Au s g ab e 0 1 / 0 9 Ausgabe Palliativversorgung - HealthCare ...
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Abschied<br />
28<br />
Klinische Ethikberatung:<br />
Jeder Mensch hat das Recht auf<br />
Von Irene Graefe<br />
Bei seiner Gründung im Jahr 2000 war das Klinische Ethik-Komitee<br />
(KEK) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eines<br />
der ersten in Deutschland. Zählte es in den Anfängen wenige Anfragen<br />
pro Jahr, erhält das KEK-Team inzwischen eine pro Woche.<br />
Es hat sich mittlerweile als Ansprechpartner in Konfliktsituationen<br />
– wie in der Frage, ob eine Therapie <strong>ab</strong>gebrochen oder weitergeführt<br />
werden soll – bewährt. Bewusst ist das KEK ein Angebot<br />
im Rahmen der Patientenversorgung und nicht in der Forschung.<br />
<strong>HealthCare</strong> Journal sprach mit dem KEK-Vorsitzenden, Dr. Gerald<br />
Neitzke, wie die 17 ehrenamtlichen Mitarbeiter ihre <strong>Au</strong>fg<strong>ab</strong>en verstehen<br />
und erfüllen.<br />
An der Medizinischen Hochschule Hannover bietet das Klinische<br />
Ethik-Komitee klinische Ethikberatung an. Worum geht<br />
es d<strong>ab</strong>ei?<br />
Neitzke: Eine der <strong>Au</strong>fg<strong>ab</strong>en ist die Einzelfallberatung: Wir beraten<br />
Menschen, die sich in einem moralischen Konflikt befinden. Das<br />
sind in erster Linie Ärzte und Ärztinnen der MHH, <strong>ab</strong>er auch Pflegende,<br />
Patienten, Angehörige. Die können sich an uns wenden, um<br />
bei uns eine un<strong>ab</strong>hängige Beratung zu erhalten.<br />
Welchen Rahmen hat eine Beratung des Klinischen Ethik-Komitees?<br />
Neitzke: Typischerweise sieht das so aus, dass wir eine große<br />
Fallbesprechungsrunde zusammenrufen, an der alle Betroffenen<br />
– also Ärzte, Pflegende und Angehörige respektive Patienten – teilnehmen<br />
und einen Konsens suchen.<br />
Konsens heißt, eine Entscheidung zu treffen, mit der alle leben<br />
können?<br />
Neitzke: Ja, das ist unsere Formel: Konsens ist immer dann erreicht,<br />
wenn wir eine Lösung anbieten, die aus Sicht aller Betroffenen<br />
tragfähig erscheint. Das heißt nicht immer, dass am Ende alle derselben<br />
Meinung sind. Es kann sich in einer offenen und ehrlichen<br />
Atmosphäre durchaus ergeben, dass jemand sagt: Ich selbst würde<br />
anders entscheiden, <strong>ab</strong>er ich sehe, dass wir hier alle gemeinsam<br />
diesen Weg gehen und unterstütze das.<br />
Bleibt dann bei jemandem, der eventuell anders entscheiden<br />
würde, nicht doch Unzufriedenheit zurück?<br />
Neitzke: Wir h<strong>ab</strong>en bei der Umsetzung der Entscheidungen, die<br />
wir gemeinsam treffen, nie Schwierigkeiten. Mit Unterstützung<br />
des Klinischen Ethik-Komitees hat das Team ja selbst beschlossen,<br />
dass das der beste Weg ist.<br />
Aber es gibt doch die Klinikseelsorge, warum dann eine klinische<br />
Ethikberatung?<br />
Neitzke: Seelsorge hat den Fokus, einen Menschen zu begleiten,<br />
der am Krankheitsgeschehen leidet. Ein Stück mitzugehen auf diesem<br />
ganz individuellen Weg. Wir fragen nicht nur nach dem einen<br />
Menschen, sondern immer nach der Gruppe.<br />
Unser Fokus liegt – ganz anders als bei der Seelsorge und auch<br />
ganz anders als in der therapeutischen Medizin sonst – auf den<br />
moralischen Aspekten. Wir definieren das sehr weit: Die Moral am<br />
Patientenbett umfasst alle die Elemente während des gesamten<br />
Behandlungsprozesses, die eine moralische Bewertung erfordern.<br />
Doch wozu Moral, wenn doch die medizinischen Tatsachen für<br />
sich sprechen?<br />
Neitzke: Es ist keinesfalls durch medizinische Fakten vorgegeben,<br />
ob ein kleines Kind operiert werden sollte oder nicht. Sondern das<br />
orientiert sich eben auch an Fragen des guten Lebens und des guten<br />
Sterbens, des Menschenbildes oder der eigenen Einstellungen<br />
zu Krankheit, Leid und Lebensqualität. Hier bieten wir professionelle,<br />
qualifizierte Beratung an. Wir mischen uns nicht in die Frage<br />
ein, welche Operationstechnik die beste ist.<br />
Versteht unter Moral nicht jeder etwas anderes?<br />
Neitzke: Moral ist als Fachterminus ja definiert. Als Moral bezeichnen<br />
wir die Summe aller Werthaltungen und Normen, die<br />
entweder ein Mensch für sich selbst als gültig anerkennt oder eine<br />
Gemeinschaft. Zum Beispiel die gesellschaftliche Moral: Das sind<br />
die Wertvorstellungen und Normen, die unsere Gesellschaft mehrheitlich<br />
teilt.<br />
Und welches sind solche Werte der gesellschaftlichen Moral?<br />
Neitzke: Das sind Klassiker wie Menschenwürde, Selbstbestimmungsrecht,<br />
<strong>Au</strong>tonomie, <strong>ab</strong>er auch so etwas wie Fürsorge – ganz<br />
besonders wichtig im Gesundheitsbereich.<br />
01/09