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Fremde Frau in meinem Bett

Du siehst eine Frau, findest sie attraktiv, glaubst anderweitig Liebenswertes in ihr zu erkennen und wünscht dir nichts mehr, als dein weiteres Leben mit ihr zu verbringen. Nicht so ich. Dem schönen Schein glaubte ich nicht. Selbst bei den wundervollsten Frauen sah ich das zickig Zänkische nach dreißig Ehejahren, das auch heute schon in ihr angelegt sein musste. Eine Freundin hätte ich auch schon gern gehabt. Ich taxierte ja alle, aber immer dasselbe Resultat. Deshalb konnte ich auch keine Freundin finden. Meine Mutter hatte mir geraten, nach dem Liebenswerten zu suchen, das jeder Mensch in sich trage. Es veränderte manches, aber eine Freundin fand ich trotzdem nicht. Lola gehörte nicht zum Kreis meiner mehr oder weniger guten Freunde und auch nicht zu den Frauen, die ich auf Beziehungsfähigkeit taxiert, und bei denen ich Lust hatte, nach dem Liebenswerten zu fanden. Ich lud sie nicht zur Geburtstagsfeier ein und fragte sie auch nicht nach einem gemeinsamen Konzertbesuch. Auf die Idee kam ich gar nicht. Das hätte nicht gepasst. Ich empfand unser Verhältnis als äußerst vertrauensvoll, aber doch mit einem gewissen Grad an Distanziertheit. Eines Tages kam Lola und wollte bei mir schlafen. Selbstverständlich mit mir in meinem Bett. Ich schaute sie gern an, trotzdem hätte ich am liebs­ten zwischen Lola und mich eine Wand gebaut. Ich weiß nicht, ob es Angst war, aber Unsicherheit bestimmt. Was sollte denn daraus werden?

Du siehst eine Frau, findest sie attraktiv, glaubst anderweitig Liebenswertes in ihr zu erkennen und wünscht dir nichts mehr, als dein weiteres Leben mit ihr zu verbringen. Nicht so ich. Dem schönen Schein glaubte ich nicht. Selbst bei den wundervollsten Frauen sah ich das zickig Zänkische nach dreißig Ehejahren, das auch heute schon in ihr angelegt sein musste. Eine Freundin hätte ich auch schon gern gehabt. Ich taxierte ja alle, aber immer dasselbe Resultat. Deshalb konnte ich auch keine Freundin finden. Meine Mutter hatte mir geraten, nach dem Liebenswerten zu suchen, das jeder Mensch in sich trage. Es veränderte manches, aber eine Freundin fand ich trotzdem nicht. Lola gehörte nicht zum Kreis meiner mehr oder weniger guten Freunde und auch nicht zu den Frauen, die ich auf Beziehungsfähigkeit taxiert, und bei denen ich Lust hatte, nach dem Liebenswerten zu fanden. Ich lud sie nicht zur Geburtstagsfeier ein und fragte sie auch nicht nach einem gemeinsamen Konzertbesuch. Auf die Idee kam ich gar nicht. Das hätte nicht gepasst. Ich empfand unser Verhältnis als äußerst vertrauensvoll, aber doch mit einem gewissen Grad an Distanziertheit. Eines Tages kam Lola und wollte bei mir schlafen. Selbstverständlich mit mir in meinem Bett. Ich schaute sie gern an, trotzdem hätte ich am liebs­ten zwischen Lola und mich eine Wand gebaut. Ich weiß nicht, ob es Angst war, aber Unsicherheit bestimmt. Was sollte denn daraus werden?

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Carmen Sevilla<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong><br />

Lolas radikaler Schritt <strong>in</strong>s neue Leben<br />

Erzählung<br />

L'amour a son <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ct,il sait trouver le chem<strong>in</strong> du coeur<br />

comme le plus faible <strong>in</strong>secte marche à sa fleur<br />

avec une irrésistible volonté.<br />

Honoré de Balzac<br />

Du siehst e<strong>in</strong>e <strong>Frau</strong>, f<strong>in</strong>dest sie attraktiv, glaubst anderweitig Liebenswertes <strong>in</strong><br />

ihr zu erkennen und wünscht dir nichts mehr, als de<strong>in</strong> weiteres Leben mit ihr<br />

zu verbr<strong>in</strong>gen. Nicht so ich. Dem schönen Sche<strong>in</strong> glaubte ich nicht. Selbst bei<br />

den wundervollsten <strong>Frau</strong>en sah ich das zickig Zänkische nach dreißig<br />

Ehejahren, das auch heute schon <strong>in</strong> ihr angelegt se<strong>in</strong> musste. E<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong><br />

hätte ich auch schon gern gehabt. Ich taxierte ja alle, aber immer dasselbe<br />

Resultat. Deshalb konnte ich auch ke<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> f<strong>in</strong>den. Me<strong>in</strong>e Mutter hatte<br />

mir geraten, nach dem Liebenswerten zu suchen, das jeder Mensch <strong>in</strong> sich<br />

trage. Es veränderte manches, aber e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> fand ich trotzdem nicht. Lola<br />

gehörte nicht zum Kreis me<strong>in</strong>er mehr oder weniger guten Freunde und auch<br />

nicht zu den <strong>Frau</strong>en, die ich auf Beziehungsfähigkeit taxiert, und bei denen ich<br />

Lust hatte, nach dem Liebenswerten zu fanden. Ich lud sie nicht zur<br />

Geburtstagsfeier e<strong>in</strong> und fragte sie auch nicht nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />

Konzertbesuch. Auf die Idee kam ich gar nicht. Das hätte nicht gepasst. Ich<br />

empfand unser Verhältnis als äußerst vertrauensvoll, aber doch mit e<strong>in</strong>em<br />

gewissen Grad an Distanziertheit. E<strong>in</strong>es Tages kam Lola und wollte bei mir<br />

schlafen. Selbstverständlich mit mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong>. Ich schaute sie gern an,<br />

trotzdem hätte ich am liebsten zwischen Lola und mich e<strong>in</strong>e Wand gebaut. Ich<br />

weiß nicht, ob es Angst war, aber Unsicherheit bestimmt. Was sollte denn<br />

daraus werden? Unsere Beziehung war so <strong>in</strong>tensiv, dass wir uns noch niemals<br />

geküsst hatten. Alles Erotische war ihr immer wesensfremd. Jetzt, wo wir<br />

geme<strong>in</strong>sam im <strong>Bett</strong> lagen, konnte ich es ja nicht mehr leugnen, dass sie auch<br />

e<strong>in</strong>e begehrenswerte <strong>Frau</strong> war. Aber das müsste man doch langsam<br />

entwickelnd entdecken, so passte es überhaupt nicht zu unserer Beziehung. Es<br />

verwirrte mich nur enorm. „Lola, ich kann das nicht. Es geht nicht. Ich werde<br />

doch bei mir auf der Couch schlafen.“ erklärte ich. „Wenn ich dir auch<br />

zugestehen muss, dass wir uns sehr gut kennen, aber <strong>in</strong> Bezug auf Liebe und<br />

Zuneigung hat es da doch nie etwas gegeben.“ Lola blickte mich ernst, fast e<strong>in</strong><br />

wenig traurig an. „Ich kann und werde dich nicht zurück halten, Fabian, nur<br />

was du sagst, tut weh.“ me<strong>in</strong>te Lola dazu. „Ich habe dich für e<strong>in</strong>en<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 1 von 15


gefühlsreichen Menschen gehalten, dem nicht entgangen se<strong>in</strong> könnte, dass ich<br />

dich sehr, sehr mag. Man kann es auch anders ausdrücken, und ich war mir<br />

sicher, es bei dir ebenso gespürt zu haben.“ Es war nicht nur nett zwischen<br />

uns, es sollte e<strong>in</strong>e Liebesbeziehung se<strong>in</strong>? E<strong>in</strong>fach so glauben, konnte ich Lola<br />

das nicht, zumal sie doch auch e<strong>in</strong>en Freund hatte, den sie liebte. „O. k., Lola,<br />

ich bleibe, aber unter e<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gung: Du musst mir genau erklären, wie du<br />

uns siehst und <strong>in</strong> welchem Verhältnis es zu de<strong>in</strong>er jetzigen Beziehung steht.“<br />

beanspruchte ich. Lola schaute kurz <strong>in</strong>s Leere, setzte sich auf's Kopfkissen und<br />

lehnte sich an die Rückwand. „Na gut,“ sagte sie, „aber es ist e<strong>in</strong>e lange und<br />

sehr <strong>in</strong>time Geschichte.“<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Inhalt<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong>.......................................................... 4<br />

Glauben.......................................................................................... 4<br />

Mögliche Freund<strong>in</strong>nen....................................................................5<br />

Kuliklauer....................................................................................... 5<br />

Physikerliebe.................................................................................. 6<br />

Das Liebenswerte........................................................................... 7<br />

Kaffeeklatsch..................................................................................7<br />

Heute Nacht hier schlafen..............................................................8<br />

Lola, ich kann das nicht.................................................................. 9<br />

Lola, ich bleibe.............................................................................10<br />

Revolutionärer Akt.......................................................................11<br />

Schwester von Schneewittchen.................................................... 12<br />

Paradiesische Tage....................................................................... 13<br />

Freunde........................................................................................ 14<br />

Märchenland................................................................................. 14<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 2 von 15


<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong><br />

Glauben<br />

„Morgen wird es nicht regnen, die Sonne wird sche<strong>in</strong>en, und schön warm wird<br />

es se<strong>in</strong>.“ sagst du. Das soll ich dir glauben? Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> zutiefst ungläubiger<br />

Mensch. Ich könnte dich fragen, warum du zu der Annahme kommst, und es<br />

dir dann vielleicht glauben, aber ich glaube nicht gern und lass es lieber bleiben.<br />

Ich hüte mich davor, etwas zu glauben, und manchmal glaube ich mir selber<br />

nicht. Wenn du es siehst, hörst oder fühlst, me<strong>in</strong>st du, es zu wissen, aber<br />

de<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d auch ke<strong>in</strong>e absolut sicheren Garanten. Sie lassen sich täuschen<br />

und geben sich Illusionen h<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d auch nicht unvore<strong>in</strong>genommen,<br />

das meiste nehmen sie wahr, wie de<strong>in</strong> Unbewusstes es ihnen vorgibt, und wie<br />

sie es erwarten. Ich b<strong>in</strong> nicht misstrauisch und folge allem nur mit großer<br />

Skepsis und Vorbehalten, nur dass me<strong>in</strong>e Welt daraus bestehen soll, was ich zu<br />

glauben habe, ärgert mich schon seit frühester K<strong>in</strong>dheit. Du denkst als K<strong>in</strong>d<br />

hast du nach allem gefragt, bis es de<strong>in</strong>e Eltern nervte, so hättest du die Welt<br />

kennengelernt. Durch Fragen zu Wissen zu gelangen, sei e<strong>in</strong>e Grundstruktur,<br />

die sich bei de<strong>in</strong>er Gehirnentwicklung fest e<strong>in</strong>geprägt habe. Doch vorher hattest<br />

du auch schon Wissen, nachdem du nie gefragt hattest. Dass de<strong>in</strong>e Mutter<br />

de<strong>in</strong> Schutz und Ankerplatz <strong>in</strong> dieser Welt war, wusstest du schon, bevor du<br />

sprechen und verstehen konntest. Und dann gab es auch immer manches, was<br />

ke<strong>in</strong>er Frage bedurfte. Es war schon selbstverständlich, weil es zu de<strong>in</strong>em Leben<br />

gehörte, bevor du zum Fragen kamst. Du hast nie gefragt, warum du dich<br />

morgens anziehst und nie gefragt, warum du bei Tisch und vorm Zubettgehen<br />

beten sollst. Dass es Selbstverständlichkeiten gibt, die du nicht h<strong>in</strong>terfragst,<br />

hat sich auch bei de<strong>in</strong>er Gehirnentwicklung e<strong>in</strong>gebrannt, und du verfährst auch<br />

heute oft so.<br />

Die Vorstellung, dass vierzehn Engle<strong>in</strong> um mich stehen und mich die Nacht<br />

über behüten fand ich zauberhaft, genauso wie die gute Fee dem Fischer<br />

mehrmals e<strong>in</strong>en freien Wunsch erfüllt hatte. Die Existenz der Fee war nicht<br />

real, daran glaubte ich selbstverständlich nicht, aber an die Engle<strong>in</strong> sollte ich<br />

glauben. Ich habe nicht dagegen protestiert und konnte auch nicht vermuten,<br />

dass me<strong>in</strong>e Mutter mich belügen würde, aber skeptisch hat es mich gemacht.<br />

Nicht nur, dass die Engle<strong>in</strong> real existieren sollten, sondern auch allem weiteren,<br />

was aus dieser Richtung kam, stand ich mit größten Bedenken gegenüber. Es<br />

hätte ja so schön se<strong>in</strong> können, wenn nicht der Zwang bestanden hätte, es<br />

glauben zu müssen. Vor allem dieser Missbrauch des schönen Wortes 'glauben'<br />

hat sich mir e<strong>in</strong>geprägt. Glauben be<strong>in</strong>haltet Vertrauen, aber nicht das Aufoktroyieren<br />

von märchenhaften Geschichten, die als Wissen unter Strafandrohung<br />

für's spätere Leben den K<strong>in</strong>dern vermittelt werden. Es gibt nicht weniges,<br />

was ich gerne glauben möchte, so auch, dass das Wetter morgen schön wird,<br />

aber vieles lasse ich gar nicht dah<strong>in</strong> kommen, dass ich es zu glauben wünsche.<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 3 von 15


Mögliche Freund<strong>in</strong>nen<br />

Ich hatte mich später zwar <strong>in</strong>tensiver mit Glauben, Wissen und Religionen ause<strong>in</strong>andergesetzt,<br />

aber es hatte mich weiter geführt zu Grundfragen menschlicher<br />

Kommunikation. Deshalb studierte ich auch Kommunikationswissenschaften.<br />

E<strong>in</strong> gemischtes Volk waren die Student<strong>in</strong>nen und Studenten mit den unterschiedlichsten<br />

Motivationen. Lola hatte klare Vorstellungen. Sie wollte später<br />

als Redakteur<strong>in</strong> beim Fernsehen oder Rundfunk arbeiten. Sie wirkte eher nicht<br />

wie e<strong>in</strong>e Student<strong>in</strong>. Sie war groß, erweckte e<strong>in</strong>en gereifteren E<strong>in</strong>druck. Man<br />

hätte sie für e<strong>in</strong>e Dozent<strong>in</strong> gehalten, während den meisten Kommiliton<strong>in</strong>nen<br />

noch mehr Jugendliches anhaftete. Ich stand zur Zeit auf Kriegsfuß mit allen<br />

<strong>Frau</strong>en dieser Welt außer me<strong>in</strong>er Mutter. Im Pr<strong>in</strong>zip hätte ich schon gern e<strong>in</strong>e<br />

Freund<strong>in</strong> gehabt. Homoerotische Anwandlungen kamen bei mir nicht vor, aber<br />

bei konkreten Vorstellungen sah ich wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zerrütteten Ehe bei allen potentiellen<br />

Freund<strong>in</strong>nen nur die Fehler oder vermutete sie. Wenn ich sie nur sah,<br />

zum Beispiel bei <strong>Frau</strong>en an der Bushaltestelle, erkannte ich trotz bezaubernden<br />

Aussehens ihre charakterlichen Fehler. Ke<strong>in</strong>eswegs war ich misogyn oder allgeme<strong>in</strong><br />

frauenfe<strong>in</strong>dlich, im Gegenteil, ich unterstützte fem<strong>in</strong>istische Ansichten, es<br />

war nur immer die e<strong>in</strong>zelne, die ich mir als potentielle Partner<strong>in</strong> vorstellen sollte.<br />

Ich hatte Bekannte und Freund<strong>in</strong>nen, aber für e<strong>in</strong>e engere Beziehung konnte<br />

ich ke<strong>in</strong>e <strong>Frau</strong> als wünschenswert erkennen. Natürlich liebte ich me<strong>in</strong>e Mutter,<br />

aber e<strong>in</strong> irreales madonnenhaftes Idealbild konnte ich als Wunschvorstellung<br />

nicht ausmachen. Entwicklungsprobleme waren bei mir auch nicht ersichtlich.<br />

Ich war mit me<strong>in</strong>er zwei Jahre älteren Schwester aufgewachsen. Wir liebten,<br />

und wir hassten uns. Wenn me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung so bestehen bliebe, würde<br />

ich mich doch wohl mal von e<strong>in</strong>em Therapeuten beraten lassen müssen, aber<br />

zur Zeit litt ich ke<strong>in</strong>eswegs darunter.<br />

Kuliklauer<br />

Es war launisches Aprilwetter, mal schien die Sonne warm, dann regnete es<br />

wieder. Launig war auch me<strong>in</strong>e Stimmung, als ob ich wie e<strong>in</strong> Schüler Lust auf<br />

e<strong>in</strong>en Streich gehabt hätte. Ich saß neben Lola <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Übung. Wir kannten<br />

uns nicht, warteten auf den Beg<strong>in</strong>n und redeten e<strong>in</strong> paar Worte. Als Lola gerade<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Richtung schaute, stibitzte ich ihren auf dem Tisch liegenden<br />

Kuli. Mit e<strong>in</strong>em mokanten Gr<strong>in</strong>sen wurde ich bedacht, aber es war nicht nur<br />

überheblich böse. Ich musste über ihr Gesicht lachen, und sie verzog ihre Mimik<br />

auch zu e<strong>in</strong>em wohlwollenden Lächeln. „Du böser Junge, was machst du<br />

für Streiche?“ sagte sie zu mir und ich lachte wieder. „Ich weiß auch nicht. Ansche<strong>in</strong>end<br />

habe ich heute Lust auf k<strong>in</strong>dische Albernheiten.“ antwortete ich. Ansche<strong>in</strong>end<br />

gefiel uns dieser Uns<strong>in</strong>n, obwohl er zu ke<strong>in</strong>em von uns beiden passte.<br />

Bei der nächsten Sitzung setzten wir uns wieder wie selbstverständlich nebene<strong>in</strong>ander.<br />

Obwohl ich Lola diesmal nicht den Kuli klaute, schienen wir Gefal-<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 4 von 15


len an kle<strong>in</strong>en schelmischen Neckereien zu haben. Und immer setzte Lola diesen<br />

mokanten Blick auf, von dem ihr klar war, dass er mich ke<strong>in</strong>eswegs beschämte.<br />

Bei den kurzen Smalltalks erzählten wir e<strong>in</strong> wenig vone<strong>in</strong>ander, und<br />

sie erfuhr auch, dass ich Fabian hieß.<br />

In gewisser weise hatte sich dieser alberne Nonsens zwischen uns etabliert.<br />

Obwohl ich so etwas sonst von mir überhaupt nicht kannte, aber wenn ich Lola<br />

an der Uni traf, musste ich e<strong>in</strong>en blöden Spruch ablassen. „Na, wieder langweilig<br />

zu Hause?“ oder ähnliches. E<strong>in</strong>mal schlug Lola vor, geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en Kaffee<br />

zu tr<strong>in</strong>ken. Es machte uns Freude, gegenseitig vone<strong>in</strong>ander zu erzählen, weil<br />

wir aus völlig unterschiedlichen Richtungen kamen. Me<strong>in</strong> Schwerpunkt war das<br />

Philosophisch-Soziologische, während Lola mehr <strong>in</strong> konkreten beruflichen Perspektiven<br />

dachte. Sie schwärmte von der wundervollen Arbeit mancher Journalist<strong>in</strong>nen<br />

und wollte so gut werden, dass sie später auch als Freie e<strong>in</strong>e Chance<br />

habe. Ob wir nicht mal wieder etwas zusammen belegen könnten, fragte sie<br />

zum Schluss. Sie wisse nicht genau warum, aber sie habe es <strong>in</strong> sehr angenehmer<br />

Er<strong>in</strong>nerung. Natürlich, es machte e<strong>in</strong> belebendes Gefühl, wenn zwei, die<br />

von sich wussten, dass sie darüber standen, Lust auf Albernheiten verspürten.<br />

Physikerliebe<br />

Wir besuchten e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar und hatten geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> Referat übernommen.<br />

Mehrmals trafen wir uns bei mir. Lola me<strong>in</strong>te, große Lücken bei sich festgestellt<br />

zu haben. Inhaltlich fehle ihr doch noch vieles. „Dafür kannst du sehr lustig<br />

se<strong>in</strong>. Das wissen viele nicht zu schätzen. Aber de<strong>in</strong>em Freund wird das sicher<br />

gefallen.“ me<strong>in</strong>te ich. Jetzt gr<strong>in</strong>ste Lola nicht, sondern schaute mich ernst an.<br />

„Das kannst du gar nicht verstehen, Fabian.“ sagte sie, „Das ist e<strong>in</strong>e andere<br />

Welt.“ Ihr Freund studierte Physik und war zwei Jahre älter als sie. „Willst du's<br />

mir trotzdem zu erklären versuchen?“ bat ich sie, aber Lola wollte nicht. Ich<br />

merkte, wie es mich beschäftigte, versuchte mir e<strong>in</strong>iges von dem, was ich nicht<br />

verstehen konnte, vorzustellen, aber es war ja so irreal und entbehrte jeder<br />

Grundlage, dass ich mich nicht genötigt sah, etwas zu vermuten oder gar zu<br />

glauben. Spezialitäten bei der Beziehung mit Physikern kannte ich jedenfalls<br />

nicht. Warum <strong>in</strong>teressierte es mich eigentlich, warum wollte ich etwas über das<br />

Privatleben dieser fremden <strong>Frau</strong> wissen? Natürlich hatte ich sie immer als <strong>Frau</strong><br />

gesehen, aber es fiel mir auf, dass sie me<strong>in</strong>em Fehlerbewertungssystem als<br />

potentielle Freund<strong>in</strong> entgangen war. Sie bildete e<strong>in</strong>e Ausnahme von dem Kreis<br />

derer, bei denen ich die Ehe schon als zerrüttet ansah, bevor der Hauch e<strong>in</strong>er<br />

Beziehung bestand. Jetzt war es zu spät, dafür kannte ich zu viel von Lola. Abgesehen<br />

davon legte ich sowieso ke<strong>in</strong>en Wert darauf. Me<strong>in</strong>e Taxierungen störten<br />

mich, waren mir unangenehm, nur ganz vermeiden ließ es sich nicht. Im<br />

Pr<strong>in</strong>zip machen es ja alle automatisch, bewerten den oder die andere beim ersten<br />

Blick als potentiellen Sexualpartner, nehmen es nur nicht wahr. Bei Lola<br />

schien ich das nicht getan zu haben oder es war mir auch nicht bewusst geworden.<br />

Me<strong>in</strong> Verhältnis zu ihr bewertete ich eher als kumpelhaft, freundschaftlich,<br />

nicht unähnlich dem zu me<strong>in</strong>er Schwester. Mit me<strong>in</strong>er Schwester<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 5 von 15


konnte ich mich allerd<strong>in</strong>gs heftig streiten, dazu verspürte ich bei Lola ke<strong>in</strong>en<br />

Bedarf. Dass es so ablaufen würde wie mit me<strong>in</strong>er Schwester, hielt ich auch für<br />

sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich. Wir konnten uns wüst beschimpfen, aber gleich darauf<br />

wieder Geme<strong>in</strong>sames ausmachen. Ernsthaft böse aufe<strong>in</strong>ander zu se<strong>in</strong>, schien<br />

für uns beide unmöglich. Wahrsche<strong>in</strong>lich hatten wir uns <strong>in</strong> unserer Entwicklung<br />

gegenseitig als Sparr<strong>in</strong>gpartner zum Tra<strong>in</strong>ieren von Konflikten mit anderen angesehen.<br />

Das Liebenswerte<br />

Ich sprach mit me<strong>in</strong>er Mutter über me<strong>in</strong> Problem, e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den. Vielleicht<br />

war ihr ja etwas aufgefallen, das zu Klärung beitragen könnte. Sie me<strong>in</strong>te,<br />

dass es schon etwas mit unserer Beziehung zue<strong>in</strong>ander zu tun habe. In der<br />

Pubertät hätte ich sie ja als me<strong>in</strong>e erste wünschenswerte Freund<strong>in</strong> angesehen.<br />

Die Phase sei wohl überwunden, aber etwas Grundlegendes zum Bild e<strong>in</strong>er vorstellbaren<br />

<strong>Frau</strong> könne sich schon dauerhaft etabliert haben. „Aber ich habe<br />

doch gar ke<strong>in</strong> Bild von e<strong>in</strong>er wünschenswerten oder möglichen Freund<strong>in</strong>.“ entgegnete<br />

ich. „Das hast du schon, du kennst es nur nicht. Das brauchst du mir<br />

nicht zu glauben, das ist so. E<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> nach e<strong>in</strong>em vorgefassten Bild zu f<strong>in</strong>den,<br />

würde dich nicht sonderlich bewegen, weil es sich an der Oberfläche bewegt.<br />

Dass sie etwas <strong>in</strong> dir anspricht, von dem du nichts weißt, bewirkt den<br />

Reiz für dich. Sich <strong>Frau</strong>en anzuschauen, und zu hoffen, dass du irgendwann<br />

mal e<strong>in</strong>e siehst, an der dir nichts Nachteiliges auffällt, ist e<strong>in</strong> müßiges Unterfangen<br />

und kann nicht der Weg zum Erfolg se<strong>in</strong>. An de<strong>in</strong>e imag<strong>in</strong>ierten Fehler<br />

sche<strong>in</strong>st du felsenfest zu glauben. Du studierst doch Kommunikationswissenschaften,<br />

da solltest du doch auch wissen, dass du jeden Menschen so tief kennenlernen<br />

kannst, dass se<strong>in</strong>e sogenannten Fehler für dich zu nebensächlichen<br />

Äußerlichkeiten degradiert werden.“ me<strong>in</strong>e Mutter dazu. Alle <strong>Frau</strong>en me<strong>in</strong>e potentiellen<br />

Freund<strong>in</strong>nen? Die Vorstellung musste ich nicht nur glauben, sondern<br />

erst mal verarbeiten. Natürlich war ja jeder im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong> guter Mensch, und<br />

wurde auch von se<strong>in</strong>er Mutter trotz aller möglicher Fehler geliebt, aber mir<br />

wollte es doch sehr schwer fallen. Wenn ich mir vorstellen sollte, wo bei dieser<br />

neurotisch, zickig wirkenden <strong>Frau</strong> der Kern liegen sollte, den ich lieben könnte,<br />

fiel es mir nicht leicht und ich empfand den Versuch eher als lustig. Tatsächlich,<br />

es machte viel mehr Spaß, <strong>Frau</strong>en daraufh<strong>in</strong> zu betrachten, warum ich sie<br />

trotzdem lieben könnte. Das veränderte mich. Ich konnte jetzt Lisa betrachten,<br />

und versuchte <strong>in</strong> ihr das Liebenswerte zu f<strong>in</strong>den. Me<strong>in</strong>e Versuche waren meist<br />

von Schmunzeln begleitet. Ich hörte ja ständig ihre höchst unangenehme Reibeisenstimme,<br />

wie sollte das denn zu e<strong>in</strong>er nebensächlichen Äußerlichkeit werden,<br />

ohne dass sich bei mir selbst etwas veränderte, und ich lernte krächzende<br />

Stimmen zu lieben. E<strong>in</strong> anderer Effekt war, dass sich me<strong>in</strong>e Kommunikation<br />

wohl änderte und ich mit e<strong>in</strong>er <strong>Frau</strong> immer als potentiell Liebenswerte sprach,<br />

dazu meistens lustig war, weil es mich amüsierte. Bei <strong>Frau</strong>en schien ich beliebter<br />

zu werden und erlebte nicht wenige Annäherungsversuche. Ich wollte aber<br />

trotzdem nicht, obwohl ich doch sicher war, das Liebenswerte entdecken zu<br />

können.<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 6 von 15


Kaffeeklatsch<br />

Lola gehörte nicht zum Kreis me<strong>in</strong>er mehr oder weniger guten Freunde und<br />

auch nicht zu den <strong>Frau</strong>en, bei denen ich Lust hatte, nach dem Liebenswerten<br />

zu fanden. Ich lud sie nicht zur Geburtstagsfeier e<strong>in</strong> und fragte sie auch nicht<br />

nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Konzertbesuch. Auf die Idee kam ich gar nicht. Das<br />

hätte nicht gepasst. Ich empfand unser Verhältnis als äußerst vertrauensvoll,<br />

aber doch mit e<strong>in</strong>em gewissen Grad an Distanziertheit. Wenn wir nichts geme<strong>in</strong>sam<br />

belegt hatten, g<strong>in</strong>gen wir nicht selten auf e<strong>in</strong>en Espresso <strong>in</strong> die Cafeteria,<br />

wenn wir uns <strong>in</strong> der Uni begegneten. „Warum kommst du nicht mal wieder<br />

auf e<strong>in</strong>en Kaffee zu mir? Dann haben wir e<strong>in</strong> wenig mehr Zeit, und ich<br />

empf<strong>in</strong>de es als angenehmer.“ schlug ich vor. Lola war nicht abgeneigt, und wir<br />

vere<strong>in</strong>barten e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong>. Lola kam öfter, und es spielte sich so e<strong>in</strong>, das wir<br />

regelmäßig mittwochs bei mir Kaffeeklatschterm<strong>in</strong> hatten. Mal brachte sie e<strong>in</strong><br />

Stückchen Kuchen mit, mal hatte ich etwas besorgt. Permanent war immer<br />

noch die Frage nach dem Verhältnis zu ihrem Freund bei mir gegenwärtig. Ich<br />

versuchte manchmal <strong>in</strong>direkt das Gespräch darauf zu br<strong>in</strong>gen, aber Lola blockte<br />

ab. Sie schien ke<strong>in</strong>esfalls darüber etwas äußern zu wollten, was me<strong>in</strong>e Fantasie<br />

zu den obskursten Vermutungen animierte. Vielleicht war sie ihm ja hörig,<br />

von ihm abhängig oder noch Schlimmeres, aber das brauchte ich ja gottlob<br />

nicht zu glauben, es waren ja Märchen.<br />

Heute Nacht hier schlafen<br />

Wir kannten uns jetzt schon fast zwei Jahre. Dass wir nicht mehr geme<strong>in</strong>sam<br />

Kaffee tr<strong>in</strong>ken und mite<strong>in</strong>ander würden reden können, wenn wir unser Studium<br />

abgeschlossen hätten, erschien uns als erhebliche E<strong>in</strong>buße an Lebensqualität.<br />

Was aber an e<strong>in</strong>em Spätnachmittag geschah, zu dem wir ke<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> für's<br />

Kaffeetr<strong>in</strong>ken ausgemacht hatten, hätte ich auch fast dem Bereich der Märchen<br />

zugeordnet, doch die Frage glauben oder nicht, stellte sich nicht, weil ich nicht<br />

leugnen konnte, es real zu erleben. Es war schon später, und Lola stand vor<br />

der Tür. Jetzt noch Kaffee tr<strong>in</strong>ken? Lolas Umhängetasche, <strong>in</strong> der sich immer e<strong>in</strong>ige<br />

Unterlagen und ihr Laptop befand, war dick ausgebeult. Kuchen würde sie<br />

nicht <strong>in</strong> die Tasche stecken. „Lola, was gibt’s?“ fragte ich nur leicht verwundert.<br />

Sie setzte sich an den Tisch und legte ihre Tasche darauf. „Ich wollte heute<br />

Nacht bei dir schlafen.“ verkündete sie knapp. Sie hatte doch e<strong>in</strong>e eigene Wohnung,<br />

trotzdem fragte ich: „Hast du Ärger?“ Hatte sie nicht. „Und warum<br />

dann?“ fragte ich weiter. „Weil ich es gerne möchte.“ Lola darauf. „Bitte, kannst<br />

du nicht e<strong>in</strong> bisschen gescheiter reden?“ bat ich sie. „Wir erleben uns immer<br />

nur <strong>in</strong> spezifischen Situationen, meistens beim Kaffeetr<strong>in</strong>ken und manchmal an<br />

der Uni. Ich möchte mehr von dir kennenlernen.“ lautete Lolas Begründung.<br />

Ich hielt es für unfassbar und für e<strong>in</strong>e absolut verrückte Idee. „Und wenn du<br />

hier übernachtest, lernst du mehr von mir kennen?“ vergewisserte ich mich<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 7 von 15


noch. „Na gut, dann zeig ich dir mal, wo du schlafen kannst.“ erklärte ich und<br />

g<strong>in</strong>g mit ihr <strong>in</strong>s Schlafzimmer. „Ist das o. k. so, oder soll ich es neu beziehen.“<br />

fragte ich und erklärte, dass ich dann bei mir auf der Couch schlafen würde.<br />

„Ne<strong>in</strong>, wieso das denn?“ rief sie entrüstet, „Ich wollte doch mit dir zusammen<br />

<strong>in</strong> de<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> schlafen.“ Ich wusste nicht, was ich hörte. Es schien mir so kurios,<br />

dass ich es wohl nicht glauben konnte und mich stattdessen krümmte vor<br />

Lachen. „Lola, was hast du vor?“ fragte ich immer noch lachend. „Na und?“<br />

me<strong>in</strong>te sie, „Wenn du etwas beabsichtigst, was ich nicht möchte, werde ich dir<br />

schon auf die F<strong>in</strong>ger klopfen. Aber das wird nicht nötig se<strong>in</strong>, nicht wahr. Wenn<br />

es aber für uns beide nett se<strong>in</strong> sollte, wer weiß, was sich daraus entwickeln<br />

kann.“ „Ne<strong>in</strong>, Lola, das kann nicht se<strong>in</strong>, das geht nicht. Wir kennen uns doch<br />

gar nicht.“ erklärte ich darauf und erregte damit Lolas Zorn. „Wir kennen uns<br />

gar nicht? Was kannst du denn für böse Worte sprechen? Wen willst du denn<br />

wohl besser kennen als mich? Gibt es für mich etwa jemanden, den ich besser<br />

kenne als dich? Aber wir kennen uns ja nicht. Wenn das der Stil unserer<br />

Unterhaltung se<strong>in</strong> soll, fahr ich doch am besten wieder nach Hause.“ schimpfte<br />

Lola wütend. Am liebsten hätte ich gesagt: „Ja, bitte, mach das.“, dazu traute<br />

ich mich jedoch nicht, obwohl ich die gesamte Situation nicht nur als sehr<br />

überraschend, sondern auch stark beklemmend erlebte. Nur dass dem armen<br />

Fischer plötzlich e<strong>in</strong>e gute Fee e<strong>in</strong>en Wunsch frei gab, hatte er auch sicher als<br />

überraschend und sehr außergewöhnlich empfunden, war jedoch nicht auf den<br />

Gedanken gekommen, es zurückzuweisen. Ansche<strong>in</strong>end ist Derartiges im<br />

menschlichen Leben nicht unüblich, nur ich wurde wohl zum erst mal damit<br />

konfrontiert. Ich blieb konsterniert. Wie Lola geschimpft hatte, gefiel mir. Mit<br />

ihr würde man sich bestimmt sehr gut streiten können, aber dafür kannten wir<br />

uns eben nicht h<strong>in</strong>reichend. Vielleicht wäre das ja morgen früh so weit.<br />

Lola, ich kann das nicht<br />

Ich konnte gar nicht mehr mit Lola darüber reden. Me<strong>in</strong> Zwerchfell befand sich<br />

<strong>in</strong> ständiger Anspannung. Absolut irreal war es, was ich erlebte. Das hatte<br />

auch nicht zu dem gehört, woran ich gern geglaubt hätte, weil ich es mir gar<br />

nicht wünschen konnte. Obwohl ich mich für ke<strong>in</strong>eswegs prüde hielt, ließ ich<br />

heute T-Shirt und Slip für die Nacht an. Lola kam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiß mit Blümchen<br />

verzierten Flanell Schlafanzug aus dem Bad. Süß wirkte sie, die <strong>Frau</strong>, die sonst<br />

eher Züge e<strong>in</strong>er Diva zeigte. Weil ich lächelte, me<strong>in</strong>te sie etwas zu ihrem<br />

Schlafanzug sagen zu müssen. „Brauche ich.“ sagte sie, „Habe ich immer angehabt.<br />

Zum Schlafen gehört für mich e<strong>in</strong> schmuseliger Schlafanzug. Und du<br />

schläfst immer <strong>in</strong> Hemd und Höschen?“ „Ne<strong>in</strong>, ich habe auch e<strong>in</strong> paar Schlafanzüge,<br />

für den Notfall, aber ich mag sie überhaupt nicht. Sonst habe ich im <strong>Bett</strong><br />

nichts an. Ich wollte dir nur den Anblick ersparen.“ antwortete ich und bekam<br />

dafür wieder Lolas mokantes Lächeln geschenkt. „Na ja, wenn die Leute es sogar<br />

lieben, am Strand nackt rumzulaufen, warum sollen sie dann nicht auch<br />

nackt schlafen.“ gestand sie mir fast bedauernd zu. Ob ich mal versuchen sollte,<br />

mich mit ihr über die Vorzüge und tieferen Begründungen, nackt zu schlafen<br />

zu streiten? E<strong>in</strong> wenig Lust hätte ich schon gehabt, aber nicht jetzt, wo sie<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 8 von 15


so süß auf dem <strong>Bett</strong> lag. Ich schaute sie gern an, trotzdem hätte ich am liebsten<br />

zwischen Lola und mich e<strong>in</strong>e Wand gebaut. Ich weiß nicht, ob es Angst war,<br />

aber Unsicherheit bestimmt. Was sollte denn daraus werden? Unsere Beziehung<br />

war so <strong>in</strong>tensiv, dass wir uns wir uns noch niemals geküsst hatten. Alles<br />

Erotische war ihr immer wesensfremd. Jetzt, wo wir geme<strong>in</strong>sam im <strong>Bett</strong> lagen,<br />

konnte ich es ja nicht mehr leugnen, dass sie auch e<strong>in</strong>e begehrenswerte <strong>Frau</strong><br />

war. Aber das müsste man doch langsam entwickelnd entdecken, so passte es<br />

überhaupt nicht zu unserer Beziehung. Es verwirrte mich nur enorm. „Lola, ich<br />

kann das nicht. Es geht nicht. Ich werde doch bei mir auf der Couch schlafen.“<br />

erklärte ich. „Wenn ich dir auch zugestehen muss, dass wir uns sehr gut kennen,<br />

aber <strong>in</strong> Bezug auf Liebe und Zuneigung hat es da doch nie etwas gegeben.“<br />

Lola blickte mich ernst, fast e<strong>in</strong> wenig traurig an. „Ich kann und werde<br />

dich nicht zurück halten, Fabian, nur was du sagst, tut weh.“ sagte Lola dazu.<br />

„Ich habe dich für e<strong>in</strong>en gefühlsreichen Menschen gehalten, dem nicht entgangen<br />

se<strong>in</strong> könnte, dass ich dich sehr, sehr mag. Man kann es auch anders ausdrücken,<br />

und ich war mir sicher, es bei dir ebenso gespürt zu haben.“ Es war<br />

nicht nur nett zwischen uns, es sollte e<strong>in</strong>e Liebesbeziehung se<strong>in</strong>? E<strong>in</strong>fach so<br />

glauben, konnte ich Lola das nicht, zumal sie doch auch e<strong>in</strong>en Freund hatte,<br />

den sie liebte.<br />

Lola, ich bleibe<br />

„O. k., Lola, ich bleibe, aber unter e<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gung: Du musst mir genau erklären,<br />

wie du uns siehst und <strong>in</strong> welchem Verhältnis es zu de<strong>in</strong>er jetzigen Beziehung<br />

steht.“ beanspruchte ich. Lola schaute kurz <strong>in</strong>s Leere, setzte sich auf's<br />

Kopfkissen und lehnte sich an die Rückwand. „Na gut,“ sagte sie, „aber es ist<br />

e<strong>in</strong>e lange und sehr <strong>in</strong>time Geschichte.“ Dann erfuhr ich vieles über Lolas Leben<br />

und ihre Persönlichkeit, was ich bislang nicht kannte. Alles war immer glatt<br />

verlaufen <strong>in</strong> ihrem Leben, alles absolut straight, ke<strong>in</strong>e Abweichungen, ke<strong>in</strong>e<br />

Brüche, ke<strong>in</strong>e krummen Wege. E<strong>in</strong> Bedürfnis, etwas zu h<strong>in</strong>terfragen, habe sie<br />

gar nicht gekannt, immer e<strong>in</strong>e feste, gefasste Me<strong>in</strong>ung zu allem, e<strong>in</strong>e vorgefasste<br />

Me<strong>in</strong>ung. Das sehe sie aber erst jetzt so. Lola erzählte manches, was ich<br />

schon kannte, nur jetzt eben aus e<strong>in</strong>er anderen Perspektive. Ich lauschte <strong>in</strong>tensiv.<br />

So hatte ich sie nie kennengelernt. Wenn sie mich besser kennenlernen<br />

wolle, gehöre auch dazu, zu wissen, dass ich abends gern e<strong>in</strong> Glas We<strong>in</strong> tränke.<br />

In diesem Punkte konnten wir durchaus Geme<strong>in</strong>samkeiten entdecken, und<br />

ich holte für uns We<strong>in</strong> und Gläser. „Me<strong>in</strong> Freund entsprach mir total. Uns <strong>in</strong>tellektuellen,<br />

rationalen Menschen würde die Zukunft gehören. Selbstverständlich<br />

hatten wir wie alle anderen auch Emotionen, aber Entscheidungen trafen wir<br />

nur mit unserem objektiven, rationalen Bewusstse<strong>in</strong>. So war das, das glaubten<br />

wir, empfanden es so und lebten danach. Nicht nur überheblich sondern auch<br />

dumm, wie ich es heute sehe.“ erklärte Lola. Sie erzählte es ausführlich und<br />

mit vielen Beispielen. Ich lauschte ihren Erläuterungen gespannt. Das war das<br />

andere Leben, das ich nicht verstehen konnte. Auch wenn ihr Auftreten dem<br />

schon entsprach, wäre ich doch nie darauf gekommen. „Dass mir beim ersten<br />

mal de<strong>in</strong> Jux gefiel, störte mich nicht. Als ich aber merkte, dass ich mich bei<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 9 von 15


etwas wohlfühlte, was überhaupt nicht zu mir passen wollte, begann ich zu fragen<br />

und kam zu der Ansicht, dass da auch noch etwas anderes <strong>in</strong> mir existieren<br />

müsste, was <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Weltbild bislang nicht vorkam. Ich wollte mit Paul,<br />

me<strong>in</strong>em Freund darüber sprechen, ob uns vielleicht etwas fehle, wir etwas<br />

übersehen würden, doch das war nicht möglich. Zweifel oder etwas <strong>in</strong> Frage zu<br />

stellen kamen bei ihm, wie allgeme<strong>in</strong> bei mir auch, nicht vor. Nur ich erlebte es<br />

ja und konnte es nicht leugnen. Ich hätte zu dir und de<strong>in</strong>en Ansichten bestimmt<br />

vorgefasste, diskrim<strong>in</strong>ierende Beurteilungen gehabt, nur was sich zwischen<br />

uns abspielte, hatte mich dir gegenüber geöffnet. Frei von jedem Vorurteil<br />

fand ich de<strong>in</strong> Wissen höchst <strong>in</strong>teressant und entdeckte die gravierenden<br />

Mängel <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Weltsicht und me<strong>in</strong>em Selbstverständnis. Lange Zeit lebte ich<br />

<strong>in</strong> zwei Welten. Die e<strong>in</strong>e, das war ich immer gewesen, so war ich aufgewachsen.<br />

Ich konnte nicht plötzlich radikal erklären: „Das b<strong>in</strong> ich nicht mehr.“. Die<br />

andere war die, die sich mir durch dich eröffnet hatte. Sie gefiel mir immer<br />

besser, tiefer durchdacht und der Wahrheit näher. Hier sollte sich Lola zu Hause<br />

fühlen. Hier sollte ihr Selbstbild angesiedelt se<strong>in</strong> und sich ihr Selbstwertempf<strong>in</strong>den<br />

def<strong>in</strong>ieren.“ erklärte es Lola. Sie sprach noch über die vielfältigen Versuche,<br />

ihren Freund zu bewegen, ihr doch e<strong>in</strong>mal unvore<strong>in</strong>genommen zuzuhören.<br />

Mit Beispielen aus der Physik und wie man dort zu neuen Erkenntnissen gekommen<br />

sei, hatte sie ihn locken wollen, alles vergebens. Lola war böse geworden,<br />

hatte ihn als frauenfe<strong>in</strong>dlich beschimpft, weil er es nicht für nötig erachte,<br />

ihr zuzuhören. Er hatte sich gewehrt und ihre Vorwürfe als dümmlich,<br />

naiv darzustellen versucht, aber Lola war ihm überlegen. Sie verfügte über e<strong>in</strong><br />

breiteres Spektrum an Wissen. Sie hatten sich öfter gestritten, und die Ansicht,<br />

dass sie ausgezeichnet zu e<strong>in</strong>ander passen würden, existierte nicht mehr. Das<br />

Gegenteil war eher der Fall, auch wenn sie sich noch nicht offiziell getrennt<br />

hatten. Sie suchten nicht mehr die Nähe des andern, sondern befürchteten sie<br />

eher.<br />

Revolutionärer Akt<br />

Obwohl es ja noch nie zwischen uns vorgekommen war, musste ich Lola öfter<br />

aus Mitgefühl oder Bestätigung küssen, und sie schien es für selbstverständlich<br />

zu halten. „Der Kaffeeklatsch bei dir war auch immer e<strong>in</strong> Besuch <strong>in</strong> der neuen<br />

Heimat me<strong>in</strong>er Seele. Es war für mich sehr wichtig und bedeutsam. Du hast<br />

das wahrsche<strong>in</strong>lich so nicht wahrgenommen. Ich mochte dich von Anfang an,<br />

nur zuerst durfte es ja nur das Geistige se<strong>in</strong>. Im Ausdruck unserer Beziehung<br />

hat sich das so beibehalten, obwohl es mich langsam zu nerven begann. Ich<br />

sah dich <strong>in</strong>sgesamt, den ganzen Menschen mit Körper und Geist, nur konnte<br />

ich es nicht zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen. Das wollte ich jetzt e<strong>in</strong>fach durch e<strong>in</strong>en revolutionären<br />

Akt radikal überw<strong>in</strong>den. Verstehst du jetzt?“ fragte Lola. Ich lachte<br />

und musste sie <strong>in</strong> ihrem pummeligen Schlafanzug an mich drücken. „Das ist<br />

e<strong>in</strong>e Geschichte wie e<strong>in</strong> großes Märchen. Ne<strong>in</strong>, sie ist ja wahr, e<strong>in</strong>e Sage, die<br />

Lola-Saga. Weißt du, Lola, das hat de<strong>in</strong> Bild bei mir völlig verändert. Ich spüre<br />

e<strong>in</strong> Bedürfnis <strong>in</strong> mir, alles zu tun, damit de<strong>in</strong>e Seele <strong>in</strong> ihrer neuen Heimat<br />

glücklich wird. Ich wünsche mir, dich glücklich zu sehen und glaube fest daran,<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 10 von 15


dass es auch so se<strong>in</strong> wird, weil ich <strong>in</strong> unsere Beziehung so tiefes Vertrauen<br />

habe.“ erklärte ich dazu. Dann erzählte ich, wie es sich für mich dargestellt<br />

hatte und wurde dabei zwischendurch immer geboxt und geknuffelt. „Zieh das<br />

aus. Das ist ja albern und st<strong>in</strong>kt. Du musst dich doch für mich nicht verkleiden.<br />

Ich würde dich auch viel lieber ohne sehen.“ me<strong>in</strong>te Lola zu me<strong>in</strong>em T-Shirt<br />

und me<strong>in</strong>er Unterhose. „Und du?“ fragte ich. „Das ist ja nicht verboten, nur das<br />

musst du dir erarbeiten.“ erklärte Lola und lachte. Ich sagte ihr, wie glücklich<br />

mich diese Entwicklung unserer Beziehung mache, dass ich es so schnell aber<br />

auch immer noch gar nicht richtig fassen könne, da ich sie nie als potentielle<br />

Freund<strong>in</strong> gesehen hätte. „Dass es mir aber so wichtig war, mich jede Woche<br />

mit dir zu treffen, muss ja schon e<strong>in</strong>en tieferen Grund gehabt haben. Me<strong>in</strong>e<br />

Schwester liebe ich, käme aber nie auf die Idee, sie jede Woche zum Kaffee<br />

e<strong>in</strong>zuladen. Was du mir bedeutet hast, ist mir nicht bewusst geworden. Ich<br />

hätte immer gesagt, es sei sehr angenehm mit dir. Dir selbst kannst du<br />

manchmal nicht trauen, denkst du, dabei kannst du dich selbst am <strong>in</strong>tensivsten<br />

belügen und glaubst es, hältst es für die absolute Wahrheit. Und jetzt liege ich<br />

mit dir, me<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>er <strong>Frau</strong> im <strong>Bett</strong>. Zum letzten mal war ich mit e<strong>in</strong>er<br />

Freund<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Schule im <strong>Bett</strong>.“ verdeutlichte ich me<strong>in</strong>e Situation. „Du Armer,<br />

jetzt hast du Angst, weißt gar nicht mehr, wie es geht, und was du machen<br />

sollst. Du musst mir ganz liebe, schmeichelnde Worte sagen. Das tust du ja<br />

sonst auch manchmal, nur jetzt musst du es ganz zärtlich sagen, dass nicht<br />

nur me<strong>in</strong>e Ohren es hören sondern auch me<strong>in</strong> Herz es versteht.“ gab Lola mir<br />

Tipps. Ich musste lachen und Lola ebenfalls. Ihre Stimme hatte dabei schon so<br />

sanft und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schmeichelnden Melodie gesprochen, dass sie mich an e<strong>in</strong>e<br />

Sprecher<strong>in</strong> im Rundfunk er<strong>in</strong>nerte, bei der selbst die Verkehrsnachrichten noch<br />

wie e<strong>in</strong>e Liebeserklärung klangen. „Streicheln ist nicht schlecht. Weiß du das<br />

noch?“ fragte Lola und brachte uns wieder zum Lachen. „Lola, ich glaube, wir<br />

nehmen das gar nicht ernst, dabei ist Liebe doch e<strong>in</strong>e so äußerst ernste<br />

Angelegenheit, oder?“ kommentierte ich. „Mag schon se<strong>in</strong>,“ me<strong>in</strong>te Lola, „<strong>in</strong><br />

erster H<strong>in</strong>sicht ist sie aber e<strong>in</strong>e sehr glücklich machende Angelegenheit. Und<br />

bei allzu großem Glück wird man da nicht auch leicht übermütig und bekommt<br />

Lust auf Albernheiten?“ war Lolas Ansicht. „Es besteht also ke<strong>in</strong>e Gefahr, wir<br />

müssen uns nicht mal zusammenreißen, und unsere Liebe richtig ernst<br />

nehmen, me<strong>in</strong>st du?“ erkundigte ich mich noch. „Bloß nicht.“ war Lolas<br />

Reaktion unter Lachen. Wir alberten noch e<strong>in</strong> wenig, küssten uns immer<br />

häufiger und <strong>in</strong>tensiver. Streichelten und betasteten uns zärtlich, und unser<br />

Worte wurden weniger und leiser. „Lola“ flüsterte ich leise. „Ja, Fabian?“ sie<br />

darauf. „Ich kann nichts sagen.“ me<strong>in</strong>te ich darauf. „Warum auch, ist doch<br />

überflüssig, wir spüren doch alles.“ Lola dazu. Sie musste e<strong>in</strong>e Fee se<strong>in</strong>. Das<br />

brauchte ich nicht zu glauben, dessen war ich mir sicher. Nur ob sie morgen<br />

früh auch noch hier se<strong>in</strong> würde, oder sich alles als Traum aus e<strong>in</strong>em<br />

Wunderland herausstellte, das konnte ich nicht sagen. Jetzt war ich verzaubert<br />

und wollte es genießen.<br />

Schwester von Schneewittchen<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 11 von 15


Fast Mittag war es, als ich die Augen öffnete. Wir waren ja erst <strong>in</strong> den frühen<br />

Morgenstunden e<strong>in</strong>geschlafen und an me<strong>in</strong>er Seite lag immer noch schlafend<br />

diese Fee mit ihren zerzausten schwarzen Haaren. Als ich mich bewegte, hob<br />

sie leicht ihre Lieder an und schloss sie gleich wieder. Ich musste ihr über die<br />

Wange streicheln. Bestimmt war sie e<strong>in</strong>e Schwester von Schneewittchen und<br />

ohne ihren Anblick wollte ich auch nicht mehr leben. Plötzlich hob die Schöne<br />

ihren Kopf und biss ihrem jungen Königssohn mit e<strong>in</strong>em Tiger ähnlichen Geräusch<br />

<strong>in</strong> die Schulter. Im Schlaf schien sich unser Glück eher potenziert als<br />

verm<strong>in</strong>dert zu haben. „Fabian, nicht nur me<strong>in</strong>e Seele, der ganze, unaufgeteilte<br />

Mensch, Lola, braucht e<strong>in</strong> Zuhause. Ob ich es heute Nacht gefunden habe? Ich<br />

glaube, schon.“ sagte sie mit noch verschlafener, tiefer Sandstimme. Ich umarmte<br />

und drückte sie und sagte zum ersten mal: „Ich liebe dich, Lola.“. Ich<br />

sah <strong>in</strong> Lolas Gesicht die Sonne, sie warf sich auf mich und bedeckte me<strong>in</strong> Gesicht<br />

mit Küssen. Wir wollten aufstehen und Frühstück zubereiten. Lola zog ihren<br />

Schlafanzug wieder an. „Ne<strong>in</strong>, Lola, bitte nicht. De<strong>in</strong> Schlafanzug ist wunderschön,<br />

aber was er verbirgt ist noch tausendmal schöner, Blanche-Neige.“<br />

bat ich. Sie sollte <strong>in</strong> der Küche e<strong>in</strong>en Bademantel von mir überziehen, denn wir<br />

wollten ja wieder <strong>in</strong>s <strong>Bett</strong> zurück, um dort zu frühstücken. „Für e<strong>in</strong>en jungen<br />

Königssohn ist de<strong>in</strong> Kühlschrank aber nicht sehr gut bestückt.“ bemängelte<br />

Lola. Wir blieben übergeschnappt. Unser Glück war nur exaltiert zu ertragen.<br />

„Ne<strong>in</strong>, du kannst doch jetzt nicht wieder zu dir fahren. Willst etwa unsere Liebe<br />

kurz nachdem sie begonnen hat, schon wieder ause<strong>in</strong>ander reißen?“ fragte ich<br />

entrüstet. Ne<strong>in</strong>, das habe sie nicht vor, erklärte Lola lachend. Wir fuhren zu ihr,<br />

um e<strong>in</strong>iges zu holen. Den Kühlschrank räumten wir fast komplett aus, weil e<strong>in</strong>erseits<br />

der Königssohn ja Bedarf hatte und andererseits den Sommer über<br />

doch e<strong>in</strong>iges verderben würde.<br />

Paradiesische Tage<br />

Die ersten Wochen waren paradiesische Tage, aber langsam mussten wir es<br />

doch wieder mit dem Alltag koord<strong>in</strong>ieren. Zu Anfang war es mir nicht bewusst<br />

geworden, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rausch hatten wir gelebt, aber ich war ja jetzt nicht<br />

mehr alle<strong>in</strong>. Das wundervolle Erlebnis, Lola abends Geige spielen zu hören,<br />

hätte es nie gegeben, aber es war eben alles anders. Nichts war mehr so, wie<br />

es vordem war. Für Lola traf das bed<strong>in</strong>gt auch zu. Sie hatte ja nicht mit ihrem<br />

Freund zusammen gelebt. Wir nahmen uns vor, sehr achtsam zu se<strong>in</strong> und über<br />

alles zu reden. Zu reden hatten wir eh viel mehr als vorher. Immer redeten wir.<br />

Selbst abends im <strong>Bett</strong> war es uns oft so wichtig, dass wir be<strong>in</strong>ahe die Liebe<br />

darüber vergaßen. Aber im geme<strong>in</strong>samen Gespräch br<strong>in</strong>gst du ja auch Zuneigung<br />

und Liebe zum Ausdruck. Bislang war das der e<strong>in</strong>zige Weg gewesen, aber<br />

jetzt spielte sich alles auf e<strong>in</strong>er anderen Ebene, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Dimension ab.<br />

Wir wollten uns gegenseitig <strong>in</strong> unser Leben <strong>in</strong>tegrieren und e<strong>in</strong> neues geme<strong>in</strong>sames<br />

schaffen. Natürlich g<strong>in</strong>gen wir geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong>s Theater und <strong>in</strong>s Konzert,<br />

besuchten Ausstellungen zusammen und liebten es, essen zu gehen. Auch die<br />

Eltern sollten uns kennenlernen. Lola hatte mich schon gewarnt. Ihre Eltern<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 12 von 15


hätten sich nicht mit ihr verändert, harte, konservative obere Mittelschicht sei<br />

zu erwarten. In der Tat, anstrengend und langweilig zugleich war der Besuch.<br />

Für Lola war es anders. Sie verstand es, damit umzugehen und bewegte sich <strong>in</strong><br />

absolut sicherem Terra<strong>in</strong>. „Ihr Sohn ist e<strong>in</strong> Schl<strong>in</strong>gel. Er hat mir den Kopf verdreht.“<br />

sagte Lola lachend zu me<strong>in</strong>er Mutter. „Wie hast du das denn geschafft?“<br />

wollte Mutter <strong>in</strong> der Küche von mir wissen. „Die Lola ist ja 'ne richtige Diva.“<br />

„Ich? Ich hab' doch nichts gemacht.“ hätte ich am liebsten wie ertappt gesagt,<br />

antwortete aber: „Ja, es war ziemlich schwer, bis wir erkannt hatten, dass wir<br />

uns liebten. Ich beneide die M<strong>in</strong>nesänger um die E<strong>in</strong>fachheit ihrer Methode.<br />

Aber das mit der Diva, denk nicht so und sag das nicht wieder. Lola ist e<strong>in</strong>e<br />

sehr freundliche und äußerst e<strong>in</strong>fühlsame <strong>Frau</strong>, fast so wie du.“ sagte ich. Wir<br />

schmunzelten uns zu und Mutter umarmte mich.<br />

Freunde<br />

In me<strong>in</strong>en Bekannten und Freundeskreis, war Lola auch jetzt nicht <strong>in</strong>tegriert,<br />

und ich konnte auch ke<strong>in</strong> Bedürfnis danach verspüren. Natürlich traf sie mal<br />

den e<strong>in</strong>en oder die andere, wenn sie mich besuchen kamen. Wir tranken auch<br />

wohl geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en Kaffee, aber es blieb distanziert. Me<strong>in</strong>e Beziehungen<br />

schränkte ich stark e<strong>in</strong>. Sie waren mir ansche<strong>in</strong>end wichtiger gewesen, als ich<br />

alle<strong>in</strong> war und Lola nur mal zum Kaffee traf. Ob ich zu e<strong>in</strong>er Fète musste, überlegte<br />

ich nach dem Gesichtspunkt, wie der Gastgeber me<strong>in</strong> Fernbleiben bewerten<br />

würde. Wenn, dann g<strong>in</strong>g ich alle<strong>in</strong>e und kam sobald wie möglich zurück.<br />

E<strong>in</strong>mal hatte ich Lola mitgenommen, aber da wollten wir auch beide schon sehr<br />

schnell wieder nach Hause. Ich sah es so, dass ich mich durch me<strong>in</strong>e Liebe zu<br />

Lola auch selber verändert hatte, andere Präferenzen entwickelte, me<strong>in</strong> eigenes<br />

Leben anders lebte. Me<strong>in</strong> Leben kam mir voller, <strong>in</strong>tensiver und komplexer<br />

vor. Der Kontakt mit Lolas Freund<strong>in</strong> Juliane gefiel mir schon besser, obwohl<br />

Lola und Juliane sich ständig nur stritten, beziehungsweise heftige Diskurse<br />

führten, wenn man so will. Genauso falsch, wie es se<strong>in</strong> mag <strong>in</strong> <strong>Frau</strong>en nur das<br />

Ausgleichende, Versöhnliche zu sehen, war es me<strong>in</strong>er Ansicht nach, ihnen das<br />

Kämpfergen abzusprechen. Bei me<strong>in</strong>er Schwester hatte ich das Bedürfnis doch<br />

h<strong>in</strong>reichend erkannt, und mit Lola und Juliane schien es sich nicht anders zu<br />

verhalten. Während Juliane massiv ihre konservativen Ansichten vertrat, konnte<br />

Lola sich zur Revolutionär<strong>in</strong> steigern und Juliane simples e<strong>in</strong>dimensionales<br />

Denken vorwerfen. Sie waren sich auch nicht böse und suchten bald wieder erneut<br />

Kontakt. Ich traute mich nicht, mit Lola zu streiten und konnte auch ke<strong>in</strong><br />

Bedürfnis danach verspüren.<br />

Zu me<strong>in</strong>em Geburtstag gab es auch ke<strong>in</strong>e Feier, zu der pflichtgemäß e<strong>in</strong>ige<br />

Freunde e<strong>in</strong>zuladen gewesen wären. Wir feierten <strong>in</strong> Paris. Lola hatte mir e<strong>in</strong>en<br />

Besuch der Opéra-comique geschenkt und Karten für Jacques Offenbachs 'Les<br />

Contes d’Hoffmann', die hier wieder mal gespielt wurden, reserviert. Wir wollten<br />

uns öfter Paris-Besuche schenken, weil wir es beide als großartig erlebt<br />

hatten. Lola hatte zwar noch ihre eigene Wohnung, aber seit ihrem Überraschungsbesuch<br />

hatten wir beide zusammen bei mir gelebt. Ob wir auch weiter<br />

zusammen leben wollten? Im Grunde hatte ke<strong>in</strong>er von uns pr<strong>in</strong>zipiell so etwas<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 13 von 15


für sich geplant, aber jetzt hatte es sich faktisch für uns anders entwickelt. Wir<br />

kannten ja die theoretischen Bedenken, aber unsere Emotionen erwiesen sich<br />

als stärker. Nur brauchten wir dann e<strong>in</strong>e andere Wohnung, die uns auch genug<br />

eigenen Raum ließ.<br />

Märchenland<br />

E<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> wollte ich suchen. In der Tat e<strong>in</strong> falscher, simpler Weg, der sich<br />

an der Oberfläche bewegte. Tatsächliche Märchen kannst du nicht <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en<br />

Träumen antizipieren. Da kann nur se<strong>in</strong>, was sich schon <strong>in</strong> dir, de<strong>in</strong>en Gedanken<br />

und de<strong>in</strong>en Emotionen bef<strong>in</strong>det. Etwas wirklich Neues, Märchenhaftes kann<br />

dich nur das Leben selbst erfahren lassen. Die Fee Lola kam <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Träumen<br />

nicht vor, und jetzt erfüllte sie mehr, als ich mir wünschen konnte.<br />

FIN<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 14 von 15


L'amour a son <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ct, il sait trouver le chem<strong>in</strong> du coeur<br />

comme le plus faible <strong>in</strong>secte marche à sa fleur avec une<br />

irrésistible volonté.<br />

Honoré de Balzac<br />

Du siehst e<strong>in</strong>e <strong>Frau</strong>, f<strong>in</strong>dest sie attraktiv, glaubst anderweitig Liebenswertes <strong>in</strong><br />

ihr zu erkennen und wünscht dir nichts mehr, als de<strong>in</strong> weiteres Leben mit ihr<br />

zu verbr<strong>in</strong>gen. Nicht so ich. Dem schönen Sche<strong>in</strong> glaubte ich nicht. Selbst bei<br />

den wundervollsten <strong>Frau</strong>en sah ich das zickig Zänkische nach dreißig<br />

Ehejahren, das auch heute schon <strong>in</strong> ihr angelegt se<strong>in</strong> musste. E<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong><br />

hätte ich auch schon gern gehabt. Ich taxierte ja alle, aber immer dasselbe<br />

Resultat. Deshalb konnte ich auch ke<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> f<strong>in</strong>den. Me<strong>in</strong>e Mutter hatte<br />

mir geraten, nach dem Liebenswerten zu suchen, das jeder Mensch <strong>in</strong> sich<br />

trage. Es veränderte manches, aber e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> fand ich trotzdem nicht. Lola<br />

gehörte nicht zum Kreis me<strong>in</strong>er mehr oder weniger guten Freunde und auch<br />

nicht zu den <strong>Frau</strong>en, die ich auf Beziehungsfähigkeit taxiert, und bei denen ich<br />

Lust hatte, nach dem Liebenswerten zu fanden. Ich lud sie nicht zur<br />

Geburtstagsfeier e<strong>in</strong> und fragte sie auch nicht nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />

Konzertbesuch. Auf die Idee kam ich gar nicht. Das hätte nicht gepasst. Ich<br />

empfand unser Verhältnis als äußerst vertrauensvoll, aber doch mit e<strong>in</strong>em<br />

gewissen Grad an Distanziertheit. E<strong>in</strong>es Tages kam Lola und wollte bei mir<br />

schlafen. Selbstverständlich mit mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong>. Ich schaute sie gern an,<br />

trotzdem hätte ich am liebsten zwischen Lola und mich e<strong>in</strong>e Wand gebaut. Ich<br />

weiß nicht, ob es Angst war, aber Unsicherheit bestimmt. Was sollte denn<br />

daraus werden? Unsere Beziehung war so <strong>in</strong>tensiv, dass wir uns noch niemals<br />

geküsst hatten. Alles Erotische war ihr immer wesensfremd. Jetzt, wo wir<br />

geme<strong>in</strong>sam im <strong>Bett</strong> lagen, konnte ich es ja nicht mehr leugnen, dass sie auch<br />

e<strong>in</strong>e begehrenswerte <strong>Frau</strong> war. Aber das müsste man doch langsam<br />

entwickelnd entdecken, so passte es überhaupt nicht zu unserer Beziehung. Es<br />

verwirrte mich nur enorm. „Lola, ich kann das nicht. Es geht nicht. Ich werde<br />

doch bei mir auf der Couch schlafen.“ erklärte ich. „Wenn ich dir auch<br />

zugestehen muss, dass wir uns sehr gut kennen, aber <strong>in</strong> Bezug auf Liebe und<br />

Zuneigung hat es da doch nie etwas gegeben.“ Lola blickte mich ernst, fast e<strong>in</strong><br />

wenig traurig an. „Ich kann und werde dich nicht zurück halten, Fabian, nur<br />

was du sagst, tut weh.“ me<strong>in</strong>te Lola dazu. „Ich habe dich für e<strong>in</strong>en<br />

gefühlsreichen Menschen gehalten, dem nicht entgangen se<strong>in</strong> könnte, dass ich<br />

dich sehr, sehr mag. Man kann es auch anders ausdrücken, und ich war mir<br />

sicher, es bei dir ebenso gespürt zu haben.“ Es war nicht nur nett zwischen<br />

uns, es sollte e<strong>in</strong>e Liebesbeziehung se<strong>in</strong>? E<strong>in</strong>fach so glauben, konnte ich Lola<br />

das nicht, zumal sie doch auch e<strong>in</strong>en Freund hatte, den sie liebte. „O. k., Lola,<br />

ich bleibe, aber unter e<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gung: Du musst mir genau erklären, wie du<br />

uns siehst und <strong>in</strong> welchem Verhältnis es zu de<strong>in</strong>er jetzigen Beziehung steht.“<br />

beanspruchte ich. Lola schaute kurz <strong>in</strong>s Leere, setzte sich auf's Kopfkissen und<br />

lehnte sich an die Rückwand. „Na gut,“ sagte sie, „aber es ist e<strong>in</strong>e lange und<br />

sehr <strong>in</strong>time Geschichte.“<br />

<strong>Fremde</strong> <strong>Frau</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bett</strong> – Seite 15 von 15

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