22.11.2013 Aufrufe

Ein süßer Trost ist ihm geblieben …* - Durchblick

Ein süßer Trost ist ihm geblieben …* - Durchblick

Ein süßer Trost ist ihm geblieben …* - Durchblick

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Philosophie<br />

finden. In ihr laufen die Prozesse nach dem Kausalitätsprinzip<br />

von Ursache und Wirkung ab, ohne Rücksicht auf<br />

jedes Leben. Hier gelten die nackten, kalten physikalischen<br />

Naturgesetze und die kennen keinen <strong>Trost</strong>. Aber auch in<br />

dem Bereich der Natur, da, wo sich Leben entwickelt hat,<br />

sagt uns die Evolutionstheorie, galt und gilt bis heute das<br />

Verhalten von Lebewesen ausschließlich der Strategie des<br />

eigenen Überlebens. Wie ideenreich die Natur dabei <strong>ist</strong>, erkennen<br />

wir an der ungezählten Vielfalt und Fülle unterschiedlicher<br />

Lebensformen, die es auf dieser Erde gibt. Jede<br />

Gattung, jede Art hat ihre eigene Lebensstrategie<br />

entwickelt. Angefangen vom Gesetz des Stärkeren, bis hin<br />

zu der Fähigkeit der besseren Anpassung an die äußeren Lebensbedingungen.<br />

Nur der Siegreiche, der Clevere, hat in<br />

der freien Natur auf die Dauer eine Chance. Und in diesem<br />

„Lebenskampf“, dem Fressen und Gefressenwerden, dem<br />

Friss-oder-stirb-Prinzip, <strong>ist</strong> kein Platz für so etwas wie<br />

„<strong>Trost</strong>“. Zum Überleben <strong>ist</strong> er nicht notwendig und von daher<br />

auch keine natürlich-nützliche Fähigkeit. Aber, wenn<br />

dem so <strong>ist</strong>, wenn er keinen natürlichen Ursprung hat, woher<br />

kommt er dann? Wo hat er seinen Ursprung? Wann in<br />

der Menschheitsgeschichte hat der Mensch begonnen, den<br />

Anderen zu trösten? Und warum? Ist die <strong>Trost</strong>bedürftigkeit<br />

des Menschen eine zwingende Folge seiner höher entwickelten<br />

ge<strong>ist</strong>igen Fähigkeit, genauer, seines eigenen<br />

Sich-Selbst-Bewusstseins? Ist für den Menschen im Laufe<br />

seiner Entwicklung der <strong>Trost</strong> lebensnotwendig geworden,<br />

gewissermaßen zu einer Bedingung seiner Ex<strong>ist</strong>enz? Wie<br />

sähe menschliches Leben auf unserer Erde aus, wenn es die<br />

Gabe des <strong>Trost</strong>es nicht geben würde? Für mich viele offene<br />

und interessante Fragen (nicht nur) an die philosophische<br />

Anthropologie und Sozialanthropologie, denen ich<br />

aber hier nicht nachgehen möchte.<br />

Worum es mir bei diesem kleinen Gedankenweg geht,<br />

<strong>ist</strong> der <strong>Trost</strong> selbst, in seinen unterschiedlichsten Ausdrucksweisen<br />

und Anlässen. Sie beginnen ja schon im Kleinen<br />

und bei den Kleinen. Bereits ein kleines Kind bedarf<br />

des <strong>Trost</strong>es und wir zögern keinen Augenblick, ihn zu gewähren,<br />

wenn <strong>ihm</strong> sein Luftballon platzt, sein leckeres Eis<br />

auf die Straße fällt, oder wenn im Urlaub die einsetzende<br />

Flut seine schöne Sandburg zerstört. Zum Glück hilft hier<br />

der <strong>Trost</strong> in Form geeigneter Maßnahmen me<strong>ist</strong> recht<br />

schnell. Mit dem Erwachsenwerden wird das Leben vielseitiger,<br />

aber gleichzeitig auch komplizierter, und die Situationen,<br />

in denen es gilt <strong>Trost</strong> zu spenden, werden<br />

schwieriger. Ich kann sie hier nicht alle aufzählen und erinnere<br />

deshalb beispielhaft nur an den ersten „untröstlichen“<br />

Liebeskummer eines Teenagers, der nicht mehr so<br />

einfach zu behandeln <strong>ist</strong>, wie ein heruntergefallenes Eis. So<br />

gesehen, gibt es im Leben von uns Menschen, um es etwas<br />

unschön und technisch auszudrücken, unterschiedliche<br />

„Schwierigkeitsgrade“ für den <strong>Trost</strong>. Angefangen vom<br />

kleinen Wehwehchen, über die vielen alltäglichen Enttäuschungen,<br />

bis hin zum Verlust von uns nahe stehenden<br />

Menschen und schweren, schicksalhaften Lebenssituationen,<br />

<strong>Trost</strong> <strong>ist</strong>… Lichtblick und Wärme in den dunklen Tagen<br />

unseres Lebens, wenn wir erstarren und unsere Gefühle zu<br />

erfrieren drohen.<br />

wo auch der <strong>Trost</strong> an seine Grenzen stößt und ohne ihn das<br />

Leben in der „<strong>Trost</strong>losigkeit“ zu ersticken droht.<br />

Aber, Gott sei’s gedankt. Wir Menschen haben, zum<br />

Glück, in unserer langen kulturellen Entwicklung vielfältige<br />

Formen und hilfreiche Wege des <strong>Trost</strong>es gefunden.<br />

<strong>Trost</strong> <strong>ist</strong> wie eine Arznei. Sie gibt es in verschiedenen<br />

Stärken und Ausführungen, angefangen vom kleinen <strong>Trost</strong>pflaster<br />

bis hin zu einem intensiven Heilmittel mit Tiefenwirkung.<br />

Ihr Wirkungsbereich und ihre Dosierung richten<br />

sich nach der Schwere der Erkrankung und der persönlichen<br />

Verfassung des Patienten. In den Regalen der „<strong>Trost</strong>-<br />

Apotheke“ <strong>ist</strong> alles zu finden, was den Menschen innerlich<br />

wärmt, ihn aufrichtet, seine Lebenskraft und Lebensfreude<br />

wieder stärkt. Da steht der <strong>Trost</strong> der Religion neben dem<br />

<strong>Trost</strong> der Philosophie und der <strong>Trost</strong> der Dichtung neben<br />

dem <strong>Trost</strong> der Musik und der Natur, um nur einige aufzuzählen.<br />

All diese Arzneimittel des <strong>Trost</strong>es sind nicht<br />

rezeptpflichtig und ohne jede Zuzahlung überall in der Welt<br />

kostenlos erhältlich. Nehmen Sie mit mir nur einige kleine<br />

Kostproben und lassen Sie mich versuchen, ihre Wirkung<br />

ein wenig zu beschreiben.<br />

➤<br />

durchblick 4/2004 15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!