Mimikry

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<strong>Mimikry</strong> 1990 EINE SEMIOTISCHE BETRACHTUNG 11.1. Jugendbewegung und Toilettenspontis Phallus, nackte Frau, feminin, Frauenbewegung, Diese Zeichen finden sich häufig an Stellen, an denen Heranwachsende ihren aufkommenden Trieben in Bildern und Sprüchen meist anonym Ausdruck verleihen. Wer es gerne persönlicher hat, schreibt seine Telefonnummer oder die des liebsten Feindes dazu. Es fällt auf, dass einige dieser Zeichen wissenschaftlichen Ursprungs sind wie das Zeichen für „maskulin und feminin“. Erstaunlich ist auch, dass sich hier wie selbstverständlich Zeichenkombinationen finden, deren Eigenbedeutungen sich etabliert haben, wie etwa die Zeichen für Frauenbewegung und Bisexualität. maskulin, Bisexualität 11.2. Etablierte Zeichen Totenkopf, Herz mit Pfeil, Doppelherz, Telefon, Eheringe Dies sind nur wenige Beispiele für Symbole, die unser tägliches Leben begleiten. Sie dienen als Warnung, als Geste oder als Erfassungsbeschleuniger. Ein Telefon-Symbol findet sich sehr viel schneller als das ausgeschriebene Wort und ist zudem sprachübergreifend. Obwohl es das Telefon mit Hörer und Wählscheibe heute nur noch im Museum gibt, war es offenbar so einprägsam, dass es sofort auf seinen jetzigen Referenten verweist. Der Totenkopf bezeichnet ein Piratenschiff oder erklärt den Inhalt einer Flasche zu Gift. Die Symbolkraft des Schädels könnte vermutlich bis zu den Anfängen der Menschheit zurückverfolgt werden. Hochzeitskarten und Liebesbriefe werden gern mit Ringen und Herzen verziert. In der Symbolik von Amors Pfeil liegt mehr Ausdruck als in den entsprechenden Worten, sofern sie der Schreiber überhaupt findet. Einem kleinen griechischen Gott verdanken wir also dieses eigentlich grausame Symbol, das weit über Amor hinaus alle Phantasien Verliebter bedient. Ein Symbol dieser Kategorie sagt mehr als tausend Worte und ist gleichzeitig emotional und schnell erfassbar. Harald Kroiss S 10
<strong>Mimikry</strong> 1990 EINE SEMIOTISCHE BETRACHTUNG 11.3. Verkehrszeichen und mathematische Zeichen Vorfahrt, Vorfahrt achten Durchfahrt verboten Parkverbot, Plus, Minus, Ist-gleich, Ist-nicht-gleich, Multiplikationszeichen In beiden Fällen handelt es sich um geschlossene Zeichensysteme, die von Personengruppen erfunden wurden, um eine spezielle Art der Kommunikation untereinander zu ermöglichen oder zu vereinfachen. Außenstehende erfassen diese Zeichen nicht oder nur teilweise. Erst ein Lernprozess erschließt die gesamte Welt dieser Systeme. Sie sind exakt auf den Nutzungsanspruch abgestimmt, was bedeutet, ein Zeichen hat nur eine Bedeutung, es bezieht sich nur auf einen Referenten. Es ist damit unmissverständlich. Da diese Zeichen größtenteils erlernt werden müssen, können sie sehr reduziert gestaltet sein, obwohl sie teilweise komplexe Sachverhalte transportieren. Ein weißes Dreieck mit rotem Rand, Spitze nach unten, kann nicht wie die „Streifen in der Kurve“ emotional erfasst werden. Es sagt dem Fahrer: „Pass auf, denn ein anderer Verkehrsteilnehmer, der hier von rechts oder links kommen könnte, hat das Recht vor dir zu fahren.“ Die Formulierung „vor dir zu fahren“ kann durch das Wort „Vorfahrt“ ersetzt werden. Dafür existiert eigens ein Zeichen, das dem von rechts oder links kommende Fahrer sagt, er kann zügig diese Kreuzung passieren, die anderen müssen warten. An diesem Beispiel wird die Abhängigkeit komplexer Einzelzeichen innerhalb einer Systematik deutlich. Versuchen Sie einmal die Rechnung: 1 + 2 = 3 ohne die mathematischen Zeichen, also mit „plus“, „addieren“, oder „zusammenzählen“ auszudrücken, und stellen Sie sich dann eine kompliziertere Rechnung über mehrere Zeilen vor. Eine mathematische Vorgehensweise ist damit nicht mehr möglich. Nicht nur Straßenverkehr und Mathematik hängen von derartig abstrakten Zeichensystemen ab. Schon vor den ersten Schuljahren werden wir mit solchen kulturellen Errungenschaften regelrecht überschüttet. Die Sprache in Worten gesprochen, als Schrift mit dazugehöriger Grammatik festgehalten und transportabel gemacht, reiht sich ebenfalls in diese Zeichensparte. 11.4. Farbzeichen Werden Farben an sich als Zeichen betrachtet, wird schnell klar, dass ein Farbzeichen nie allgemeingültig auf einen Referenten verweist. Gelb steht für die wärmende Sonne, ein anderer sieht darin Gefahr, Hass oder Eifersucht. Die wichtigsten Kriterien für die Bedeutung eines Farbzeichens sind Form, Umgebung, und Sinnzusammenhang. Betrachten wir einmal Kurvenstreifen und Wespe mit verschiedenen Augen. Die Wahrnehmung von Tieren unterscheidet sich grundlegend von der menschlichen. Auch unter den Tieraugen gibt es verschiedene „Modelle“. Einige sehen nur schwarz/weiß, Facettenaugen nehmen tausende Einzelbilder wahr und bilden damit Umrisse ab, die allerdings weit über 10-mal schneller verarbeitet werden als beim Menschen. Das Harald Kroiss S 11
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