info - Aids-Hilfe
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04 ahd.news<br />
MEHR PRÄVENTION FÜR MEHR EIGENVERANTWORTUNG!<br />
EIN KOMMENTAR VON PETER VON DER FORST<br />
Report Mainz hat’s geschafft: mit einer<br />
Sendung zum Thema „Sex ohne Schutz<br />
- AIDS-Infektionen breiten sich wieder<br />
aus“ am 13.9.2004<br />
(http://www.swr.de/report) wurde eine<br />
lebhafte Diskussion in der schwulen<br />
Szene, in <strong>Aids</strong>-<strong>Hilfe</strong>n und eine Anfrage<br />
im Bundestag erreicht.<br />
Die Diagnose der Sendung: steigende<br />
Neuinfektionen bei Männern, die Sex<br />
mit Männern haben, unsafer Sex finde<br />
in der schwulen Szene massenweise<br />
statt, die Deutschen <strong>Aids</strong>-<strong>Hilfe</strong>n zeigten<br />
auch noch Verständnis fürs russische<br />
Roulette….<br />
Ein solcher Tenor glückt natürlich nur<br />
durch gezielte Einseitigkeit: es werden<br />
nicht nur wesentliche Präventionsaussagen<br />
der AIDS-<strong>Hilfe</strong>n weggelassen,<br />
sondern auch gleich die gesamte Basisarbeit<br />
der regionalen AIDS-<strong>Hilfe</strong>n<br />
inklusive der erfolgreichen Präventionskampagnen<br />
wie z.B. „Herzenslust“<br />
in NRW wird verschwiegen!<br />
Tatsache ist: Deutschland hat im internationalen<br />
Vergleich (auch im Verhältnis<br />
zum in der Sendung als vorbildlich dargestellten<br />
Österreich) sehr niedrige Infektionszahlen,<br />
offenbar war und ist<br />
Präventionsarbeit hierzulande sehr<br />
erfolgreich.<br />
Dennoch: es gibt laut Robert-Koch<br />
Institut v. 25.8.2004 einen Anstieg von<br />
HIV Erstdiagnosen (=HIV positiven<br />
Testergebnissen) bei Männern, die Sex<br />
mit Männern (MSM) haben. Mögliche<br />
Ursachen hierfür gibt es viele:<br />
„Die Zunahme von neu<br />
diagnostizierten HIV-Infektionen bei<br />
MSM ist kein auf Deutschland<br />
beschränktes Phänomen, sondern ein<br />
Trend, der aus den meisten westlichen<br />
Industriestaaten berichtet wird. Als<br />
Gründe für die Zunahme der<br />
Erstdiagnosen werden folgende<br />
Faktoren diskutiert:<br />
- eine Zunahme der Testung in einem<br />
frühen Stadium der HIV-Infektion;<br />
- die Zahl der lebenden HIV-Infizierten<br />
und damit auch der potenziellen<br />
Infektionsquellen steigt in den letzten<br />
Jahren durch die verlängerte<br />
Überlebensdauer kontinuierlich an;<br />
- eine Zunahme der Zahl ungeschützter<br />
Sexualkontakte;<br />
- eine zunehmende Verbreitung<br />
anderer sexuell übertragbarer<br />
Infektionen (Syphilis, Gonorrhöe), die<br />
als Kofaktoren die HIV-Übertragung<br />
erleichtern können;<br />
- ein Anstieg der durchschnittlichen<br />
Viruslast in der Gesamtpopulation der<br />
HIV-Infizierten dadurch, dass der<br />
Behandlungsbeginn im Vergleich zu<br />
den vorangegangenen Jahren nach<br />
hinten verschoben wird.<br />
Wie viel die einzelnen Faktoren zu<br />
dem beobachteten Anstieg der neu<br />
diagnostizierten HIV-Infektionen<br />
beitragen ist noch unklar.“ (RKI, a.a.O.)<br />
Und als wesentlicher Grund müsste<br />
hinzugefügt werden: Die veränderte<br />
Wahrnehmung von <strong>Aids</strong> nicht nur in<br />
der schwulen Öffentlichkeit. <strong>Aids</strong> wird<br />
zunehmend als chronische und therapierbare<br />
Erkrankung erlebt, Freunde<br />
und Bekannte leben offenbar recht gut<br />
mit einer HIV Infektion (wenn mann/frau<br />
überhaupt jemanden kennt, der betroffen<br />
ist), der Todesschrecken der ersten<br />
Jahre ist vorbei. Da hilft es wenig, dass<br />
objektiv gesehen nach wie vor <strong>Aids</strong><br />
nicht heilbar ist, viele Menschen mit<br />
<strong>Aids</strong> ihr Leben allen medizinischen<br />
Fortschritten zum Trotz durchaus als<br />
sehr belastet erleben und nach wie vor<br />
auch Menschen an <strong>Aids</strong> sterben.<br />
Die Medien widmen dem Thema übrigens<br />
deutlich weniger Aufmerksamkeit,<br />
als Konsequenz ist <strong>Aids</strong> im Alltag für<br />
viele fast gar kein Thema mehr. <strong>Aids</strong><br />
„normalisiert“ sich also in der Wahrnehmung<br />
und damit auch das Sexualverhalten.<br />
Unerwünschte Schwangerschaften,<br />
Seitensprünge, ungeschützter Sex mit<br />
der Folge sexuell übertragbarer Erkrankungen<br />
sind seit Menschengedenken<br />
und aller Aufklärung zum Trotz<br />
offenbar feste Begleiter der Menschen,<br />
ob nun homo- oder heterosexuell<br />
ausgerichtet.<br />
MEHR PRÄVENTION FÜR MEHR<br />
EIGENVERANTWORTUNG!<br />
Moralische Appelle und Verurteilungen<br />
werden als Präventionsstrategie nicht<br />
weiter helfen, sondern lediglich zusätzliche<br />
Ausgrenzung und damit nicht<br />
mehr Ansprechbarkeit der Ausgegrenzten<br />
erreichen.<br />
Nach wie vor wird auf Dauer nur<br />
jemand sich und damit auch andere<br />
schützen, wenn er sich selbst als<br />
schützenswert erlebt. Eine erwachsene<br />
eigene Identität ist eine wesentliche<br />
Bedingung hierfür. Diskriminierung und<br />
Ausgrenzung z.B. von Homosexualität<br />
sind nicht nur menschlich sondern auch<br />
präventionsstrategisch kontraproduktiv.<br />
Nur intensive, kontinuierliche und<br />
fantasievolle Aufklärung und Ansprache<br />
direkt in den Szenen hilft: Personalkommunikative<br />
Arbeit unter Einbeziehung<br />
von Menschen, die selbst von<br />
HIV betroffen sind, wie dies nicht nur<br />
die AIDS-<strong>Hilfe</strong> Düsseldorf seit vielen<br />
Jahren intensiv betreibt.<br />
Gute Präventionsarbeit auch unter<br />
großer ehrenamtlicher Beteiligung<br />
kostet Geld. Hier sind die öffentlichen<br />
Geldgeber gefragt, denn Kürzungen<br />
bedrohen den Erfolg langfristiger<br />
Arbeit.<br />
Im Kampf um die Aufmerksamkeit der<br />
Menschen darf es sicher provokativer<br />
zugehen als bisher:<br />
„Kopf oder Schwanz: und womit<br />
denkst Du?“ textet die München <strong>Aids</strong><br />
<strong>Hilfe</strong> in ihrer Aufklärungskampagne für<br />
die schwule Szene. Gute Frage!<br />
Robert Koch Institut/RKI:<br />
http://www.rki.de/INFEKT/AIDS_STD/A<br />
Z.HTM<br />
Münchener <strong>Aids</strong>-<strong>Hilfe</strong> e.V.:<br />
http://www.muenchneraidshilfe.de/womitdenkstdu/index.htm