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15 – 18 Jahre / Gymnasialzeit II<br />
Vielleicht brauchte ich etwas, um mich nicht mehr seelisch nackt zu<br />
fühlen? Auf alle Fälle hatte der kleine Schmerz oder das Blut (oder<br />
meine Einbildung?) irgend etwas in mir gelindert. Ein beruhigendes<br />
Gefühl durchdrang mich, wenn ich nur an die Wunden dachte, die<br />
ich für die nächsten Tage und Wochen verstecken musste. Deshalb<br />
tue ich es jetzt auch nicht mehr. Wir haben Sommer, es ist heiß. Aber<br />
ich verspüre auch nicht mehr den Drang, mich selbst verletzen zu<br />
müssen. Vielleicht werde ich schon bald darüber lachen – ich meine,<br />
wenn ich die Pubertät endlich hinter mich gebracht habe.<br />
Dienstag, 25.08.1998<br />
Mit Sebastian verstehe ich mich ganz schlecht. Ich komme nicht mehr<br />
mit ihm zurecht. Er ist schrecklich trotzig, aggressiv, rebellisch, faul,<br />
respektlos und auch sonst anders. Er muss ja so werden, wenn er nur<br />
auf der Straße herum hängt.<br />
Seit Tagen könnte ich nur weinen.[...] Es ist so schrecklich, dass ich<br />
mit ansehen muss, wie die Welt aus allen Fugen gerät (Hochwasser<br />
in China, Russlands Währungsabsturz und Regierungszerfall,<br />
Bedrohung durch Afghanistan, […]).<br />
Ich habe Angst. Die Menschen sind so krank im Kopf. Es könnte so<br />
schön auf der Welt sein, aber nein, überall sind Gefahren, nirgendwo<br />
ist man sicher.[...] Ich möchte doch nur in Ruhe leben. Aber ich glaube,<br />
es gab noch nie eine Generation, der das Leid des Krieges erspart<br />
geblieben ist im Laufe ihres Lebens. Ich habe Angst. Und die Angst<br />
wächst.<br />
PS: Onkel Richard hatte einen Herzinfarkt und liegt noch auf der<br />
Intensivstation zur Beobachtung.<br />
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