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<strong>BILDUNG</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 5 I 2012 ...................................................... AKTUELL<br />
<strong>LCH</strong>-Kommentar:<br />
Nicht alles<br />
auf eine Karte<br />
setzen!<br />
Beat W. Zemp, Zentralpräsident <strong>LCH</strong><br />
Selten ist eine Vorlage der EDK von der<br />
Schulpraxis derart kritisch beurteilt<br />
worden wie das Vorhaben, basale Studierkompetenzen<br />
in den Fächern Erstsprache,<br />
Mathematik, Englisch und<br />
Informatikanwendungen zu erarbeiten<br />
und an den Gymnasien verbindlich zu<br />
verankern. Sowohl der Schulleiterverband<br />
der Gymnasien KSGR als auch der<br />
Verein Schweizerischer Gymnasiallehrpersonen<br />
VSG und der <strong>LCH</strong> bezweifeln<br />
nicht nur die Existenz solcher basalen<br />
Studierkompetenzen, die für sämtliche<br />
Studiengänge relevant sein sollen, sondern<br />
auch den Nutzen für die Schulen.<br />
Sie befürchten im Gegenteil grossen<br />
Schaden, wenn die allgemeine Studierfähigkeit<br />
auf wenige Fächer reduziert<br />
und der Unterricht in diesen Fächern<br />
auf die Vermittlung basaler Kompetenzen<br />
fokussiert würde.<br />
In einer Briefaktion an die kantonalen<br />
Erziehungsdirektoren machten viele<br />
Fachschaften von Gymnasien auf diese<br />
Bedenken aufmerksam. Auch die abnehmenden<br />
Hochschulen, darunter die<br />
Rektoren der Universität Zürich und der<br />
ETH Zürich, äusserten Bedenken und<br />
Vorbehalte gegenüber dem Projekt in<br />
seiner ursprünglichen Form.<br />
EDK lenkt teilweise ein<br />
Nun hat die EDK auf diese Kritik aus der<br />
Schulpraxis reagiert und einige Anpassungen<br />
am Projekt «basale fachliche<br />
Studierkompetenzen» vorgenommen.<br />
Die Beschreibung solcher Kompetenzen<br />
wird sich auf die Fächer Erstsprache<br />
und Mathematik beschränken. Ob und<br />
wie diese «basalen fachlichen Studierkompetenzen»<br />
dann in die gymnasialen<br />
Rahmenlehrpläne integriert werden,<br />
soll erst nach einer ausgiebigen Diskussion<br />
mit den betroffenen Fachgruppen<br />
festgelegt werden. Damit kommt die<br />
EDK den Befürchtungen der Schulpraxis,<br />
die Matur werde auf basale Kompetenzen<br />
zurückgestutzt, ein Stück weit<br />
entgegen.<br />
Die Frage, ob solche basalen Studierkompetenzen,<br />
die an allen Fakultäten<br />
der Universitäten und an allen Hochschulen<br />
gleichermassen nützlich und<br />
notwendig sind, wirklich definiert werden<br />
können, bleibt aber weiterhin offen.<br />
Insbesondere für das Fach Mathematik<br />
bin ich skeptisch. Es gibt viele Studiengänge,<br />
bei denen man keine oder nur<br />
ganz wenige Fachkenntnisse aus der<br />
gymnasialen Mathematik benötigt. Hingegen<br />
gibt es natürlich auch in Mathematik<br />
basale Fachkompetenzen, ohne<br />
die ein Studium in Mathematik und<br />
Naturwissenschaften undenkbar ist.<br />
Die Krux mit den ungenügenden<br />
Mathematiknoten<br />
Es stimmt leider, dass ein beträchtlicher<br />
Teil der Schülerinnen und Schüler im<br />
Maturzeugnis in Mathematik keine genügende<br />
Note hat. Das liegt einerseits<br />
an den sehr hohen intellektuellen Anforderungen<br />
in diesem Fach und andrerseits<br />
an der Motivation der Lernenden.<br />
Ein Teil der Schülerinnen und Schüler<br />
ist in der zur Verfügung stehenden Zeit<br />
einfach nicht in der Lage, die mathematischen<br />
Begriffe und Algorithmen geistig<br />
zu durchdringen. Sie benötigen mehr<br />
Zeit, um den Schnelldurchlauf der mathematischen<br />
Errungenschaften der<br />
Menschheit zu verstehen. Vier Jahre<br />
gymnasialer Unterricht sind daher un<br />
25<br />
bedingt nötig, wenn man diese schwächeren<br />
Schüler nicht überfordern will.<br />
Leider hat die EDK die Harmonisierung<br />
der Dauer der gymnasialen Ausbildung<br />
einmal mehr verschoben: Frühestens<br />
2015 soll darüber diskutiert werden.<br />
Herbert Meschkowski, ein deutscher<br />
Mathematiker und Rektor der Pädagogischen<br />
Hochschule Berlin, hat einmal<br />
gesagt: «Es gibt nur Mathematiker oder<br />
Idioten.» Er meinte damit, dass jeder mit<br />
einem gesunden Gehirn in der Lage ist,<br />
mathematische Zusammenhänge zu<br />
verstehen. Ich teile diese Meinung,<br />
weiss aber auch aus meiner langjährigen<br />
Berufserfahrung als Mathematiklehrer,<br />
dass es grosse Talentunterschiede<br />
gibt und die Fachdidaktik noch<br />
wenig brauchbare Antworten hat für<br />
Schülerinnen und Schüler, die mehr Zeit<br />
benötigen, um mathematische Begriffe<br />
zu verstehen und die durch negative<br />
Prüfungserfahrungen oft entmutigt sind.<br />
Die zweite Gruppe mit ungenügenden<br />
Leistungen in Mathematik könnte zwar<br />
bessere Noten erreichen, aber diese<br />
Schülerinnen und Schüler können ihre<br />
schlechten Mathematiknoten einfach<br />
mit besseren Noten in anderen Fächern<br />
kompensieren. Würde man eine neue<br />
Bestehensnorm zwischen Mathematik<br />
und Erstsprache einführen, dann müsste<br />
sich diese Gruppe in beiden Fächern<br />
mehr anstrengen. Doch die EDK will<br />
keine neue Bestehensnorm einführen.<br />
Sie setzt bei ihrem Massnahmenplan<br />
vielmehr alles auf eine Karte und will<br />
das teure Teilprojekt Studierkompetenzen<br />
realisieren. Ob dann auch noch<br />
Geld da ist für die Finanzierung der anderen<br />
Teilprojekte wie die Förderung<br />
des Austausches zwischen Gymnasien<br />
und Hochschulen oder die Unterstützung<br />
bei der Berufs- und Studienwahl,<br />
werden wir in den kommenden Jahren<br />
sehen.