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Die Zukunft der Schule_Positionspapier des AKB_FNSt

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EIGENVERANTWORTUNG – TRANSPARENZ – EXTERNE EVALUATION<br />

DIE ZUKUNFT DER SCHULE<br />

<strong>Positionspapier</strong><br />

<strong>des</strong> Arbeitskreises Bildung <strong>der</strong> Stipendiaten <strong>der</strong> Friedrich-Naumann-Stiftung<br />

vor dem Hintergrund <strong>der</strong> intensiven Diskussionen, die beim <strong>AKB</strong>-Seminar<br />

„<strong>Schule</strong> machen!“ und dem Konvent „Visionen einer liberalen Bildungsgesellschaft“<br />

in <strong>der</strong> Theodor-Heuss-Akademie geführt wurden. 1<br />

Kontakt und Copyright:<br />

Nils Wiegert, [03641] 513 318 bzw. nils.wiegert@uni-jena.de<br />

Stand: 18. August 2005<br />

1. EINLEITENDE BEMERKUNGEN................................................................................ 1<br />

1.1. PRIORITÄT VON BILDUNGSINVESTITIONEN................................................................ 1<br />

1.2. ZIELE UND FUNKTIONEN VON SCHULE ..................................................................... 1<br />

2. REFORM DER RAHMENBEDINGUNGEN – FREIHEIT GEBEN,<br />

VERANTWORTUNG EINFORDERN......................................................................... 3<br />

2.1. ERST DIE SCHULEN REFORMIEREN, DANN DAS SYSTEM............................................. 3<br />

2.2. FAIRER WETTBEWERB ................................................................................................. 4<br />

2.3. FREIHEIT DER WEGE: EIGENVERANTWORTUNG ALS KERNPRINZIP........................... 5<br />

2.4. VERBINDLICHKEIT DER ZIELE: TRANSPARENZ UND EVALUATION ........................... 7<br />

3. GRUNDLEGENDE REFORM DER LEHRERAUSBILDUNG ................................ 8<br />

3.1. GESELLSCHAFTLICHE AKZEPTANZ ............................................................................ 8<br />

3.2. VOM RICHTER ZUM TRAINER ..................................................................................... 8<br />

3.3. EINSTUFIGE LEHRERAUSBILDUNG.............................................................................. 9<br />

4. ZUSAMMENFASSUNG............................................................................................... 11<br />

1 Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Papier auf die Geschlechterdifferenzierung verzichtet.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 1<br />

1. Einleitende Bemerkungen<br />

1.1. Priorität von Bildungsinvestitionen<br />

Das deutsche Bildungssystem ist innovativ, dynamisch und lernfähig – wenn es um die Vermeidung von Verän<strong>der</strong>ungen<br />

geht. Wer grundlegende Reformen durchsetzen will, trifft auf ausdauernde Gegner, <strong>der</strong>en Ziel <strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ungsvermeidung seit Jahrzehnten stabil ist. Wer die Phalanx <strong>der</strong> Besitzstandswahrung aufbrechen<br />

will, braucht klare Ziele, stufenweise umsetzbare Maßnahmen und einen langen Atem.<br />

Bildung wirkt langfristig, Erfolge in einzelnen Legislaturperioden sind nur schwer messbar. Und dennoch:<br />

Inzwischen haben wir überhaupt keine an<strong>der</strong>e Wahl mehr als mit Hochdruck grundlegende Verbesserungen<br />

im Bildungssystem herbeizuführen. Wollen wir unseren mühsam erarbeiteten Wohlstand nicht aufgeben, müssen<br />

wir höhere Lohnkosten durch steigende Produktivität ausgleichen. <strong>Die</strong>s ist nur durch herausragende Innovationsleistungen<br />

realisierbar. Im lange beschworenen, sich nun aber real vollziehenden und in seinen Auswirkungen<br />

immer spürbarer werdenden Umbruch von <strong>der</strong> Industrie- zur Wissensgesellschaft kann das nur<br />

heißen, dass wir unsere Bildungssysteme so ausrichten, dass wir Arbeitskräfte besser ausbilden, zu selbständigem<br />

Lernen, zu flexiblerem und innovativerem Denken befähigen. Ansonsten wird sich die Schere zwischen<br />

<strong>der</strong> Qualität <strong>des</strong> Arbeitskräfteangebots und den nachgefragten Qualifikationsprofilen weiter öffnen, die Zahl<br />

<strong>der</strong> zu niedrig qualifizierten Arbeitslosen wird ebenso steigen, wie die <strong>der</strong> mangels geeigneter Bewerber unbesetzten<br />

Stellen. Wir brauchen Exzellenz in <strong>der</strong> Spitze und Qualität in <strong>der</strong> Breite.<br />

Es ließen sich eine Reihe weiterer Argumentationen anführen – zur individuellen, zur sozialen, zur demokratischen,<br />

zur kulturellen Funktion von <strong>Schule</strong> – aber schon allein aus <strong>der</strong> ökonomischen Perspektive ergibt sich<br />

die unverzichtbare For<strong>der</strong>ung nach einer gesellschaftlichen Zentralstellung unserer <strong>Schule</strong>n. Hier entscheidet<br />

sich, welche Innovationspotentiale unserer Gesellschaft künftig zur Verfügung stehen, wie engagiert unsere<br />

Kultur und wie lebendig unsere Demokratie gelebt werden wird. Hier entscheidet sich, wie wettbewerbsfähig<br />

unsere Wirtschaft sein wird, hier entscheiden sich die Arbeitslosenquoten <strong>der</strong> nächsten Jahrzehnte.<br />

<strong>Die</strong> meisten unserer europäischen Nachbarn haben diesen Zusammenhang erkannt und in den letzten 25 Jahren<br />

drastische Bildungsreformen durchgeführt. Auch bei uns ist es höchste Zeit. Wann soll es bei uns losgehen?<br />

Wann, wenn nicht jetzt?<br />

1.2. Ziele und Funktionen von <strong>Schule</strong><br />

In <strong>der</strong> Bildungsdiskussion häufig vernachlässigt ist die Frage nach den Zielen, den Funktionen von <strong>Schule</strong>.<br />

Nur, wer sein Ziel kennt, kann sich über den Weg dorthin Gedanken machen. Reformdiskussionen im Schulbereich<br />

erstreckten sich bisher jedoch häufig auf einzelne Maßnahmen. <strong>Die</strong>se waren dann heftig umstritten, weil<br />

die dahinter stehenden Ziele nicht zusammengeführt wurden. So scheiterten regelmäßig auch Initiativen mit<br />

sinnvollen Ansätzen an <strong>der</strong> Resistenz <strong>der</strong> Systeme. Zugleich hat die Vielzahl <strong>der</strong> Reformen und Reförmchen<br />

die Frustration <strong>des</strong> Lehrpersonals erheblich gesteigert.<br />

<strong>Die</strong> eigentlichen Ursachen <strong>der</strong> Krise <strong>des</strong> Schulsystems können nur mit grundsätzlichen Verän<strong>der</strong>ungen bewältigt<br />

werden. Wirtschafts- und Sozialstruktur befinden sich seit Jahrzehnten in einem rapiden Umbruch, ohne<br />

dass Schul- und Sozialpolitik bisher adäquat darauf reagiert hätten. Hinter <strong>der</strong> massiven Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Rahmenbedingungen stehen viele Ursachen, wir sehen drei Kernprozesse: <strong>Die</strong> Globalisierung, den demographischen<br />

Wandel und den Umbruch von <strong>der</strong> Industrie- zur Wissensgesellschaft.<br />

<strong>Die</strong> Menge verfügbarer Informationen wächst exponentiell, die Halbwertzeit von Wissen verkürzt sich rapide.<br />

Ein zentral über Lehrpläne, die in zehnjährigen Zyklen aktualisiert werden, gesteuertes Schulwesen, muss<br />

Schüler zwangsläufig an <strong>der</strong> Realität vorbei ausbilden.<br />

Bei <strong>der</strong> Dynamik <strong>der</strong> Entwicklungen ist es <strong>der</strong> logische Normalfall, dass Schüler in Spezialbereichen über mehr<br />

Fachwissen als <strong>der</strong> Lehrer verfügen. <strong>Die</strong> Rolle <strong>des</strong> Lehrers muss sich daher deutlich än<strong>der</strong>n, kann nicht mehr<br />

hauptsächlich die <strong>des</strong> fachlichen Experten sein. Seine Kernkompetenzen liegen künftig mehr denn je in <strong>der</strong><br />

beratenden Begleitung <strong>der</strong> Schüler, in <strong>der</strong> pädagogischen und didaktischen Unterstützung <strong>des</strong> Schülers als<br />

selbständigem Lerner. Natürlich muss er über erhebliche fachliche Kompetenzen verfügen, er wird seine Autorität<br />

aber nicht mehr hauptsächlich aus dieser beziehen können. Er setzt den organisatorischen Rahmen, stellt


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 2<br />

Lernmittel und Lernumgebung bereit, vermittelt Schülern Problemlösungsstrategien, soziale und methodische<br />

Kompetenzen. Der Lehrer wird zum Begleiter, zum Berater – zum Trainer. Als solcher ist er verantwortlich für<br />

die Nutzung <strong>der</strong> Potenziale, aber auch für die Disziplin „seiner Mannschaft“.<br />

Das gewandelte Bild von <strong>Schule</strong> und Lehrpersonen resultiert wesentlich aus dem Wandel <strong>der</strong> Sozialstrukturen.<br />

Das bisherige Schulsystem geht von intakten Familien aus. Für die Wissensvermittlung sei die <strong>Schule</strong>, für die<br />

Erziehung die Eltern zuständig. Eine von den Realitäten mehrfach überholte Sicht:<br />

Seit <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Sozialversicherung – und dem damit verbundenen Wegfall <strong>der</strong> Altersvorsorgefunktion<br />

von Kin<strong>der</strong>n – ist die Vielkin<strong>der</strong>familie zur Ausnahme geworden. <strong>Die</strong> Familien sind kleiner, eine frühkindliche<br />

Sozialisation durch den Umgang mit Geschwistern ist schwieriger bzw. in den Einkindfamilien unmöglich<br />

geworden. In zunehmendem Umfang sind beide Eltern erwerbstätig, können ihrer Erziehungsaufgabe also im<br />

Vergleich zu früheren Generationen nur noch in zeitlich reduziertem Maße nachkommen. Auch in <strong>der</strong> stark<br />

gestiegenen Zahl <strong>der</strong> Haushalte mit allein erziehenden Elternteilen ist diese Problematik nicht zu unterschätzen.<br />

Und: Erwachsene sind durch die ideologisch geführte Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen autoritärer und antiautoritärer<br />

Erziehung, den fehlenden persönlichen Rückhalt durch die gewachsene Instabilität von Beziehungen<br />

und die zunehmende Komplexität <strong>der</strong> Gesellschaft, mit <strong>der</strong> sie häufig selbst überfor<strong>der</strong>t sind, zunehmend so<br />

verunsichert, dass ihnen restringierende Erziehung mit klaren Maßstäben schwer fällt. Konkrete Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Eltern für den Umgang mit <strong>der</strong> Komplexität ist notwendig, damit sie ihrer Rolle wie<strong>der</strong> selbstsicher und<br />

verantwortungsvoll gerecht werden, denn Eltern dürfen nicht noch weiter aus ihrer Erziehungspflicht entlassen<br />

werden. <strong>Die</strong> in weiten Gesellschaftskreisen etablierte Gegnerschaft von Eltern und Lehrern ist durch konstruktive<br />

Mitarbeit aufzulösen. Ziel muss sein, dass Eltern nicht mehr mit ihren Kin<strong>der</strong>n gegen die Lehrer,<br />

son<strong>der</strong>n gemeinsam mit den Lehrern für das Wohl ihrer Kin<strong>der</strong> arbeiten. Dazu gehört, Kin<strong>der</strong>n und Lehrern<br />

das Vertrauen auszusprechen und sie in ihrer Arbeit zu bestärken.<br />

<strong>Die</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> Krise <strong>der</strong> familiären Erziehung können landauf landab in unseren <strong>Schule</strong>n beobachtet<br />

werden. <strong>Die</strong> Anzahl verhaltensauffälliger Schüler steigt fortlaufend, ein Umstand, <strong>der</strong> auch mit <strong>der</strong> häufig<br />

fehlenden Beherrschung <strong>der</strong> deutschen Sprache und den daraus resultierenden Überfor<strong>der</strong>ungen zu tun hat.<br />

<strong>Die</strong> Lehrerausbildung bereitet bis heute nur sehr sporadisch auf die geän<strong>der</strong>te Situation vor. Lehrer werden<br />

weiterhin als Fachwissenschaftler ausgebildet, als hätten sie noch immer fertig erzogene Kin<strong>der</strong> vor sich, denen<br />

sie das Wissen nur noch vorzusetzen brauchen. Zur Bewältigung <strong>der</strong> pädagogischen Kernprobleme liefert das<br />

Studium bisher zumeist sehr wenig Schulung <strong>der</strong> einschlägigen Kompetenzen. Entsprechend gehört für uns<br />

zur Erneuerung <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>n zwingend auch eine grundlegende Reform <strong>der</strong> Lehreraus- und Lehrerweiterbildung.<br />

Unser Bildungssystem berücksichtigt außerdem die Bedürfnisse von Migranten nur sehr unzureichend.<br />

Deutschland ist bereits jetzt das Einwan<strong>der</strong>ungsland Nr. 1 und bräuchte, um sich bis zum Ende <strong>des</strong> Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

zumin<strong>des</strong>t bei 50-60 Millionen Einwohnern zu stabilisieren, noch eine Verdopplung <strong>des</strong> Zuwan<strong>der</strong>ungssaldos.<br />

Wir haben auf die Einwohnerzahl gerechnet heute deutlich mehr Zuwan<strong>der</strong>ung als die USA und an<strong>der</strong>e<br />

klassische Einwan<strong>der</strong>ungslän<strong>der</strong>. Mit dem Unterschied, dass wir mit unserem wenig leistungsfreundlichen<br />

Sozial- und Steuersystem statt gesellschaftlichen Leistungsträgern eher diejenigen anziehen, für die das Sozialsystem<br />

attraktiv ist.<br />

An <strong>der</strong> Vermittlung <strong>des</strong> Wertes von Bildung an diese in Größe und Bedeutung stark wachsende Bevölkerungsgruppe<br />

sind wir bisher gescheitert. Es ist uns nicht gelungen, soziale und kulturelle Barrieren so abzubauen,<br />

dass sich die Mehrzahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund in unserem Bildungssystem entfalten. <strong>Die</strong> Realität<br />

ist in <strong>der</strong> Tat ernüchternd. <strong>Die</strong> weiteren Entwicklungen sind klar absehbar und beunruhigend:<br />

> In <strong>der</strong> Wissensgesellschaft werden sich verfügbare Arbeitsplätze künftig noch viel stärker im Bereich <strong>der</strong><br />

hoch qualifizierten Tätigkeiten konzentrieren.<br />

> Aus <strong>der</strong> demographischen Entwicklung ergibt sich, dass die Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund<br />

noch in diesem Jahrhun<strong>der</strong>t die Bevölkerungsmehrheit in Deutschland übernehmen werden, in<br />

den Großstädten bereits in einigen Jahrzehnten.<br />

> Gleichzeitig wissen wir, dass heute 60% <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund als höchsten Schulabschluss<br />

einen Hauptschulabschluss erzielen.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 3<br />

> Von jedem Jahrgang absolvieren 17% aller Kin<strong>der</strong> erfolgreich ein Universitätsstudium, aber nur 4% <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund.<br />

> Das Lebenseinkommen ist ganz eindeutig mit dem Ausbildungsniveau verbunden. Der Zugang zur Bildung<br />

muss für alle offen bleiben und wird mehr denn je an Bedeutung in unserer Gesellschaft gewinnen.<br />

Wer diese Entwicklungen ernst nimmt, muss <strong>Schule</strong> zwingend als entscheiden<strong>des</strong> Integrationsinstrument begreifen<br />

und die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, damit <strong>Schule</strong> diesen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

auch gerecht werden kann. Das ist wirtschaftlich und insbeson<strong>der</strong>e gesellschaftlich unverzichtbar.<br />

Soll Integration im Sinne einer engen Verzahnung von Sprache und Kultur gelingen, sind weitgehend kostenfreie<br />

Einrichtungen frühkindlicher För<strong>der</strong>ung ebenso zwingend einzurichten wie umfangreiche Sprach- und<br />

Integrationsför<strong>der</strong>programme im Grundschulbereich.<br />

Fassen wir zusammen: Was also wollen wir, was soll <strong>Schule</strong> leisten? <strong>Schule</strong> muss ihre Kernkompetenzen Bildung<br />

und Erziehung ernst nehmen und Kin<strong>der</strong>n aus allen Teilen <strong>der</strong> Gesellschaft die Entwicklung zum mündigen<br />

Bürger ermöglichen. <strong>Die</strong> Voraussetzung für eine in diesem Sinne funktionierende <strong>Schule</strong> sind weitgehend<br />

kostenfrei zugängliche, integrative Angebote frühkindlicher För<strong>der</strong>ung.<br />

Ein Bürger, das ist jemand, <strong>der</strong> sich selbst kennt und <strong>der</strong> für die An<strong>der</strong>en sensibilisiert ist. Er zeichnet sich aus<br />

durch Persönlichkeit, Selbständigkeit, soziale Kompetenz, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung,<br />

Kreativität, Lern-, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Wissen. <strong>Die</strong> Bereitstellung<br />

eines Rahmens, <strong>der</strong> die Entwicklung dieser Kompetenzen ermöglicht und einfor<strong>der</strong>t, ist aus unserer<br />

Sicht die Kernaufgabe von <strong>Schule</strong>.<br />

<strong>Die</strong>se komplexen Aufgaben sind nur zu bewältigen, wenn grundlegende Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommen werden.<br />

Wir schlagen dafür unsere konkreten Maßnahmen vor, die sich auf die grundlegende Reformierung <strong>der</strong><br />

schulischen Rahmenbedingungen und eine Neukonzeption <strong>der</strong> Lehrerausbildung konzentrieren.<br />

2. Reform <strong>der</strong> Rahmenbedingungen –<br />

Freiheit geben, Verantwortung einfor<strong>der</strong>n<br />

2.1. Erst die <strong>Schule</strong>n reformieren, dann das System<br />

Dreigliedrigkeit <strong>des</strong> Schulsystems, Einheitsschule, Gesamtschule – Wer ergebnislos über Begriffe diskutieren<br />

möchte, findet hier ein weites Betätigungsfeld. Wer grundlegende Verän<strong>der</strong>ungen will, sollte seine Energie<br />

zunächst sinnvoller einsetzen, als sich in ideologiebelasteten Systemfragen zu verzetteln. Mit einer Umgestaltung<br />

<strong>der</strong> Struktur wird soviel Energie gebunden, dass die Kapazitäten für eine Diskussion <strong>des</strong>sen, was in diesen<br />

wie auch immer strukturierten <strong>Schule</strong>n tatsächlich passiert, nicht mehr ausreichen. Also: Erst die <strong>Schule</strong>n<br />

reformieren, dann das System! Was auf den ersten Blick unlogisch erscheinen mag, hat sich in genau dieser<br />

Reihenfolge international bewährt.<br />

Vergleichsweise einfach ist <strong>der</strong> Einstieg in die schrittweise Ausweitung <strong>der</strong> Zeit <strong>des</strong> gemeinsamen Lernens.<br />

Wird weiter auf <strong>der</strong> Basis eines mehrgliedrigen Schulsystems gearbeitet, darf die Trennung frühestens nach<br />

dem sechsten, sollte sie aus Sicht mehrerer einflussreicher Stimmen in Entwicklungspsychologie und Erziehungswissenschaft<br />

sogar erst am Ende von 7. o<strong>der</strong> 8. Klasse erfolgen, denn <strong>der</strong> Übergang vom bildlichen zum<br />

abstrakten Denken erfolgt zwischen dem zehnten und dem zwölften Lebensjahr. 2 Hier entscheidet sich, ob ein<br />

Kind gehobenen geistigen Anfor<strong>der</strong>ungen gewachsen sein kann. Erfolgt die schulische Laufbahnempfehlung –<br />

wie bisher in den meisten Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n – vor diesem einschneidenden Entwicklungsschritt, ist eine deutliche<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Fehlerquote anzunehmen. Nachträgliche Wechsel sind mit erheblichen institutionellen und psychologischen<br />

Hemmnissen verbunden, Potenziale gehen unnötig verloren. Hinzu kommt, dass sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

bildungsferne Schichten bei ihren Bildungsinvestitionsentscheidungen eher für die höhere Qualifikation<br />

entscheiden, wenn <strong>der</strong> zeitliche Horizont (und somit das Risiko) überschaubar ist. <strong>Die</strong> Zahlen aus an<strong>der</strong>en<br />

Staaten zeigen sehr deutlich, dass ein später Entscheidungszeitpunkt die Wahrscheinlichkeit einer Entschei-<br />

2 Vgl. Gerrig / Zimbardo (2004): Psychologie, 16., aktualisierte Auflage, München et al., S. 452ff.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 4<br />

dung für einen höheren schulischen Abschluss erheblich erhöht. So weisen Australien und Finnland, Län<strong>der</strong><br />

mit einer sehr späten Schullaufbahnentscheidung, mit deutlich über 40% die höchsten Studierquoten auf. In<br />

Deutschland liegt diese dagegen unter 20%. 3<br />

Viele unserer <strong>des</strong>integrativen Son<strong>der</strong>schulen können geschlossen werden, wenn an den bestehenden <strong>Schule</strong>n<br />

frühzeitig die Möglichkeit besteht, zusätzlichen För<strong>der</strong>bedarf mit zusätzlichem Personal abzufangen. <strong>Die</strong> „Abschiebung“<br />

von Problemschülern darf nicht weiter <strong>der</strong> Normalfall bleiben. <strong>Die</strong> Transformation von Son<strong>der</strong>- zu<br />

För<strong>der</strong>schulen löst das Problem nicht, die Bewältigung <strong>der</strong> Probleme muss an den regulären <strong>Schule</strong>n erfolgen,<br />

die dazu durch erweiterte personelle und materielle Ressourcen zu befähigen sind.<br />

Kin<strong>der</strong> werden heute häufig mehr vom Fernseher als von ihren Eltern erzogen. Natürlich gilt es, bei den Eltern<br />

anzusetzen. <strong>Die</strong> Steuerungsmöglichkeiten sind jedoch sehr begrenzt. Der <strong>Schule</strong> ist inzwischen die Funktion<br />

als gesellschaftlicher Reparaturbetrieb zugewachsen. Damit ist sie überfor<strong>der</strong>t, wenn sie sich nur als Ort <strong>der</strong><br />

Wissensvermittlung versteht. <strong>Die</strong> Idee <strong>der</strong> Ganztagsschule ist als Reaktion auf die verän<strong>der</strong>te gesellschaftliche<br />

Situation positiv zu bewerten, wenn nicht bisherige pädagogische Konzepte zeitlich einfach ausgeweitet werden,<br />

son<strong>der</strong>n eine echte Neudefinition stattfindet. Soll <strong>Schule</strong> vom Lern- zum gestalteten Lebensraum werden,<br />

sind ein an<strong>der</strong>es Selbstverständnis, mehr Zeit, mehr Personal und an<strong>der</strong>e Ausstattungen notwendig. Einige<br />

herausragende Beispiele für diese Entwicklung werden in <strong>der</strong> Dokumentation „Treibhäuser <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> – Wie<br />

in Deutschland <strong>Schule</strong>n gelingen“ (2004) eindrücklich vorgestellt. Wir finden die dort vertretenen pädagogischen<br />

Konzepte in weiten Teilen überzeugend und vertrauen für <strong>der</strong>en Durchsetzung auf eine Liberalisierung<br />

<strong>der</strong> Rahmenbedingungen, wie wir sie unter den nun folgenden Glie<strong>der</strong>ungspunkten „Fairer Wettbewerb“ und<br />

„Eigenverantwortung als Kernprinzip“ näher vorstellen.<br />

2.2. Fairer Wettbewerb<br />

Damit gute <strong>Schule</strong>n für jeden wähl- und finanzierbar werden, bedarf es eines echten Wettbewerbs mit fairen<br />

Rahmenbedingungen. Im <strong>der</strong>zeitigen System werden Ersatzschulen in freier Trägerschaft diskriminiert. <strong>Die</strong><br />

Schulgesetzgebung zwingt diese <strong>Schule</strong>n strukturell, Schulgeld zu erheben.<br />

Je nach Bun<strong>des</strong>land werden Zuschüsse in unterschiedlicher Höhe gezahlt. Sie werden über die Personalkosten<br />

einer staatlichen <strong>Schule</strong> errechnet, ohne dass verbindliche Regeln festgeschrieben wären. In <strong>der</strong> Praxis entstehen<br />

so häufig erhebliche Finanzierungslücken, denn eine <strong>Schule</strong> hat nicht nur Personalausgaben. Außerdem<br />

werden Steuerungskosten, wie sie z.B. durch Leistungen <strong>der</strong> Schulämter und Ministerien entstehen, bei staatlichen<br />

Personalkosten regelmäßig nicht berücksichtigt, obwohl diese bei privaten <strong>Schule</strong>n zusätzlich entstehen.<br />

Der wesentlichste Missstand ist jedoch, dass die Basis <strong>der</strong> Personalkosten, auf die sich die Berechnungen beziehen,<br />

zumeist nicht von <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> konkreten <strong>Schule</strong> o<strong>der</strong> einer vergleichbaren staatlichen <strong>Schule</strong> abhängig<br />

ist. In <strong>der</strong> Praxis werden praxisferne Altersstrukturen von Kollegien unterstellt, was durch die Bezahlung<br />

nach <strong>Die</strong>nstjahren erhebliche Auswirkungen hat. <strong>Die</strong> Höhe <strong>der</strong> Zuschüsse sinkt allein durch diesen Punkt<br />

häufig um zehn bis fünfzehn Prozent. Reduzierte Zuschüsse erhöhen das Schulgeld und bewirken somit durch<br />

Gesetzgebung das, was den privaten <strong>Schule</strong>n häufig vorgeworfen wird: Soziale Selektion.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Auflösung dieser Inkonsistenzen und Intransparenzen. <strong>Die</strong> Berechnungsgrundlage <strong>der</strong> Kostenzuschüsse<br />

ist kurzfristig auf reale Kosten umzustellen. Mittelfristig ist ein System mit Bildungsgutscheinen<br />

zu etablieren, bei dem die aufnehmende <strong>Schule</strong> einen pro Schüler festgelegten Kostensatz aus Steuermitteln<br />

erhält, unabhängig davon, ob sie staatlich o<strong>der</strong> privat ist. Hierfür müssen staatliche <strong>Schule</strong>n deutlich mehr<br />

Handlungsspielraum und so eine faire Wettbewerbschance bekommen. Dazu gehört zwingend das Prinzip <strong>der</strong><br />

Schulautonomie in Verbindung mit einer professionellen Schulleitung.<br />

<strong>Die</strong> Gründungsbedingungen für private <strong>Schule</strong>n sind erheblich zu verbessern. <strong>Die</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Startphase<br />

ist bisher das Kernproblem für Grün<strong>der</strong>, sie stellt eine unverhältnismäßig hohe Gründungsbarriere dar. <strong>Die</strong><br />

Startphase ist von bisher bis zu vier Jahren auf maximal zwei zu reduzieren. Weist eine <strong>Schule</strong> ihre Bestandsfähigkeit<br />

nach, sind die Startkosten – im Gegensatz zur bisherigen Praxis – nachträglich in Höhe <strong>der</strong> üblichen<br />

Zuschüsse pro Schüler zu erstatten, um eine betriebswirtschaftliche Kalkulation und damit Kreditfinanzierung<br />

von Startphasen zu ermöglichen.<br />

3 Vgl. OECD (2004): Education at a Glance: OECD-Indicators 2004, Paris 2004, S. 60ff.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 5<br />

2.3. Freiheit <strong>der</strong> Wege: Eigenverantwortung als Kernprinzip<br />

<strong>Die</strong> Etablierung <strong>der</strong> großen Reformentwürfe im innovationsresistenten Bildungssystem <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik<br />

Deutschland ist bisher durchweg gescheitert. So überzeugend die Ideen mitunter waren, so ernüchternd fiel<br />

jeweils ihre Bilanz aus. Der Erfolg versprechendste Weg zu mehr Dynamik im Bildungssystem ist ein zutiefst<br />

liberaler, setzt er doch auf eigenverantwortliche Akteure, auf Freiheit und Verantwortung, auf Entbürokratisierung<br />

und Wettbewerb.<br />

Bisher führen oft nur existenzielle Bedrohungen und eine gehörige Portion Idealismus dazu, den Kampf mit<br />

den bürokratischen Instanzen aufzunehmen. Leiter staatlicher <strong>Schule</strong>n sind zu „Hausvorständen“ degradiert,<br />

haben kaum eigene Entscheidungskompetenzen und sind häufig mehr mit Verwalten als mit Gestalten beschäftigt.<br />

Unsere unbedingte For<strong>der</strong>ung ist die nach <strong>der</strong> selbständigen <strong>Schule</strong>, die über eine echte, mit weit<br />

reichenden Kompetenzen ausgestattete Schulleitung verfügt. Auf diesem Weg bekommt Deutschland einen<br />

Wettbewerb <strong>der</strong> pädagogischen Konzepte und einen Streit um die besten didaktischen Ideen, engagiertere<br />

Bürger und verantwortungsbewusstere Eltern, die mit <strong>der</strong> Ausübung ihrer Wahlfreiheit in hohem Maße darüber<br />

entscheiden, welche Wege umgesetzt werden sollen.<br />

Im Rahmen von betreuten Entwicklungsprozessen sind die <strong>Schule</strong>n, die sich dazu freiwillig bereiterklärt haben,<br />

zu ihrer Eigenverantwortung zu befähigen. Erfahrungen mit solchen Prozessen, wie sie beispielsweise für<br />

die Schweiz sehr gut dokumentiert sind, zeigen, dass die Durchsetzung <strong>des</strong> Prinzips auf diesem Wege erfolgreich<br />

ist, dass <strong>der</strong> zielgerichtete Einsatz von Freiwilligkeit vorbildhafte Überzeugungstäter anzieht, die eine<br />

Sogwirkung entstehen lassen. <strong>Die</strong>jenigen, die am Anfang am heftigsten gegen diese „neoliberalen“ Ansätze<br />

gewettert haben, waren durch ihre eigene Beteiligung am Umgestaltungsprozess am Ende die vehementesten<br />

Verfechter <strong>der</strong> Idee. <strong>Die</strong> Leistungsbereitschaft in den Kollegien ist jeweils signifikant gestiegen, ebenso die<br />

Zufriedenheit von Schülern, Eltern und <strong>der</strong> regionalen Wirtschaft mit den Leistungen <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. 4<br />

Kurzum: Wir setzen auf ein Modell <strong>der</strong> autonomen <strong>Schule</strong>, das ein durchdachtes Gutscheinsystem zur Steuerung<br />

<strong>der</strong> Zuschüsse enthält und die volle Budget- und Personalverantwortung <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> überträgt. Hierzu<br />

bedarf es <strong>des</strong> Ausstieges aus dem Lehrerbeamtentum, einer befähigten Schulleitung und eines freien Wettbewerbs<br />

mit klaren, entbürokratisierten Rahmenbedingungen. Unsere Vorstellungen im Einzelnen:<br />

Bildung ist nicht Län<strong>der</strong>-, Bildung ist vor allem Bürgersache. Staatliche Zuschüsse werden aus Steuergel<strong>der</strong>n<br />

bestritten und sind somit Geld <strong>der</strong> Bürger. <strong>Die</strong>s ist mit einem durchdachten Gutscheinsystem zur Steuerung<br />

<strong>der</strong> Zuschüsse deutlich zu machen. <strong>Die</strong> Eltern von schulpflichtigen Kin<strong>der</strong>n erhalten Gutscheine, die für einen<br />

spezifischen Kostensatz stehen. <strong>Die</strong> <strong>Schule</strong>n finanzieren sich künftig aus diesem Kostensatz, <strong>der</strong> einheitlich pro<br />

Kind gezahlt wird, unabhängig davon, ob es sich um eine private o<strong>der</strong> eine staatliche <strong>Schule</strong> handelt. Damit<br />

eine echte Auswahlentscheidung möglich wird, sind die bisherigen <strong>Schule</strong>inzugsbezirke schrittweise aufzuheben.<br />

Höherer Betreuungsaufwand, <strong>der</strong> z.B. bei Kin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ung, Hochbegabung o<strong>der</strong> Migrationshintergrund<br />

entsteht, wird über einen Umrechnungsschlüssel in höheren Zuschüssen ausgedrückt. <strong>Schule</strong>n werden<br />

durch dieses Anreizsystem ein beson<strong>der</strong>es Interesse an und beson<strong>der</strong>e Konzepte für Gruppen mit spezifischem<br />

Betreuungsbedarf entwickeln.<br />

Fairer Wettbewerb setzt gleiche Chancen am Start voraus. Staatlichen <strong>Schule</strong>n ist, durch Dezentralisierung <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong>ntwicklungs-, <strong>der</strong> Budget- und Personalverantwortung, deutlich mehr Freiheit einzuräumen. Mit dem<br />

Abbau von bürokratischen Strukturen werden praxisnahe Entscheidungen ermöglicht, was zu einer höheren<br />

Effizienz <strong>des</strong> Mitteleinsatzes führt. Wenn die Schulleitung entscheidet, was für die <strong>Schule</strong> relevant ist und welcher<br />

Budgetanteil dafür aufgewendet wird, werden sich Lehrer wie<strong>der</strong> verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren<br />

können, denn einen Teil <strong>der</strong> Aufgaben können an<strong>der</strong>e Mitarbeiter günstiger erledigen. Schriftverkehr<br />

wickelt ein hinreichend besetztes Sekretariat ab, Reparaturen führt ein Hausmeister durch, Freizeitangebote<br />

können durch Sozialarbeiter gemacht, für die Administration <strong>des</strong> Computernetzwerkes o<strong>der</strong> die Betreuung<br />

<strong>der</strong> Schulbibliothek geringfügig Beschäftigte eingestellt werden. Bedarfsorientierte Stellenausschreibun-<br />

4 Vgl. Rhyn / Widmer / Roos / Nie<strong>der</strong>öst (2002): Zuständigkeiten und Ressourcen in Zürcher Volksschulen mit und ohne Teilautonomie<br />

(TaV), Evaluationsbericht im Auftrag <strong>der</strong> Bildungsdirektion <strong>des</strong> Kantons Zürich, S. 90ff. und Maak-Merki (2000): Teilautonome Volksschulen<br />

aus Sicht <strong>der</strong> Eltern. Einstellungen, Erfahrungen und Wünsche, Bericht zuhanden <strong>der</strong> Bildungsdirektion, Zürich 2000.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 6<br />

gen, eigene Auswahl und Führung <strong>der</strong> Mitarbeiter und <strong>der</strong> gezielte Einsatz von Weiterbildungen nach Bedarf<br />

werden zum Regelfall. Echte Personalentwicklung wird endlich auch in staatlichen <strong>Schule</strong>n möglich. <strong>Die</strong> Ansprüche<br />

an die Verwertbarkeit <strong>des</strong> in Weiterbildungen erworbenen Wissens werden spürbar steigen, wenn<br />

dafür eigene finanzielle Ressourcen eingesetzt werden.<br />

Zur eigenverantwortlichen staatlichen <strong>Schule</strong> gehört die befähigte Schulleitung. Dem Zuwachs an Verantwortung<br />

muss ein Zuwachs an Kompetenz gegenüberstehen, mit dem Auswahl und Bezahlung <strong>des</strong> Leitungspersonals<br />

korrespondieren müssen. „Versorgungsfälle“ als Schulleiter müssen <strong>der</strong> Vergangenheit angehören,<br />

wenn sich mit <strong>der</strong> Schulleitung zunehmend die Schulqualität entscheidet.<br />

Versuche mit sachfremden Managern sind z.B. in den Nie<strong>der</strong>landen gescheitert. Wesentliche Voraussetzung<br />

zur Berufung als Schulleiter sollte im Regelfall eine eigene Lehrerbiographie sein, da diese für die schulinterne<br />

Kommunikation unabdingbar ist. Dazu muss eine qualifizierende Zusatzausbildung kommen, die den Erwerb<br />

von Managementkompetenzen nachweist, insbeson<strong>der</strong>e hinsichtlich Organisation, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit<br />

sowie Mitarbeiterführung und -Entwicklung.<br />

<strong>Die</strong> befähigte Schulleitung ist aus dem Kollegium herausgehoben und in ihren Unterrichtsverpflichtungen<br />

stark reduziert. Sie trägt die Budget- und Personalverantwortung, ist verantwortlich für das pädagogische<br />

Profil <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> und damit für die Basis <strong>der</strong> Nachfrage durch Schüler, die wie<strong>der</strong>um die Grundlage <strong>der</strong> Finanzierung<br />

und somit <strong>der</strong> Existenzberechtigung <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ist. Wegen dieser hohen Verantwortung sind alle<br />

Stellen auf Schulleitungsebene befristet zu vergeben, sind regelmäßige Überprüfungen und eine echte Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Abberufung vorzusehen.<br />

Damit Personalentwicklung auch real umgesetzt werden kann, ist die Etablierung von Führungsmechanismen<br />

notwendig. Sollen aber personalpolitische Instrumente – wie das einer Zielvereinbarung – wirklich wirksam<br />

werden, müssen konkrete Konsequenzen aus <strong>der</strong> Zielerreichung erwachsen. Es bedarf einer Flexibilisierung<br />

<strong>der</strong> Gehälter mit erheblichen leistungsbezogenen Gehaltskomponenten, aber auch Instrumenten <strong>der</strong> negativen<br />

Sanktionierung, also in letzter Konsequenz <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Kündigung. Perspektivisch ist <strong>der</strong> Ausstieg aus<br />

dem Lehrerbeamtentum zu realisieren, ist gesetzgeberisch die faktische Unkündbarkeit bei langfristigen Angestelltenverhältnissen<br />

aufzuheben. Auf diesem Wege wird berufliche Rotation wahrscheinlicher. Physische Mobilität<br />

ist nicht mit geistiger gleichzusetzen, aber <strong>der</strong> bisherige Zwang zur Immobilität <strong>der</strong> Lehrer trägt einen<br />

wesentlichen Anteil an <strong>der</strong> bescheidenen Entwicklungsdynamik unseres Schulwesens.<br />

Der Wettbewerb unter den selbst verantwortlichen <strong>Schule</strong>n wird zu bewussteren Ausrichtungen führen. Sie<br />

werden letztlich strategische Profile entwickeln und messbare Ziele formulieren. Erfolgreich etablierte Konzepte,<br />

aber auch pädagogische Innovationen setzen sich durch die Wettbewerbssituation schneller durch und<br />

werden konsequenter weiterentwickelt. Der Wettbewerb <strong>der</strong> Ideen und Konzepte ersetzt den um das größte<br />

Beharrungsvermögen. <strong>Die</strong> Einbeziehung von Schülern, Eltern und Lehrern in die <strong>Schule</strong>ntwicklung wird sich<br />

als Normalfall durchsetzen, weil sie die Zufriedenheit und damit langfristig die Schülerzahlen stabilisiert bzw.<br />

erhöht.<br />

Mehr Eigenverantwortung erfor<strong>der</strong>t neben einer stringenten externen Evaluation ein hohes Maß an schulinterner<br />

Verbindlichkeit. Dazu gehört auch die Einigung auf ein auf <strong>Schule</strong>bene einheitliches Bewertungs- und Beurteilungssystem.<br />

Ob dieses auf die klassischen Zensurenbewertungen, auf Kompetenzentwicklungsprofile<br />

o<strong>der</strong> auf differenzierte Beurteilungen zurückgreift, ist zumin<strong>des</strong>t bis zum Ende <strong>der</strong> Sekundarstufe I den <strong>Schule</strong>n<br />

zu überlassen. Wichtig ist, dass das wie auch immer geartete System Schüler durch gerechte und präzise<br />

Rückmeldungen zu Anstrengung und Leistung motiviert sowie Entwicklungsfortschritte nachvollziehbar dokumentiert.<br />

Auch die Rahmenbedingungen sind neu zu denken – und zwar von den <strong>Schule</strong>n aus. <strong>Die</strong> bestehenden Schulämter<br />

sind aufzulösen. Den Bedürfnissen <strong>der</strong> selbst verantwortlichen <strong>Schule</strong>n entsprechend, sind zwei<br />

Service-Stellen einzurichten: Inspektion und Revision. Beide arbeiten nach dem Grundsatz, dass nicht die Personen,<br />

son<strong>der</strong>n die Struktur und die Arbeitsweise <strong>der</strong> schulischen Organisation im Mittelpunkt <strong>des</strong> Interesses<br />

stehen. <strong>Die</strong> Inspektion übernimmt die Schlüsselfunktion <strong>der</strong> Beratung. Sie identifiziert Schwachstellen und<br />

nutzt diese in einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Dafür ist<br />

wichtig, dass die Inspektionsteams selbst aus dem Schulbereich kommen. Sie arbeiten als externe Experten mit<br />

kritischem Blick, die nicht in die schulische Hierarchie eingeglie<strong>der</strong>t sind. Viele <strong>Schule</strong>n werden trotz anfängli-


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 7<br />

cher Skepsis froh sein, wenn sie „endlich ernst genommen“ werden und qualifizierte Unterstützung bekommen.<br />

Demgegenüber übt die Revision eine Kontrollfunktion im Sinne einer externen Qualitätsüberprüfung aus.<br />

2.4. Verbindlichkeit <strong>der</strong> Ziele: Transparenz und Evaluation<br />

Bisher verfügen alle Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> über Lehrpläne, die zumeist die Lernwege vorschreiben, denen es aber<br />

durch ihre langfristigen Überarbeitungszyklen häufig an Aktualität mangelt. Das immer komplexere Wissen<br />

unserer Gesellschaft lässt sich immer schlechter in standardisierte Lehrempfehlungen pressen. Einige Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong><br />

haben darauf mit einer zunehmenden Offenheit ihrer Lehrpläne reagiert. <strong>Die</strong> eigentliche Konsequenz<br />

muss die Abschaffung <strong>der</strong> Lehrpläne sein.<br />

Nicht mehr <strong>der</strong> Input in Form <strong>der</strong> zu vermittelnden Inhalte, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> in Lernziele gefasste Soll-Output ist<br />

verbindlich festzulegen. Was soll ein Schüler nach <strong>der</strong> 2., 6., 9. und was nach <strong>der</strong> 12. Klasse min<strong>des</strong>tens (Min<strong>des</strong>tstandards)<br />

und was sollte er normalerweise (Regelstandards) können? Erste Schritte sind hier gemacht, die<br />

ersten Bildungsstandards sind eingeführt. Es gilt nun, diese systematisch weiterzuentwickeln und als echten<br />

Lehrplanersatz zu begreifen. <strong>Die</strong> Konsequenz verbindlicher, regelhaft überprüfter Ziele muss die Freigabe <strong>der</strong><br />

Wege sein.<br />

Überschulische Testverfahren messen den Grad <strong>der</strong> Erreichung und geben den <strong>Schule</strong>n und den Schülern verbindliche<br />

Rückmeldungen über ihre Position in <strong>der</strong> Vergleichsgruppe. Sie dienen ausdrücklich nicht <strong>der</strong> Selektion<br />

<strong>der</strong> Schüler, son<strong>der</strong>n dazu, Entwicklungspotenziale aufzuzeigen. Das Feedback aus den Tests führt im<br />

Regelfall zur Überarbeitung nicht erfolgreicher Bildungskonzeptionen. Durch Etablierung von „Best-Practice-<br />

Gruppen“ und die Dokumentation ihrer erfolgreichen Arbeitsweisen durch externe, hochschulnahe <strong>Die</strong>nstleistungsagenturen,<br />

werden für weniger erfolgreiche Akteure konkrete Anregungen zur Verbesserung <strong>der</strong> eigenen<br />

Methodik und Konzeption zur Verfügung gestellt, durch den Druck <strong>der</strong> Leistungstransparenz steigt die Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>der</strong> Anwendung erheblich. Je<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> steht zudem mit <strong>der</strong> Inspektionsagentur ein kompetenter<br />

Partner zur Seite, <strong>der</strong> die Leistungen <strong>der</strong> individuellen Schulorganisation evaluiert und diese in ihren Verbesserungsprozessen<br />

engagiert und sachkundig begleitet.<br />

Lehrpläne werden also durch Bildungsstandards ersetzt, <strong>der</strong>en Erreichung regelmäßig, aber nicht in jedem Jahr<br />

überprüft wird. Sonst bestünde die Gefahr <strong>des</strong> „teaching-for-testing“, sonst würden sich die <strong>Schule</strong>n mehr auf<br />

Testvorbereitungen als auf Lernerfolge konzentrieren. <strong>Die</strong> Zeitpunkte am Ende von Klasse 2, 6, 9 und 12 orientieren<br />

sich am Schweizer Modell. 5 Sie laufen parallel mit einschlägigen Entwicklungsstufen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und<br />

sind somit geeignet, den Leistungsstand zu überprüfen und ihnen Hinweise für Potenziale <strong>der</strong> eigenen Entwicklung<br />

zu geben.<br />

<strong>Die</strong> konkreten Zeitpunkte ließen sich durchaus auch an<strong>der</strong>s wählen, wichtig ist jedoch, dass es nicht mehr als<br />

vier solcher Überprüfungszeitpunkte gibt. Wenn <strong>Schule</strong>n erfolgreich Erfahrungen mit <strong>der</strong> neuen Freiheit gesammelt<br />

haben, sollten sie in ihrer Freiheit weiter gestärkt und die Anzahl <strong>der</strong> externen Überprüfungen auf<br />

zwei reduziert werden: Eine am Ende <strong>der</strong> Sekundarstufe I und eine am Ende <strong>der</strong> Sekundarstufe II.<br />

Mit den verbindlichen Leistungsüberprüfungen wird die autonome, konzeptionell freie <strong>Schule</strong> auf klare Ziele<br />

verpflichtet und vor dem Vorwurf <strong>der</strong> Beliebigkeit geschützt. Sollen die Ergebnisse im Sinne einer konsequenten<br />

Transparenz in Form von Rankings publiziert werden, ist es unabdingbar, die Eingangsniveaus zu berücksichtigen.<br />

<strong>Die</strong> Qualität einer <strong>Schule</strong> ist nicht an absoluten, son<strong>der</strong>n nur an relativen Ergebnissen messbar. <strong>Die</strong><br />

Kernfrage muß lauten: „Wie viel hat die <strong>Schule</strong> dazu gepackt?“<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> externen Evaluationen werden unter Offenlegung <strong>der</strong> Kriterien publiziert und systematisch<br />

für Verbesserungen genutzt. Beispielsweise ist denkbar, dass für die schlechtesten 20% zusätzliche Beratungskapazität<br />

bereitgestellt und für Verbesserungen eingesetzt wird.<br />

Auf Schul- und Klassenebene sind Lernziele transparent zu machen, bei den verschiedenen Einzelleistungen<br />

sind Erwartungshorizonte zu kommunizieren. <strong>Die</strong> Klarheit <strong>der</strong> Ziele ermöglicht bewusste Entscheidungen für<br />

das eigene Verhalten <strong>des</strong> Schülers und verdeutlicht damit die Verantwortung für den eigenen Lernerfolg. In<br />

<strong>der</strong> Praxis haben sich in diesen Fragen Instrumente wie das Lerntagebuch o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Lernpass als unmittelbare<br />

Rückmeldungsinstrumente bewährt, da diese den individuellen Lernfortschritt transparent dokumentieren.<br />

5 Für einen internationalen Überblick zu Bildungsstandards und <strong>der</strong>en Überprüfung vgl. Fitzner (Hg.) (2004): Bildungsstandards: Internationale<br />

Erfahrungen, <strong>Schule</strong>ntwicklung, Bildungsreform, Bad Boll 2004.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 8<br />

3. Grundlegende Reform <strong>der</strong> Lehrerausbildung<br />

3.1. Gesellschaftliche Akzeptanz<br />

„Lehrer sind faul, haben nachmittags frei und lange Ferien.“ Soviel zum Klischee. Wer so argumentiert, müsste<br />

konsequenterweise von einer faulen, Eier legenden Wollmilchsau sprechen. Denn als Eltern erwartet man natürlich<br />

schon, dass das eigene Kind die Inhalte auf neuestem Forschungsniveau, zugleich aber gut verdaulich<br />

präsentiert bekommt, dass hohe Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt werden, die Begabungen <strong>des</strong> eigenen Kin<strong>des</strong> aber<br />

selbstverständlich mit hervorragenden Noten zu würdigen sind. Schlechte Verhaltensweisen sind hart zu disziplinieren,<br />

fällt ein falsches Wort gegenüber dem eigenen Kind, wird mit dem Anwalt gedroht.<br />

Vor einer Herzoperation wird kaum jemand dem Chirurgen erklären, wie er seine Schnitte zu setzen hat. Eine<br />

<strong>Schule</strong> hat aber je<strong>der</strong> einmal durchlaufen, hier ist je<strong>der</strong> Experte. <strong>Die</strong> pädagogischen Kernkompetenzen, und<br />

damit auch die Lehrpersonen selbst, werden permanent in Frage gestellt. Eben diese Lehrpersonen sollen aber<br />

Tag für Tag mit neuem Schwung und neuen Ideen ihre Schüler begeistern. Ein Paradoxon, das dazu führt, dass<br />

es wohl kaum ein Land gibt, in dem Zynismus und Frustration in den Schulkollegien so ausgeprägt sind, in<br />

dem das Erreichen <strong>der</strong> Pensionierungsgrenze im regulären <strong>Die</strong>nst eher Ausnahme als Normalfall ist. 6 <strong>Die</strong> permanente<br />

Krise <strong>des</strong> Bildungssystems hat zu einer ernst zu nehmenden Krise <strong>des</strong> Selbstbewusstseins <strong>der</strong> Lehrer<br />

geführt.<br />

<strong>Die</strong> Schizophrenie <strong>der</strong> an Lehrer gerichteten Erwartungen ist öffentlich zu thematisieren. Wir brauchen breite<br />

gesellschaftliche Akzeptanz für die Schwierigkeit <strong>der</strong> pädagogischen Aufgaben. Hierfür gilt es massiv zu werben,<br />

denn in <strong>der</strong> so von zwischenmenschlichen Befindlichkeiten abhängigen Funktion <strong>des</strong> Lehrers spielt das<br />

Selbstbewusstsein eine ganz entscheidende Rolle.<br />

Außerdem: Bei <strong>der</strong> Schlüsselbedeutung, die den Lehr- und Erziehungspersonen für die weitere Entwicklung<br />

unserer Gesellschaft zukommt, müssen pädagogische Berufe für die Besten <strong>der</strong> Jahrgänge attraktiv sein. Davon<br />

sind wir im Moment noch weit entfernt.<br />

3.2. Vom Richter zum Trainer<br />

Der Rohrstock als pädagogisches Instrument hat in Deutschland schon länger ausgedient, von ihrem Status als<br />

Autoritäten haben sich die Lehrer schleichend verabschiedet. In <strong>der</strong> pädagogischen Kernkompetenz nicht ernst<br />

genommen, in ihren Leistungen nicht gewürdigt, bei eigenen Entscheidungen mit Rechtsanwaltsdrohungen<br />

überzogen – es ist schwierig, als Autorität aufzutreten. Dahinter steht auch <strong>der</strong> Umstand, dass Erwachsene<br />

insgesamt seltener als Autoritäten anerkannt werden, dass Eltern zu Hause nicht mehr als Autoritäten auftreten,<br />

dies aber von den Lehrern verlangen.<br />

<strong>Die</strong>se sind in <strong>der</strong> Regel von <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> an die Universität und von dort wie<strong>der</strong> in die <strong>Schule</strong> gegangen. Woher<br />

soll da <strong>der</strong> Überblick über die immer komplexer gewordene Arbeitswelt kommen? Wie aber mit Überzeugung<br />

die Richtung vorgeben, wenn man das Ziel gar nicht kennt, kaum weiß, was die Schüler am Ende <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

wirklich können sollten? Was tun, wenn man die Realitäten, auf die man vorbereitet, nur vom Hörensagen<br />

kennt? Unternehmenspraktika für Lehrer sind hier sicher ein geeignetes Instrument. Dazu muss in Schulungen<br />

praxisnah vermitteltes wissenschaftliches Wissen über Kompetenzprofile treten, denn auch Praktika zeigen nur<br />

einen Ausschnitt <strong>der</strong> in verschiedenste Arbeitswelten zerfallenden beruflichen Realität.<br />

<strong>Die</strong> Autorität <strong>der</strong> Lehrer ist wie<strong>der</strong>herzustellen, wenn auch in stark gewandelter Form. Sie sollte sich zum einen<br />

ergeben aus einer deutlich erhöhten gesellschaftlichen Wertschätzung, einer gesteigerten Weiterbildungsintensität<br />

und einer stark verbesserten Weiterbildungsqualität, zum an<strong>der</strong>en aus einer Neudefinition <strong>der</strong> Lehrerrolle.<br />

<strong>Die</strong> Autorität <strong>des</strong> Lehrers sollte sich nicht mehr aus seiner Sanktionsgewalt o<strong>der</strong> seinem Vorsprung an<br />

Wissen ergeben. Im differenzierenden Unterricht, <strong>der</strong>, statt Homogenität anzustreben, auf die Entwicklung <strong>der</strong><br />

individuellen Potenziale sowohl <strong>der</strong> schwachen als auch <strong>der</strong> starken Schüler setzt, ermöglicht die Lehrperson<br />

den Zugang zu Wissen. Der Lehrer selbst hilft bei <strong>der</strong> Generierung und Strukturierung von Inhalten, liefert<br />

aber nicht mehr alle Inputs selbst. Er wird – wie insbeson<strong>der</strong>e von guten Lehrern bereits vollzogen – vom Richter,<br />

<strong>der</strong> seine Schüler wie Zirkustiere abfragt und sie danach bewertet, wie viel von dem Eingetrichterten sie<br />

richtig reproduziert (und eine Woche später wie<strong>der</strong> vergessen) haben, zum Berater, zum Kompetenz- und Persönlichkeitsentwickler.<br />

Im Sinne eines Trainers hilft er den Schülern, ihre Potenziale zu erkennen und zu ent-<br />

6 Vgl. weiterführend OECD (2005): Teachers Matter: Attracting, developing and retaining effective teachers, Paris 2005, S. 29ff.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 9<br />

wickeln. Aus den daraus resultierenden Erfolgserlebnissen und Entwicklungssprüngen, aus dem erfolgreichen<br />

Einsatz seiner pädagogischen und didaktischen Kompetenz, bezieht er seine Autorität.<br />

Ein solches System funktioniert nur aus einer Haltung <strong>der</strong> ermunternden Herausfor<strong>der</strong>ung, denn Erfolg ohne<br />

Mühe ist wertlos. Anstrengung, Fleiß, Ausdauer und Überwindung sind die Voraussetzungen für nachhaltiges<br />

Lernen. In ihrem eigenen Selbstbewusstsein gestärkte und in ihrer Rolle gefestigte Lehrer fassen wie<strong>der</strong> Mut<br />

zur Zumutung, werden konsequent Grenzen ziehen und unerwünschten Verhaltensweisen mit klaren Reaktionen<br />

begegnen.<br />

Auch bei hoher fachlicher und erzieherischer Kompetenz bleiben Lehr-Lern-Prozesse Beziehungsarbeit und als<br />

solche in hohem Maße frustrationsbesetzt. <strong>Die</strong> Burnout-Gefährdung ist erheblich, Supervision sollte, wie etwa<br />

in Jugendämtern o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Polizei bereits in vielen Regionen üblich, auch für Lehrer zum Erhalt <strong>der</strong> physischen<br />

und psychischen Gesundheit, zur Berufszufriedenheit und Handlungsfähigkeit systematisch als Angebot<br />

eingeführt werden.<br />

3.3. Einstufige Lehrerausbildung<br />

<strong>Die</strong> geän<strong>der</strong>ten Rollenanfor<strong>der</strong>ungen spiegeln sich im Aus- und Weiterbildungssystem für Lehrer nicht wi<strong>der</strong>.<br />

Lehrer werden in Deutschland primär als Fachwissenschaftler ausgebildet. Sie brauchen lange und sind trotzdem<br />

kaum auf den Schulalltag vorbereitet. Unser System <strong>der</strong> Lehrerausbildung ist eine nicht nachvollziehbare<br />

Ressourcenverschwendung.<br />

Nehmen wir das Beispiel eines Lehrers mit <strong>der</strong> sehr verbreiteten Kombination von Mathematik und Physik. In<br />

beiden Fächern ist weitgehend das Pensum <strong>der</strong> Diplom-Studenten zu absolvieren, zusätzlich vielleicht noch<br />

etwas Didaktik und Pädagogik, je nach Bun<strong>des</strong>land. Zumin<strong>des</strong>t im Grundstudium haben wir es also fachlich<br />

gesehen mit einem Doppeldiplom zu tun. Wie viele Studenten sind so begabt, dass sie parallel zwei Diplomstudiengänge<br />

studieren? Von Lehramtsstudenten wird genau das verlangt. Und zur Belohnung werden sie<br />

dann als Studenten zweiter Klasse behandelt, weil sie ja nicht so tief im Stoff stehen wie ihre Diplom-Kollegen.<br />

Dabei haben sie neben organisatorischen Problemen durch sich überlappende Veranstaltungen <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Fachrichtungen noch eine erheblichen Mehrbelastung durch höhere Stundenzahlen und breitere Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu bewältigen.<br />

Das Ergebnis eines solchen Studiums sind hervorragend ausgebildete Fachwissenschaftler, die bestenfalls am<br />

Rande etwas darüber mitgenommen haben, wie sie das nun in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> vermitteln sollen. <strong>Die</strong> jahrelange<br />

Arbeit auf höchstem fachlichen Niveau führt letztlich zu dem Problem, dass die Erklärung einfacher, schulrelevanter<br />

Fragestellungen von den wenigsten in verständlicher Form geleistet werden kann. Im Lehramt für die<br />

Sekundarstufe I verschärft sich die Diskrepanz von Studiumsinhalten und schulischen Lehrinhalten noch einmal<br />

erheblich.<br />

Natürlich soll ein Lehrer in seinen Fächern strukturierter und pointierter denken als seine Schüler. Wenn er<br />

aber nicht weiß, wie er das Wissen vermitteln, wie er mit den erzieherischen Schwierigkeiten in einer Klasse<br />

umgehen soll, bringt das gesammelte Fachwissen nichts. Wer heute ein guter Pädagoge wird, wird dies allzu<br />

oft trotz und nicht wegen <strong>der</strong> Lehrerausbildung.<br />

Lehrer werden bisher nach ihrer Abschlussnote eingestellt. <strong>Die</strong>se richtet sich in <strong>der</strong> Regel nach den Leistungen,<br />

die bei <strong>der</strong> Reproduktion und bei <strong>der</strong> Anwendung von Wissen erzielt wurden. <strong>Die</strong> besten 15% eines Jahrgangs<br />

werden auch in <strong>der</strong> Praxis hervorstechen, <strong>der</strong> Rest hat ganz erhebliche Probleme.<br />

Auch in <strong>der</strong> Erziehungswissenschaft werden Zensuren zumeist danach vergeben, ob jemand einen Text verstehen,<br />

reproduzieren und anwenden kann. Über die pädagogische Kompetenz wird damit nichts ausgesagt. <strong>Die</strong><br />

wird vielfach erst in <strong>der</strong> zweiten Ausbildungsphase relevant, dem Referendariat. Da ist das Studium schon<br />

abgeschlossen, eine Umorientierung fällt schwer. Einige Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> haben daher begonnen, einen Teil <strong>des</strong><br />

Referendariats in das Studium vorzuziehen, um eine frühzeitige Erprobung <strong>der</strong> pädagogischen und didaktischen<br />

Kompetenzen zu ermöglichen. <strong>Die</strong>ser Schritt ist richtig, kann aus unserer Sicht aber nur ein Anfang sein.<br />

Ziel muss eine integrierte, einstufige Lehrerausbildung – und somit die Abschaffung <strong>des</strong> Referendariats – sein.<br />

Der deutsche Son<strong>der</strong>weg <strong>des</strong> Referendariats war insbeson<strong>der</strong>e zur verwaltungsrechtlichen Legitimation einer<br />

höheren Besoldungsstufe und nicht aus Gründen inhaltlicher Relevanz eingeführt worden. Es ist an <strong>der</strong> Zeit,<br />

diesen Irrweg zu verlassen.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 10<br />

Der Umfang fachwissenschaftlicher Ausbildung ist deutlich zu reduzieren. Das Studium könnte sich künftig<br />

etwa zu 60% <strong>der</strong> Fachausbildung und zu 40% <strong>der</strong> Pädagogik/Didaktik widmen. Im fachlichen Bereich sind<br />

deutlich mehr Überblicksveranstaltungen sinnvoll. Insbeson<strong>der</strong>e in den Geisteswissenschaften erwerben Lehramtsstudenten<br />

eine Menge Spezialwissen, ohne dass übergreifende Perspektiven, wie sie für den Schuldienst<br />

unverzichtbar sind, in hinreichendem Maße dargestellt werden. Wichtig ist auch, dass die Methoden <strong>der</strong><br />

Fachwissenschaft präzise vermittelt werden, so dass die berufsbegleitende Aktualisierung bzw. Neuaneignung<br />

von fachlichem Wissen unproblematisch erfolgen kann.<br />

Das erziehungswissenschaftliche Studium wird bisher nur von wenigen Studenten ernst genommen. An vielen<br />

Universitäten ist es in großen Teilen freiwillig, die Inhalte zeichnen sich selten durch Aktualität und schulische<br />

Relevanz aus. Gerade aber die Erziehungswissenschaft sollte <strong>der</strong> Ort sein, wo nicht allein wissenschaftliche<br />

Bildungsideale, son<strong>der</strong>n in beson<strong>der</strong>en Maße <strong>der</strong>en praktische Umsetzung thematisiert werden sollte. Einen<br />

wesentlichen Schwerpunkt sollte künftig das Erlernen <strong>der</strong> Bewältigung konkreter pädagogischer Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

bilden. Dafür ist psychologisches Hintergrundwissen ebenso relevant wie konkretes Handlungswissen.<br />

Entwicklungspsychologie, Gruppenprozesse, Konfliktmanagement, <strong>der</strong> Umgang mit Lernstörungen, mit Heterogenität<br />

und kultureller Differenz gehören zwingend zum Handwerkszeug <strong>des</strong> Lehrers. <strong>Die</strong> Erziehungswissenschaft<br />

ist in ihrer Bedeutung für die Lehramtsausbildung so zu stärken, dass sie zur Vermittlung dieses<br />

Handwerkszeugs befähigt wird. Sie muss zugleich aber ihre bisherige Lehrpraxis kritisch hinterfragen und ihre<br />

eigenen Veranstaltungsangebote reformieren. Hierbei ist auch über die stärkere Einbindung erfolgreicher Praktiker<br />

in die Ausbildung nachzudenken. Wir brauchen also eine umfängliche, verpflichtende und in ihren Inhalten<br />

überarbeitete Erziehungswissenschaft, die konkret auf die wachsenden pädagogischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

im Schulbetrieb vorbereitet.<br />

Demgegenüber ist die Vermittlung <strong>des</strong> erworbenen Fachwissens Gegenstand <strong>der</strong> Fachdidaktik. <strong>Die</strong>s wird nur<br />

dann wirklich erfolgreich sein, wenn in jedem Lehramtsfach auch ein Lehrstuhl mit genügend Mitarbeitern zur<br />

Verfügung steht, <strong>der</strong> sich allein <strong>der</strong> Didaktik widmet.<br />

Teilweise ist eine enge Verzahnung mit fachwissenschaftlichen Inhalten anzustreben, bestimmten fachwissenschaftlichen<br />

Modulen sind fachdidaktische zuzuordnen. Das gelernte Fachwissen wird so in Beziehung zu den<br />

Bedürfnissen von Schulunterricht gesetzt, Varianten <strong>der</strong> Aufbereitung werden erarbeitet und diskutiert.<br />

Der pädagogische und <strong>der</strong> didaktische Teil <strong>des</strong> Studiums sollten sehr praxisorientiert geführt werden, um den<br />

in verschiedenen Studien diagnostizierten eklatanten Mangel an konkretem Arbeitswissen zu beseitigen. Statt<br />

ein isoliertes Referendariat anzuschließen, ist beispielsweise während <strong>des</strong> gesamten Studiums ein Tag pro Woche<br />

in einer <strong>Schule</strong> zu verbringen, sei es für Hospitationen, didaktische Analysen o<strong>der</strong> eigene Unterrichtseinheiten.<br />

Alternativ wäre auch nach jedem Semester ein Block in <strong>der</strong> vorlesungsfreien Zeit denkbar. Wichtig ist,<br />

dass frühzeitig praktische Lehrerfahrungen gesammelt und wirksame Rückmeldungen gegeben werden. Entscheidend<br />

ist auch, dass die praktischen Erfahrungen als Orientierungspunkt bei <strong>der</strong> Erarbeitung wissenschaftlicher<br />

Fragestellungen verwendet werden. Das vermittelte Wissen ist durch die konkreten Bezüge für die Studenten<br />

relevant und kann zeitnah auch praktisch umgesetzt werden. <strong>Die</strong> in diesem Modell alltäglicher werdende<br />

Zusammenarbeit zwischen Lehramtsstudenten <strong>der</strong> verschiedensten Fachrichtungen schafft eine professionelle<br />

Gemeinschaft, in <strong>der</strong> die spätere Kooperation zwischen verschiedenen Fächern in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> durch die<br />

Gewohnheit <strong>des</strong> konkreten persönlichen Kontakts vereinfacht wird. Kurse in Stimmbildung, Rhetorik, Kommunikation,<br />

Konfliktbewältigung und spezifischen didaktischen Methoden runden, wie in einigen Studienreformentwürfen<br />

bereits vorgesehen, das pädagogisch-didaktische Angebot ab.<br />

Mit dem vorgeschlagenen Modell verbessert sich die Qualität <strong>der</strong> Vorbereitung auf die <strong>Schule</strong> erheblich, ohne<br />

den Anspruch einer fundierten fachwissenschaftlichen Ausbildung aufzugeben. Zudem kann die Ausbildungszeit<br />

erheblich reduziert werden. Bisher dauert <strong>der</strong> Weg durch die deutschen Ausbildungsinstanzen <strong>der</strong><br />

zweistufigen Lehramtsausbildung durchschnittlich fast zehn Jahre. Ein unhaltbarer Zustand.<br />

Zu einer auf maximal fünf Jahre verkürzten Erstausbildung gehört ein verbindliches Weiterbildungssystem,<br />

das fachliche und pädagogische Innovationen zeitnah zu den Lehrern und somit in die <strong>Schule</strong>n bringt. Wer ein<br />

Leben lang lehrt, muss – mehr als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e – lebenslang lernen.


AK Bildung Eigenverantwortung, Transparenz, Externe Evaluation – <strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Seite 11<br />

Bisher ist <strong>der</strong> Umgang mit bestehenden Lehrkräften schwierig. Um eingestellt zu werden, muss hoher Aufwand<br />

betrieben werden. Für Entlassungen bedarf es dagegen schon grober dienstrechtlicher Verstöße. Sie sind<br />

für den Regelfall schlichtweg nicht vorgesehen. Entsprechend gering ist das Maß <strong>der</strong> Verbindlichkeit einer<br />

kontinuierlich fortgesetzten Qualifikationsentwicklung. Personalarbeit muss auch in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> zur Kompetenzentwicklungsarbeit<br />

werden. Bei <strong>der</strong> inzwischen rapide verkürzten Halbwertzeit von Wissen kommt <strong>der</strong><br />

forschungsnahen Weiterbildung für Lehrer eine ganz zentrale Rolle zu. <strong>Die</strong>ser ist durch regelmäßige (z.B.<br />

zweijährliche) Feedback-Gespräche zur persönlichen Entwicklung mit <strong>der</strong> Schulleitung Rechnung zu tragen.<br />

<strong>Die</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Entwicklung ist, differenziert nach Kompetenzbereichen, schriftlich zu fixieren und als<br />

Impulsgeber für die weitere Entwicklung zu nutzen. Institutionell muss <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Kompetenzentwicklung<br />

in einem System von leistungsbezogenen Gehaltskomponenten spürbar honoriert werden. Darüber hinaus sind<br />

den Schulleitungen im Rahmen <strong>des</strong> Konzepts <strong>der</strong> eigenverantwortlichen <strong>Schule</strong> Sanktionsmöglichkeiten einzuräumen,<br />

die von <strong>der</strong> Vereinbarung zusätzlicher Entwicklungsmaßnahmen bis hin zur Entlassung reichen sollten.<br />

Als Instrument <strong>der</strong> Kompetenzentwicklung sollte <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Wirtschaft bewährte Ansatz <strong>des</strong> „best practice“<br />

Einzug in die <strong>Schule</strong>n halten. Hochschulnahe Forschungs- und <strong>Die</strong>nstleistungsinstitute untersuchen, welche<br />

Methoden bei den besten Lehrpersonen eines Faches erfolgreich sind. <strong>Die</strong>se werden möglichst konkret benannt<br />

und im Rahmen von Schulungen thematisiert und trainiert. Somit profitieren alle Lehrpersonen von den besten,<br />

ohne dass die unterdurchschnittlichen diffamiert werden. Dafür ist es wichtig, dass „best-practice-<br />

Untersuchungen“ schulübergreifend durchgeführt werden. Vergleiche innerhalb eines Kollegiums sind zunächst<br />

wenig vertrauensbildend. Spricht man jedoch konkret über erfolgreiche Verhaltensweisen, bleiben persönliche<br />

Befindlichkeiten außen vor, die Schulungen werden deutlich erfolgreicher ausfallen.<br />

Für die Durchführung von Vergleichstests wird international sehr viel Geld ausgegeben, für PISA beispielsweise<br />

je<strong>des</strong> Mal 300 Millionen Dollar. In Deutschland fehlt es jedoch an Projekten, die das in den internationalen<br />

Untersuchungen aufwändig gewonnene Know-how systematisch den <strong>Schule</strong>n zur Verfügung stellen. Auch<br />

die Erfahrungen <strong>der</strong> Staatlichen Versuchsschulen haben bisher den Weg ins etablierte Schulsystem nicht gefunden.<br />

Sowohl objektivierte und standardisierte Verfahren zur Leistungsmessung als auch wissenschaftlich<br />

begleitete staatliche Versuchsschulen können ihre Stärken jedoch nur dann voll entfalten, wenn wir ihre Ergebnisse<br />

konsequent zur Weiterentwicklung unseres Schulsystems und zur Schulung <strong>der</strong> praktischen Fertigkeiten<br />

<strong>der</strong> Lehrpersonen einsetzen. Auch in diesem Bereich haben wir noch erheblichen Verbesserungsbedarf.<br />

4. Zusammenfassung<br />

In <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Funktionen von <strong>Schule</strong> sehen wir vier als zentral an: Den Erwerb von Verfahren zur Wissensaneignung<br />

sowie von konkretem Fach- und Allgemeinwissen, die wertorientierte Erziehung, die gesellschaftliche<br />

und sprachliche Integration und die Vorbereitung auf ein Leben als mündiger Bürger, <strong>der</strong> für sich<br />

und an<strong>der</strong>e, <strong>der</strong> für seine Überzeugungen in <strong>der</strong> Gemeinschaft eintritt.<br />

Damit <strong>Schule</strong> diese zentralen Beiträge für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaft leisten kann, sind die<br />

institutionellen Rahmenbedingungen nach dem liberalen Grundprinzip „Freiheit <strong>der</strong> Wege – Verbindlichkeit<br />

<strong>der</strong> Ziele“ grundlegend zu reformieren. Entscheidungsstrukturen sind zügig zu entbürokratisieren, Verantwortlichkeiten<br />

konsequent zu dezentralisieren. Eine echte, befähigte Schulleitung entscheidet – unter systematischer<br />

Beteiligung von Eltern, Schülern, Lehrern und <strong>der</strong> regionalen Wirtschaft – auf welchem Weg ihre <strong>Schule</strong><br />

die verbindlichen Min<strong>des</strong>tziele sowie eigene, darüber hinausgehende Ziele erreichen soll. Ziele und Zielerreichung<br />

werden durch interne und externe Evaluation transparent gemacht, damit Eltern ihre Wahlfreiheit auf<br />

einer gesicherten Informationsgrundlage nutzen können.<br />

<strong>Die</strong> Lehrerausbildung ist zu straffen und auf lebenslanges Lernen zu verpflichten. Pädagogische und didaktische<br />

Anteile sind zu erhöhen, Motivation und Eignung für diesen anspruchs- und verantwortungsvollen Beruf<br />

sind frühzeitig anhand praktischer Erfahrungen in <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> zu überprüfen. <strong>Die</strong> Beschäftigungsverhältnisse<br />

sind zu flexibilisieren, die Verbeamtung von Lehrern ist abzuschaffen. Dezentrale Auswahl, leistungsbezogene<br />

Bezahlung und echte Personalentwicklung sind Maßnahmen einer neuen Personalpolitik, die auf die einzelne<br />

<strong>Schule</strong> und den einzelnen Lehrer als in <strong>der</strong> Wahl ihrer Methoden freie und auf die Ergebnisse ihrer Arbeit verpflichtete<br />

Akteure setzt.

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