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Grenzen und Möglichkeiten des Konzepts der mittelbaren ...

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n GrEnzEn <strong>und</strong> MöGlichKEitEn dEs KonzEpts dEr MittElbarEn disKriMiniErunG n<br />

wird es in <strong>der</strong> Praxis sehr schwer sein, indirekte Diskriminierung zu beweisen.“ In dem Fall ging es um eine Behin<strong>der</strong>tenbeihilfe<br />

im nie<strong>der</strong>ländischen Recht, die nur bewilligt wurde, falls das Einkommen <strong>des</strong> Antragstellers o<strong>der</strong><br />

eines Familienmitglieds, das für einen Teil <strong>des</strong> Unterhalts <strong>des</strong> Antragstellers aufkommen musste, unterhalb einer<br />

bestimmten Schwelle lag. Das Gericht entschied auf mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts, da die<br />

zweite Bedingung (Einkommen eines Familienmitglieds) dazu führte, dass mehr Frauen als Männer die Leistung<br />

einbüßten( 36 ).<br />

KapitEl i<br />

Auch in <strong>der</strong> Rechtssache D.H. et al. gegen die Tschechische Republik (auch als„Rechtssache Ostrava“ bekannt) stand<br />

mittelbare Diskriminierung im Mittelpunkt. Hier wurde mit Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Rasse zum Nachteil von<br />

Roma-Kin<strong>der</strong>n argumentiert. Nach einem Kammerurteil vom Dezember 2006 ( 37 ) wurden die Fälle an die Große<br />

Kammer <strong>des</strong> Gerichtshofs verwiesen, die im November 2007 zu einem Urteil kam( 38 ). In diesem Urteil wie<strong>der</strong>holte<br />

die Große Kammer, dass „eine allgemeine Politik o<strong>der</strong> Maßnahme, durch die eine bestimmte Gruppe übermäßig<br />

benachteiligt wird, als diskriminierend gilt, auch wenn sie nicht ausdrücklich auf diese Gruppe ausgerichtet ist“<br />

(Randnummer 175 <strong>des</strong> Urteils). Die Große Kammer bezog sich ausdrücklich auf die Allgemeine politische Empfehlung<br />

Nr. 7 <strong>der</strong> Europäischen Kommission gegen Rassismus <strong>und</strong> Intoleranz (ECRI) vom 13. Dezember 2002 sowie auf<br />

das EG-Recht. Sie erklärte, dass„sich eine ungleiche Behandlung in einer unverhältnismäßig nachteiligen Auswirkung<br />

einer allgemeinen Politik o<strong>der</strong> Maßnahme äußern kann, die trotz einer Abfassung in neutralen Begriffen eine<br />

Gruppe diskriminiert [...]. Gemäß beispielsweise den Richtlinien 97/80/EG ( 39 ) <strong>und</strong> 2000/43/EG […] <strong>des</strong> Rates <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> ECRI […] käme eine solche Situation einer‚<strong>mittelbaren</strong> Diskriminierung‘ gleich, die nicht unbedingt<br />

eine diskriminierende Absicht voraussetzt“ (Randnummer 184). Die ECRI-Empfehlung ( 40 ) enthält sowohl Definitionen<br />

für unmittelbare als auch für mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Rasse, die sich auf das EG-Recht<br />

stützen. Gemäß <strong>der</strong> Empfehlung bezeichnet <strong>der</strong> Begriff „indirekte Rassendiskriminierung“ „Fälle, in denen ein<br />

scheinbar neutraler Faktor wie eine Regelung, ein Kriterium o<strong>der</strong> ein Verfahren von Personen, die einer Gruppe<br />

angehören, die durch Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit o<strong>der</strong> nationale o<strong>der</strong> ethnische Herkunft<br />

gekennzeichnet ist, nicht einfach erfüllt werden kann o<strong>der</strong> sie benachteiligt, es sei denn, dieser Faktor ist<br />

sachlich <strong>und</strong> vernünftig begründet. Dies wäre <strong>der</strong> Fall, wenn ein legitimes Ziel verfolgt wird <strong>und</strong> wenn die Verhältnismäßigkeit<br />

<strong>der</strong> angewandten Mittel in Bezug auf das verfolgte Ziel angemessen ist.“ Im Fall D. H. et al. gegen<br />

Tschechische Republik entschied die Große Kammer <strong>des</strong> Gerichts auf mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Rasse, da <strong>der</strong> Anteil an Roma-Kin<strong>der</strong>n, die in Son<strong>der</strong>schulen geschickt wurden, in <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />

wesentlich höher war als <strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Kin<strong>der</strong>.<br />

3 Die Verpflichtung zur Umformung <strong>der</strong> Gesellschaft im Rahmen <strong>der</strong><br />

internationalen Menschenrechtsgesetze<br />

In internationalen Menschenrechtsgesetzen wird anerkannt, dass die Ursachen für Diskriminierung oft struktureller<br />

Art sind. Deshalb verpflichten einige Übereinkommen die Vertragsstaaten ausdrücklich dazu, eine sogenannte<br />

„Sozialkonstruktion“ vorzunehmen. In Artikel 8 Absatz 1 ICRPD verpflichten sich die Vertragsstaaten <strong>des</strong> Übereinkommens<br />

dazu,„sofortige, wirksame <strong>und</strong> geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um: a) auf allen Ebenen <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

einschließlich <strong>der</strong> Familie, das Bewusstsein für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu erhöhen <strong>und</strong> die Achtung<br />

ihrer Rechte <strong>und</strong> ihrer Würde zu för<strong>der</strong>n; b) Stereotype, Vorurteile <strong>und</strong> schädliche Praktiken gegenüber Menschen<br />

36<br />

() In wissenschaftlichen Publikationen gilt Hoogendijk manchmal als erstes wirkliches Urteil <strong>des</strong> EGMR im Bereich mittelbare<br />

Diskriminierung; Hendriks 2005.<br />

37<br />

() D. H. et al. gegen Tschechische Republik, 7. Dezember 2006, Individualbeschwerde Nr. 57325/00, siehe auch IV.2.2.6 unten.<br />

38<br />

() D. H. et al. gegen Tschechische Republik, 13. November 2007, Individualbeschwerde Nr. 57325/00.<br />

39<br />

() Richtlinie 97/80/EG über die Beweislast bei Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts, ABl. L14/6, vom 20.1.1998.<br />

40<br />

() ECRI Allgemeine Empfehlung Nr.7über nationale Gesetzgebung zur Bekämpfung vonRassismus <strong>und</strong> Rassendiskriminierung,<br />

verabschiedet am 13. Dezember 2002; Wortlaut erhältlich unter http://www.coe.int/t/e/human_rights/ecri/1-ECRI/3-General_<br />

themes/1-Policy_Recommendations/Recommendation_N7/3-Recommendation_7.asp.<br />

17<br />

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