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Grenzen und Möglichkeiten des Konzepts der mittelbaren ...

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n GrEnzEn <strong>und</strong> MöGlichKEitEn dEs KonzEpts dEr MittElbarEn disKriMiniErunG n<br />

Frauen unverhältnismäßig. Dies liegt in <strong>der</strong> Tatsache begründet, dass in vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> EU eine traditionelle<br />

Rollenverteilung in <strong>der</strong> Familie gilt, gemäß <strong>der</strong> es vorherrschend Frauen sind, die Haus- <strong>und</strong> Fürsorgearbeit leisten,<br />

<strong>und</strong> die es Frauen erschwert, einer Vollzeitarbeit außerhalb <strong>des</strong> Hauses nachzugehen. Gleichzeitig gibt es nichts,<br />

was Männer daran hin<strong>der</strong>t, in Teilzeit zu arbeiten, <strong>und</strong> einige Männer (obschon wesentlich weniger als Frauen) tun<br />

dies auch tatsächlich. Dementsprechend betrifft jede schlechtere Behandlung von Teilzeitarbeitnehmern als von<br />

Vollzeitarbeitnehmern nicht nur Frauen, son<strong>der</strong>n auch diese Männer.<br />

Bis vor Kurzem betonte <strong>der</strong> Europäische Gerichtshof in seinem Fallrecht den formalen Aspekt. Daher wurde jede<br />

Maßnahme, die sich nicht formal auf das verbotene Kriterium stützte, im Kontext <strong>des</strong> Rahmens <strong>der</strong> <strong>mittelbaren</strong> Diskriminierung<br />

bewertet, selbst wenn ihr Effekt (praktisch) <strong>der</strong> gleiche war wie im Fall einer un<strong>mittelbaren</strong> Diskriminierung.<br />

Schnorbus, ein 2000 entschiedener Fall zur Gleichberechtigung von Mann <strong>und</strong> Frau, stellt ein Beispiel dar.<br />

In diesem Fall ging es um die Zulassung zur praktischen Rechtsausbildung in Deutschland. Da es mehr Bewerbungen<br />

als Stellen gab, sah das Recht den Aufschub von Bewerbungen vor, mit bestimmten Ausnahmeregelungen in<br />

Härtefällen. Unter an<strong>der</strong>em gehörten zu letzteren Personen, die den obligatorischen Wehr- o<strong>der</strong> Zivildienst geleistet<br />

hatten. Nach deutschem Recht galt dies ausschließlich für Männer. Infolge<strong>des</strong>sen konnten nur Männer von dieser<br />

beson<strong>der</strong>en Härtefallklausel profitieren, <strong>und</strong> Frauen konnten nie von ihr profitieren. Auf die Frage, ob dies einer<br />

un<strong>mittelbaren</strong> o<strong>der</strong> einer <strong>mittelbaren</strong> Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts gleichkomme, erklärte <strong>der</strong> Europäische<br />

Gerichtshof, dass„nur solche Vorschriften, die nicht gleichermaßen für Frauen <strong>und</strong> Männer gelten, als eine<br />

unmittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts betrachtet werden [können]“ (Schnorbus, Randnummer<br />

33) ( 147 ). Der Europäische Gerichtshof analysierte daher die Härtefallklausel im Lichte <strong>des</strong> <strong>Konzepts</strong> <strong>der</strong> <strong>mittelbaren</strong><br />

Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts. Dies wurde in <strong>der</strong> akademischen Literatur kritisiert, in <strong>der</strong> nahegelegt<br />

wurde, dass solche Fälle angesichts ihrer Effekte im Kontext <strong>der</strong> un<strong>mittelbaren</strong> Diskriminierung analysiert werden<br />

sollten (Tobler 2005a:312 f., mit weiteren Verweisen; außerdem Bell 2007b:218).<br />

Tatsächlich scheint es, dass die Feststellungen <strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofes in den neueren Fällen Nikoloudi<br />

(2005 entschieden) <strong>und</strong> Maruko (2008 entschieden) einen geän<strong>der</strong>ten Ansatz anzeigen. Nikoloudi war ein recht<br />

komplexer Fall, in dem es um Vorschriften aus einem Tarifvertrag zur Einglie<strong>der</strong>ung von außerplanmäßig Bediensteten<br />

als dauerhaft Bedienstete (in dem Fall„planmäßig Bedienstete“ genannt) ging. Nach diesen Vorschriften hatten<br />

nur außerplanmäßig Bedienstete, die min<strong>des</strong>tens zwei Jahre lang Vollzeit gearbeitet hatten, einen Anspruch<br />

auf Einglie<strong>der</strong>ung als planmäßig Bedienstete. In dem Fall ging es um eine außerplanmäßig Bedienstete, die nach<br />

einer Teilzeitbeschäftigung als Raumpflegerin etwas weniger als zwei Jahre lang Vollzeit arbeitete <strong>und</strong> sich aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> nicht für die Einglie<strong>der</strong>ung als planmäßig Bedienstete qualifizierte. Das mit <strong>der</strong> Angelegenheit befasste<br />

nationale Gericht fragte den Europäischen Gerichtshof, ob es in einem solchen Fall um mittelbare Diskriminierung<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts gehe, selbst wenn die fraglichen Vorschriften tatsächlich ausschließlich Raumpflegerinnen<br />

ausnahmen. Der Gr<strong>und</strong> hierfür war eine Bestimmung in <strong>der</strong> Allgemeinen Personalordnung, die rechtskräftig<br />

war <strong>und</strong> die vorsah, dass nur Frauen als Teilzeit-Raumpflegerinnen eingestellt werden konnten. Frau Nikoloudi, die<br />

Kommission <strong>und</strong> Generalanwältin Stix-Hackl argumentierten alle, dass es in einem solchen Fall um mittelbare Diskriminierung<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts gehe. Umgekehrt befand <strong>der</strong> Europäische Gerichtshof Folgen<strong>des</strong>:„Folglich<br />

führt das Kriterium <strong>der</strong> Vollzeitbeschäftigung als Voraussetzung für die Einglie<strong>der</strong>ung in das planmäßige Personal,<br />

auch wenn es hinsichtlich <strong>des</strong> Geschlechts <strong>des</strong> Arbeitnehmers anscheinend neutral ist, zum Ausschluss einer<br />

Gruppe von Arbeitnehmern, die nach Artikel 3 Absatz V Buchstabe d in Verbindung mit Artikel 24a Absatz 2 <strong>der</strong> Allgemeinen<br />

Personalordnung <strong>des</strong> OTE nur aus Frauen bestehen kann. Da ein solches Kriterium nicht dazu führt, dass<br />

zwei Situationen, die im Übrigen vergleichbar sind, im Hinblick auf die Einglie<strong>der</strong>ung nicht miteinan<strong>der</strong> verglichen<br />

werden können, stellt es eine unmittelbare Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Geschlechts dar.“ (Nikoloudi, Randnum-<br />

147<br />

( ) Der Gerichtshof hatte in Dekker (Randnummer 10) bereits erklärt, dass die Frage, ob unmittelbare o<strong>der</strong> mittelbare<br />

Diskriminierung vorliegt,„davonab[hängt], ob es sich bei dem wesentlichen Gr<strong>und</strong> fürdie Verweigerung <strong>der</strong> Einstellung um<br />

einen Gr<strong>und</strong> handelt,<strong>der</strong> unterschiedslos fürArbeitnehmer bei<strong>der</strong>lei Geschlechts o<strong>der</strong> aber ausschließlich füreines <strong>der</strong> beiden<br />

Geschlechter gilt“.<br />

thematischer bericht<br />

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