Die Macht der Ideen - Buch.de

mein intellektueller weg 27
Und falls selbst die Engel nichts davon wussten, musste
Gott sie kennen – es musste Antworten geben.
Hatten die Menschen die Antworten auf moralische,
soziale und politische Fragen erst einmal entdeckt und als
wahr erkannt, konnten sie gar nicht umhin, sie zu befolgen,
da sie gar nicht in Versuchung kämen, anders zu handeln.
Und so könne man zur Vorstellung eines vollkommenen
Lebens gelangen. Vielleicht ließ sich dieses Leben nicht verwirklichen,
aber die Vorstellung musste sich grundsätzlich
bilden lassen – und letztlich musste man notwendig an die
Möglichkeit glauben, die einzig wahren Antworten auf die
großen Fragen finden zu können.
Dieses Glaubensbekenntnis war gewiss nicht auf die
Denker der Aufklärung beschränkt, auch wenn andere
Denker andere Methoden vorschlugen. Platon glaubte, die
Mathematik sei der Weg zur Wahrheit. Aristoteles sah ihn
eher in der Biologie. Juden und Christen suchten die Antworten
in ihren heiligen Schriften, in den Verkündigungen
göttlich inspirierter Lehrer und den Visionen der Mystiker.
Andere wiederum glaubten, experimentelle und mathematische
Methoden könnten die Klärung herbeiführen. Wieder
andere meinten wie Rousseau, nur die unschuldige
menschliche Seele, das unverbildete Kind oder der einfache
Bauer werde die Wahrheit erkennen – besser jedenfalls als
die verdorbenen Mitglieder einer durch Zivilisation deformierten
Gesellschaft. Doch in einem waren sie sich alle
einig, selbst ihre Nachfolger, die nach der Französischen
Revolution erkennen mochten, dass es schwieriger war, die
Wahrheit zu entdecken, als ihre naiveren und optimistischeren
Vorgänger 2 geglaubt hatten: dass man die Gesetze der
2 Fourier, ein Frühsozialist, und Saint-Simon glaubten an eine wissen-