Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte
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376 H. G. Gelber<br />
Tatsache, daß Roosevelt an der Fähigkeit seines Außenministeriums zweifelte, seine<br />
Politik mit den Tatsachen der amerikanischen Innenpolitik in Einklang zu bringen.<br />
Die Experten des Ministeriums konnten hervorragende Berichte über das Ausland<br />
produzieren. Aber waren sie genau so gut über Amerika selbst informiert? Einer<br />
der klügsten Mitarbeiter in Roosevelts Außenministerium hat zugegeben, daß solche<br />
Zweifel berechtigt waren. George Kennan hat die Ungeduld der Fachleute erwähnt,<br />
die wie er selbst an dem Erfolg von Roosevelts Versuch, die russische Freundschaft<br />
zu gewinnen, zweifelten. Kennan meint: „Seither hat sich manches ereignet, und<br />
ich sehe nun ein, daß unsere Meinungen auch nicht immer richtig waren. Unsere<br />
Analyse der sowjetischen Macht war richtig. Aber wir hatten Unrecht mit unserem<br />
Urteil über die Fähigkeit der amerikanischen Demokratie, in diesem Stadium ihrer<br />
Entwicklung eine Situation voller Unsicherheiten, Unannehmlichkeiten und militärischer<br />
Gefahren auf längere Zeit zu ertragen. Vielleicht hatten Harry Hopkins<br />
und F. D. R. mehr Grund als wir dachten, zu glauben, daß alles von der Möglichkeit<br />
abhing, die Einstellung des Sowjetregimes zu ändern. Aber wenn das stimmt,<br />
dann ist dies nur ein Zeichen da<strong>für</strong>, daß das Dilemma grausamer war, als wir jemals<br />
ahnten." 19<br />
Aus dem Mißtrauen des Präsidenten und der Notwendigkeit, Entscheidungen<br />
zu verschieben, ergab es sich, daß die Fachleute in den Washingtoner Ministerien,<br />
die sich mit der Deutschlandplanung befassen sollten, in einem gewissen Vakuum<br />
arbeiteten. Im Außenministerium hatte man schon 1942 angefangen, politische<br />
Pläne <strong>für</strong> das Nachkriegsdeutschland zu schmieden, und ein Jahr später wurden<br />
im Kriegsministerium die ersten Pläne <strong>für</strong> eine militärische Besatzung ausgearbeitet<br />
20 . Hier dachte man an eine kurzfristige Besatzung mit einem Minimum<br />
politischer Verantwortung, wobei sich die Militärregierung auf einige wenige, entscheidende<br />
Aufgaben beschränken sollte. Eine kurze Bestrafungsperiode würde ein<br />
gezähmtes und nicht allzu hart behandeltes Deutschland zurücklassen 21 . Die Ansichten<br />
waren innerhalb des Kriegsministeriums jedoch geteilt. Im Gegensatz zu<br />
Stimson und seinem Stellvertreter, John McCloy, be<strong>für</strong>worteten mehrere ihrer<br />
Untergebenen eine radikale Linie 22 . Besonders die Civil Affairs Division, die im<br />
Frühjahr 1943 eingerichtet wurde, bestand darauf, daß dem Ministerium eine größere<br />
Rolle in der Deutschlandplanung eingeräumt werde und daß die Deutschen<br />
mit Strenge zu behandeln seien.<br />
Im Gegensatz dazu waren die Ansichten im Außenministerium gemäßigt und<br />
19 George Kennan, American Diplomacy 1900-1950, London 1952, S. 87.<br />
20 Vgl. <strong>für</strong> die früheren Stadien dieser Deutschlandplanung: G. Moltmann, Die frühe<br />
amerikanische Deutschlandplanung im Zweiten Weltkrieg, in dieser Zeitschrift 5 (1957),<br />
241-264.<br />
21 Eine genauere Behandlung der Politik des Kriegsministeriums findet sich bei Dorn,<br />
a. a. O.<br />
22 Vgl. E. F. Penrose, Economic Planning for the Peace, Princeton 1953, S. 270-271;<br />
Harold Zink, United States in Germany 1944-1945, Princeton 1957, S. 5, 18; Philip E.<br />
Mosely, The Occupation of Germany, New Light on how the Zones were drawn, in: Foreign<br />
Affairs 28 (1949-1950), 580-604.