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Mira und Laurent Kann es sein, dass wir uns lieben?

An einem kleinen Tisch saß eine junge Frau, die offen­sichtlich ebenfalls Studentin war, wie fast alle, die hier in Uni-Nähe verkehrten. Dass sie einen dicken Bauch hatte, also schwanger war, bemerkte ich erst, als ich bei ihr am Tisch Platz nahm. So etwas Dämliches auf Schwangerschaft und Kinder Bezogenes wollte ich nicht ansprechen. Ich fragte sie einfach, was sie studiere. „Medizin, was sonst? Brauche ich bei dem Bauch demnächst ja drin­gend, oder?“ reagierte sie mit einem leicht verschmitzten Lächeln. „Na ja, aber ich bin ja auch nicht angefangen Kfz-Ingenieur zu werden, als ich mir ein Auto kaufte. Meinst du, ich sollte es doch lieber machen?“ wandte ich fragend ein. „Ich hatte ja das Glück, es vorher auch schon zu machen, während du wahr­scheinlich ganz von vorne anfangen müsstest. Du solltest dir vielleicht einen Freund zulegen, der so etwas kann. Ich denke, es könnte schon lustig werden, sich weiter Gedanken über deine berufliche Perspektive zu machen, Herr Inge­nieur, aber ich muss jetzt unbedingt nach Hause und mich ein wenig hinlegen.“

An einem kleinen Tisch saß eine junge Frau, die offen­sichtlich
ebenfalls Studentin war, wie fast alle, die hier in Uni-Nähe
verkehrten. Dass sie einen dicken Bauch hatte,
also schwanger war, bemerkte ich erst, als ich bei ihr am Tisch
Platz nahm. So etwas Dämliches auf Schwangerschaft und
Kinder Bezogenes wollte ich nicht ansprechen. Ich fragte
sie einfach, was sie studiere. „Medizin, was sonst? Brauche ich
bei dem Bauch demnächst ja drin­gend, oder?“ reagierte sie
mit einem leicht verschmitzten Lächeln. „Na ja, aber ich bin
ja auch nicht angefangen Kfz-Ingenieur zu werden, als ich mir
ein Auto kaufte. Meinst du, ich sollte es doch lieber machen?“
wandte ich fragend ein. „Ich hatte ja das Glück, es vorher
auch schon zu machen, während du wahr­scheinlich ganz
von vorne anfangen müsstest. Du solltest dir vielleicht
einen Freund zulegen, der so etwas kann.
Ich denke, es könnte schon lustig werden, sich weiter
Gedanken über deine berufliche Perspektive zu machen,
Herr Inge­nieur, aber ich muss jetzt unbedingt
nach Hause und mich ein wenig hinlegen.“

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ealisieren konnten, kam Frau Gaby Schönfeld mit einem großen Tablett herein. „Espr<strong>es</strong>so,<br />

war doch richtig, nicht wahr?“ fragte sie mich. „Oh, Mutti, was machst du. Wir<br />

wollten gerade aufstehen, aber jetzt tun <strong>wir</strong>'s natürlich nicht. Danke, danke, das ist ri<strong>es</strong>ig<br />

lieb von dir.“ Dann flüsterte ihre Mutter <strong>Mira</strong> etwas ins Ohr <strong>und</strong> <strong>Mira</strong> lachte. Nach der<br />

Hochzeitsnacht bekäme man immer das Frühstück ans Bett gebracht, habe sie g<strong>es</strong>agt,<br />

erklärte <strong>Mira</strong>. „Irgendwie war <strong>es</strong> für mich auch so ähnlich. Die erste Nacht mit meinem<br />

Liebsten zusammen, <strong>und</strong> für dich ja auch wohl, <strong>Laurent</strong>. Sonst assoziiert man immer<br />

mit Hochzeitsnacht, das fleißig gefickt werden muss. So ein Schwachsinn, <strong>wir</strong> haben <strong>uns</strong><br />

geliebt, oder war <strong>es</strong> für dich nicht wie eine w<strong>und</strong>erschöne Hochzeitsnacht?“ Ich stimmte<br />

<strong>Mira</strong> einfach zu, obwohl ich <strong>es</strong> eigentlich eher nicht so sah, <strong>dass</strong> <strong>wir</strong> jetzt verheiratet<br />

wären.<br />

Zusammenleben<br />

Ab jetzt verbrachte ich jede freie Minute bei <strong>Mira</strong>. In den Haushalt war ich voll integriert,<br />

auch mit allen möglichen Hilfen <strong>und</strong> kleinen Aufgaben. Mein Apartment stand<br />

leer. Was sollte ich dort? Bei Schönfelds zu wohnen brächte ausschließlich Vorteile mit<br />

sich. Also war der Umzug b<strong>es</strong>chlossen. Gästezimmer <strong>und</strong> Bügelzimmer waren zu meinem<br />

Domizil umfunktioniert worden. Gäste konnten auch weiter bei mir schlafen, da ich<br />

immer bei <strong>Mira</strong> schlief. Das Sem<strong>es</strong>ter ging zu Ende, für mich bedeutete <strong>es</strong> allerdings<br />

nicht ausschließlich Freizeit. Für <strong>Mira</strong> rückte der Geburtstermin langsam näher. Sie<br />

wollte im Geburtshaus <strong>und</strong> nicht in der Klink entbinden, <strong>und</strong> ich sollte sie dabei<br />

begleiten. Das war auch für mich mittlerweile selbstverständlich. Es gab keine irgendwie<br />

gearteten Vorbehalte oder Distanzen mehr. In kürz<strong>es</strong>ter Zeit war eben all<strong>es</strong> ganz normal<br />

geworden. Wir hatten auch Wege zu <strong>uns</strong>erer Sexualität gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> konnten<br />

problemlos damit umgehen. All<strong>es</strong> war natürlich immer noch spannend <strong>und</strong> aufregend,<br />

man erlebte <strong>es</strong> zum ersten Mal mit einer geliebten Fre<strong>und</strong>in beziehungsweise einem<br />

geliebten Fre<strong>und</strong>. Spannender war <strong>es</strong> aber noch, sich gegenseitig zu erk<strong>und</strong>en. Dazu<br />

brauchte man nicht dem anderen etwas aus <strong>sein</strong>er jeweiligen Biographie zu erzählen.<br />

Das tat man auch, aber viel mehr über die Persönlichkeit d<strong>es</strong> anderen erfuhr man, wenn<br />

man über etwas ander<strong>es</strong> sprach, <strong>und</strong> sich dabei ganz auf <strong>sein</strong>en Partner einlassen, ihm<br />

die g<strong>es</strong>amte Aufmerksamkeit widmete, alle Wahrnehmungsmöglichkeiten bewusst auf<br />

ihn ausrichten konnte, sich nicht ausschließlich auf <strong>sein</strong>e verbalen Informationen fokussierte<br />

<strong>und</strong> Mimik, G<strong>es</strong>tik <strong>und</strong> Körpersprache in Bruchteilen zwangsläufig schludrig<br />

nebenbei mitbekam, wenn man nicht nur den Text der Worte hören wollte, sondern<br />

auch bewusst der Melodie der Stimme lauschte, dann wurden G<strong>es</strong>präche zu kleinen<br />

gegenseitigen Opernaufführungen. Jed<strong>es</strong> G<strong>es</strong>präch war eine Scene d'amour, in der man<br />

sich gegenseitig Aufmerksamkeit, Anerkennung <strong>und</strong> Zuneigung vermittelte <strong>und</strong> in der<br />

man sich öffnete, Lust daran empfand dem Partner tieferen Zugang zu <strong>sein</strong>er<br />

Persönlichkeit zu gewähren. Um einen G<strong>es</strong>prächspartner so wahrzunehmen, musste<br />

man vielleicht nicht unbedingt verliebt <strong>sein</strong>, nur <strong>wir</strong> hatten <strong>es</strong> noch nie so erlebt. Unsere<br />

Liebe mit ihrer gegenseitig hohen Aufmerksamkeit hatte <strong>uns</strong> den Zugang dazu<br />

ermöglicht <strong>und</strong> die Lust daran geweckt. Dass <strong>wir</strong> irgendwann irgend wodurch kein<br />

Inter<strong>es</strong>se, keine Lust mehr an di<strong>es</strong>er intensiven Art von Kommunikation haben, <strong>es</strong> als<br />

unbedeutend verg<strong>es</strong>sen könnten, war nicht vorstellbar. Wir waren eher ein wenig<br />

süchtig danach.<br />

<strong>Mira</strong> <strong>und</strong> <strong>Laurent</strong> – Seite 22 von 34

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