vollständigen Artikel als PDF ansehen - Hermes Europe GmbH
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Ja, mach nur einen Plan … etwa für<br />
Dortmund und das Ruhrgebiet. Durch<br />
eine eigene Zellcodierung lassen<br />
sich ab 1992 die Touren in den alten<br />
Bundesländern besser koordinieren<br />
BRDDR<br />
Am 22. Dezember 1989<br />
wurde das Brandenburger<br />
Tor geöffnet. Ab der ersten<br />
Stunde des 24. Dezembers galt der<br />
visumsfreie Grenzverkehr. Und zu<br />
Silvester und Neujahr erlebte die<br />
Hauptstadt der DDR eine gigantische<br />
Reisewelle: „Berlin ist praktisch keine<br />
geteilte Stadt mehr“, berichtete mit<br />
gerührter Stimme eine DDR-Fernsehreporterin,<br />
nachdem allein am Heiligabend<br />
rund 500 000 Menschen die<br />
Übergänge zwischen West- und Ost-<br />
Berlin passiert hatten.<br />
Für den <strong>Hermes</strong> Versand Service,<br />
der bereits kurz nach dem Fall der Mauer<br />
in die DDR auslieferte, wurde das<br />
Jahr 1990 verständlicherweise durch<br />
die Öffnung der deutsch-deutschen<br />
Grenze sowie die Wiedervereinigung<br />
am 3. Oktober geprägt. Nennt man<br />
allerdings einen Meilenstein – beispielsweise<br />
die flächendeckende Belieferung<br />
von DDR-Kunden, realisiert<br />
zur Währungsunion am 1. Juli 1990<br />
–, so macht diese Erfolgsmeldung die<br />
Mühen dahinter kaum sichtbar.<br />
„Die eigentliche Herausforderung<br />
war es, Hallen zu mieten“, erinnert<br />
sich Hartmut Ilek, bis 2011 Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der <strong>Hermes</strong><br />
Logistik Gruppe Deutschland (HLGD).<br />
„Hallen waren nicht im Privatbesitz,<br />
sondern gehörten dem Staat. Um<br />
überhaupt Abwicklungsflächen zu<br />
finden, haben wir ein neues Modell<br />
entwickelt und erstm<strong>als</strong> mit Kooperationspartnern<br />
gearbeitet. Das waren<br />
beispielsweise örtliche Speditionsbetriebe,<br />
die Hallen besaßen und, so<br />
würde man heute sagen, vom Management<br />
übernommen worden waren.“<br />
Nicht immer gelang es jedoch<br />
sofort, bestehende Strukturen zu nutzen.<br />
Im Raum Leipzig gab es anfangs<br />
einfach nichts, selbst die NVA wollte<br />
ihre Panzerhallen nicht vermieten.<br />
<strong>Hermes</strong> überbrückte diese Zeit, indem<br />
auf einem stillgelegten Autobahnabschnitt<br />
ein gigantisches Zelt aufgestellt<br />
wurde, das <strong>als</strong> Umschlagsplatz<br />
für Pakete diente.<br />
Improvisation war Pflicht, denn<br />
<strong>Hermes</strong> war mit Abstand das erste<br />
westdeutsche Logistikunternehmen,<br />
das in der DDR operierte. „Als klar war,<br />
dass DDR-Bürger im Versandhandel<br />
einkaufen können, sind wir sofort eingestiegen“,<br />
so Ilek. „Schon in der Zeit,<br />
<strong>als</strong> die Grenzen noch bewacht waren,<br />
haben wir Autos mit Katalogen vollgeladen<br />
und diese verteilt. Ich glaube,<br />
dass wir es der Otto Gruppe dadurch<br />
sehr erleichtert haben, auf diesem<br />
Markt präsent zu sein.“<br />
Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur,<br />
der nächste große Schritt,<br />
war ebenfalls schwierig. Das begann<br />
schon damit, dass es so gut wie kein<br />
verbindliches Kartenmaterial gab. Es<br />
setzte sich fort mit f<strong>als</strong>ch aufgestellten<br />
Wegweisern vor allem im Grenzgebiet,<br />
Neue Zeiten in Rostock: Wo einst Soldaten der sowjetischen Roten Armee stationiert waren, lagert <strong>Hermes</strong> jetzt Pakete<br />
die dafür sorgen sollten, einrückende<br />
imperialistische Truppen zu verwirren.<br />
Daher nahm <strong>Hermes</strong> umfangreiche<br />
Erkundungsfahrten vor und dokumentierte,<br />
auch durch Fotos, den Zustand<br />
der Straßen, die öffentlichen Verkehrsmittel,<br />
die großen Wohngebiete und<br />
ihre Zugänge, selbst Packstationen<br />
und Klingelbretter.<br />
Auch die Kommunikation war<br />
kompliziert. „In der DDR funktionierte,<br />
wenn überhaupt, das analoge C-<br />
Netz“, erinnert sich Hartmut Eick, bis<br />
2011 Business-Controller bei <strong>Hermes</strong>.<br />
„Die Handys dazu glichen Feldtelefonen,<br />
wogen fast ein Kilo, die Gesprächsdauer<br />
betrug maximal eine<br />
Stunde und man musste auf einen<br />
Berg steigen, denn in den Tälern gab<br />
es keinen Empfang.“<br />
Vor allem aber galt es, Personal<br />
zu finden. Und das bezog sich nicht<br />
allein auf Lagerarbeiter oder Zusteller,<br />
das betraf auch das mittlere Management.<br />
„Intern gab es da heiße Diskussionen“,<br />
sagt Hartmut Ilek. „Hart<br />
gesagt gab es Vorbehalte, ob die<br />
Menschen in der DDR nicht in 40 Jahren<br />
das Arbeiten verlernt hatten. Aber<br />
das Gegenteil war der Fall: Wir haben<br />
für alle Hierarchieebenen Menschen<br />
gefunden, die begierig danach waren,<br />
ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen.<br />
Natürlich waren sie überrascht, wenn<br />
es hieß, in zwei Wochen kriegt ihr eure<br />
25 Zustellfahrzeuge, das konnten die<br />
einfach nicht glauben. Aber sie haben<br />
so schnell gelernt und einen so guten<br />
Job gemacht, da kann man nachträglich<br />
nur den Hut ziehen.“<br />
Ihre Bezahlung war ein erneutes<br />
Problem. Die Kooperationspartner<br />
stellten die Hallen und das Personal,<br />
<strong>Hermes</strong> brachte die Autos, die Pakete,<br />
die Arbeitskleidung – sowie tatsächlich<br />
mit Eintreten der Währungsunion<br />
Koffer voller Geld, Westgeld. „<strong>Hermes</strong><br />
zeichnete immer aus“, sagt Controller<br />
Eick lakonisch, „dass wir unsere Mitarbeiter<br />
zügig bezahlen.“<br />
Und dann lief das Geschäft: Neben<br />
Mode waren vor allem Videorekorder<br />
gefragt. Dass so manche Niederlassung<br />
anfangs in den Mengen<br />
der Pakete regelrecht „absoff“, war im<br />
Vergleich zu den Vorarbeiten letztlich<br />
eine Kleinigkeit.<br />
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