Modellbildung, Simulation und Regelung dynamischer ... - Dieter Kraft
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1 Modellierung <strong>dynamischer</strong> Systeme<br />
Der Entwurf eines <strong>Regelung</strong>ssystems wird an einem mathematischen Ersatzmodell<br />
des realen (meist physikalischen) Systems durchgeführt. Die Gründe<br />
hierfür liegen u.a.<br />
• in der permanenten <strong>und</strong> kostengünstigen Verfügbarkeit des Modells,<br />
• an dem großen Umfang <strong>und</strong> der hohen Qualität mathematischer Werkzeuge<br />
zum Reglerentwurf mit dem Digitalrechner.<br />
Es ist im allgemeinen Aufgabe des <strong>Regelung</strong>singenieurs, für ein geeignetes<br />
Modell zu sorgen. Für die Modellierung technisch-physikalischer Systeme<br />
benötigt er vertiefte Kenntnisse in den Gr<strong>und</strong>lagenfächern Mechanik <strong>und</strong><br />
Fluidmechanik, Elektrotechnik <strong>und</strong> Thermodynamik.<br />
In aller Regel sind die Modelle ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit.<br />
Einmal sind nicht alle Effekte bekannt, zum anderen dominieren einige<br />
einflußreiche Eigenschaften andere minder bedeutende, deren Beitrag dann<br />
schon aus Wirtschaftlichkeitsgründen der Berechnung unterdrückt wird. Im<br />
folgenden werden Modellierungsbeispiele einfacher <strong>und</strong> mäßiger Komplexität<br />
aus Gründen der Anschauung <strong>und</strong> der Übung laufend eingestreut werden.<br />
1.1 Einführendes Beispiel: Balancieren eines Stabes<br />
1.1.1 Modellgleichung<br />
Zur Einführung <strong>und</strong> zur Wiederholung einiger Begriffe aus der regelungstechnischen<br />
Gr<strong>und</strong>vorlesung wird ein sehr einfaches mechanisches Modell<br />
erläutert, an dem aber schon alle wichtigen Begriffe <strong>und</strong> Prinzipien eingeübt<br />
werden können: das Balancieren eines Stabes auf der Fingerspitze.<br />
Das Problem soll in der vertikalen ξ–η-Ebene nach Abbildung 1.1 betrachtet<br />
werden. Die Masse m des zu balancierenden Stabes mit der Länge l sei in der<br />
Stabspitze konzentriert, dem Schwerpunkt mit dem Koordinatenpaar (ξ,η).<br />
Der Fußpunkt ξ F des Stabes (Auflage auf der Fingerspitze) bewege sich nur<br />
horizontal, seine Lagekoordinate sei nicht vorgeschrieben. Die Auslenkung<br />
des Stabes aus der gewünschten Vertikalposition sei durch den Winkel φ<br />
angegeben. Dieser Winkel ist die Regelgröße, deren Sollgröße φ S =0ist.<br />
Äußere Kräfte seien nur entlang der Stabachse aufgeprägt, es wirke keine<br />
vertikale Beschleunigung, d.h. im Gleichgewicht gilt mg = f cos φ. Der<br />
Winkel φ sei immer klein, da der Stab sich nicht weit aus seiner Sollrichtung<br />
bewegen soll, d.h. es kann sin φ = φ <strong>und</strong> cos φ = 1 angenommen werden. 1<br />
1 Mathematische Modelle realer Systeme sind im allgemeinen nichtlinear. In unserem<br />
Beispiel wird Linearität durch die Annahme kleiner Winkelabweichungen von der Sollage<br />
erreicht. Allgemeine Linearisierungsvorschriften werden in Anhang B beschrieben<br />
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