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Gabriele Klug - bei LiTheS

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<strong>LiTheS</strong> Nr. 8 (Februar 2013)<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/13_08.html<br />

Und so verlockend und scheinbar passend etwa Freuds Thesen zum Humor 32<br />

gerade in Hinblick auf den König vom Odenwald auch erscheinen mögen, da<br />

ja in dessen Gedichten das ‚Ich‘ und sein Verhältnis zur eigenen literarischen<br />

Produktion wie auch zur Welt so stark präsent sind, so problematisch ist doch ihre<br />

Anwendung – es handelt sich hier um ein völlig anderes ‚Ich‘ als dort, mit ganz<br />

anderen mentalitätsgeschichtlichen Voraussetzungen und von anderen sozialen<br />

Kontexten geprägt. Ein Ausweg aus diesem Dilemma mag sich in der Idee des<br />

homo ludens anbieten 33 , denn das Spiel (und die Freude daran) zieht sich wie ein<br />

roter Faden durch die verschiedenen Ebenen der vorgestellten ‚Geflügelgedichte‘<br />

wie auch der übrigen Tiergedichte des Königs. Spielerisch ist das Aufzählen und<br />

collageartige Ansammeln von Allerweltwissen in den Gedichten, spielerisch sind<br />

die Selbstreferenzen und vorgeblich belehrenden Publikumsanreden des Text-<br />

Ichs, und spielerisch ist der Umgang der Texte mit zeitgenössisch etablierten<br />

literarischen Formen und Konzepten.<br />

Der König vom Odenwald beschließt sein Gänselob mit folgenden Versen: „Hie<br />

hat die rede von der gense ein ende / nieman sol mich dar u ͤ m pfende.“ 34 Der erste<br />

Teil ist noch relativ klar: „Hier endet die Rede von der Gans“. Der Schlussvers<br />

jedoch lässt, wie es so oft <strong>bei</strong>m König der Fall ist, einen Interpretationsspielraum<br />

offen. Er könnte auf Neuhochdeutsch entweder lauten: „niemand soll mich<br />

deshalb pfänden“, oder aber: „niemand wird / darf sie mir wegnehmen“. Dieser<br />

Schluss ist insofern bezeichnend, als er in seiner Zweideutigkeit meines Erachtens<br />

zwei wichtige, zeitenüberspannende Merkmale komischer Äußerungen berührt.<br />

Zum einen spielt er auf die komische Redelizenz an, die innerhalb der jeweiligen<br />

Lachgemeinschaft entsprechend der stillschweigenden Übereinkunft über die<br />

Harmlosigkeit des Gesagten den Verfasser von Komischem temporär unter<br />

Schutz stellt. Niemand soll bzw. darf den König um seines Gedichtes willen<br />

„pfänden“, i. e. bestrafen (wo<strong>bei</strong> diese Apprehension angesichts der totalen<br />

Absenz irgendwelcher gewichtiger, straf- oder zensurwürdiger Aussagen im<br />

Gedicht für sich genommen schon wieder komisch ist). Zum anderen transportiert<br />

der letzte Vers eine Haltung, die bereits im Generieren von Komik selbst einen<br />

74<br />

32 „Der Humor hat nicht nur etwas Befreiendes wie der Witz und die Komik, sondern auch<br />

etwas Großartiges und Erhebendes, welche Züge an den <strong>bei</strong>den anderen Arten des Lustgewinns<br />

aus intellektueller Tätigkeit nicht gefunden werden. Das Großartige liegt offenbar<br />

im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs.<br />

Das Ich verweigert es, sich durch die Veranlassungen aus der Realität kränken, zum<br />

Leiden nötigen zu lassen, es beharrt da<strong>bei</strong>, dass ihm die Traumen der Außenwelt nicht<br />

nahegehen können, ja es zeigt, dass sie ihm nur Anlässe zu Lustgewinn sind.“ Sigmund<br />

Freud: Der Humor (1927). In: Freud-Studienausgabe. Bd. 4. Psychologische Schriften.<br />

Herausgegeben von Alexander Mitscherlich [u. a.]. Frankfurt am Main: Fischer 1970,<br />

S. 275–282, hier S. 278.<br />

33 Vgl. Müller-Kampel, Komik und das Komische, S. 17; Fromm, Komik und Humor in der<br />

Dichtung des deutschen Mittelalters, S. 323 („Der homo comicus [...] handelt als homo<br />

ludens – und zwar unter allen Aspekten, die das Spiel bietet.“).<br />

34 KvO, Gänselob, V. 117–118.

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