Führungskompetenzen Besonnenheit schlägt Aktionismus - BAVC
Führungskompetenzen Besonnenheit schlägt Aktionismus - BAVC
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Blätter für Vorgesetzte<br />
in der chemischen Industrie<br />
Herausgegeben vom Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. Wiesbaden 12/2011<br />
<strong>Führungskompetenzen</strong><br />
<strong>Besonnenheit</strong> <strong>schlägt</strong> <strong>Aktionismus</strong><br />
Die Schuldenkrise und ihre Auswirkungen lassen den<br />
Druck wieder merklich steigen. Gefragte Führungsqualität<br />
in dieser Situation: besonnenes Handeln. Ohne<br />
Zweifel, Druck am Arbeitsplatz strapaziert die Nerven.<br />
Oben wie unten. Wenig Gelassenheit und viel Aufgeregtheit<br />
in Aktion wie Reaktion führen das immer<br />
wieder vor Augen. Viel fältige Überreaktion kennzeichnet<br />
den Arbeitstag, Chefs wie Mitarbeiter lassen sich<br />
ein ums andere Mal wenig besonnen in Situationen<br />
hinein-, von ihnen fort- und zu viel Unbedachtem<br />
hinreißen.<br />
Eine Kunst für sich<br />
Bedachtes Handeln aus der Kunst des dreifachen<br />
Lassens heraus (Zulassen, Weglassen, Loslassen) wird<br />
so meist vergeblich gesucht. Stattdessen, so scheint<br />
es, steht neben ungezügelter Spontaneität die Kunst<br />
des <strong>Aktionismus</strong> in hoher Blüte. Wenn, wie häufig zu<br />
hören ist, dieser <strong>Aktionismus</strong> auch zu einer System<br />
gewollten Verhaltensweise wird und kontinuierliches<br />
Change Management zu dessen allgegenwärtigem<br />
Ausdruck geworden ist, stellt sich Nachhaltigkeit auf<br />
diese Weise nicht ein.<br />
Ganz im Gegenteil: Anstelle der mehr und mehr in<br />
die Irre führenden geistigen Abhängigkeit von den<br />
Referenzgrößen des Tages als Bezugs- und Orientierungsgrößen<br />
wäre dringend eine auf das Geschehen<br />
beruhigend wirkende Unaufgeregtheit als maßgebliche<br />
Führungsqualität gefragt – eine den Mitarbeitern<br />
zu tatsächlicher Wegweisung verhelfende<br />
größere Halbwertzeit des Angesagten, im Denken,<br />
Beurteilen, Handeln und Verwerfen.<br />
Veränderung als unternehmensweites Vorgehens- bzw.<br />
Verhaltensprinzip ist kein Werte schaffender Wert an<br />
sich, wie eine vor knapp einem Jahr von der Unternehmensberatung<br />
Coverdale, München, publizierte<br />
Studie nachwies: Individuelle Burnouts greifen auf<br />
die Organisation über und führen zu organisationalen<br />
Burnouts.<br />
Erhellende Distanz zum Geschehen<br />
Was allenthalben schmerzlich vermisst wird, sind<br />
besonnene Köpfe, die erhellende Distanz zu dem Geschehen<br />
ermöglichen und den notwendigen geistigen<br />
Raum gewähren, die Dinge erst einmal zu bedenken.<br />
Und dadurch davor bewahren, immer wieder konfus<br />
unter die Räder des Geschehens zu kommen, zu<br />
Getriebenen anstatt zu Steuernden zu werden.<br />
Je herausfordernder und komplexer sich eine Situation<br />
darstellt, desto bedeutsamer wird Distanz zu ihr, umso<br />
mehr verlangt sie nach <strong>Besonnenheit</strong>. Bewahrt doch<br />
allein sie davor, von den anbrandenden Flutwellen<br />
der Aufgeregtheit mitgerissen zu werden.<br />
Aus dem Inhalt:<br />
Kündigung: Einer muss gehen 3<br />
Bewusste Unternehmensführung5<br />
Ausbildungsserie: Auf Schatzsuche6<br />
Konsum-Fest Weihnachten 8
Für die betriebliche Effizienzpflege sowie die dazu<br />
notwendige Sorge um das Wohlergehen der Belegschaft<br />
sollte <strong>Besonnenheit</strong> für Führungskräfte zu einer definitiv<br />
geforderten Eigenschaft werden. Und eine weitere<br />
Forderung an deren Adresse wäre, sich zuverlässiger im<br />
Griff zu haben und die unter der Oberfläche stets auf<br />
der Lauer liegende emotionale Entflammbarkeit zu zügeln,<br />
sich nicht durch einen sprachlichen, körpersprachlichen<br />
oder sonstigen Auslöser wie auf Knopfdruck zu<br />
unbedachtem Handeln hinreißen zu lassen. <strong>Besonnenheit</strong><br />
ist vermutlich die in ihrer Wirkung verkannteste<br />
Führungsqualität überhaupt. Ist sie doch die wesentliche<br />
Voraussetzung für wirkungsvolles Umgehen miteinander.<br />
Umgang mit Problemen<br />
Besonnen, kraftvoll, aber mit Bedacht zu führen, darin<br />
liegt zu einem Gutteil die Begründung der segensreichen<br />
Wirkung gleichzeitig anerkannter wie effizienter<br />
Vorgesetzter. Was sich vielleicht am auffälligsten in<br />
deren Umgang mit Problemen oder aufgetretenen Fehlern<br />
zeigt. Aus der heute zwangsläufigen alltäglichen<br />
Durchmischung von routiniertem und notwendigem<br />
innovativen Verhalten erwächst unausweichlich eine<br />
Fehlergeneigtheit des Tuns.<br />
Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, wird<br />
heute aber aus einem unreflektierten Perfektions- und/<br />
oder Sicherheitswahn heraus nicht zur Kenntnis genommen,<br />
ja tabuisiert. Damit wird auf unverzeihliche<br />
Weise die allen Fehlern innewohnende Hinweis- und<br />
Wirkungskraft ungenutzt gelassen. Einmal abgesehen<br />
davon, dass Perfektion und Menschsein eigentlich nicht<br />
zusammenpassen. Versuch und Irrtum sind nicht nur<br />
das Wirkprinzip der Evolu tion, sondern auch in jedem<br />
Unternehmen der ausschlaggebende Gegenspieler von<br />
Stillstand und Verkrustung.<br />
Aus Fehlern lernen<br />
Fehler sollten vorurteilsfrei analysiert und der sich in<br />
ihnen bietende Lern- und Entwicklungseffekt sinnvoll<br />
genutzt werden. Besonnen, kraftvoll und mit Bedacht<br />
führende Vorgesetzte wissen, dass sie mit der dümmsten<br />
aller dummen Fragen „Wer und wo sitzt der Schuldige,<br />
wer hat Schuld?“ jedwedes zukunftsweisende<br />
Handeln auf der Stelle verhindern. Ihr Interesse gilt<br />
vielmehr den drei Erkenntnis bringenden W-Fragen.<br />
„Wo könnte der Ursprung des Problems liegen?“, „Wie<br />
ist das Wiederauftreten des Problems zu verhindern?“,<br />
„Was hat das Auftreten des Problems begünstigt?“<br />
Indem Vorgesetzte den Dingen auf den Grund gehen,<br />
anstatt Menschen in Grund und Boden zu rammen,<br />
übernehmen sie auch für eigene Irrtümer, Fehler oder<br />
Versäumnisse ohne Wenn und Aber die Verantwortung.<br />
Womit eine Frage ihre Rätselhaftigkeit verliert: Weshalb<br />
wirken manche Vorgesetzte um so vieles ermutigender<br />
und anspornender auf ihre Umgebung? Weil sie Vorbild<br />
und Förderer ihrer Mitarbeiter sind.<br />
Richtig motivieren<br />
Und das lässt in ihrer Umgebung stets aufs Neue die<br />
Gewissheit wachsen, meistens – nicht immer – findet<br />
sich für alles ein Weg, eine Lösung. Was sie und ihr<br />
Team in der Problemlöse- wie Innovationsfähigkeit ohne<br />
alles Seminar-Brimborium den anderen oft so erstaunlich<br />
überlegen macht. Und gesünder, viel weniger vom<br />
Ausbrennen bedroht. Führen Vorgesetzte besonnen,<br />
kraftvoll und mit Bedacht, fühlen sich alle den schnell<br />
wechselnden, nur zu oft verunsichernden beruflichen<br />
Situationen bei weitem nicht so ausgeliefert wie viele<br />
ihrer Kolleginnen und Kollegen. Das Feuer, das dann in<br />
ihnen brennt, frisst sie nicht auf, es treibt sie an. HV<br />
Literatur-Tipp:<br />
Volk, Theresia (2011): Unternehmen Wahnsinn –<br />
Überleben in einer verrückten Arbeitswelt.<br />
Kösel Verlag, 220 Seiten, € 17,99<br />
Nida-Rümelin, Julian (2011): Die Optimierungsfalle<br />
– Philosophie einer humanen Ökonomie.<br />
Irisiana Verlag, 311 Seiten, € 19,99<br />
Csikszentmihalyi, Mihaly (2010): Das flow-<br />
Erlebnis – Jenseits von Angst und Langeweile<br />
im Tun aufgehen.<br />
Verlag Klett-Cotta, 254 Seiten, € 22,95<br />
Stout, Martha (2006): Der Soziopath von nebenan.<br />
Die Skrupellosen: ihre Lügen, Taktiken und Tricks.<br />
Springer Verlag, 293 Seiten, € 32,95<br />
2 Blätter für Vorgesetzte 12/2011