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Der Guttempler-Orden im Memelgebiet - Arbeitsgemeinschaft der ...

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Herbert Preuß<br />

Twedter Mark 8<br />

•90 Flensburg-Mürwik<br />

•i (0461) 3 57 71<br />

<strong>Guttempler</strong>- <strong>Orden</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Memelgebiet</strong><br />

In unserer He<strong>im</strong>at gab es eine Vielzahl von Organisationen, <strong>der</strong>en<br />

Tätigkeit die einzelnen Bereiche des menschlichen Zusammenlebens<br />

lebhaft wi<strong>der</strong>spiegelten.<br />

Dieser Bericht, <strong>der</strong> sich mit <strong>der</strong> Tätigkeit des Internationalen<br />

<strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s (IOGT) <strong>im</strong> sozialen Bereich befaßt, wurde von<br />

Herbert Preuß in Zusammenarbeit mit Wad<strong>im</strong> Zietmann, <strong>der</strong> den Abschnitt<br />

"Wehrlogen" vorbereitete, gefertigt.<br />

Die hierin nie<strong>der</strong>gelegten Ausführungen beruhen zum weitaus größten<br />

Teil auf persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen, da beide<br />

Landsleute lange Jahre dieser Organisation angehörten und aktiv in<br />

ihr mitarbeiteten. Ergänzt werden konnte <strong>der</strong> Bericht durch die<br />

Auffindung von Unterlagen bei <strong>der</strong> Zentrale des Deutschen <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s<br />

in Hamburg, um die sich Fritz Scherkus bemüht hatte.<br />

Zur Geschichte und Organisation des Internationalen<br />

<strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s wäre zu sagen, daß dieser <strong>im</strong> Jahre 1852 in den USA<br />

gegründet, durch Seefahrer in <strong>der</strong> 2. Hälfte des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

nach Europa gebracht wurde und über Schweden und England schnelle<br />

Verbreitung in fast allen europäischen Län<strong>der</strong>n fand. In Deutschland<br />

wurde <strong>der</strong> <strong>Guttempler</strong> - <strong>Orden</strong> <strong>im</strong> Jahre 1889 gegründet. In den einzelnen<br />

Län<strong>der</strong>n wurden "Großlogen" gebildet, die in ihrer Gesamtheit einer<br />

"Weltloge" unterstellt waren.<br />

Die Aufgabe des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s war und ist vor allem <strong>der</strong> Kampf gegen<br />

den Alkoholismus. Dazu übernahm er Aufgaben <strong>im</strong> sozialen Bereich, die<br />

örtlich sehr unterschiedlich sein konnten.<br />

In Memel wurde bereits am 10.7.1910 die erste "Grundloge" gegründet,<br />

die den Namen N o r d o s t führte und zum Distrikt 25 <strong>der</strong> Deutschen<br />

Großloge gehörte. Diese führte aufgrund ihrer geringen Mitglie<strong>der</strong>zahl<br />

ein bescheidenes Dasein und mußte oft um ihren Bestand bangen. Dennoch<br />

gelang es <strong>im</strong> Jahre 1912 eine zweite Grundloge, die "Wahrheitsliebe"<br />

für den Stadtteil Memel II (Schmelz) zu gründen. Im Jahre 1929 wurde<br />

die dritte Grundloge mit dem Namen "Burgfried" gegründet, <strong>der</strong> <strong>im</strong> Jahre<br />

1930 die "Memel" und als letzte (ca. 1932/33) die "Treu zur He<strong>im</strong>at"<br />

folgte.


Im ländlichen Gebiet konnten in Heydekrug <strong>im</strong> Jahre 1929 die Grundloge<br />

"Heydekrug" und 1931 die Grundloge "Herrmann Su<strong>der</strong>mann" gegründet<br />

werden.<br />

In Paleiten entstand 1930 die Loge "Memelland" und in Ruß 1931 die<br />

Loge "Kurischer Elch".<br />

Dieses recht schnelle Anwachsen <strong>der</strong> <strong>Guttempler</strong> Bewegung in unserer<br />

He<strong>im</strong>at hatte zur Folge, daß auch die Öffentlichkeit von dieser Arbeit<br />

<strong>im</strong>mer mehr Notiz nahm. Das Prinzip» die Menschen vom Alkoholgenuß frei<br />

zu machen und vor allen Dingen die dadurch entstehende Not von den<br />

Familien abzuwenden, bestand darin, daß die einzelnen Logen<br />

wöchentlich eine Zusammenkunft abhielten) die sich nach einem<br />

vorgeschriebenen Ritual abwickelte und in einen offiziellen und<br />

einen gesellschaftlichen Teil glie<strong>der</strong>te. Zu dem offiziellen Teil<br />

hatten in den Grundlogen nur Mitglie<strong>der</strong> des <strong>Orden</strong>s Zutritt, während<br />

die Gäste zur anschließenden Kaffeetafel, dem geselligen Teil,<br />

eingeladen wurden und hier die Gelegenheit hatten, in Gesprächen die<br />

Mitglie<strong>der</strong> kennenzulernen und sich mit ihnen anzufreunden. Wenn die<br />

Gäste, bei denen es sich zum größten Teil um alkoholgefährdete<br />

Menschen handelte, sich an diesen Kreis gewöhnt hatten und sich stark<br />

genug fühlten, ein Versprechen abzugeben, das den absoluten Verzicht<br />

auf Alkohol beinhaltete, wurden sie in die Gemeinschaft aufgenommen<br />

und in feierlicher Form eingeführt. Die Verletzung des Gelübdes<br />

führte zu einem automatischen Ausschluß aus <strong>der</strong> Gemeinschaft, wobei<br />

aber <strong>im</strong>mer die Möglichkeit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme bestand. Durch diese<br />

Arbeit gelang es dem <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>, sehr vielen Menschen und vor<br />

allem Familien zu helfen und sie vor Not zu- bewahren.<br />

Auch die Stadt Memel hatte Vertrauen zu <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s<br />

gefaßt und übertrug ihm die Betreuung <strong>der</strong> Sozialunterkünfte<br />

(Wohnbaracken) in Schmelz, die an <strong>der</strong> Verbindungsstraße<br />

zwischen Mühlentorstr. und Flugplatz Rumpischken lagen. Hier<br />

übernahm er die Betreuung <strong>der</strong> dort eingewiesenen Familien und sorgte<br />

dafür, daß weitere, diesmal Steinbaracken, eingerichtet werden<br />

konnten. Außerdem herrschte eine rege Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en <strong>im</strong><br />

Sozialbereich tätigen Organisationen wie <strong>der</strong> Frauenhilfe und <strong>der</strong><br />

Heilsarmee.


-3 -<br />

<strong>Der</strong> <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> ist politisch und konfessionell neutral und so<br />

lief auch bei uns die Arbeit ohne Schwierigkeiten.<br />

Dieses än<strong>der</strong>te sich jedoch wegen politischer Spannungen zwischen<br />

Litauern und Deutschen, aufgrund <strong>der</strong>er die Teilnahme an Gau- und<br />

Arbeitstagungen in Ostpreußen bzw. Deutschland wesentlich erschwert<br />

wurden. Das führte dazu, daß auf Antrag bei <strong>der</strong> Deutschen Großloge<br />

die Memelländischen Logen aus dem Gau 26 (Ostpreußen) heraus gelöst<br />

wurden und einen eigenen Gau 30 (Memelland) bildeten.<br />

Die finanziellen Mittel brachte <strong>der</strong> <strong>Orden</strong> durch Mitglie<strong>der</strong>beiträge,<br />

Werbeveranstaltungen öffentliche Sammlungen (Blumentage) und<br />

vermutlich auch durch öffentliche Unterstützung durch den Magistrat<br />

für die Verwaltung und Betreuung <strong>der</strong> Sozialunterkünfte auf. Ein nicht<br />

geringer Teil <strong>der</strong> Finanzierungsmittel kam aus Spenden.<br />

Unter den einzelnen Grundlogen bestand natürlich ein reger Wettbewerb<br />

was die Mitglie<strong>der</strong>werbung anbelangte. Sie waren bemüht) ihre<br />

wöchentlichen Versammlungen abwechslungsreich zu gestalten und vor<br />

allen Dingen auch den geselligen Teil mit Vorträgen» Lie<strong>der</strong>n und<br />

Anregungen unterhaltsam und gemütlich auszurichten, damit Mitglie<strong>der</strong><br />

und Gäste sich angesprochen und he<strong>im</strong>isch wohl fühlen konnten. Zur<br />

Schaffung menschlichen Vertrauens zueinan<strong>der</strong> trug nicht unwesentlich<br />

bei, daß die Mitglie<strong>der</strong> des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s sich stets mit Bru<strong>der</strong><br />

bzw. Schwester unter Hinzufügung des Nachnamens anredeten. Diese<br />

Brü<strong>der</strong>lichkeit war und ist auch heute noch ein wichtiges Bindeglied<br />

für den festen Zusammenhalt und international für die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Grundlogen verbindlich. Wenn auch das Gespräch und die Geselligkeit<br />

in den einzelnen Logen ein wesentlicher Faktor für die<br />

Mitglie<strong>der</strong>werbung waren, so wurden diese Bemühungen durch größere<br />

Veranstaltungen in <strong>der</strong> Öffentlichkeit wie <strong>im</strong> Schützenhaus, Strandvilla<br />

o<strong>der</strong> Fischers Weinstuben ergänzt. Die Programme für solche<br />

Veranstaltungen bestritten zum großen Teil eigene Mitglie<strong>der</strong>, vor<br />

allem die <strong>Guttempler</strong>-Jugendbewegung, dargestellt durch die "Wehr-"<br />

und "Jugendlogen". Die Orte Plicken, Heydekrug, Ruß und Paleiten<br />

wurden besucht. In den drei letzteren kam es, wie bereits angeführt,<br />

dann erfreulicherweise auch zur Gründung von Grundlogen. Doch gerade


<strong>im</strong> Landgebiet war es recht schwierig, diese Gruppen zu halten, da sie<br />

ständig unter Mitglie<strong>der</strong>schwund aufgrund von Gelübdeverletzungen<br />

litten und daher geschlossen werden mußten.<br />

Durch zielstrebiges Arbeiten und gutes Wirtschaften gelang es dem<br />

<strong>Orden</strong> in Memel das Haus Neue Sir,: 4c am Steintor als Lagenhaus<br />

einzurichten und dort <strong>im</strong> 1. Obergeschoß auch die Geschäftsstelle<br />

unterzubringen. Die Räumlichkeiten <strong>im</strong> Erdgeschoß boten zwar nicht<br />

übermäßig viel Platz, reichten jedoch aus, um <strong>der</strong> Loge<br />

"Wahrheitsliebe" sowie den beiden Jugendlogen "Sonnenkind" und<br />

"Sonnenborn" einen festen Versammlungsort zu geben. Die "Wahrheitsliebe"<br />

tagte bis dahin in einer Gaststätte auf Schmelz, während<br />

die Jugendlogen ihre Sitzungen in Schulen abhielten. Das Logenhe<strong>im</strong><br />

wurde bewirtschaftet, bot einen Mittagstisch, alkoholfreie Getränke<br />

und abends ein kleines Speisenangebot. Ob <strong>der</strong> <strong>Orden</strong> dieses Grundstück<br />

gekauft o<strong>der</strong> lediglich gepachtet hatte ist nicht bekannt.<br />

Ende Januar 1933 wurde das Haus Grüne Str. 1a als zweites Logenhe<strong>im</strong><br />

eingeweiht. Anfang Februar feierte die Loge "Nordost" in diesem<br />

neugeschaffenen He<strong>im</strong> ihre 750. Sitzung.<br />

Das Haus war recht geräumig. Das Erdgeschoß, zu dem auch ein Wintergarten<br />

gehörte, wurde als alkoholfreies Kaffee mit Speisegaststätte<br />

eingerichtet und bot genügend Platz, um kleinere Veranstaltungen<br />

auch mit Tanz durchzuführen. <strong>Der</strong> angebotene Mittagstisch<br />

fand mit <strong>der</strong> Zeit regen Zuspruch. Die oberen Räumlichkeiten boten den<br />

Grundlogen genügend Platz für ihre wöchentlichen Sitzungen. Bis dahin<br />

tagten sie <strong>im</strong> evangelischen Konsistorium bzw. in <strong>der</strong> Gaststätte Gorni<br />

in <strong>der</strong> Grabenstraße. Auch die Jugendlogen siedelten fest in die Grüne<br />

Str. 1a um. Das Logenhe<strong>im</strong> Neue Str,4c<br />

wurde aufgegeben, da auch die Geschäftsstelle des <strong>Orden</strong>s zur Grünen<br />

Str. übergesiedelt war. Wann die Aufgabe erfolgte ist nicht bekannt.<br />

Durch den seit 1926 durch Litauen über das Memelland verhängten<br />

Kriegszustand hatte sich die politische Lage in diesem Gebiet so<br />

zugespitzt, daß die Arbeit nicht nur des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s, son<strong>der</strong>n<br />

auch aller übrigen Organisationen <strong>im</strong>mer schwieriger wurde. Vor allen<br />

Dingen die Vereinigungen, die feste Verbindungen nach Ostpreußen bzw.<br />

Deutschland unterhielten, und das waren die meisten, waren einer<br />

strengen Kontrolle durch den litauischen Kriegskommandanten<br />

unterworfen. Sie mußten ihre Versammlungen bei ihm zur Genehmigung<br />

einreichen, die er dann auch noch teilweise


-5-<br />

durch die illegale litauische politische Polizei überwachen ließ. So<br />

gab er denn auch <strong>im</strong> Jahre 1932 o<strong>der</strong> 1933 bekannt, daß ab 1934 nur solche<br />

Organisationen Versammlungsgenehmigungen erhalten würden, die ihre<br />

Verbindungen zu Ostpreußen bzw. Deutschland endgültig abgebrochen<br />

hätten. Das hätte für den <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> das Aus bedeutet, da<br />

dieser ja <strong>im</strong>mer noch als Gau 30 zur Deutschen Großloge gehörte. Es<br />

wurde daher bei <strong>der</strong> "Weltloge", <strong>der</strong>en Sitz sich damals in Stockholm<br />

befand, beantragt, den bisherigen Gau 30 "Memelland" <strong>der</strong> Deutschen<br />

Großloge aufgrund <strong>der</strong> politischen Verhältnisse <strong>im</strong> <strong>Memelgebiet</strong> in eine<br />

"Memelländische Großloge" umzuwandeln. Diese Genehmigung wurde<br />

erteilt, und damit war die "kleinste Großloge" des Internationalen<br />

<strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s geboren.<br />

Obwohl nun die Arbeit wie bisher fortgesetzt werden konnte, blieben<br />

Rückschläge und Schwierigkeiten nicht aus. Negative Auswirkungen<br />

waren bei <strong>der</strong> Jugendarbeit, den Wehrlogen, festzustellen, über die<br />

an an<strong>der</strong>er Stelle berichtet wird.<br />

Auch das vom litauischen Kriegskommandanten gehandhabte<br />

Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen jeglicher Art verschärfte<br />

sich <strong>im</strong>mer mehr. Wenn es zunächst genügte, daß die Veranstaltungen<br />

mit Programmangabe in deutscher Sprache eingereicht werden konnten,<br />

so hatte das später in Deutsch und Litauisch zu geschehen. Die nächste<br />

Stufe war dann, daß die Anträge zuerst in Litauisch und dann in Deutsch<br />

verlangt wurden. Schließlich war zu jedem Programmpunkt auch <strong>der</strong> Text<br />

in Litauisch und Deutsch erfor<strong>der</strong>lich. Die Anträge mußten ca. 14 Tage<br />

vor Durchführung <strong>der</strong> Veranstaltung eingereicht sein und konnten dann<br />

ca. 3 Tage vorher abgeholt werden. Dabei passierte es oft, daß<br />

Programmpunkte gestrichen waren und somit nicht gebracht werden<br />

durften. Vor solchen Überraschungen war man nie sicher. Dazu kam, daß<br />

man zusätzlich mit polizeilicher Überwachung während <strong>der</strong><br />

Veranstaltungen rechnen mußte.<br />

Ein großes Ereignis für die "Großloge-Memelland" war es, als <strong>im</strong> Jahre<br />

1935 aus Anlaß des 25-jährigen Bestehens <strong>der</strong> Grundloge "Nordost" <strong>der</strong><br />

Welttempler Prof. Oskar Olsson aus Stockholm seine "kleinste<br />

Großloge" besuchte. Die <strong>Guttempler</strong> <strong>im</strong> Memelland waren darüber hoch<br />

erfreut und <strong>der</strong> Welttempler wurde über die Arbeit, aber auch über die<br />

Sorgen und die Schwierigkeiten aufgrund <strong>der</strong> politischen Verhältnisse<br />

<strong>im</strong> <strong>Memelgebiet</strong> in Kenntnis gesetzt. Im Rahmen <strong>der</strong><br />

Jubiläumsveranstaltungen fand auch ein öffentlicher Vortrag in <strong>der</strong><br />

Aula <strong>der</strong> "Altstädtischen Knabenmittelschule"


-6-<br />

statt.Prof. Olsson sprach über die Ziele und Aufgaben des Internationalen<br />

<strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s. Die Veranstaltung war sehr gut besucht<br />

und fand in <strong>der</strong> Bevölkerung regen Wi<strong>der</strong>hall. In seinem Vortrag hob<br />

Prof. Olsson vor allem das Element <strong>der</strong> "Bru<strong>der</strong>schaft" heraus, daß er<br />

als wesentlich für den Zusammenhalt und den Umgang unter den<br />

<strong>Orden</strong>smitglie<strong>der</strong>n darstellte.<br />

<strong>Der</strong> Welttempler zeigte sich mit <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s <strong>im</strong><br />

Memelland recht zufrieden und verließ seine "kleinste Großloge" nach<br />

2 Tagen angenehmen Aufenthalts in Memel.<br />

Die neue Funktion als "Großloge Memelland" bedingte eine Reihe<br />

organisatorischer Verän<strong>der</strong>ungen. Diese hatten vor allem negative<br />

Auswirkungen in <strong>der</strong> Jugendarbeit. An<strong>der</strong>erseits gelang es während<br />

dieser Zeit, eine neue Grundloge, die "Treu zur He<strong>im</strong>at" zu gründen*<br />

<strong>der</strong>en Gründungsmitglie<strong>der</strong> vor allem ältere Wehrtempler waren, die<br />

neben ihrer aktiven Tätigkeit in ihren Wehrlogen auch zu einer<br />

Grundloge gehörten. Dadurch sollte <strong>der</strong> Übergang von einer Mehrloge<br />

in die Grundloge erleichtert und geför<strong>der</strong>t werden. Die Arbeit <strong>der</strong> "Treu<br />

zur He<strong>im</strong>at" lief gut an und sie blieb auch innerhalb <strong>der</strong> Grundlogen<br />

die "Junge". Alle Grundlogen arbeiteten nach dem Grundsatz<br />

GLAUBE - LIEBE - HOFFNUNG<br />

Unter diesen Leitworten wurde die Arbeit, <strong>der</strong> "Großloge-Memelland"<br />

weitergeführt, und es gelang dem <strong>Orden</strong>, durch seine Tätigkeit vielen<br />

Familien zu helfen und dem Alkoholismus die Stirn zu bieten.<br />

Erwähnenswert wäre noch, daß sich eine Gruppe zeitweise vom <strong>Orden</strong><br />

abgespalten hatte und versuchte, einen Mäßigkeitsverein zu bilden, <strong>der</strong><br />

sich "Fraternitäts <strong>Orden</strong>" nannte. Diese Vereinigung wollte ihre<br />

Mitglie<strong>der</strong> zur Mäßigung be<strong>im</strong> Alkoholgenuß verpflichten, hatte jedoch<br />

sehr große Schwierigkeiten, den Begriff Mäßigkeit fest zu definieren.<br />

<strong>Der</strong> "Fraternitäts" <strong>Orden</strong> mußte nach einiger Zeit seine Tätigkeit<br />

einstellen.


Aus Unterlagen, die be<strong>im</strong> Deutschen <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> in Hamburg noch<br />

auffindbar waren, geht die personelle Besetzung des Distrikts/Gau<br />

30 <strong>der</strong> Deutschen Großloge teilweise hervor, die folgen<strong>der</strong>maßen<br />

lautet:<br />

Distrikt/Gau 30 - Memelland:<br />

Distrikts-/Gautempler<br />

C wurde bei Gründung <strong>der</strong> Großloge-Memelland<br />

Großtempler)<br />

Distrikts-/Gausekretärin<br />

Julius Preuß<br />

Gertrud<br />

Herrmenau<br />

Grundlogen: "Nordost", Ld (Logendeputierter) William Döring<br />

Ht (Hochtempler)<br />

Walter Stantin<br />

Wahrheitsliebe" Ld<br />

Ht<br />

'Burgfried"<br />

"Memel"<br />

'Heydekrug"<br />

"Herrmann<br />

Su<strong>der</strong>mann"<br />

"Memelland"<br />

„Kurischer<br />

Elch"<br />

Ld<br />

Ht<br />

Ld<br />

Ht<br />

Ld<br />

Ht<br />

Ld<br />

Ht<br />

Ht<br />

Ld<br />

Ld<br />

Ht<br />

Hans Füllhase<br />

Martin Markies<br />

Max Galgsties<br />

Walter Klein<br />

Fritz Tieck<br />

Richard<br />

Schoeneberg<br />

Karl Briese<br />

Max Runde<br />

Friedrich Nolde<br />

Willi T<strong>im</strong>pf<br />

Ewald Gröger<br />

Heinrich<br />

Dambrowski<br />

Gustav Kubbos<br />

August Kastaun<br />

Die Loge "Treu zur He<strong>im</strong>at" ist hier nicht berücksichtigt, da sie<br />

erst zur Zeit <strong>der</strong> "Großloge-Memelland" gegründet wurde und bei <strong>der</strong><br />

Deutschen-Großloge daher keine Unterlagen vorhanden sind.


-8-<br />

<strong>Der</strong> Verfasser dieses Berichtes gehörte bis zum Jahre 1940 <strong>der</strong><br />

Jugendloge Sonnenkind an und ging dann zur Kriegsmarine. Damit<br />

endete für ihn die Verbindung zum <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> <strong>im</strong> <strong>Memelgebiet</strong>,<br />

Wo die Unterlagen über diesen <strong>Orden</strong> blieben> ist nicht bekannt.<br />

Die Wehrlogen<br />

Dem <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> <strong>im</strong> Memelland waren die Wehrlogen "Stark <strong>im</strong><br />

Sturm" und "Im sicheren Hafen" angeschlossen. Erstere wurde von<br />

William Dambrowski und die zweite von Wad<strong>im</strong> Zietmannn geführt. In ihr<br />

sammelten sich Jugendliche ab 18 Jahren, die sich für die Pflege<br />

deutschen Volkstums interessierten und bereit waren, schon in ihrer<br />

Jugend auf Alkohol- und Nikotingenuß zu verzichten. Auch sie legten<br />

bei <strong>der</strong> Aufnahme in die Wehrlogen ein Gelübde ab und waren auch dem<br />

automatischen Ausschluß unterworfen, wenn sie dieses Gelübde<br />

verletzten. Ihr Leitspruch war:<br />

WAHRHEIT - LIEBE - REINHEIT<br />

Jungen und Mädchen waren in diesen Wehrlogen zusammengefaßt. Hier<br />

herrschte ein reges kulturelles Leben und Treiben. Lassen wir Wad<strong>im</strong><br />

Zietmannn, <strong>der</strong> bei seinen Jugendfreunden besser unter dem Namen "D<strong>im</strong>a<br />

Zietmann“ bekannt ist, erzählen:<br />

"Neben regelmäßigen wöchentlichen Sitzungen veranstalteten wir<br />

wöchentlich einen Nestabend, bei dem zwanglos Volkstänze getanzt<br />

wurden. Hierzu gehörten die sog. 5-Dittchen-Tänze, in welche alle<br />

Anwesenden mit einbezogen wurden. Wir pflegten jedoch den Volkstanz<br />

allgemein und bildeten Vier-Paar-Kreise, mit denen Volkstänze nach<br />

genauen Tanzanleitungen von Hermann Huffzier, einem Jugendreferenten<br />

<strong>der</strong> Regierung in Gumbinnen, einstudiert wurden. Darüberhinaus<br />

widmeten wir uns bei den Nestabenden <strong>der</strong> Pflege alter Volks- und<br />

Wan<strong>der</strong>lie<strong>der</strong>, lernten viele Texte auswendig, sodaß wir in <strong>der</strong> Lage<br />

waren, auch öffentlich Lie<strong>der</strong> zur Laute vorzutragen. Beson<strong>der</strong>s bei<br />

unseren zahlreichen Wan<strong>der</strong>ungen kam uns das zugute. So war oft eine<br />

große Schar <strong>der</strong> Landbevölkerung unter uns, wenn wir unsere Lie<strong>der</strong><br />

erklingen ließen o<strong>der</strong> unsere Volkstänze vorführten. Auch das<br />

Laienspiel kam nicht zu kurz. So hatten wir einen reichhaltigen Vorrat<br />

an Theaterspielen und Sketchen. Diese wurden bei eigenen<br />

Veranstaltungen, aber auch auf Einladung bei an<strong>der</strong>en Organisationen<br />

und Vereinen mit großem Erfolg vorgetragen. Die Laute, dieses<br />

ausdrucksstärkste Instrument<br />

_g


-9-<br />

unserer Lie<strong>der</strong>, wurde von vielen Mitglie<strong>der</strong>n beherrscht} während die<br />

Ziehharmonika das Instrument war, welches bei den Tanzvorführungen<br />

mit unserem Volkstanzkreis zum Tragen kam. Da sich auch <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong><br />

Jugendliche fanden, die Geige, Flöte und weitere Instrumente<br />

beherrschten, gelang es uns, bei passenden Gelegenheiten mit<br />

musikalischen Darbietungen an die Öffentlichkeit zu treten,<br />

Die Wochenenden waren zum weitaus größten Teil während des frühesten<br />

Frühlings bis in den Herbst hinein mit Wan<strong>der</strong>fahrten ausgefüllt, Es<br />

handelte sich meistens um Tagwan<strong>der</strong>ungen, doch auch Nachtfahrten<br />

waren recht beliebt. Auf diese Weise lernten wir unsere engere He<strong>im</strong>at<br />

um 2o km herum sehr gut kennen und lieben. Leistungssport haben wir<br />

nicht betrieben. Selbst bei unseren Waldspielen hielten wir uns nicht<br />

an die festgelegten Regeln, son<strong>der</strong>n betrachteten sie als eine reine<br />

Bewegungsübung, bei <strong>der</strong> die sportlich-spielerische Seite den Vorrang<br />

hatte.<br />

Zum Baden und Schw<strong>im</strong>men war uns bei unseren Wan<strong>der</strong>ungen überall<br />

reichlich Gelegenheit geboten, wovon auch ausgiebig Gebrauch gemacht<br />

wurde. Während <strong>der</strong> Winterzeit waren wir fleißig mit dem Tischtennis<br />

beschäftigt und führten dieses entwe<strong>der</strong> <strong>im</strong> Logenhe<strong>im</strong> Grüne Straße o<strong>der</strong><br />

später in unserem Jugendhe<strong>im</strong> in <strong>der</strong> Litauer Str. durch. In dieser<br />

Sportart haben wir auch Meisterschaften nach selbst aufgestellten<br />

Regeln ausgetragen.<br />

Zu den großen öffentlichen Veranstaltungen gehörten die Frühlingsfeste,<br />

die in Strandvilla, in <strong>der</strong> Aula des Louisengymnasiums o<strong>der</strong> auch<br />

<strong>im</strong> großen Saal des Schützenhauses stattfanden. Zur Ausgestaltung<br />

dieser Feste wurden alle. Mitglie<strong>der</strong> je nach Talent und Können<br />

herangezogen, Durch <strong>der</strong>en freudige und begeisterte Mitarbeit wurde<br />

uns stets Erfolg und 'Anerkennung zuteil. Beson<strong>der</strong>s beliebt waren in<br />

Stadt und Land die Darbietungen unseres Tanzkreises mit seinen neuen<br />

und alten Volkstänzen. Diese wurden in einheitlichen Trachten<br />

dargeboten<br />

Mit unseren musikalischen Darbietungen sowie mit Sketchen und kurzen<br />

Theaterstücken konnten wir unsere Zuhörer stets gut unterhalten.<br />

Auch unsere Eltern vergaßen wir bei unserer Jugendarbeit nicht, Sie<br />

wurden von Zeit zu Zeit zu beson<strong>der</strong>s ausgestalteten Elternabenden<br />

eingeladen.<br />

Sogenannte Spielmannsfahrten führten uns in die Dörfer <strong>der</strong> Umge-


-10-<br />

bung Memels. Dort wurden Tanzabende angekündigt} bei denen wir selbst<br />

zum Tanz aufspielten und unser Unterhaltungsprogramm abwickelten.<br />

Begeisterte Teilnehmer stachelten uns <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu solchen<br />

Spielmannsfahrten an. Diese brachten uns nicht nur einen guten Ruf<br />

und Anerkennung son<strong>der</strong>n auch einen finanziellen Gewinn.<br />

Durch die Qualität <strong>der</strong> Veranstaltungen erreichten wir mit <strong>der</strong> Zeit<br />

einen Bekanntheitsgrad, <strong>der</strong> uns Einladungen zur Mitwirkung auch bei<br />

an<strong>der</strong>en Vereinen und Organisationen, z.B. be<strong>im</strong> Männer-Turn-Verein<br />

(MTV),dem Arbeiter-Gesang-Vereins (AGV) und dem Paddel-Sport-Klubs<br />

(PSK) einbrachte.<br />

Die Wehrloge "Stark <strong>im</strong> Sturm" hatte etwa 40-50 Mitglie<strong>der</strong>. Durch die<br />

sich än<strong>der</strong>nden politischen Verhältnisse in Deutschland sowie <strong>im</strong><br />

<strong>Memelgebiet</strong> ergaben sich unter den Wehrlogen-Mitglie<strong>der</strong>n<br />

Unst<strong>im</strong>migkeiten, die zu zahlreichen Austritten führten. Die Wehrloge<br />

"Im sicheren Hafen" hatte ihre Arbeit bereits einstellen müssen.<br />

Dennoch gelang es <strong>der</strong> "Stark <strong>im</strong> Sturm" durch intensive Arbeit die<br />

Mitglie<strong>der</strong>zahl wie<strong>der</strong> zu erhöhen und die Gruppe wie<strong>der</strong> arbeitsfähig<br />

zu machen. Auch die seinerzeit ausgetretenen Mitglie<strong>der</strong>- sammelten<br />

sich wie<strong>der</strong>. Dadurch konnte die Wehrloge "Im sicheren Hafen"<br />

wie<strong>der</strong>begründet werden. Nach anfänglichem Abtasten arbeiteten dann<br />

in <strong>der</strong> Folgezeit beide Wehrlogen sehr gut zusammen. Dieses wurde auch<br />

dadurch zum Ausdruck gebracht, daß monatlich einmal eine gemeinsame<br />

Sitzung durchgeführt wurde, bei <strong>der</strong> man sich in <strong>der</strong><br />

Versammlungsleitung abwechselte. In Heydekrug bestand seit Ende <strong>der</strong><br />

zwanziger Jahre eine Wehrloge, zu <strong>der</strong> ca. 20-30 Mitglie<strong>der</strong> zählten.<br />

Eine 1332 in Ruß gegründete Wehrloge blieb bis zum Schluß wegen,<br />

schwachen Mitglie<strong>der</strong>bestandes unser Sorgenkind. Nach Heydekrug und<br />

Ruß unterhielten wir sehr enge Verbindungen, besuchten die dortigen<br />

Sitzungen und führten gemeinsame Veranstaltungen durch.<br />

Über die memelländische Grenze hinaus hatten wir gute Verbindung zu<br />

<strong>der</strong> Wehrloge in Tilsit und zu <strong>der</strong> lettischen Wehrloge in Libau.<br />

Übergeordnete Tagungen waren für die Wehrlogen <strong>der</strong> Oster-Gautag<br />

und <strong>der</strong> Herbst-Gau-Tag. Diese wurden von uns gerne wahrgenommen und<br />

rege besucht. Die größere Bedeutung kam dem Oster-Gau-Tag<br />

zu, auf dem sehr viele Anträge bearbeitet und auch <strong>der</strong> Gauvorstand<br />

gewählt wurde. Die Tagungsorte waren unterschiedlich und wurden auf<br />

den einzelnen Gautagen festgelegt. Auf demOster-Gau-Tag 1933 in Lötzen<br />

stellten die memelländischen


Auf demOstergautag 1933 in Lötzen stellten die memelländischen Wehrlogen<br />

den Antrags das Nikotinverbot einheitlich für alle dem Gau Ostpreußen<br />

unterstehenden Wehrlogen einzuführen. Bis dahin war dieses Verbot für<br />

die Wehrlogen nämlich nicht allgemein gültig. Nach eingehen<strong>der</strong><br />

Aussprache wurde dieser Antrage mit St<strong>im</strong>menmehrheit angenommen. Ein<br />

Jugendtag wurde jährlich einmal, und zwar zu Pfingsten, für die Dauer<br />

von meistens 3 Tagen durchgeführt. Hierzu kamen alle Delegierten <strong>der</strong><br />

zur Deutschen "Großwehrloge" gehörenden Wehrlogen zusammen.<br />

Die sich zuspitzenden und unerträglich werdenden politischen<br />

Verhältnisse <strong>im</strong> Memel1and hatten dazu geführt, daß <strong>der</strong> bisherige Gau 30<br />

des deutschen <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s sich von seinen Verbindungen nach<br />

Ostpreußen bzw. Deutschland zu lösen hatte, wenn seine Versammlungen<br />

vom litauischen Kriegskommandanten weiterhin genehmigt werden<br />

sollten. Dieses hatte zu Folge, daß eine selbständige memelländische<br />

Großloge gegründet wurde, die direkt <strong>der</strong> Weltloge unterstand. Für die<br />

beiden Wehlogen bedeutete das, daß <strong>der</strong> jetzige Großtempler des<br />

memelländischen <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s, Julius Preuß, sich gezwungen sah,<br />

diese aufzufor<strong>der</strong>n, sich aus dem Verband <strong>der</strong> deutschen Großwehrloge<br />

und des Gaues 30 zu lösen und sich <strong>der</strong> memelländischen Großloge<br />

anzuschließen. Im Interesse des Fortbestandes unserer beiden Gruppen<br />

st<strong>im</strong>mten wir nach eingehen<strong>der</strong> Absprache mit unseren Mitglie<strong>der</strong>n<br />

wi<strong>der</strong>willig dieser ult<strong>im</strong>ativen For<strong>der</strong>ung zu. Hatten die Wehrlogen<br />

bis dahin ein zufriedenstellendes Verhältnis zu den Grundlogen und<br />

zur Führung <strong>der</strong> memelländischen Großloge, so mehrten sich fortan die<br />

Spannungen, da wir nun ja unserer Verbindungen nach Königsberg und<br />

Berlin beraubt waren. Ursache für die Verst<strong>im</strong>mungen und Spannungen<br />

war unter an<strong>der</strong>em, daß auf Beschluß <strong>der</strong> Großloge ohne unsere vorherige<br />

Anhörung ein Jugendvertreter best<strong>im</strong>mt wurde, dem sich die Wehlogen<br />

unterordnen sollten. An selbständiges Handeln <strong>im</strong> Bereich unserer<br />

Jugendarbeit gewöhnt, setzten wir uns energisch zur Wehr, zumal unsere<br />

Führungskräfte eine etwa zehnjährige Erfahrung aufzuweisen hatten,<br />

die bei dem neuen Jugendvertreter nicht vorhanden war. Als dieser <strong>im</strong><br />

Jahre 1934 sogar soweit ging, die ihm unbequemen alten erfahrenen<br />

führenden Mitglie<strong>der</strong> ihrer Posten zu entheben und sogar<br />

Disziplinarstrafen ankündigte, reagierten die Mitglie<strong>der</strong> bei<strong>der</strong><br />

Wehrlogen bis auf wenige Ausnahmen mit <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> "Stark <strong>im</strong><br />

Sturm" und "Im sicheren Hafen".<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> blieben jedoch beisammen und gründeten umgehend die<br />

"Memelländische Sing- und Spielschar" (MSS). Unter dieser


-12-<br />

Bezeichnung arbeiteten wir mit den gleichen Zielen und unter<br />

Beachtung <strong>der</strong> gleichen Verbote erfolgreich weiter. In <strong>der</strong> Libauer Str.<br />

fanden wir alsbald ein geeignetes Jugendhe<strong>im</strong> für unsere Tagungen und<br />

He<strong>im</strong>abende. Wir konnten weitere neue Mitglie<strong>der</strong> gewinnen und nahmen<br />

unsere Verbindung zu den Wehrlogen in Tilsit und Königsberg wie<strong>der</strong><br />

auf. So nahmen wir dann auch <strong>im</strong> Jahre 1934 am Deutschen Jugendtag<br />

<strong>der</strong> Deutschen Großwehrloge in Quedlinburg teil. Mit den übrigen<br />

Jugendverbänden hielten wir gleichfalls gute Kontakte und führten<br />

1335 auf <strong>der</strong> Kurischen Nehrung eine gemeinsame Sonnenwendfeier durch.<br />

Obwohl wir nicht mehr zum memelländischen <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> gehörten,<br />

lief unsere Arbeit erfolgreich weiter, und wir wurden nach wie vor<br />

zu vielen Veranstaltungen als Mitwirkende eingeladen, bei denen<br />

unsere volkstümlichen Vorträge und Volkstänze zur Geltung kamen und<br />

dankbar aufgenommen wurden.<br />

Durch meine Einberufung zum litauischen Militärdienst und dann zum<br />

späteren Kriegsdienst in <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht verlor ich die<br />

Bindung zu meiner Jugendorganisation. Ich bin froh und stolz, eine<br />

Jugendzeit verlebt zu haben, an die<br />

ich mich gerne zurück erinnere. An die Losung Wahrheit - Liebe -<br />

Reinheit, die wir auf Pultdecken während unserer Sitzungen stets vor<br />

Augen hatten, haben wir uns gehalten. Diese haben dazu beigetragen,<br />

daß wir auch die schweren Zeiten in unserem Leben unbeschadet<br />

überstehen konnten.<br />

In dem für den Sitzungsablauf <strong>der</strong> Wehrlogen gültigen Ritual verlas<br />

<strong>der</strong> Hochtempler (Vorsitzende) folgenden Satz;<br />

Jugend ist Trunkenheit ohne Wein, wir wollen in ihr so leben, daß<br />

wir <strong>im</strong> Alter keine vergeudete Stunde zu bereuen haben!<br />

Trunken vor Freude, voller Idealismus und jugendlichem Elan, diese<br />

Eigenschaften hat uns die Jugendbewegung gelehrt. Viele <strong>der</strong> alten<br />

Weggenossen aus gemeinsamer Jugendzeit haben diese Tugenden in ihrem<br />

Herzen bis in die heutige Zeit bewahrt, sind zwar an Jahren älter<br />

geworden, aber trotzdem jung geblieben.


-13<br />

Die Jugendlogen<br />

Die Jugendlogen des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s befanden sich jeweils in <strong>der</strong><br />

Obhut <strong>der</strong> Grundloge, die sich für sie verantwortlich fühlte und<br />

patenschaftlich betreute (die älteste Jugendloge "Sonnenkind"<br />

wurde bis ca. 1929/30 von <strong>der</strong> Wehrloge betreut und ging dann in<br />

die Obhut <strong>der</strong> Grundloge "Nord-Ost" über).<br />

Kin<strong>der</strong> <strong>im</strong> Alter ab ca. 10 Jahren wurden als Mitglie<strong>der</strong> gerne<br />

aufgenommen und entsagten be<strong>im</strong> Beginn <strong>der</strong> Mitgliedschaft genauso wie<br />

die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wehrlogen durch ein Gelübde dem Genuss von Alkohol<br />

und Nikotin. In vielen Fällen waren die Eltern dieser Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen Mitglie<strong>der</strong> einer Grundloge, so daß oft die ganze Familie<br />

dem <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> angehörte. Dieser Umstand för<strong>der</strong>te natürlich<br />

das Verantwortungsbewußtsein einer Grundloge für ihre Jugendloge.<br />

Eine weitere feste Verknüpfung bestand darin, daß die Grundloge aus<br />

ihrem Kreis eine geeignete Persönlichkeit als Vorsitzende ihrer<br />

Jugendloge best<strong>im</strong>mte. Es handelte sich bei diesen meistens um jüngere<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Grundloge, die aus den Wehrlogen kamen o<strong>der</strong> bereits<br />

bei an<strong>der</strong>en Organisationen Erfahrungen in <strong>der</strong> Jugendarbeit gesammelt<br />

hatten. Doch nicht bei allen waren diese Voraussetzungen <strong>im</strong>mer<br />

gegeben.<br />

Den Vorsitzenden oblag die Aufgabe, lenkend und ausgleichend unter<br />

den Jungtemplern zu wirken, Anregungen zu geben und Vorschläge sowie<br />

Wünsche <strong>der</strong> Jugend an die Grundloge weiter zu leiten.<br />

<strong>Der</strong> Vorstand einer Jugendloge wurde genauso wie bei einer Wehr- o<strong>der</strong><br />

Grundloge aus <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n demokratisch gewählt. Er bestand aus<br />

einem Hochtempler (Versammlungsleiter), dem Vizetempler,<br />

Althochtempler/Kaplan, Spruchtempler, 2 Ordnern, Schriftführer,<br />

Kassenwart, Außenwache und Innenwache. Wenn erfor<strong>der</strong>lich wurde <strong>der</strong><br />

Vorstand durch einen Sport- und Spielwart ergänzt.<br />

Auch bei den Jugendlogen wurden die wöchentlichen Sitzungen in Form<br />

und Ablauf nach einem festgelegten Ritual durchgeführt. In ihnen<br />

wurden Termine für beabsichtigte Ausflüge und Fahrten festgelegt, und<br />

Mitwirkungsmöglichkeiten für die Veranstaltungen bei <strong>der</strong> Grundloge<br />

besprochen. Auch die Mitglie<strong>der</strong>werbung war selbst-verständlich ein<br />

wichtiger Punkt.<br />

Es verging jedoch keine Sitzung, in <strong>der</strong> nicht durch kurze Vorträge<br />

o<strong>der</strong> Lesungen, meistens von den Vorsitzenden? aber auch von Wehr- und<br />

Grundtemplern durchgeführt, auf die Gefahren des Alkoholgenusses für<br />

Familie und Gesundheit hingewiesen wurde, Die Schädlichkeit des<br />

Nikotingenusses nahm gerade in <strong>der</strong> Jugendarbeit


-14-<br />

des <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s einen großen Raum ein.<br />

Den offziellen Sitzungen folgte, dann <strong>der</strong> gesellig- spielerische Teil.<br />

Kreisspiele, Frage- und Antwortspiele wechselten einan<strong>der</strong> ab,<br />

lustige Geschichten o<strong>der</strong> Gedichte wurden vorgetragen, Volkstänze<br />

wurden einstudiert und für bevorstehende Veranstaltungen konnten<br />

Vorbereitungen getroffen werden. Hierbei halfen die jüngeren<br />

Grundlogen- und vor allem auch die Wehrlogenmitglie<strong>der</strong> kräftig mit.<br />

Wenn D<strong>im</strong>a mit <strong>der</strong> "Zieha" kam, war ein fröhlicher Nachmittag o<strong>der</strong> Abend<br />

mit Lie<strong>der</strong>n und Volkstänzen <strong>im</strong>mer sicher.<br />

Außer den Sitzungsabenden fanden sich die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Jugendlogen<br />

nach Absprache zu Nestabenden, meistens in <strong>der</strong> elterlichen Wohnung<br />

eines Mitgliedes, zusammen. Hier wurde für beson<strong>der</strong>e Anläße<br />

vorbereitet, geübt und geprobt.<br />

Im Winter waren zum Wochenende die Rodelpartien sehr beliebt. Je nach<br />

Bedarf wurden ein o<strong>der</strong> zwei Pferde gemietet, die dann je 10 - 15<br />

Rodelschlitten hinter sich herzogen. Stand ein Spazierschlitten zur<br />

Verfügung, so wurden die Rodelschlitten an die beiden Kufen gehängt<br />

und ab gings durch den Wald mit Schellen- und Glockengeläut nach<br />

Försterei zur Rodelbahn. Doch auch das Dange-Tal bei Tauerlauken war<br />

ein beliebtes Ziel für einen Winterausflug mit Rodelschlitten.<br />

Die Adventszeit war mit Vorbereitungen für Weihnachten ausgefüllt.<br />

Dazu gehörte auch, daß während <strong>der</strong> Nestabende Handarbeiten gemacht<br />

wurden, die dann mit an<strong>der</strong>en Dingen zusammen in Paketen bedürftigen<br />

Familien überreicht wurden.<br />

Im Frühjahr und <strong>im</strong> Sommer ging es natürlich hinaus in die Natur, die<br />

sich in <strong>der</strong> näheren und weiteren Umgebung Memels verschwen<strong>der</strong>isch und<br />

vielfältig darbot. An Fluß, Haff und See, in <strong>der</strong> Heide, <strong>im</strong> Wald und<br />

auf <strong>der</strong> einmaligen Kurischen Nehrung gab es viele Wan<strong>der</strong>ziele, die<br />

aufgesucht wurden. Die Wan<strong>der</strong>ungen waren stets von fröhlichem Gesang<br />

begleitet, und die fleißig gelernten Lie<strong>der</strong>texte kamen da voll zu<br />

Geltung. Ballspiele und sportliche Wettkämpfe sorgten bei solchen<br />

Tagesunternehmungen für Abwechslung und Kurzweil.<br />

Eine dreiwöchige Ferienfreizeit in Schwarzort (Kurische. Nehrung)<br />

fand lebhafte Zust<strong>im</strong>mung. Be<strong>im</strong> Fischer Lauzening am Dorfausgang in<br />

Richtung Perwelk hatten wir Quartier, die Mädchen <strong>im</strong> Wohnhaus, die<br />

Jungen auf dem Heuboden. Die Anstrengungen für Vorbereitung und<br />

Durchführung dieser Freizeit waren recht umfangreich, wurden<br />

aber geschafft, da alle Jugendlichen mit Begeisterung dabei waren und<br />

mithalfen, wo es erfor<strong>der</strong>lich war ,


-15-<br />

Ein beson<strong>der</strong>es Erlebnis war <strong>der</strong> Besuch des Jugendwartes <strong>der</strong><br />

"Deutschen Großloge" aus Berlin.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Abtrennung des <strong>Memelgebiet</strong>es vom Deutschen Reich, <strong>der</strong><br />

wi<strong>der</strong>rechtlichen Besetzung durch die Litauer <strong>im</strong> Jahre 1923 und die<br />

Verhängung des Kriegszustandes <strong>im</strong> Jahre 1926 mußtenj wie bereits<br />

erwähnt, die Verbindungen nach Deutschland gelöst werden. Gäste "aus<br />

dem Reich" waren daher eine Seltenheit und wurden <strong>im</strong> Memelland<br />

beson<strong>der</strong>s herzlich begrüßt und aufgenommen. So war es auch mit dem<br />

Jugendwart <strong>der</strong> "Deutschen Großloge", Er hatte eine erstaunliche<br />

Fähigkeit, Jugendliche zu begeistern, Sein Vorrat an Spielen»<br />

Geschichten» Sketchen und Lie<strong>der</strong>n schien unerschöpflich, und<br />

innerhalb kürzester Zeit gelang es ihm, mehrere Volkstänze<br />

einzustudieren. Viele seiner Anregungen wurden aufgenommen und in <strong>der</strong><br />

Folgezeit verwertet. Ungern ließ man ihn wie<strong>der</strong> nach Berlin<br />

zurückfahren.<br />

So fühlten sich auch die "Jungtempler" in ihrer Gemeinschaft wohl,<br />

pflegten gute Kameradschaft, übten sich in Hilfsbereitschaft und<br />

ließen sich, genau wie die "Wehrtempler" nach dem Grundsatz<br />

WAHRHEIT - LIEBE - REINHEIT<br />

leiten.<br />

Zur "Memelländischen Großloge" des internationalen<br />

<strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong>s gehörten die beiden Jugendlogen "Sonnenkind" und<br />

"Sonnenborn" in Memel sowie die Jugendloge "Jung-Heydekrug" in<br />

Heydekrug. Dazu gab es noch eine Jugendgruppe "Jung-Memel", die von<br />

den Wehrlogen bzw. <strong>der</strong> späteren "Memelländischen Sing- und Spielschar"<br />

betreut wurde.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen allen Jugendgruppen verlief reibungslos<br />

und kameradschaftlich. Dieses kam beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> Durchführung<br />

gemeinsamer Veranstaltungen, Fahrten und Arbeitskreisen zum<br />

Ausdruck.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß <strong>der</strong> <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>Memelgebiet</strong> nicht nur <strong>im</strong> sozialen Bereich, was den Kampf gegen<br />

Alkoholmißbrauch und Nikotingenuß anbelangt, eine wirkungsvolle und<br />

segensreiche Arbeit durch Aufklärung und menschliche Beziehungen<br />

leistete, son<strong>der</strong>n auch <strong>im</strong> kulturellen Bereich einen wichtigen Faktor<br />

für die Erhaltung des Deutschtums während <strong>der</strong> Abtrennungszeit bis zum<br />

Tag <strong>der</strong> Rückglie<strong>der</strong>ung an das Deutsche Reich am 22. März 1939<br />

darstellte.


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Zusammenfassend kann festgestellt werden» daß <strong>der</strong> <strong>Guttempler</strong>-<strong>Orden</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>Memelgebiet</strong> nicht nur <strong>im</strong> sozialen Bereichs was den Kampf gegen<br />

Alkoholmißbrauch und Nikotingenuß anbelangt} eine wirkungsvolle und<br />

segensreiche Arbeit durch Aufklärung und menschliche Beziehungen<br />

leistete, son<strong>der</strong>n auch <strong>im</strong> kulturellen Bereich einen wichtigen Faktor<br />

für die Erhaltung des Deutschtums während <strong>der</strong> Abtrennungszeit bis zum<br />

Tag <strong>der</strong> Rückglie<strong>der</strong>ung an das Deutsche Reich am 22. März 1939<br />

darstellte.<br />

Einige <strong>der</strong> ehemaligen Mitglie<strong>der</strong>, vor allem auch <strong>der</strong> Jugendgruppen,<br />

standen nach dem Kriege als Mitarbeiter in den Memellandgruppen o<strong>der</strong><br />

als Einzelmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> "<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Memellandkreise"<br />

zur Verfügung. Sie erinnern sich gerne an eine Gemeinschaft die ihnen<br />

in <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at sehr viel gab und oft Richtschnur für ihr weiteres Leben<br />

blieb.<br />

Herbert Preuß<br />

Flensburg, <strong>im</strong> Februar 1991

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