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Kapitel 2 Eigenschaften und analytische Lösungen

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<strong>Kapitel</strong> 2<br />

<strong>Eigenschaften</strong> <strong>und</strong> <strong>analytische</strong><br />

<strong>Lösungen</strong><br />

2.1 Systeme Quasilinearer Partieller Differentialgleichungen<br />

Die hydrodynamischen Gleichungen stellen ein System quasilinearer partieller Differentialgleichungen<br />

(kurz PDE) erster Ordnung dar. Die wichtigsten mathematischen Begriffe für<br />

solche Systeme sind im folgenden kurz zusammengefasst.<br />

Man betrachte ein System partieller Differentialgleichungen 1.Ordnung in einer Dimension<br />

der Form<br />

m<br />

∂u i<br />

∂t + ∑<br />

a ij (x,t,u 1 ,...,u m ) ∂u j<br />

∂x +b i(x,t,u 1 ,...,u m ) = 0 (2.1)<br />

j=1<br />

mit i = 1,...,m. Dies ist ein System von m Gleichungen mit m Unbekannten u i , die von<br />

der Ortskoordinate x <strong>und</strong> einer zeitartigen Variable t abhängen. Hierbei sind die u i die<br />

abhängigen Variablen <strong>und</strong> x,t die unabhängigen Variablen; dies wird durch die Bezeichnungsweise<br />

u i = u i (x,t) ausgedrückt.<br />

Das System(2.1) läßt sich in Matrixform wie folgt schreiben<br />

U t +AU x +B = 0 (2.2)<br />

mit<br />

⎛<br />

U = ⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

u 1<br />

u 2<br />

⎟<br />

.<br />

u m<br />

⎛<br />

⎠ , B = ⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

b 1<br />

b 2<br />

⎟<br />

.<br />

b m<br />

⎛<br />

⎠ , A = ⎜<br />

⎝<br />

a 11<br />

a 21<br />

⎞<br />

··· a 1m<br />

··· a 2m<br />

⎟<br />

. . . ⎠ , (2.3)<br />

a m1 ··· a mm<br />

wobei U t <strong>und</strong> U x die partiellen Ableitungen von U(x,t) nach t bzw. x bezeichnen.<br />

33


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 34<br />

Sind die Matrixelemente a ij der Matrix A <strong>und</strong> die Komponenten b j des Vektors B konstant,<br />

dann ist (2.2) ein lineares System mit konstanten Koeffizienten. Falls a ij = a ij (x,t)<br />

<strong>und</strong> b j = b j (x,t) liegt ein lineares System mit variablen Koeffizienten vor. Das System ist<br />

auch dann noch linear, wenn B linear von U abhängt. Es heißt quasi-linear, falls die<br />

Koeffizientenmatrix A eine Funktion des Vectors U ist, d.h. wenn A=A(U) gilt. Man<br />

beachte, dass quasilineare Systeme im allgemeinen Systeme von nichtlinearen Gleichungen<br />

sind. Das System (2.2) heißt homogen, falls B=0 ist.<br />

FüreinSystemvonPDEsderForm(2.2)mussmanWertebereichefürdieunabhängigen<br />

Variablen x <strong>und</strong> t vorgeben. Gewöhnlich wählt man für x ein Teilintervall der reellen<br />

Zahlenachse, d.h. x l < x < x r ; dieses Teilintervall nennt man die räumliche Domäne<br />

der PDEs, oder einfach die Domäne. An den Intervallgrenzen x l ,x r muss man zusätzlich<br />

Randbedingungen vorgeben. Dies ist nicht nötig, wenn die Domäne die gesamte reelle Achse<br />

(−∞ < x < ∞) umfasst. Als Wertebereich für die unabhängige Variable t nimmt man<br />

im allgemeinen t 0 < t < ∞ an, wobei man noch Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t 0<br />

spezifizieren muss. Oft wird t 0 = 0 gewählt.<br />

• Definition 1:<br />

Erhaltungsätze sind Systeme von quasilinearen PDEs 1.Ordnung, die man in der<br />

Form<br />

U t +F(U) x = 0, (2.4)<br />

schreiben kann, wobei<br />

⎛<br />

U = ⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

u 1<br />

u 2<br />

⎟<br />

.<br />

u m<br />

⎛<br />

⎠ , F(U) = ⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

f 1<br />

f 2<br />

⎟<br />

.<br />

f m<br />

⎠ . (2.5)<br />

U ist ein Vektor von Erhaltungsgrößen <strong>und</strong> F(U) heißt Flussvektor. Jede seiner<br />

Komponenten f i ist eine Funktion der Komponenten u i von U.<br />

• Definition 2:<br />

Die Jacobi–Matrix des Flussvektors F(U) ist die Matrix<br />

⎛<br />

⎞<br />

∂f 1 /∂u 1 ··· ∂f 1 /∂u m<br />

∂F<br />

∂U = ∂f 2 /∂u 1 ··· ∂f 2 /∂u m<br />

⎜<br />

⎟<br />

⎝ . . . ⎠ , (2.6)<br />

∂f m /∂u 1 ··· ∂f m /∂u m


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 35<br />

d.h. die Elemente der Matrix ∂F/∂U sind die partiellen Ableitungen der Komponentenf<br />

i desVektorsFbezüglichderKomponentenu j desVektorsderErhaltungsgrößen<br />

U.<br />

DieErhaltungssätze(2.4)–(2.5)lassensichauchinquasilinearerForm(2.2)schreiben.<br />

Mit B ≡ 0 <strong>und</strong> mit Hilfe der Kettenregel folgt für den zweiten Term in (2.4)<br />

∂F(U)<br />

∂x<br />

= ∂F ∂U<br />

∂U ∂x<br />

(2.7)<br />

<strong>und</strong> damit für (2.4)<br />

U t + ∂F(U)<br />

∂U U x = 0, (2.8)<br />

was ein Spezialfall von (2.2) ist.<br />

• Definition 3:<br />

Eigenwerte λ i der Matrix A sind <strong>Lösungen</strong> des charakteristischen Polynoms<br />

|A−λI| = det(A−λI) = 0, (2.9)<br />

wo I die Einheitsmatrix ist. Die Eigenwerte der Koeffizientenmatrix A eines Systems<br />

der Form (2.2) nennt man auch die Eigenwerte des Systems.<br />

Physikalisch repräsentieren die Eigenwerte Geschwindigkeiten der Informationsausbreitung<br />

(positiv gemessen in positive x–Richtung).<br />

• Definition 4:<br />

Einrechter EigenvektoreinerMatrixAbezüglicheinesEigenwertsλ i vonAistein<br />

Vektor r (i) = (r (i)<br />

1 ,r (i)<br />

2 ,...,r m) (i) T , der der Beziehung A r (i) = λ i r (i) genügt. Analog<br />

ist ein linker Eigenvektor der Matrix A bezüglich eines Eigenwerts λ i von A ein<br />

Vektor l (i) = (l (i)<br />

1 ,l (i)<br />

2 ,...,l m), (i) für den l (i) A = λ i l (i) gilt.<br />

• Definition 5:<br />

Ein System (2.2) heißt hyperbolisch im Punkt (x,t), falls die Matrix A m reelle<br />

Eigenwerte λ 1 ,...,λ m <strong>und</strong> einen dazu gehörigen Satz von m linear unabhängigen<br />

rechten Eigenvektoren r (1) ,... , r (m) besitzt. Das System ist strikt hyperbolisch, falls<br />

alle Eigenwerte λ i verschieden sind.<br />

System (2.2) heißt elliptisch in einem Punkt (x,t), falls keiner der Eigenwerte λ i<br />

von A reell ist.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 36<br />

f(x)<br />

t > 0<br />

t<br />

t = 0<br />

x − at = x 0<br />

x 0<br />

x<br />

Abbildung 2.1:<br />

2.2 Charakteristiken<br />

Zur Erläuterung des Begriffs der Charakteristik untersuchen wir verschiedene einfache Beispiele<br />

von linearen, nicht–linearen <strong>und</strong> quasilinearen PDEs 1.Ordnung in 1 Raumdimension.<br />

2.2.1 Die lineare Advektionsgleichung<br />

u t +au x = 0, u(x,0) = f(x), a = const. (2.10)<br />

• Die Lösung der linearen Advektionsgleichung lautet u(x,t) = f(x−at). Dies ist eine<br />

Welle der Form f, die sich mit konstanter Geschwindigkeit a nach rechts (a > 0)<br />

bzw. nach links (a < 0) ausbreitet (siehe Abb.2.1).<br />

• Die Lösung u(x,t) ist konstant längs der Geraden x − at = constant. Diese Geraden<br />

heißen Wellenfronten oder Charakteristiken. u(x,t) ist das Signal oder die<br />

Welleninformation <strong>und</strong> a ist die Signalgeschwindigkeit.<br />

• Information propagiert entlang den Charakteristiken, d.h. entlang Kurven in der x-t–<br />

Ebene, die der gewöhnlichen Differentialgleichung ẋ(t) = a mit x(0) = x 0 genügen<br />

(siehe Abb.2.2).<br />

• FallsAnfangsdatenaufeinerKurveC gegebensind,dietransversalzuallenCharakteristiken<br />

ist (d.h. nirgends tangential), so ist die Lösung u(x 0 ,t 0 ) im Punkte (x 0 ,t 0 )


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 37<br />

t<br />

x − at = const.<br />

C<br />

(x 0 , t 0 )<br />

P<br />

x<br />

Abbildung 2.2:<br />

gegeben durch den Anfangswert auf C wo die Charakteristik durch (x 0 ,t 0 ) die Kurve<br />

C schneidet.<br />

• Wichtig: Falls C nicht überall transversal zu den Charakteristiken ist, hat die Differentialgleichung<br />

im allgemeinen keine Lösung.<br />

2.2.2 Lineare, homogene PDE 1.Ordnung in 1 Dimension<br />

u t +a(x,t)u x = 0, (2.11)<br />

• Charakteristiken sind jetzt Kurven (siehe Abb.2.3) <strong>und</strong> sind in Parameterdarstellung<br />

t = t(q),x = x(q) gegeben durch<br />

dt<br />

dq = 1,<br />

dx<br />

dq<br />

= a(x,t), (2.12)<br />

da dann<br />

d<br />

dq u(x(q),t(q)) = u dx<br />

x<br />

dq +u dt<br />

t<br />

dq = 0<br />

gilt.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 38<br />

t<br />

Charakteristiken<br />

(x 0 , t 0 )<br />

P<br />

C<br />

x<br />

Abbildung 2.3:<br />

• Falls a(x,t) stetig ist, existieren Charakteristiken (zumindest lokal), die sich nicht<br />

schneiden (folgt aus Eindeutigkeit- <strong>und</strong> Existenzsatz gewöhnlicher Differentialgleichungen).<br />

2.2.3 Nicht–viskose Burger–Gleichung<br />

bzw.<br />

u t +uu x = 0 (2.13)<br />

u t + 1 2 (u2 ) x = 0 (2.14)<br />

• Die Charakteristiken dieser quasilinearen PDE sind durch<br />

dt<br />

dq = 1,<br />

dx<br />

dq = u,<br />

du<br />

dq = 0<br />

gegeben <strong>und</strong> hängen von der Lösung U ab.<br />

• u ist konstant auf Charakteristiken, d.h. es gilt dt dx<br />

= 1 <strong>und</strong> = const. Die Charakteristiken<br />

sind also Geraden, die von verschiedenen Punkten ausgehen. Anders als im<br />

dq dq<br />

linearen Fall können sich die Charakteristiken daher im nicht–linearen Fall schneiden<br />

(siehe Abb.(2.4).


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 39<br />

t<br />

(x 0 , t 0 )<br />

Charakteristiken<br />

(x 1 , 0) (x 2 , 0)<br />

x<br />

Abbildung 2.4:<br />

• Im linearen Fall hat man 2 gewöhnliche Differentialgleichungen<br />

dt<br />

dq = 1,<br />

dx<br />

dq = a(x,t),<br />

d.h. falls a stetig ist, ist die Lösung durch (x 0 ,t 0 ) eindeutig.<br />

• Im nicht–linearen Fall hat man dagegen 3 gewöhnliche Differentialgleichungen<br />

dt<br />

dq = 1, dx<br />

dq = u, du<br />

dq = 0<br />

Die Lösung durch (x 0 ,t 0 ,u 0 ) ist eindeutig bestimmt, aber Charakteristiken sind Kurven<br />

in der (x,t)–Ebene, die man durch Projektion der eindeutigen dreidimensionalen<br />

Lösung in die Ebene erhält. Daher sind Schnittpunkte möglich.<br />

Falls Schnittpunkte auftreten versagt die Lösungsmethode, da die Signale auf sich<br />

schneidenden Charakteristiken im allgemeinen verschieden sind. Dieser Konflikt läßt<br />

sich nur durch eine Unstetigkeit (einen Sprung) in der Lösung beheben, die man<br />

Stoßwelle oder kurz Stoß nennt (siehe weiter unten).<br />

Wichtig: Stoßwellen können immer auftreten, wenn Charakteristiken konvergieren,<br />

selbst wenn die Anfangsdaten <strong>und</strong> die Randbedingungen vollständig glatt <strong>und</strong> stetig<br />

sind.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 40<br />

2.2.4 Homogenes hyperbolisches System quasilinearer PDE’s<br />

1.Ordnung in 1 Dimension<br />

U t +A(x,t,U)U x = 0 (2.15)<br />

• Für die Änderung von U längs der Kurve (x(q),t(q)) gilt<br />

[<br />

dU<br />

dq = U dt<br />

t<br />

dq +U dx<br />

x<br />

dq = −A(x,t,U) dt<br />

dq + dx ]<br />

U x (2.16)<br />

dq<br />

• Definition: 1 Charakteristik ist eine Kurve mit folgender Eigenschaft: Falls Anfangsdaten<br />

auf der Kurve gegeben sind, ermöglicht es die Differentialgleichung nicht, die<br />

Lösung an irgendeinem Punkt zu bestimmen, der nicht auf der Kurve liegt.<br />

• Falls die Charakteristik nicht parallel zu x-Achse ist, kann man bei Kenntnis von U,<br />

die Ableitung U x nicht bestimmen. Dies ist der Fall, wenn die Matrix<br />

−A(x,t,U) dt<br />

dq + dx<br />

dq I (2.17)<br />

(I ist die Einheitsmatrix) singulär ist, d.h. wenn die Bedingungen<br />

dx<br />

dq = λ i(x,t,U) <strong>und</strong><br />

dt<br />

dq = 1 (2.18)<br />

erfüllt sind. Die Größen λ i , i = 1...n sind die Eigenwerte der Matrix A.<br />

• Für ein System von n Gleichungen gibt es n verschiedene Wellenfamilien, d.h. durch<br />

jeden Punkt (x,t) der x−t–Ebene gehen n Charakteristiken. Dies ist in Abb.2.5 für<br />

n = 3 illustriert.<br />

• Ein beliebiger Punkt (x 0 ,t 0 ) in der x−t–Ebene wird offensichtlich nur von Punkten<br />

zu früheren Zeiten (t < t 0 ) beeinflusst <strong>und</strong> kann selbst nur Punkte zu späteren Zeiten<br />

(t > t 0 ) beeinflussen. Da sich aber der Einfluss nur mit endlicher Geschwindigkeit<br />

ausbreitet, wird der Punkt (x 0 ,t 0 ) nicht von allen früheren Punkten beeinflusst <strong>und</strong><br />

kannauchnichtallespäterenPunktebeeinflussen.StattdessenwirdderPunkt(x 0 ,t 0 )<br />

nur von Punkten in seinem Abhängigkeitsgebiet beeinflusst <strong>und</strong> wirkt seinerseits<br />

nur auf Punkte in seinem Einflussgebiet. Diese Gebiete sind durch die, durch den<br />

Punkt gehenden, Charakteristiken mit der größten <strong>und</strong> kleinsten Geschwindigkeit<br />

begrenzt (Abb.2.5).<br />

1 Allgemeine Definition einer Charakteristik, falls U ≠ konst. auf Charakteristik.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 41<br />

t<br />

C C 1 2<br />

Einflu ßgebiet C 3<br />

Abhängigkeitsgebiet<br />

x<br />

Abbildung 2.5:<br />

• Wie man an der Abb.2.5 sieht, sind Schnittpunkte von Charakteristiken verschiedener<br />

Wellenfamilien unproblematisch. Nur wenn sich Charakteristiken einer Wellenfamilie<br />

schneiden, treten Stoßwellen auf.<br />

• Falls C eine Kurve ist, die transversal zu allen Charakteristiken ist, dann ist die<br />

Matrix (2.17) invertierbar <strong>und</strong> es gilt (q parametrisiert Kurve C)<br />

[<br />

U x = −A(x,t,U) dt<br />

dq + dx ] −1<br />

dU<br />

dq dq<br />

(2.19)<br />

U t = −AU x (2.20)<br />

d.h. die Lösung ist in einer gewissen Umgebung von C (wegen möglicher Schnittpunkte<br />

der Charakteristiken) eindeutig bestimmt.<br />

Lösung ist in durch Charakteristiken getrennten Gebieten entkoppelt (Kausalität).<br />

• Falls Lösung eindeutig sein soll, sind Unstetigkeiten in U nur auf Charakteristiken<br />

möglich.<br />

• U ist im allgemeinen nicht konstant auf Charakteristiken. Es ist aber möglich,<br />

Funktionen f i mit i = 1...n zu finden, die konstant auf der zu λ i gehörenden Cha-


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 42<br />

rakteristik sind:<br />

df i<br />

dq = ∂f i dU<br />

n∑<br />

∂U dq ≡ ∂f i ∂u j<br />

∂u<br />

j=1 j dq .<br />

Mit (2.16) folgt daraus<br />

df i<br />

dq = ∂f i<br />

∂U (−A+λ)U x,<br />

d.h. f i ist konstant entlang der Charakteristik C λ i<br />

, falls ∂f i /∂U Eigenvektor von A T<br />

ist. Solche Größen heißen Riemannsche Invarianten.<br />

• FallsmannInvariantengef<strong>und</strong>enhat,kannmandieseinvertieren<strong>und</strong>UalsFunktion<br />

der f i ausdrücken. Damit besteht die Möglichkeit, die Charakteristik C λ i<br />

als explizite<br />

Funktion der Anfangsdaten anzugeben <strong>und</strong> die Lösung zu erhalten.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 43<br />

2.3 Charakteristische Form der hydrodynamischen<br />

Gleichungen<br />

Die idealen, eindimensionalen hydrodynamischen Gleichungen ohne äußere Kräfte lauten<br />

in Erhaltungsform<br />

ρ t +(ρu) x = 0<br />

(ρu) t +(ρu 2 +p) x = 0<br />

(ρE) t +[(ρE +p)u] x = 0<br />

(2.21)<br />

oder in vektorieller Notation<br />

U t +F(U) x = 0, (2.22)<br />

wobei<br />

⎛<br />

U = ⎝<br />

ρ<br />

ρu<br />

ρE<br />

⎞<br />

⎠ (2.23)<br />

der Vektor der Erhaltungsgrößen <strong>und</strong><br />

⎛ ⎞<br />

ρu<br />

F(U) = ⎝ ρu 2 +p ⎠ . (2.24)<br />

(ρE +p)u<br />

der Flussvektor ist (siehe Definition 2.5). Für Strömungen ohne Diskontinuitäten gilt<br />

U t + ∂F<br />

∂U U x = U t +AU x = 0. (2.25)<br />

Hierbei ist A = ∂F/∂U die Jacobi–Matrix des Flussvektors (siehe Definition 2.6). Das<br />

System (2.21) ist ein Spezialfall eines strikt hyperbolischen Systems quasilinearer PDEs 1.<br />

Ordnung in 1 Dimension (siehe Gleichung 2.1).<br />

• Im Falle einer idealen Gaszustandsgleichung<br />

p = (γ −1)ρε, (2.26)<br />

wo γ ≡ c p /c V das Verhältnis der spezifischen Wärmen bei konstantem Druck bzw.<br />

Volumen ist, gilt<br />

⎛<br />

A = ∂F<br />

∂U = ⎝<br />

0 1 0<br />

γ−3<br />

2 u2 (3−γ)u γ −1<br />

−γuE +(γ −1)u 3 γE − 3 (γ −1)u2 γu<br />

2<br />

⎞<br />

⎠ (2.27)


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 44<br />

• Die Eigenwerte <strong>und</strong> die Charakteristiken der hydrodynamischen Gleichungen lauten:<br />

λ + = u+c<br />

λ 0 = u<br />

λ − = u−c<br />

(2.28)<br />

bzw.<br />

C + dx<br />

: = u+c dt<br />

C 0 dx<br />

: = u<br />

(2.29)<br />

dt<br />

C − dx<br />

: = u−c dt<br />

wobei c die Schallgeschwindigkeit<br />

c 2 ≡ ∂p<br />

∣<br />

∂ρ<br />

ist.<br />

∣<br />

s<br />

• Für eine isentrope Strömung, d.h. für eine Strömung mit s = const. lauten die<br />

Riemannschen Invarianten (ρ ∗ ist eine beliebige Konstante)<br />

∫ ρ<br />

Γ ± = u± dρ ′c(ρ′ )<br />

. (2.30)<br />

ρ ∗<br />

ρ ′<br />

• Für nicht isentrope Stromungen gilt<br />

ds<br />

dq = s dt<br />

t<br />

dq +s dx<br />

x<br />

dq = s t +us x = 0,<br />

d.h. die Entropie ist konstant auf C 0 <strong>und</strong> damit eine Riemannsche Invariante.<br />

dρ jetzt kein totales Differential mehr ist, kann diese Größe nicht unabhängig<br />

von s integriert werden. Daher gibt es im allgemeinen Fall keine 3 Riemannschen<br />

Invarianten.<br />

Da c(ρ)<br />

ρ


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 45<br />

• Es ist manchmal vorteilhaft, die hydrodynamischen Gleichungen (2.25) mit Hilfe der<br />

sogenannten primitiven Variablen auszudrücken, die sich direkt messen lassen.<br />

Definiert man den Vektor der primitiven Variablen gemäß<br />

⎛<br />

W = ⎝<br />

ρ<br />

u<br />

p<br />

⎞<br />

⎠ (2.31)<br />

so lauten die hydrodynamischen Gleichungen in primitiver Form<br />

W t +CW x = 0 , (2.32)<br />

wobei<br />

⎛ ⎞<br />

u ρ 0<br />

C = ⎝ 1<br />

0 u ⎠<br />

ρ<br />

. (2.33)<br />

0 ρc 2 u<br />

Man beachte, dass man (2.32) nicht in der Form ∂W/∂t+∂f(W)/∂x = 0 schreiben<br />

kann <strong>und</strong> dass die Matrix C keine Jacobi–Matrix irgendeiner Flussfunktion f(W) ist.<br />

• Gemäß <strong>Kapitel</strong> (2.1) lassen sich die hydrodynamischen Gleichungen in quasilinearer<br />

Formulierung (2.25) auch in der charakteristischen Form<br />

Q −1 U t +Q −1 AU x = 0. (2.34)<br />

schreiben, wobei<br />

Q −1 AQ = Λ<br />

gilt. 2 Λ ist eine Diagonalmatrix, deren Elemente die Eigenwerte von A sind<br />

⎛<br />

Λ = ⎝<br />

u 0 0<br />

0 u+c 0<br />

0 0 u−c<br />

⎞<br />

⎠ . (2.35)<br />

2 Die Matrizen A <strong>und</strong> Λ sind demnach ähnliche Matrizen, d.h. sie besitzen die gleichen Eigenwerte aber<br />

nicht notwendingerweise die gleichen Eigenvektoren. Es gilt weiterhin Q −1 A = ΛQ −1 , bzw. AQ = QΛ.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 46<br />

Q ist eine Matrix, deren Spalten r (i) die rechten Eigenvektoren von A sind<br />

Q =<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

1<br />

u<br />

u ρ 2c<br />

ρ<br />

ρ<br />

2c<br />

(<br />

(u+c) 2c )<br />

u 2<br />

+ c2 +cu 2 γ−1<br />

− ρ 2c<br />

− ρ 2c<br />

⎞<br />

− ρ (u−c) ⎟<br />

( 2c ) ⎠ (2.36)<br />

u 2<br />

+ c2 −cu 2 γ−1<br />

<strong>und</strong> Q −1 ist eine Matrix, deren Zeilen l (i) die linken Eigenvektoren von A sind<br />

Q −1 = γ −1<br />

ρc<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

(<br />

ρ<br />

c<br />

− u2 + c2<br />

2 γ−1<br />

u 2<br />

− cu<br />

2 γ−1<br />

− u2<br />

2 − cu<br />

γ−1<br />

)<br />

ρ<br />

c −ρ c<br />

γ−1<br />

1<br />

u+ c<br />

γ−1<br />

−1<br />

−u+ c<br />

Definiert man charakteristische Variablen gemäß<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠ . (2.37)<br />

dV ≡ Q −1 dU, (2.38)<br />

dann folgt aus (2.34) eine weitere charakteristische Form der hydrodynamischen Gleichungen<br />

V t +Q −1 AQV x = 0, (2.39)<br />

oder<br />

V t +ΛV x = 0 (2.40)<br />

Mit V = (v 0 ,v + ,v − ) gilt dann<br />

∂v 0<br />

∂t +u∂v 0<br />

∂x = 0 (2.41)<br />

∂v +<br />

∂t +(u+c)∂v +<br />

∂x = 0 (2.42)<br />

∂v −<br />

∂t +(u−c)∂v −<br />

= 0.<br />

∂x<br />

(2.43)


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 47<br />

2.4 Einfache Wellen<br />

Wir definieren zunächst einige Begriffe, die wir für die folgenden Überlegungen benötigen.<br />

• Ein hydrodynamischer Zustand eines Gases ist das Tripel (ρ,u,s).<br />

• Ein konstanter Zustand ist Bereich in x−t–Ebene, wo ρ,u <strong>und</strong> s konstant sind.<br />

• Ein isentroper Bereich, in dem die Riemann Invariante Γ + bzw. Γ − konstant ist, heißt<br />

Γ + –einfache Welle bzw. Γ − –einfache Welle.<br />

• Für einen konstanten Zustand gilt:<br />

(i) c = const. <strong>und</strong> Γ ± existieren<br />

(ii) Charakteristiken sind Geraden, da u = const. <strong>und</strong> c = const.<br />

(iii) Charakteristiken einer Sorte sind parallel zueinander<br />

• Für eine Γ + –einfache Welle (<strong>und</strong> analog für eine Γ − –einfache Welle) gilt:<br />

(i) Γ + = const.<br />

(ii) Γ − = const. auf C − (da Riemann Invariante)<br />

(iii) u = const. <strong>und</strong> c = const. auf C − , d.h. die C − –Charakteristiken sind Geraden<br />

(Umkehrschluss gilt auch)<br />

Es gilt folgender Satz:<br />

AneinenkonstantenZustandgrenztentwedereineUnstetigkeitodereineeinfacheWelle<br />

an. Die Grenzen sind Geraden. Sie sind entweder C + ,C 0 oder C − –Charakteristiken. Ist<br />

die Strömung glatt, so grenzt an einen konstanten Zustand eine einfache Welle an <strong>und</strong> die<br />

Grenze ist eine C ± –Charakteristik<br />

Folgerung: Glatte Strömungen bestehen nur aus konstanten Zuständen <strong>und</strong> einfachen<br />

Wellen.<br />

2.4.1 Verdünnungs <strong>und</strong> Verdichtungswellen:<br />

Wir betrachten ein (ausreichend langes) Rohr, in dem sich zum Zeitpunkt t = 0 ein Gas<br />

im konstanten Zustand u = 0 <strong>und</strong> ρ = ρ 0 befindet. Das Rohr ist nach links hin mit einen<br />

Stempel abgeschlossen, der sich für t > 0 mit konstanter Geschwindigkeit v s > 0 (<strong>und</strong><br />

|u| < c) nach links (x(t > 0) < 0) bewegt (siehe Abb.2.6). Infolge der Stempelbewegung,<br />

beginnt auch das Gas sich zu bewegen. Das zugehörige Raumzeitdiagramm ist in Abb.2.7<br />

dargestellt.<br />

Es gilt nun die Behauptung, dass die Dichte am Stempel konstant ist. Um dies zu beweisen,<br />

benutzt man die Charakteristiken <strong>und</strong> die oben definierten <strong>Eigenschaften</strong> einfacher<br />

Wellen.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 48<br />

Stempel<br />

Rohr<br />

−v s < 0<br />

t = 0: Gas mit u = 0 , ρ = ρ 0<br />

x = 0<br />

x<br />

Abbildung 2.6:<br />

konstanter<br />

Zustand: (III)<br />

t<br />

Γ − − einfache Welle<br />

(II)<br />

B<br />

C −<br />

C + konstanter<br />

Zustand: (I)<br />

Stempeltrajektorie: x = −v s t<br />

u = 0 , ρ = ρ 0<br />

x<br />

Abbildung 2.7:


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 49<br />

• C − –Charakteristiken sind Geraden im Gebiet (I), da es ein konstanter Zustand ist,<br />

<strong>und</strong> sie ”<br />

verlassen“ das Gebiet (I), da u = 0 <strong>und</strong> ihr Anstieg 1/(−c) beträgt.<br />

• Das Gebiet zwischen Stempel <strong>und</strong> (I) ist eine Γ − –einfache Welle (teilweise auch ein<br />

konstanter Zustand).<br />

• Für einen beliebigen Punkt B auf der Stempeltrajektorie gilt<br />

Γ − B = Γ− 0<br />

<strong>und</strong> daher<br />

∫ ρ(B)<br />

c(ρ ′ )<br />

−v s − dρ ′ = Γ −<br />

ρ ∗<br />

ρ ′ 0 (2.44)<br />

bzw.<br />

∫ ρ(B)<br />

ρ ∗<br />

c(ρ ′ )<br />

ρ ′ dρ ′ = −v s −Γ − 0 = const<br />

d.h. ρ(B) ist konstant entlang der Stempeltrajektorie, da c <strong>und</strong> ρ beide größer Null<br />

sind.<br />

• Für alle Punkte B gilt<br />

Γ + B = −v s +(−v s −Γ − 0) = const.,<br />

d.h. unabhängig von der gewählten C + –Charakteristik. Daher muss ein konstanter<br />

Zustand (III) an den Stempel angrenzen <strong>und</strong> seine andere Grenze muss eine gerade<br />

C + –Charakteristik sein, die vom Ursprung ausgeht.<br />

• Damit muss das Gebiet zwischen (I) <strong>und</strong> (III) eine Γ − –einfache Welle sein, da die<br />

C − –Charakteristiken aus dem konstanten Zustand (I) kommen. Weiterhin folgt, dass<br />

alle C + –Charakteristiken im Gebiet (II) Geraden durch den Ursprung sind. Dies<br />

nennt man eine zentrierte Verdünnungswelle.<br />

• Allgemein gilt: Eine einfache Welle, deren gerade Charakteristiken sich in einem<br />

Punkt schneiden heißt zentrierte Verdünnungswelle.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 50<br />

• Mit<br />

∫ ρ(B)<br />

ρ 0<br />

c(ρ ′ )<br />

ρ ′ dρ ′ =<br />

=<br />

∫ ρ(B)<br />

c(ρ ′ ∫<br />

)<br />

ρ0<br />

dρ ′ c(ρ ′ )<br />

− dρ ′ (2.45)<br />

ρ ∗<br />

ρ ′ ρ ∗<br />

ρ ′<br />

∫ ρ(B)<br />

ρ ∗<br />

c(ρ ′ )<br />

ρ ′ dρ ′ +Γ − 0 (2.46)<br />

(2.47)<br />

<strong>und</strong> (2.44) folgt<br />

∫ ρ(B)<br />

ρ 0<br />

c(ρ ′ )<br />

ρ ′ dρ ′ = −v s < 0 (2.48)<br />

Da c > 0 <strong>und</strong> ρ > 0, folgt ρ B < ρ 0 , d.h. es handelt sich um eine Verdünnungswelle.<br />

• Achtung: Falls ∂c/∂ρ < 0 gilt (d.h. falls ∂ 2 p/∂ρ 2 < 0, wie z.B. für Kernmaterie oder<br />

Wasser) sind auch Verdichtungswellen möglich.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 51<br />

2.5 Schwache <strong>Lösungen</strong> <strong>und</strong> Diskontinuitäten<br />

Für die bisherigen Überlegungen in diesem <strong>Kapitel</strong> wurden immer stetig differenzierbare<br />

<strong>Lösungen</strong>, d.h. sogenannte starke <strong>Lösungen</strong> vorausgesetzt. Schreibt man die hydrodynamischen<br />

Gleichungen in integraler Form, so sind auch <strong>Lösungen</strong> möglich, die auf einer<br />

Menge vom Maße Null unstetig sind. Diese <strong>Lösungen</strong> nennt man schwache <strong>Lösungen</strong>.<br />

Die eindimensionalen hydrodynamischen Gleichungen in vektorieller Schreibweise (2.22)<br />

U t +F(U) x = 0 (2.49)<br />

lassen sich mit Hilfe der Definitionen<br />

G ≡ (F(U),U)<br />

<strong>und</strong><br />

Div(F 1 ,F 2 ) ≡ (F 1 ) x +(F 2 ) t<br />

in der kompakten Form<br />

DivG = 0 (2.50)<br />

schreiben. Falls Φ eine beliebige glatte Funktion ist, gilt<br />

∫<br />

ΦDivGdxdt = 0.<br />

PartielleIntegration ergibt unter der Annahme, dass G im Unendlichen hinreichend schnell<br />

gegen Null geht (kompakte Funktion!)<br />

∫<br />

gradΦ·Gdxdt = 0. (2.51)<br />

Für glatte <strong>Lösungen</strong> U ist (2.50) äquivalent zu (2.51). Die letztere Form läßt aber auch<br />

unstetige <strong>Lösungen</strong> zu. Eine solche Lösung U, die für eine beliebige glatte Funktion Φ,<br />

die Gleichung (2.51) erfüllt, heißt schwache Lösung der Gleichung (2.51).<br />

Wir betrachten ein Gebiet Ω, das durch eine Unstetigkeitsfläche Σ in zwei Teilgebiete<br />

Ω 1 <strong>und</strong> Ω 2 unterteilt sei (Abb.2.8). Weiterhin sei Φ eine glatte Funktion, die außerhalb<br />

von Ω identisch Null ist. Dann folgt<br />

∫<br />

gradΦ·Gdxdt = 0<br />

Ω


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 52<br />

x<br />

D<br />

x = x(t)<br />

1<br />

n<br />

Ω 2<br />

Ω 1<br />

D<br />

1<br />

Σ<br />

t<br />

Abbildung 2.8:<br />

<strong>und</strong> damit<br />

∫ ∫<br />

gradΦ·Gdxdt+ gradΦ·Gdxdt = 0.<br />

Ω 1 Ω 2<br />

Mit Hilfe der Vektoridentität (1.25) gilt dann<br />

∫ ∫ ∫ ∫<br />

Div(ΦG)dxdt− ΦDivGdxdt+ Div(ΦG)dxdt− ΦDivGdxdt = 0.<br />

Ω 1 Ω 1 Ω 2 Ω 2<br />

Da DivG = 0 gilt (falls U stetig ist!) folgt unter Verwendung des Gauss’schen Satzes<br />

∫ ∫<br />

ΦG 1 ·ndσ − ΦG 2 ·ndσ = 0<br />

Σ<br />

<strong>und</strong> damit<br />

∫<br />

Φ(G 1 −G 2 )·ndσ = 0,<br />

Σ<br />

Σ<br />

wobei n der Normaleneinheitsvektor der Unstetigkeitsfläche Σ ist, der von Ω 1 nach Ω 2<br />

weist (Abb.2.8). Die Größe dσ ist ein differentielles Flächenelement von Σ <strong>und</strong> G i ist der<br />

Grenzwert von G, wenn man sich Σ vom Gebiet Ω i aus nähert.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 53<br />

Da Φ ein beliebige glatte Funktion ist, gilt auf der Unstetigkeitsfläche Σ<br />

[G·n] ≡ G 1 ·n−G 2 ·n = 0 (2.52)<br />

Parametrisiert man die Unstetigkeitsfläche Σ durch x = x(t) (Abb.2.8), dann ist die<br />

Geschwindigkeit von Σ gegeben durch<br />

D = dx<br />

dt<br />

<strong>und</strong> der Normalen–Einheitsvektor durch<br />

n =<br />

1<br />

√<br />

D2 +1 e D<br />

x − √<br />

D2 +1 e t,<br />

wobei e x <strong>und</strong> e t die Einheitsvektoren in x- <strong>und</strong> t–Richtung sind. Da G = (F,U), folgt aus<br />

(2.52)<br />

−D[U]+[F(U)] = 0<br />

oder komponentenweise<br />

D[ρ] = [ρu]<br />

D[ρu] = [ρu 2 +p]<br />

. (2.53)<br />

D[ρE] = [(ρE +p)u]<br />

Dies sind die Rankine–Hugoniot Bedingungen.<br />

• In einem Koordinatensystem, das sich mit der Unstetigkeitsfläche mitbewegt, d.h. in<br />

dem D = 0 gilt, lauten die Rankine–Hugoniot Bedingungen<br />

ρ 1 u 1 = ρ 2 u 2<br />

ρ 1 u 2 1 +p 1 = ρ 2 u 2 2 +p 2<br />

(2.54)<br />

u 1 (ρ 1 E 1 +p 1 ) = u 2 (ρ 2 E 2 +p 2 )<br />

Die dritte Rankine–Hugoniot Bedingung läßt sich unter Verwendung der Definition<br />

der spezifischen Gesamtenergiedichte E = u 2 /2+ε (siehe Gl.(1.44)) <strong>und</strong> der ersten<br />

Rankine–Hugoniot Bedingung auch in der Form<br />

u 2 1<br />

2 +ε 1 + p 1<br />

ρ 1<br />

= u2 2<br />

2 +ε 2 + p 2<br />

ρ 2<br />

(2.55)


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 54<br />

bzw.<br />

1<br />

2 (u 1 −u 2 )(u 1 +u 2 )+ε 1 −ε 2 + p 1<br />

ρ 1<br />

− p 2<br />

ρ 2<br />

= 0 (2.56)<br />

schreiben.<br />

• Der Massenfluss durch die Unstetigkeitsfläche oder Diskontinuität ist durch M =<br />

ρ 1 u 1 = ρ 2 u 2 gegeben. Da ρ > 0, ist im Ruhesystem von Σ ein verschwindender<br />

Massenfluss M = 0 gleichbedeutend mit u 1 = u 2 = 0. Unstetigkeiten mit dieser<br />

Eigenschaft heißen Kontaktunstetigkeiten.<br />

Eine Kontaktunstetigkeit ist ein Spezialfall einer tangentialen Unstetigkeit, an der im<br />

Falle einer mehrdimensionalen Strömung die beiden tangentialen Geschwindigkeitskomponenten<br />

<strong>und</strong> alle thermodynamischen Größen außer dem Druck p unstetig sein<br />

können.<br />

• Falls M ≠ 0 gilt, heißen die <strong>Lösungen</strong> Stoß oder Stoßwellen. Für diese <strong>Lösungen</strong><br />

folgt aus der zweiten Rankine–Hugoniot Bedingung für den Massenfluss<br />

M = − p 1 −p 2<br />

u 1 −u 2<br />

(2.57)<br />

oder mit dem spezifischen Volumen τ ≡ 1/ρ <strong>und</strong><br />

u i = Mτ i , i = 1,2 (2.58)<br />

die Beziehung<br />

M 2 = − p 1 −p 2<br />

τ 1 −τ 2<br />

(2.59)<br />

Man beachte, dass<br />

– (2.57) <strong>und</strong> (2.59) rein mechanische Beziehungen sind, die unabhängig von der<br />

Zustandsgleichung gelten,<br />

– die Gleichung (2.59) zwei Lösungstypen besitzt, nämlich einmal <strong>Lösungen</strong> mit<br />

p 2 > p 1 <strong>und</strong> τ 1 > τ 2 (Stoß), sowie <strong>Lösungen</strong> mit p 2 < p 1 <strong>und</strong> τ 1 < τ 2 .<br />

– die Gerade p−p 1 = −M 2 (τ −τ 1 ) alle Möglichkeiten repräsentiert, den Zustand<br />

(p 1 ,τ 1 ) mit einem Stoß zu verbinden (Abb.2.9).<br />

Diese Gerade mit dem Anstieg −M 2 heißt Rayleigh–Linie <strong>und</strong> wird üblicherweise<br />

mit R(p,τ) bezeichnet.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 55<br />

p<br />

Hugoniot−Funktion H 1<br />

(p,τ)<br />

p 2<br />

(p 2<br />

, τ 2<br />

)<br />

Rayleigh−Linie R 1<br />

(p,τ)<br />

( Anstieg: − M 2 )<br />

p 1<br />

(p 1 , τ 1 )<br />

τ 2<br />

τ 1<br />

Abbildung 2.9:<br />

τ=1/ρ<br />

• Mit Hilfe von (2.57) <strong>und</strong> (2.58) folgt aus der dritten Rankine-Hugoniot Bedingung<br />

(2.56) die Beziehung<br />

− p 1 −p 2<br />

2M (Mτ 1 +Mτ 2 )+ε 1 −ε 2 +p 1 τ 1 −p 2 τ 2 = 0 (2.60)<br />

<strong>und</strong> daraus die Hugoniot–Gleichung oder Stoßadiabate<br />

p 1 +p 2<br />

(τ 1 −τ 2 )+ε 1 −ε 2 = 0 , (2.61)<br />

2<br />

die eine rein thermodynamische Beziehung darstellt.<br />

• Da ε = ε(p,τ) führt man die Hugoniot–Funktion zum Zentrum (p 1 ,τ 1 ) ein<br />

H 1 (p,τ) ≡ ε(p,τ)−ε(p 1 ,τ 1 )+ p+p 1<br />

(τ −τ 1 )<br />

2<br />

<strong>und</strong> kann damit die Hugoniot–Gleichung(2.61) in der Form<br />

H 1 (p 2 ,τ 2 ) = 0 (2.62)


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 56<br />

schreiben. Die Kurve H 1 (p,τ) repräsentiert alle Möglichkeiten, den Zustand (p 1 ,τ 1 )<br />

mit einem Stoß zu verbinden. Im Falle einer idealen Gaszustandsgleichung (2.26) ist<br />

H 1 (p,τ) eine Hyperbel (Abb.2.9).<br />

• Für einen schwachen Stoß gilt (siehe Landau & Lifschitz, Bd.6)<br />

s 2 −s 1 = 1 ( ) ∂ 2 τ<br />

(p<br />

12T 1 ∂p 2 2 −p 1 ) 3 (2.63)<br />

1 s<br />

d.h. die Entropieänderung in einer Stoßwelle geringer Intensität ist von dritter Ordnung<br />

klein im Vergleich zur Druckänderung.<br />

• Für fast alle bekannten Zustandsgleichungen (Ausnahme: Phasenübergänge) nimmt<br />

die adiabatische Kompressibilität (∂τ/∂p) s mit zunehmendem Druck ab, d.h.<br />

( ∂ 2 τ<br />

> 0.<br />

∂p 2 )s<br />

<strong>und</strong> daher folgt mit p 2 > p 1 aus (2.63) s 2 > s 1 , d.h. die Entropie wächst in Stößen<br />

an. Ursache hierfür ist die Dissipation von kinetischer Energie in Wärme (selbst in<br />

einer idealen Flüssigkeit!).<br />

• Schwache Stöße, d.h. Stöße für die ∆p/p ≪ 1 <strong>und</strong> ∆ρ/ρ ≪ 1, breiten sich mit<br />

einer Geschwindigkeit D c 1 aus (siehe z.B. Landau & Lifschitz, Bd.6).<br />

• Eine notwendige Bedingung für das Auftreten von Stoßwellen ist u 1 > c 1 (d.h. Überschallströmung<br />

vor dem Stoß) <strong>und</strong> u 2 < c 2 (d.h. Unterschallströmung hinter dem<br />

Stoß), wobei die Geschwindigkeiten im Bezugssystem des Stoßes gemessen sind.<br />

• Es gilt folgendes allgemeines Theorem (siehe z.B. Courant & Friedrichs):<br />

Seien (p 1 ,τ 1 ,s 1 ) <strong>und</strong> (p 2 ,τ 2 ,s 2 ) zwei Zustände <strong>und</strong> die Zustandsgleichung erfülle die<br />

Bedingungen<br />

∂p<br />

∂τ < 0,<br />

∂ 2 p<br />

∂τ 2 < 0,<br />

∂p<br />

∂s > 0,<br />

dann <strong>und</strong> nur dann ist die Entropiebedingung ds/dt ≥ 0 erfüllt, wenn der Stoß<br />

kompressiv ist, d.h. wenn ρ 2 > ρ 1 <strong>und</strong> p 2 > p 1 gilt. Die Geschwindigkeiten an beiden<br />

Seiten des Stoßes müssen dann die Bedingungen u 2 1 > c 2 1 <strong>und</strong> u 2 2 < c 2 2 erfüllen.<br />

Nachdem wir nun Kontaktunstetigkeiten, Stoßwellen <strong>und</strong> ihre <strong>Eigenschaften</strong> kennengelernt<br />

haben, können wir eine Erweiterung des Satzes über konstante Zustände aus dem vorigen<br />

Unterkapitel formulieren.<br />

• Satz: An einen konstanten Zustand grenzt entweder eine Stoßwelle, eine Kontaktunstetigkeit<br />

oder eine einfache Welle an. Der Übergang zu einfachen Wellen<br />

findet an C ± –Charakteristiken, der zu einer Kontaktunstetigkeit dagegen an C 0 –<br />

Charakteristiken statt.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 57<br />

2.5.1 Stoßwellen in einem idealen Gas<br />

Im Falle einer idealen Gaszustandsgleichung (2.26) lauten die Rankine–Hugoniot Bedingungen<br />

unter Verwendung der Machzahl M a ≡ u/c im Bezugsystem des Stoßes<br />

ρ 2<br />

ρ 1<br />

= (γ +1)M2 a 1<br />

(γ −1)M 2 a 1<br />

+2<br />

p 2<br />

(2.64)<br />

= 2γM2 a 1<br />

p 1 γ +1 − γ −1<br />

γ +1<br />

(2.65)<br />

T 2<br />

= [2γM2 a 1<br />

−(γ −1)][(γ −1)Ma 2 1<br />

+2]<br />

T 1 (γ +1) 2 Ma 2 1<br />

(2.66)<br />

Im Grenzfall eines sehr starken Stoßes, d.h. im Grenzfall M a1 → ∞ gilt<br />

ρ 2<br />

ρ 1<br />

= γ +1<br />

γ −1 = ⎧<br />

⎨<br />

⎩<br />

∞ für γ = 1<br />

7 für γ = 4/3<br />

4 für γ = 5/3<br />

, (2.67)<br />

sowie<br />

p 2<br />

p 1<br />

→ ∞ (∼ M 2 a 1<br />

)<br />

<strong>und</strong><br />

T 2<br />

T 1<br />

→ ∞ (∼ M 2 a 1<br />

)


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 58<br />

2.6 Das Riemann–Problem<br />

Ein Riemann–Problem ist ein Cauchy–Anfangswertproblem mit stückweise konstanten Anfangsbedingungen<br />

U t +F(U) x = 0 mit U(x,0) = w l , x < 0 <strong>und</strong> U(x,0) = w r , x > 0. (2.68)<br />

• Physikalische Motivation: Gas gefüllter Behälter sei durch Membran in zwei Bereiche<br />

getrennt, die den Druck p l <strong>und</strong> die Dichte ρ l , bzw. p r <strong>und</strong> ρ r besitzen. Das Gas ist<br />

in beiden Bereichen zunächst in Ruhe. Zur Zeit t = t 0 reißt die Membran.<br />

• Wichtig: Anfangsunstetigkeiten in ρ,u <strong>und</strong> p sind beliebig wählbar, d.h. es müssen<br />

keinerlei Beziehungen zwischen ihnen erfüllt sein.<br />

• OhneBeschränkungderAllgemeinheitkannmandaheru r = 0<strong>und</strong>p r < p l annehmen.<br />

Der Zerfall der Anfangsunstetigkeit A kann in drei verschiedene Kombinationen von<br />

Unstetigkeiten (Stoß S <strong>und</strong> tangentiale Unstetigkeit T) erfolgen, die sich voneinander entfernen:<br />

a) A → S ← TS → (2.69)<br />

d.h. zwei Stoßwellen, die sich in entgegengesetzter Richtung ausbreiten <strong>und</strong> die durch<br />

eine tangentiale Unstetigkeit getrennt sind. Eine solche Situation entsteht beim Zusammenstoß<br />

zweier Gasmassen mit großer Geschwindigkeit.<br />

b) A → V ← TS → (2.70)<br />

d.h. eine Stoßwelle <strong>und</strong> eine Verdünnungswelle, die sich in entgegengesetzter Richtung<br />

ausbreiten <strong>und</strong> die durch eine tangentiale Unstetigkeit gretrennt sind. Eine<br />

solche Situation entsteht, wenn zwei gegeneinander unbewegte Gasmassen (u l = u r ),<br />

die unterschiedliche Drücke besitzten, sich anfänglich berühren (Stoßrohr).<br />

c) A → V ← TV → (2.71)<br />

d.h. zwei Verdünnungswellen, die sich in entgegengesetzter Richtung ausbreiten <strong>und</strong><br />

die durch eine tangentiale Unstetigkeit getrennt sind. Der Druck im Gebiet zwischen<br />

den beiden Verdünnungswellen kann auf Null abfallen, d.h. eine Vakuumzone kann<br />

entstehen.<br />

Die Lösung des Riemann–Problems hängt nur von den Anfangszuständen w l <strong>und</strong> w r<br />

sowie von dem Verhältnis ζ = x/t ab, d.h. es gilt U = U( x t ;w l,w r ). Letzteres gilt, da die<br />

hydrodynamischen Gleichungen forminvariant unter der Transformation<br />

x → x ′ = Lx<br />

t → t ′ = Lt<br />

; L > 0


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 59<br />

sind. Die Lösung besteht aus konstanten Zuständen, die durch zentrierte Wellen (d.h.<br />

durch zentrierte Verdünnungswellen oder Stöße) <strong>und</strong>/oder tangentiale Unstetigkeiten getrennt<br />

sind.<br />

Als Beispiel betrachten wir nun im Detail ein Stoßrohr (siehe Abb.(2.10)) bzw. den<br />

Fall (2.70), <strong>und</strong> leiten die Lösung des entsprechenden Riemannproblems her.<br />

• Zur Lösung des Anfangswertproblems muss man 8 unbekannte Größen in den<br />

Gebieten (3) <strong>und</strong> (4) bestimmen (siehe Abb.2.10): ρ 3 ,p 3 ,u 3 ,ε 3 <strong>und</strong> ρ 4 ,p 4 ,u 4 ,ε 4 .<br />

Die konstanten Zustände links (1) <strong>und</strong> rechts(5) von der Diskontinuität sind durch<br />

die Anfangsbedingungen gegeben. Gebiet (2) ist eine Verdünnungswelle, die durch<br />

die Zustände (1) <strong>und</strong> (3) eindeutig bestimmt ist.<br />

• Die Unbekannten ε 3 <strong>und</strong> ε 4 sind mit Hilfe der Zustandsgleichung eliminierbar.<br />

• Da der Massenfluss durch die Kontaktunstetigkeit gleich null ist <strong>und</strong> da der Druck<br />

an der Kontaktunstetigkeit stetig ist, folgt<br />

u 3 = u 4 ≡ u c <strong>und</strong> p 3 = p 4 ≡ p c .<br />

• Damit verbleiben noch 4 Unbekannte: ρ 3 ,ρ 4 ,u c <strong>und</strong> p c , d.h. zur Lösung des Riemannproblems<br />

sind noch 4 weitere Bedingungen erforderlich.<br />

• Zwei der gesuchten vier Bedingungen ergeben sich aus den (allgemeinen) Rankine–<br />

HugoniotBedingungen(2.53)amStoß,dersichmitderGeschwindigkeitDausbreitet.<br />

m ≡ ρ 5 (D−u 5 ) = ρ 4 (D−u c )<br />

m(u c −u 5 ) = p c −p 5<br />

m(E c −E 5 ) = p c u c −p 5 u 5<br />

(2.72)<br />

Da das Gas vor dem Stoß in Ruhe ist, d.h. da u 5 = 0 gilt, folgt für die erste Rankine–<br />

Hugoniot Bedingung<br />

m = ρ 5 D = ρ 4 (D−u c )<br />

<strong>und</strong> damit für die zweite Rankine–Hugoniot Bedingung<br />

mu c = ρ 4 (D−u c )u c = p c −p 5 .<br />

Die letzte Gleichung läßt sich durch Elimination von D aus der ersten Rankine–<br />

Hugoniot Bedingung<br />

D = ρ 4u c<br />

ρ 4 −ρ 5


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 60<br />

Riemann Problem:<br />

P 1<br />

ρ 1<br />

P 5<br />

ρ 5<br />

u 1 =0<br />

x D<br />

u 5 =0<br />

x<br />

1 2 3 4 5<br />

head tail<br />

of rarefaction<br />

contact<br />

discontinuity<br />

shock<br />

x<br />

t<br />

1<br />

2<br />

3 4<br />

5<br />

x<br />

Abbildung 2.10:


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 61<br />

in der Form<br />

ρ 4<br />

(<br />

ρ4 u c<br />

ρ 4 −ρ 5<br />

−u c<br />

)<br />

u c = p c −p 5<br />

schreiben. Ein kleine Umformung ergibt schließlich die gesuchte erste Bedingung<br />

( 1<br />

(p 5 −p c ) − 1 )<br />

= −u 2 c (2.73)<br />

ρ 5 ρ 4<br />

• Die dritte Rankine–Hugoniot Bedingung (2.72) kann wegen E = u 2 /2+ε in der Form<br />

m(ε 4 + u2 c<br />

2 −ε 5) = p c u c ,<br />

bzw. nach Elimination von m <strong>und</strong> einfacher Umformung in der Form<br />

ε 4 −ε 5 = p c +p 5 u 2 c<br />

p c −p 5 2<br />

geschrieben werden. Mit Hilfe von (2.73) <strong>und</strong> unter der Annahme einer idealen Gaszustandsgleichung<br />

(2.26) eliminiert man jetzt u c bzw. ε i <strong>und</strong> erhält<br />

(<br />

1 pc<br />

− p )<br />

5<br />

= p c +p 5<br />

(ρ 4 −ρ 5 ).<br />

γ −1 ρ 4 ρ 5 2ρ 4 ρ 5<br />

Weitere einfache Umformungen führen schließlich zu der gesuchten zweiten Bedingung<br />

p c −p 5<br />

p c +p 5<br />

= γ ρ 4 −ρ 5<br />

ρ 4 +ρ 5<br />

(2.74)<br />

• Diedritte BedingungfolgtausderTatsache,dassdieEntropieinderVerdünnungswelle,<br />

die eine Γ + –einfache Welle ist, konstant ist. Da für die Entropie eines idealen<br />

Gases s ∼ ln(p/ρ γ ) gilt, kann die dritte Bedingung in der Form<br />

( ) γ<br />

p 1 ρ1<br />

=<br />

(2.75)<br />

p c ρ 3<br />

geschrieben werden.


KAPITEL 2. EIGENSCHAFTEN UND ANALYTISCHE LÖSUNGEN 62<br />

• Die vierte Bedingung ergibt sich aus der Tatsache, dass in einer Γ + –einfachen<br />

Welle die Riemann’sche Invariante<br />

∫ cdρ<br />

Γ + = u+<br />

ρ<br />

konstant ist. Daraus folgt<br />

∫ ∫<br />

c3 c1<br />

u c + dρ = u 1 + dρ.<br />

ρ 3 ρ 1<br />

Mit der Schallgeschwindigkeit c = √ γp/ρ gilt<br />

∫ c<br />

ρ dρ = 2 √ γp<br />

γ −1 ρ<br />

<strong>und</strong> damit lautet die vierte Bedingung<br />

u c + 2 √ γpc<br />

= 2 √ γp1<br />

(2.76)<br />

γ −1 ρ 3 γ −1 ρ 1<br />

• Kombiniert man die vier Bedingungen (2.73), (2.74), (2.75) <strong>und</strong> (2.76)), so lässt sich<br />

eine nicht–lineare, algebraische Gleichung für das Druckverhältnis P ≡ p c /p 5<br />

(bzw.fürdenDruckp c ,dap 5 durchdieAnfangsbedingungenvorgegebenist)ableiten.<br />

ρ 1 1<br />

ρ 5 λ<br />

(1−P) 2<br />

γ(1+P)−1+P =<br />

[<br />

2γ<br />

1−<br />

(γ −1) 2<br />

( ] 2<br />

P<br />

2γ<br />

(2.77)<br />

λ)γ−1<br />

wobei λ ≡ (p 1 /p 5 ) das Druckverhältnis zwischen den beiden konstanten Anfangszuständen<br />

ist. Die restlichen unbekannten Größen ergeben sich aus der Lösung p c<br />

durch Einsetzen: ρ 4 aus (2.74), u c nach Berechnung von ρ 4 aus (2.73) <strong>und</strong> ρ 3 aus<br />

(2.75).<br />

In der folgenden Tabelle ist die Lösung von (2.77) für einige Fälle angegeben.<br />

λ γ = 4/3 γ = 5/3<br />

2 1.403 1.400<br />

5 2.139 2.114<br />

10 2.876 2.812<br />

20 3.786 3.653

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