sprache Deutsch<br />

System Dungeons & Dragons<br />

Spielwelt Vergessene Reiche<br />

Jahr 2007<br />

Preis ca. 35,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

4<br />

SSP<br />

3<br />

Seite 100<br />

Rezensionen


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

auch beispielhafte Werte für verschiedene<br />

göttliche Ränge geben können und eine<br />

Wahlmöglichkeit bei den Eigenschaften, die<br />

jeweils beherrscht werden.<br />

Der Fluff-Anteil ist für ein Werk der dritten<br />

Edition reichlich hoch und bietet zugleich<br />

auch genügend Crunch, um für alle interessant<br />

zu sein.<br />

Von der Aufmachung und vom Layout<br />

her, bewegt es sich im Rahmen der anderen<br />

Publikationen und somit auf gutem Niveau.<br />

Hochglanzhardcover mit stimmigen Brom-<br />

Bild, im Inneren Hochglanzpapier im Stile<br />

von altem Papier, welches am Rande vergilöbt<br />

und reichlich farbigen Illustrationen von<br />

weit über zwanzig Künstlern. Zwar vermisse<br />

ich den Charme alter Schwarzweißzeiten,<br />

aber der neue Stil ist auch nicht ohne.<br />

Fazit<br />

Für Kleriker, Paladine etc. sowie Spielleiter,<br />

die möglichst viel über den Hintergrund der<br />

Vergessenen Reiche wissen wollen, ein sehr<br />

gutes Buch. Crunch und Fluff stehen in guter<br />

Waage zueinander, nur die Werte für Götter<br />

sind in dieser Form nicht geglückt. •<br />

Sharn:<br />

Stadt der Türme<br />

I. Schulze, www.lorp.de<br />

Mit dem Quellenbuch<br />

Sharn: Stadt<br />

der Türme gibt es<br />

nun endlich Material<br />

zu vielleicht<br />

der wichtigsten<br />

Stadt für Abenteurer<br />

und Helden auf<br />

ganz Khorvaire. Die<br />

Stadt wäre dabei<br />

ein Traum für heutige Ingenieure, wächst sie<br />

doch in die Höhe und nicht in die Breite.<br />

Herausragend ist dabei gleich das erste<br />

der insgesamt acht Kapitel, welche auf<br />

insgesamt 221 Seiten präsentiert werden:<br />

„Eine kurze Stadtführung“. Auf etwa einem<br />

Sechstel der Seiten bietet es nicht nur eine<br />

allgemeine Einführung in Sharn, sondern verdeutlicht<br />

gut die bunte und vielfarbige Welt<br />

Sharns. Hier werden kunterbunt alle Themen<br />

abgehandelt, die im Leben eines Abenteurers<br />

eine Rolle spielen könnten, entweder weil er<br />

diese Örtlichkeit aufsucht oder weil sich darum<br />

ein Abenteuer bauen läßt. Antiquitäten,<br />

Geschäftseröffnungen, Kommunikation, Gesellschaften,<br />

Kriminalität, Speis & Trank und<br />

und und. Kurz und bündig wird ein Blick auf<br />

den jeweiligen Teilbereich geworfen, ohne<br />

sich zu sehr in Details zu verstricken, aber<br />

Rezensionen<br />

auch nicht ohne das Bild einer besonderen<br />

Stadt entstehen zu lassen. Nach dem Kapitel<br />

schwirren einem unzählige Ideen und Szenen<br />

im Kopf, die man in Sharn umsetzen kann.<br />

„Leben in Sharn“ beschreibt dann die<br />

Stadt bezirks-, viertel- und distriktweise,<br />

zu jedem findet sich ein kurzer Absatz, bei<br />

dem zu beachten ist, dass Sharn nicht nur im<br />

Zweidimensionalen, sondern in Dreidimensionalen<br />

zu unterteilen ist. Während in luftigen<br />

Höhen eher die Reichen wohnen, ist der bürgerliche<br />

Mittelstand in den mittleren Höhen<br />

der Stadt angesiedelt, während die Armen in<br />

den Schatten der Türme am Boden oder gar<br />

im Untergrund vegetieren, schließlich wurde<br />

Sharn auch nur auf Ruinen erbaut. Die kleinste<br />

Verwaltungseinheit ist der Distrikt, zu der<br />

kurz geschrieben steht, um welche Art es sich<br />

handelt (z.B. Wohn- oder Geschäftsdistrikt),<br />

welche wichtigen Gebäude zu finden sind sowie<br />

welcherBevölkerungsschicht (z.B. Oberschicht)<br />

vorherrscht. Sehr hilfreich ist der<br />

erste Eindruck, der ggf. auch schnell vorgelesen<br />

werden kann. Dann folgen einige Fakten<br />

zum Distrikt sowie den erwähnten Gebäuden.<br />

Die Viertel fassen dann mehrere Distrikte<br />

einer Höhenschicht zusammen und geben<br />

Überblick über Bevölkerungszahlen, vorherrschende<br />

Schicht, das GM-Limit, Autoritätspersonen<br />

und ein allgemeiner Überblick. Die<br />

Bezirke, die mehrere Viertel zusammenfassen,<br />

werden nur kurz allgemein vorgestellt<br />

und zudem werden die Stadtwachen aufgelistet,<br />

die dort patrouillieren bzw. stationiert<br />

sind. Das sicherlich umfassendste Kapitel des<br />

Buchs macht dann Sinn, wenn man es als<br />

Nachschlagewerk versteht. Relativ trocken<br />

– nur die Kurzbeschreibungen stechen hier<br />

raus – werden Fakten aneinander gereiht.<br />

Macht sicherlich dann Sinn, wenn man längere<br />

Kampagnen in Sharn spielen will.<br />

„Machtgruppen und Politik“ beschäftigt<br />

sich mit der Regierungsform Sharns, den Einfluß<br />

der Drachenmalhäuser und die Vertretungen<br />

anderer Nationen. „Recht und Ordnung“<br />

hat die Gesetze der Stadt im Blick und<br />

natürlich auch die Strafen, die den potentiellen<br />

Übeltäter erwarten, wenn man sich<br />

nicht an sie hält. Hervorzuheben ist hier der<br />

Abschnitt „Das Gesetz im Spiel nutzen“, welches<br />

aufzeigt, wie man das Kapitel geschickt<br />

nutzen kann, ohne es zu übertreiben. „Gilden<br />

und Organisationen“ stellt Gruppierungen<br />

vor, die den Helden nützlich sein könnte,<br />

oder als NSC-Auftraggeber oder –Konterparts<br />

Verwendung finden könnten.<br />

Nach soviel Fluff darf auch der Crunch<br />

nicht fehlen: „Helden und Magie“ stellt neue<br />

Sharn-spezifische Talente vor, Ausrüstung,<br />

Drogen und ihre Wirkung, Prestigeklassen<br />

sowie neue Zauber und magische Gegenstände.<br />

Bei „Monster und Begegnungen“ gibt es<br />

weitere Gruppierungen, die im wesentlichen<br />

als Gegner der SC auftreten könnten sowie<br />

natürlich einige spezifische Monster, deren<br />

Werte und Verhalten.<br />

Das abschließende Kapitel „Eine Kampagne<br />

in Sharn“ gibt handfeste Tipps zum<br />

Gestalten einer ortsfesten Kampagne, die<br />

versuchen, Probleme schon im Vorfeld zu<br />

beleuchten.<br />

Vom Layout schließt sich der Band dem<br />

Kampagnenwelt-Buch an. Im Inneren farbige<br />

Tuschgrafiken, nicht zu farbig gehalten, die<br />

teilweise die Imposanz der Stadt einzufangen<br />

vermögen. Karten geben einen guten<br />

Überblick, wo in etwa was ist, ohne sich in<br />

Details zu verlieren. Sachdaten oder Charakterwerte<br />

sind in Kästchen rausgehoben präsentiert.<br />

Der Anteil von Stimmungstexten (Fluff)<br />

zu Regelergänzungen (Crunch) ist in dem<br />

Werk ausgewogen, nur die an ein Lexikon<br />

oder nüchternen Stadtführer erinnernden<br />

Stadtteilbeschreibungen könnten lockerer<br />

geschrieben sein. Besonders gefällig ist das<br />

erste Kapitel, nachdem man unzählige Ideen<br />

für seine Eberronkampagne haben dürfte.<br />

Fazit<br />

Endlich wieder ein Hardcoverwerk fürs<br />

deutschsprachige Eberron und eins, welches<br />

sowohl Crunch- als auch Flufffreunden gefallen<br />

sollte. Wer das Eberron Kampagnenset<br />

hat und regelmäßig spielt, wird um Sharn<br />

Wertung<br />

Karten-, Brett- und Rollenspiele<br />

bewerten wir in den drei Kategorien<br />

Preis/Leistung (P/L), Aufmachung<br />

(AUF) und Spielspaß (SSP). Aus<br />

diesen Einzelnoten ergibt sich eine<br />

Gesamtwertung, die neben dem Titel<br />

des Spiels im Kasten angezeigt wird.<br />

Die Wertungsskala reicht von einem<br />

Punkt (sehr schlecht) bis sechs Punkte<br />

(genial).<br />

Auf unserer Homepage findet Ihr eine<br />

Datenbank mit vielen Rezensionen zu<br />

Brett- und Kartenspielen.<br />

SHARN:<br />

STADT DER TÜRME 4<br />

Art Quellenband<br />

Verlag Feder & Schwert<br />

Sprache Deutsch<br />

System Dungeons & Dragons<br />

Spielwelt Eberron<br />

Jahr 2007<br />

Preis ca. 35,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

4<br />

SSP<br />

4<br />

Seite 101


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Rezensionen<br />

nicht herum kommen, alle anderen bekommen<br />

keine neuen Aspekte von Eberron vermittelt,<br />

die sie nun zum Kauf verleiten sollten.<br />

Kurzum, ein grundsolides Quellenbuch. •<br />

Spieler-Handbuch<br />

Eberron<br />

I. Schulze, www.lorp.de<br />

Auf 206 Seiten<br />

folgt das nächste<br />

Eberron-Hardcover-Quellenbuch<br />

nach Sharn: Stadt<br />

der Türme. Mit dem<br />

Spieler-Handbuch<br />

Eberron gibt es<br />

nun eine Art enzyklopädisches<br />

Werk<br />

zu den wichtigsten Punkten der Spielwelt.<br />

Die ersten zwölf Seiten sind dabei elf Charakterkonzepten<br />

gewidmet, z.B. Chronisten,<br />

Detektiven oder Straßenkindern. Es sind<br />

wirklich reine Spielkonzepte ohne regeltechnische<br />

Spielwerte, die dabei helfen sollen<br />

seine Rolle und seinen Charakter auszugestalten.<br />

So werden Tipps zu den Gründen<br />

für`s Abenteuerleben gegeben, mögliche<br />

Persönlichkeiten aufgezeigt, typische Verhaltens-<br />

und Sprechweisen vorgeschlagen und<br />

zuguterletzt mögliche Varianten vorgestellt.<br />

Insgesamt ist dieser Teil gut gelungen, gerade<br />

für Neulinge geeignet und diejenigen, die<br />

in D&D reines Hack & Slay sehen, bekommen<br />

mal etwas anderes zur Hand.<br />

Damit endet dann aber schon der reine<br />

Spielerteil und in Stichpunkten werden Elemente<br />

der Welt vorgestellt, manche nützlicher<br />

für Spieler, manche eher für den Spielleiter.<br />

Zum Stichpunkt Abenteurerleben gibt<br />

es einen kleinen Ausflug in typische Dungeons<br />

Eberrons: zerfallende Ruinen aus dem<br />

Dämonenzeitalter, überdimensionale Überreste<br />

aus dem Zeitalter der Riesen, junge<br />

Ruinen aus dem Zeitalter der Monster oder<br />

Bauwerke aus dem Letzten Krieg. Eine Tabelle<br />

mit verschiedenen Wissensfertigkeiten<br />

und Schwierigkeitsgraden regelt dabei, was<br />

der Charakter wissen könnte. Zweites großes<br />

Thema sind epische Charakter, sprich Helden<br />

über der 20. Stufe und wie man mit ihnen<br />

Kampagnen gestaltet.<br />

Der Block „Was weiß ihr Charakter?“ ist zu<br />

jedem Unterpunkt des Buches angelegt, so<br />

dass man schnell auswürfeln kann, wie der<br />

jeweilige Wissensstand ist.<br />

Andere Stichpunkte sind Orte wie Aerenal,<br />

Droaam, die Dämonenöde, Xen’drik, die<br />

Fürstentümer von Lhazaar oder Frostdach<br />

und Immereis. Diese Kapitel beschreiben<br />

kurz und oberflächlich, was man als typischer<br />

Abenteurer schon einmal über diese<br />

Gegenden gehört haben könnte. Vom Nordkontinent<br />

Frostdach kehrte beispielsweise<br />

nur eine Expedition zurück, die davon berichten<br />

konnte – allerdings will Fürst Boroman<br />

ir’Dayne bald eine Zweite unternehmen. Es<br />

gibt also immer Material für den Spieler (mein<br />

Charakter weiß dies und jenes, zum anderen,<br />

vielleicht war er ja gar Teilnehmer der ersten<br />

Expedition), andererseits werden dem Spielleiter<br />

Plothooks, also Abenteuerideen, an die<br />

Hand gegeben, die er als nächsten Kampagnenaufhänger<br />

nutzen kann – hier die zweite<br />

Expedition.<br />

Eine weitere Gruppe von Punkten beschäftigt<br />

sich mit den Spielerrassen: von Menschen<br />

über Elfen und Gnome bis hin zu den eberronspezifischen<br />

Wandlern, Wechselbälgern<br />

und Kriegsgeschmiedeten bekommt jede<br />

Rasse einen Eintrag. Dort findet sich allerlei<br />

über typische Lebensgebiete, Kultur, Merkmale,<br />

Stereotypen. Die meisten bekommen<br />

auch ein neues Talent, der Schwerpunkt liegt<br />

aber eindeutig auf Hintergrundfluff, was die<br />

Einträge locker leicht zum Lesen macht. Über<br />

Kriegsgeschmiedete, Konstrukte, die für den<br />

Letzten Krieg entworfen wurden, kann man<br />

erfahren, dass viele aus ihrer körperlichen<br />

Gleichheit mit anderen, baugleichen Konstrukten<br />

einen Hang zur Individualisierung<br />

haben. Viele verbringen zahlreiche Jahre mit<br />

der Suche nach ihrer Persönlichkeit, ihrer<br />

Menschlichkeit, so dass sie in dieser Hinsicht<br />

an Data aus Star Trek erinnern. Haus Cannith<br />

verkaufte sie im Letzten Krieg an jeden, der<br />

sie sich leisten konnte, daher einerseits ihre<br />

Verbreitung, aber auch ihre Vielfalt. Erst mit<br />

dem Friedenspakt der Thronfeste wurden<br />

ihnen Rechte als freie Wesen mit eigenem<br />

Empfinden eingeräumt, die oft wegen ihrer<br />

Macht oder den Geschehnissen des Letzten<br />

Krieges im Volk gefürchtet sind. Da mit dem<br />

Pakt aber auch die Fertigung des Kriegsgeschmiedeten<br />

ein Ende fand, gehören sie auch<br />

zu einem aussterbenden Volk, zumindest bis<br />

zum nächsten Krieg…<br />

Auch häufige oder mächtige NSC-Rassen<br />

bekommen ihr Fett weg: Orks, Goblinoide<br />

oder Drachen. Bei den Goblinoiden erfährt<br />

man z.B. die Geschichte des vor 16.000 Jahren<br />

vorherrschenden Imperiums der Hobgoblins<br />

und seinem Zerfall, Charakterwissen<br />

über Goblins, ein Artfefakt namens Skai<br />

Shaarat und wie man einen Goblinoiden als<br />

SC nutzen kann. Weitere Stichpunkte hängen<br />

mit dem Glauben (z.B. Göttliche Heerschar<br />

oder Dunkle Sechs), Zwielichtigen Organisationen,<br />

Magie, dem Letzten Krieg, Schöpfungsmythen,<br />

Existenzebenen oder einfach<br />

Spionage und Intrigen zusammen.<br />

Fazit<br />

Insgesamt ergibt sich so ein Buch zum nebenbei<br />

Lesen, welches nichts enthält, was<br />

man unbedingt wissen muss, aber vieles,<br />

was man haben kann. Der Schreibstil lässt<br />

einen das Buch flüssig lesen und der Umfang<br />

der Punkte ist genau richtig, um Hintergrund<br />

vermittelt zu bekommen, ohne von Detailreichtum<br />

erschlagen zu werden. Genau das<br />

richtige Werk für Fluff-Freunde, aber nichts<br />

für Leute, die nur Crunch suchen (der kaum<br />

vorhanden ist). •<br />

Das Zauberkompendium<br />

I. Schulze, www.lorp.de<br />

Im Zauberkompendium<br />

finden sich über<br />

1.000 Zaubersprüche<br />

aller Grade und aller<br />

möglichen Klassen<br />

in einem Buch. Dazu<br />

natürlich noch die<br />

Zauberspruchlisten<br />

für die verschiedenen<br />

Klassen und zahlreiche<br />

neue Domänen für Kleriker.<br />

Als Quelle dienten einige der zahlreichen<br />

Zusatzbücher, von denen nur einige auf<br />

deutsch erschienen sind, andere noch übersetzt<br />

werden und wiederum andere wohl<br />

gar nicht erst übersetzt werden. Zu den auf<br />

deutsch übersetzten Quellen zählen Buch<br />

der Abenteurer, Buch des Glaubens, Buch des<br />

Arkanen, Buch des Krieges und die Vergessene<br />

Reiche-Quellenbücher Magie Faerûns,<br />

SPIELER-HANDBUCH<br />

EBERRON 4<br />

Art Quellenband<br />

Verlag Feder & Schwert<br />

Sprache Deutsch<br />

System Dungeons & Dragons<br />

Spielwelt Eberron<br />

Jahr 2007<br />

Preis ca. 35,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

4<br />

SSP<br />

4<br />

DAS ZAUBER-<br />

KOMPENDIUM 3<br />

Art Quellenband<br />

Verlag Feder & Schwert<br />

Sprache Deutsch<br />

System Dungeons & Dragons<br />

Spielwelt Basisregeln<br />

Jahr 2007<br />

Preis ca. 37,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

3<br />

SSP<br />

3<br />

Seite 102<br />

Rezensionen


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Fluff & Crunch<br />

In den Rezensionen tauchen immer<br />

mal wieder die Begriffe Fluff und<br />

Crunch auf, die ich kurz erläutern<br />

möchte.<br />

Fluff sind beschreibende Texte, welche<br />

die Spielwelt stimmungsvoller machen<br />

und diese beschreiben. Das kann<br />

in verschiedenen Formen geschehen,<br />

z.B. durch farbige Beschreibungen,<br />

Kurzgeschichten, oder ähnliches.<br />

Crunch sind reine Regeltexte, welche<br />

die Spielmechanik erklären ohne Stimmung<br />

aufzubauen.<br />

Rezensionen<br />

Das Unterreich oder dem Spielerhandbuch<br />

Faerûn. Interessanter dürften natürlich die<br />

noch nicht übersetzten Quellen für Zaubersprüche<br />

sein, dies sind: Draconomicon, Libris<br />

Mortis – The Book of Undead, Manual of the<br />

Planes, Miniatures Handbook, Planar Handbook<br />

sowie das Savage Species. Dazu kommen<br />

noch dreiundzwanzig Dragon-Artikel<br />

und sechzehn Wizard-Homepage-Artikel, die<br />

in dieser Form dann auch erstmals übersetzt<br />

wurden. So es eine deutschsprachige Quelle<br />

gibt, wurde diese angeführt.<br />

Die über tausend Zauber sind D&D-typisch<br />

beschrieben. Neben Namen, Gebiet (Beschwörung,<br />

Nekromantie etc.) und regeltechnischen<br />

Details (Klasse, Grad, Komponente,<br />

Komponenten, Reichweite etc.) und<br />

einer kurzen Wirkungsbeschreibung gibt es<br />

einen kurzen Stimmungstext, der eine Möglichkeit<br />

aufzeigt, wie man den Zauber im<br />

Spiel stimmig einbinden kann.<br />

Nützlich sind die Zauber letztlich natürlich<br />

nur für Spieler von Magie anwendenen Klassen,<br />

ebenso wie für Meister, die NSC’s nicht<br />

nur mit den acht Standardzaubern rumlaufen<br />

lassen, oder die zu findenden Schätze mit unbekannten<br />

Schriftrollen ausstatten wollen.<br />

Sicherlich ist nicht jeder Zauber sinnvoll für<br />

jeden, aber für Magier bietet sich so z. B. die<br />

Möglichkeit, sich auf bestimmte Elemente zu<br />

konzentrieren oder seinen Zaubern anderweitig<br />

einen gemeinsames Thema zu geben.<br />

Die Zauberlisten für die Grundklassen bieten<br />

einen schnellen Überblick über die Zauber<br />

samt Kurzbeschreibung, insbesondere<br />

für Druiden und Kleriker, die theoretisch –<br />

sofern der Spielleiter einverstanden ist (oder<br />

die angebetete Gottheit…) – alle Sprüche<br />

bei nächster Gelegenheit erbeten könnten.<br />

Die zusätzlichen Domänen für Kleriker schaffen<br />

ebenfalls neue Möglichkeiten bei der<br />

Charaktererschaffung; und für bestehende<br />

Charaktere gibt es ja noch das ein oder andere<br />

Talent, für die weitere Domänen interessant<br />

sind.<br />

Das Zauberkompendium ist also nahezu<br />

reiner Crunch (also hier speziell Zauber satt)<br />

und kein Fluff (stimmige Hintergrundtexte)<br />

von den erwähnten Flavourtexten abgesehen.<br />

Insofern muss man den Stil schon mögen,<br />

andererseits ist ein Zauberkompendium<br />

nahezu der letzte Ort, wo man bei D&D stimmige<br />

Hintergrundtexte erwartet oder sucht.<br />

Die Aufmachung ist gelungen im typischen<br />

Stil der neuen Editionen. 285 vollfarbige Seiten,<br />

alle zwei bis acht Seiten eine farbige Illustration<br />

guter Qualität und ein Hardcover<br />

als Buch mit (fiktiven) Beschlägen und einem<br />

Lederverschluß zum Preis von knapp 37 Euro<br />

aufgemacht.<br />

Fazit<br />

Mit dem Zauberkompendium bekommt<br />

man genau das, was man erwartet. Spieler,<br />

die gern viele Sprüche abseits von Feuerball<br />

und Wunden heilen ausprobieren, werden<br />

hier schnell fündig ebenso wie Spielleiter, die<br />

mal andere Sprüche in ihre Kampagne einbauen<br />

wollen. Gerade die deutschsprachige<br />

Version hat zudem noch den Vorteil, dass viele<br />

der Sprüche tatsächlich noch nicht anderweitig<br />

publiziert wurden. •<br />

Drachenreiter<br />

T. Heinig<br />

Das Spiel Drachenreiter<br />

von<br />

Amigo Spiele ist ein<br />

Wettrennen von<br />

Magiern auf Drachen.<br />

Der Spielplan<br />

ist dabei in quadratische<br />

Kacheln unterteilt,<br />

die beliebig zusammengesetzt werden<br />

können und dann einen Rundkurs oder<br />

eine Rennstrecke bilden. Die Drachen werden<br />

durch Plastikfiguren dargestellt, die mit<br />

Hilfe von Wegschablonen bewegt werden.<br />

Die Magier auf den Drachenrücken können<br />

Zaubersprüche wirken und damit die Gegner<br />

behindern. Wer nach als erstes im Ziel ankommt<br />

hat gewonnen.<br />

Vor dem Start wird die Startreihenfolge<br />

durch Karten bestimmt. Je weiter hinten ein<br />

Drache starten muss, desto mehr magische<br />

Energie und Zaubersprüche bekommt sein<br />

Magier als Ausgleich um ein faires Rennen zu<br />

gewährleisten. Zudem ist auf jeder Startkarte<br />

die Anfangsgeschwindigkeit des Drachen<br />

in DS (Drachenstärken) angegeben. Diese<br />

Geschwindigkeit geht von 100 DS bis 700 DS<br />

und für jede Stufe liegt dem Spiel eine stabile<br />

Schablone bei, die an der Basis der Drachenfigur<br />

angelegt wird. Dadurch dass die Schablonen<br />

unterschiedlich lang sind (Geschwindigkeit)<br />

und jeweils nur einen eingeschränkten<br />

Aktionsradius erlauben (Wendigkeit) ergibt<br />

sich automatisch die mögliche Flugbahn für<br />

jede Geschwindigkeitsstufe. Natürlich erlauben<br />

die Schablonen nur noch sehr geringe<br />

Kursänderungen je höher die Geschwindigkeit<br />

steigt.<br />

Die Drachen können um 300 DS beschleunigen<br />

oder abbremsen, jedoch darf die entsprechende<br />

Schablone erst genommen werden,<br />

wenn man sich für die Geschwindigkeit<br />

in der jeweiligen Runde entschieden hat. So<br />

kann es passieren, dass man sich leicht verschätzt<br />

und in die Bande fliegt oder sogar<br />

gänzlich den Kurs verlässt. Solche Flugpatzer<br />

werden mit einem sofortigen Stop bestraft.<br />

Zudem kann man in andere Drachen fliegen,<br />

was zwar auch ein plötzliches Abbremsen<br />

zur Folge hat, aber immerhin landet man vor<br />

dem anderen Drachen. Und das ist wichtig,<br />

weil die Spielerreihenfolge in jeder Runde<br />

dadurch bestimmt wird, wer am weitesten<br />

vorne auf dem Kurs liegt.<br />

Auf dem Kurs verteilt liegen Energie- und<br />

Kartenfelder, die bei Überfliegen bzw. darauf<br />

zum Stehen kommen magische Energie<br />

oder Zauberspruchkarten bringen. Diese<br />

Zaubersprüche kann man in seiner Runde<br />

benutzen um andere Drachen zu schwächen,<br />

langsamer werden zu lassen oder den eigenen<br />

Drachen stark abzubremsen oder zu beschleunigen.<br />

Der Einsatz von Zaubern kostet<br />

ebenso wie Flugpatzer magische Energie.<br />

Sollte einem Drachen diese Energie ausgehen,<br />

so muss er geschwächt weiterfliegen,<br />

was seine Höchstgeschwindigkeit drastisch<br />

reduziert und ihn in Gefahr bringt, ganz aus<br />

dem Rennen auszuscheiden.<br />

Leider wird das an sich interessante Spielprinzip<br />

durch ein paar Designfehler nahezu<br />

gänzlich kaputt gemacht. So sind die Drachenfiguren<br />

zu filigran mit weit ausladenden<br />

Flügeln. So verhaken sie sich oft und lassen<br />

viele Manöver nicht zu, die man gerne ausprobieren<br />

würde. Da die Figuren auch relativ<br />

leicht sind, verschiebt man schnell andere<br />

Drachen, was deren Spieler nicht so toll fin-<br />

DRACHENREITER<br />

2<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Amigo Spiele<br />

Sprache Deutsch<br />

Dauer ab 1 Stunde<br />

Spieler 2 – 6 Spieler ab 10 Jahre<br />

Jahr 2005<br />

Preis ca. 20,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

3<br />

SSP<br />

2<br />

Seite 103


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Rezensionen<br />

den. Gerade mit jüngeren Spielern, die dank<br />

der Harry-Potter-Welle Gefallen an dem Spiel<br />

finden könnten, wird das Spiel so zur Höllentour,<br />

da dauernd Streitereien um versehentlich<br />

bewegte Drachen aufkommt. Zudem<br />

glänzt der Spielplan durch Hässlichkeit. Die<br />

Streckenführung passt nicht so recht ins Bild<br />

und die Landschaften auf den Kacheln lassen<br />

den Plan… nun ja… gekachelt wirken. Nicht<br />

aus einem Guss, und das obwohl die Landschaften<br />

keinen Spielsinn haben und nur verwirrend<br />

wirken.<br />

Das letzte und vielleicht größte Problem<br />

mit den „Drachenreitern“ ist, dass in allen<br />

unseren Testspielen der Spieler gewinnen<br />

konnte, der sich frühzeitig ein Stück vom<br />

restlichen Feld abgesetzt hat. Während man<br />

im Feld dauernd ineinanderfliegt und sich gegenseitig<br />

behindert und den Führenden nur<br />

mit viel Glück und der richtigen Zauberkarte<br />

aufhalten kann, braucht der Führende nur<br />

ohne großes Risiko dahinzufliegen.<br />

Fazit<br />

Egal in welcher Runde, stets wurden die<br />

Figuren und deren Gewicht bemängelt. Auch<br />

der Spielplan bekam fast immer das Prädikat<br />

„hässlich“. Dabei wäre das Spiel ganz nett,<br />

wenn man einen schöneren Plan und passendere<br />

Figuren hätte. Und wenn man mit<br />

einer Hausregel dafür sorgt, dass es keinen<br />

einsamen Führenden geben kann. Moment<br />

mal, gibt es so etwas nicht schon? Ja, da gab<br />

es mal das Spiel Blood Race, das richtig Spaß<br />

machen kann und diese Fehler nicht hat (das<br />

allerdings vom Thema her nicht so sehr für<br />

Kinder geeignet ist). Oder das Spiel Formular<br />

Dé, das zwar mit gänzlichen anderem<br />

Regelsystem ein Wettrennen simuliert, das<br />

dafür aber richtig gut. •<br />

Twilight Imperium<br />

T. Heinig<br />

Die Firmengeschichte von Fantasy Flight<br />

Games begann mit einem Brettspiel um epische<br />

Raumschlachten und intergalaktische<br />

Diplomatie – Twilight Imperium. Bekannt<br />

geworden ist der Verlag aber inzwischen<br />

eher durch die Warcraft-Spiele, A Game of<br />

Thrones und das Cthulhu Sammelkartenspiel.<br />

Dennoch scheint das Herzblut von Firmengründer<br />

Petersen an Twilight Imperium<br />

zu hängen. Neben dem Brettspiel, das nun<br />

in der ultimativen 3. Edition erschienen ist<br />

(doch dazu gleich mehr), erscheint das Thema<br />

auch in dem sehr guten Kartenspiel Mag<br />

Blast (zumindest in dessen ersten beiden<br />

Editionen) und in einer eigenen (schlechten)<br />

Rollenspielserie.<br />

Schon vor dem Kauf (außer man erwirbt das<br />

Spiel im Imternet) erleidet man zwei Schocks<br />

hintereinander: den ersten (positiven) beim<br />

Anblick der gigantischen Spielschachtel, die<br />

doppelt so breit ist wie beispielsweise die<br />

Siedler von Catan und deutlich höher. Auch<br />

das Gewicht kündet Großes an. Leider auch<br />

der Preis (womit wir beim zweiten (negativen)<br />

Schock wären), denn der liegt je nach<br />

Bezugsquelle zwischen 60,- Euro (Onlineversand)<br />

und 100,- Euro (eBay).<br />

Bevor wir zum Spiel an sich kommen ein<br />

paar Worte zu den Unterschieden zu früheren<br />

Editionen des Spiels. Bisher war der<br />

Spielablauf streng in Runden und diese wiederum<br />

in Phasen eingeteilt. Jede Runde wurden<br />

alle spielrelevanten Teile (Diplomatie,<br />

Schiffsbau, Bewegung, Kampf, Ressourcen,<br />

Forschung) nacheinander abgehandelt. Dies<br />

hat man zugunsten des einigen Lesern aus<br />

dem genialen Puerto Rico bekannten „Berufesystem“<br />

geändert. Es existieren nun acht<br />

kurzfristige Strategien, die vor der Runde unter<br />

den Spielern verteilt werden. Diese Strategien<br />

entscheiden darüber, ob es zu Schiffsbau,<br />

Forschung, Handel, Politik und so weiter<br />

kommt und sie vergeben Vorteile in diesem<br />

Bereich an den Spieler, der die Strategie gewählt<br />

hat. Dies macht das Spiel wesentlich<br />

dynamischer und strategischer. Zum anderen<br />

wurden Missionskarten eingeführt, deren Erfüllung<br />

Siegpunkte bringen. In Kombination<br />

mit einer Strategie, welche „nur“ Siegpunkte<br />

– aber keine weiteren Vorteile – bringt,<br />

hat das Spiel damit ein absehbares Ende, das<br />

nicht mehr unbedingt auf die Auslöschung aller<br />

Mitspieler hinauslaufen muss. Dritte große<br />

Änderung ist die Präsentation des Spieles,<br />

die endgültig den Pappcounter-Charme der<br />

früheren Editionen hinter sich gelassen hat<br />

und schlicht extrem gelungen ist. Von den<br />

großen und detailierten Plastikfiguren über<br />

die ebenfalls vergrößerten Kartenteile bis<br />

hin zu sämtlichen Spielkarten wirkt das Spiel<br />

gelungen und sehr schön.<br />

Vier bis sechs Spieler übernehmen je eine<br />

der zehn Rassen in Twilight Imperium um gegeneinander<br />

um die Herrschaft zu kämpfen.<br />

Dabei reicht die Palette vom Händlervolk der<br />

Hacan über die Borg-Brüder L1Z1X bis hin zur<br />

kriegerischen Baronie Letnev. Jedes Volk hat<br />

seine eigenen Vor- und Nachteile, die auf den<br />

ersten Blick stellenweise unbalanciert wirken.<br />

Im Spiel hat sich bisher aber noch kein<br />

deutlicher Nachteil ergeben – außer dass<br />

einige Spieler ihre Spielweise sehr genau an<br />

das Volk anpassen müssen, während andere<br />

Völker unkomplizierter zu spielen sind. Das<br />

Spiel endet, sobald einer der Spieler 10 Siegpunkte<br />

erlangen konnte. Diese Punkte erhält<br />

man, wenn man am Rundenende eine der<br />

offen ausliegenden Missionskarten erfüllen<br />

konnte. Dabei geht es zum Beispiel darum,<br />

fünf Planeten außerhalb des eigenen Startsystems<br />

zu erobern, eine bestimmte Anzahl<br />

an Handelsgütern umzusetzen oder den zentralen<br />

Planeten Mecatol Rex eine Runde lang<br />

zu halten.<br />

Die genauen Spielregeln werde ich in dieser<br />

Rezension nicht erläutern, zum einen<br />

weil sie recht komplex sind und ein Überblick<br />

reichen dürfte, zum anderen weil man<br />

auf der Homepage von Fantasy Flight Games<br />

die kompletten Regeln inklusive Errata herunterladen<br />

kann. Da diese Regeln reich bebildet<br />

sind kann man sich so auch einen sehr<br />

guten Eindruck vom Spielmaterial machen.<br />

Vor dem Spiel bauen die Spieler das Spielfeld<br />

aus Sechsecken zusammen, die reihum<br />

in drei Ringen um den zentralen Planeten<br />

Mecatol Rex gelegt werden. Die Heimatsysteme<br />

der Spieler befinden sich im gleichen<br />

Abstand voneinander im äußersten Ring.<br />

Auf den Sechsecken sind entweder 1 bis zwei<br />

Planeten zu sehen (jeweils mit einen Resourcen-<br />

und einem Politikwert) oder aber leerer<br />

Raum, Asteroidenfelder, Nebel oder eine Supernova.<br />

Nichtz fehlen dürfen natürlich auch<br />

die aus den bisherigen Editionen bekannten<br />

Wurmlöcher.<br />

In der bisherigen Spielreihenfolge werden<br />

zunächst die Strategien verteilt, welche<br />

nicht nur vorgeben, welche Phasen in dieser<br />

Runde gespielt werden, sondern dem Spieler<br />

auch Vorteile in dieser Phase gewähren.<br />

Gleichzeitig bestimmen sie die neue Spielreihenfolge,<br />

da die Strategien von 1 bis 8<br />

durchnummeriert sind. Anschließend hat in<br />

der neuen Spielreihenfolge jeder Spieler je<br />

eine Aktion zur Verfügung, was reihum so<br />

lange fortgesetzt wird bis kein Spieler mehr<br />

handeln möchte. Als Aktion gilt das Aktivieren<br />

eines Systems, das Ausspielen bestimmten<br />

Aktionskarten oder das Ausführen der<br />

TWILIGHT IMPERIUM<br />

5<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Englisch<br />

Dauer 3 – 5 Stunden<br />

Spieler 2 – 6 Spieler ab 12 Jahre<br />

Jahr 2007<br />

Preis ca. 50,- Euro<br />

P/L<br />

3<br />

AUF<br />

5<br />

SSP<br />

5<br />

Seite 104<br />

Rezensionen


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

eigenen Strategiekarte. Nach den Aktionen<br />

wird „aufgeräumt“ (also überflüssige Counter<br />

vom Spielbrett genommen, Karten neu<br />

gezogen, etc.) und Siegpunkte für erfüllte<br />

Missionen vergeben. Dann beginnt eine neue<br />

Runde.<br />

Ein System wird aktiviert, indem man einen<br />

Aktivierungsmarker in das System legt. Nun<br />

ist es möglich, eigene Schiffe entsprechend<br />

ihrer Bewegungsweite in dieses System zu<br />

ziehen. Zudem kann man in einem Aktivierten<br />

System Raumschiffe in eigenen Raumdocks<br />

bauen und so ins Spiel bringen. Aber<br />

alle Schiffe in einem aktivierten System dürfen<br />

sich nicht mehr bewegen. Dadurch wurde<br />

das Problem früherer Editionen entschärft,<br />

dass man Schiffe zwar bauen, aber erst in<br />

der nächsten Runde auf den Spielplan bringen<br />

durfte. Nun kann man zur Verteidigung<br />

schnell Schiffe ins Spiel bringen, aber diese<br />

bis zur nächsten Runde nicht mehr bewegen<br />

und somit zum Angriff verwenden. Raumschlachten<br />

werden mit einem einfachen<br />

System ausgewürfelt – jedes Schiff hat einen<br />

Kampfwert über der mit einem W10 erreicht<br />

werden muss. Beide Seiten bestimmen so<br />

gleichzeitig ihre Treffer und entfernen dann<br />

Verluste. Jede Seite kann sich nach Möglichkeit<br />

zurückziehen, muss dies aber vor einer<br />

Kampfrunde ankündigen – ansonsten geht<br />

der Kampf weiter bis zur Auslöschung einer<br />

der beiden Flotten. Da es im Spiel ein sehr<br />

geschicktes System gibt, welches vom Spieler<br />

verlangt seine Resourcen auf die Bereiche<br />

Flottenstärke, Aktivierungen und Strategie<br />

zu verteilen, werden die Flotten selten groß,<br />

aber leider leicht unübersichtlich sobald einige<br />

Carrier mit Fightern beteiligt sind (da ein<br />

Carrier zum Flottenlimit zählt, die maximal 6<br />

Fighter an Bord aber nicht).<br />

Noch ein paar Worte zu den eben erwähnten<br />

Resourcen: jeder Spieler muss jede Runde<br />

eine begrenzte Anzahl an Command Markern<br />

auf die Bereiche Flottenstärke, Aktivierungen<br />

und Strategie verteilen. Nur mit Markern<br />

im Bereich Aktivierungen darf er Systeme<br />

aktivieren und sich damit bewegen oder<br />

Schiffe produzieren. Mit Markern im Bereich<br />

Strategie darf er sich das Recht erkaufen, an<br />

der Phase der Strategiekarte teilzunehmen.<br />

Und Marker im Bereich Flottenstärke zeigen<br />

das Flottenlimit an. Da Marker (außer bei der<br />

Flottenstärke) nach Einsatz verloren gehen<br />

und es nur spärlich Nachschub gibt, sind die<br />

Spieler gezwungen genau zu planen.<br />

Die Bereiche Handel und Politik spielen eine<br />

wesentliche Rolle im Spiel, werden aber beide<br />

nur durch entsprechende Strategiekarten<br />

ausgelöst. Mit Handelsvverträgen können<br />

die Spieler eine Art Spielgeld erwirtschaften<br />

und temporäre Friedensverträge herstellen.<br />

Rezensionen<br />

In der politischen Phase dürfen die Spieler<br />

über eine politische Agenda abstimmen, die<br />

fast immer große Auswirkungen auf den<br />

weiteren Spielverlauf hat und begleitet von<br />

Bestechungen, Absprachen und Drohungen<br />

sehr zur Interaktivität beiträgt. Dadurch dass<br />

man nie weiß, welche Strategien die anderen<br />

Spieler wählen und wann in ihrer Aktionsphase<br />

sie diese einsetzen, wirkt das Spiel dynamischer<br />

und sehr viel weniger starr als früher.<br />

Aber es wird auch im ersten Moment komplizierter,<br />

da man keine feste Reihenfolge<br />

erklären kann und das System der Strategiekarten<br />

erst begriffen werden muss. Ich kann<br />

daher nur einen Blick in die oben erwähnte<br />

Anleitung empfehlen, um sich die gesamten<br />

Regeln genauer anzusehen.<br />

Fazit<br />

Twilight Imperium ist ein Riese unter den<br />

Brettspielen – das Material ist einmalig und<br />

die Spielmechanik durchdacht und komplex<br />

verzahnt. In der Rezension bin ich bisher<br />

weder auf Bodenstationen, Planetenkampf,<br />

Forschung, Schiffstypen oder auf die vielen<br />

optionalen Regeln eingegangen. Darum eignet<br />

es sich auch nur für Spieler, die über 3 bis<br />

maximal 5 Stunden Spaß an strategischen<br />

Entscheidungen haben und vor allem die dafür<br />

notwendige Konzentration aufbringen<br />

können (und wollen). Ein Hauptkritikpunkt<br />

bleibt nämlich der, dass ein möglichst verdrängendes<br />

aggressives Vorgehen sich am<br />

meisten auszahlt. Zwar kann man nun tatsächlich<br />

auch rein durch Handel und Diplomatie<br />

gewinnen, aber es passiert dennoch<br />

oft, dass ein Spieler aus dem Spiel fliegt und<br />

sich den Rest des Spiels als Zuschauer fühlen<br />

darf. Als ähnlich angelegtes aber nicht ganz<br />

so kriegerisches und komplexes Spiel bleibt<br />

mein momentaner Strategie-Favorit A Game<br />

of Thrones (auch von Fantasy Flight Games),<br />

aber Twilight Imperium wird sicher nicht im<br />

Regal verstauben – dafür ist es zu gut. •<br />

Nexus Ops<br />

T. Heinig<br />

Die Ressourcen<br />

werden immer knapper,<br />

also muss man<br />

neue Quellen erschließen.<br />

In der Zukunft<br />

geschieht dies<br />

beispielsweise auf<br />

einem von insektenartigen Außerirdischen<br />

bevölkerten Mond. Wie praktisch, dass sich<br />

die dummen Viecher auch gleich als willige<br />

Soldaten und Arbeiter einsetzen lassen. Also<br />

kämpfen vier Konzerne um den ertrag- und<br />

gewinnreichen Himmelskörper.<br />

Nachdem man sich von der Vergiftung<br />

durch die ätzenden Dämpfe aus der Spielpackung<br />

erholt hat bricht Begeisterung aus:<br />

dem Spiel liegen unzählige neonfarbige Spielfiguren<br />

bei, die transparent und giftig für Aufsehen<br />

sorgen. Okay, dank der ausströmenden<br />

Gerüche möchte man sie in den ersten<br />

Partien nur mit Handschuhen anfassen und<br />

mit Atemmaske am Spieltisch sitzen, aber<br />

das legt sich mit der Zeit. Der Spielplan wird<br />

a la Siedler von Catan mit sechseckigen Karten<br />

kreisförmig zusammengestellt, in deren<br />

Mitte ein kleiner Pappmonolith seinen Platz<br />

findet. Dieser erhöhte Ort spielt später noch<br />

eine große Rolle. Die Landschaft besteht aus<br />

unterschiedlichen Geländefeldern wie Pilzwäldern,<br />

Lavaseen oder Geröllhalden. Außerdem<br />

finden sich etliche Karten (Aufträge und<br />

Aktionskarten) und viele Pappcounter in der<br />

Schachtel.<br />

Nachdem der Spielplan ausgelegt wurde<br />

werden verdeckt Ressourcenmarker auf die<br />

Felder gelegt. Jeder Spieler hat außerdem<br />

vier Startfelder, die Erträge bringen. Nachdem<br />

die Spielreihenfolge bestimmt wurde<br />

darf sich jeder Spieler von seinem Startgeld<br />

eine kleine Armee kaufen und auf seinen<br />

Startfeldern verteilen. Die Auswahl an Einheiten<br />

ist recht vielseitig und beinhaltet kräftige<br />

oder schnelle Figuren ebenso wie welche,<br />

die auf bestimmten Geländearten Vorteile<br />

haben. Nun kann der Kampf beginnen.<br />

Jeder Spieler erhält eine Auftragskarte,<br />

auf der eine Bedingung für den Erhalt von<br />

Siegpunkten steht. Beispielsweise könnte<br />

es darum gehen, mindestens drei Ressourcefelder<br />

zu besetzen, den Monolithen eine<br />

Runde lang mit eigenen Einheiten zu besetzen<br />

oder eine bestimmte Anzahl an Feldern<br />

einer Geländeart unter Kontrolle zu haben.<br />

Hat ein Spieler während seines Zuges die<br />

Bedingung erfüllt, so darf er die Karte offen<br />

vor sich ablegen und damit die Siegpunkte<br />

der Karte auf seinem Konto gutschreiben.<br />

Am Ende der Runde erhält er außerdem eine<br />

neue Auftragskarte. Aktionskarten allerdings<br />

erhält man vor allem, indem man als Verlierer<br />

aus einem Kampf herausgeht. Das führt<br />

dazu, dass mächtige Spieler nicht so schnell<br />

übermächtig werden und hält das Spiel dy-<br />

NEXUS OPS<br />

4<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Avalon Hill<br />

Sprache Englisch<br />

Dauer 60 Minuten<br />

Spieler 2 – 4 Spieler ab 10 Jahre<br />

Jahr 2005<br />

Preis ca. 30,- Euro<br />

P/L<br />

3<br />

AUF<br />

4<br />

SSP<br />

5<br />

Seite 105


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Rezensionen<br />

namisch. Aktionskarten bieten dem ausspielenden<br />

Spieler teils erstaunliche Vorteile und<br />

gelten als durchaus erstrebenswert…<br />

Die Bewegung und der Kampf (würfelbasiert)<br />

erfinden das Genre nicht neu und sind<br />

schon Dutzende Male in anderen Spielen<br />

gesehen worden. Fans dieser Art der Spiele<br />

werden sich aber zumindest freuen zu hören,<br />

dass es durch die Geländearten und die<br />

Einheitentypen durchaus taktische Möglichkeiten<br />

gibt, auch wenn natürlich dank der<br />

Würfel alles recht glücksbasiert ist.<br />

Wer am Ende eine zuvor festgelegte Anzahl<br />

an Siegpunkten erreicht hat, der hat<br />

das Spiel gewonnen und den Mond ausgeschlachtet.<br />

Das Spiel dauert circa 60 Minuten,<br />

man kann die Spieldauer aber verkürzen<br />

oder verlängern. Die Aufmachung ist auch<br />

von den Figuren abgesehen sehr gut und<br />

kann überzeugen.<br />

Fazit<br />

Nexus Ops hat durch seine Optik mit den<br />

leuchtenden Insekten einen herrlich schönen<br />

trashigen Charme – ohne allerdings Zweifel<br />

an der Qualität der Ausstattung aufkommen<br />

zu lassen. Uns haben die Testrunden viel Spaß<br />

gemacht, weil das Spiel eine gute Mischung<br />

aus Glück und Taktik bietet, die viele Spieler<br />

anspricht. An Strategieschwergewichte wie A<br />

Game of Thrones oder Warcraft kommt es<br />

nicht heran – will es aber auch gar nicht. •<br />

Zug um Zug<br />

T. Heinig<br />

Wieso Eisenbahnen<br />

eine solche<br />

Faszination auf<br />

Spieleentwickler<br />

ausüben wird mir<br />

immer ein Rätsel<br />

bleiben, aber Union<br />

Pacific, Trans<br />

America, Stephensons Rocket, Railroad<br />

Tycoon und viele andere sprechen eine deutliche<br />

Sprache. Und dass es zu Zug um Zug bereits<br />

diverse Nachfolger und Erweiterungen<br />

gibt, die das Spielprinzip jeweils in kleinen<br />

Schritten ausbauen, könnte man durchaus<br />

als gutes Zeichen werten, ebenso wie die Ernennung<br />

zum „Spiel des Jahres 2004“.<br />

Bis zu fünf Spieler bauen auf einer Karten<br />

der Vereinigten Staaten Gleisverbindungen<br />

auf. Auf dem Spielplan sind die größeren<br />

Städte dieses Gebiets verzeichnet, zwischen<br />

denen vorgegebene Verbindungen existieren,<br />

die zwischen einem und sechs Feldern<br />

lang sind. Außerdem verfügen die Verbindungen<br />

über einen Farbcode oder sind in grau<br />

dargestellt, wobei letzteres heißt, dass eine<br />

beliebige Farbe verwendet werden für diese<br />

Strecke kann. Was das genau heißt wird klarer,<br />

wenn die Streckenkarten ins Spiel kommen,<br />

die ebenfalls die Farben der Strecken<br />

zeigen.<br />

Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler vier Streckenkarten<br />

sowie drei Zielkarten. Die Zielkarten<br />

sind Aufträge an den Spieler, bestimmte<br />

Städte miteinander zu verbinden. Schafft der<br />

Spieler den Auftrag bis zum Spielende, so erhält<br />

er die genannten Punkte. Schafft er es<br />

aber nicht, so verliert er die Punkte. Nun darf<br />

der Startspieler zwei neue Streckenkarten<br />

entweder vom den fünf offen liegenden oder<br />

vom verdeckten Stapel ziehen. Anschließend<br />

kann er eine neue Strecke bauen, in dem er<br />

entsprechen viele Streckenkarten einer Farbe<br />

abwirft und seine Zugspielsteine auf die<br />

Strecke stellt. Besteht die Strecke z.B. aus<br />

vier grünen Feldern, so muss er vier grüne<br />

Karten abwerfen. Sind es dagegen fünf graue<br />

Felder, so muss er fünf Karten einer beliebigen<br />

Farbe abwerfen, um die Strecke bauen<br />

zu können. Abschließend kann der Spieler<br />

sich noch zwei neue Zielkarten nehmen, von<br />

denen er aber nur eine behalten darf.<br />

Das Spielprinzip ist relativ einfach und wird<br />

auch nicht durch weitere Mechanismen kompliziert.<br />

Damit ist es leicht zugänglich und<br />

schnell erklärt. Einzig die Jokerkarten stellen<br />

noch eine kleine Ausnahme dar, kann man<br />

sie doch anstatt jeder beliebigen Farbe abwerfen.<br />

Den Streckenbau aber zu optimieren fordert<br />

auch erfahrene Spieler. Zudem ist die<br />

Spannung zwischen den eigenen Spielzügen<br />

hoch, denn man weiß nie, ob nicht ein anderer<br />

Spieler genau die Strecke verbaut, auf die<br />

man schon lange ein Auge geworfen hat. Oft<br />

bleiben dann nur noch kostspielige Umwege.<br />

Die Aufmachung ist ordentlich und dank<br />

großem Spielplan und vielen Plastikwaggons<br />

recht umfangreich. Netterweise wurde auch<br />

an Menschen mit Farbfehlsicht gedacht,<br />

denn die Farben werden nochmals mit Symbolen<br />

dargestellt.<br />

Fazit<br />

Das Spiel kommt bei uns immer wieder auf<br />

den Spieltisch, denn es ist schnell erklärt und<br />

nicht abendfressend – vor allem aber macht<br />

es Spaß. Es ist nett anzusehen, wie die Spieler<br />

immer nervöser werden, denn jederzeit kann<br />

die vielleicht letzte Verbindungsmöglichkeit<br />

verbaut werden. Doch trotz der Glückskomponente<br />

lässt sich das Spiel auch planen, so<br />

dass es auch bei unterschiedlichen Spielertypen<br />

gut ankommt. •<br />

Der Weg nach<br />

Drakonia<br />

T. Heinig<br />

Die Idee, den Hintergrund<br />

des beliebten<br />

Rollenspiels Das<br />

Schwarze Auge für<br />

ein Brettspiel zu nutzen,<br />

ist nicht neu,<br />

aber noch nie so umgesetzt<br />

worden wie hier in Der Weg nach<br />

Drakonia. Dessen Hintergrundgeschichte<br />

kommt dem typischen Abenteuer in Aventurien<br />

schon recht nah: Eine Gruppe von Abenteurern,<br />

zusammengesetzt aus Dieben, Kriegern,<br />

Magiern und Priestern, macht sich auf<br />

den gefährlichen Weg die sagenumwobene<br />

Feste Drakonia zu finden, in der paradiesische<br />

Zustände herrschen. Unterwegs müssen sie<br />

so manchen Kampf bestehen, es wird Verletzte<br />

und gar Tote geben und Begegnungen<br />

mit anderen Heldengruppen. Wer jetzt aber<br />

ein Abenteuer im Stil von Hero Quest oder<br />

Descent erwartet muss umdenken. Der Weg<br />

nach Drakonia sieht ganz anders aus…<br />

Jeder Spieler übernimmt eine Heldengruppe<br />

einer per Zufall festgelegten Kultur die er<br />

über die sieben Felder des Spielplans nach<br />

Drakonia führen soll. Zunächst sind alle seine<br />

Helden noch nicht auf dem Plan, er muss sie<br />

erst nach und nach in die Stadt setzen (Feld 0)<br />

und von dort unter anderem über den Wald<br />

und die Karawanserei nach Drakonia führen<br />

(Feld 6). Die Zusammenstellung der Heldengruppe<br />

(die Anzahl der Helden pro Gruppe<br />

ist abhängig von der Spielerzahl) ist zunächst<br />

beliebig, allerdings verfügen die Kulturen<br />

über unterschiedlich viele Pappcounter jeder<br />

ZUG UM ZUG<br />

5<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Days of Wonder<br />

Sprache Deutsch<br />

Dauer 60 Minuten<br />

Spieler 2 – 5 Spieler ab 10 Jahre<br />

Jahr 2006<br />

Preis ca. 20,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

5<br />

SSP<br />

5<br />

WEG NACH DRAKONIA<br />

3<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Fan Pro<br />

Sprache Deutsch<br />

Dauer 45 – 90 Minuten<br />

Spieler 2 – 6 Spieler ab 8 Jahre<br />

Jahr 2005<br />

Preis ca. 15,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

3<br />

SSP<br />

3<br />

Seite 106<br />

Rezensionen


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Heldenart. Somit spielt sich jede Kultur etwas<br />

anders als die anderen, weil sie beispielsweise<br />

mehr Magier zur Verfügung hat als Krieger.<br />

Wer zuerst einen Helden nach Drakonia<br />

bringt beendet sofort das Spiel, was zur<br />

Punkteauswertung führt. Jeder Held bringt<br />

nun so viele Punkte wie die Nummer des Feldes<br />

auf dem er steht. Verletzte Helden (siehe<br />

unten) bringen zumindest den halben Punktwert.<br />

Der Spieler mit den meisten Punkten<br />

hat das Spiel gewonnen.<br />

Kernstück des Spiels sind die Heldenkarten,<br />

die in vier Stapeln (für jede Heldenart<br />

einer) verdeckt ausliegen. Der Spieler darf<br />

nun beliebig viele dieser Heldenkarten aus<br />

der Hand ausspielen und einen neuen Helden<br />

ins Spiel bringen, also in die Stadt setzen. Auf<br />

einer Heldenkarte kann man durch einfache<br />

Symbole ablesen, was die Voraussetzung<br />

zum Ausspielen der Karte ist (meistens eine<br />

bestimmte Kombination von Helden auf einem<br />

Feld) und was die Auswirkungen der<br />

Karte sind. Am Ende der Runde darf man<br />

eine Karte von einem beliebigen Stapel nachziehen,<br />

solange man dadurch nicht mehr als<br />

vier Handkarten hat.<br />

Heldenkarten werden immer auf ein Feld<br />

gespielt und auf dem Feld muss ein entsprechender<br />

eigener Held stehen (also für eine<br />

Diebeskarte ein eigener Dieb). Zusätzlich<br />

müssen alle Auswirkungen der Karte erfüllt<br />

werden können (wenn also auf der Karte<br />

Auswirkungen für einen Krieger und einen<br />

Magier stehen, dann muss auf dem Feld ein<br />

Krieger und ein Magier stehen – diese dürfen<br />

aber auch anderen Spielern gehören). Die<br />

Heldenkarte eines Diebes führt dazu, dass<br />

ein Held ein Feld zurück gehen muss, während<br />

zwei andere Helden je ein Feld vorwärts<br />

gehen müssen. Die Heldenkarte eines Kriegers<br />

verletzt einen Helden (der nun umgedreht<br />

neben das Feld gelegt wird und solange<br />

aussetzen muss bis er geheilt wird oder<br />

der Spieler ihn als verstorben erklärt um z.B.<br />

wieder einen neuen Helden ins Spiel bringen<br />

zu können) und bewegt zwei andere je ein<br />

Feld nach vorne. Die Heldenkarte des Priesters<br />

heilt einen verletzen Helden und bewegt<br />

zwei Helden je ein Feld nach vorne. Die Heldenkarte<br />

des Magiers lässt zwei Helden auf<br />

benachbarten Felden Platz tauschen. Außerdem<br />

kann ein Magier einen eigenen Helden<br />

auf dem gleichen Feld unsichtbar machen<br />

und ihn so vor Heldenkarten schützen.<br />

Das Spiel besteht aus einer großen Prise<br />

Glück (beim Nachziehen der Heldenkarten,<br />

die die richtigen Voraussetzungen haben<br />

müssen, damit man sie überhaupt spielen<br />

kann), einer Portion Teamarbeit (denn zusammen<br />

kann man schnell vorwärts kommen)<br />

und einer Scheibe Taktik (die richtigen<br />

Helden ins Spiel bringen). Die Anleitung hält<br />

noch einige Regeloptionen, zum Beispiel für<br />

ein kürzeres Spiel, bereit. Insgesamt wurde<br />

das Thema eher abstrakt umgesetzt, allerdings<br />

wird die Aufmachung jeden Fan von<br />

DSA begeistern, sind doch dem Stil der Vorlage<br />

Illustrationen verwendet worden. Die Anleitung<br />

ist zudem klar geschrieben und lässt<br />

keine Fragen offen.<br />

Fazit<br />

Das Spiel hat zunächst einmal bis auf die<br />

Zeichnungen wenig mit der Rollenspielvorlage<br />

zu tun. Die Kulturen bringen zwar etwas<br />

Aventurien ins Spiel, wären aber nicht wirklich<br />

notwendig gewesen und wirken sogar<br />

leicht aufgesetzt. Dennoch ist Der Weg nach<br />

Drakonia ein einfaches aber spaßiges Spiel<br />

für eine schnelle Runde zwischendurch (wir<br />

sind in den Testrunden schnell auf die Option<br />

des kürzeren Spiels gewechselt, da dies unserer<br />

Meinung nach mehr Spaß gemacht hat<br />

(schnellere Revanche)). Allerdings muss man<br />

dafür bereit sein, die hohe Glückskomponente<br />

des Spieles zu akzeptieren – anderenfalls<br />

könnte man das Spiel schnell als Zeitverschwendung<br />

ansehen. •<br />

DESCENT – JOURNEYS<br />

INTO THE DARK<br />

T. Heinig<br />

Gäbe es irgendwo einen Heroquest-<br />

Schrein, so wäre ich wohl nicht der einzige<br />

Rollenspieler, der einem Besuch und einer<br />

kleinen Opfergabe dort nicht abgeneigt wäre.<br />

Immerhin hat in meiner Jugend Heroquest<br />

Zeit gefressen wie kein anderes Brettspiel –<br />

Risiko eingeschlossen. An vielen Plagiaten,<br />

die im Laufe der Zeit erschienen, hatte ich nie<br />

recht Gefallen gefunden, einzig Warhammer<br />

Quest konnte mich eine Zeit lang fesseln.<br />

Doch nun glimmt ein neuer Stern am Firmament<br />

und seine Anlagen können sich durchaus<br />

sehen lassen: produziert von Fantasy<br />

Flight Games, ausgestattet mit vielen netten<br />

Plastikfiguren, einem neuen Kampfsystem<br />

und dynamisch erstellbaren Dungeonplänen.<br />

Doch wie hell ist dieser Stern wirklich?<br />

Bei Descent – Journeys into the Dark (inzwischen<br />

auch auf deutsch beim Heidelberger<br />

Spieleverlag erschienen) handelt es sich<br />

um einen typischen Vertreter der Dungeon-<br />

Crawl Brettspiele. Eine Gruppe von tapferen<br />

Helden zieht in ein düsteres Gewölbe um<br />

dort Aggressionen abzubauen und sich seinen<br />

Lebensunterhalt durch Goldfunde und<br />

Gebrauchtartefaktverkäufe zu sichern. Ein<br />

Spieler übernimmt die Rolle des Overlords<br />

(endlich mal ein Spiel, bei die man genau das<br />

spielen darf!), kontrolliert die Monster, baut<br />

das Dungeon aus lauter Einzelteilen langsam<br />

auf und versucht im Allgemeinen den Helden<br />

das (Über-)Leben so schwer wie möglich zu<br />

machen. Und gewinnen kann man als Overlord<br />

auch – ist das nicht toll?<br />

Ziel des Spiels für die Helden ist es als Gruppe<br />

zu bestehen und die Aufgabe der jeweiligen<br />

Queste zu erledigen. Eine Queste ist ein<br />

Szenario, das festlegt, wie das Gewölbe aussieht,<br />

wo welche Schätze und Monster liegen<br />

und stehen und welches Ziel die Helden haben<br />

– meist gilt es ein besonders mächtiges<br />

Monster zu töten. Das können die Helden<br />

nur schaffen, wenn ihnen unterwegs nicht<br />

ihre Conquest Tokens ausgehen, von denen<br />

sie für bestimmte Erfolge welche bekommen<br />

und für jeden Tod eines Helden welche abgezogen<br />

bekommen. Sollten den Helden jemals<br />

die Conquest Tokens ausgehen, so gewinnt<br />

der Overlord.<br />

Vor Spielbeginn baut der Overlord das<br />

Startgebiet des Dungeons auf, für das sich die<br />

Spieler entschieden haben. Währenddessen<br />

suchen sich die anderen Spieler aus zwanzig<br />

verschiedenen Helden jeweils ihren Auserwählten.<br />

Die Helden unterscheiden sich zum<br />

einen in den vier Attributen „Health“ (wie<br />

viel Schaden hält man aus?), „Fatigue“ (wie<br />

hoch ist die Ausdauer?), „Armor“ (wie viel<br />

Schaden kann man abwehren?) und „Speed“<br />

(wie weit kann man pro Runde gehen?) und<br />

zum anderen in ihrer Begabung in den drei<br />

Kampfgebieten „Nahkampf“, „Fernkampf“<br />

und „Magie“. Zusätzlich verfügt jeder Held<br />

noch über eine einzigartige Sonderfähigkeit,<br />

die jeden Helden individuell macht. Ist der<br />

Held etwas stärker als seine Kollegen, so ist<br />

er auch mehr Conquest Tokens beim Ableben<br />

wert. Schwächere Helden hingegen schaden<br />

bei Ihrem Tod der Gruppe weniger.<br />

Nach der Auswahl werden die Startfertigkeiten<br />

bestimmt. Jeder Held zieht dafür drei<br />

DESCENT – JOURNEYS<br />

INTO THE DARK 5<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Englisch<br />

Dauer ab 2 Stunden<br />

Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />

Jahr 2005<br />

Preis ca. 60,- Euro<br />

P/L<br />

4<br />

AUF<br />

5<br />

SSP<br />

5<br />

Rezensionen<br />

Seite 107


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Rezensionen<br />

Skill-Karten, auf denen unterschiedliche weitere<br />

Fähigkeiten stehen. Meist verbessern<br />

diese Skills die Kampffertigkeiten, manchmal<br />

aber auch den Speed oder andere Dinge. Mit<br />

dem Startguthaben darf sich jeder Held aus<br />

der Grundausstattung (Dolch, Schwert, Axt,<br />

Lederrüstung, Kettenrüstung, Heiltränke,<br />

Ausdauertränke, Runen, etc.) seine Wunschausrüstung<br />

kaufen. Nun sind die Helden bereit<br />

für das Abenteuer.<br />

Gespielt wird rundenweise – zunächst<br />

agieren die Helden in beliebiger Reihenfolge<br />

und anschließend der Overlord. In den Heldenphasen<br />

entscheidet sich jeder Held für<br />

eine Aktion. Entweder „Run“ (er darf so viele<br />

Felder wie der doppelte Speed-Wert weit<br />

gehen, aber dafür nicht angreifen), „Battle“<br />

(er darf sich nicht bewegen aber zwei Angriffe<br />

ausführen), „Advance“ (er darf sich so<br />

viele Felder bewegen wie sein Speed-Wert<br />

und einen Angriff ausführen) oder „Ready“<br />

(er darf sich einfach bewegen oder einmal<br />

angreifen und zusätzlich zu einer der beiden<br />

Aktionen einen Sonderbefehl legen).<br />

Sonderbefehle erlauben Aktionen wie etwa<br />

das einmalige Reagieren auf Angriffe in der<br />

Overlordphase („Guard“), das Ausruhen und<br />

Heilen („Rest“), das Zielen um einen Angriff<br />

zu verbessern („Aim“) oder das Ausweichen<br />

um einen Angriff des Gegners zu schwächen<br />

(„Dodge“).<br />

Sollte es zum Kampf kommen, so stellt der<br />

Held bzw. das Monster erst einmal seinen<br />

Würfelpool aus sechsseitigen Würfeln zusammen.<br />

Bei Monstern ist der eigentlich immer<br />

festgelegt, bei Helden aber nicht: diese dürfen<br />

einen Grundwürfel abhängig von der Art<br />

des Angriffs (Nah-, Magie- oder Fernkampf)<br />

nehmen und abhängig von der Waffe weitere<br />

Würfel. Dazu kommen noch so genannte Power<br />

Dice, die ein wenig zusätzlichen Schaden<br />

oder Reichweite hinzufügen können.<br />

Jeder Würfel zeigt bestimmte Symbole.<br />

Am einfachsten ist das große „X“, das nur<br />

auf einer Seite der Grundwürfel zu finden ist.<br />

Liegt dieses oben, so ist der gesamte Angriff<br />

fehlgeschlagen, alles weitere ist nicht relevant.<br />

Ist aber kein „X“ zu sehen, so geht es<br />

um die anderen Symbole.<br />

Jedes Herz-Symbol bedeutet, dass der<br />

Angriff einen Schadenspunkt anrichtet. Entsprechend<br />

finden sich viele Herzsymbole auf<br />

dem roten Nahkampfwürfel. Zahlen dagegen<br />

bedeuteten, dass sich die Reichweite des Angriffs<br />

um die jeweilige Zahl erhöht. Der blaue<br />

Fernkampf-Würfel hat also viele höhere Zahlenwerte.<br />

Dann gibt es noch Blitz-Symbole<br />

(im Spiel „Power Surges“ genannt), die als<br />

zusätzliche Macht des Angriffes interpretiert<br />

werden können. Oft kann man Sonderfähigkeiten<br />

eines Helden oder einer Waffe<br />

auslösen, wenn man eine bestimmte Anzahl<br />

an Power Surges gewürfelt hat. Der weiße<br />

Magie-Würfel hat besonders viele Blitz-Symbole.<br />

Die Waffenwürfel sind entweder gelb<br />

(viel Reichweite) oder grün (viel Schaden)<br />

und werden je nach Waffe dem Würfelpool<br />

hinzugefügt. Bleiben die schwarzen Power<br />

Dice, die entweder ein Blitz-Symbol zeigen<br />

oder wahlweise einen Schaden oder einen<br />

Reichweitenpunkt bringen.<br />

Was sich kompliziert anhört ist nach kurzer<br />

Zeit sehr einfach und ermöglicht dennoch<br />

halbwegs abwechslungsreiche Angriffe. Die<br />

Healthpunkte des Gegners werden um die<br />

Anzahl der Schadenspunkte nach Abzug<br />

des Armor-Wertes erleichtert. Sinkt die Zahl<br />

dabei auf Null oder tiefer, so ist der Gegner<br />

tot. Für Monster bedeutet das (meist) das<br />

endgültige Aus, für Helden nur das Ärgernis<br />

länger auf die Rente sparen zu müssen (sie<br />

verlieren die Hälfte ihres Goldes) und einen<br />

langen Fussmarsch (sie fangen frisch geheilt<br />

wieder in der Stadt an, aus der sie sich erneut<br />

in das Gewölbe begeben können).<br />

Viele Monster haben spezielle Fähigkeiten<br />

wie Flächenangriffe, Giftattacken oder<br />

Heilfähigkeiten und als wäre das noch nicht<br />

genug um die Helden zu ärgern gibt es jedes<br />

Monster auch in einer Master-Variante, die<br />

stärker ist als die normale Ausgabe.<br />

Leider ist das in den ersten Questen nicht<br />

genug „Munition“ für den Overlord, um<br />

die Helden wirklich zu ärgern. Gerade mit<br />

Heroquest-Veteranen fehlt in den ersten<br />

mitgelieferten Questen die Herausforderung<br />

für die Helden. Die Monster haben kaum eine<br />

Chance einen Helden zu töten – und das ist<br />

der entscheidende Weg für den Overlord<br />

den Helden Conquest Tokens abzunehmen.<br />

Daran ändert erstmal auch nichts, dass der<br />

Overlord in seiner Runde zwei Overlord-<br />

Karten ziehen darf, die ihm besondere Kräfte<br />

verleihen. Durch das Abwerfen unerwünschter<br />

Karten erhält er Chaos Tokens, mit denen<br />

er den Einsatz erwünschter Karten bezahlen<br />

kann. Tatsächlich sind diese Karten zum Teil<br />

sehr mächtig, können aber nicht Schritt halten<br />

mit dem schnellen Hochrüsten der Helden<br />

durch Schätze und Gold. Spätere Questen<br />

sind dann aber schön knackig und auch<br />

für echte Helden eine Herausforderung – dabei<br />

aber nie unfair. Auch der Overlord muss<br />

sich stets bemühen um am Ende der Sieger<br />

zu sein.<br />

Obwohl das Spiel in den ersten Questen<br />

nicht korrekt ausbalanciert wirkt ist das kein<br />

Beinbruch, dann solche Dungeon Crawls<br />

schreien geradezu nach Hausregeln. Mit<br />

diesen kann man sehr leicht in den Schwierigkeitsgrad<br />

eingreifen. Und nicht zuletzt besteht<br />

auch die Möglichkeit eigene Questen<br />

zu erschaffen, die den Helden das Leben von<br />

Haus aus schwerer machen. Wirklich notwendig<br />

ist beides aber nicht, denn Descent<br />

ist nach den anfänglichen Questen schön<br />

ausbalanciert.<br />

Prinzipiell ist die Spielmechanik schon erklärt,<br />

aber die Feinheiten gingen dabei unter.<br />

So kann man dem Spiel nämlich durch die<br />

Würfelfarben und die zur Verfügung stehenden<br />

Aktionen inklusive der Möglichkeit mit<br />

Ausdauer zusätzliche Felder Bewegung zu<br />

kaufen durchaus taktische Qualitäten zusprechen.<br />

Mit der richtigen Taktik können sich<br />

sowohl die Helden als auch der Overlord das<br />

Leben viel einfacher machen. Der Overlord<br />

muss bei jedem Monster überlegt vorgehen<br />

und dessen Vorteile nutzen, damit es nicht zu<br />

schnell am Heldenspieß landet.<br />

Dann sei die große Detailsverliebtheit erwähnt,<br />

die zum Beispiel Tierbegleiter (Familiars)<br />

für Helden erlaubt oder außergewöhnliche<br />

Waffenarten mit sich bringt. Auch die<br />

aus Plastik gepressten Spielfiguren sind von<br />

hoher Qualität und ein Höllendämon sieht<br />

selbst neben dem größten Helden beeindruckend<br />

aus. Überhaupt ist die Ausstattung wie<br />

von Fantasy Flight Games gewohnt sehr gut,<br />

leider aber auch ein wenig von Runebound<br />

recycelt (einige Heldenbilder, etliche Tokens,<br />

etc.). Fans von Runebound dürfte das jedoch<br />

wenig stören. Die Spielschachtel hat die gleichen<br />

Dimensionen wie die von Twilight Imperium<br />

oder World of Warcraft – ist also<br />

riesig.<br />

Glänzt der neue Stern jetzt also? Ich finde<br />

ja, er strahlt sehr hell. Das Spiel ist nicht perfekt,<br />

denn dafür hätte es vom Start weg besser<br />

ausbalanciert sein müssen und es hätten<br />

ruhig mehr Gegenstände und Monster dabei<br />

sein dürfen, so ganz wird der Sammelwahn<br />

(wie in Diablo) der Helden nämlich nicht<br />

befriedigt. Auch ein etwas komplexeres Fähigkeitensystem,<br />

etwa wie bei „World of<br />

Warcraft“ hätte dem Spiel gut getan, denn<br />

momentan können sich die Helden nur blind<br />

weitere Skill-Karten kaufen. Ein gezieltes Verbessern<br />

ist so kaum möglich. Aber das Spiel<br />

macht definitiv Spaß und weiß, so man denn<br />

Dungeon Crawls mag, sehr gut zu unterhalten.<br />

Für alle Spielefans, die Science Fiction der<br />

Fantasy vorziehen, sei noch erwähnt dass es<br />

auch ein Spiel namens Doom vom gleichen<br />

Verlag mit sehr ähnlichen Regeln (und auch<br />

schon einer Erweiterung) gibt. Zwar ist da die<br />

Packung etwas kleiner, dafür ist es aber auch<br />

günstiger zu erwerben und spielt vor dem<br />

Hintergrund des Computerspiels. Allerdings<br />

Seite 108<br />

Rezensionen


Rezensionen<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

ist es für die Spieler in Doom extrem schwer<br />

zu überleben und sich gegen die Horden der<br />

Höllenkreaturen zu stellen.<br />

Erwähnenswert ist der Support auf der<br />

Homepage des Herstellers, denn dort gibt es<br />

unter anderem die kompletten Spielregeln<br />

zum Herunterladen, dazu FAQs, neue Questen<br />

und sogar ein Programm zum Erstellen<br />

eigener Questen.<br />

Fazit<br />

Liebhaber von Helden-töten-Monsterund-sammeln-Schätze-Spielen<br />

werden sehr<br />

wahrscheinlich großen Gefallen an Descent<br />

finden – die gute Ausstattung, die interessante<br />

Spielmechanik und die Erinnerung an alte<br />

Heroquest-Zeiten sorgen dafür. Wer aber<br />

den Überhammer erwartet hat, mit dem<br />

Dungeon Crawls auf eine neue Ebene gehoben<br />

werden, der könnte enttäuscht werden.<br />

Aber kann man Dungeon Crawls wirklich auf<br />

eine neue Ebene heben? Bis die Frage geklärt<br />

ist bekommt mich niemand von Descent –<br />

Journeys into the dark weg! •<br />

DESCENT – WELL OF<br />

DARKNESS<br />

T. Heinig<br />

Mit einiger Verzögerung<br />

ist Mitte<br />

2006 die erste Erweiterung<br />

für Descent<br />

– Journeys<br />

into the Dark erschienen.<br />

Sie trägt<br />

den ebenso klangvollen<br />

wie klischeebeladenen Titel Well of<br />

Darkness, kostet etwa 30,- Euro (man bekommt<br />

also auch vollständige Brettspiele für<br />

den Preis dieser Erweiterung) und bringt einige<br />

Neuerungen ins Dungeon: 6 neue Helden,<br />

27 Monsterfiguren (Kobolde, Ferrox und Golems),<br />

110 Karten und viele Papptokens.<br />

Die sechs neuen Helden sind allesamt gut<br />

bis sehr gut und bringen teils interessante<br />

neue Fertigkeiten mit, z.B. die Gabe sich in<br />

Sichtlinie zu teleportieren. Dazu passen die<br />

neuen Fertigkeitskarten, die aber auch fragwürdige,<br />

da kaum brauchbare, Kräfte ins<br />

Spiel bringen. Mehr freuen werden sich die<br />

Helden wohl über die neue Startausrüstung,<br />

die jetzt wesentlich abwechslungsreicher<br />

ist und beispielsweise Wurfdolche enthält.<br />

Ebenfalls sinnvoll: der neue Energie-Trank,<br />

mit dem man sich fünf schwarze Würfel für<br />

den Kampf ertrinken kann. Allerdings wird<br />

er von den Helden trotz seiner Nützlichkeit<br />

meist eher selten verwendet – zu verlockend<br />

sind die anderen beiden Tränke.<br />

Der Overlord bekommt ein neues Deck<br />

Overlordkarten, die er nach einem einfachen<br />

System, fast wie bei einem Sammelkartenspiel,<br />

in sein bestehendes Deck einbringen<br />

kann. Dabei bleibt die Gesamtzahl an Karten<br />

im Deck erhalten, der Overlord kann also gezielt<br />

schwache Karten entfernen oder sein<br />

Deck nun auf das Dungeon optimieren. Weiteres<br />

interessantes Werkzeug sind die vielzähligen<br />

neuen Fallen, die von Rasierklingen<br />

über Felskugeln bis hin zu Dartfallen reichen.<br />

Somit schafft es der Brunnen der Dunkelheit,<br />

sowohl den Helden als auch dem Overlord<br />

sinnvolle neue Spielsachen zu geben.<br />

Die drei neuen Monsterarten Kobolde,<br />

Ferrox und Golems sind gut durchdacht und<br />

bringen neue Fertigkeiten mit. So werden<br />

die Kobolde beispielsweise immer besser,<br />

je mehr von ihnen auf dem Spielplan sind.<br />

Zwar sind nur drei neue Typen schon etwas<br />

wenig., dafür muss man den Machern lassen,<br />

dass jede Monsterart sinnvoll im Spiel ist und<br />

sich von den anderen unterscheidet. Mit im<br />

Paket sind nun auch endlich ausreichend<br />

Tokens um Geröllhaufen, Lavaseen, Gruben,<br />

etc. darzustellen.<br />

Die neuen Questen sind viel interessanter<br />

und spannender als die des Grundspiels,<br />

denn sie nutzen die Möglichkeiten des Spiels<br />

wesentlich besser. So (üb-)erleben die Helden<br />

einstürzende Minen, werden getrennt<br />

in einem Spinnenhort ausgesetzt, wandeln<br />

auf den Spuren Indiana Jones und erreichen<br />

schließlich den namensgebenden Brunnen.<br />

Fazit<br />

Well of Darkness ist eine wirklich gelungene<br />

und gut ausbalancierte Erweiterung für<br />

alle Descent Spieler und behebt viele Schwächen<br />

des Grundspiels. Einzig, dass der Preis<br />

nun weiter nach oben steigt ist ein Nachteil.<br />

Aber gute Dungeons bekommt man eben<br />

nicht günstig. •<br />

DESCENT – ALTAR<br />

OF DESPAIR<br />

T. Heinig<br />

Nur kurze Zeit<br />

nach der ersten Erweiterung<br />

Well of<br />

Darkness erschien<br />

bereits die zweite<br />

Erweiterung. Damit<br />

will uns Fantasy<br />

Flight Games<br />

erneut in die dunklen Verliese von Descent –<br />

Journeys into the Dark locken. Vieles bleibt<br />

beim Altbekannten: für etwa 30,- Euro erhält<br />

man 6 neue Helden, knapp zwei Dutzend<br />

Monsterfiguren (Gorillas, Dunkle Priester,<br />

Tiefenelfen, Trolle und das Chaosbiest), 110<br />

Karten und unheimlich viele Papptokens.<br />

Die sechs neuen Helden sind allesamt gut,<br />

aber nicht ganz so stark wie die aus dem<br />

Brunnen der Dunkelheit. Besonderer Wert<br />

wurde hier auf neue Familiars gelegt, was mir<br />

sehr gut gefällt. Beispielsweise kann man mit<br />

dem Seelenschatten Platz tauschen und sich<br />

so schnell im Dungeon bewegen. Die neuen<br />

Fertigkeitskarten für die Helden sind wie in<br />

der ersten Erweiterung nicht allesamt genial,<br />

aber durchaus brauchbar. Auch die Startausrüstung<br />

und die Schätze werden wie gehabt<br />

erweitert. Die Schätze und Waffen sind nicht<br />

zu mächtig, bringen aber neue Ideen ins<br />

Spiel. Dazu kommen neue Overlordkarten,<br />

die auf dem in der ersten Erweiterung vorgestellten<br />

System basieren. Auch gibt es wieder<br />

eine neue Trankart: den Rüstungstrank,<br />

der die eigene Rüstung gegen einen Angriff<br />

um +10 verbessert. Dieser Trank ist eigentlich<br />

schon fast zu mächtig und kann dazu führen,<br />

dass die Helden sich nur noch das leckere<br />

goldende Fläschchen zulegen und die anderen<br />

Tränke links liegen lassen. Kommen wir<br />

daher lieber zu den echten Neuerungen…<br />

Der Overlord kann nun verseuchte Stadtportale<br />

ins Spiel bringen – eine böse Überraschung<br />

für die Helden. Ebenso niederträchtig<br />

wie lustig ist die neue Fertigkeit, die Ausrüstung<br />

der tapferen Helden a) zu zerstören, b)<br />

zu verfluchen oder c) in ein dunkles Artefakt<br />

zu verwandeln.<br />

Dieses Mal muss man sich als Overlord<br />

nicht mit nur drei neuen Monsterarten zufrieden<br />

geben, sondern kann sich an fünf neuen<br />

Kreaturen erfreuen. Diese decken ein weites<br />

Spektrum ab – vom wütenden Riesenaffen<br />

DESCENT – WELL<br />

OF DARKNESS 5<br />

Art Erweiterung<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Englisch<br />

Dauer ab 2 Stunden<br />

Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />

Jahr 2006<br />

Preis ca. 30,- Euro<br />

DESCENT – ALTAR<br />

OF DESPAIR 5<br />

Art Erweiterung<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Englisch<br />

Dauer ab 2 Stunden<br />

Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />

Jahr 2006<br />

Preis ca. 30,- Euro<br />

Rezensionen<br />

Seite 109


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Rezensionen<br />

bis zu dunklen Priestern. Sehr interessant<br />

ist auch das Chaosbiest, das sich seine Würfel<br />

frei aussuchen kann. Auch die Spezialfähigkeiten<br />

der Monster sind wieder sehr gut<br />

ausbalanciert und gut ins Spiel eingebaut<br />

worden.<br />

Die neuen Questen sind noch etwas düsterer<br />

und wieder ebenso abwechslungsreich<br />

wie in der letzten Erweiterung. Allerdings<br />

sind sie auch recht hart zu knacken und richten<br />

sich eher an echte Helden, die sämtliche<br />

Dungeons der ersten Erweiterung schon besucht<br />

haben. Zudem wächst sich die Spielzeit<br />

langsam ins Unangenehme aus – zwischen<br />

drei und acht Stunden dauert ein durchschnitttlicher<br />

Besuch in den Gewölben dieser<br />

Erweiterung.<br />

Fazit<br />

Auch Altar of Despair ist eine gelungene<br />

Erweiterung und gefällt mir sogar einen<br />

Tick besser als Well of Darkness. Günstig<br />

ist das Spielvergnügen aber nicht – gut über<br />

100,- Euro muss man inzwischen für die volle<br />

Descent-Packung zahlen. •<br />

DESCENT – ROAD<br />

TO LEGEND<br />

T. Heinig<br />

Nachdem das ausgezeichnete<br />

Dungeon<br />

Crawl Spiel<br />

Descent im Jahr<br />

2006 zwei nahezu<br />

identische Erweiterungen<br />

erhalten<br />

hat, hat sich Fantasy<br />

Flight Games in diesem Jahr etwas Neues<br />

ausgedacht. Anstatt mehr Monster, Waffen<br />

und Schätze in die Gewölbe zu werfen und<br />

dazu eine Reihe von vorgefertigten Questen<br />

anzubieten, bekommt die Welt von Descent<br />

nun einen Namen und eine Oberwelt.<br />

Terrinoth heißt die Region, und sie bekommt<br />

einen eigenen Spielplan. Darauf finden<br />

sich Städte, Dungeons und einige besondere<br />

Orte, die durch Routen miteinander<br />

verbunden sind. Die Helden bekommen in<br />

Terrinoth sogar eine eigene Heimatstadt mit<br />

dem Namen Tamalir. Ganz neu ist das alles<br />

aber nicht, denn die Oberwelt ist bereits in<br />

Runebound, einem anderen Spiel von Fantasy<br />

Flight Games, verwendet worden.<br />

Road to Legend bringt Kampagnenregeln<br />

in die Gewölbejagd. Die Helden bereisen dazu<br />

die Oberwelt, geraten in Zufallsbegegnungen<br />

und können sich in Städten trainieren und<br />

ausrüsten. Außerdem können sie eines der<br />

unzähligen Gewölbe auf der Karte besuchen.<br />

Diese sind nicht mehr fest vorgegeben wir im<br />

Grundspiel und den ersten beiden Erweiterungen,<br />

sondern sie werden zufällig aus kleinen<br />

Minigewölben zusammengesetzt.<br />

Dadurch ist das Spiel plötzlich viel flexibler<br />

– es gibt kein 8-Stunden-Dungeon, das an<br />

einem Stück erledigt werden muss, denn ansonsten<br />

würde der Esstisch bis zum nächsten<br />

Spielabend blockiert bleiben. Statt dessen<br />

kann man jederzeit nach einem Dungeonteil<br />

das Spiel „speichern“ und wegräumen,<br />

um es später an eben dieser Stelle weiter zu<br />

spielen. Die Designer haben sich hierzu einige<br />

Gedanken gemacht und unter anderem<br />

einen Kampagnenbogen entworfen, in dem<br />

man etliche Details eintragen kann. Mindestens<br />

ebenso hilfreich sind aber sechs kleine<br />

Schachteln, in die man die Helden, ihre Ausrüstung,<br />

ihre Fähigkeiten und andere Schätze<br />

verstauen kann. Moment mal – in Descent<br />

gibt es doch nur vier Helden, warum dann<br />

sechs Schachteln? Weil der Overlord auch<br />

eine Schachtel für seine aktuellen Karten<br />

bekommt. Und eine weitere Schachtel als<br />

Friedhof dient für alle Karten, die endgültig<br />

aus dem Spiel ausgeschieden sind.<br />

Ansonsten spielen sich die Dungeons aber<br />

wie gewohnt. Die Erweiterung bringt auch<br />

keine neuen Monster ins Spiel, dafür aber<br />

Lieutenants. Das sind besonders starke Gehilfen<br />

des Overlords, die sowohl auf der<br />

Oberwelt als auch in Gewölben den Helden<br />

das Leben schwer machen können. Beispielsweise<br />

können sie Städte zerstören. Und auch<br />

der Overlord ist nun endlich im Spiel anzutreffen,<br />

denn er wartet als Avatar in seinem Keep<br />

auf die Helden, die ihn besiegen müssen, um<br />

nach vielen Spielabenden und etlichen Dungeons<br />

die Kampagne siegreich zu beenden.<br />

Dem Overlord stehen spezielle Fähigkeiten<br />

zur Verfügung, die er für seinen Avatar gegen<br />

Conquest Tokens erwerben kann.<br />

Fazit<br />

Road to Legend bietet durchgängige und<br />

gut funktionierende Regeln für längere Kampagnen.<br />

Alle Feinheiten und Details können<br />

hier gar nicht aufgeführt werden, dafür gibt<br />

es aber die Regeln auf der Homepage von<br />

Fantasy Flight Games zum Herunterladen.<br />

Statt dessen sei gesagt, dass diese Erweiterung<br />

das Spiel zwar komplexer, aber dennoch<br />

spielbarer macht. Man kann schnell<br />

mal einen kleinen Dungeon in ein bis zwei<br />

Stunden spielen und danach das Spiel wegpacken.<br />

Allerdings sollte man im Besitz der<br />

beiden anderen Erweiterungen sein, um das<br />

Potenzial der Kampagne voll ausschöpfen zu<br />

können. Für uns ist Road to Legend eine geniale<br />

Erweiterung, auch wenn das Spielthema<br />

durch sie leicht verschoben wird! •<br />

DAS SCHWERT<br />

T. Heinig<br />

Das Buch Das Schwert<br />

– Mythos und Wirklichkeit<br />

von Thomas<br />

Laible stellt so etwas<br />

wie das Standardwerk<br />

über historische, aber<br />

auch Fantasyschwerter<br />

dar. Auf über 220 durch<br />

ein stabiles Hardcover geschützten Seiten erklärt<br />

der Autor umfassend sämtliche Aspekte<br />

der Schwerter – von ihrer Geschichte über<br />

den Schwertkampf, die Schmiedekunst bis<br />

hin zu heutigen Repliken. Etwa dreißig Seiten<br />

widmen sich zudem aktuellen Fantasy- und<br />

Filmschwertern. Die Informationen werden<br />

leicht verständlich und dennoch fachlich<br />

fundiert durch viele sehr gute Illustrationen<br />

vermittelt. Besonders gelungen ist dabei die<br />

Gradwanderung zwischen Lehrbuch, Fotoband<br />

und Schmöker, denn dem Autor gelingt<br />

es, durch eine nicht zu trockene und dennoch<br />

seriöse Schreibweise zu glänzen.<br />

An einigen Stellen hätte ich mir etwas<br />

ausführlichere Informationen gewünscht,<br />

zum Beispiel beim Thema Schwertkampf.<br />

An anderen Stellen (etwa bei der Frage, ob<br />

Schwerter Rüstungen durchstechen konnten),<br />

gibt der Autor nur eine der kontroversen<br />

Expertenmeinungen wieder. Diese beiden<br />

Kritikpunkte treten aber nur selten auf.<br />

Fazit<br />

Das Schwert ist eine Empfehlung für alle<br />

an mittelalterlicher Schwertkunst Interessierte.<br />

Rollenspieler finden hier haufenweise<br />

Anregungen, das Spiel realistischer werden<br />

zu lassen, LARPer sowieso. •<br />

DESCENT – ROAD<br />

TO LEGEND 6<br />

Art Erweiterung<br />

Verlag Fantasy Flight Games<br />

Sprache Englisch<br />

Dauer ab 2 Stunden<br />

Spieler 3 – 5 Spieler ab 12 Jahre<br />

Jahr 2006<br />

Preis ca. 30,- Euro<br />

DAS SCHWERT<br />

5<br />

ISBN 978-3-938711-05-7<br />

Autor Thomas Laible<br />

Verlag Wieland<br />

Sprache Deutsch<br />

Jahr 2008<br />

Preis 39,80 Euro<br />

Seite 110<br />

Rezensionen


Rezensionen<br />

Battlelore<br />

T. Heinig<br />

Table-Tops, also<br />

mit Miniaturen<br />

gespielte Schlachten,<br />

erfreuen sich<br />

nach wie vor einer<br />

großen Beliebtheit<br />

und die Auswahl<br />

ist inzwischen fast<br />

unüberschaubar geworden – besonders für<br />

Spieler, die nur gelegentlich in solche taktischen<br />

Spiele hineinschnuppern. Days of<br />

Wonder bringt nun mit Battlelore ein neues<br />

Tabletop auf den Markt, das sowohl Gelegenheitsspieler<br />

anspricht als auch geübte<br />

Taktiker zufrieden stellen kann.<br />

Der Maßstab wurde dafür gegenüber vielen<br />

anderen Miniaturenspielen deutlich kleiner<br />

gewählt, aber dennoch gibt es reichlich<br />

wunderbar modellierte Figuren. Die Menschen,<br />

Zwerge und Kobolde des Grundspiels<br />

werden nicht direkt auf dem Tisch bewegt,<br />

sondern auf einem großen, mit Hexfeldern<br />

belegten Spielplan. Obwohl das Spiel behauptet<br />

auch für mehr als zwei Spieler geeignet<br />

zu sein ist es doch hauptsächlich ein<br />

Zweipersonenspiel.<br />

Jeder der beiden Spieler stellt wie in einem<br />

der im Spiel enthaltenen oder im Internet<br />

veröffentlichten Szenarien seine Armee auf<br />

einer Seite des Spielplans auf. Meist besteht<br />

eine Einheit aus drei oder vier Figuren gleicher<br />

Art, also zum Beispiel aus drei Schweren<br />

Reitern oder vier Langbogenschützen. Eine<br />

Figur der Einheit wird mit einer Standarte<br />

ausgestattet, die sowohl Typ als auch Spieler<br />

zeigt. Zusätzlich können auf den Spielplan<br />

Geländeplättchen wie Hügel oder Wälder<br />

verteilt werden, die bestimmte Auswirkungen<br />

auf den Kampf haben.<br />

Jeder Spieler erhält so genannte Befehlskarten,<br />

mit denen er Einheiten auf dem<br />

Spielfeld aktivieren darf. Das Feld ist in Mitte,<br />

rechte und linke Flanke unterteilt und<br />

die Befehlskarten erlauben im Normal eine<br />

bestimmte Anzahl an Einheiten in einer der<br />

drei Zonen zu aktivieren. Aktivieren heißt,<br />

dass man die Einheit bewegt und einen Angriff<br />

mit ihr ausführt. Natürlich haben die<br />

verschiedenen Einheiten unterschiedliche<br />

Bewegungsreichweiten und Angriffsstärken.<br />

Das Kampfsystem ist sehr einfach gehalten,<br />

dabei aber für die meisten Ansprüche<br />

völlig ausreichend. Jede Einheit darf mit<br />

einer bestimmten Anzahl an Würfeln versuchen<br />

Symbole der gleichen Farbe zu erzielen,<br />

die der Zieleinheit entspricht. Ein Angriff auf<br />

eine rote Einheit benötigt also rote Symbole<br />

Rezensionen<br />

– außer rot existieren noch blaue und grüne<br />

Einheiten. Damit sind drei der sechs Seiten<br />

der Würfel bereits belegt. Auf der vierten<br />

Seite ist der Sonderangriff mit dem manche<br />

Einheiten unabhängig von der Farbe des<br />

Ziels einen Treffer landen, während die fünfte<br />

Seite ein magisches Symbol zeigt, mit dem<br />

man besondere Fähigkeiten nutzen kann. Im<br />

Basisspiel haben diese keine Relevanz. Die<br />

sechste Seite zeigt einen Misserfolg an.<br />

Die angegriffene Einheit muss nun so viele<br />

Figuren entfernen, wie Treffer erzielt wurden.<br />

Sind keine Figuren mehr vorhanden, so<br />

ist die Einheit vernichtet.<br />

Interessant wird es, wenn die Kriegsräte<br />

ins Spiel kommen und das Basisspiel erweitern.<br />

Dieser Rat ermöglicht dem Spieler den<br />

Einsatz von speziellen Fähigkeiten, die durch<br />

Karten repräsentiert werden. Dabei darf jeder<br />

Spieler nur eine sehr begrenzte Anzahl<br />

dieser Karten auf der Hand haben. Den Einsatz<br />

der Karten bezahlt man mit Magiesymbolen,<br />

die man zum Beispiel dann erhält,<br />

wenn man das entsprechende Symbol würfelt.<br />

Bei diesen Fähigkeiten handelt es sich<br />

teils um Angriffzauber, teils um Intrigen um<br />

den Gegenspieler in seinen Handlungsmöglichkeiten<br />

einzuschränken und teils um simple<br />

Verbesserungen der eigenen Einheiten.<br />

Abgerundet wird das Spiel durch Spezialeinheiten<br />

wie die im Grundspiel enthaltene<br />

Riesenspinne und einige optionale Regeln.<br />

Im Laufe dieses Jahres sollen weitere Einheiten<br />

und Erweiterungen für Battlelore erscheinen.<br />

Die Qualität der Figuren ist gut, allerdings<br />

waren viele verbogen. Auf der Homepage<br />

des Verlags ist eine Anleitung erhältlich wie<br />

man die Figuren dauerhaft wieder gerade<br />

biegen kann – was bei uns ausgezeichnet<br />

funktioniert hat. Der Umfang ist beeindrucken,<br />

die dicke Schachtel ist prall mit Miniaturen<br />

und Zubehör gefüllt. Die Aufmachung<br />

der Karten, des Zubehörs und der Anleitung<br />

ist überaus gut gelungen und sorgt für eine<br />

große Übersichtlichkeit trotz voller Schlachtfelder.<br />

Nur die Farben blau und grün der Einheiten<br />

sind etwas schwer zu unterscheiden,<br />

hier wäre eine andere Farbgebung besser<br />

gewesen.<br />

Fazit<br />

Geniales, weil einfach zu erlernendes und<br />

schwer zu meisterndes Taktikspiel, das mit<br />

kurzer Spieldauer überzeugt – und das trotz<br />

der hohen Glückskomponente. Dazu die wie<br />

von Days of Wonder gewohnte liebevolle<br />

Ausstattung und eine der besten Anleitungen,<br />

die ich je lesen durfte, und fertig ist eins<br />

meiner neuen Lieblingsspiele. •<br />

Art Brettspiel<br />

Verlag Days of Wonder<br />

Sprache Deutsch<br />

Dauer ab 1 Stunde<br />

Spieler 2 Spieler ab 12 Jahre<br />

Jahr 2006<br />

Preis ca. 70,- Euro<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

ERWEITERUNGEN<br />

EPISCHES BATTLELORE 4<br />

Diese Erweiterung bietet die Möglichkeit,<br />

groß angelegte Kämpfe auszufechten,<br />

indem mehrere Spielbretter<br />

kombiniert werden. Zudem wurde<br />

versucht, Regeln für bis zu sechs Spieler<br />

aufzustellen, die aber nur recht holprig<br />

funktionieren. Preis ca. 15,- Euro<br />

ZU DEN WAFFEN 6<br />

Statt vom Szenario vorgegebenen<br />

Truppen können nun zufällige Aufstellungen<br />

verwendet werden, die dennoch<br />

erstaunlich ausgewogen sind.<br />

Preis ca. 15,- Euro<br />

KOBOLD SCHARMÜTZLER 5<br />

Das Set führt Kobold-Musikanten ein, die<br />

ihre Kampfgefährten auf dem Schlachtfeld<br />

ermutigen. Dazu kommen heimtückische<br />

Speerträger und Schleuderer.<br />

Preis ca. 20,- Euro<br />

KOBOLD PLÜNDERER 5<br />

Hier sind weitere Kobold-Musikanten<br />

enthalten, sowie Hyänen- und Straußenreiter.<br />

Preis ca. 17,- Euro<br />

ZWERGEN BATAILLON 5<br />

Das Set beinhaltet Dudelsackspieler<br />

sowie Speerträger und Axtschwinger.<br />

Preis ca. 20,- Euro<br />

SCHOTTISCHE KRIEGE 5<br />

Erzählt die shcottischen Kriege aus<br />

der Sicht der Zwerge. Enthalten sind<br />

Rinderreiter, Stammesführer, berittene<br />

Ritter und Speerträger.<br />

Preis ca. 25,- Euro<br />

100-JÄHRIGER KRIEG 5<br />

Das Set enthält 30 spezialisierte Figuren<br />

wie Hornbläser, Hellebardiere oder Bogenschleuderer.<br />

Preis ca. 25,- Euro<br />

BATTLELORE<br />

5<br />

P/L<br />

3<br />

AUF<br />

5<br />

SSP<br />

5<br />

Seite 111


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Das Thema "Fantasy“<br />

in der <strong>Anduin</strong><br />

EINIGE ZUM THEMA PASSENDE ARTIKEL FRÜHERER AUSGABEN<br />

TEXT: TOMMY HEINIG<br />

In der <strong>Anduin</strong> sind inzwischen etliche<br />

Abenteuer und Artikel zum Thema „Fantasy“<br />

erschienen. Im Folgenden möchte ich Euch<br />

einen kleinen Überblick über einige dieser<br />

Beiträge geben – ohne irgendeine bestimmte<br />

Sortierung.<br />

Abenteuer<br />

Advanced Dungeons & Dragons<br />

Kessel der Tränen<br />

Die Helden erhalten den Auftrag, einen verschwundenen<br />

Königssohn zu finden, der sich<br />

auf der Suche nach einem wichtigen magischen<br />

Artefakt befand und dabei einer Truppe<br />

erstaunlich gut ausgebildeter Orks in die Hände<br />

gefallen ist. » <strong>Anduin</strong> 68<br />

Arcane Codex<br />

Das einsame Dorf<br />

Unsicherheit und Bedrückung macht sich<br />

breit, als die Helden ein kleines Dorf vor den<br />

Angriffen einer Banditenbande beschützen<br />

müssen. » <strong>Anduin</strong> 92<br />

Das Schwarze Auge<br />

Der schwarze Wolf<br />

In diesem Abenteuer verschlägt es die Gruppe<br />

in den Nordosten Aventuriens, genauer gesagt<br />

nach Sewerien im Bornland. Dort stoßen<br />

sie mehrfach auf Zeugen, die von einem Werwolf<br />

berichten und finden schließlich auch Opfer<br />

und Spuren der Bestie. » <strong>Anduin</strong> 83<br />

Das Schwarze Auge<br />

Mahatsch am Abgrund<br />

In diesem Abenteuer geht es um einen Geisterbeschwörer,<br />

der seine neuen Zauber an die<br />

Theraner verkaufen will. Die Stadt Mahatsch<br />

dient ihm als Versuchsort und gerät dadurch<br />

in große Gefahr. » <strong>Anduin</strong> 86<br />

Universell<br />

Baathelors Strafe<br />

Beim Besuch eines ausgelassenen Festes<br />

werden die Helden beinahe Opfer eines Unfalls.<br />

Schnell stellt sich heraus, dass Diebe auf<br />

der Flucht verantwortlich sind. Doch von den<br />

Schrecken, die dadurch ausgelöst werden,<br />

ahnt zunächst niemand. » <strong>Anduin</strong> 88<br />

Das Schwarze Auge<br />

Verrat in Port Corrad<br />

Die Helden werden von dem Kaufmann Jobdan<br />

Korninger nach Port Corrad geschickt, um<br />

herauszufinden warum Alidore Rhudainer,<br />

Stadtoberhaupt und betuchter Händler in<br />

Port Corrad und zudem guter Bekannter Korningers‘,<br />

seit einigen Monaten seine Geschäfte<br />

auf merkwürdige Art führt. » <strong>Anduin</strong> 73<br />

Universell<br />

Grüne Eier in Schynken<br />

Das kleine Dorf Schynken schmiegt sich<br />

seit beinahe drei Jahrhunderten behaglich<br />

zwischen sanfte Hügel. Es ist ein ruhiger Ort,<br />

hunderte Meilen von der Stadt des Königs entfernt.<br />

Umso unverständlicher warum gerade<br />

über dieses Dorf ein übler Fluch gesprochen<br />

wird. » <strong>Anduin</strong> 84<br />

Earthdawn<br />

Geteiltes Erbe<br />

Brennpunkt der Handlung ist ein altes Kaer,<br />

in das sich die Charaktere mit der von ihnen<br />

beschützten Karawane vor einem nur scheinbar<br />

willkürlichen Angriff einer Orkbrennerbande<br />

retten. Zur Unterstützung gegen die Orks<br />

rufen sie den Schutzgeist des Kaers, der sich<br />

jedoch als Dämon entpuppt. » <strong>Anduin</strong> 66<br />

Hârnmaster<br />

Der Löwe von Korri<br />

Ein schwerer Herbststurm treibt das Wrack<br />

einer rethemischen Kogge ans Ufer einer Bucht<br />

der kandischen Küste. Ein wahrer Glücksfall für<br />

eine Handvoll Abenteurer, die just an diesem<br />

Morgen die Küstenstraße zwischen Sarkum<br />

und der Abtei von Melot bereisen, liegt doch<br />

der Gedanke an lukrative Fundstücke oder gar<br />

einen sagenhaften Schatz nahe. » <strong>Anduin</strong> 82<br />

Das Schwarze Auge<br />

Wenn der Torwächter spricht<br />

Die Helden sind in ihrem Abenteuerleben<br />

wohl schon gegen viele Bösewichte, Monster<br />

und gar gegen Dämonen angetreten. Doch<br />

gegen den Tod persönlich sicher noch nicht. In<br />

diesem Abenteuer haben sie endlich die Gelegenheit<br />

dazu!. » <strong>Anduin</strong> 82<br />

ARTIKEL<br />

Ausrüstungspakete<br />

Es kommt immer wieder einmal vor , dass<br />

Helden in fremde Gebiete reisen müssen. Neben<br />

Monstern warten dort noch weitere Gefahren,<br />

die durch die unbekannte Umgebung<br />

entstehen. Dabei kann man diesen Gefahren<br />

doch ganz einfach dadurch trotzen, dass man<br />

die passenden Ausrüstungsgegenstände einpackt.<br />

» <strong>Anduin</strong> 66<br />

Bader, Feldscher und Barbiere<br />

Heutzutage geht man zum Arzt, wenn man<br />

krank ist. Im schlimmsten Fall muss man ins<br />

Krankenhaus, in dem vielfältige Eingriffe<br />

möglich sind und modernste Apparate bereit<br />

stehen. Dass dies früher nicht so war dürfte jedem<br />

klar sein. Doch wie war es genau, welche<br />

Heilmethoden gab es und wie kann man das<br />

ins Rollenspiel einbinden? » <strong>Anduin</strong> 82<br />

Barnonie Hornstein<br />

Im offiziellen Aventurien gibt es diese Baronie<br />

nicht. Deshalb wurde ihre Lage möglichst<br />

unscharf angegeben. Jedenfalls erweitert sie<br />

die offizielle Kampagnenwelt um einen interessanten<br />

neuen Schauplatz. » <strong>Anduin</strong> 87<br />

Der Dschungel<br />

Wie viele Spieler und Spielleiter wissen eigentlich<br />

wie ein Dschungel wirklich ist? Und<br />

wenn sie es nicht wissen, wie können sie ihn<br />

und seine Bewohner richtig und gut darstellen?<br />

Ein paar Antworten auf diese Fragen liefert<br />

dieser Artikel. » <strong>Anduin</strong> 91<br />

Einhornjäger<br />

Ein eher seltener Beruf wird hier ausführlich<br />

vorgestellt. Es wird das Wissen weitergegeben,<br />

wie man nahezu jeden Teil der nervenden<br />

weißen Kreaturen gewinnbringend verwerten<br />

kann. » <strong>Anduin</strong> 91<br />

Dies ist natürlich nur ein kleiner Teil der<br />

fantasybezogenen Artikel. Ein Stöbern<br />

in den alten Ausgaben der <strong>Anduin</strong> kann<br />

sich also durchaus lohnen und den einen<br />

oder anderen weiteren "Schatz" zu Tage<br />

fördern. •<br />

Seite 112


IGOR RIEGEL<br />

ANDUIN <strong>95</strong><br />

Igor Riegel<br />

ZWISCHEN ZUCKERSCHOCK UND TOTALER BEFRIEDIGUNG<br />

TEXT: TOMMY HEINIG<br />

Als wir zum ersten Mal einen gemacht haben,<br />

ist der Keksboden unter dem starken<br />

Eigengewicht des Riegels zusammengebrochen.<br />

Zudem haben wir die Schokoladenschicht<br />

zu dick und mit zu viel dunkler Schokolade<br />

gemacht. Aber mit jedem Igor Riegel<br />

werden wir besser und das Naschwerk hübscher.<br />

Igor Riegel haben sich zu einem Kult entwickelt,<br />

seit sie zum ersten Mal im Rollenspielcomic<br />

Dork Tower erwähnt wurden.<br />

Der Charakter Igor preist sie als ultimativen<br />

Exzess an, einen Riegel aus Keks, geschmolzenen<br />

Karamellbonbons, Erdnüssen, M&Ms,<br />

Toffifees und Schokolade.<br />

Zuerst haben wir die Textzeile „Für eine bis<br />

acht Personen - einen Rollenspieler oder acht<br />

normale Menschen“ für einen Witz gehalten,<br />

aber sie ist eher eine wahnwitzige Untertreibung.<br />

Niemand könnte einen richtigen Igor<br />

Riegel alleine essen - der Tod durch Zuckerschock<br />

wäre unumgänglich. Und acht normale<br />

Menschen sollte besser durch 20 normale<br />

Menschen ersetzt werden.<br />

Besonders in England und den USA gibt<br />

es auf vielen Rollenspielconventions Backwettbewerbe,<br />

in denen es darum geht,<br />

den besten Igor Riegel herzustellen. Bewertet<br />

wird meist in den Kategorien „Aussehen“,<br />

„Geschmack“ und „ausgefallene<br />

Idee“. Weitere Infos zu den Riegeln findet<br />

Ihr auf der englischsprachigen Homepage<br />

www.geocities.com/delazan/IgorBars.html.<br />

Außerdem haben wir diese Seite mit Bildern<br />

von Igor Riegeln gefunden, auf denen deutlich<br />

wird, von was für Ausmaßen wir hier sprechen:<br />

pics.livejournal.com/delazan/<br />

gallery/0002ddy0<br />

Hier nun also unser ganz persönliches Rezept<br />

für einen Igor Bar nach Art von Peti und<br />

Tommy:<br />

Zunächst wird eine handelsübliche Kastenform<br />

ordentlich mit Backpapier ausgekleidet.<br />

Vergesst Ihr diesen Schritt, so könnt Ihr Euren<br />

Igor Riegel mit Hammer und Meißel aus<br />

der Form lösen und sehr wahrscheinlich eine<br />

neue Kastenform kaufen gehen.<br />

Dann backt man aus den folgenden Zutaten<br />

einen nicht zu harten, aber auch nicht zu<br />

luftigen flachen Brownie: 4 Eier, 100g Zucker,<br />

Lesen & Spielen<br />

80g Mehl, 25g Kakaopulver,<br />

25g Butter, 40g gehackte<br />

Haselnüsse. Der Brownie<br />

sollte groß genug sein, um<br />

damit zweimal eine Schicht<br />

in der Kastenform bilden zu<br />

können. Nach dem Backen<br />

wird der Brownie zum Abkühlen<br />

zur Seite gestellt.<br />

Nun schmelzt ihr 300g<br />

Schokolade (wir mischen<br />

meist Vollmilch<br />

und dunkle Schokolade<br />

im Verhältnis 2:1 damit<br />

es nicht zu süß wird).<br />

Gießt eine dünne<br />

Schicht in die Kastenform<br />

und verteilt darauf<br />

3 Tassen gehackte<br />

Nüsse. Meist nehmen<br />

wir eine Mischung aus Macadamia<br />

und Mandeln – aber auch Erdnüsse<br />

(besonders gesalzene) eignen sich ausgezeichnet.<br />

Darauf kommt dann die restliche<br />

Schokolade, so dass die Nüsse schön bedeckt<br />

sind.<br />

Nun schneidet Ihr ein Stück aus dem Brownie,<br />

das über die volle Länge der Kastenform<br />

geht und links und rechts nur wenige Millimeter<br />

Platz zur Form lässt. Das legt Ihr auf<br />

die noch warme Schokolade und drückt es<br />

leicht an.<br />

Nun nehmt ihr eine gut beschichtete (!)<br />

Pfanne und schmelzt darin 150g Zucker bei<br />

mittlerer Temperatur bis er leicht bräunlich<br />

ist. Es kommen 400ml vorgewärmte Kondensmilch<br />

hinzu. Vorsicht, das kann spritzen<br />

und ist verdammt heiß! Wer mag kann auch<br />

etwas Rumaroma oder etwas Sahnelikör hinzugeben.<br />

Kocht das Ganze, bis die Flüssigkeit<br />

verdampft ist und ein leckerer hellbrauner<br />

zäher Karamell entsteht.<br />

Der kommt auf die erste Brownieschicht,<br />

sollte aber nicht über den Seitenrand laufen<br />

(der wird später mit Schokolade ausgegossen).<br />

Jetzt legt Ihr eine zweite Brownieschicht<br />

in das flüssige Karamell und drückt<br />

wieder leicht an.<br />

Als nächstes wird wieder Schokolade geschmolzen<br />

- etwa 500g. Damit gießt ihr die<br />

Form<br />

aus, so dass vom<br />

Brownie nichts mehr zu sehen ist. Achtet<br />

auch darauf, dass die Ränder ausgefüllt werden.<br />

Leichtes Schütteln der Kastenform hat<br />

sich dafür bewährt.<br />

In die noch flüssige Schokolade streut Ihr<br />

M&Ms, Rice Crispies oder worauf immer Ihr<br />

Lust habt.<br />

Zum Ende werden 200g weiße Schokolade<br />

geschmolzen und über alles gegeben. Meist<br />

versuchen wir, die weiße Schokolade mittig<br />

zu platzieren, so dass die dunkle Schokolade<br />

am Rand noch herausschaut. Das sieht einfach<br />

netter aus. Wer mag kann jetzt noch ein<br />

paar angeröstete Nüsse oder Cerialien aufstreuen.<br />

Jetzt nur noch den ganzen Riegel kalt werden<br />

lassen (dauert) und inzwischen eine Guillotine<br />

bauen, um den Riegel schneiden zu<br />

können. Herstellung und Verzehr auf eigene<br />

Gefahr!<br />

Nicht vergessen werden soll zum Schluss<br />

natürlich der Hinweis auf den Comic,<br />

dem wir das alles zu verdanken haben:<br />

archive.gamespy.com/comics/dorktower.<br />

Die Comics sind auf auf deutscher Sprache<br />

bei Feder & Schwert erschienen und können<br />

in jeder Buchhandlung bestellt werden. Einfach<br />

nach Dork Tower fragen. •<br />

Seite 113


ANDUIN <strong>95</strong><br />

Die LETZTE Seite<br />

CONVENTION<br />

KALENDeR<br />

19. ZeltCON 2008<br />

17. bis 25. Mai 2008<br />

Zeltplatz in Herbstein (Hessen)<br />

Kontakt: Andreas Höller VFBS e.V.<br />

Homepage: www.zeltcon.de<br />

E-Mail: orga@zeltcon.de<br />

FeenCon 2008<br />

5. bis 6. Juli 2008<br />

Bonn (Nordrhein-Westfalen)<br />

Organisation: GFR e.V.<br />

Homepage: www.feencon.de<br />

E-Mail: feencon@gfrev.de<br />

2. Augsburger Zock<br />

6. bis 7. September 2008<br />

Augsburg-Göggingen<br />

Größe: 50 – 100 Besucher<br />

Kontakt: Info-Telefon: 08 21/99 47 44<br />

E-Mail: zock@spieleschmiede.info<br />

Celtic Con 2008<br />

20. bis 21. September 2008<br />

Nürtingen (Baden-Würtemberg)<br />

Kontakt: Michael Scharpf<br />

Homepage: www.CelticCon.de<br />

E-Mail: info@CelticCon.de<br />

SparrenCon 10<br />

3. bis 5. Oktober 2008<br />

Bielefeld-Sennestadt (Nordrhein-Westfalen)<br />

Homepage: www.sparrencon.de<br />

SPIEL 2008<br />

23. Oktober 2008 bis 26. Oktober 2008<br />

Essen (Nordrhein-Westfalen)<br />

Homepage: www.internationalespieltage.de<br />

Dailor<br />

LETZTE WORTE<br />

Quelle: www.gfrev.de<br />

STILBLÜTEN<br />

NSC-Händler: „Langschwerter, Kurzschwerter,<br />

Dolche… alles aus feinstem Blech!“<br />

Spieler 1: „Was soll ich mit dem Stück Kreide?“<br />

Spieler 2: „Das ist Elfenzucker!“<br />

Spieler (Paladin): „Nach meiner Weihe<br />

hatte ich die Fähigkeit Untote bis zu einer<br />

bestimmten Stärke zu vernichten!“<br />

Spieler (Krieger): „Ich hatte weder einen<br />

Mentor noch eine Weihe, aber ich habe auch<br />

die Fähigkeit Untote bis zu einer bestimmten<br />

Stärke zu vernichten…“<br />

Nach einem Sturm muss der Mast des Schiffes<br />

notdürftig repariert werden…<br />

Spieler: „Käpt‘n Rumfass, denkt ihr, dass<br />

das Segel einem Windstoß standhält?“<br />

Käpt‘n Rumfass: „Ich denke, dass Segel<br />

dafür gebaut sind.“<br />

Spieler: „Ach, ich meine den Mast!“<br />

Spielleiter: „Dein Gehör ist plötzlich weg, als<br />

wärst du taub.“<br />

Spieler (Elf): „Dann konzentriere ich mich<br />

auf den einzigen Sinn der mir noch bleibt –<br />

meine Infravision.“<br />

Spieler: „Wie schlimm kann ein Bad schon<br />

sein?“<br />

Spielleiter: „Nun ja, ihr seid in einem Drachenhort<br />

in einem Vulkan. Das Bad findet<br />

also im Lavabecken des Drachen statt.“<br />

Spieler: „Cool, wenn da eine hitzebständige<br />

Quietscheente rumschwimmt will ich versuchen<br />

die zu stehlen!“<br />

Spieler: „Ich springe aus dem Fenster!“<br />

*würfelt*<br />

Spieler: „Verflixt nochmal! Ich springe<br />

daneben und mache mir kritischen Schaden<br />

an der Wand!“<br />

Seite 114<br />

Mai 2008

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