Au s g ab e 0 1 / 0 9 Ausgabe Palliativversorgung - HealthCare ...
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<strong>Palliativversorgung</strong><br />
9<br />
Impressionen aus Rieseby<br />
So viel Zeit wie möglich verbringen die „Insulaner“ in der Gruppe<br />
– auch im Garten bei geeignetem Wetter. Der <strong>Au</strong>sflug ins Freie für<br />
demente Menschen in ihrer letzten Lebensphase ist eine Besonderheit,<br />
die das Haus Schwansen anbietet. Wer über Tag in der<br />
„Insel“ einschläft und sichtbar bequem in seinem Liegesessel ruht,<br />
bleibt in der Gemeinschaft. Mit Tüchern können auch Nischen<br />
für die Ruhenden <strong>ab</strong>getrennt werden. Wird ein größeres Ruhebedürfnis<br />
beobachtet, werden die Bewohner in ihrem Zimmer ins<br />
Bett gebracht.<br />
Die Pflege in der letzten Phase der Demenz ist Palliativpflege.<br />
Rund die Hälfte der „Insel“-Bewohner erhält eine Schmerzbehandlung.<br />
Veränderungen des Körperbildes – Sehnen und Bänder<br />
verkürzen sich, Organe werden dadurch komprimiert, Embryohaltung<br />
– bringen Schmerzen mit sich. Da die Bewohner ihre<br />
Empfindungen nicht mehr benennen können, beobachten die<br />
Mitarbeiter besonders ihr Verhalten, Gestik und Mimik. Jammern,<br />
Weinen, Aggressivität, Abwehrreaktionen, Trauer, Resignation<br />
können <strong>Au</strong>sdruck für Schmerzen sein.<br />
Vermuten die Pflegekräfte, dass ein Bewohner unter Schmerzen<br />
leidet, werden der Hausarzt des Betroffenen oder der Facharzt<br />
(Neurologe und Psychiater), der Haus Schwansen betreut, hinzugezogen.<br />
In enger Abstimmung mit dem Mediziner werden dann<br />
bis zu vier Wochen Schmerzmittel (Metamizol-Natrium, Morphium)<br />
in der jeweils geeignet erscheinenden Darreichungsform<br />
gegeben. Entspannt sich der Bewohner in dieser Zeit, scheint sich<br />
seine Verfassung zu bessern, gehen Arzt und Mitarbeiter davon<br />
aus, dass die Ursache für das auffällige Verhalten wirklich<br />
Schmerzen waren und setzen die Behandlung fort.<br />
Sterben in Geborgenheit<br />
Gewinnen die Mitarbeiter den Eindruck, dass das Sterben eines<br />
Bewohners näher rückt, versuchen sie herauszufinden, welche<br />
Unterstützung für diesen Menschen wichtig sein könnte. Nach<br />
Wochen, Monaten oder gar Jahren im Haus Schwansen gewinnen<br />
die Pflegekräfte ein Gespür für die einzelnen Menschen und bemerken<br />
meist typische Veränderungen wie Rückzug, dauerhaftes<br />
<strong>Au</strong>genschließen, veränderte Atmung oder Embryonalstellung als<br />
Schutzhaltung. Die Bewohner bleiben auch in dieser Phase in der<br />
„Insel“, es sei denn, es entsteht der Eindruck, sie brauchen einen<br />
Die Insel<br />
Seit seiner Gründung 1993 setzt die Pflegeeinrichtung Haus<br />
Schwansen darauf, die an Demenz erkrankten Menschen ihren<br />
Bedürfnissen und ihrem Verhalten entsprechend in verschiedenen<br />
Gruppen zu betreuen. Entscheidungen für den Bewohner<br />
werden nur im Team und gemeinsam mit den Angehörigen<br />
gefällt. Um den Bewohnern so gerecht wie möglich zu werden,<br />
wird nach etwa achtwöchigem Einleben ein Tagesplan für jeden<br />
Einzelnen aufgestellt. Er hängt im Zimmer des Bewohners<br />
und ist so für Pflege und Angehörige jederzeit zugänglich. Der<br />
Plan verzeichnet viele Details wie Tages<strong>ab</strong>lauf (<strong>Au</strong>fstehen, Essenszeiten,<br />
Zubettgehen) und Gewohnheiten, Dinge, die Missfallen<br />
hervorrufen, Lieblingslieder oder Abendgebet.<br />
<strong>Au</strong>ch die Anrede ist festgehalten: Die Bewohner werden<br />
immer gesiezt, <strong>ab</strong>er durchaus mit Vornamen oder Geburtsnamen<br />
angesprochen, weil sie ihren angeheirateten Namen<br />
vergessen h<strong>ab</strong>en. Es wird ebenfalls notiert, wie zum einzelnen<br />
Kontakt aufzunehmen ist: durch leichtes Anfassen der Schulter,<br />
Ansprechen. Die Mitarbeiter nähern sich zur Kontaktaufnahme<br />
vorsichtig dem Blickfeld des Bewohners. Ruckartige<br />
Bewegungen werden vermieden. Je nach den Fähigkeiten der<br />
Bewohner werden verschiedene Angebote gemacht. In der<br />
„Insel“, der internen Tageseinrichtung für die Menschen mit<br />
fortgeschrittener Demenz, werden einmal im Monat Taizé-<br />
Andachtsstunden gehalten. Nach Erfahrung der Mitarbeiter<br />
wirken die einfühlenden, eingängigen Melodien beruhigend<br />
auf die Bewohner. Einmal in der Woche wird eine spezielle<br />
musikalische Begleitung mit Klangschalen und anderen Instrumenten<br />
angeboten.<br />
Die Hausärzte der Bewohner sind in der Regel für deren medizinische<br />
Behandlung zuständig. Viermal im Jahr kommt ein<br />
Neurologe und Psychiater ins Haus. Ein Zahnarzt sucht die<br />
Bewohner regelmäßig auf.<br />
Die <strong>Au</strong>torin Cilly Borgers ist gelernte Krankenschwester und<br />
leitet das Fortbildungsprogramm „Haus-Schwansen-Seminar“.<br />
Informationen im Internet: www.pflege-zeit.de<br />
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