Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte
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350 Reinhard Patemann<br />
Das habe etwa die Reaktion des Zentrums auf einen entsprechenden Wink seinerzeit<br />
anläßlich der Septennatsvorlage 1887 gezeigt. Ein „direktes Anschreiben des<br />
Episkopats an das Zentrum" hielt allerdings auch er <strong>für</strong> gerechtfertigt durch „die<br />
kirchlichen Rücksichten, die von den Folgen der Wahlvorlage tief getroffen werden".<br />
Doch wollte er ein spektakuläres Schreiben an die Zentrumsleitung aus<br />
taktischen Gründen gern vermieden sehen und stellte daher zur Erwägung, ob sich<br />
nicht die Bischöfe jeweils vertraulich an „einzelne ihnen näherstehende Zentrumsabgeordnete"<br />
ihrer Diözesen wenden könnten, die doch eine Zuschrift ihres Ordinarius<br />
nicht einfach ignorieren oder gar brüsk abweisen würden.<br />
In diesen Schreiben wollte Bertram - bezeichnend <strong>für</strong> seine realistischere Einstellung<br />
— ganz anders als Hartmann nun nicht etwa die Fraktion auf Ablehnung<br />
des gleichen Wahlrechts festlegen. Statt dessen wies er in seinem Formulierungsvorschlag<br />
betont auf die von Hartmann und Gescher so abschätzig abgetanen Sicherrungen<br />
hin und wollte nur festgestellt wissen, daß nicht jede beliebige Sicherung<br />
auch schon genügend sei. Die Zentrumsabgeordneten sollten vor ihrer endgültigen<br />
Stimmabgabe über die „Zuverlässigkeit und dauernde Festigkeit" der Sicherungen<br />
dem katholischen Volk Rechenschaft geben, und zwar „je nach Gestaltung der Vorlage<br />
in der Kommission".<br />
Diese Vorschläge Bertrams leitete Hartmann — zusammen mit dem Brief Geschers<br />
— schon zwei Tage später an den Bischof von Paderborn, Schulte, weiter, der<br />
am 10. Februar kritisch dazu Stellung nahm 12 . Er machte kein Hehl daraus, daß er<br />
gegen die Idee des Anschreibens einzelner Abgeordneter starke Bedenken hatte.<br />
Insbesondere hob er grundsätzlich hervor:<br />
„Was seitens der Bischöfe zur Verhinderung kommenden Unheils den verantwortlichen<br />
Stellen gesagt werden konnte, ist in unserem gemeinsamen Hirtenschreiben<br />
bereits gesagt, und zwar <strong>für</strong> jeden, der verstehen will, so deutlich, daß es unmöglich<br />
ist, noch deutlicher zu werden. Ist in dem Hirtenschreiben auch die preußische<br />
Wahlrechtsvorlage nicht ausdrücklich erwähnt, so hat sich doch kein Zentrumsabgeordneter<br />
verhehlen können, daß die Bischöfe an vielen Stellen ihres Hirtenbriefes<br />
geradezu auf jene Gefahren hinzielen, die mit dem gleichen Wahlrecht <strong>für</strong><br />
die Kirche heraufzuziehen drohen."<br />
An die im Hinblick auf spätere Äußerungen wichtige Interpretation des Hirtenbriefes<br />
schloß Bischof Schulte speziellere Bedenken; vor allem be<strong>für</strong>chtete er, daß<br />
es bei einem Schreiben an einzelne Abgeordnete zu unerfreulichen Auseinandersetzungen<br />
in der Fraktion kommen werde, da die „übergangenen" Abgeordneten<br />
zweifellos verstimmt sein und aus dieser Verstimmung heraus „noch weniger als<br />
sonst sich verpflichtet fühlen" würden, „die Bedenken und Sorgen der Bischöfe auf<br />
sich wirken zu lassen". Ferner müsse man damit rechnen, daß die geplanten Schreiben<br />
nicht geheim bleiben und der kirchenfeindlichen Presse Anlaß bieten würden,<br />
„um zwischen den breiten Massen des katholischen Volkes, die nun einmal von der<br />
Forderung des gleichen Wahlrechts nicht mehr abzubringen sind, und dem Episkopat,<br />
der dem gleichen Wahlrecht Schwierigkeiten entgegensetzt, Mißtrauen zu säen ".<br />
12 Original des Schreibens im GVK.