Halt auf freier Strecke Start: 17.11.11 Regie Andreas Dresen Filmographie (Auswahl) 1999 Nachtgestalten 2001 Halbe Treppe 2002 Herr Wichmann von der CDU 2005 Sommer vorm Balkon 2008 Wolke 9 2009 Whisky mit Wodka Buch Andreas Dresen Cooky Ziesche Jahr 2011 Land D Darsteller Milan Peschel Steffi Kühnert Talisa Lilly Lemke Mika Nilson Seidel Ursula Werner Otto Mellies Kamera Michael Hammon Länge 110 min <strong>Cine<strong>City</strong></strong> 59 14 Andreas Dresen hat wieder ein Meisterwerk geschaffen, so intensiv, stark und schön, daß es wehtut. Vordergründig geht es um Krankheit und Tod. Dennoch ist dies ein tröstlicher und sehr warmherziger Film, denn er handelt vor allem von der Liebe. Frank ist 40, verheiratet, hat zwei Kinder, ein neues Reihenhäuschen – und einen Gehirntumor, inoperabel. Ein paar Monate noch ... Wohlgemerkt, dies ist kein Film über Ärzte, Krankenhäuser oder die Tücken der Schulmedizin. Hier geht’s ans Eingemachte, meine Damen und Herren, um Leben und Tod, im wahrsten Sinne des Wortes. Da kann sich keiner rausreden oder schlaue Sprüche klopfen, der Dresen hätte es unserem maroden Gesundheitssystem mal wieder so richtig gezeigt. Nein, er trifft uns mitten ins Herz, der Andreas Dresen, da, wo es richtig gemein wehtut. Weil es uns so nahe geht, obwohl der Tod eigentlich etwas Normales ist. Und eben weil alles so normal ist, weil es hier um ganz normale Leute mit normalen Problemen geht, deshalb nimmt uns dieser Film so mit. Andreas Dresen zeigt all diese schrecklich normalen Bilder vom Leben mit dem Tod: das Furchtbare, das Schöne, die Verwirrung, die Wut, die Freude. Und die Liebe. Simone und Frank sind sich einig: Frank soll in der gewohnten Umgebung bleiben, zu Hause bei der Familie. Die Kinder erleben mit, wie ihr Vater schwächer wird, wie sich sein Gedächtnis trübt. Simone geht weiter arbeiten, sie erduldet die Launen ihres Mannes, erfüllt ihm alle Wünsche, versorgt ihn, solange wie möglich, hält die Kinder bei Laune und versucht, so gut es eben geht, ein geordnetes Leben zu erhalten. Diese Frau, die kleine Straßenbahnfahrerin mit dem energischen Zug um den Mund, wächst über sich hinaus. Sie liebt ihren Mann, bald wird sie ihn verlieren, und manchmal hält sie’s einfach nicht mehr aus. Der Film ist vor allem so ergreifend, weil er zeigt, wie selbstverständlich es irgendwann wird, daß sich Leben und Tod begegnen. Das letzte Weihnachtsfest, der letzte Ausflug mit den Kindern, der letzte Liebesakt. Was ist Glück? Die Zukunft wird bedeutungslos, es zählt nur noch der Moment, das Zusammensein mit geliebten Menschen, nicht allein zu sein in der Einsamkeit des Sterbens. Das Leben mit dem Tod hat durchaus einen absurden Charme. Der Tumor entwickelt ein Eigenleben, Frank kann ihn sehen und spürt, wie dieser Tumor mehr und mehr die Herrschaft übernimmt. Irgendwann wird Frank verschwunden sein. Frank, der lebenslange Nichtraucher, fängt mit dem Rauchen an. Denn jetzt ist es ja egal. Muß ich noch erwähnen, daß alle Schauspieler grandios sind? – Nö. Es genügt wohl, wenn ich allen sage: Dies ist ein unvergeßlicher Film. Traurig, witzig, lakonisch, liebevoll, ergreifend. Man muß ihn sehen. Und die Taschentücher nicht vergessen. Geha sic!
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