Mck Wissen | China - Brand Eins
Mck Wissen | China - Brand Eins
Mck Wissen | China - Brand Eins
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ausbeutung / Fortschritt Text: Christiane Kühl / Mathias Rittgerott McK <strong>Wissen</strong> 10 Seiten: 92.93<br />
als im Norden. Die Arbeitsbehörde hat nicht das Personal, von Peking aus<br />
die Einhaltung der Gesetze zu überwachen. Altun organisiert die Arbeit<br />
freiwillig nach „gesundem Menschenverstand“. Achtstundentag, Pausen,<br />
Vierbettzimmer und vier Monate bezahlter Mutterschutz. „Unsere lokalen<br />
Konkurrenten kennen keine Minimallöhne, zahlen keine Überstunden und<br />
oft monatelang gar keinen Lohn“, sagt er. „Damit können sie uns preislich<br />
natürlich unterbieten.“<br />
Seit NGOs, Handel und Politik zusammen Druck machen, kommt Bewegung<br />
in die Diskussion um Arbeitsbedingungen und <strong>China</strong>geschäfte. „Fair<br />
spielt“ stellte eine Liste von Firmen ins Internet, die in <strong>China</strong> Geld verdienen<br />
– und schrieb dazu, wer sich in Sachen Sozialstandards in die<br />
Karten schauen lässt. Zur Spielwarenmesse in Nürnberg und zur Weihnachtszeit<br />
macht „fair spielt“ jedes Jahr mobil, besetzt Runde Tische und<br />
lässt „König Kunde“ demonstrieren.<br />
Die zentrale Forderung des Aktionsbündnisses: Spielwarenhersteller sollen<br />
sich an den Code of Business Practices ihres Weltverbandes International<br />
Council of Toy Industries (ICTI) halten. 18 Unternehmen wollten bis Mitte<br />
2004 jeweils zwei ihrer wichtigsten Lieferanten nach dem ICTI-Standard<br />
durchleuchten lassen.<br />
Die Vertreter von AVE haben sich entschlossen, ihre Erfahrungen zusammenzuführen<br />
und gemeinsam für bessere Arbeits- und Sozialbedingungen<br />
zu sorgen. Ihr Sektorenmodell, das sich auf die besonders in der Kritik stehenden<br />
Branchen Spielzeug und Textilwirtschaft konzentriert, verfolgt zwei<br />
Ansätze: Zum einen sollen die Gesetze, die die Arbeitsbedingungen regeln,<br />
zur Anwendung angemahnt werden. Daneben geht es den AVE-Vertretern<br />
darum, die Partner in <strong>China</strong> zu sensibilisieren und Wege zu finden, die den<br />
Betrieben helfen, die internationalen Standards zu erreichen. AVE-Sprecher<br />
Lorenz Berzau: „Es geht uns nicht um Sozialimperialismus, wie es in den<br />
Lieferländern manchmal heißt. Wir dringen nur auf die Einhaltung lokaler<br />
Gesetze und die Konvention der ILO.“<br />
<br />
In <strong>China</strong> stoßen Code-of-Conduct-Programme wie das AVE-Projekt auf<br />
Skepsis, berichtet Axel Dörken, Direktor der Deutschen Gesellschaft für<br />
Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Peking. „Es gibt Befürchtungen,<br />
dass damit neue nichttarifäre Hemmnisse aufgebaut werden“, sagt er.<br />
Gemeint ist: Ende 2004 läuft das internationale Textilquotensystem aus,<br />
das chinesische Exporte in westliche Länder deckelt. Peking argwöhnt –<br />
zu Unrecht?, – dass Europa und die USA nun andere Wege suchen, die<br />
Einfuhren chinesischer Kleidung zu begrenzen. Die GTZ, die das AVE-<br />
Projekt unterstützt, hat deshalb zunächst das bescheidene Ziel ausgerufen,<br />
das Bewusstsein der Stakeholder zu wecken: Ministerien, Verbände und<br />
Gewerkschaften. Sie sollen im Herbst zum zweiten Mal an einem runden<br />
Tisch zusammenkommen.<br />
Bewusstsein wecken wollen auch einzelne Markenartikelhersteller vor Ort,<br />
beispielsweise Adidas, weil Audits allein nicht helfen. Die Prüfer verdienten<br />
Geld, egal, ob sie etwas aufdecken oder nicht, weiß Liu Kaiming. Der<br />
Direktor des unabhängigen Instituts ICO verfolgte die Prüfungen mehrerer<br />
Marken-Zulieferer. Die Auditoren, so hat er festgestellt, seien in der Regel<br />
angekündigt und würden ausnehmend gut behandelt, die Arbeiter vorher<br />
gebrieft. „Es gibt einen Trend zum Betrug“, sagt Liu. Alp Altun, der Vertreter<br />
des deutschen Malerbedarf-Herstellers, kennt Firmen, die in der<br />
sauberen Kernfabrik nur eine Showproduktion für Auditoren unterhalten,<br />
das meiste aber drei Dörfer weiter billig fertigen lassen.<br />
„Das Problem: Die Leute, die bisher Sozialstandards durchsetzen sollen,<br />
besitzen in der Betriebshierarchie keine Autorität“, meint William Anderson,<br />
Asienchef für soziale und Umweltfragen bei Adidas-Salomon in Hongkong.<br />
Sein Team geht direkt in die Firmen und versucht, eigene Systeme<br />
für Sicherheit und Soziales mitsamt einer Managerposition zu etablieren.<br />
Daneben hilft die Mannschaft, Betriebsärzte fortzubilden und verteilt<br />
zusammen mit dem ICO Flugblätter an Arbeiter, die ihnen ihre Rechte<br />
erklären. So wehrlos, wie sie sich fühlen, sind die chinesischen Arbeiter<br />
nämlich nicht: Landet ein Streit mit dem Arbeitgeber vor einem Schiedsgericht,<br />
„fallen 80 Prozent der Urteile zu Gunsten der Arbeiter aus. Das<br />
weiß nur kaum jemand“, sagt Liu.<br />
Adidas setzt zudem auf langfristige Geschäftsbeziehungen und Konsolidierung<br />
der Zulieferer. Die Zahl der Partner in Asien wurde in den vergangenen<br />
Jahren von 1000 auf 700 reduziert. „Dadurch nimmt unser Anteil am<br />
Produktionsvolumen der Lieferanten zu – und unser Einfluss steigt.“ <br />
„Unsere lokalen<br />
Konkurrenten kennen keine<br />
Minimallöhne, zahlen<br />
keine Überstunden und oft<br />
monatelang gar keinen<br />
Lohn. Damit können sie uns<br />
natürlich unterbieten.“<br />
Alp Altun, Geschäftsführer Cristin