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04 | Dezember 2012 – Februar 2013<br />
Illegal am Haken<br />
Die Tunfisch- und Haijagd im Indischen Ozean kennt keine<br />
Grenzen. Die Österreicherin Melanie Aldrian war mit<br />
der „Rainbow Warrior“ vor Ort.<br />
Russland im Öl<br />
Energieriese Gazprom greift nach der Arktis.<br />
Vom Experiment zum LebenSstil<br />
Eine steirische Familie lebt ohne Plastik.
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser!<br />
Sie landen für ihre Überzeugungen manchmal im Gefängnis, wie Ina<br />
Vallant in Moskau (Seite 14/15). Sie erklimmen schwindelerregende<br />
Höhen an so unwirtlichen Plätzen wie Kohlekraftwerken, wie Gernot<br />
Goldmann in Polen (Seite 6/7). Oder sie inspizieren die Kühlräume<br />
riesiger Fangschiffe, um die lokalen Behörden beim Kampf gegen die<br />
illegale Fischerei zu unterstützen, wie Melanie Aldrian im Indischen<br />
Ozean (ab Seite 8).<br />
Unsere Aktivisten und Aktivistinnen sind das Herz von <strong>Greenpeace</strong>.<br />
Nicht alle Aktionen sind so spektakulär wie die eben erwähnten – aber sie<br />
sind immer ein entscheidender Faktor, warum wir mit unserer Umweltschutzarbeit<br />
Erfolg haben. Durch ihren persönlichen Einsatz, ihre<br />
Präsenz und den gemeinsamen Protest vor Ort bringen sie festgefahrene<br />
Positionen in Bewegung. Aktionen erreichen die Öffentlichkeit und<br />
erzeugen den notwendigen Druck, um in absehbarer Zeit verschiedene<br />
Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen. <strong>Greenpeace</strong> hat in<br />
41 Jahren keinen einzigen Sieg errungen, an dem nicht Aktivisten und<br />
Aktivistinnen beteiligt waren. Man kann diesen Einsatz nicht genug<br />
auszeichnen – an dieser Stelle ein herzliches Danke an euch alle!<br />
Karl Popper meinte, Aktivismus ist die Abneigung gegen jede Haltung des<br />
passiven Hinnehmens. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten<br />
Start in ein aktives 2013 – denn es gibt noch vieles, das wir zurückweisen<br />
müssen, um eine umweltverträgliche Gesellschaft zu erreichen. Und<br />
nimmt man es im Popper’schen Wortsinn – dann sind wir alle Aktivisten!<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
IMPRESSUM<br />
Birgit Bermann, Chefredakteurin<br />
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: <strong>Greenpeace</strong> in Zentral- und Osteuropa, Fernkorn -<br />
gasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/545 45 80, www.greenpeace.at Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100, BLZ: 60.000,<br />
www.greenpeace.at/spenden Redaktion: Birgit Bermann (Chefredaktion), Melanie Aldrian, Brigitte Bach<br />
(In Aktion), Anja Freudenberg, Antje Helms, Julia Kerschbaumsteiner, Marcelline Langer, Agnes Peterseil,<br />
Hanna Schwarz, Wolfgang Weitlaner E-Mail: act@greenpeace.at Bildredaktion: Georg Mayer<br />
Artdirektion: Karin Dreher Anzeigenproduktion: planetsisa Fotos: <strong>Greenpeace</strong>, Coriette<br />
Schoenaerts, Privat Lektorat: Johannes Payer Druck: Niederösterreichisches Pressehaus<br />
erscheint viermal jährlich auf 100-%-Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen<br />
gratis zugesandt. Die nächste Ausgabe erscheint im März 2013.<br />
Zur besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Entsprechende<br />
Bezeichnungen gelten ausdrücklich für beide Geschlechter.<br />
© Paul Hilton/GP, © GP/Georg Mayer, © Paul Hilton/GP, © Denis Sinyakov/GP, © GP/Zbysek Jakubowicz , © Privat<br />
08<br />
14<br />
04 In Aktion 06 Die Lüge von grünen Kohlekraftwerken 08 Noa gegen<br />
Goliath 12 Kommentar: Die Hüter der Meere 13 Das Design der Zukunft<br />
14 Wo Russland im Öl versinkt 16 Wald in Gefahr plus Interview: Nicola<br />
Weitzer und Kathrin Wesonig 18 Im Gespräch mit Polly Higgins 19 Steuerlicher<br />
Systemwechsel 20 Ein Leben ohne Plastik 22 Jahresbericht <strong>Greenpeace</strong> CEE<br />
06 20<br />
Inhalt<br />
act 3
Philippinen:<br />
Wie viel giftige<br />
Gefahr steckt<br />
im Wasser?<br />
Schminke, künstliches<br />
Blut und zerfetzte Kleider<br />
verwandelten philippinische<br />
<strong>Greenpeace</strong>-<br />
Aktivisten in schaurige<br />
Gestalten. In Zombie-<br />
Verkleidung protestierten<br />
sie gegen die Untätigkeit<br />
der Regierung, einen<br />
effektiven Wasserschutz<br />
zu implementieren. Es<br />
fehlt an einem Überwachungssystem<br />
für Chemikalien,<br />
einer Offenlegungspflicht<br />
für die Industrie<br />
sowie einem Gesetz,<br />
das die Einleitung von<br />
gefährlichen Stoffen in<br />
Gewässer untersagt.<br />
Dem Zombie-Auftritt<br />
war eine dreiwöchige<br />
Tour vorausgegangen, bei<br />
der über hundert Freiwillige<br />
entlang des Marikina-<br />
Flusses unterwegs waren,<br />
um Verschmutzungen zu<br />
dokumentieren und das<br />
öffentliche Bewusstsein<br />
gegenüber gefährlichen<br />
Giften zu schärfen.<br />
Erneuerbare<br />
Energien: Erleuchtung<br />
garantiert in Indonesien!<br />
Wo sonst könnte man die Menschen<br />
besser von der Vision einer sauberen<br />
und sicheren Energiezukunft begeistern<br />
als direkt neben einem Symbol<br />
der Erleuchtung? <strong>Greenpeace</strong> wählte<br />
die weltgrößte buddhistische<br />
Tempelanlage Borobudur auf der Insel<br />
Java als Platz für seine „Climate<br />
Rescue Station“. Die gesamte<br />
Installation rund um den vierstöckigen<br />
Bau ließ Borobudur zwei Wochen<br />
lang mit der Kraft der Sonne in einem<br />
erneuerbaren Licht erstrahlen – und<br />
demonstrierte, dass die Deckung des<br />
indonesischen Energiebedarfs aus<br />
erneuerbaren Quellen realisierbar ist.<br />
Derzeit stammen noch 95 Prozent<br />
der im Land verbrauchten Energie von<br />
schmutzigen Brennstoffen wie Kohle.<br />
Atomkraft: Leichter Zugang<br />
zu schwedischen AKW<br />
Durch einen Stresstest der besonderen Art machte<br />
<strong>Greenpeace</strong> im Oktober erneut auf die schweren<br />
Sicherheitslücken in Atomkraftwerken aufmerksam. Ziel<br />
der Aktion waren die beiden störanfälligen schwedischen<br />
AKW Ringhals und Forsmark. 70 <strong>Greenpeace</strong>-<br />
Aktivisten gelangten ohne große Hindernisse auf die<br />
Kraftwerksgelände und blieben dort auch noch lange<br />
Zeit unentdeckt – zwei Aktivisten verließen als Letzte<br />
nach fast 40 Stunden (!) freiwillig das AKW Forsmark.<br />
Fotos: © Ulet Ifansasti/GP, © Nicolas Chauveau/GP, © Vyber Vlado-Benko/GP, © Emma Stoner/GP, © Sunny L/GP, © David Robert Jones/GP, © GP, © Jed Delano/GP<br />
Klimaschutz: Worte<br />
statt Taten bei VW<br />
„Der grünste Golf aller Zeiten“ – was VW<br />
als Werbeslogan für sein brandneues<br />
Modell verspricht, macht der Konzern in<br />
der Realität nicht wahr. Das meistverkaufte<br />
europäische Auto kam nun in der siebten<br />
Edition auf den Markt und stößt noch<br />
immer mehr CO 2 aus als notwendig.<br />
<strong>Greenpeace</strong> fordert den größten<br />
Autohersteller Europas seit dem Jahr 2011<br />
mit einer breiten Kampagne dazu auf,<br />
endlich den wichtigen Schritt zum<br />
„Drei-Liter-Golf“ zu gehen. Doch auch bei<br />
der jüngsten Golf-Entwicklung wurden<br />
klimaschonende Ziele nicht umgesetzt.<br />
Grund genug für einen großen Protest<br />
während der Präsentation des Golf 7<br />
beim Pariser Autosalon: <strong>Greenpeace</strong>-<br />
Aktivisten aus mehreren Ländern machten<br />
auf die Vernebelungstaktiken von VW<br />
aufmerksam und informierten Messebesucher<br />
über die gängige klimafeindliche<br />
Modellpolitik. Nur mit konkreten<br />
Umweltzielen und dem Einbau der<br />
verfügbaren Spritspartechnik in die<br />
gesamte Golf-Serie kann das Unternehmen<br />
seiner Klimaverantwortung und<br />
seinen Werbeslogans gerecht werden.<br />
Detox: Schluss<br />
mit Chemie in<br />
der Kleidung!<br />
Vor über einem Jahr startete<br />
<strong>Greenpeace</strong> die<br />
Detox-Kampagne und<br />
deckte die giftigen Verbindungen<br />
zwischen großen<br />
Kleidermarken und Textilfabriken<br />
in China auf.<br />
Bisher haben sich sechs<br />
Marken (H&M, Adidas,<br />
Nike, Puma, C&A und<br />
Li-Ning) verpflichtet, Giftstoffe<br />
aus Lieferketten<br />
und Produktpaletten bis<br />
2020 zu beseitigen. Nun<br />
schwenkt auch das britische<br />
Unternehmen Marks & Spencer auf eine giftfreie<br />
Zukunft ein – ein weiterer Meilenstein! Der jüngste<br />
Detox-Report betrifft umwelt- und gesundheitsschädliche<br />
Schadstoffe in Outdoor-Kleidung. Aktuelle Detox-<br />
News finden Sie unter: www.greenpeace.at/detox.<br />
Indien: Einen Monat in den Bäumen für<br />
den Schutz von Tigern und Wäldern<br />
Er ist engagiert, erfahren und entschlossen: Wenn Brikesh Singh,<br />
Kampaigner bei <strong>Greenpeace</strong> Indien, Bedarf sieht, klettert er im<br />
Namen des Umweltschutzes in luftige Höhen. Bei seinem<br />
jüngsten Einsatz platzierte er sich auf einem Baum inmitten des<br />
Tadoba-Tiger-Reservats in Zentralindien – und blieb gleich einen<br />
Monat! Brikesh protestierte so gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke<br />
und dessen Folgen: Vertreibung indigener Völker, schwere<br />
Umweltschäden und bedrohte Tiger. Ein Drittel der verbliebenen<br />
Tigerpopulation des Subkontinents lebt in Zentralindien.<br />
Brikesh verließ sein Baumhaus Anfang Oktober zum Start der<br />
UN-Biodiversitätskonferenz in Hyderabad. Dort forderte<br />
<strong>Greenpeace</strong> von der indischen Regierung medienwirksam den<br />
Stopp der Förderung des Kohlebergbaus.<br />
Slowakei:<br />
Grüne Jobs<br />
statt braunem<br />
Brennstoff<br />
500 Millionen Euro in fünf<br />
Jahren – so viel beträgt<br />
die staatliche Braunkohle-<br />
Subventionierung in der<br />
Slowakei. Geht es nach<br />
den Plänen der Regierung,<br />
wird sie diesen Kurs<br />
beibehalten. Damit<br />
verbunden ist das<br />
Versprechen, die lokale<br />
Wirtschaft in der<br />
Westslowakei zu stärken<br />
und Arbeitsplätze zu<br />
schaffen. <strong>Greenpeace</strong> ließ<br />
diese geplante Fehlinvestition<br />
in die Luft gehen,<br />
startete seinen Zeppelin<br />
direkt über dem Kohlekraftwerk<br />
in Nováky und<br />
forderte eine Umkehr hin<br />
zur Förderung von grünen<br />
Projekten.<br />
In Aktion<br />
4 act act 5
Die Lüge von<br />
grünen Kohlekraftwerken<br />
Unser Wald gehört nicht in den Kohlekessel.<br />
Doch bei Cofiring – dem Verbrennen von<br />
Biomasse in Kohlekraftwerken – geschieht<br />
genau das. In manchen EU-Ländern wird<br />
die grüne Schummelei sogar noch mit<br />
Subventionen gefördert. Von Anja Freudenberg<br />
engpässen gekennzeichneten Energiemärkten<br />
Osteuropas. Zudem ist Cofiring eine<br />
äußerst verschwenderische Art, mit der wertvollen<br />
Ressource Holz umzugehen. Bei der<br />
Verwendung von Biomasse zur Stromerzeugung<br />
durch Cofiring gehen 60 bis 70 Prozent<br />
der Energie im Umwandlungsprozess verloren.<br />
Energieeffizienz sieht anders aus.<br />
Und nicht zuletzt bleibt noch die Frage: Woher<br />
stammt das Holz? Für den Ausbau von<br />
Cofiring wäre zukünftig ein massiver Biomasse-Import<br />
nötig. Die potenziellen Lieferanten<br />
verdeutlichen die miese Umweltbilanz<br />
noch weiter: Es sind überwiegend Gebiete mit<br />
Primär- und Regenwäldern und schwachen<br />
Umweltstandards wie Russland, Weißrussland,<br />
Ukraine, Brasilien, Tansania, Mosambik,<br />
die USA und Kanada.<br />
Aber auch im eigenen Wald steht die steigende<br />
Biomasse-Nachfrage für Energiegewinnung<br />
in direktem Zusammenhang mit der<br />
Kenia importiert, um Kohlekraftwerke zu beliefern.<br />
Diese Zahlen wurden von Experten<br />
geschätzt, da die polnische Regierung keine<br />
Daten veröffentlicht. Cofiring erhält in Polen<br />
über die Hälfte der für erneuerbare Energie<br />
bestimmten finanziellen Unterstützung und<br />
wird von den Steuerzahlern getragen – 2011<br />
waren das 560 Millionen Euro.<br />
Kampagne in Polen<br />
„Es ist mehr als ein schlechter Scherz, dass<br />
Firmen, die Cofiring betreiben, mit grünen<br />
Zertifikaten und Geld belohnt werden“, sagt<br />
Robert Cyglicki, Programmdirektor von<br />
<strong>Greenpeace</strong> in Polen. Um auf diese betrügerische<br />
Praxis aufmerksam zu machen und eine<br />
politische Diskussion anzustoßen, erkletterten<br />
zwölf <strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten im vergangenen<br />
Frühling den Kühlturm des Cofiring-<br />
Kohlekraftwerkes Turów (act 02/2012). Mit<br />
dabei waren auch die zwei Österreicher Jutta<br />
Wie man sich mit<br />
schmutziger Kohlekraft<br />
trotzdem ein grünes Mäntelchen<br />
umhängen kann,<br />
zeigt Cofiring unrühmlich<br />
vor. In Europa betreiben<br />
Großbritannien, Finnland,<br />
Belgien, Dänemark,<br />
Schweden, die Niederlande<br />
und Polen diese Form des<br />
Greenwashing.<br />
In Polen erhält Cofiring<br />
die Hälfte der grünen<br />
Subventionen. <strong>Greenpeace</strong>-<br />
Aktivisten erkletterten<br />
aus Protest das Cofiring-<br />
Kohlekraftwerk Turów. Mit<br />
dabei der österreichische<br />
<strong>Greenpeace</strong>r Gernot Goldmann<br />
(kl. Bild r.).<br />
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit<br />
hat sich in den letzten Jahren bei der Energieerzeugung<br />
eine neue Methode des Greenwashing<br />
eingeschlichen. Bei dem sogenannten<br />
Cofiring wird in gewöhnlichen Kohlekraftwerken<br />
Biomasse beigemischt und das<br />
Ergebnis als „grüne Energie“ verkauft. Vorreiter<br />
sind die USA, wo diese Methode seit<br />
den 1990er-Jahren kommerziell verwendet<br />
wird. Westeuropäische Staaten wie Großbritannien,<br />
Finnland, Belgien, Dänemark,<br />
Schweden, Niederlande und Polen folgten<br />
bald dem schlechten Beispiel aus Übersee.<br />
Besonders in Polen ist die Lage trist: Das<br />
Land zeigt bei fast 90 Prozent Abhängigkeit<br />
von Kohle in der Stromversorgung keinerlei<br />
Ambitionen, seine Energieinfrastruktur zu<br />
reformieren.<br />
Holz im Kohlekessel<br />
Cofiring ist eine Umweltfalle. Beim Verheizen<br />
von Kohle zur Energiegewinnung werden klimatreibende<br />
Emissionen wie Kohlenstoff freigesetzt.<br />
Wenn gemeinsam mit der Kohle ein<br />
Anteil von Biomasse verbrannt wird, dann<br />
entstehen dabei dem Anteil der Biomasse entsprechend<br />
weniger Emissionen. Der durchschnittliche<br />
Biomasse-Anteil bei Cofiring beträgt<br />
in Europa fünf bis zehn Prozent, wobei<br />
meist Holz benutzt wird. Kohlekraftbetreiber<br />
machen kräftig Werbung für diese Methode,<br />
da sie auf diese Weise ohne hohe Investitionskosten<br />
ihre Emissionen reduzieren und Geld<br />
für CO 2 -Zertifikate einsparen können. Diese<br />
Einsparungen reichen allerdings nicht aus, um<br />
Cofiring rentabel zu machen, der Staat – und<br />
damit der Steuerzahler – muss kräftig subventionieren.<br />
Die Kohlekraftbetreiber sind die einzigen<br />
Gewinner beim Cofiring. Durch die sogenannte<br />
„Vergrünung“ von Kohle entstehen<br />
keine Anreize, die veraltete fossile Energieinfrastruktur<br />
zu ersetzen und ein gesellschaftliches<br />
Umdenken hinsichtlich des Umgangs<br />
mit Ressourcen zu fördern. Fördergelder,<br />
die in Kohle investiert werden, fehlen für<br />
den Ausbau von CO 2 -freien und unbegrenzten<br />
Energiequellen wie Wind und Sonne.<br />
Hinzu kommt, dass durch Cofiring weder<br />
die Menge an produzierter Energie noch die<br />
Energieunabhängigkeit gestärkt wird – ein<br />
wichtiges Kriterium in den von Versorgungs-<br />
Fotos: 3x GP/Zbysek Jakubowicz, © GP/Georg Mayer<br />
»Es ist eine Sauerei, dass der polnische Energiebetreiber<br />
vorgibt, einen Beitrag für grüne Energie zu leisten, und in<br />
Wahrheit Kohle fördert. Dieser Betrug gehört aufgeklärt!«<br />
Degradierung der Waldqualität und der Reduzierung<br />
der Waldfläche als CO 2 -Speicher.<br />
Nützliche Biomasse wie tote Bäume, die beim<br />
Verrotten eine wichtige Nährstoff- und Nahrungsquelle<br />
für Flora und Fauna liefern, wird<br />
aus dem Wald herausgenommen. Die Konsequenzen<br />
sind Auswirkungen auf die Grundwasser-<br />
und Bodenqualität, reduzierte Artenvielfalt<br />
und verringerte Waldqualität. Auf andere<br />
Biomasse auszuweichen ist bei Cofiring<br />
keine Option: Rest- und Abfallprodukte aus<br />
der Land- und Forstwirtschaft wie zum Beispiel<br />
Getreidestroh oder bearbeitetes Holz aus<br />
der Möbelindustrie verursachen wegen ihrer<br />
ungeeigneten chemischen Eigenschaften<br />
technische Probleme bei den Heizkesseln.<br />
In Polen werden jährlich schätzungsweise<br />
mehrere Millionen Tonnen Holz aus den Wäldern<br />
geholt und zusätzlich 900.000 Tonnen<br />
aus Ländern wie der Ukraine, Liberia und<br />
Matysek und Gernot Goldmann. „Es ist eine<br />
Sauerei, dass der polnische Energiebetreiber<br />
vorgibt, einen Beitrag für eine grünere, sauberere<br />
Umwelt zu leisten, und in Wahrheit Kohle<br />
fördert. Dieser Betrug gehört aufgeklärt“, begründet<br />
Gernot Goldmann seinen schwindelerregenden<br />
Einsatz.<br />
Die mutige Aktion hat den Stein ins Rollen<br />
gebracht. Noch am selben Tag wurden <strong>Greenpeace</strong>-Vertreter<br />
vom polnischen Wirtschaftsministerium<br />
zu Gesprächen eingeladen. Bei<br />
dem Treffen wurde zugesagt, die Subventionen<br />
für Cofiring schrittweise auf null zu reduzieren.<br />
<strong>Greenpeace</strong> wird dafür kämpfen, dass<br />
dieses Bekenntnis keine leere Versprechung<br />
bleibt! Auch auf EU-Ebene muss es ein Subventionsverbot<br />
für Cofiring geben, damit unserer<br />
grünen Zukunft nicht durch Kohlemogeleien<br />
ein Strich durch die Rechnung gemacht<br />
wird. n<br />
6 act act 7
Noa gegen<br />
Goliath<br />
Die Jagd auf Tunfische und Haiflossen im Indischen Ozean ist<br />
zu einem Raubzug geworden. Ein internationales <strong>Greenpeace</strong>-<br />
Team segelte mit der „Rainbow Warrior“ in den Gewässern<br />
Mosambiks, um die lokalen Behörden im Kampf gegen die<br />
illegale Fischerei zu unterstützen. von Melanie Aldrian<br />
Tonnen an tiefgefrorenen<br />
Fischen im Bauch der Fangschiffe<br />
– der österreichischen<br />
<strong>Greenpeace</strong>-Mitarbeiterin<br />
Melanie Aldrian (kl. Bild l.)<br />
boten sich Bilder, die sie wohl<br />
nicht mehr vergessen wird.<br />
Zwei Wochen lang unterstützte<br />
die Crew der „Rainbow<br />
Warrior“ die mosambikanische<br />
Fischereiaufsicht und<br />
ihren Chef Noa Senete<br />
(kl. Bild ganz l.) bei ihrer<br />
schwierigen Arbeit.<br />
„Ich gehe unsere Fische retten“,<br />
sagt Noa Senete morgens zu seinem<br />
Sohn, wenn er zur Arbeit geht. Noa<br />
ist Leiter der nationalen Fischereiaufsicht<br />
in Mosambik und hat sein<br />
Büro für zweieinhalb Wochen zu uns<br />
an Bord der „Rainbow Warrior“ verlegt.<br />
Seit elf Jahren überwacht er die<br />
Fischereiaktivitäten in den Gewässern<br />
des ostafrikanischen Landes.<br />
Fragt man Noa nach seiner Arbeit,<br />
erzählt er von seiner persönlichen<br />
Mission. Er will verhindern, dass<br />
seine Enkel in Geschichtsbüchern<br />
nachlesen müssen, warum es hier<br />
keinen Fisch mehr gibt.<br />
Verbrechen auf hoher See<br />
Er beschäftigt sich täglich mit jenen<br />
Fällen, die immer häufiger werden<br />
und die Meere zunehmend an den<br />
Rand des Kollapses führen: Boote,<br />
die ohne Lizenz fischen, die<br />
Fangquoten überschreiten und Arten<br />
fangen, für die sie keine Berechtigung<br />
haben oder die unter Schutz<br />
stehen. Man muss nur genau hinsehen,<br />
um sich die Konsequenzen<br />
ausrechnen zu können. „Die Fälle<br />
illegaler Fischerei nehmen zu, der<br />
Fischbestand schwindet“, erzählt<br />
Noa, während sein sonst so breites<br />
Lächeln schwindet.<br />
Noa ist in einer Fischereifamilie<br />
aufgewachsen und kennt den westlichen<br />
Teil des Indischen Ozeans so<br />
gut wie kaum jemand. Er erinnert<br />
sich an die einst ertragreichen Fänge<br />
der lokalen Fischer und hat ihre zurückkehrenden<br />
Fischerboote in den<br />
vergangenen Jahren leerer und leerer<br />
werden sehen. Eines der größten<br />
Sorgenkinder: Tunfisch. Was auf<br />
Pizza, in Pasta oder als Sushi auf unseren<br />
Tellern landet, ist zu einem<br />
großen Teil im Indischen Ozean aufgewachsen:<br />
25 Prozent des weltweiten<br />
Fangs stammen von dort. Für internationale<br />
Fischereiflotten sind<br />
die Küstengewässer Ostafrikas daher<br />
finanziell höchst attraktiv.<br />
Die massive Überfischung des letzten<br />
Jahrzehnts hat jedoch Spuren<br />
hinterlassen. Im Jahr 2007 hat der<br />
Tunfisch-Bestand des Indischen Ozeans<br />
seinen Tiefpunkt erreicht: Rund<br />
ein Drittel des Bestands ist verschwunden<br />
– zu einem Großteil in<br />
den riesigen und hungrigen Bäuchen<br />
asiatischer und europäischer Fischereiboote.<br />
Nachhaltige Fangmethoden<br />
oder geregelte Fangquoten werden<br />
konsequent ignoriert. Auf den zurückgehenden<br />
Tunfisch-Bestand reagiert<br />
man pragmatisch, mit Alternativen.<br />
Da der Tunfisch-Bestand<br />
schrumpft, wird verstärkt nach Hai<br />
gefischt. Die Nachfrage nach Haiflossen<br />
am asiatischen Markt ist groß<br />
und verspricht ein lukratives Geschäft<br />
(siehe Interview Seite 10).<br />
„Am Ende des Tages zählt der Ertrag.<br />
An morgen – an die Zukunft der globalen<br />
Fischbestände – denkt kaum jemand“,<br />
erzählt Noa, während er nachdenklich<br />
auf das offene Meer blickt.<br />
Fischen im Trüben<br />
Zwei Boote und 50 Inspektoren patrouillieren<br />
bis zu 250 Tage im Jahr innerhalb<br />
mosambikanischer Gewässer<br />
– ein Gebiet, das mit 400.000 Quadratkilometern<br />
größer als Deutschland<br />
ist. Oftmals ein Kampf gegen<br />
Windmühlen, wie Noa erzählt. Er<br />
kennt die Grenzen seiner Arbeit nur<br />
zu gut, und wer einmal auf hoher See<br />
war, kann diese nachvollziehen. Die<br />
Distanzen sind groß, es vergehen oft<br />
viele Stunden, manchmal Tage, bis<br />
man in den unendlich wirkenden<br />
Weiten des Ozeans auf ein Schiff<br />
trifft. Die Kontrollorgane können die<br />
Fotos: © Paul Hilton/GP<br />
8 act act 9
Fotos: © Paul Hilton/GP<br />
Fischereischiffe zwar am Radar orten<br />
und bekommen Hinweise von lokalen<br />
Fischern, aber mit den Räubern<br />
des Ozeans verhält es sich wie mit der<br />
Stecknadel im Heuhaufen. Wer hier<br />
auf hoher See gegen das Gesetz handelt<br />
und nicht gefunden werden will,<br />
hat meist leichtes Spiel.<br />
„Wenn wir illegale Fischerei verhindern<br />
und unsere Fischbestände<br />
retten wollen, muss noch viel passieren<br />
auf nationaler und internationaler<br />
Ebene“, fasst Noa zusammen. Er<br />
ist dankbar für jede Hilfe, die er bekommen<br />
kann. Die „Rainbow Warrior“,<br />
ein Helikopter sowie die 56 Augen<br />
und Ohren, die Noa und sein<br />
Team während der Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Greenpeace</strong> mehr zur Verfügung<br />
haben, sind ein erster Rettungsanker.<br />
Auch für <strong>Greenpeace</strong> ist die<br />
Arbeit mit der nationalen Fischereiaufsicht<br />
von großer Bedeutung. Wir<br />
sind das erste Mal hier im Indischen<br />
Ozean und versuchen uns ein Bild<br />
zu verschaffen und die Grundsteine<br />
für unsere zukünftige Arbeit im<br />
Indischen Ozean zu legen.<br />
In den Wochen der gemeinsamen<br />
Arbeit liegen Motivation und Frustration<br />
manchmal sehr nahe beieinander.<br />
Gemeinsam scannen wir das<br />
riesige Gebiet, suchen, finden und<br />
inspizieren Fischereiboote, prüfen<br />
den Fang, dokumentieren die angewandten<br />
Fischereipraktiken und<br />
sprechen mit Crew und Kapitänen.<br />
Sprachliche und kulturelle Unterschiede<br />
erschweren die Kontrollen.<br />
Es dauert oft Stunden, bis man sich<br />
durch die Papiere gewühlt und die<br />
Lizenzen kontrolliert hat – dann<br />
erst kann man den Fang überprüfen.<br />
Das ist der schwierigste Teil der Inspektion,<br />
jener Part, der uns in die<br />
Gefrierräume des Schiffes führt und<br />
dessen Eindrücke mich noch lange<br />
begleiten werden.<br />
Schrecklicher Anblick<br />
Bei minus 60 Grad Celsius im Bauch<br />
des Schiffes stockt einem den Atem.<br />
Selbst unter den Schutzanzügen<br />
brennt die Kälte auf der Haut. Der<br />
Inhalt der Lagerräume lässt einem<br />
zusätzlich das Blut in den Adern gefrieren.<br />
Etliche Tonnen toter Fisch<br />
sind hier gelagert. Hauptsächlich<br />
Tunfisch, Schwertfisch und Haie.<br />
Wertvolle Nahrungsquelle und einst<br />
Nachhaltige Fischerei wie auf<br />
den Malediven (kl. Bild l.) mittels<br />
Angelrute und Leine ist nicht nur<br />
möglich, sondern löst auch viele<br />
Probleme: Die Bestände werden<br />
geschont, und mehr Arbeitsplätze<br />
werden geschaffen.<br />
Im Indischen Ozean wird Haifang<br />
und „Finning“ betrieben. Der<br />
österreichische Meeresbiologe<br />
und Aktivist Manuel Marinelli (kl.<br />
Bild r.) setzt sich dagegen ein.<br />
prächtiges Leben des Ozeans liegt<br />
hier fahl und achtlos auf einen Haufen<br />
geschmissen. Ein Bild, das mir<br />
unter die Haut geht. Noa ist den Anblick<br />
gewohnt, er weiß, wonach zu<br />
suchen ist. Er kennt die illegalen<br />
Praktiken und die Tricks der Fischereiflotten.<br />
Und doch sind ihm oftmals<br />
die Hände gebunden. Er weiß,<br />
dass der illegal gefangene Fisch<br />
längst zuvor auf hoher See umgeladen<br />
worden sein oder irgendwo an<br />
Bord gut versteckt liegen könnte.<br />
Hinzu kommen gesetzliche Graubereiche<br />
und schwammige Regelungen,<br />
die erfolgreich genutzt werden,<br />
um Strafen zu entgehen.<br />
Was lässt einen in diesen Stunden<br />
des Zweifels weitermachen, frage ich<br />
ihn. „Der Ozean bedeutet für mich<br />
Leben“, antwortet Noa und spricht<br />
mir damit aus der Seele. Wir sehen<br />
auf den Ozean hinaus: Eine unserer<br />
wichtigsten Nahrungsquellen entspringt<br />
aus ihm. Meeresalgen produzieren<br />
die Hälfte des Sauerstoffs<br />
der Erde. „Lassen wir zu, dass unsere<br />
Meere weiterhin geplündert werden,<br />
berauben wir uns selbst und vor allem<br />
die nächsten Generationen.“ n<br />
„Haie sind missverstandene<br />
Tiere“<br />
Manuel Marinelli ist Meeresbiologe<br />
und Taucher und war Teil<br />
der <strong>Greenpeace</strong>-Expedition im<br />
Indischen Ozean. Seine Leidenschaft<br />
gilt den Haien.<br />
Wie geht es den Haien im Indischen<br />
Ozean?<br />
Täglich werden tausende Haie wegen<br />
ihrer Flossen gefangen, teils gezielt,<br />
teils als Beifang. Das Fleisch ist weniger<br />
wert, deshalb werden den Haien<br />
die Flossen abgeschnitten („Finning“)<br />
und die Tiere dann noch lebend<br />
wieder zurück ins Wasser geworfen.<br />
Diese Grausamkeit ist nur schwer in<br />
Worte zu fassen.<br />
Was fasziniert dich an Haien?<br />
Sie sind die wohl am meisten missverstandenen<br />
Tiere. Viele denken bei<br />
Haien an blutrünstige Raubtiere, was<br />
so nicht stimmt. Ja, Haie sind Raubtiere,<br />
aber das sind wir am Ende auch.<br />
Wenn man bedenkt, wie viele (Anm.:<br />
Bis zu 73 Millionen Haie sterben pro<br />
Jahr durch „Finning“) von Menschen<br />
getötet werden, erscheinen die Angriffe<br />
von Haie auf Menschen minimal.<br />
Deine Befürchtungen?<br />
Wenn Haie weiter so befischt werden,<br />
sind sie bald akut bedroht. Doch<br />
ohne Kontrolle von oben, ohne „Top-<br />
Räuber“, kollabiert das Ökosystem.<br />
Haie jagen hauptsächlich schwache<br />
und verletzte Tiere. Das wirkt sich auf<br />
den Bestand positiv aus.<br />
Was muss passieren?<br />
Es müssen Fangquoten eingeführt,<br />
eingehalten und besser kontrolliert<br />
werden! Darüber hinaus braucht es<br />
Meeresschutzgebiete – großflächige<br />
Zonen, in denen nicht gefischt<br />
werden darf.<br />
Was kann jeder Einzelne tun?<br />
Viel! Das gilt nicht nur für Haie: Es<br />
wird gefischt und überfischt, weil die<br />
Nachfrage da ist. Man muss nicht ganz<br />
auf Fisch verzichten, aber was zählt,<br />
ist, sich zu informieren und bewusst<br />
einzukaufen.<br />
So wird Tunfisch gefangen<br />
Von destruktiv und umweltzerstörend bis selektiv und nachhaltig – entscheidend ist, mit welcher Methode<br />
der Tunfisch aus dem Meer geholt wird. Ein Überblick über die verschiedenen Methoden des Tunfischfangs.<br />
Angelrute & Leine Schleppangel Ringwade<br />
Ringwade mit Fischsammler Langleine<br />
<strong>Greenpeace</strong><br />
fordert<br />
In Österreich<br />
erhältlich<br />
3. Hai-„Finning“<br />
2. Beifang<br />
1. Überfischung<br />
Nachhaltigkeit<br />
Verbreitung<br />
100 km lange<br />
Hauptleine, daran<br />
Nebenleinen mit bis<br />
zu 3.000 Angelhaken<br />
mit Ködern; treibt<br />
nahe der Meeresoberfläche<br />
Fangmenge<br />
weltweit<br />
Wichtigste<br />
Fangart<br />
Beschreibung<br />
Nachhaltige Köderfischerei!<br />
Der<br />
Handel muss mehr<br />
Tunfisch aus Angelfischerei<br />
anbieten!<br />
JA:<br />
Immer mehr Tunfischprodukte<br />
aus<br />
„Angelfischerei“<br />
(z. B. Vier Diamanten,<br />
Rio Mare, John<br />
West, Followfish)<br />
NEIN<br />
KEINER:<br />
Fisch wird lebend<br />
gefangen und kann<br />
vor dem Einholen vom<br />
Haken getrennt<br />
werden, z. B.<br />
Jungfisch<br />
Skipjack-Vorkommen<br />
relativ gesund, v. a. im<br />
Pazifik, teilweise aber<br />
wenige Daten. Wichtig<br />
ist, dass auch der<br />
Köderfisch nachhaltig<br />
befischt wird!<br />
JA:<br />
Eine der selektivsten<br />
und umweltverträglichsten<br />
Methoden; schafft<br />
Arbeitsplätze in<br />
armen Küstenregionen!<br />
Küstenfischerei z. B.<br />
Malediven, Senegal,<br />
Salomonen;<br />
traditionellste<br />
Fangmethode<br />
335.320 t<br />
Skipjack<br />
Anlocken mit<br />
Köderfisch und<br />
Wasserberegnung;<br />
versetzt Tunfischschwarm<br />
in Fressrausch,<br />
Fischer mit<br />
Angel ziehen den<br />
Tunfisch im<br />
Sekundentakt an<br />
Deck<br />
Fangobergrenzen<br />
für Weißen Tunfisch!<br />
Der Handel muss<br />
mehr Tunfisch<br />
aus Angelfischerei<br />
anbieten!<br />
JA:<br />
Nur wenige<br />
Produkte (z. B. Spar-<br />
Premium-Albacore-<br />
Tunfisch aus<br />
MSC-Fischerei)<br />
NEIN<br />
GERING<br />
Weißer Tunfisch fast<br />
ausgebeutet, im<br />
Nordatlantik überfischt.<br />
Braucht dringend<br />
Fangobergrenzen!<br />
JA:<br />
Sehr selektive<br />
Fangmethode!<br />
Hochseefischerei;<br />
z. B. Azoren,<br />
Nordostatlantik,<br />
Nordostpazifik<br />
68.871 t<br />
Weißer<br />
Tunfisch<br />
(Albacore),<br />
Skipjack<br />
Schleppangeln<br />
werden von einem<br />
fahrenden Boot nahe<br />
der Wasseroberfläche<br />
gezogen;<br />
Angelhaken mit<br />
Ködern<br />
Keine Super-Super-<br />
Seiner! Umladeverbot<br />
auf See!<br />
Einhalten von Meeresschutzgebieten<br />
und zeitlichen Fangverboten!<br />
UNBEKANNT:<br />
Fischsammler-freier<br />
Tunfisch wird nicht<br />
getrennt verarbeitet.<br />
MSC-zertifizierter<br />
Skipjack (Marke<br />
„Pacifical“) noch<br />
nicht am Markt<br />
TEILWEISE,<br />
aber weniger<br />
verbreitet<br />
beim Skipjack-<br />
Fang (niedrigpreisige<br />
Fischart)<br />
SEHR GERING:<br />
Nur 0,5–1 % des<br />
Fanges!<br />
Sehr effektive Methode,<br />
im industriellen<br />
Maßstab droht<br />
Überfischung: Die<br />
größten „Super-<br />
Super-Seiner“ fischen<br />
bis zu 60 t Skipjack /<br />
Tag<br />
JA:<br />
Relativ selektive<br />
Fangmethode,<br />
solange nur frei<br />
schwimmende<br />
Fischschwärme<br />
gejagt werden!<br />
Industrielle Hochseefischerei;<br />
noch<br />
wenige Flotten<br />
ohne Fischsammler,<br />
aber Nachfrage<br />
wächst weltweit<br />
847.052 t<br />
Skipjack,<br />
Gelbflossentunfisch<br />
2 km langes Netz<br />
wird mit Beiboot<br />
ringförmig um einen<br />
Fischschwarm<br />
ausgebracht und<br />
beutelartig<br />
zugezogen<br />
Verbot von Fischsammlern!<br />
Einhalten<br />
von Meeresschutzgebieten<br />
und Fangverboten<br />
(6-monatiges<br />
Fischsammler-<br />
Verbot im Zentralpazifik)!<br />
JA:<br />
Großteil des mit<br />
„Ringwade“<br />
gekennzeichneten<br />
Dosentunfischs wird<br />
mit Fischsammlern<br />
gefangen!<br />
JA:<br />
Mitgefangene<br />
Haie werden<br />
oftmals „gefinnt“<br />
HOCH:<br />
10 % Beifang (über<br />
100.000 t / Jahr), z. B.<br />
Schildkröten, Haie,<br />
Wale, Delfine; weitere<br />
15–20 % des Fangs sind<br />
Jungfische!<br />
Durch hohen Beifang<br />
droht Überfischung<br />
gefährdeter Tunfischarten,<br />
die nicht Zielart<br />
sind<br />
NEIN:<br />
Umweltschädlich<br />
durch hohen Beifang,<br />
z. B. Schildkröten,<br />
Haie und Jungfische<br />
überfischter<br />
Tunfischarten<br />
Industrielle Hochseefischerei;<br />
häufigste<br />
Fangmethode,<br />
über 70 % der Ringwaden-Flotten<br />
setzen<br />
Fischsammler<br />
ein!<br />
1.976.453 t<br />
Skipjack,<br />
Gelbflossentunfisch<br />
Künstliche, im Meer<br />
treibende Fischsammler<br />
locken Fisch<br />
an; Kontrolle mit<br />
Sonar und GPS;<br />
Ringwaden-Netz wird<br />
um Fischsammler<br />
gezogen<br />
Beifangvermeidung<br />
(Absenkung der Leinen<br />
bei Nacht und<br />
durch Rohre, Rundhaken<br />
etc.)! Verbot<br />
von Haifang und<br />
„Finning“; Umladeverbot<br />
auf See!<br />
NEIN:<br />
Supermärkte haben<br />
diese Fangmethode<br />
aus ökologischen<br />
Bedenken ausgelistet<br />
WEIT<br />
VERBREITET:<br />
Gezielte Jagd<br />
auf Haie für<br />
„Finning“<br />
SEHR HOCH:<br />
20–40 % Beifang!<br />
Schildkröten, Delfine<br />
und Seevögel fressen<br />
Köder und ertrinken;<br />
Haie und Rochen werden<br />
gezielt getötet<br />
Bedrohte Bestände<br />
für Großaugen- und<br />
Gelbflossentunfisch;<br />
große Haiarten<br />
wie der Blauhai im<br />
Zentralpazifik stark<br />
dezimiert<br />
NEIN:<br />
Umweltschädlich<br />
durch extrem<br />
hohen Beifang,<br />
Haifang verbreitet!<br />
Industrielle Hochseefischerei;<br />
1,4 Mrd. Haken<br />
pro Jahr –<br />
4 Mio. Haken<br />
täglich!<br />
526.406 t<br />
Weißer<br />
Tunfisch<br />
(Albacore),<br />
Großaugen-,<br />
Gelbflossentunfisch<br />
10 act<br />
Fangmethode<br />
Angelrute<br />
& Leine<br />
Schleppangel<br />
Ringwade<br />
ohne<br />
Fischsammler<br />
Ringwade<br />
mit<br />
Fischsammler<br />
Langleine
CEE.Kommentar<br />
* Antje Helms<br />
ist Meeresexpertin<br />
bei<br />
<strong>Greenpeace</strong><br />
Die Hüter der Meere<br />
Würden Sie Ihren Fisch nicht auch lieber frisch direkt von<br />
Fischern kaufen, die an die Methoden des nachhaltigen Fischfangs<br />
glauben? Doch was macht einen guten Fischer aus? Von Antje Helms*<br />
Endlich hat sich der Trend umgekehrt:<br />
Die Überfischung der Meere<br />
geht zurück. Fischbestände werden<br />
kaum mehr oberhalb ihrer „sicheren<br />
biologischen Grenzen“ befischt. Die<br />
Wissenschaft diktiert die Fangquoten<br />
– nicht mehr die Politik! Für den<br />
Abbau massiver Überkapazitäten<br />
musste von den weltweit 3,5 Millionen<br />
Fangschiffen nur ein Prozent<br />
verschrottet werden: jene 30.000 Industrieschiffe,<br />
die am meisten die<br />
Meeresumwelt zerstörten. Die globale<br />
Fangflotte ist damit auf dem besten<br />
Weg, auf ein gesundes Maß zu<br />
schrumpfen. Am meisten profitieren<br />
davon die 100 Millionen kleiner Küstenfischer,<br />
denn sie können wieder<br />
profitabel fischen.<br />
Inzwischen werden Sie erkannt haben,<br />
dass ich hier nicht die Gegenwart<br />
beschreibe. Was Sie gerade gelesen<br />
haben, ist die <strong>Greenpeace</strong>-Vision<br />
– unser Rettungsplan für die Meere.<br />
Ein wichtiger Baustein darin ist das<br />
weltweite Netzwerk von Schutzgebieten<br />
– 40 Prozent der Meere sollen<br />
für die Fischerei tabu sein. Das Paradoxe<br />
dieser einschneidenden Maßnahme:<br />
Die Fischerei profitiert davon,<br />
denn die Bestände nehmen außerhalb<br />
der Schutzzonen rasant zu.<br />
Die zentrale Rolle in der Fischerei<br />
der Zukunft spielen für <strong>Greenpeace</strong><br />
die handwerklichen Kleinfischer.<br />
Doch welcher Fischer arbeitet handwerklich,<br />
welcher schon industriell?<br />
Bilden Schiffslänge, Motorleistung<br />
oder die tägliche Rückkehr in den Hafen<br />
eine Grenze? Eine international<br />
gültige Definition für Kleinfischer<br />
existiert nicht, zu divers sind ihre<br />
Arbeitsbedingungen und Fangmethoden.<br />
Auch aufgrund dieser Inhomogenität<br />
sind sie in den letzten<br />
Jahrzehnten so abgedrängt worden,<br />
dass wir fast nur noch industriell gefangenen<br />
Fisch am Markt finden.<br />
Eines haben alle Kleinfischer gemeinsam:<br />
Sie sind auf Fanggründe<br />
„vor ihrer Haustür“ angewiesen. Deshalb<br />
gehen sie schonender mit der<br />
Ressource Fisch um und nutzen selektivere<br />
Fangmethoden. Es stimmt:<br />
Nicht alle Kleinfischer fischen perfekt<br />
nachhaltig, so gibt es kleine<br />
Trawler, die den Meeresboden genauso<br />
umpflügen wie die großen. Ganz<br />
sicher haben sie derzeit jedoch keine<br />
Alternative, um ihren Lebensunterhalt<br />
zu bestreiten.<br />
Keine Lobby, keine Stimme<br />
Denn die Kleinfischer sitzen nicht<br />
mit am Tisch, wenn es um wichtige<br />
Entscheidungen in der Fischereipolitik<br />
geht. Manche sind täglich auf See,<br />
andere haben noch nicht einmal<br />
E-Mail – sich zu vernetzen, Forderungen<br />
aufzustellen, geschweige<br />
denn bei politischen Entscheidungen<br />
mitzureden ist so unmöglich. Im Gegensatz<br />
zur Industrielobby, die in den<br />
Hauptstädten der Welt bestens aufgestellt<br />
ist. Dementsprechend industriefreundlich<br />
werden Fangrechte<br />
und Subventionen von den Fischereiministern<br />
verteilt. Bisher.<br />
Das will <strong>Greenpeace</strong> ändern: Den<br />
Millionen handwerklicher Fischer<br />
wieder eine Stimme zu geben, ihre<br />
Anliegen für Politiker sichtbar zu machen<br />
und eine breite Öffentlichkeit<br />
sowie den Einzelhandel zu ihrer Unterstützung<br />
zu gewinnen, dafür setzt<br />
sich <strong>Greenpeace</strong> ein – in Europa, in<br />
Westafrika, im Pazifik und seit der<br />
jüngsten Expedition der „Rainbow<br />
Würden Sie für so einen<br />
Fisch nicht auch einen<br />
fairen Preis zahlen?<br />
Warrior“ auch im Indischen Ozean.<br />
Ich würde meinen Meeresfisch am<br />
liebsten direkt von einer Fischerei-<br />
Kooperative kaufen: frisch, hochwertig<br />
und gesund. Rückverfolgbar bis zu<br />
jenem Fischer, der an nachhaltigen<br />
Fischfang glaubt und sich täglich auf<br />
seinem Schiff als „Hüter der Meere“<br />
einsetzt. Würden Sie für so einen<br />
Fisch nicht auch einen fairen Preis<br />
zahlen? Derzeit scheint eine solche<br />
Direktvermarktung in einem Binnenland<br />
wie Österreich fast unvorstellbar,<br />
zu sehr haben wir uns schon<br />
an den Tiefkühl-Industriefisch im<br />
Supermarkt gewöhnt. Ich bin allerdings<br />
zuversichtlich, dass eine andere<br />
Fischerei möglich ist – und die<br />
<strong>Greenpeace</strong>-Vision einer nachhaltigen<br />
Fischerei Wirklichkeit wird. n<br />
FotoS: © GP/Kurt Prinz, © Clément Tardif/GP, ???<br />
Foto: © Coriette Schoenaerts<br />
Müll ist eine wertvolle Ressource.<br />
Ob etwas auf der Müllhalde landet<br />
oder wiederverwertet werden kann,<br />
ist zu 80 Prozent abhängig vom Design<br />
eines Produktes. Diese Herausforderung<br />
hat dazu geführt, dass<br />
Produktentwickler, Logistiker, Verpackungsdesigner<br />
und Marketingexperten<br />
sich die Frage gestellt haben:<br />
„Wie kann man Dinge so gestalten,<br />
dass sie nachhaltig, ökologisch<br />
und sozial ausgewogen produziert,<br />
konsumiert und wiederverwertet<br />
werden können?“ Die Antwort ist<br />
Ecodesign.<br />
Bei Ecodesign geht es darum, Produkte<br />
so zu denken, dass sie von<br />
Anfang an wenig Ressourcen verbrauchen,<br />
keine oder geringe Umweltbelastung<br />
verursachen, geringe<br />
Transportwege haben, recycelbar<br />
sind und schließlich wieder als wertvolle<br />
Ressource in den Kreislauf der<br />
Natur geführt werden können.<br />
Wichtig sind auch soziale Aspekte<br />
wie die Arbeitsbedingungen, unter<br />
denen das Produkt hergestellt wird.<br />
Sichere Arbeitsplätze und Lebensqualität<br />
sind ebenso Teil dieses Konzepts<br />
und sorgen für soziale und politische<br />
Stabilität.<br />
Langfristig gedacht<br />
Ecodesign hat im Grunde genommen<br />
viel mit Mathematik zu tun. Die richtige<br />
Wahl des Materials, Energieeffizienz<br />
in der Produktion und im Verbrauch,<br />
Langlebigkeit des Produktes,<br />
Ökologisch und sozial ausgewogen:<br />
Ecodesign wird unsere Welt verändern!<br />
Das Design<br />
der Zukunft<br />
Hören Sie es klingeln? Weihnachten<br />
naht! Und die Frage „Was schenke<br />
ich?“ schwebt wie ein Damoklesschwert<br />
über unseren Nacken. Bald<br />
wird heftig eingekauft, eingepackt,<br />
verschenkt, ausgepackt, eingetauscht,<br />
umgepackt. Das meiste<br />
landet kurz danach auf dem Müll.<br />
Von Marcelline Langer<br />
mögliche Emissionen und Schadstoffe,<br />
Verpackung und Möglichkeiten<br />
des Recyclings sind nur einige Aspekte,<br />
die bereits in der Planung genau<br />
kalkuliert werden. Dabei wird die<br />
gesamte „Lebenszeit“ des Produktes<br />
unter die Lupe genommen und darauf<br />
geschaut, dass das Ergebnis nicht<br />
nur praktisch ist und gut aussieht,<br />
sondern auch der ökologische Fußabdruck<br />
möglichst klein ist.<br />
Aus recycelten Schubläden entsteht<br />
ein neues Möbelstück, aus<br />
mehreren Holzpaletten ein unkonventioneller<br />
Couchtisch auf Rädern,<br />
Bio-Unterwäsche wird aus regionalen<br />
Materialien hergestellt, in eine biologisch<br />
abbaubare Hülle verpackt und<br />
später als Dünger in die Gemüsebeete<br />
gepflanzt. Aber Ecodesign geht<br />
noch viel weiter! Tragbare Radioempfänger,<br />
die mit Solarenergie betrieben<br />
werden: Sie wurden so konzipiert,<br />
dass man sie immer wieder auseinanderbauen<br />
und nach einem kleinen<br />
Service wieder gebrauchen kann.<br />
Oder hochwertige Teppiche, die aus<br />
recycelten und schadstofffreien Materialien<br />
bestehen und immer wieder<br />
neu aufbereitet werden können. Aber<br />
auch moderne und funktionale Büromöbel<br />
können das Ergebnis von Ecodesign<br />
sein. Visuell unterscheiden sie<br />
sich nicht von herkömmlichen Büromöbeln,<br />
mit dem einzigen Unterschied,<br />
dass sie zu 100 Prozent recycelt<br />
werden können.<br />
Doch Ecodesign ist noch mehr als<br />
das! Weil endliche Ressourcen wie<br />
Kupfer oder Lithium, die für die Produktion<br />
von Batterien oder Solarmodulen<br />
notwendig sind, immer<br />
knapper und teurer werden, sind<br />
Hersteller daran interessiert, diese<br />
Ressourcen wiederzugewinnen. Dafür<br />
müssen sie allerdings die Produkte<br />
so gestalten, dass die Rückgewinnung<br />
der Ressourcen aus den gebrauchten<br />
Gegenständen auch möglich<br />
ist. Das heißt, dass die verkaufte<br />
Ware am Ende ihrer Lebenszeit<br />
nicht im Müll landet, sondern wieder<br />
zurück zum Hersteller muss.<br />
Hier entstehen neue Geschäftsmodelle,<br />
in denen es nicht mehr um das<br />
Produkt alleine geht, sondern um<br />
das Service, das rund um dieses Produkt<br />
angeboten wird.<br />
Ecodesign steht nicht nur für das<br />
Produkt an sich. Es ist das Ergebnis<br />
eines Umdenkens und verlangt nach<br />
Kreativität, enger Zusammenarbeit<br />
zwischen den einzelnen Produktionsbereichen<br />
und schafft neue, lukrative<br />
Märkte. Es setzt sich mit der<br />
Frage auseinander, wie wir mit unseren<br />
natürlichen Ressourcen auskommen<br />
können, welchen Stellenwert<br />
Produkte des täglichen Bedarfs für<br />
uns haben und wie wir sorgsam mit<br />
diesen umgehen. Man könnte auch<br />
sagen: Ecodesign ist eine Haltung unserer<br />
Welt gegenüber. Und der Anfang<br />
ist gemacht, wenn wir uns die<br />
Frage stellen, auf welche Weise wir<br />
Dinge konsumieren wollen … und<br />
was wir unseren Liebsten zu Weihnachten<br />
schenken möchten. n<br />
12 act act 13
Russisches (Öl-)<br />
Roulette<br />
Fünf Millionen Tonnen Rohöl<br />
laufen pro Jahr aus lecken Ölleitungen<br />
– das entspricht sieben<br />
„Deepwater Horizons“.<br />
500.000 Tonnen Öl landen<br />
über verschmutzte Flüsse in der<br />
Arktis.<br />
15.000 Kilometer Pipelines<br />
befinden sich in der russischen<br />
Komi-Region. Über 10.000<br />
signifikante Rohrbrüche werden<br />
jährlich gezählt.<br />
Durch das bei der Ölförderung<br />
unkontrolliert austretende<br />
Methan und das Verbrennen von<br />
frei werdendem Gas entstehen<br />
Treibhausgasemissionen von insgesamt<br />
130 Millionen Tonnen<br />
CO 2 -Äquivalenten pro Jahr.<br />
Das entspricht sieben Prozent<br />
der jährlichen russischen CO 2 -<br />
Emissionen.<br />
Wo Russland<br />
im Öl versinkt<br />
Im Frühsommer startete<br />
<strong>Greenpeace</strong> weltweit mit einer groß<br />
angelegten Kampagne. Das Ziel: ein<br />
Verbot der arktischen Ölausbeutung<br />
und ein Schutzgebiet um den<br />
Nordpol. An vorderster Front der<br />
Arktis-Zerstörer steht neben Shell<br />
die russische Gazprom.<br />
Von Hanna Schwarz<br />
In Klagenfurt, Graz und Wien und weltweit<br />
in Metropolen wie Sydney, London,<br />
Washington sowie an Sehenswürdigkeiten<br />
wie der Chinesischen Mauer oder dem<br />
Taj Mahal waren vergangenen Sommer<br />
Eisbären aufgetaucht – der heimatlos gewordene<br />
Eisbär wurde zur prominenten<br />
Kampagnen-Figur und zum Symbol für<br />
die Rettung der Arktis. In ganz Europa erkletterten<br />
die weißen Bären Shell-Tankstellen<br />
und warnten vor den drohenden<br />
Bohrungen des Ölkonzerns, die ihren<br />
Lebensraum in Gefahr bringen. Wenige<br />
Wochen nach dem Start der Kampagne<br />
war es dann Zeit, den zweiten großen<br />
Ölmulti ins Visier zu nehmen,<br />
der sehr konkrete Pläne für die Ausbeutung<br />
der Arktis verfolgt – der russische<br />
Energieriese Gazprom.<br />
Russlands arktische Regionen<br />
mussten bereits schlechte Erfahrungen<br />
mit der Ölförderung machen.<br />
Ein <strong>Greenpeace</strong>-Team hat in der sibirischen<br />
Komi-Region, 2.000 Kilometer<br />
von Moskau entfernt, die Verwüstungen<br />
durch die Ölindustrie<br />
dokumentiert. Über 3.000 Bohrlöcher<br />
und abertausende Kilometer<br />
rostiger Pipelines prägen das<br />
nördlichste Russland. Ausgelaufenes<br />
Öl bildet kleine Giftseen,<br />
erstickt den spärlichen Flechtenbewuchs,<br />
dringt in den Boden ein<br />
und gelangt ins Grundwasser.<br />
Zerstörte Existenzen<br />
Im Frühjahr sei es am schlimmsten,<br />
erzählt Kanev Vyacheslav Vaselyevich,<br />
ein 84-jähriger Rentierzüchter,<br />
den angereisten Umweltschützern.<br />
„Es ist Öl im Wasser, in der Luft,<br />
in der Nahrung – überall stinkt es<br />
nach Öl.“ Früher lebten die Komi von<br />
der Fischerei, der Jagd und der Fischzucht<br />
– durch das auslaufende Öl aus<br />
lecken Leitungen, die seit Jahren<br />
nicht erneuert worden sind, ist ihre<br />
Existenzgrundlage zerstört, das Leben<br />
zu einem tristen Dasein degradiert.<br />
Das Beispiel Komi zeigt eindringlich,<br />
wie die Zukunft der Arktis<br />
aussieht, wenn dort nach Öl gebohrt<br />
wird und sie nicht so schnell wie möglich<br />
zum Schutzgebiet erklärt wird.<br />
Doch auch in anderen Regionen<br />
Sibiriens ist die Lage düster, denn<br />
Russland nimmt einen Spitzenplatz<br />
bei Ölkatastrophen ein. Am stärksten<br />
betroffen sind die Gebiete rund<br />
um die großen Flüsse Ob, Tas und Jenissei.<br />
Das Öl, das täglich in diese<br />
Flüsse gelangt, lässt die Fische mit<br />
dem Bauch nach oben schwimmen<br />
und die Teller der Fischer leer. Bereits<br />
jetzt wird die Arktis durch die russische<br />
Ölindustrie schwer belastet:<br />
500.000 Tonnen werden durch Flüsse<br />
in den Arktischen Ozean transportiert.<br />
Alleine 500 Millionen Tonnen<br />
werden Jahr für Jahr in Sibirien aus<br />
dem Boden geholt. Und noch ist die<br />
Gier nicht gestillt. Die Fördermenge,<br />
die Russland durch Bohrungen im offenen<br />
Arktischen Meer („offshore“)<br />
erreichen möchte: 13,5 Millionen<br />
Tonnen Öl pro Jahr.<br />
Um dieses profitable Ziel zu erreichen,<br />
setzt Gazprom die Ölplattform<br />
„Prirazlomnaya“ ein. 2012<br />
konnte sie aber noch nicht wie geplant<br />
zum Zug kommen. Wie <strong>Greenpeace</strong><br />
Russland herausfand, war die<br />
fünfjährige Gültigkeit für einen Notfallplan<br />
bereits im Frühsommer abgelaufen.<br />
Zusätzlich hatte sich das<br />
<strong>Greenpeace</strong>-Schiff „Arctic Sunrise“<br />
mit vielen Aktivisten und <strong>Greenpeace</strong>-Geschäftsführer<br />
Kumi Naidoo<br />
an Bord auf den langen Weg in den<br />
eisigen Norden aufgemacht, um die<br />
Bohrvorbereitungen zu vereiteln<br />
und die Plattform zu besetzen.<br />
„Meine Kollegen und ich stehen<br />
hier stellvertretend für die über eine<br />
Million Arktis-Schützer“, sagte Kumi<br />
So wird in Russland Öl gefördert:<br />
Die sibirische Komi-Region<br />
ist durch die Ölförderung zerstört.<br />
Wird es in der Arktis bald genauso<br />
aussehen (gr. Bild)?<br />
Drei Tage lang besetzten<br />
<strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten die Ölplattform<br />
„Prirazlomnaya“ sowie das<br />
Versorgungsschiff „Anna Akhmatova“<br />
in der russischen Petschorasee<br />
(kl. Bild r.). <strong>Greenpeace</strong>-Chef Kumi<br />
Naidoo beim Erklettern der Plattform<br />
(kl. Bild l.).<br />
Naidoo, nachdem er die riesengroße<br />
Plattform „Prirazlomnaya“ erklettert<br />
hatte und mit eiskaltem Wasser<br />
aus den Schläuchen der Arbeiter bespritzt<br />
wurde. „Gazprom und Shell<br />
riskieren mit ihren Förderplänen ein<br />
einzigartiges Ökosystem. Früher<br />
oder später wird es in der Arktis zu<br />
einem Ölunfall kommen. Der einzige<br />
Weg, dies zu verhindern, ist ein<br />
generelles Verbot aller Bohrungen in<br />
der Arktis.“<br />
Ein Ölunfall im höchsten Norden<br />
kann das Ende für den wohl prominentesten<br />
Arktis-Bewohner bedeuten<br />
– den Eisbären. Neun Monate<br />
lang herrscht hier härtester Winter,<br />
mit minus 50 Grad Celsius und meterhohem<br />
dickem Meereis. Ausgetretenes<br />
Öl zu beseitigen ist unter diesen<br />
Bedingungen unmöglich. Das<br />
scheinen auch die Gazprom-Verantwortlichen<br />
so zu sehen und die Notfallausrüstung<br />
der „Prirazlomnaya“<br />
deshalb gleich im Vorhinein einzusparen:<br />
15 Schaufeln, 15 Eimer und<br />
ein Vorschlaghammer stehen auf der<br />
Ölplattform zur Verfügung.<br />
Eisbären in Moskau<br />
Nach dem Einsatz von <strong>Greenpeace</strong><br />
auf der Ölplattform inmitten der<br />
Petschorasee galt es, weiter medienwirksame<br />
Aktionen in Russland zum<br />
Schutz der Arktis durchzuführen.<br />
Anfang September kettete sich ein<br />
heimatloser Eisbär vor den Augen<br />
zahlreicher Moskauer Bürger an den<br />
Zaun vor der Gazprom-Zentrale in<br />
Moskau. In Russland ist eine solche<br />
Aktion ein nicht ganz ungefährliches<br />
Unterfangen, wie auch die österreichische<br />
Aktivistin Ina Vallant feststellen<br />
konnte, die vor Ort dabei war<br />
(siehe Interview rechts).<br />
Die <strong>Greenpeace</strong>-Kampagne zum<br />
Schutz der Arktis zählt bereits wenige<br />
Monate nach ihrem Start über<br />
zwei Millionen Unterstützer, die<br />
„Arctic Defender“. Die gesamte<br />
<strong>Greenpeace</strong>-Welt wird erst ruhen,<br />
wenn ein Arktis-Schutzgebiet Realität<br />
geworden ist – auch im kommenden<br />
Jahr werden sich Shell, Gazprom<br />
& Co. also auf sehr viel Widerstand<br />
gefasst machen müssen. n<br />
14 act act 15<br />
FotoS: © Daniel Mueller/GP, © Daniel Beltrá/GP, 2x © Denis Sinyakov/GP, © GP/Georg Mayer<br />
„Ich will den<br />
Schutz der Arktis!“<br />
Ina Vallant ist seit sechs Jahren<br />
für <strong>Greenpeace</strong> als Aktivistin<br />
im Einsatz – zuletzt vor der<br />
Gazprom-Zentrale in Moskau.<br />
Warum setzt du dich für die<br />
Arktis ein?<br />
Die Arktis ist ein so einzigartiges<br />
Naturparadies. Als ich hörte, dass<br />
Konzerne dort nach Öl bohren wollen,<br />
musste ich etwas tun. Wenn in<br />
der Arktis ein Unfall passiert, dann<br />
hat das riesige Auswirkungen. Ich<br />
will den Schutz der Arktis – für die<br />
Antarktis gibt es ihn bereits.<br />
Du bist zu einer Aktion nach<br />
Russland gefahren. Hattest du<br />
keine Angst?<br />
Nein. Mir persönlich fiel es schwer,<br />
in Österreich herumzusitzen,<br />
während der Lebensraum Arktis<br />
schwindet und von der Profitgier<br />
internationaler Ölkonzerne<br />
gefährdet wird. Vor der Zentrale der<br />
Gazprom in Moskau zu stehen und<br />
zu sagen: „Die Weltöffentlichkeit<br />
schaut auf euch! Lasst die Finger<br />
von der Arktis!“, war sehr wichtig für<br />
mich. Aktionen bergen ein gewisses<br />
Risiko, aber im Leben gibt es gefährlichere<br />
Sachen, die gar nicht sinnvoll<br />
sind. Als wir aber mit unserer Aktion<br />
noch am gleichen Tag vor Gericht<br />
gelandet sind, habe ich doch sehr<br />
gestaunt.<br />
Was motiviert dich, als Aktivistin<br />
für die Umwelt einzutreten?<br />
Es ist das Feedback der Leute,<br />
besonders von Kindern. Neulich<br />
bekam ich einen Brief von einem<br />
Achtjährigen, der mir schrieb, wie<br />
gut er es findet, dass wir die Eisbären<br />
und ihren Lebensraum retten<br />
wollen. Dann weiß ich wieder,<br />
weshalb ich dafür kämpfe – für<br />
unsere Zukunft und für zukünftige<br />
Generationen.
Wald in Gefahr<br />
Rumänien verfügt über Waldschätze,<br />
die am Rest des europäischen<br />
Kontinents zum allergrößten<br />
Teil bereits verloren gegangen sind.<br />
Draculas Heimat ist mit 6,5 Millionen<br />
Hektar zu rund einem Drittel bewaldet,<br />
darunter befinden sich auch<br />
die letzten unberührten Buchen-<br />
Urwälder des alten Kontinents. Sie<br />
geben noch heute seltenen Tieren<br />
wie Braunbären, Wölfen und Wildkatzen<br />
eine Heimat und konnten<br />
sich jahrhundertelang ungestört von<br />
menschlichen Eingriffen entwickeln.<br />
Ihr ökologischer Wert ist daher besonders<br />
groß. Natürlich gewachsene<br />
Wälder weisen eine eindrucksvoll<br />
hohe Artenvielfalt auf und sind auch<br />
in Bezug auf ihre Kohlenstoff-Speicherfähigkeit<br />
klassischen Forstwäldern<br />
weit überlegen.<br />
Doch wer hofft, dass Rumänien<br />
mit diesem wertvollen Erbe sorgsam<br />
umgeht, wird enttäuscht. Im Land<br />
der Ostkarpaten wird viel zu viel geschlägert<br />
– verbotenerweise auch in<br />
National- und Naturparks und in<br />
Natura-2000-Gebieten. Doch wie<br />
viele Bäume tatsächlich der Kettensäge<br />
zum Opfer fielen und in welchen<br />
Regionen am meisten gefällt<br />
wurde, darüber fehlte lange Zeit<br />
eine genaue Dokumentation.<br />
Angesichts der dramatischen Lage<br />
startete <strong>Greenpeace</strong> in Rumänien<br />
2011 eine Waldkampagne. Eines der<br />
ersten Projekte war die Erstellung<br />
einer genauen Kahlschlag-Karte, um<br />
die Öffentlichkeit zu informieren<br />
und auf die verantwortlichen Behörden<br />
gezielt Druck ausüben zu können.<br />
Nach monatelanger akribischer<br />
Satellitenrecherche kombiniert mit<br />
zahllosen Vor-Ort-Checks war es vergangenen<br />
Frühling so weit: Die Datenlage<br />
zum rumänischen Waldbestand<br />
wurde veröffentlicht – und löste<br />
ein gewaltiges Medienecho aus.<br />
Nicht nur, weil der Waldschutz generell<br />
ein sensibles Thema ist, sondern<br />
vor allem, weil das Ergebnis dramatischer<br />
war als befürchtet: Jede Stunde<br />
verschwinden in Rumänien drei Hektar<br />
Wald von der Bildfläche! „Die Resultate<br />
waren überraschend, obwohl<br />
wir natürlich mit Verschlechterungen<br />
gerechnet hatten“, sagt Doina<br />
Danciu, Leiterin der Waldkampagne<br />
in Bukarest. „Zudem liegen 48,9 Prozent<br />
der abgeholzten und zerstörten<br />
Wälder in Schutzgebieten“, fasst sie<br />
die alarmierenden Ergebnisse zusammen.<br />
In dem untersuchten Zeitraum<br />
von 2000 bis 2011 ist insgesamt<br />
eine Fläche von 280.108 Hektar<br />
Wald verschwunden.<br />
<strong>Greenpeace</strong> Rumänien suchte sich<br />
einen sehr guten Zeitpunkt aus, um<br />
mit diesen bestürzenden Nachrich-<br />
Abholzung in<br />
Rumänien<br />
2000–2011<br />
Abgeholzte<br />
Gebiete<br />
Urwald<br />
Wald<br />
Natura<br />
2000<br />
National-/<br />
Naturpark<br />
Rumänien verfügt über eines der letzten intakten Urwaldgebiete Europas. Doch die zunehmende<br />
Nachfrage nach Holz übt immer mehr Druck auf die wertvollen und schützenswerten<br />
Buchenwälder aus. Von Birgit Bermann<br />
ten an die Öffentlichkeit zu gehen.<br />
Kurz nach dem Ende einer Regierungskrise<br />
im Frühling setzte<br />
<strong>Greenpeace</strong> die neue Regierung mit<br />
der Veröffentlichung erfolgreich<br />
unter Zugzwang. Der Chef der rumänischen<br />
Forstbehörde Romsilva<br />
wurde bald nach Veröffentlichung<br />
der Kahlschlag-Daten ausgetauscht.<br />
Welche weiteren Schritte<br />
<strong>Greenpeace</strong> Rumänien in seiner<br />
Kampagne setzen wird, entscheiden<br />
die nächsten Wochen, wenn<br />
sich die neue Regierung nach den<br />
Wahlen Ende November konsolidiert<br />
– und sich in die Karten<br />
schauen lässt, wie sie es mit dem<br />
Waldschutz hält. Denn eines ist sicher:<br />
Rumäniens Wälder brauchen<br />
dringenden, umfassenden und vor<br />
allem schnellen Schutz. Sonst sind<br />
die letzten Urwälder des Kontinents<br />
bald Geschichte. n<br />
Fotos: © Markus Mauthe/GP, © Weitzer, © GP/Birgit Berman<br />
„Wir möchten etwas zurückgeben“<br />
Nicola Weitzer und Michael Wesonig unterstützen privat als Großspender die rumänische<br />
Waldkampagne von <strong>Greenpeace</strong>. Gemeinsam mit Kathrin Wesonig führen sie den<br />
Parketthersteller Weitzer Parkett. act sprach mit den beiden Chefinnen über mutige<br />
Schritte im Umweltschutz und die Emotionen beim Spenden.<br />
Interview: Birgit Bermann und Agnes Peterseil<br />
Rumäniens wertvolle Buchenwälder<br />
brauchen Schutz! <strong>Greenpeace</strong><br />
hat im Rahmen seiner<br />
Kampagne einen Antrag auf Aufnahme<br />
ins UNESCO-Weltkulturerbe<br />
gestellt. Nicola Weitzer<br />
(kl. Bild r.) ermöglicht als Großspenderin<br />
entscheidende Fortschritte für<br />
die Waldkampagne von <strong>Greenpeace</strong><br />
in Rumänien. Gemeinsam mit<br />
Kathrin Wesonig (kl. Bild ganz r.)<br />
ist sie Teil der Führungsebene des<br />
Parketther stellers Weitzer Parkett.<br />
Sie haben eine ökologische Vorreiterrolle<br />
eingenommen und sind als einer der ersten<br />
großen Parketthersteller 2009 aus<br />
Tropenholz ausgestiegen. Hat sich dieser<br />
Schritt bezahlt gemacht?<br />
Nicola Weitzer: Der Ausstieg aus dem<br />
Tropenholz hat sich ganz sicher für uns bezahlt<br />
gemacht. Heute haben die Kunden<br />
einen sehr ökologischen Blickpunkt.<br />
Kathrin Wesonig: In manchen Märkten,<br />
gerade in Österreich, Deutschland und der<br />
Schweiz, hat man uns zu dem Ausstieg sogar<br />
gratuliert. Dem bewussten Kunden ist<br />
es ja sehr wichtig, ein ökologisch nachhaltiges<br />
Produkt zu haben, das nicht Teil der<br />
Vernichtung des Regenwaldes ist.<br />
Wie schätzen Sie das Spannungsfeld<br />
zwischen Wirtschaft und Umweltschutz<br />
ein? Oft herrscht ja die Meinung vor: Umweltschutz<br />
kostet. Sehen Sie das auch so?<br />
K.W.: Kurzfristig könnte man das schon<br />
sagen, dass Umweltschutz kostet. Langfristig<br />
ist es aber eine Investition, und je<br />
nachdem, welche Haltung man als Unternehmen<br />
einnimmt, ist es eigentlich ein<br />
Muss. Wenn die Konsumenten bewusst<br />
sind und darauf schauen, woher das Produkt<br />
kommt, das sie erwerben, dann wird<br />
es auch zu einem wirtschaftlichen Nutzen<br />
– wenn man sich wirklich zum Umweltschutz<br />
bekennt.<br />
N.W.: Es ist schon richtig, es kostet am<br />
Anfang. In manchen Ländern, wo der Tropenholzanteil<br />
bei rund 30 Prozent gelegen<br />
hat, haben wir den Ausstieg natürlich gespürt.<br />
Wir haben dann über unsere Fachhändler<br />
Aufklärung betrieben, erklärt, was<br />
Tropenholz für die Umwelt bedeutet, und<br />
sehr rasch nach Alternativen gesucht.<br />
Hat die Branche nachgezogen?<br />
N.W.: Also gang und gäbe ist der Tropenholzausstieg<br />
sicher noch nicht. Aber mittlerweile<br />
haben wir ein bisschen einen<br />
Boom ausgelöst, und es sind andere nachgefolgt.<br />
Am Anfang sind wir schon kritisch<br />
beäugt worden.<br />
Weshalb?<br />
K.W.: Wegen dem Mut, auf Ertrag oder<br />
Umsatz zu verzichten. Und bis jetzt kann<br />
man noch nicht sagen, dass jeder auf diesem<br />
Kurs ist.<br />
Sie spenden seit Jahren großzügig für<br />
unsere Waldkampagne? Warum haben<br />
Sie sich für <strong>Greenpeace</strong> entschieden?<br />
K.W.: Es war uns wichtig, dass wir die gleiche<br />
Sprache sprechen und die gleiche Zukunftsvision<br />
haben. Wenn man diesen<br />
Weg geht, ist <strong>Greenpeace</strong> definitiv der richtige<br />
Partner. Und natürlich hat <strong>Greenpeace</strong><br />
einen hohen Bekanntheitsgrad. Da weiß<br />
jeder, dass es eine vertrauenswürdige Organisation<br />
ist.<br />
Warum spenden Sie? Was bedeutet es<br />
Ihnen, Spenderin zu sein?<br />
N.W.: Weil man die Tätigkeit von <strong>Greenpeace</strong><br />
unterstützen möchte. Wir sind nur<br />
ein kleines Mosaiksteinchen, aber ich glaube,<br />
im Gesamten wird irrsinnig viel bewegt.<br />
Von der Natur wird viel gegeben, und<br />
wir möchten auch etwas zurückgeben. Und<br />
wir wollen nachhaltig sein, den richtigen<br />
Weg gehen und einen Beitrag leisten.<br />
Welche Gefühle verbinden Sie mit dem<br />
Spenden?<br />
N.W.: Es ist ein gewisses Zeichen der<br />
Dankbarkeit. Es ist ein gutes Gefühl, vor<br />
allem auch mit einem Partner, der dafür<br />
sorgt, dass die Spende auch für das eingesetzt<br />
wird, was man möchte: den Regenwald<br />
zu erhalten und die Menschen, die<br />
dort leben, zu unterstützen, damit sie ihr<br />
tägliches Leben leichter oder besser erledigen<br />
können. Es ist ein sehr angenehmes<br />
Gefühl, dass wir überhaupt die Möglichkeit<br />
haben, das zu tun.<br />
Welche Umweltschutzthemen sind Ihnen<br />
noch besonders wichtig?<br />
K.W.: Der Klimaschutz ist ein großes Thema.<br />
Mit unserem Biomasse-Heizkraftwerk<br />
erzeugen wir nicht nur umweltfreundliche<br />
Wärme für mehr als 1.700 Haushalte, sondern<br />
auch Ökostrom. Photovoltaik auf unseren<br />
Dächern und ein kleines Wasserkraftwerk<br />
produzieren seit kurzem auch<br />
Energie. Das ist unser Beitrag zum Klimaschutz.<br />
Wir werden nicht mehr auf dieser<br />
Welt in dem Sinne leben können, wenn<br />
das Klima nicht stabilisiert ist. Aber am<br />
wichtigsten ist vielleicht die Frage: Was<br />
kann ich tun, als einzelne Person in meinem<br />
täglichen Dasein? Vom bewussten<br />
Einkaufen bis zur Frage „Wo kommen die<br />
Produkte her?“, „Wie reise ich?“ oder „Wie<br />
bewege ich mich fort?“. Wir können jetzt<br />
über große, globale Themen reden, aber im<br />
Kleinen – Schritt für Schritt – soll jeder<br />
versuchen, einen so großen Beitrag wie<br />
möglich zu leisten. n<br />
Interview<br />
Agnes PeterseiL<br />
agnes.peterseil@<br />
greenpeace.at<br />
www.greenpeace.at/<br />
projektspende<br />
01/545 45 80-15 oder<br />
0650/927 19 83<br />
Die Basis der<br />
Unabhängigkeit von<br />
<strong>Greenpeace</strong> sind<br />
private Spenden sowie<br />
Stiftungsbeiträge, die<br />
wir dort einsetzen, wo<br />
sie am dringendsten<br />
gebraucht werden und<br />
am meisten nutzen.<br />
Wenn auch Sie mit<br />
einer größeren Spende<br />
eine Kampagne oder<br />
ein Projekt unterstützen<br />
möchten, schreiben<br />
Sie mir bitte oder<br />
rufen Sie mich an. Ich<br />
bespreche gerne die<br />
geeigneten Möglichkeiten<br />
mit Ihnen!<br />
16 act act 17
Interview<br />
Was wollen Sie mit einem Ökozid-Gesetz<br />
erreichen? Ich will die massive Umweltzerstörung<br />
und den Verlust von Ökosystemen<br />
beenden. Es bedeutet, dass wir nicht mehr<br />
länger die Zerstörung erlauben, sondern<br />
ein Recht schaffen, das das Leben sichert<br />
und ihm den Vorrang einräumt.<br />
Was bedeutet Ökozid? Welches Ziel verfolgt<br />
Ihre Kampagne? Es gibt zwei Arten<br />
von Ökoziden: den von Menschen gemachten,<br />
der in der Regel von Unternehmen verursacht<br />
wird, und natürlich vorkommende<br />
Ökozide wie Tsunamis oder Hochwasser.<br />
Wir können keine Unternehmen für natürliche<br />
Ökozide belangen, aber was erreicht<br />
werden kann, ist, dass Regierungen an eine<br />
Fürsorgepflicht gebunden werden. Damit<br />
sie den von natürlichen Ökoziden Betroffenen<br />
beistehen – oder von den Folgen des<br />
Klimawandels, wie man auch sagen kann.<br />
Wenn wir eine Fürsorgepflicht einführen,<br />
schaffen wir eine gesetzliche Verpflichtung,<br />
an Lösungen zu arbeiten. Wenn Ökozid wie<br />
Genozid als internationales Verbrechen anerkannt<br />
wird, erzeugt das diese Fürsorgepflicht<br />
für jene, die in übergeordneter Verantwortung<br />
stehen – CEOs, Regierungschefs,<br />
Minister oder Bankvorstände.<br />
»Richte keinen Schaden an! Dieser Grundsatz<br />
wird an die erste Stelle gerückt.«<br />
»Ich will den<br />
Verlust von<br />
Ökosystemen<br />
beenden!«<br />
Was wird sich mit einem Ökozid-Gesetz<br />
konkret ändern? Richte keinen Schaden an!<br />
Dieser Grundsatz wird an die erste Stelle gerückt.<br />
Das bedeutet einen Systemwechsel,<br />
da ein Rahmengesetz geschaffen wird, das<br />
in die nationalen Rechtsordnungen übergeht.<br />
Und es schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen<br />
für alle Marktteilnehmer,<br />
denn für alle gilt dann eine einheitliche<br />
Rechtslage. Der Green Economy wird mit<br />
einem Ökozid-Gesetz also Vorrang eingeräumt.<br />
Darüber reden alle Regierungen,<br />
aber wir waren bis jetzt nicht in der Lage,<br />
das wirklich voranzubringen. Wir würden<br />
endlich anfangen, langfristig und auch für<br />
zukünftige Generationen zu denken.<br />
Regierungen stehen oft an der Seite von<br />
Umweltverschmutzern. Wie soll sich das<br />
ändern? Derzeit herrschen Gesetze, die dem<br />
Profit Priorität einräumen, und die Politik<br />
ist an diese Gesetze gebunden. Hier in Österreich<br />
ist der Umweltminister auch für die<br />
Landwirtschaft zuständig – eine schwierige<br />
Konstellation. Wenn es ein Ökozid-Gesetz<br />
gibt, dann kann sich der Minister an die industrielle<br />
Landwirtschaft wenden und sagen:<br />
Es tut mir leid, aber das entspricht<br />
nicht dem Gesetz. Wir können unternehmerische<br />
Aktivitäten, die mit massiver Umweltzerstörung<br />
einhergehen, nicht weiter<br />
unterstützen. Weil es jetzt ein Gesetz gibt,<br />
das massive Umweltzerstörung verbietet.<br />
Die britische Anwältin Polly Higgins<br />
will den Ökozid – die massive<br />
Beschädigung und Zerstörung von<br />
Ökosystemen – als fünftes Verbrechen<br />
gegen den Frieden anerkennen<br />
lassen. Der bei der UNO eingebrachte<br />
Antrag hat das Potenzial,<br />
viel zu verändern.<br />
Interview: Birgit Bermann<br />
Sie haben großes Vertrauen in die Gesetze?<br />
Ich habe sehr großes Vertrauen in<br />
Gesetze, die funktionieren. Aber es gibt<br />
viele Gesetze, die nicht funktionieren, wie<br />
bei den Klimaverhandlungen. Wir brauchen<br />
Gesetze und müssen solche schaffen,<br />
die auf der Unverletzlichkeit des Lebens<br />
gründen – und zwar allen Lebens, nicht<br />
nur des menschlichen. Wenn wir mit den<br />
bestehenden Gesetzen weitermachen, stehen<br />
uns gewaltige Probleme bevor.<br />
Es gibt auch Gesetze gegen den Genozid,<br />
dennoch gibt es ihn noch. Warum soll<br />
das mit einem Ökozid-Gesetz anders sein?<br />
Wir müssen unsere bestehenden Normen<br />
grundsätzlich verändern. Denn sie sind es,<br />
die Ökozide verursachen und massive Umweltzerstörung<br />
auf einer täglichen Basis<br />
zulassen. Auch Diebstahl gibt es noch immer.<br />
Dennoch würden wir nie daran denken,<br />
die Diebstahlsgesetze loszuwerden. Es<br />
geht darum anzuerkennen, dass es Ökozid<br />
gibt und dass er die Ausnahme und nicht<br />
die Regel werden muss. Es geht darum, bestimmte<br />
Aktivitäten als grüne Verbrechen<br />
anzusehen. Und dass jene, die mit dem<br />
Ökozid weitermachen, dafür auch zur Verantwortung<br />
gezogen werden – damit die<br />
Gerechtigkeit zum Zug kommen kann. n<br />
www.oekozid.org<br />
www.eradicatingecocide.com<br />
FotoS: © GP/Georg Mayer, 2x © Paul Langerock/GP<br />
Steuerlicher Systemwechsel<br />
Unser derzeitiges Steuersystem belohnt Energieverschwender und zementiert die<br />
Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Eine Energiewende kann nicht ohne eine<br />
ökologische Steuerreform auskommen. Von Julia Kerschbaumsteiner<br />
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe<br />
ist der Klimakiller Nummer 1.<br />
Das Wachstum unserer Wirtschaft<br />
ist bislang auf die Verbrennung von<br />
fossilen Brennstoffen ausgerichtet<br />
und bedeutet Abhängigkeit von teils<br />
autoritär geführten Anlieferstaaten.<br />
Reichtum war bislang eine Frage des<br />
Zugangs zu fossilen Brennstoffen.<br />
Dieses Wachstumsparadigma hat<br />
ausgedient. Eine Energiewende<br />
sieht die Entkoppelung von wirtschaftlichem<br />
Wohlstand von der<br />
Verbrennung fossiler Brennstoffe<br />
vor. Um ökologisch wie wirtschaftlich<br />
unrentable Technologien obsolet<br />
zu machen, braucht es Investitionen<br />
in Zukunftstechnologien, um<br />
unerschöpfliche Quellen wie Sonne,<br />
Wind, Wasser und Erdwärme für<br />
eine breite Bevölkerung zugänglich<br />
zu machen.<br />
Die Ökologisierung aller Lebensbereiche<br />
gibt es nicht gratis. Eine<br />
Reformierung des Steuersystems<br />
mit starker ökosozialer Ausrichtung<br />
kann die Finanzierung sicherstellen<br />
und einen Weg vorgeben, der auf<br />
erneuerbaren Energiequellen und<br />
Energieeffizienz aufbaut.<br />
Solarenergie und Windkraft – die<br />
Energiezukunft von morgen kann mit<br />
einem ökologisch orientierten Steuersystem<br />
schneller zur Realität für breite<br />
Gesellschaftsschichten werden. Noch<br />
sind wir von der Verbrennung fossiler<br />
Rohstoffe und von ihren Lieferanten<br />
abhängig.<br />
Effizienz belohnen<br />
Eine ökologische Steuerreform sendet<br />
ein Preissignal an die Endverbraucher.<br />
Eine solche Steuer überträgt<br />
Haushalten oder Unternehmen<br />
die Verantwortung über ihr<br />
„Energieverhalten“. Während jene,<br />
die sich für mehr Effizienz und den<br />
Umstieg auf erneuerbare Energie<br />
entscheiden, steuerliche Begünstigungen<br />
erhalten, werden Energieverschwender<br />
zur Kasse gebeten.<br />
Die Einnahmen, die lukriert werden,<br />
kommen wiederum jenen zugute,<br />
die in effiziente Häuser, Geräte<br />
und Büros investieren.<br />
Heute machen Ökosteuern mit<br />
sieben Milliarden Euro rund sechs<br />
Prozent des gesamten Steueraufkommens<br />
aus. Dieser Anteil soll<br />
schrittweise auf vierzehn Milliarden<br />
Euro verdoppelt werden. Den größten<br />
Faktor nimmt dabei die verstärkte<br />
Besteuerung von fossilen Brennstoffen<br />
ein. Im Gegenzug soll die<br />
steuerliche Entlastung von Arbeit<br />
stehen, mit sozialen Ausgleichsmaßnahmen<br />
für stark belastete Bevölkerungsgruppen.<br />
Bei der Einführung<br />
bzw. der Erhöhung von Ökosteuern<br />
geht es also zentral um eine steuerliche<br />
Umschichtung, nicht um eine<br />
steuerliche Mehrbelastung.<br />
In einem ersten Schritt sind folgende<br />
steuerlichen Maßnahmen<br />
möglich, die ökologisch nachhaltig<br />
und sozial gerecht sind: Die nebenstehenden<br />
Tabellen zeigen Vorschläge<br />
der Allianz „Wege aus der Krise“.<br />
Auf der Ausgabenseite werden jene<br />
Zukunftsinvestitionen dargestellt,<br />
die durch die lukrierten Mittel gefördert<br />
werden.* Für eine Ökologisierung<br />
unseres Steuersystems und den<br />
nachhaltigen Einsatz dieser Steuermittel<br />
braucht es transparente und<br />
offene Prozesse. Nur gemeinsam<br />
können wir einen neuen Kurs für unsere<br />
Gesellschaft setzen, der auf dem<br />
respektvollen Umgang mit unserer<br />
Umwelt aufbaut. n<br />
Reform von Ökosteuern in Mio €<br />
Erhöhung der MöSt für Diesel 400<br />
Lkw-Roadpricing auf allen Straßen 370<br />
Kerosinbesteuerung 390<br />
Reform der NoVA (Normverbrauchsabgabe) 45<br />
Reform der steuerlichen Begünstigungen für Firmenwagen 300<br />
Weitestgehende Aufhebung der Kfz-Steuerbefreiung 110<br />
Förderentgelte für bundeseigene fossile Rohstoffe<br />
(Erdöl und Erdgas)<br />
Einführung einer Düngemittelabgabe 50<br />
1.765<br />
Ausgabenseite in Mio €<br />
Thermische Sanierung 200<br />
Förderung dezentraler Stromerzeugung 30<br />
Beratungsoffensive – Energiesparen/nachhaltige<br />
Energieformen<br />
Maßnahmenpaket gegen Energiearmut 100<br />
Reaktivierung und Ausbau von Regionalbahnen 350<br />
Flächendeckender 1-Stunden-Takt für bestehendes und<br />
reaktiviertes Netz<br />
Ausweitung des Busverkehrs 45<br />
Verbesserung des Güterverkehrs auf der Schiene 50<br />
Verbesserung der Eigenkapitaldecke der ÖBB 140<br />
Reform der Pendlerpauschale 100<br />
Zukunftsfonds – Infrastrukturprojekte für Gehen<br />
und Radfahren<br />
Soziale Ausgleichsmaßnahmen für MöSt-Erhöhung 11<br />
1.231<br />
* „Wege aus der Krise“ ist eine breite Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen und Gewerkschaften, die Alternativen aufzeigt, um<br />
das gegenwärtige Wirtschaftssystem nachhaltig zu verändern. <strong>Greenpeace</strong> engagiert sich seit 2010 in dieser Allianz. Für weitere Infos:<br />
www.wege-aus-der-krise.at/<br />
100<br />
10<br />
95<br />
100<br />
18 act act 19
»Es geht mir nicht darum, das Leben<br />
schwieriger zu machen, sondern – ganz<br />
im Gegenteil – einfacher.«<br />
korken und bei Schraubgläsern sind<br />
ebenso wie Tetrapaks mit Kunststoff<br />
beschichtet. Sehr schnell fiel<br />
auch auf, dass bei Hygieneartikeln<br />
nahezu überall Plastikgefäße oder<br />
-verpackungen im Einsatz sind.<br />
„Nicht überall ist es uns gelungen,<br />
Alternativen zu finden, aber das<br />
war dennoch kein Grund aufzugeben.“<br />
Hilfe von vielen Seiten<br />
Dankbar ist Sandra Krautwaschl für<br />
die Hilfe von zahlreichen Freunden,<br />
mit denen das Projekt oft diskutiert<br />
wurde und die bei der Suche nach<br />
Alternativen tatkräftig mitgeholfen<br />
haben. „Verschraubbare Glasgefäße,<br />
die irgendwo im Keller bei Freunden<br />
oder Bekannten standen, sind<br />
chen.“ Es folgte der Schritt in die<br />
Öffentlichkeit – der Blog www.keinheimfuerplastik.at<br />
ging online, und<br />
die Familie nahm am Aktionstag<br />
„Die Kunst, nachhaltig zu leben“ in<br />
Stübing teil. „Dabei haben wir einen<br />
riesigen Plastikberg dem gegenübergestellt,<br />
was wir jetzt verwenden.“<br />
Krautwaschl erzählt, dass es<br />
unmöglich gewesen sei, alle früher<br />
im Haushalt verwendeten Plastiksachen<br />
auf dem dafür vorgesehenen<br />
Tisch aufzustapeln. „Wir mussten<br />
uns auf eine Auswahl beschränken.“<br />
Anfang 2012 trat dann der Heyne<br />
Verlag an die Steirerin heran und<br />
fragte, ob aus dem Tagebuch des<br />
Experiments – das ja schließlich<br />
zu einem neuen Lebensstil geworden<br />
war – ein Buch werden könnte.<br />
seren Plastikmüll seit Beginn des<br />
Experiments um 95 bis 98 Prozent<br />
und den restlichen Müll um rund<br />
50 Prozent reduzieren konnten,<br />
reicht mir als persönliche Bestätigung<br />
der Sinnhaftigkeit aus“, zieht<br />
die Pionierin des plastikfreien<br />
Lebens Bilanz.<br />
Ja zur Lebensfreude<br />
„Durch das Schreiben des Buches ist<br />
mir erst aufgefallen, wie wichtig es<br />
wurde, mich vor der ständigen Konsum-Animation<br />
zu schützen und jenen<br />
Dingen zuzuwenden, die mich<br />
interessieren und mir Freude bereiten.<br />
Es geht mir nicht darum, das<br />
Leben schwieriger zu machen, sondern<br />
– ganz im Gegenteil – einfacher“,<br />
erzählt Sandra Krautwaschl<br />
Im Buch „Plastikfreie<br />
Zone“ ist ein<br />
sehr ausführlicher<br />
Serviceteil enthalten,<br />
der auch bald<br />
im Blog gelistet<br />
wird. Besonders<br />
bei Hygieneartikeln<br />
ist die Beschaffung<br />
teilweise<br />
etwas schwieriger. Statt herkömmlichem<br />
WC-Papier (das nahezu<br />
immer in Plastikfolien verpackt<br />
ist), kann man Papierhandtücher<br />
aus Recyclingpapier kaufen, das<br />
im Großhandel in einer Kartongroßpackung<br />
erhältlich ist. Bei<br />
Duschgel und Shampoo kann man<br />
etwa Naturseifen in fester Form<br />
verwenden oder z. B. auf Lavaerde<br />
zurückgreifen. Eine Alternative<br />
zu Zahnpasten sind Zahnputzsalz<br />
oder Xylit.<br />
Ein Leben ohne Plastik<br />
Die steirische Familie Krautwaschl verzichtet in ihrem Haushalt auf Plastik. Vor<br />
knapp drei Jahren hat das Experiment begonnen. Heute sind sie zu einer Art<br />
Galionsfigur in Sachen „Müllvermeidung“ geworden. Von Wolfgang Weitlaner<br />
Sandra Krautwaschl (kl. Bild l.) will nur<br />
das Beste für ihre Familie (gr. Bild) –<br />
und das bedeutet für sie weitgehenden<br />
Verzicht auf Plastik im Haushalt.<br />
Mit viel Erfindungsreichtum, Fantasie<br />
und Kompromissbereitschaft lebt die<br />
fünfköpfige steirische Familie den<br />
neuen Lebensstil vor. Filmemacher<br />
Werner Boote (gr. Bild Mitte) stand<br />
mit seinem Doku-Film am Beginn des<br />
Experiments.<br />
Angefangen hat es mit der Premierenvorstellung<br />
samt Diskussion<br />
von Werner Bootes Kino-Doku<br />
‚Plastic Planet‘“, erzählt Sandra<br />
Krautwaschl. Der so gemütlich geplante<br />
Abend wurde für die dreifache<br />
Mutter zu einem Weckruf. „Ich<br />
bin auf dem harten Boden des Plastikplaneten<br />
gelandet: Weichmacher<br />
in Bodenbelägen, Plastikstrudel im<br />
Pazifik, intersexuelle Fische in Flüssen,<br />
Opfer der Kunststoffindustrie<br />
in Venedig, Bisphenol-A in Babyschnullern,<br />
Unfruchtbarkeit, ohnmächtige<br />
Politiker und arrogante<br />
Vertreter der Plastikindustrie – all<br />
diese Dinge sind in meinem Kopf<br />
herumgeschwirrt“, schildert sie.<br />
Das Experiment beginnt<br />
Doch wie kann man diesem Wahnsinn<br />
tatsächlich entfliehen? „Bis<br />
vor 100 Jahren hat die Menschheit<br />
existiert, ohne überall den ganzen<br />
Müll zu hinterlassen, der teilweise<br />
mehrere 100 Jahre lang braucht, bis<br />
er wieder verrottet. Da will ich heraus<br />
– darüber war ich mir sicher“,<br />
erinnert sich Sandra Krautwaschl.<br />
Nun ging es darum, die Familie zu<br />
überzeugen. Mit ihrem Mann Peter<br />
vereinbarte sie zunächst einen Versuchszeitraum<br />
von einem Monat.<br />
Eine Bedingung schob er allerdings<br />
nach: „Keinen Stress. Die Sache<br />
muss Spaß machen.“ Auch die Überzeugungsarbeit<br />
bei den Kindern Samuel<br />
(heute 16 Jahre alt), Marlene<br />
(heute 13) und Leonhard (heute 10)<br />
war weniger schwierig als befürchtet.<br />
„Erst als es darum ging, Plastikspielsachen<br />
aus dem Kinderzimmer<br />
zu verbannen, gab es Diskussionen“,<br />
erzählt die 41-Jährige.<br />
Am Anfang, im November 2009,<br />
stand der sportliche Ehrgeiz im Vordergrund,<br />
den Haushalt von sämtlichen<br />
Plastikprodukten frei zu bekommen<br />
und passende Alternativen<br />
zu finden. Darüber hinaus ging<br />
es aber auch darum, Lebensmittel<br />
und Haushaltsartikel zu kaufen, die<br />
nicht in Plastikverpackungen stecken.<br />
„Der Teufel steckt bei vielen<br />
Artikeln im Detail“, weiß Krautwaschl.<br />
Dichtungsringe bei Kron-<br />
Fotos: © Privat<br />
plötzlich in unsere Küche gewandert.“<br />
Hilfestellung gab es auch bei<br />
der Suche nach Alternativprodukten.<br />
„Das Schöne ist, dass dieser Lebensstil-Wandel<br />
auch eine große soziale<br />
Komponente bekommen hat.“<br />
Sandra Krautwaschls Ehrgeiz hat<br />
sie auch dazu bewogen, mit „Plastic<br />
Planet“-Regisseur Werner Boote<br />
und Produzent Thomas Bogner in<br />
Kontakt zu treten. „Ich bat um Hilfe,<br />
um den Verlauf unseres Experiments<br />
besser zu dokumentieren<br />
und nach neuen Lösungen zu su-<br />
Dort sollten neben der persönlichen<br />
Geschichte auch Informationen<br />
über Alternativprodukte drinstehen<br />
und die Frage der Machbarkeit<br />
und der Kosten diskutiert werden.<br />
Sehr oft scheint nämlich genau<br />
dieser Punkt eine Rechtfertigung<br />
dafür zu sein, am Status quo festzuhalten.<br />
Doch das neue, plastikfreie<br />
Leben kommt nicht teurer, so<br />
Krautwaschl. Blogger stellen auch<br />
immer wieder den Sinn der Aktion<br />
infrage. „Darauf gibt es eine gute<br />
Antwort: Die Tatsache, dass wir un-<br />
über ihre neue Lebensqualität. Es<br />
liegt ihr auch fern, mit erhobenem<br />
Zeigefinger aufzutreten. „In meinem<br />
Blog beschimpfte mich ein Leser<br />
einmal als ‚Plastiktaliban‘. Dabei<br />
ist unser Leben ein Plädoyer für<br />
Leichtigkeit und Kompromissbereitschaft.“<br />
Als größten Gewinn bezeichnet<br />
sie die Erkenntnis, dass<br />
man für viele Dinge gar keine Alternative<br />
braucht, weil man sie ersatzlos<br />
streichen kann. Was der Familie<br />
viel wichtiger geworden ist, ist ein<br />
noch bewussterer Lebensstil. „Wir –<br />
und damit spreche ich für alle Familienmitglieder<br />
– überlegen uns sehr<br />
genau, wenn wir einkaufen, was wir<br />
wirklich brauchen. Ich denke, dass<br />
wir mittlerweile noch größeren<br />
Wert auf die Langfristigkeit von<br />
Dingen legen. Dabei fällt auch auf,<br />
dass gerade die Kinder eine größere<br />
Wertschätzung für Sachen entwickeln<br />
und dem Konsumwahn eine<br />
Absage erteilen.“ n<br />
www.keinheimfuerplastik.at<br />
www.plastic-planet.de<br />
20 act act 21
<strong>Greenpeace</strong><br />
CEE in Zahlen<br />
Fundraising-Direktorin Susanne<br />
Winter (l.) und Finanzleiterin<br />
Manuela Bachlechner (r.) stellen<br />
die Rechts- und Finanzstruktur<br />
von GPCEE vor und zeigen,<br />
warum wir mit Stolz sagen<br />
können: <strong>Greenpeace</strong>, das sind<br />
unsere Unterstützer!<br />
Um unsere völlige Unabhängigkeit zu garantieren,<br />
nimmt <strong>Greenpeace</strong> kein Geld von Regierungen, Unternehmen<br />
oder Institutionen wie der EU oder der UN,<br />
sondern ausschließlich von privaten Spendern und Stiftungen.<br />
Im Jahr 2011 spendeten 122.686 österreichische<br />
Spender die Summe von 7,904 Millionen Euro,<br />
weitere 27.543 Spender aus Osteuropa unterstützten<br />
unsere Büros in der Region und machten so unsere<br />
Arbeit möglich. Vielen Dank!<br />
Besonderer Dank gilt all den Unterstützern, die im<br />
Laufe des Jahres auf unsere Notfallmailings geantwortet<br />
und nach der Tragödie in Fukushima zusätzliche Hilfe geboten<br />
haben, sowie all jenen, die die Finanzierung des<br />
neuen <strong>Greenpeace</strong>-Flaggschiffs ermöglichten, der im Oktober<br />
vom Stapel gelaufenen „Rainbow Warrior III“. Mit<br />
Stolz können wir sagen, dass auf der Spenderwand an<br />
Bord der neuen „Warrior“ die Namen von hunderten<br />
Spendern aus Zentral- und Osteuropa stehen.<br />
Ebenso sind wir unseren engagierten Vorstandsmitgliedern<br />
und den zahllosen Freiwilligen in allen Ländern<br />
dankbar, deren Einsatz, Energie und offene Großzügigkeit<br />
sich nicht in Geld ausdrücken lässt, aber ohne die wir<br />
im letzten Jahr unmöglich all unsere Erfolge hätten erreichen<br />
können.<br />
Eben genau weil wir uns bei unseren Kampagnen voll<br />
und ganz auf Ihr Handeln, Ihre Unterstützung und Ihre<br />
Spenden verlassen, können wir ehrlich sagen: Danke –<br />
<strong>Greenpeace</strong> in Zentral- und Osteuropa, das sind Sie!<br />
Fotos: © GP/Georg Mayer, © Oliver Tjaden/GP, © Markel Redondo/GP, © GP/Moritz Wustinger, © <strong>Greenpeace</strong>/Peter Somogyi-Toth, © GP/Branislav Blašcák<br />
Die Erträge Aufwendungen<br />
in 1.000 EUR <br />
teilen sich in folgende Bereiche: 7.904<br />
Regelmäßige Spenden 6.776<br />
Einmalige Unterstützungen 957<br />
Verlassenschaften 64<br />
GPI-Förderbeiträge0<br />
Zinserträge84<br />
Sonstige Erträge 24<br />
Nettoeinnahmen aus den Rücklagen 0<br />
Summe 7.904<br />
Aufwendungen in 1.000 EUR 7.542<br />
Kampagnenarbeit<br />
in Österreich<br />
• Meere<br />
• Klima<br />
• Wälder 57 %<br />
• Energie/<br />
Atom<br />
• Gentechnik<br />
3 %<br />
5 %<br />
20 %<br />
15 %<br />
Verwaltung<br />
Fundraising<br />
Beitrag für<br />
internationale<br />
Kampagnenarbeit<br />
Kampagnen in<br />
Osteuropa<br />
Die Differenz zwischen<br />
den erzielten Einnahmen<br />
und den getätigten Ausgaben<br />
im Jahr 2011 in Höhe<br />
von 362.000 Euro wurde in<br />
einen Fonds zur weiteren<br />
Finanzierung der Arbeit in<br />
Osteuropa eingestellt.<br />
Großer Dank gilt unseren<br />
Spendern, die 2011 den<br />
Bau der neuen „Rainbow<br />
Warrior“ (gr. Bild) und die<br />
Soforthilfe nach der Nuklearkatastrophe<br />
in Fukushima<br />
(kl. Bild o.) unterstützten.<br />
Grund für Protest gab es in<br />
der Region CEE genügend:<br />
gegen AKW-Finanzierung in<br />
Wien oder Giftdeponien in<br />
Ungarn und der Slowakei.<br />
Die Struktur <strong>Greenpeace</strong> CEE<br />
122.686 Spender in Österreich finanzierten im Jahr 2011<br />
die Umweltschutzarbeit durch ihren Beitrag. Darüber hinaus<br />
unterstützten 27.543 Spender in Osteuropa unsere Tätigkeiten.<br />
Kommunikation/<br />
Marketing<br />
Fundraising<br />
· Fördererservice<br />
· Spendengewinnung<br />
· Mailings<br />
Mobilisierung<br />
· Web<br />
Direct Dialog<br />
· Straßenwerbung<br />
Stimmberechtigte Mitglieder<br />
wählen<br />
Ehrenamtlicher Vorstand:<br />
Heinz Reindl, Michael Möller, Karin Küblböck,<br />
Hans Rupp, Josef Schimmer<br />
ernennt, kontrolliert und entlastet<br />
Geschäftsführung: Alexander Egit<br />
Aktion/<br />
Netzwerk<br />
Bereiche<br />
· <strong>Greenpeace</strong>-<br />
Kampagnenteam-<br />
Betreuung<br />
· Aktionskoordination<br />
· Foto/Video<br />
Verantwortlichkeiten<br />
Kampagnen/<br />
Medien<br />
Datenschutz & Spendenwerbung:<br />
Susanne Winter +43 1 545 45 80-77<br />
Spendenverwendung:<br />
Alexander Egit +43 1 545 45 80-25<br />
Administration<br />
und Finanzen<br />
· Finanzen<br />
· Buchführung<br />
· Recht<br />
· IT<br />
· Personal<br />
Das Österreichische Spendengütesiegel steht für geprüfte<br />
Spendensicherheit durch strenge Qualitätsstandards, Transparenz und<br />
laufende Kontrolle. Es existiert seit 2001 und wird nur an Organisationen<br />
verliehen, die eine sparsame Haushaltsführung sowie eine transparente<br />
und ordnungsgemäße Verwendung der Spenden nachweisen können.<br />
Das Gütesiegel muss jährlich erneuert werden. <strong>Greenpeace</strong> trägt das<br />
Spendengütesiegel seit dessen Beginn.<br />
entsendet<br />
Trustee<br />
Vertreter<br />
des Vereins<br />
<strong>Greenpeace</strong><br />
CEE in der<br />
internationalen<br />
Dachorganisation<br />
Der Verein <strong>Greenpeace</strong> in<br />
Zentral- und Osteuropa hat<br />
seinen Sitz in Wien und<br />
erstreckt seine Tätigkeiten<br />
auf Zentral- und Osteuropa.<br />
Zu diesem Zweck wurden<br />
eigene Vereine und Stiftungen<br />
in Polen, Ungarn, der<br />
Slowakei und Rumänien<br />
errichtet. Weiters arbeiten<br />
wir mit Partnern auch in<br />
Bulgarien und Slowenien.<br />
Oberstes Beschlussgremium<br />
ist die Mitgliederversammlung.<br />
Diese wählt den ehrenamtlichen<br />
Vorstand, der<br />
aus fünf Personen besteht.<br />
Der ehrenamtliche Vorstand<br />
setzt die Geschäftsführung<br />
ein. Diese hat die rechtliche,<br />
organisatorische und finanzielle<br />
Gesamtverantwortung<br />
für den Verein sowie für die<br />
festangestellten Mitarbeiter.<br />
22 act act 23
Die Zukunft<br />
der Arktis?<br />
Gemeinsam können wir die Arktis schützen.<br />
Werden Sie zum Arctic Defender<br />
und erhöhen Sie Ihre monatliche Spende!<br />
www.greenpeace.at/spenden oder 01/545 45 80<br />
Ihre nächste Spende übernimmt das Finanzamt!*<br />
* Vergessen Sie nicht – Ihre Spende an <strong>Greenpeace</strong> ist steuerlich absetzbar. Jetzt können Sie<br />
Ihre Spende erhöhen, ohne mehr zu bezahlen! Alle Infos auf www.greenpeace.at/spendenabsetzbarkeit<br />
PSK, KNR. 7.707.100, BLZ 60.000