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Grenzen und Möglichkeiten des Konzepts der mittelbaren ...

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n GrEnzEn <strong>und</strong> MöGlichKEitEn dEs KonzEpts dEr MittElbarEn disKriMiniErunG n<br />

• die Anfor<strong>der</strong>ung,dass alle Mitarbeiter regelmäßig Blut spenden müssen, benachteiligt Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen<br />

aufgr<strong>und</strong> von Krankheiten ( 91 ) wie chronischer Hepatitis C o<strong>der</strong> Aids. Die Anfor<strong>der</strong>ung gibt also zu <strong>der</strong><br />

Annahme Anlass, dass es sich um mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> von Behin<strong>der</strong>ung handelt ( 92 );<br />

• die Anfor<strong>der</strong>ung,dass Mitarbeiter keinerlei Kopfbedeckungen tragen, benachteiligt Menschen, die bestimmten<br />

Religionen angehören <strong>und</strong> diese Religionen so interpretieren, dass beson<strong>der</strong>e Bekleidung erfor<strong>der</strong>lich ist,<br />

wie etwa (bestimmte) muslimische Frauen <strong>und</strong> (bestimmte) jüdische Männer( 93 ). Die Anfor<strong>der</strong>ung gibt also zu<br />

<strong>der</strong> Annahme Anlass, dass es sich um mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Religion handelt;<br />

• die Anfor<strong>der</strong>ung,dass Mitarbeiter glatt rasiertsein müssen, benachteiligt Sikhs als ethnische Gruppe,dasich<br />

männliche Sikhs nicht rasieren. Die Anfor<strong>der</strong>ung gibt also zu <strong>der</strong> Annahme Anlass, dass es sich um mittelbare<br />

Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> ethnischer Herkunft handelt ( 94 );<br />

• die Anfor<strong>der</strong>ung, dass ein Arbeitnehmer über eine bestimmte Anzahl an Jahren Vollzeit gearbeitet haben<br />

muss, benachteiligt Frauen dort, wo es aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> herkömmlichen Rollenverteilung in <strong>der</strong> Familie, <strong>der</strong>zufolge<br />

Arbeit in Familie <strong>und</strong> Pflege (hauptsächlich o<strong>der</strong> vollständig) die Aufgabe von Frauen ist, hauptsächlich<br />

die Frauen sind, die in Teilzeitarbeit beschäftigt sind. Die Anfor<strong>der</strong>ung gibt also zu <strong>der</strong> Annahme Anlass, dass<br />

es sich um mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts handelt;<br />

• die Anfor<strong>der</strong>ung,dass eine Person ständig in einem Mitgliedstaatwohnhaftist,umAnspruch auf Arbeitslosengeld<br />

zu haben, benachteiligt Wan<strong>der</strong>arbeitnehmer, die die Nationalität eines an<strong>der</strong>en EU-Mitgliedstaates innehaben,<br />

da sie wahrscheinlicher als die Staatsangehörigen <strong>des</strong> betreffenden Lan<strong>des</strong> in einem an<strong>der</strong>en Land<br />

wohnen, wenn Sie Arbeit suchen. Die Anfor<strong>der</strong>ung gibt also zu <strong>der</strong> Annahme Anlass, dass es sich um mittelbare<br />

Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Nationalität handelt.<br />

KapitEl iii<br />

In all diesen Fällen stellt sich das dem Anschein nach neutrale Kriterium bei näherer Betrachtung als de facto nicht<br />

neutral heraus, son<strong>der</strong>n so, dass es sich für eine bestimmte Personengruppe nachteilig auswirkt. Um als dem<br />

Anschein nach mittelbare Diskriminierung angesehen zu werden, muss die nachteilige Wirkung eine bestimmte<br />

Größenordnung erreichen. Die Definitionen in <strong>der</strong> Antirassismus- <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie<br />

machen es erfor<strong>der</strong>lich, dass Personen„in beson<strong>der</strong>er Weise benachteiligt“ werden. Was dies bedeutet, wird in den<br />

Richtlinien nicht näher erläutert, <strong>und</strong> es kann auch auf Gr<strong>und</strong>lage <strong>des</strong> Fallrechts aus an<strong>der</strong>en Bereichen <strong>des</strong> Gemeinschaftsrechts<br />

keine genaue Grenze festgestellt werden. In Seymour-Smith ( 95 ) (Randnrn. 58 <strong>und</strong> 60), wo es um dem<br />

Anschein nach mittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts bei <strong>der</strong> Beschäftigung ging, führte das Gericht<br />

die Anfor<strong>der</strong>ung an, dass sich eine Maßnahme„auf weibliche Arbeitnehmer ungünstiger auswirkt als auf männliche“<br />

<strong>und</strong> dass„ein wesentlich geringerer Prozentsatz <strong>der</strong> weiblichen als <strong>der</strong> männlichen Arbeitnehmer“ von ihr profitieren<br />

würde. Der Gerichtshof nannte zwei unterschiedliche Situationen, in denen dies <strong>der</strong> Fall sein würde. Die<br />

erste ist eine Situation, in <strong>der</strong>„ein wesentlich geringerer Prozentsatz <strong>der</strong> weiblichen als <strong>der</strong> männlichen Arbeitnehmer“<br />

die fragliche Bedingung erfüllen kann. Mit an<strong>der</strong>en Worten, in diesem Fall muss die Abweichung deutlich<br />

sein. Alternativ kann„ein geringerer, aber über einen langen Zeitraum hinweg fortbestehen<strong>der</strong> <strong>und</strong> relativ konstanter<br />

Abstand zwischen männlichen <strong>und</strong> weiblichen Arbeitnehmern, die die Voraussetzung erfüllen“ vorliegen. Der<br />

Gerichtshof hat jedoch we<strong>der</strong> für die eine noch für die an<strong>der</strong>e Situation die erfor<strong>der</strong>liche ungleiche Auswirkung<br />

beziffert. Beispiele aus dem Fallrecht scheinen darauf hinzuweisen, dass das Ausmaß <strong>der</strong> Ungleichheit relativ hoch<br />

sein muss. In Seymour-Smith (Randnr. 63) wies <strong>der</strong> Gerichtshof z. B. darauf hin, dass eine Situation, in <strong>der</strong> die fragli-<br />

91<br />

() Nach EG-Recht ist Krankheit nicht das selbe wie Behin<strong>der</strong>ung, obwohl eine Krankheit zu einer Behin<strong>der</strong>ung führen kann; siehe<br />

Chacón Navas, Randnr. 39 ff.<br />

92<br />

() Diese Anfor<strong>der</strong>ung benachteiligt auch Zeugen Jehovas, da diese aus religiösen Gründen gegen Bluttransfusionen sind.<br />

93<br />

() In diesen Fällen benachteiligt diese Anfor<strong>der</strong>ung auch Frauen (im Fall von Kopftuch o<strong>der</strong> Schleier) bzw. Männer (im Fall von<br />

Yarmulke o<strong>der</strong> Kippa).<br />

94<br />

() Sikhs gelten sowohl als ethnische als auch religiöse Gruppe.Männliche Sikhs rasieren sich aus religiösen Gründen nicht. Daher<br />

kann die Anfor<strong>der</strong>ung, glatt rasiert zu sein, auch als Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Religion gesehen werden; Pitt 2007:229.<br />

95<br />

() Rechtssache C-167/97, Regina gegen SecretaryofState forEmployment, ex parte Nicole Seymour-Smith <strong>und</strong> LauraPerez, Slg.<br />

1999, I-623.<br />

35<br />

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