TraffixPlus 4/2013 - Lvb
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Etwas Spezielles hatte es schon immer,<br />
das lauschige Viertel zwischen Zwickauer<br />
Straße und Südfriedhof, in dem<br />
vor gut einem Jahrhundert die ersten<br />
Bewohner Einzug hielten. Damals lag<br />
die „Gartenvorstadt Marienbrunn“ noch<br />
umgeben von freiem Felde, heute ist sie<br />
mittendrin im Leipziger Stadtgebiet und<br />
immer noch besonders. Das liegt nicht<br />
nur an den für unsere autofixierte Zeit<br />
großteils fast unanständig engen Straßen.<br />
Es ist der „gute Geist“, der dieses Wohnquartier<br />
von Anfang an auszeichnet:<br />
bürgerschaftliches Engagement, Gemeinschaftsgefühl<br />
und Nachbarschaftshilfe.<br />
Grundsteinlegung für den neuen Kindergarten in Marienbrunn.<br />
Foto: R. Börner<br />
Foto: WBG Kontakt<br />
Der„Marienbrunner Geist“ lebt – seit 100 Jahren<br />
Historische Gartenstadt wird durch neuen Kindergarten weiter belebt<br />
Marienbrunn gestern und heute<br />
Bewusst wollte man nach 1900 mit der in<br />
Deutschland einsetzenden Gartenstadtbewegung<br />
einen Gegensatz zu den Bausünden<br />
der Gründerzeit – hier Villenviertel<br />
für Wohlhabende, da Mietskasernen für<br />
die weniger Bemittelten – schaffen. Wohnungsbau<br />
für unterschiedliche Geldbeutel<br />
stand im Vordergrund. In Leipzig wurde<br />
dafür 1911 die Gartenvorstadt Leipzig-<br />
Marienbrunn GmbH ins Leben gerufen.<br />
Sie ließ im Zusammenhang mit der Internationalen<br />
Baufachausstellung (IBA)<br />
1913 die ersten Bauten der Gartenvorstadt<br />
Marienbrunn um den Arminiushof<br />
als Modellsiedlung errichten.<br />
Charakteristisch sind die Reihenhäuser<br />
inmitten großzügig angelegter Grünflächen,<br />
offener Vor- und geräumiger Hausgärten.<br />
Trotz einheitlicher Grundstruktur<br />
bieten sie im Detail eine augenfällig abwechslungsreiche<br />
Vielfalt.<br />
Nach Abschluss der IBA begann für die<br />
genau 439 „Urmarienbrunner“ der Alltag.<br />
Den bestimmte ein ganz besonderes<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl – eben der<br />
bereits erwähnte „Marienbrunner Geist“.<br />
„Zäune sind hier nicht nötig“, betont<br />
Gerd Voigt, seit 1969 Marienbrunner.<br />
Vor 1989 griff aber auch in dieser Idylle<br />
der Verfall um sich, die historische<br />
Gaststätte, liebevoll „Mary“ genannt,<br />
überstand das nicht. Da gab es viel zu<br />
tun für den Verein der Freunde von Marienbrunn,<br />
der sich seit Gründung 1992<br />
für die anhaltende Belebung des Marienbrunner<br />
Gemeinschaftsgeistes einsetzt.<br />
„Die Gartenstadt ist ein Flächendenkmal<br />
und soll ihr Gesicht bewahren. Schon vor<br />
der Wende wurde begonnen, einzelne<br />
Häuser zu verkaufen. Es gab aber keine<br />
Gestaltungssatzung“, berichtet der<br />
Mitgründer und langjährige Vorsitzende<br />
Gerd Voigt. „Die zu entwickeln, war unsere<br />
erste Aufgabe.“<br />
Historisches bleibt erhalten<br />
Die Arbeit des rührigen Vereins, der kontinuierlich<br />
um die hundert Mitglieder<br />
zählt, genießt auch über Marienbrunn hinaus<br />
Anerkennung. Als zum Beispiel in<br />
der Wendezeit historische Laternen und<br />
Pflastersteine „in den Westen verkauft“<br />
wurden, sollte trotz Denkmalschutz auch<br />
das Marienbrunner Gehwegpflaster aus<br />
Rochlitzer Porphyr durch schnöde Betonplatten<br />
ersetzt werden, erzählt Voigt.<br />
Also fertigte Geophysiker und Uniprofessor<br />
Robert Lauterbach, 1995 verstorbener<br />
Marienbrunner, eine Expertise,<br />
die die vorgeschobene Behauptung, die<br />
„alten Steine“ seien sowieso brüchig,<br />
gründlich widerlegte. „Er schrieb, dass<br />
diese Steine uns noch dreimal überleben<br />
würden, bei den Betonplatten wäre<br />
es eher umgekehrt.“ Folge: Die Platten<br />
wurden wieder abgeholt und die alten<br />
Steine wieder verlegt, „jetzt sogar regelmäßiger<br />
und noch schöner als vorher.“<br />
Mit der Übernahme der Gartenvorstadt<br />
Marienbrunn GmbH hat die WBG Kontakt<br />
begonnen, die Bereiche, die den<br />
Gesamteindruck des Flächendenkmals<br />
beeinträchtigen, umzugestalten.<br />
Lebendig und jung<br />
Marienbrunn ist nicht nur ein traditionsreicher,<br />
sondern auch ein sehr lebendiger<br />
und junger Stadtteil.<br />
Nach zweijähriger Vorbereitungszeit wurde<br />
am 12. Dezember 2012 mit der Errichtung<br />
einer Kindertagesstätte für 81 Kinder<br />
begonnen. Die Skepsis einiger Anwohner<br />
ist gewichen, vielleicht auch deshalb, weil<br />
sich das Gebäude harmonisch in die umliegende<br />
Bebauung einfügt.<br />
Natürlich pflegen die Marienbrunner<br />
auch gemeinsame Freizeitbeschäftigungen,<br />
früher vermutlich noch mehr als<br />
heute. Man weiß von den jährlichen Maienfesten<br />
bis 1935, von Laienspiel- und<br />
Sportgruppen, einem Männerchor, einem<br />
Frauenchor, einer Volksinstrumentengruppe.<br />
Und gefeiert wurde – „egal wie<br />
trübe die Zeiten auch waren“ – gemeinsam<br />
auf dem Arminiushof, und das auch<br />
heute noch – nach dem Frühjahrsputz,<br />
beim Advents-Glühweintrinken oder<br />
zum großen Jubiläumssommerfest alle<br />
fünf Jahre, gerade erst zum 100-Jährigen<br />
am 31. August <strong>2013</strong>, wo es „trotz regnerischer<br />
Zwischenspiele rappelvoll bis<br />
zum Abschluss mit Feuerwerk“ war.<br />
Text/Fotos: Holger Staniok<br />
www.gartenvorstadt-leipzig-marienbrunn.de<br />
Haltestelle:<br />
Triftweg<br />
Bahn: 16<br />
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