Albvereinsblatt_2006-6.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Malerische Blickpunkte – ein Ratespiel<br />
PAUL KLEINSCHMIDT–<br />
DORF UND FELSEN VON<br />
KLINGENSTEIN<br />
„Zwischen Bar und Boudoir“ – so der Titel einer jüngst<br />
in Ulm, Kaiserslautern und anderen Stationen gezeigten<br />
Ausstellung mit Werken von Paul Kleinschmidt,<br />
einem künstlerischen Einzelgänger in der deutschen<br />
Kunst der 1920er und 1930er Jahre. Wie Otto Dix und<br />
George Grosz gilt er als Maler der Großstadt. 1883 in<br />
Bublitz in Pommern geboren, wächst Kleinschmidt im<br />
Schauspielermilieu einer Künstlerfamilie auf. 1902 beginnt<br />
er sein Kunststudium an der Berliner Akademie,<br />
wo Adolf von Menzel sein historisches, Lovis Corinth<br />
sein zeitgenössisches künstlerisches Vorbild wird.<br />
1904-05 setzt er sein Studium an der Münchner Akademie<br />
bei Heinrich von Zügel und Peter Halm fort und kehrt<br />
1905 wieder nach Berlin zurück.<br />
Nach einer intensiven Zeit druckgraphischer Tätigkeit tritt<br />
in seinem Schaffen der 1920er Jahre die Malerei mehr und<br />
mehr in den Vordergrund: mit den für seine Werke typischen<br />
Motiven aus dem Nachtleben der Großstadt, die er<br />
in strenge, groß angelegte Kompositionen fasst. 1923 und<br />
1925 tritt er in Berlin mit ersten Einzelausstellungen an<br />
die Öffentlichkeit. Der sinnliche Farbauftrag wurde zu einem<br />
der bestechendsten Merkmale seiner Malerei. Sein<br />
Berliner Künstlerkollege George Grosz bezeichnete ihn als<br />
den „Maler in Weiß“.<br />
1932 zieht Kleinschmidt mit seiner Familie für einige Jahre<br />
aus der Großstadt Berlin nach Klingenstein bei Ulm. Bisher<br />
hatte er sich vor allem dem Figurenbild gewidmet. Das<br />
Interesse zweier Mäzene veranlasst ihn, sich nun auch intensiver<br />
der Landschaft zu widmen. Und so sucht sich Paul<br />
Kleinschmidt in dem kleinen Ort am südlichen Rand der<br />
Schwäbischen Alb seinen Blickpunkt im Tal der Blau. Geradezu<br />
monumental steht der mächtige Felsen den Häusern<br />
des Dorfes gegenüber, die sich entlang einem steilen<br />
Weg an den Berg drängen. Fast ohne Distanz stellt Kleinschmidt<br />
den Betrachter vor das mächtige Kalkfelsmassiv,<br />
das weder dem Himmel, noch dem Blick in die Weite der<br />
Landschaft Raum gibt. Dennoch wirkt das Bild nicht bedrohlich.<br />
Reisen nach Südfrankreich hatten seit 1929 seine<br />
Palette aufgehellt. Weiß, fast allen Farbtönen beigemischt,<br />
bestimmt den hellen Klang des Bildes. Der pastose<br />
Farbauftrag nimmt den großen Flächen die Schwere und<br />
gibt der Komposition eine ausdrucksstarke Bewegtheit.<br />
Im Juli 1932 schreibt Paul Kleinschmidt an seinen Sammler<br />
und Mäzen Erich Cohn in New York, der das Bild im August<br />
1932 erhielt: „Die Landschaft gehört meines Erachtens<br />
zu den besten, die ich gemalt habe, ich glaube, sie ist sehr<br />
schön in Farbe und Material der Dinge.“<br />
Unter der Nazi-Herrschaft wurde ein striktes Malverbot<br />
über Kleinschmidt verhängt. 1936 emigrierte er mit seiner<br />
Familie in die Schweiz: der Beginn einer jahrelangen Odyssee<br />
mit mehreren Stationen in Holland und Frankreich.<br />
1943 wurde er nach Deutschland repatriiert. 1949 starb Paul<br />
Kleinschmidt in Bensheim. Dr. Veronika Mertens<br />
8<br />
Unsere Frage: Welchen Standpunkt suchte Paul Kleinschmidt<br />
1932, gerade aus der Großstadt Berlin nach Klingenstein<br />
übergesiedelt, für sein Bild? Schicken Sie uns Fotos<br />
vom Standpunkt und vom Blickpunkt. Dokumentieren<br />
Sie Ihren Weg dorthin (Parkplatz, Wanderweg, besondere<br />
Merkmale etc.). Legen Sie Ihrer Einsendung eine Kopie Ihrer<br />
Wanderkarte mit dem eingezeichneten Blickpunkt bei.<br />
Und wer Lust hat, kann auch die GPS-Koordinaten angeben.<br />
Bitte senden Sie Ihre Lösung an: Blätter des Schwäbischen<br />
Albvereins, Waldburgstr. 48, 70563 Stuttgart.<br />
Einsendeschluss: 30. November <strong>2006</strong>, nach Ende der Wandersaison.<br />
Auch Lösungen zu den beiden ersten Blickpunkte-Rätseln<br />
in den Ausgaben 4 und 5 (Christian Landenberger,<br />
Donautal bei Gutenstein, 1892, und Wilhelm<br />
Geyer, Die drei Kaiserberge, 1935) werden bis zu diesem<br />
Datum noch angenommen.<br />
Und danach? Im Winter lädt die Galerie Albstadt die Teilnehmer<br />
des Ratespiels zu einem ganz besonderen Gang<br />
durch die Schwäbische Alb ein – trockenen Fußes, gesellig<br />
und exklusiv geführt! Im Januar geht’s dann weiter…<br />
GALERIE ALBSTADT, Städtische Kunstsammlungen, Kirchengraben<br />
11, 72458 Albstadt (Ebingen), Tel. 07431-160-1491; Fax 07431-<br />
160-1497; e-mail: galerie@albstadt.de; Internet: www.galerie-albstadt.de.<br />
Öffnungszeiten: Di – Fr 11-13 und 14 – 17 Uhr, Sa, So, Feiertag<br />
11 – 17 Uhr, 24., 25. und 31. Dezember geschlossen.<br />
Mit dieser dritten Ausgabe setzt der Schwäbische Albverein das Ratespiel<br />
fort, das sich in Zusammenarbeit mit der Galerie Albstadt an unsere<br />
kunstinteressierten Wanderfreunde richtet. Mit ihrer einzigartigen<br />
Spezialsammlung „Das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb“<br />
bietet die Galerie Albstadt zahlreiche Blickpunkte auf die künstlerische<br />
Sicht von Landschaft. Nach der Sanierung des Museums wurde<br />
die Abteilung neu konzipiert. Die derzeitige Auswahl zeigt neben den<br />
Werken unseres Ratespiels Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphik<br />
aus gut 100 Jahren, von Christian Landenberger bis heute. Machen<br />
auch Sie sich auf den Weg wie die vielen vertretenen Künstlerinnen<br />
und Künstler und suchen Sie sich ihren Blickpunkt – beim Wandern<br />
und im Museum!<br />
Galerie Albstadt, Städtische Kunstsammlungen