4 Differential-Algebraische Gleichungen - Lehrstuhl Numerische ...
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4 <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong> <strong>Gleichungen</strong><br />
Wir haben bisher explizite AWAn vom Typ:<br />
u ′ (t) = f(t, u(t)), u(t 0 ) = u 0 ,<br />
betrachtet. Wir wenden uns nun allgemeinen, insbesondere impliziten AWAn zu:<br />
F(t, u(t), u ′ (t)) = 0, t ≥ t 0 , u(t 0 ) = u 0 .<br />
Die Vektorfunktion F(t, x, η) : D ⊂ R 1+d+d → R d seien Lipschitz-stetig. Spezialfall ist die<br />
linear implizite Gleichung:<br />
M(t, u)u ′ = f(t, u),<br />
mit einer Matrixfunktion M(t, u). Wir gehen davon aus, dass eine Lösung u(t) existiert.<br />
Angenommen entlang dieser Funktion ist die Matrix M(t, u(t)) regulär, dann können wir<br />
das linear implizite System auflösen und erhalten eine explizite AWA:<br />
u ′ (t) = M(t, u(t)) −1 f(t, u).<br />
Dieses Vorgehen lässt sich auch für allgemeine nichtlineare implizite AWAn übertragen, wenn<br />
die Funktion F(t, u(t), u ′ (t)) entlang der Lösung u(t) bezüglich u ′ (t) invertierbar ist.<br />
Uns interessiert hier jedoch der Fall, dass die Matrix (bzw. die Funktion F(t, x, η)) nicht<br />
regulär ist. Oft zerfällt das System in zwei Teile für u 1 : R → R d 1<br />
und u 2 : R → R d 2<br />
gemäß:<br />
[ ] [ ] ′<br />
M1 0 u1<br />
=<br />
0 0 u 2<br />
[ ]<br />
f1 (t, u 1 , u 2 )<br />
,<br />
f 2 (t, u 1 , u 2 )<br />
also in einen differenziellen Teil für u 1 mit regulärem M 1 und einen algebraischen Teil für<br />
u 2 . Man beachte, dass über die rechte Seite f beide Teile koppeln! Wir können ein solches<br />
differential-algebraisches System (DAE) also als eine gewöhnliche <strong>Differential</strong>gleichung mit<br />
algebraischer Nebenbedingung auffassen.<br />
Beispiel 4.1 (Vereinfachtes mathematisches Pendel). Wir betrachten eine einfache DAE.<br />
Ein Körper mit normierter Masse m = 1 hängt an einem gespannten Faden der Länge l = 1,<br />
siehe Abbildung 4.1.<br />
Auf den Massepunkt wirkt die (normierte) Schwerkraft ⃗g = (0, −1) T . Zu jedem Zeitpunkt<br />
t ≥ 0 wirkt die effektive Kraft nur in Tangentialrichtung entlang der Pendelbahn, da der<br />
nicht elastische Faden als Scheinkraft eingeht. Der Normalvektor ist zum Zeitpunkt t gegeben<br />
als ⃗n(t) = (x(t), y(t)) T und somit ein Tangentialvektor als ⃗t(t) = (y(t), −x(t)) T . Die effektive<br />
Kraft ist dann F e := ⃗g · ⃗t(t) = x(t).<br />
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4 <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong> <strong>Gleichungen</strong><br />
Wir wollen eine <strong>Differential</strong>gleichung für die x-Position des Massepunktes aufstellen. Die<br />
Kraft in x-Richtung ist F e<br />
⃗t x = −x(t)y(t). Ohne Reibung und sonstige Einflüsse ergibt für<br />
die x-Beschleunigung:<br />
x ′′ (t) = −x(t)y(t),<br />
unter der Nebenbedingung:<br />
x(t) 2 + y(t) 2 = 1,<br />
da der Massepunkt stets am gespannten Fadens mit Länge 1 hängt. Zum Zeitpunkt t 0 = 0<br />
befindet sich das Pendel an einer Position x(0) = x 0 und y(0) = y 0 auf der Pendelbahn<br />
x 2 0 + y2 0 = 1 in Ruhe, d.h. für die Geschwindigkeiten in x- und y-Richtung gilt x′ (0) =<br />
y ′ (0) = 0.<br />
Zusammen ergibt sich ein differential algebraisches System:<br />
x(0) = x 0 , y(0) = y 0 , x ′ (0) = y ′ (0) = 0, x ′′ (t) = −x(t)y(t), x(t) 2 + y(t) 2 = 1, t ≥ 0.<br />
Für die Größe y(t) liegt kein <strong>Differential</strong>zusammenhang vor. Einen solchen können wir jedoch<br />
durch Differentiation der algebraischen Nebenbedingung erreichen:<br />
2x ′ (t)x(t) + 2y ′ (t)y(t) = 0 ⇔ y ′ (t) = − x(t)<br />
y(t) x′ (t),<br />
gültig solange y(t) ≠ 0. Auf diese Weise transformieren wir die DAE in ein System von<br />
<strong>Differential</strong>gleichungen 2-ter Ordnung:<br />
x ′′ (t) = x(t)y(t), x(0) = x 0 , x ′ (0) = 0,<br />
y ′ (t) = − x(t)<br />
y(t) x′ (t), y(0) = y 0 .<br />
welches wir durch Einführen einer Hilfsgröße v(t) = x ′ (t) in ein System erster Ordnung<br />
transformieren:<br />
v ′ (t) = x(t)y(t), v(0) = 0,<br />
x ′ (t) = v(t), x(0) = x 0 ,<br />
y ′ (t) = − x(t)<br />
y(t) x′ (t) y(0) = y 0 .<br />
4.1 Theorie von <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong>n <strong>Gleichungen</strong><br />
Wir betrachten die allgemeine implizite AWA<br />
F(t, u, u ′ ) = 0, t ≥ t 0 , u(t 0 ) = u 0 ,<br />
mit einer Lipschitz-stetigen Funktion F(t, x, η) : R 1+d+d → R d . Wir nehmen an, dass<br />
F η(t, ′ u, u ′ ) entlang einer Lösung u(t) bezüglich u ′ (t) nicht invertierbar ist. Wir können das<br />
System also nicht in eine normale AWA transformieren und es liegt eine <strong>Differential</strong>gleichung<br />
mit algebraischer Nebenbedingung vor.<br />
68
4.1 Theorie von <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong>n <strong>Gleichungen</strong><br />
x 2 + y 2 = 1<br />
(x(t), y(t))<br />
⃗g<br />
F e = (⃗t,⃗g)<br />
Abbildung 4.1: Herleitung einer DAE für das mathematische Pendel.<br />
Beim einführenden Beispiel haben wir gesehen, dass wir durch Differentiation der algebraischen<br />
Nebenbedingung einen differentiellen Zusammenhang aller Lösungskomponenten erhalten<br />
konnten. Wir definieren allgemein:<br />
Definition 4.1 (Index einer DAE). Der differentielle Index der DAE ist die kleinste Zahl<br />
k ∈ N für die der Ableitungsvektor u ′ (t) durch die k + 1 <strong>Gleichungen</strong>:<br />
d i<br />
dt i F(t, u, u′ ) = 0, i = 0, . . . , k,<br />
eindeutig als System erster Ordnung in Ausdrücken von u(t) bestimmt ist.<br />
Im Beispiel des mathematischen Pendels liegt also eine DAE vom Index 1 vor.<br />
Beispiel 4.2. Wir betrachten die DAE<br />
Mu ′ = u − b,<br />
mit einer Matrix M ∈ R d×d ⎡<br />
⎤⎫<br />
0 1 0 . . . 0<br />
0 0 1 . . . 0<br />
M =<br />
. . .. . .. . ⎪⎬<br />
.. .<br />
d<br />
⎢<br />
⎥<br />
⎣0 . . . 0 0 1⎦<br />
⎪⎭<br />
0 . . . 0 0 0<br />
Komponentenweise ergibt sich das System:<br />
u ′ 2(t) = u 1 (t) − b 1 (t),<br />
u ′ 3(t) = u 2 (t) − b 2 (t),<br />
.<br />
u ′ d(t) = u d−1 (t) − b d−2 (t)<br />
0 = u d (t) − b d (t),<br />
(4.1)<br />
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4 <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong> <strong>Gleichungen</strong><br />
ohne eine Ableitung der ersten Komponente u 1 (t). Eine Ableitung u ′ 1 (t) erhalten wir durch<br />
Differentiation der ersten Gleichung:<br />
u ′′<br />
2 = u ′ 1 − b ′ 1 ⇔ u ′ 1 = u ′′<br />
2 + b ′ 1, (4.2)<br />
Auf diese Weise werden wir die algebraische Nebenbedingung los, haben jedoch eine AWA<br />
zweiter Ordnung. Die zweite Ableitung von u 2 müssen wir durch erste Ableitungen Ausdrücken.<br />
Hierzu differenzieren wir die zweite Gleichung zweimal und erhalten:<br />
und zusammen mit (4.2)<br />
u ′′′<br />
3 = u ′′<br />
2 − b ′′<br />
2 ⇔ u ′′<br />
2 = u ′′′<br />
3 + b ′′<br />
2,<br />
u ′ 1 = u ′′′<br />
3 + b ′ 1 + b ′′<br />
2.<br />
Dies setzen wir fort, differenzieren also die d-te Gleichung in (4.1) d-mal und erhalten<br />
schließlich für u 1 den differenziellen Zusammenhang:<br />
u ′ 1 = b ′ 1 + b ′′<br />
2 + . . . b (d)<br />
d .<br />
Zusammen mit den ersten d − 1 <strong>Gleichungen</strong> von (4.1) erhalten wir ein System erster Ordnung.<br />
Die DAE hat den Index d.<br />
Die meisten Anwendungsprobleme sind vom DAE-Charakter und enthalten algebraische Nebenbedingungen.<br />
Beispiel 4.3 (Die Navier-Stokes <strong>Gleichungen</strong>). Das prominenteste Beispiel sind die Navier-<br />
Stokes <strong>Gleichungen</strong> für ein inkompressibles Fluid. Sie setzen sich aus Erhaltungsgleichungen<br />
für Impuls und Energie-Erhaltung zusammen. Diese sind <strong>Differential</strong>gleichungen vom Typ:<br />
v ′ (t) = Av(t) + N(v(t))v(t) + Bp(t), (4.3)<br />
mit einer Geschwindigkeit v(t) und einem Druck p(t). Aus dem physikalischen Grundprinzip<br />
der Masseerhaltung ergibt sich bei inkompressiblen Fluiden (d.h., die Dichte des Fluids ist<br />
konstant) die algebraische Nebenbedingung von der Form:<br />
B T v(t) = 0. (4.4)<br />
Wir vernachlässigen zunächst die konkrete Form der Matrizen A, N, B und schrieben die<br />
Struktur der DAE vereinfacht mit Funktionen f und g:<br />
v ′ (t) = f(t, v(t), p(t)), g(v(t)) = 0. (4.5)<br />
Für die Größe p(t) existiert kein differentieller Zusammenhang. Durch Differentiation erhalten<br />
wir:<br />
v ′′ = f ′ t(t, v, p) + f ′ v(t, v, p)v ′ + f ′ p(t, v, p)p ′ . (4.6)<br />
Ist f ′ p regulär so können wir diese Gleichung nach p ′ auflösen und erhalten<br />
p ′ = [f ′ p] −1{ v ′′ − f ′ t(t, v, p) − f ′ v(t, v, p)v ′} . (4.7)<br />
70
4.1 Theorie von <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong>n <strong>Gleichungen</strong><br />
Zweimalige Differentiation der Nebenbedingung liefert:<br />
zusammen mit (4.7) und (4.5)<br />
g ′′ (v)v ′ + g ′ (v)v ′′ = 0 ⇔ v ′′ = −[g ′ (v)] −1 g ′′ (v)v ′ ,<br />
v ′ (t) = f(t, v, p)<br />
p ′ = [f p] ′ −1{ }<br />
− [g ′ (v)] −1 g ′′ (v)f(t, v, p) − f t(t, ′ v, p) − f v(t, ′ v, p)f(t, v, p) .<br />
DAE’s vom Typ (4.5), bei denen die algebraische Variable nicht in der algebraischen Gleichung<br />
vorkommt sind also vom Index 2.<br />
Die Frage nach der Transformierbarkeit in ein System aus gewöhnlichen <strong>Differential</strong>gleichungen<br />
hängt von der Auflösbarkeit nach den Ableitungen ab. Durch Differentiation der Bedingungen<br />
ist es stets möglich auch Ableitungen der rein algebraischen Variablen zu erzeugen.<br />
Um das resultierende System als eines erster Ordnung zu schreiben müssen oft weitere Ableitungen<br />
hinzugezogen werden. Das wesentliche Problem ist jedoch die Invertierbarkeit der<br />
auftretenden Jacobi-Matrizen. Betrachten wir (4.6), benötigen wir die Regularität der Matrix<br />
f ′ p. Ursprünglich stammt die Funktion f im Beispiel 4.3 vom Ausdruck Av + N(v)v + Bp,<br />
d.h. die Jacobi-Matrix ist gegeben durch f ′ p := B. Die Invertierbarkeit hängt zu allererst<br />
davon ab, ob die Matrix B quadratisch ist. Dies ist jedoch gerade bei den Navier-Stokes<br />
<strong>Gleichungen</strong> üblicherweise nicht der Fall.<br />
Die Bestimmung des Index einer DAE kann nur im Einzelfall am konkreten Beispiel erfolgen.<br />
Beispiel 4.4. Weiter kommen oft DAE’s vom Typ:<br />
u ′ (t) = f(t, u, v), g(t, u, v) = 0,<br />
vor. Hier taucht die algebraische Variable in der algebraischen Gleichung auf. Differentiation<br />
dieser ergibt:<br />
g ′ (t, u, v) + g ′ x(t, u, v)u ′ + g ′ v(t, u, v)v ′ = 0,<br />
und bei Regularität von g ′ v und Ausnutzung der <strong>Differential</strong>gleichung:<br />
Es liegt somit eine DAE vom Index 1 vor.<br />
v ′ (t) = −[g ′ v] −1 (g ′ (t, u, v) − g ′ x(t, u, v)f(t, u, v)).<br />
Satz 4.1 (Existenzsatz für DAE’s). Die Funktionen f(t, x, y) und g(t, x, y) seien ausreichend<br />
differenzierbar. Ferner sei die Gleichung g(t 0 , x 0 , y 0 ) = 0 nach y 0 auflösbar. Ist dann<br />
g ′ y(t, x, y) in einer Umgebung von {t 0 , x 0 , y 0 } regulär, so besitzt die DAE vom Index 1<br />
u ′ (t) = f(t, u, v), g(t, u, v) = 0, t ≥ t 0 , u(t 0 ) = u 0 ,<br />
eine eindeutig bestimmte lokale Lösung {u(t), v(t)}.<br />
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4 <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong> <strong>Gleichungen</strong><br />
Beweis: Wir führen die DAE von Index 1 auf eine gewöhnliche <strong>Differential</strong>gleichung zurück.<br />
Differentiation ergibt:<br />
g ′ t(t, u, v) + g ′ x(t, u, v)u ′ + g ′ y(t, u, v)v ′ = 0.<br />
Da wir die Regularität von g y ′ angenommen haben ist also unter Ausnutzung der <strong>Differential</strong>gleichung:<br />
v ′ = −[g y(t, ′ u, v)] −1( )<br />
g t(t, ′ u, v) + g x(t, ′ u, v)f(t, u, v) .<br />
Den Anfangswert v(t 0 ) = v 0 ermitteln wir durch Lösung der algebraischen Gleichung aus<br />
dem Anfangswert u 0 :<br />
g(t 0 , u 0 , v 0 ) = 0.<br />
Auf diese Anfangswertaufgabe für u(t) und v(t) können wir nun die bekannten Resultate für<br />
AWAn anwenden. Existenz und Eindeutigkeit folgt aus der Differenzierbarkeit (und somit<br />
Lipschitz-Stetigkeit) der beteiligten Funktionen.<br />
□<br />
Bei DAEs von höherem Index können wir entsprechend vorgehen. Wir müssen jeweils die<br />
hinreichende Regularität der transformierten AWA voraussetzen.<br />
4.2 <strong>Numerische</strong> Methoden für <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong><br />
<strong>Gleichungen</strong><br />
Wir diskutieren den Fall einer DAE von Index 1:<br />
u ′ (t) = f(t, u, v), t ∈ [t 0 , t 0 + T], u(t 0 ) = u 0<br />
g(t, u, v) = 0,<br />
und nehmen an, dass die Ableitungsmatrix g ′ y(t, u, v) entlang der Lösung regulär sein soll.<br />
Diese Lösung soll auf ganz I = [t 0 , t 0 +T] existieren. Da die Ableitung g ′ y regulär ist, können<br />
wir die DAE auflösen in ein System von gewöhnlichen <strong>Differential</strong>gleichungen in u(t) und<br />
v(t). Dieses kann dann mit den bekannten Einschritt- und Mehrschritt-Methoden gelöst<br />
werden.<br />
Bei der Wahl eines Verfahrens muss wieder die eventuelle Steifheit der DAE untersucht werden.<br />
Steifheit kann hier auf der einen Seite im differentiellen Teil entstehen, wenn also für<br />
die Jacobi-Matrix des differentiellen Anteils gilt ‖f ′ x‖ ≫ 1. Daneben kann Steifheit durch die<br />
algebraische Nebenbedingung entstehen. Ist die Inverse ‖[g ′ y] −1 ‖ ≫ 1 groß, so ist das resultierende<br />
System auch steif. In beiden Fällen müssen implizite Lösungsverfahren verwendet<br />
werden.<br />
In der bisherigen Situation war es stets eine Voraussetzung, dass wir eine der durch Differentiation<br />
gebildeten <strong>Gleichungen</strong> nach der algebraischen Variable auflösen können. Oft ist<br />
jedoch die Dimension des algebraischen Lösungsraums weit kleiner als die des differentiellen.<br />
Gerade bei den Navier-Stokes <strong>Gleichungen</strong> gilt üblicherweise v ∈ R n und p ∈ R m mit<br />
einem m < n. D.h., die Jacobi-Matrix f ′ p(t, v, p) ∈ R n×m ist nicht quadratisch und natürlich<br />
auch nicht invertierbar. Daher werden DAEs in der Praxis oft nicht in Systeme von<br />
<strong>Differential</strong>gleichungen transformiert sondern inklusive der Nebenbedingung approximiert.<br />
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4.2 <strong>Numerische</strong> Methoden für <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong> <strong>Gleichungen</strong><br />
Wir betrachten hierzu das lineare DAE-System:<br />
[ ] ( ) [ ] ( ) (<br />
I 0 u ′ (t) A B u(t) f<br />
0 0 v ′ =<br />
+ , (4.8)<br />
(t) C D v(t) g)<br />
mit Matrixfunktionen A ∈ R n×n , B ∈ R n×m , C ∈ R m×n sowie D ∈ R m×m und mit Vektorfunktionen<br />
f ∈ R n und g ∈ R m . Wir können dieses System in die obigen Beispiele einordnen.<br />
Falls D ≡ 0, so liegt eine DAE von Index 2 vor, denn die algebraische Variable v(t) kommt in<br />
der algebraischen Gleichung nicht vor. Falls D ≠ 0 regulär ist, so liegt eine DAE von Index<br />
1 vor.<br />
Zur Lösung wenden wir nun formell das implizite Euler-Verfahren direkt auf das System (4.8)<br />
an:<br />
Dies ist äquivalent zum linearen System:<br />
[<br />
I − hn A n −h n B n<br />
u n − u n−1 = h n A n u n + h n B n v n + h n f n<br />
0 = h n C n u n + h n D n v n + h n g n .<br />
−h n C n<br />
−h n D n<br />
] (<br />
un<br />
v n<br />
)<br />
=<br />
( )<br />
un−1 + h n f n<br />
,<br />
h n g n<br />
welches lösbar ist, wenn die Matrix auf der linken Seite regulär ist.<br />
Wir betrachten im Folgenden den Spezialfall der inkompressiblen Stokes-<strong>Gleichungen</strong> mit<br />
D ≡ 0 und C = B T . In jedem Schritt muss ein System der Form:<br />
[ ] ( ) ( )<br />
I − hn A −h n B un un−1 + h<br />
h n B T =<br />
n f n<br />
,<br />
0 v n h n g n<br />
gelöst werden. Ein System mit dieser Struktur wird Sattelpunktsystem genannt. Für h n klein<br />
genug muss I − h n A invertierbar sein. Wir multiplizieren die erste Gleichung mit h n B T [I −<br />
h n A] −1 und ziehen dies von der zweiten ab:<br />
h n B T [I − h n A] −1 Bv n = h n g n − h n B T [I − h n A] −1 (u n−1 + h n f n ).<br />
Das System ist also lösbar, wenn das sogenannte Schur-Komplement<br />
regulär ist.<br />
B T [I − h n A] −1 B,<br />
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4 <strong>Differential</strong>-<strong>Algebraische</strong> <strong>Gleichungen</strong><br />
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