17 Februar 10 - Paroli - Verein für politische Kultur eV
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<strong>Paroli</strong> Das linke Magazin <strong>für</strong> Oberhausen Nr. 16 <strong>Februar</strong> / März 20<strong>10</strong> Seite 4<br />
<strong>Paroli</strong> fühlt Niema Movassat auf den Zahn<br />
Gespräch mit dem Oberhausener Bundestagsabgeordneten<br />
Der Startschuss der neuen Legislaturperiode im Bundestag ist gefallen. Die<br />
Bundeskanzlerin hat in der Regierungserklärung die künftige schwarz-gelbe<br />
Gefahr, die auf uns alle zukommt, erkennen lassen. DIE LINKE hat ihr das erste<br />
<strong>Paroli</strong> geboten. Einer von ihnen ist der 24jährige Oberhausener Diplom-Jurist und<br />
frisch gewählte Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. <strong>Paroli</strong> sprach mit dem<br />
jungen Mann, der schon als Gymnasiast und Jahrgangssprecher mit<br />
Klassengefährtinnen gegen den Irakkrieg auf die Straße gegangen ist.<br />
<strong>Paroli</strong>: Die Parlamentsarbeit hat<br />
begonnen. Für Dich wird’s ernst. Hat<br />
Müntefering recht, ist Opposition<br />
Mist?<br />
Niema: Nein. Ich bin angetreten, um<br />
eine gute Oppositionsarbeit im<br />
Bundestag zu machen, die schwarzgelb<br />
vor sich hertreibt. SPD und<br />
Grüne haben in den vergangenen<br />
Koalitionen dem Sozialabbau als<br />
auch den Kriegen auf dem Balkan<br />
und in Afghanistan zugestimmt, so<br />
dass wir, DIE LINKE, die einzige friedliche<br />
und soziale Alternative sind.<br />
<strong>Paroli</strong>: Hast Du Visionen?<br />
Niema: Ich stelle mir eine andere,<br />
eine bessere Welt vor – ohne<br />
Hunger, ohne Krieg, ohne<br />
Faschismus, ohne Ausgrenzung,<br />
ohne Profitherrschaft. Wir sind im<br />
Moment weit weg von einer solchen<br />
Gesellschaft und wir werden viele<br />
Schritte gehen müssen, viele<br />
Aktionen im Parlaments und außerhalb<br />
machen müssen, um eine solche<br />
Welt zu schaffen.<br />
<strong>Paroli</strong>: Hat in dieser Vision ein<br />
sozialistisches Fernziel Platz?<br />
Niema: Ja. Ich bin Sozialist. Der<br />
Sozialismus, den ich anstrebe, muss<br />
demokratisch sein und er muss von<br />
den Menschen gewollt und gesellschaftlich<br />
breit getragen werden.<br />
<strong>Paroli</strong>: Der erste große Schlagabtausch<br />
in Berlin hat kürzlich stattgefunden.<br />
Neben den Themen in der<br />
sogenannten Generaldebatte interessieren<br />
unsere Leserinnen und Leser<br />
auch die Themen, die nicht angesprochen<br />
wurde. Welche kommunal<strong>politische</strong>n<br />
Vorstellungen werden beispielsweise<br />
in Deine Bundestagsarbeit<br />
einfließen?<br />
Niema: Die Kommunen müssen<br />
finanziell besser ausgestattet werden.<br />
Dazu brauchen wir eine<br />
Umverteilung von oben nach unten –<br />
also vom Bund und vom Land an die<br />
Gemeinden - um eine gerechtere<br />
Steuerverteilung zu bewirken. Wir<br />
müssen da<strong>für</strong> wirken, dass die<br />
Kommunen die finanziellen Mittel<br />
bekommen, die sie <strong>für</strong> die<br />
Daseinsvorsorge der Bevölkerung<br />
brauchen. Wenn die Kommunen<br />
Aufgaben von Bund und Land lösen,<br />
dann müssen Bund und Land <strong>für</strong><br />
einen gerechten Lastenausgleich sorgen.<br />
Ich will mich da<strong>für</strong> einsetzen,<br />
dass die kommunale Selbstverwaltung<br />
gestärkt wird.<br />
<strong>Paroli</strong>: Du bist in der<br />
Jugendorganisation „Linksjugend<br />
(‘solid)“ engagiert. Was haben junge<br />
Wählerinnen und Wähler von Dir zu<br />
erwarten?<br />
Niema: Da ist die<br />
Ausbildungsplatzabgabe, die ich helfen<br />
will durchzusetzen. Es kann nicht<br />
sein, dass junge Menschen Jahr <strong>für</strong><br />
Jahr die Schule verlassen und keinen<br />
Ausbildungsplatz finden. Ein weiteres<br />
Problem, das gelöst werden muss,<br />
sind die Praktika. Immer mehr junge<br />
Menschen werden von den<br />
Unternehmen in schlecht bezahlter<br />
Praktika ausgenutzt, obwohl sie studiert<br />
oder eine Ausbildung absolviert<br />
haben. Das muss gesetzlich geregelt<br />
werden. Dann muss der Bund wieder<br />
mehr bildungs<strong>politische</strong> Kompetenz<br />
bekommen; auch um nicht nur in<br />
Beton, sondern auch in<br />
Bildungsinhalte investieren zu können.<br />
<strong>Paroli</strong>: Man sieht Dir an, dass Du<br />
gerne lachst. Worüber besonders?<br />
Niema: Über <strong>politische</strong>s Kabarett.<br />
Über die spitzen Zungen von Hagen<br />
Rether und Volker Pispers beispielsweise.<br />
<strong>Paroli</strong>: Politische Kabarettisten<br />
scheinen derzeit die einzigen zu sein,<br />
die intellektuell unsere gesellschaftliche<br />
Wirklichkeit widerspiegeln. Wo<br />
bleibt das Engagement anderer<br />
<strong>Kultur</strong>schaffender?<br />
Niema: <strong>Kultur</strong> ist ganz wichtig; auch<br />
um soziale Probleme ins<br />
Bewusstsein zu bringen. Das <strong>politische</strong><br />
Kabarett leistet da sehr viel. Ich<br />
sehe aber auch <strong>politische</strong>s<br />
Engagement in anderen Bereichen;<br />
beispielsweise im Theater. Es gibt da<br />
das Theaterstück, „Hartzreise – zieht<br />
euch warm an“, in dem Hartz-IVempfänger<br />
ihre Probleme auf die<br />
Bühne bringen und öffentlich<br />
machen. In der sozialkritische<br />
Gegenwartsliteratur könnte sich<br />
deutlich mehr tun.<br />
<strong>Paroli</strong>: Viele bürgerliche<br />
Abgeordnete haben Nebenjobs,<br />
Beraterverträge etc. Hast Du auch so<br />
was?<br />
Niema Movssat<br />
Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB), Jugend<strong>politische</strong>r<br />
Sprecher im Parteivorstand DIE LINKE.<br />
Kontakt: Friedensplatz 8, 46045 Oberhausen<br />
mobil: 0<strong>17</strong>7 6503521<br />
www.movassat.de<br />
Niema: Nein. Ich werde mich ganz<br />
auf die <strong>politische</strong> Arbeit konzentrieren.<br />
<strong>Paroli</strong>: Hast Du in Berlin schon ein<br />
gutes persisches Restaurant gefunden?<br />
Niema: Nein. Auch da<strong>für</strong> hatte ich<br />
noch keine Zeit. Ich suche auch noch<br />
eine Wohnung.<br />
<strong>Paroli</strong>: Hast Du denn wenigstens ein<br />
Rezept <strong>für</strong> Dein Leibgericht Kebab-<br />
Soltani?<br />
Niema: Nein, das kann nur meine<br />
persische Mama richtig machen.<br />
<strong>Paroli</strong>: Wie ist die Atmosphäre in<br />
der Fraktion in Berlin?<br />
Niema: Insgesamt bis jetzt sehr kollegial.<br />
In den Sitzungen ist deutlich<br />
geworden, dass alle eine gute<br />
Oppositionsarbeit machen wollen.<br />
Nach den Plätzen <strong>für</strong> den<br />
Fraktionsvorstand gibt es keine feste<br />
Sitzordnung mehr und man kann sich<br />
Frei-Schnauze setzen.<br />
Das Interview führte Werner Finkemeier.<br />
Was ist die Ausbildungsplatzabgabe?<br />
Die Ausbildungsplatzabgabe ist eine Möglichkeit zur<br />
<strong>politische</strong>n Steuerung des Ausbildungsplatzangebotes.<br />
Unter der Forderung nach einer Ausbildungsplatzabe<br />
versteht man, dass Betriebe, die nicht genügend<br />
Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, Sonderabgaben<br />
abführen müssen. Die eingenommenen Gelder<br />
werden anderen Betrieben zur Verfügung gestellt, die<br />
ausbilden.<br />
Bundeswehr in Afghanistan. Wie lange noch? - Niema Movassat (Mitte)<br />
am 9. Dezember auf der Oberhausener Friedenskonferenz.<br />
Ziel ist es, durch einen finanziellen Anreiz mehr<br />
Unternehmen zur Ausbildung zu motivieren. Durch die<br />
Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe könnten sich<br />
Unternehmen auch nicht mehr ohne eigene Nachteile<br />
aus der Ausbildung zurückziehen - sie würden dann<br />
zumindest die Ausbildung in anderen Unternehmen mitfinanzieren,<br />
von der sie schließlich ebenfalls profitieren.