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3.3. Versachlichung des Unbewussten durch Strukturalismus? Die ...

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historischen Einbettung zu diskutieren. Er verbleibt in der Fiktion, dass es Gesellschaften<br />

gibt, die sich dafür entschieden haben, sich <strong>durch</strong> Geschichte zu erklären<br />

und andere, die die Dinge und Menschen nur mittels endlicher Gruppen bestimmen<br />

(vgl. Lévi-Strauss 1968, 268 f.). Fast scheint es so, dass die Aufgabe <strong>des</strong><br />

Geschichtszentrums, das Verlassen der privilegierten Referenz – positiv: die Aufgabe<br />

<strong>des</strong> Kolonialismus in der Ethnologie – den unverstellten Blick auf die universellen<br />

Grundlagen gestattet. <strong>Die</strong> damit erzeugte strukturale Bastelei läuft<br />

jedoch Gefahr, <strong>durch</strong> die „Rücksicht auf die Strukturalität und auf die innere<br />

Originalität der Struktur zur Neutralisierung der Zeit und der Geschichte“ zu<br />

nötigen (Derrida 1970, 408). Dabei ist auch der universalisierende Blick <strong>des</strong><br />

Strukturalisten nur eine Momentaufnahme, für die Zufall und Diskontinuität gilt.<br />

Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, die Geschichte mit ihren Zentren der Geschichtsschreibung<br />

ständig zu verdächtigen; die Auflösung der Geschichte jedoch<br />

zu betreiben, bedeutet auch in der Konsequenz, sich ein neues Zentrum der<br />

Subjektfindung auszubilden. Dafür drängt sich der Begriff der Natur schnell auf.<br />

In dieser Gefahr steht auch der Konstruktivismus in seinen engen Beziehungen<br />

zur Biologie. Aber aus der Sicht der möglichen Beobachter solcher Natur entsteht<br />

bereits die unterschiedliche Codierung (Strukturierung) von Natur. Konstruktivisten<br />

stehen dann in der Gefahr der Verkennung der Vorgängigkeit beobachtender<br />

Verständigungsgemeinschaften, wenn sie ihren Konstruktivismus überwiegend<br />

naturwissenschaftlich, z.B. aus der Biologie Maturanas, abzuleiten versuchen.<br />

Wir sehen aufgrund der Kränkungsbewegungen hingegen, dass erst das Aufstellen<br />

einer Interaktionstheorie im Zusammenhang mit dem Symbolischen und über es<br />

hinaus – und nun auch noch dem, was wir das Unbewusste nennen –, aus jener<br />

Suche befreien kann, die auch den <strong>Strukturalismus</strong> noch belastet: Das zirkuläre<br />

Wechselspiel der drei von mir hervorgehobenen Kränkungen ernüchtert alle Versuche<br />

von Beobachtern, sich irgendwie die Beobachtung über die Zeiten ihrer<br />

(begrenzten) Verständigungsgemeinschaft hinaus zu sichern. <strong>Die</strong>s ist die grundsätzliche<br />

Feststellung. Aber sie hindert uns nicht, hypothetisch immer wieder und<br />

auch mit über längere Zeiträume wirkenden Aussagen zu arbeiten, die wir als<br />

viabel begründen können. <strong>Die</strong> so gerechtfertigte Behauptbarkeit schützt uns vor<br />

Beliebigkeit.<br />

Wenn wir für Freud die Seite <strong>des</strong> <strong>Unbewussten</strong> herausarbeiteten und differenzierten,<br />

so erscheint sie hier ein weiteres Mal. Sie lässt sich auf eine Grundfrage<br />

zuspitzen, die sich im Vergleich von fremdem, wildem Denken und<br />

Moderne aufdrängt: Gibt es Entwicklung oder bleibt alles bloß Wiederholung<br />

eines universalen Schemas?<br />

Beide Sicht- und Antwortweisen können unbewusst sein. Wir können nicht<br />

wissen, wohin uns die Entwicklung treibt, weil wir die bisherige Geschichte nicht<br />

gründlich genug begriffen haben. Sie bleibt uns unklar, verworren, widersprüchlich.<br />

Große Teile dieser Geschichte sind verloren. Oder wir wissen nicht, dass die<br />

Geschichte wie eine Oberfläche uns bloß jene tiefen Sphären verdeckt, in denen<br />

sich eigentlich alles gleich geblieben ist und immer gleich bleiben wird.<br />

Welche Beobachter können wir ausmachen, uns unsere Fragen zu beantworten?<br />

Freud und Lévi-Strauss sind nur zwei von vielen Positionen. Das Unbewusste<br />

atmet uns als Vielgestaltigkeit von faszinierenden Versuchen an, die in den Diskurs<br />

<strong>des</strong> Fremden in uns oder den Diskurs der Fremden neben uns eindringen. So<br />

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