17 Februar 10 - Paroli - Verein für politische Kultur eV
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<strong>Paroli</strong> Das linke Magazin <strong>für</strong> Oberhausen Nr. 16 <strong>Februar</strong> / März 20<strong>10</strong> Seite 3<br />
Mobilität <strong>für</strong> alle<br />
Sozialticket <strong>für</strong> Oberhausen<br />
Um sage und schreibe 43,7 % sind seit dem Jahr 2000 die Fahrpreise im Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr gestiegen.<br />
Eine Preissteigerung, die weit über dem Anstieg der sonstigen Lebenshaltungskosten von 15% liegt. Gleichzeitig ist Deutschland<br />
das einzige Land in der EU mit einer rückläufigen Reallohnentwicklung. Sprich: die abhängig Beschäftigten bekommen preisbereinigt<br />
heute weniger als noch im Jahr 2000.<br />
Und in keinem Land der EU wurde der Niedriglohnsektor<br />
von Politik und Kapital derartig massiv (und<br />
aggressiv) ausgeweitet wie in Deutschland.<br />
Immer mehr Menschen arbeiten <strong>für</strong><br />
Löhne, die den tatsächlichen Bedarf<br />
<strong>für</strong> eine gesicherte Lebensführung<br />
kaum oder gar nicht mehr decken.<br />
NRW nimmt hier eine erschreckende<br />
Spitzenposition innerhalb der<br />
Bundesländer ein. Nirgendwo arbeiten<br />
derartig viele Menschen im<br />
Niedriglohnsektor, nirgendwo sind<br />
die Löhne dort niedriger.<br />
Gleichzeitig hat sich mit der<br />
Einführung des Hartz-IV gerade <strong>für</strong><br />
Arbeitslose die persönliche ökonomische<br />
Situation drastisch verschlechtert.<br />
Betroffen von den Preissteigerungen<br />
im öffentlichen Personennahverkehr<br />
sind daher vor allem Menschen, die<br />
aufgrund Ihrer finanziellen Situation<br />
schon jetzt am Rande der<br />
Gesellschaft stehen: Arbeitslose,<br />
Hartz-IV-BezieherInnen, RentnerInnen,<br />
Geringverdienende, Niedriglöhner,<br />
„Aufstocker“ und andere. In einer<br />
Gesellschaft, die auf Mobilität<br />
gegründet ist, die Mobilität von allen<br />
Menschen verlangt, bedeutet dies <strong>für</strong><br />
die Betroffenen eine weitere<br />
Verschärfung der schon bestehenden<br />
gesellschaftlichen Ausgrenzung.<br />
Ohne ein Mindestmaß an Mobilität<br />
ist eine gesellschaftliche Teilhabe in<br />
unserer Gesellschaft nicht möglich.<br />
Für einkommensschwache Familien<br />
mit Kindern - in Oberhausen sind<br />
nach dem Familienbericht von 2006<br />
über 30% aller Familien arm oder<br />
unmittelbar von Armut bedroht – ist<br />
die Nutzung des öffentlichen<br />
Personennahverkehrs zum beinahe<br />
unerschwinglichen Luxus zu geworden.<br />
Schon jetzt stehen die Kosten<br />
<strong>für</strong> die individuelle Mobilität in keinem<br />
Verhältnis zu dem in Hartz-IV-<br />
Regelsatz vorgesehenen 14,26<br />
EURO monatlich <strong>für</strong> - wie es im<br />
Amtsdeutsch heißt - „fremde<br />
Verkehrsdienstleistungen”. Dieser<br />
Betrag langt noch nicht einmal <strong>für</strong><br />
zwei 4er-Tickets der Preisstufe A<br />
(Preis seit dem 1. August 2009: 8,00<br />
EURO), also 4 Fahrten (hin du<br />
zurück) innerhalb des Oberhausener<br />
Stadtgebiets.<br />
Um der seit langem von den verschiedenen<br />
gesellschaftlichen<br />
Gruppen erhobenen Forderung nach<br />
der Einführung eines Sozialtickets<br />
Nachdruck zu verleihen, hat sich nun<br />
auch in Oberhausen eine Initiative<br />
gegründet, die in einer breit angelegten<br />
Kampagne <strong>für</strong> dieses Ziel kämpfen<br />
will. Mit der Forderung der<br />
Initiative „Sozialticket Jetzt!“ kurzfristig<br />
und unbürokratisch ein<br />
Monats-Ticket zum Preis von 14,26<br />
EURO <strong>für</strong> alle Betroffenen einzuführen,<br />
soll versucht werden die<br />
Lebenssituation von Menschen mit<br />
geringen Einkünften direkt und<br />
unmittelbar zu verbessern und ihrer<br />
weiteren gesellschaftlichen Ausgrenzung<br />
entgegen zu wirken. Ein<br />
Sozialticket <strong>für</strong> Oberhausen ist ein<br />
erster Schritt gegen die weitere<br />
Ausgrenzung jener, die von den<br />
Herrschenden in grenzenlosen<br />
Zynismus mal als „Minderleister“,<br />
mal als „Enterbte und Blutleere“<br />
(Wolfgang Große Brömer –<br />
Fraktionsvorsitzender der SPD im<br />
Rat der Stadt) bezeichnet werden.<br />
Weitere Schritte werden folgen<br />
müssen!<br />
Schon morgen bist Du vielleicht gemeint<br />
Roland Koch fordert Arbeitpflicht <strong>für</strong> Hartz IV-Empfänger<br />
Sie haben noch ihren Arbeitsplatz?<br />
In Ihrer Firma gibt es noch keine<br />
Gerüchte über Stellenabbau und<br />
schlechter Auftragslage? Ja, dann<br />
lassen Sie uns doch gemeinsam mit<br />
Roland Koch auf die arbeitsscheuen<br />
Hartz IV-Empfänger einprügeln.<br />
Noch gehören wir ja nicht dazu.<br />
Seit 5 Jahren ist das SGB II-Gesetz<br />
(Hartz IV) in Kraft. Seitdem müssen<br />
alle Bezieherinnen und Bezieher<br />
von Leistungen jede Arbeit annehmen,<br />
egal was sie vorher gearbeitet<br />
oder verdient haben. Weiterhin sind<br />
sie bereits jetzt zu gemeinnütziger<br />
Arbeit verpflichtet (1-Euro-Jobs).<br />
Weigern sie sich tritt der sogenannte<br />
Sanktionsparagraph in Kraft. Das<br />
heißt, von den 351,00 Euro /Monat<br />
kann schrittweise bis auf Null (dann<br />
gibt es auch keine<br />
Krankenversicherung mehr) gestrichen<br />
werden.<br />
Fakt ist: In Oberhausen stehen den<br />
ca. 13.000 Erwerbslosen 1.<strong>17</strong>3 offene<br />
Stellen gegenüber (Stand. Juni<br />
2009). Fakt ist weiterhin: Der sogenannte<br />
Leistungsmissbrauch ist eine<br />
seltene Ausnahme (ca. 2%).<br />
Doch, lassen sie uns weiterhin<br />
gemeinsam auf die Hartz IV-<br />
Empfänger einprügeln. Dann sind<br />
wir genügend abgelenkt von den<br />
wirklichen Ausbeutern in unserer<br />
Gesellschaft, wie wäre es da z. B.<br />
mit Anton Schlecker?<br />
Arbeitslose, die nicht arbeiten<br />
stören ihn: Roland Koch, CDU<br />
(Bild: Armin Kübelbeck - Lizenz:<br />
Creative Commons)