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Laudatio für Svenja Pelzel (Hörfunk) - DGHS

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<strong>Laudatio</strong> Arthur-Koestler-Preis 2013<br />

Medienpreis der <strong>DGHS</strong>, Kategorie <strong>Hörfunk</strong><br />

Für „Sterben ist gar nicht so einfach“ – redaktioneller Beitrag von<br />

<strong>Svenja</strong> <strong>Pelzel</strong>, in Deutschlandradio Kultur am 24.2.2013<br />

Bonn-Bad Godesberg, 8. November 2013<br />

Ein anderes Medium, ein anderer Ansatz, ein anderer Stil: Das ganze Jahr 2013 hindurch<br />

brachte das DLR regelmäßig und häufig Sendungen zum Thema des Älterwerdens und<br />

Sterbens, zur aktiven und passiven Sterbehilfe in Deutschland, zum Recht auf Wissen und<br />

Nichtwissen.<br />

In der knapp halbstündigen Sendung im Deutschlandradio Kultur vom Februar mit dem Titel<br />

„Sterben ist gar nicht so einfach“ stellt <strong>Svenja</strong> <strong>Pelzel</strong> Menschen vor, die konkret mit<br />

Sterbesituationen konfrontiert sind, sei es als Schwerstkranker und Sterbender, als Arzt oder<br />

Pfleger, als Angehöriger oder Sterbewilliger.<br />

Sie lässt sie zu Wort kommen, interpretiert nicht, mischt sich nicht ein, sondern stellt<br />

zunächst ganz unterschiedliche Einstellungen dem Tod und Sterben gegenüber einfach<br />

nebeneinander, vermittelt dabei auch Einblicke in die nicht immer der reinen Logik<br />

verpflichtete menschliche Seele, aber ohne jede moralische Bewertung, geschweige denn<br />

Verurteilung, ohne <strong>für</strong> die eine oder andere Position Partei zu ergreifen. So scheint es.<br />

Da ist der 77-jährige ehemalige Arzt mit Krebs im Endstadium, eifriger Verfechter des<br />

Rechtes auf jede Art von Sterbehilfe in Deutschland, der über die nötigen Sterbemittel<br />

verfügt, sie aber nicht anwendet, sondern auf der Palliativstation eines großen<br />

Krankenhauses in derselben Nacht eines natürlichen Todes verstirbt. Sein behandelnder<br />

Arzt wird häufig mit Wünschen nach Lebensverkürzung konfrontiert. Er versteht sie, aber<br />

eingreifen will er nicht, es sei denn mit palliativer Sedierung.<br />

Auch der Pfleger gibt zu, er werde oft bedrängt mit der Bitte um Sterbehilfe, und wie schwer<br />

dieser Druck auszuhalten sei. „Zeit gewinnen“ heißt die Strategie des Teams, um sich zu<br />

schützen.<br />

Da ist die Tochter des Verstorbenen, selbst Ärztin, die <strong>für</strong> sich selbst ein Sterben in totaler<br />

Abhängigkeit ausschließt, die Notwendigkeit des Sterbetourismus in die Schweiz aber als<br />

Gipfel der Würdelosigkeit ablehnt.<br />

Oder das ältere Ehepaar, beide sehr krank, seit über 20 Jahren Mitglied bei der <strong>DGHS</strong>, weil<br />

es ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, das sie <strong>für</strong> ihren täglichen Kampf ums<br />

Überleben brauchen. Sie wollen ja ihr Leben nicht so einfach wegwerfen, denn „der letzte<br />

Weg ist ein schwerer“. Aber sie wollen als mündige Bürger die Entscheidung am Ende selbst<br />

treffen. Sie sprechen der Politik das Recht ab, per Gesetz die Sterbehilfe zu verbieten.<br />

Und dann kommt der pensionierte Arzt Uwe Christian Arnold zu Wort, einer der wenigen in<br />

Deutschland, wenn nicht der Einzige, der offen zugibt zu helfen, der da<strong>für</strong> unter anderem von<br />

der Landesärztekammer Berlin angeklagt – und letzten Endes freigesprochen wurde. Denn,


so das Urteil sinngemäß: „Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht verboten. (…)<br />

Keine Standesvertretung steht über dem Gewissen des Arztes“.<br />

Ganz wichtig ist ihm wie allen Befragten die ergebnisoffene Beratung der Sterbewilligen, sind<br />

Anlaufstellen <strong>für</strong> den Kranken wie <strong>für</strong> die Angehörigen, denn 50 % der<br />

„Selbstmordkandidaten“ (Selbstmord, ein Begriff, der leider immer wieder verwendet wird)<br />

suchten eigentlich Hilfe zum Weiterleben.<br />

Die Anwesenheit und die Hilfe eines kompetenten, verantwortungsbewussten Arztes beim<br />

Freitod sieht Arnold als unerlässlich an, um Katastrophen durch unsachgemäße Eigen-<br />

Medikation oder Panikhandlungen zu vermeiden, ein Standpunkt, den auch die <strong>DGHS</strong><br />

vertritt.<br />

Was hier vordergründig wie einfaches Aneinanderreihen unterschiedlicher Standpunkte zur<br />

Sterbehilfe aussieht, erweist sich bei genauerem Hinsehen als subtile Heranführung an ein<br />

schweres Thema, im Bewusstsein, es in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht<br />

umfassend ausloten zu können.<br />

Aber gerade weil die Journalistin keine fertigen Lösungen anbietet, sieht sich der Hörer<br />

gezwungen, selbst Position zu beziehen, seine eigenen Werte und Wünsche zu definieren<br />

und über sein eigenes Ende nachzudenken.<br />

Es wäre viel gewonnen, wenn durch solche leicht verständlichen, einfühlsamen, aber<br />

keineswegs einfachen Sendungen mehr Menschen dazu bewegt werden könnten, sich mit<br />

der Endlichkeit des Lebens auseinander zu setzen und daraus ihre ureigensten<br />

Konsequenzen zu ziehen.<br />

Frau <strong>Pelzel</strong> hat viel dazu beigetragen. Da<strong>für</strong> gebührt ihr unser diesjähriger Preis in der<br />

Kategorie „<strong>Hörfunk</strong>“.<br />

Elke Baezner<br />

<strong>DGHS</strong>-Präsidentin und Mitglied der Arthur-Koestler-Preis-Jury<br />

(Es gilt das gesprochene Wort)

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