Nutzenfunktionen und Indifferenzkurven - Elektro Ehinger
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2 Haushaltstheorie<br />
2.1 <strong>Nutzenfunktionen</strong> <strong>und</strong> <strong>Indifferenzkurven</strong><br />
2.1.1 Gr<strong>und</strong>annahmen der Haushaltstheorie <strong>und</strong> deren Kritik<br />
Jeder Haushalt kennt in etwa sein Einkommen, auch kennt er die Bedürfnisse seiner Mitglieder. Das Ziel seines<br />
Handelns ist die Erstellung des optimalen Verbrauchsplan: Er möchte sein Einkommens in einer Weise<br />
verwenden, in der er ein Maximum an „Wohlfahrt“ erzielen kann, d.h., sein Einkommen so verwenden, daß die<br />
Güter, die er erwirbt, ihm in ihrer Gesamtheit einen maximalen Nutzen stiften.<br />
In der Realität agiert der Haushalt als eine Organisationseinheit, in der unterschiedliche individuelle Präferenzen<br />
aufeinander treffen, auf die von den übrigen Mitgliedern des Haushalts Rücksicht genommen wird. Seine<br />
Informationen sind beschränkt <strong>und</strong> ungleich verteilt. In dieser Umgebung werden individuell rationale<br />
Entscheidungen gegebenenfalls durch Entscheidungen ersetzt, die kollektiv rational sind.<br />
Diese Prozesse können jedoch nicht so abgebildet werden, daß noch sinnvolle Aussagen über Ursache-<br />
Wirkungs-Zusammenhänge getroffen werden könnten. Im mikroökonomischen Modell wird deshalb von stark<br />
vereinfachenden Annahmen ausgegangen:<br />
• Der Haushalt kennt alle Güter auf dem Markt.<br />
• Er kennt die Preise aller Güter.<br />
• Er kennt die technischen Eigenschaften der Güter hinsichtlich der Bedürfnisbefriedigung <strong>und</strong> kann ihr<br />
Preis-Leistungsverhältnis einschätzen. Der Haushalt will seinen Nutzen maximieren, d.h. er fragt<br />
diejenigen Güter nach, welche für sie das beste Preis-Leistungsverhältnis besitzen. Dabei ist er in der<br />
Lage, Bedürfnisse nach ihrer Dringlichkeit zu ordnen.<br />
• Er geht davon aus, daß sich Preise nicht durch das eigene Verhalten ändern.<br />
• Er kennt genau sein Periodeneinkommen.<br />
• Betrachtet werden nur individuell rationale Entscheidungen.<br />
Wenn wir davon ausgehen, daß ein Haushalt seinen Nutzen maximieren möchte, müssen wir danach fragen,<br />
welche Faktoren einen Einfluß auf das Nutzenniveau haben können, das ein Haushalt erreichen kann. Die<br />
wichtigsten Faktoren sind die folgenden:<br />
(1) Der Preis:<br />
Für die Konsumentscheidung spielt nicht nur der Preis des Gutes x, das gekauft werden soll, sondern<br />
auch der Preis anderer Güter eine Rolle. Zu denken ist dabei an solche Güter, die das Gut x ersetzen<br />
können (z.B. die Möglichkeit, Butter durch Margarine zu ersetzen), aber auch an solche, die regelmäßig<br />
in Verbindung mit ihm, sprich gemeinsam mit Gut x konsumiert werden (z.B. Autos <strong>und</strong> Benzin oder<br />
Pommes <strong>und</strong> Ketchup). Man nennt Güter, die sich im Konsum ersetzen, substitutiv, solche, die sich im<br />
Konsum ergänzen, komplementär.<br />
(2) Die Konsumsumme:<br />
Die Höhe der Summe, die für Konsum ausgegeben wird, ist abhängig von dem Vermögen <strong>und</strong><br />
Einkommen des Haushalts sowie von seinem Sparverhalten <strong>und</strong> den Möglichkeiten, Kredite<br />
aufzunehmen.<br />
(3) Die Bedarfsstruktur:<br />
Sie <strong>und</strong> ihre Bestimmungsgründe werden in der Mikroökonomie als gegeben angenommen <strong>und</strong>, weil<br />
sie von ökonomischen Größen unabhängig sind, nicht untersucht.<br />
(4) Sonstige Bestimmungsgründe:<br />
Hierzu zählen alle institutionellen <strong>und</strong> rechtlichen Gegebenheiten.<br />
In der unserer Analyse beschränken wir uns unter Berücksichtigung der ceteris paribus-Methode auf die<br />
Einflußfaktoren Preis <strong>und</strong> Einkommen.
2.1.2 Theorie der Konsumentenpräferenzen<br />
Die Haushaltstheorie geht davon aus, daß ein Haushalt im Rahmen seiner Konsummöglichkeiten danach strebt,<br />
seine Bedürfnisse so gut wie möglich zu befriedigen, er will seinen Nutzen maximieren.<br />
2.1.2.1 Kardinale Nutzentheorie<br />
Die auf Hermann Heinrich Gossen zurückgehende kardinale Nutzentheorie hielt den von einer Ware gestifteten<br />
Nutzen für gr<strong>und</strong>sätzlich meßbar.<br />
Die These der kardinalen Nutzentheorie ist, daß der Haushalt Nutzen (Befriedigung von Bedürfnissen) aus den<br />
Leistungen bestimmter Güter zieht. Der Gesamtnutzen läßt sich daher als Funktion der Gütermengen x 1 ,x 2 ,...,x n<br />
darstellen:<br />
U = U(x 1 ,x 2 ,...,x n )= U(x)<br />
Gossen glaubte erkennen zu können, daß der Gesamtnutzen mit jeder Mengeneinheit eines Gutes zunimmt, bis<br />
ein Sättigungspunkt erreicht ist. Des weiteren sei der Grenznutzen einer Ware um so geringer, je höher bereits<br />
die zur Verfügung stehende Menge ist. Der Grenznutzen (MU, marginal utility) gibt an, um wieviel Einheiten<br />
der Nutzen steigt, wenn sich die Menge eines Gutes infinitesimal erhöht, also hier:<br />
∂U<br />
MU=<br />
∂x<br />
Dies erscheint plausibel: Je mehr ein Haushalt bereits von einem Gut besitzt, desto weniger wird ihn eine kleine<br />
Mengensteigerung freuen. Hat er jedoch nur wenig von dem Gut, stellt auch eine kleine Steigerung der Menge<br />
eine Verbesserung für ihn da.<br />
Die Annahme eines zwar positiven, aber abnehmenden Grenznutzens wird als erstes Gossensches Gesetz<br />
bezeichnet:<br />
1. Gossensches Gesetz<br />
Mit zunehmendem Nutzen nimmt der Grenznutzen ab. Die erste Ableitung der Nutzenfunktion für eine Ware i<br />
ist also positiv, die zweite negativ:<br />
∂U<br />
∂x<br />
2<br />
i<br />
> 0<br />
∂ U<br />
< 0<br />
2<br />
∂y<br />
i<br />
U<br />
A<br />
∂ U<br />
∂<br />
y<br />
i<br />
∂ U<br />
∂<br />
y<br />
i<br />
U(y i<br />
)<br />
Α<br />
y i<br />
y i<br />
Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage diskutierte Gossen, wie der Haushalt unter gegebenen Nebenbedingungen seinen Nutzen<br />
maximieren könne.<br />
Angenommen, ein Haushalt wolle sein gesamtes Budget auf Gummibären <strong>und</strong> Schokolade aufteilen <strong>und</strong> hätte<br />
die beiden Güter so kombiniert, daß die Gummibärchen einen Grenznutzen von 6 <strong>und</strong> die Schokolade einen<br />
Grenznutzen von 3 stifte. Die Preise seien 3 für die Gummibären <strong>und</strong> 1 für die Schokolade. Der Grenznutzen<br />
von Gummibären ist dann nur doppelt so hoch wie der von Schokolade, der Preis aber dreimal so hoch. Der<br />
Haushalt kann sich also verbessern, sprich seinen Nutzen erhöhen, wenn er mehr Schokolade <strong>und</strong> weniger Bären<br />
kauft, denn die Schokolade stiftet im Vergleich einen höheren Nutzen (3/1 vs. 6/3). Der Nutzen ist dann<br />
maximal, wenn beide Güter im Vergleich zu ihrem Preis den gleichen Grenznutzen stiften.
Diese Beziehung nennt man das zweite Gossensche Gesetz:<br />
2. Gossensches Gesetz<br />
Der Haushalt verteilt sein Einkommen auf zwei Güter 1 <strong>und</strong> 2 so, daß der marginale Nutzen für jedes Gut<br />
proportional zum Preis ist. Das Verhältnis aus Grenznutzen <strong>und</strong> Preis der Ware ist im Haushaltsgleichgewicht<br />
damit für alle Waren identisch:<br />
∂U<br />
∂ x<br />
p<br />
1<br />
1<br />
∂U<br />
∂ x<br />
=<br />
p<br />
2<br />
2<br />
∂U<br />
∂ x<br />
p<br />
ist der Grenznutzen der letzten DM, die auf x verwendet wird.<br />
Im Haushaltsgleichgewicht stiftet die letzte Geldeinheit in allen Verwendungsarten den gleichen Nutzen.<br />
2.1.2.2 Ordinale Nutzentheorie<br />
Aus der Überzeugung, daß der Nutzen eine rein subjektive Kategorie sei, die von einer objektiven Messung nicht<br />
erfaßt werden könne, entwickelte Vilfredo Pareto die ordinale Nutzentheorie, die, anders als die kardinale<br />
Nutzentheorie, nicht verlangt, daß der Haushalt den absoluten Nutzen eines Gutes oder Güterbündels bestimmen<br />
kann. Er muß aber in der Lage sein, den Nutzen der Güter oder Güterbündel, die er zu seiner Bedarfsdeckung<br />
verwendet, zu beurteilen <strong>und</strong> die Güterbündel nach ihrem Nutzen ordnen können. Diese Rangfolge wird<br />
Präferenzordnung genannt. Für die Präferenzordnung spielen nur die Eigenschaften <strong>und</strong> die Gütermengen eine<br />
Rolle, nicht jedoch die Preis. Die Präferenzordnung muß, damit der Haushalt seinen Nutzen maximieren kann,<br />
bestimmte formale Eigenschaften aufweisen, die Pareto als Axiome formulierte:<br />
• Vollständige ordinale Vergleichbarkeit<br />
Für alle Güterbündel Y i , Y j gilt entweder Y i φ Y j oder Y i π Y j oder Y i ≈ Y j .<br />
Alle Güterbündel der Konsummenge werden durch die Präferenzordnung erfaßt <strong>und</strong> können somit<br />
miteinander verglichen werden, d.h. der Haushalt kann angeben, ob er ein Güterbündel dem anderen<br />
vorzieht oder ob die Güterbündel in seinen Augen gleichwertig sind. Ein Güterbündel ist eine<br />
bestimmte Mengenkombination verschiedener Güter.<br />
• Transitivität<br />
Wenn Y 1 >Y 2 <strong>und</strong> Y 2 >Y 3 , dann gilt auch Y 1 >Y 3 .<br />
Dieses Axiom wird auch als Widerspruchsfreiheit bezeichnet. 1<br />
• Nichtsättigung<br />
Wenn Y 1 >Y 2 , dann gilt auch Y 1 φY 2 .<br />
Jede zusätzliche Einheit eines Gutes stiftet zusätzlichen Nutzen, eine Sättigungsgrenze wie bei Gossen<br />
gibt es nicht.<br />
1 Es ist jedoch nicht ganz unproblematisch: Die Mikroökonomie betrachtet Haushalte, also Mehr-Personengesellschaften, wo es durchaus zu<br />
widersprüchlichem Abstimmungsverhalten kommen kann.<br />
Ein Beispiel ist das Arrow-Paradoxon: Zwei Individuen haben a > b > c <strong>und</strong> der Dritte b > a >c. Hier ist die Erwartung, daß a besser ist als<br />
b. Wenn aber die ersten beiden die Präferenzordnung a > b > c haben <strong>und</strong> der Dritte b > c > a, dann könnte man meinen, daß die<br />
gesellschaftliche Ordnung bei a > b > c bleibt. Hier ist nun das Problem der Wertung von a, was bei der dritten Person ja am schlechtesten<br />
abschneidet. Daher könnte auch b die beste Alternative sein.
Anmerkung: In der ordinalen Nutzentheorie gibt es noch drei andere Axiome, die Reflexivität, die Stetigkeit <strong>und</strong><br />
die Konvexität, die v.a. für mathematische Operationen notwendige Voraussetzungen sind. Sie sind in der<br />
folgenden Tabelle kurz dargestellt:
2.1.3 <strong>Indifferenzkurven</strong> <strong>und</strong> deren Eigenschaften<br />
Mit diesen Axiomen können wir die Präferenzordnung eines<br />
Haushalts graphisch darstellen. Dazu benutzen wir<br />
<strong>Indifferenzkurven</strong>. Eine Indifferenzkurve ist der<br />
geometrische Ort aller Gütermengenkombinationen, die von<br />
dem Haushalt gleich bewertet werden, denen er also<br />
indifferent gegenübersteht.<br />
Eine Indifferenzkurve, die im Koordinatensystem weiter<br />
rechts liegt, wird einer weiter links liegenden vorgezogen,<br />
denn hier erhält der Haushalt mehr Mengeneinheiten<br />
zumindest eines Güterbündels. Nach dem Nicht-<br />
Sättigungsaxiom zieht er größere Mengen kleinen vor. In<br />
der Abbildung wird jeder Punkt der Kurve III den Punkten<br />
der Kurve II <strong>und</strong> damit der Kurve I vorgezogen.<br />
y 1<br />
y 2<br />
III<br />
II<br />
I<br />
Eigenschaften von <strong>Indifferenzkurven</strong>:<br />
• Durch jeden Punkt im Güterraum verläuft eine Indifferenzkurve, da der Konsument jedes<br />
beliebige Güterbündel vergleichend bewerten kann.<br />
Dies folgt aus dem Axiom der Vollständigkeit.<br />
• <strong>Indifferenzkurven</strong> können sich nicht berühren oder schneiden.<br />
Dies kann man durch einen indirekten Beweis zeigen: Wir<br />
nehmen an, ein Haushalt habe das in der Abbildung<br />
dargestellte <strong>Indifferenzkurven</strong>system. X 1 <strong>und</strong> X 2 liegen auf<br />
einer Indifferenzkurve, der Haushalt ist ihnen gegenüber<br />
indifferent: X 1 ≈ X 2 . Das gleiche gilt für X 1 <strong>und</strong> X 3 , auch sie<br />
liegen auf einer Indifferenzkurve: X 1 ≈ X 3 . Nach dem<br />
Transitivitätsaxiom müßte dann gelten: X 2 ≈X 3<br />
<strong>Indifferenzkurven</strong> stellen jedoch annahmegemäß<br />
unterschiedliche Präferenzniveaus dar, daher wird ein Bündel<br />
dem anderen strikt vorgezogen. Ein Haushalt kann deshalb<br />
nicht indifferent zwischen zwei Bündeln sein, die auf zwei<br />
verschiedenen <strong>Indifferenzkurven</strong> liegen, das würde formal bedeuten, daß zugleich X 2 ≈X 3 als auch<br />
X 2 πX 3 gelten müßte, was offensichtlich ein Widerspruch ist.<br />
Auch die Abbildung macht das deutlich: X 3 enthält von beiden Güterbündeln x 1 <strong>und</strong> x 2 mehr<br />
Mengeneinheiten als X 2 , nach dem Nichtsättigungsaxiom muß er deshalb Güterbündel X 3 vorziehen.<br />
• <strong>Indifferenzkurven</strong> können sich nicht zurückbiegen,<br />
denn sonst gäbe es auf dem sich zurückbiegenden Ast Güterbündel, die bei gleichbleibender Menge des<br />
einen Gutes mehr Mengeneinheiten des anderen Gutes enthielten, was somit ein Widerspruch gegen das<br />
Axiom der Nichtsättigung wäre.<br />
• <strong>Indifferenzkurven</strong> sind konvex zum Ursprung.<br />
Wir gehen von konvexen <strong>Indifferenzkurven</strong> aus, bei denen einen<br />
Haushalt einen Durchschnitt, eine Mischung aus zwei<br />
Güterbündeln den Extremen vorzieht. 2 Für Einbußen an Gut 1<br />
will der Haushalt durch stetige Zunahmen der Menge an Gut 2<br />
entschädigt werden.<br />
Wie groß diese Entschädigung ausfallen muß, läßt sich mit Hilfe<br />
der Grenzrate der Substitution zeigen.<br />
y 1<br />
Y 1 Y 2 III<br />
II<br />
I<br />
y 2<br />
2 Es gibt auch konkav verlaufende <strong>Indifferenzkurven</strong>, bei denen Extreme einem Durchschnitt der Güterbündel vorgezogen werden. Wir<br />
beschränken unsere Betrachtung auf konvex verlaufende <strong>Indifferenzkurven</strong>.
2.1.4 Die Grenzrate der Substitution<br />
Schon im Zusammenhang mit dem 1. Gossenschen<br />
Gesetz sind wir auf den Begriff des Grenznutzens<br />
eingegangen, der die Veränderung des Nutzens durch den<br />
Konsum einer zusätzlichen (infinitesimal kleinen) Einheit<br />
eines Gutes beschreibt. Wir können ihn nun verwenden,<br />
um im Rahmen der ordinalen Nutzentheorie die<br />
sogenannte Grenzrate der Substitution (MRS – marginal<br />
rate of substitution) herzuleiten.<br />
Die Grenzrate der Substitution ist die Steigung der<br />
Indifferenzkurve in einem Punkt. Sie gibt die Rate an, zu<br />
der ein Konsument bereit ist, daß eine Gut durch ein<br />
anderes zu substituieren.<br />
Angenommen, der Konsumenten verliere ein wenig von<br />
Gut 1, ∆x 1 . Damit er auf der selben Indifferenzkurve<br />
bleiben, sein Nutzenniveau konstant halten kann, muß er<br />
eine Menge von Gut 2, ∆x 2 erhalten, die gerade ausreicht,<br />
die Nutzeneinbuße, die durch den Verlust der Menge an Gut 1 entstanden ist, auszugleichen. Der Konsument soll<br />
also nach der Substitution von x 1 durch x 2 genauso gut gestellt sein wie zuvor. Das Verhältnis ∆x 2 /∆x 1 ist<br />
demnach die Rate, zu der der Konsument bereit ist, Gut 2 für Gut 1 zu substituieren (=subjektive<br />
Alternativkosten). Betrachtet man marginale Änderungen der Gütermenge x 1 , gelangt man zur Grenzrate der<br />
Substitution.<br />
Formal bedeutet das, daß sich Veränderungen im Nutzenniveau, die durch Substitutionsvorgänge zwischen<br />
Güterbündeln ausgelöst werden, zu Null addieren müssen. Die Veränderungen des Nutzens eines einzelnen<br />
Gutes bei Mengenänderungen lassen sich über seinen Grenznutzen beschreiben, also mit Hilfe einer partiellen<br />
Ableitung der Nutzenfunktion. Die Veränderung des Gesamtnutzens muß sich demnach über das totale<br />
Differential beschreiben lassen. Der Haushalt möchte sein Nutzenniveau konstant halten. Deshalb muß das totale<br />
Differential Null ergeben:<br />
∂U<br />
∂U<br />
dU = dx1<br />
+ dx2<br />
= 0<br />
∂x1<br />
∂x2<br />
Wir fassen zusammen:<br />
Formal erhält man die Grenzrate der Substitution aus dem totalen Differential der Nutzenfunktion:<br />
∂U<br />
∂U<br />
!<br />
dU = dx1<br />
+ dx2<br />
= 0<br />
∂ x1<br />
∂ x2<br />
Daraus folgt:<br />
∂U<br />
dx1<br />
∂ x2<br />
dx 1<br />
= , wobei < 0, da ein mehr an x2 immer ein weniger an x<br />
dx ∂U<br />
1 bedeutet.<br />
2<br />
dx2<br />
∂ x1<br />
Das Verhältnis der Grenznutzen ist umgekehrt proportional zur Grenzrate der Substitution. Dabei handelt es sich<br />
um eine Identitätsgleichung: Die Grenznutzenverhältnisse von Gütern sind gerade über die<br />
Ersetzungsverhältnisse des Haushalts definiert.<br />
Zu beachten ist hier der Unterschied zwischen der kardinalen <strong>und</strong> der ordinalen Nutzentheorie:<br />
Während in der kardinalen Nutzentheorie von der Meßbarkeit <strong>und</strong> interpersonellen Vergleichbarkeit des<br />
Grenznutzens ausgegangen wurde, ist in der ordinalen Nutzentheorie der Grenznutzen eine aus der MRS<br />
abgeleitete Größe. Er ist damit nur beim Vergleich mehrerer Güter interpretierbar.<br />
Wir haben konvexe <strong>Indifferenzkurven</strong> unterstellt. Bei konvexen <strong>Indifferenzkurven</strong> nimmt die Grenzrate der<br />
Substitution ab. Dies erscheint plausibel: Je mehr ein Konsument schon von Gut 1 abgegeben hat, desto weniger<br />
wird er zu weiteren Abgaben bereit sein, oder anders: Desto mehr wird er von Gut 2 bei weiteren Abgaben<br />
verlangen, um sein Nutzenniveau waren zu können. Das Verhältnis, zu dem jemand x 1 für x 2 auszutauschen<br />
bereit ist, nimmt mit steigendem x 1 ab.
2.1.5 Ableitung des Nutzengebirges<br />
Wenn wir lediglich zwei Güter betrachten, können wir die Nutzenfunktion graphisch darstellen. Hier sind die<br />
„Nutzengebirge“ einer peripher substituierbaren (links) <strong>und</strong> einer alternativ substituierbaren (rechts)<br />
Nutzenfunktion dargestellt. Bei alternativ substituierbaren Güter hat der Haushalt selbst dann einen Nutzen,<br />
wenn er nur über eines der Güter verfügt, bei peripher substituierbaren Gütern benötigt er stets beide Güter.<br />
Mit einem Längsschnitt lassen sich partielle <strong>Nutzenfunktionen</strong> darstellen, bei der sich nur die Menge eines Gutes<br />
verändert, die des anderen aber konstant bleibt (links).<br />
U = U(x 1 , x 2)<br />
oder U(x 1 ), da x 2 konstant. (analog: senkrecht zur Gr<strong>und</strong>fläche, parallel zur y-Achse: U(x 2 )).<br />
Horizontale Schnitte parallel zur x 1 , x 2 -Ebene ergeben hingegen die <strong>Indifferenzkurven</strong> (rechts):<br />
U = U (x,y)
2.1.6 Zentrale Begriffe in Abschnitt 2.1<br />
ökonomische Rationalität<br />
Der ökonomische Rationalitätsbegriff wird vollständig von den Axiomen der Präferenztheorie erfaßt. Er<br />
impliziert damit die Maximierung des Nutzenindexes unter gegebenen Nebenbedingungen, die durch<br />
die Präferenzordnung, die Erstausstattungen <strong>und</strong> die Marktbedingungen konkretisiert werden.<br />
Da keine Aussagen über die Inhalte von Präferenzordnungen getroffen werden, können auch Wünsche,<br />
die im Rahmen anderer Theorien als irrational gelten, ökonomisch dann rational sein, wenn sie die<br />
Axiome der Transitivität, Reflexivität, Nicht-Sättigung, Vollständigkeit <strong>und</strong> Konvexität erfüllen. Der<br />
Rationalitätsbegriff bezieht sich daher auf Zweck-Mittel-Relationen.<br />
Nutzen<br />
Ausdruck für die relative Wertschätzung der Güter.<br />
Grenznutzen<br />
Der von einer infinitesimal kleinen Erhöhung eines Gutes hervorgerufene Nutzenzuwachs. Im Rahmen<br />
der kardinalen Nutzentheorie wurde von der Meßbarkeit <strong>und</strong> interpersonellen Vergleichbarkeit des<br />
Grenznutzens ausgegangen, im Rahmen der ordinalen Theorie ist der Grenznutzen eine aus der<br />
Grenzrate der Substitution abgeleitete Größe, die nur beim Vergleich mehrerer Güter interpretierbar ist.<br />
Erstes Gossensches Gesetz<br />
Annahme eines sinkenden Grenznutzens bei steigender Konsummenge.<br />
Zweites Gossensches Gesetz<br />
Nach Gossen ist das Haushaltsgleichgewicht dann erreicht, wenn die letzte Geldeinheit in allen<br />
Verwendungsarten den gleichen Nutzen stiftet.<br />
kardinale Nutzentheorie<br />
Vorstellung, daß der aus dem Konsum eines Gutes gezogene Nutzen metrisch meßbar <strong>und</strong> damit<br />
interpersonell vergleichbar sei. Zentrale Annahme ist die Gültigkeit der beiden Gossenschen Gesetze.<br />
ordinale Nutzentheorie<br />
Die auf Pareto zurückgehende ordinale Nutzentheorie nimmt von der metrischen Meßbarkeit <strong>und</strong><br />
interpersonellen Vergleichbarkeit des Nutzens Abstand. Zentrale Annahme ist die Annahme einer<br />
sinkenden Grenzrate der Substitution.<br />
Indifferenzkurve<br />
Geometrischer Ort aller Güterbündel, mit denen ein Haushalt den gleichen Nutzenindex erreicht. Ihre<br />
Steigung ist die MRS.<br />
Grenzrate der Substitution (MRS)<br />
Entspricht der Steigung der Indifferenzkurve <strong>und</strong> gibt an, wieviel Einheiten einer Ware i mit einer<br />
Einheit einer Ware j ersetzt werden können, damit der Haushalt auf dem gleichen Nutzenniveau bleibt.<br />
2.1.7 Literatur zu Abschnitt 2.1<br />
Wied-Nebbeling / Schott, Gr<strong>und</strong>lagen der Mikroökonomik, Heidelberg 1998, S. 13-17; 23-39.<br />
Feess, Mikroökonomie. Eine spieltheoretisch- <strong>und</strong> anwendungsorientierte Einführung, 2. Auflage, Marburg<br />
2000, S.183-193.<br />
Feess / Tibitanzl, Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften, Bd.1. Mikroökonomie, 2. Auflage, München<br />
1997, S. 5-11.<br />
Varian, Gr<strong>und</strong>züge der Mikroökonomie, 5. Auflage, München, Wien 2001.<br />
Mas-Colell / Whinston / Green, Microeconomic Theory, New York, Oxford 1995, S. 5-9; 41-50.
2.1.8 Aufgaben zu Abschnitt 2.1<br />
1. Bei einem knappen Gut<br />
ist immer mehr vorhanden als gebraucht wird<br />
ist ein Zuteilungsverfahren erforderlich<br />
ist die Nachfrage größer als das Angebot, wenn das Gut nichts kostet<br />
ist stets ein Preis p>0 vorhanden<br />
betrifft die Nachfrage stets ein seltenes Gut<br />
2. Das erste Gossensche Gesetz<br />
sagt etwas über den Ausgleich der Grenznutzen zweier Güter<br />
besagt eine Abnahme des Grenznutzens bei steigendem Konsum eines Gutes<br />
kennt auch negative Grenznutzenwerte<br />
besagt, daß der Geldgrenznutzen im Haushaltsgleichgewicht in allen Verwendungen gleich<br />
ist<br />
behauptet, daß der Grenznutzen sich asymptotisch dem Wert Null nähert.<br />
3. Die Aussage des zweiten Gossenschen Gesetzes<br />
besagt, daß der Geldgrenznutzen im Haushaltsgleichgewicht in allen Verwendungen gleich<br />
ist<br />
beinhaltet gleiche Geldausgaben für alle Güter<br />
besagt gleichen Nutzenzuwachs durch die letzte Geldeinheit, unabhängig von der<br />
Verwendung<br />
besagt, daß sich der Haushalt so verhält, daß das Preisverhältnis dem negativen reziproken<br />
Verhältnis der Grenznutzen gleich wird.<br />
4. Eine Indifferenzkurve ist<br />
eine sog. Iso-Nutzenkurve<br />
eine zusammenhängende (dichte) Punktemenge im Konsumraum<br />
eine zum Ursprung konvexe Kurve, die keine der Achsen schneiden darf<br />
der geometrische Ort aller Güter-Kombinationen gleicher Präferenz<br />
nicht existent, da der Haushalt nie indifferent ist.<br />
5. <strong>Nutzenfunktionen</strong> <strong>und</strong> ihre Eigenschaften<br />
Betrachtet Sie die folgenden <strong>Indifferenzkurven</strong> ausgewählter <strong>Nutzenfunktionen</strong> U(x 1 ,x 2 ).<br />
Unterstellen sie, daß die partielle Ableitung nach x 1 bei allen drei <strong>Nutzenfunktionen</strong> positiv ist. Was gilt<br />
jeweils für den Grenznutzen von x 2 sowie die Grenzrate der nutzenmäßigen Substitution? Begründen<br />
Sie ihre Antwort ökonomisch!<br />
6. Grenzrate der nutzenmäßigen Substitution
Der Student Hugo K. hat eine Schwäche für kalorienreiche Leckereien. Er ist im Besitz von 6 Tüten<br />
Kartoffelchips (x 1 ) <strong>und</strong> 8 Tafeln Schokolade (x 2 ). Seine Präferenzen hinsichtlich dieser Leckereien<br />
lassen sich durch folgende <strong>Nutzenfunktionen</strong> beschreiben:<br />
U(x 1 , x 2 ) = (x 1 – 2) (x 2 – 4).<br />
a. Wie viele Tüten Chips würde Hugo mindestens fordern, wenn sein Fre<strong>und</strong> Egon ihn um 2<br />
dringend benötigte Tafeln Schokolade bittet? Verdeutlichen Sie ihr Ergebnis anhand einer<br />
Graphik.<br />
b. Berechnen Sie Hugos Grenzrate der Substitution von Kartoffelchips durch Schokolade vor <strong>und</strong><br />
nach dem Tausch!<br />
7. <strong>Indifferenzkurven</strong><br />
Für ein Wirtschaftssubjekt hat die Nutzenfunktion die Gestalt U= y1⋅<br />
y2 , wobei y 1 <strong>und</strong> y2, die<br />
Mengen zweier Güter angeben. Die Ausgabensumme beträgt E = 600 GE <strong>und</strong> die Güterpreise sind<br />
p1 = 25 GE <strong>und</strong> p2 = 30 GE.<br />
a. Berechnen Sie für das Haushaltsgleichgewicht die Grenzrate der Substitution (GRS) von Gut 2<br />
durch Gut 1. Was besagt die GRS?<br />
b. Warum können sich <strong>Indifferenzkurven</strong> nicht schneiden? Greifen Sie bei ihrer Begründung auf<br />
die Annahmen der Transitivität <strong>und</strong> Nichtsättigung zurück.