Sprache macht stark! - Offensive Bildung - aviva beisel
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<strong>Sprache</strong> <strong>macht</strong> Stark!<br />
Diese Zusammenhänge lassen sich in einem topologischen Schema darstellen (vgl. DUDEN 2006, 874ff), das die Satzbaupläne<br />
des Deutschen zusammenfasst und das hier exemplarisch mit möglichen Kinderäußerungen gefüllt wurde (aus Tracy &<br />
Thoma 2009, vgl. auch Tracy 2008, Tracy & Lemke 2009).<br />
Tabelle I: Satzbaupläne des Deutschen<br />
Satzklammer<br />
V2 Mittelfeld VE Meilenstein<br />
Bus<br />
rein<br />
Mama auch Bus<br />
Mama auch Bus<br />
fahrn<br />
ich bau ein Turm mit ein Uhr<br />
dann fressen die Vögeln alles auf<br />
M II<br />
M III<br />
➞<br />
Konjunktion<br />
➞<br />
Wenn die Julia Futter reintut M IV<br />
Der Erwerb der syntaktischen Baupläne des Deutschen lässt sich vereinfacht in vier Stufen oder „Meilensteine“ einteilen.<br />
Diese Meilensteine reichen von Einwortäußerungen (Meilenstein I) bis zur Produktion komplexer Sätze, wie beispielsweise<br />
der <strong>Bildung</strong> von Nebensatzstrukturen (Meilenstein IV) (vgl. Tracy 2008, 75ff.). Kinder, die mit Deutsch als Erstsprache aufwachsen,<br />
produzieren zielsprachliche Hauptsätze im Alter von zweieinhalb bis drei Jahren (Schulz 2007, Tracy 1991, Weissenborn<br />
2000). Sie erreichen Meilenstein IV (und damit die Phase der Produktion von komplexen Sätzen) mit drei bis vier<br />
Jahren (vgl. Fritzenschaft et al. 1990, Rothweiler 1993). Zweitsprachlerner, deren Erwerbsbeginn zwischen drei und fünf<br />
Jahren liegt, durchlaufen nicht nur die gleichen Erwerbssequenzen. Sie können sogar, gemessen vom ersten Auftreten von<br />
Einwortäußerungen bis zum zielsprachlichen Gebrauch von V2-Hauptsatzstrukturen, schneller sein als Erstsprachlerner, da<br />
sich bei ihnen die Satzklammer und die Subjekt-Verb-Kongruenz bereits im Laufe eines Kontaktjahrs etablieren kann (vgl.<br />
Thoma & Tracy 2006, Tracy/Thoma 2009). Nebensätze mit zielsprachlicher Verbendstellung und einleitender Konjunktion<br />
finden sich in der Regel im Laufe des zweiten Jahres. Schulz et al. (2008) haben in einer Querschnittsuntersuchung mit<br />
91 L2-Lernern des Deutschen im Alter von drei bis sieben Jahren nachgewiesen, dass die meisten dieser Kinder<br />
2-2 ½ Jahre Kontaktzeit benötigen, um Meilenstein IV zu erreichen.<br />
Das Konzept von <strong>Sprache</strong> <strong>macht</strong> <strong>stark</strong>! setzt zum einen auf diese natürliche Begabung von Kindern, sich bereits in der<br />
frühen Kindheit parallel mehrere grammatische Systeme anzueignen, und zum anderen auf ihre Fähigkeit, sehr schnell<br />
Wort-Konzept-Verknüpfungen aufzubauen, d.h. ihren Wortschatz zu erweitern. Eine intensive Förderung des Wortschatzerwerbs<br />
bei gleichzeitiger Nutzung der kindlichen Sensibilität für syntaktische und morphologische Variation ist besonders<br />
sinnvoll, da sich ein Zusammenhang zwischen dem Repertoire an lexikalischen Verben und der syntaktischen Entwicklung,<br />
vor allem der Etablierung der Satzklammer, abzeichnet (vgl. Tracy/Thoma 2009): Kinder mit einem größeren Repertoire<br />
von Verben erschließen sich syntaktische Baupläne schneller als Kinder mit reduziertem Verbwortschatz.<br />
Aufgrund des aktuellen Stands der Forschung ist daher bei einer intensiven und vor allem spezifisch auf Problembereiche<br />
der Zielsprache ausgerichteten Förderung Folgendes zu erwarten:<br />
• Die im Rahmen von <strong>Sprache</strong> <strong>macht</strong> <strong>stark</strong>! geförderten Kinder sollten sich - sofern sie nicht von einer <strong>Sprache</strong>rwerbsstörung<br />
betroffen sind - mindestens ebenso schnell entwickeln, wie dies aufgrund verfügbarer Longitudinalstudien<br />
zum L2-Erwerb angenommen werden kann (s.o.)<br />
• Sie sollten eher besser abschneiden als Kinder einer Vergleichsgruppe, die im sprachlichen Bereich unspezifisch<br />
(also ohne ausdrücklich auf spezifische Eigenschaften der Zielsprache ausgerichtete Maßnahmen) gefördert<br />
wurden.<br />
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