Editorial Schwerpunkt WARUM VERTRAUEN? <strong>Vertrau</strong>en hat zwei Gesichter Der marxistische Politiker Lenin, der auch einige Jahre in der Schweiz verbrachte, formulierte oft in seinen Reden den Grundsatz «<strong>Vertrau</strong>e, aber kontrolliere nach!». Die Geschichte zeigt, dass dies keine neue Idee war, denn Diktatoren aller Jahrhunderte hatten bereits das <strong>Vertrau</strong>en ganz weggelassen und sich der Kontrolle bedient, um ihre Macht zu erweitern. <strong>Vertrau</strong>en ist das Gegenteil von Kontrolle. Wenn ich vertraue, lasse ich los, ich gebe etwas in andere Hände, habe keinen Einfluss mehr, lasse Entwicklung zu. Ich kann mich zurücklehnen und die Dinge geschehen lassen. <strong>Vertrau</strong>en ist ein Geschenk, daher sprechen wir davon, dass wir «jemandem <strong>Vertrau</strong>en schenken». Dann gibt es noch das grundsätzliche <strong>Vertrau</strong>en in das Leben, in die Welt, in Gott. Dieses versuchen wir den Kindern mitzugeben. Kommen sie doch so voll <strong>Vertrau</strong>en zu uns und zum Leben überhaupt in diese Welt, wollen begeistert und freudig das aufnehmen, was die Welt ihnen geben kann. Hüten wir so lange wie möglich dieses Urvertrauen, helfen wir, dass es stark wird und wachsen kann, dass es möglichst ein Leben lang vorhält. Geben wir ihnen in der <strong>Schule</strong> viele Gelegenheiten, dass sie merken: Ich kann das ja, obwohl es am Anfang so schwierig ausgesehen hat. Ich habe mir neue Fertigkeiten erworben, eine Angst überwunden. Stärken wir ihr <strong>Vertrau</strong>en in sich selbst. Erzählen wir ihnen von Menschen, die am Schicksal gewachsen sind und ihren Weg im Leben gefunden haben. Könnten doch die Kinder am Ende der Schulzeit zur Türe hinausgehen und sagen: Was auch auf mich zukommt im Leben – ich bin bereit. Brigitte Rahmen n 4 6 7 11 16 INHALT Wie das Weltvertrauen der Kinder während der Klassenlehrerzeit veranlagt und gefördert werden kann 3 In der Felswand 6 Menhir – Alignement – Dolmen oder <strong>Vertrau</strong>en im freien Religionsunterricht 7 <strong>Vertrau</strong>en in der Circusarbeit 10 Aufsätze der neunten Klasse zum Thema <strong>Vertrau</strong>en 12 Kampf und <strong>Vertrau</strong>en 13 Gedanken zum Thema <strong>Vertrau</strong>en: Worauf begründet sich <strong>Vertrau</strong>en? 14 Von Huftieren, Tierkreis bildern und der zwölf gliedrigen Menschen gestalt 16 Impressum 20 Daten und Termine 23 WIE DAS WELTVERTRAUEN DER KINDER WÄHREND DER KLASSENLEHRERZEIT VERANLAGT UND GEFÖRDERT WERDEN KANN «<strong>Vertrau</strong>en im ganz konkreten Sinn, individuell, einzelgestaltet, ist das Schwerste, was aus der Menschenseele sich herausringt. Aber ohne eine Pädagogik, eine Kulturpädagogik, die auf <strong>Vertrau</strong>en hin orientiert ist, kommt die Zivilisation der Menschheit nicht weiter.» <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> In den ersten Lebensjahren lebt das Kind in einem Nachklang der vorgeburtlichen Welt. Kinder bringen Impulse mit aus der geistigen Welt. Damit diese Zukunfts- und Erneuerungskräfte sich entfalten können, muss das Kind auf der Erde heimisch werden. An der <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> begleitet der Klassenlehrer (*) die Kinder in der Regel über eine längere Zeit; an unserer <strong>Schule</strong> von der ersten bis siebten Klasse. Der Klassenlehrer geht dadurch eine Verbindlichkeit im Zusammenleben mit den Kindern ein. Die Kinder bringen ihm eine grosse Offenheit, ein Urvertrauen entgegen. Daraus wächst eine Beziehung, die im Schulalltag trägt, auch wenn sie immer wieder durch Krisen geht. <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> nennt das Verhältnis, das sich bildet zwischen dem Klassenlehrer und dem Kind «geliebte Autorität». Das Kind will naturgemäss der Autorität folgen. Als Klassenlehrer ist man immer wieder zutiefst beeindruckt, mit welcher Offenheit, Hingabe und <strong>Vertrau</strong>en die Kinder einem begegnen. Dieser kindlichen Haltung muss sich der Lehrer würdig zeigen. Selbsterziehung und Reflexion helfen ihm dabei. Das <strong>Vertrau</strong>ensverhältnis zwischen Lehrer und Schüler muss gepflegt werden. «<strong>Vertrau</strong>en bildet die seelische Hülle, innerhalb derer sich Beziehungen fördernd entwickeln können» (Wege zur Qualität, Feld 5, <strong>Vertrau</strong>en). In einer Metapher können wir ein «Beziehungskonto» beschreiben, in dem <strong>Vertrau</strong>en durch «Einzahlungen» gebildet wird. Jedes <strong>Vertrau</strong>en muss sich durch das Verhalten im Leben erfahrungsmässig bestätigen. Das Kind spürt und erahnt das Wesen seines Lehrers. Es möch te erleben, dass es sich lohnt, zu ihm aufzuschauen. (*) Der Begriff «Klassenlehrer» soll auch die weiblichen Lehrpersonen mit einschliessen. « <strong>Vertrau</strong>en bildet die seelische Hülle, innerhalb derer sich Beziehungen fördernd entwickeln können.» Diese Mitteilungen wurden mit freundlicher Unterstützung von Weleda AG gedruckt. 2 <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> Mitteilungen Weihnachten 2013 Mitteilungen Weihnachten 2013 <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> 3