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Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

von Paul Wriede


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

DER FELDGRAUE KASPER PUTSCHENELLE<br />

von Paul Wriede<br />

Sammlung ausgewählter Kasperstücke aus Joh[anne]s E. Rabes<br />

Kasper Putschenelle. Historisches über die Handpuppen und Hamburgische Kasperspiele ∗<br />

∗<br />

Joh[anne]s E. Rabe: Kasper Putschenelle. Historisches über die Handpuppen und Hamburgische Kasperspiele.<br />

Mit handkoloriertem Titelbild und 18 Bildern im <strong>Text</strong>. 2., sehr verm. Aufl. (2. und 3. Tausend). Hamburg:<br />

Quickborn 1924, S. 208–234.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

[208]<br />

KASPER IN FRANKREICH. ∗<br />

KASPER feldgrau, ohne Waffe, nur mit Pritsche, tritt singend auf.<br />

Is Krieg, is Krieg, is Krieg, is Krieg,<br />

In’t Frankenriek, in’t Frankenriek.<br />

In’t Frankenriek is Krieg.<br />

Schüttengrobens hebbt wi boot<br />

Deep as wie so’n Keller,<br />

Bit Klock Nacht steiht op Wacht<br />

Kasper Putscheneller.<br />

KASPER aufhorchend. Weur dor wat? laut Wer da? Hummel, Hummel!<br />

FRANZOSE. Ki wiev?<br />

FRANZOSE mit Seitengewehr, ohne Schießwaffe, tritt auf.<br />

KASPER. Wieber hebbt wi hier nich. Da’s nich de richtige Antwort. Kö wule wu, Kantüffel mit Slu? Kommang-wu<br />

portoriko?<br />

FRANZOSE. O pardong, pardong. Ick nick kommen <strong>als</strong> Feind. Ick mir aben verlauft von meine Kammerad.<br />

Ick sein müd und matt. Ick aben vielgekampfen for die Gloahr von meine power Frankreik!<br />

KASPER. Jo da’s kloar, power steiht dat mit Frankriek!<br />

FRANZOSE. Ick aben geabt einer Aß Haß auf die Deutsche, aber aben jetzt nur noch einer Aß auf die f<strong>als</strong>che<br />

England.<br />

KASPER. Du, wenn du twee Assen hest, denn kannst driest mol utspel’n!<br />

FRANZOSE. Ick nun mökten zuruck zu meine Kamrad.<br />

KASPER. Dat deiht mi leed, dor kann ick nich mit deenen. En Komer hebbt wi hier nich un en Rad ook<br />

nich.<br />

FRANZOSE. Wissen du nick die Schemäng?<br />

KASPER. Schemisett, meenst woll? Ne, dor holl ick mi nich mit op.<br />

FRANZOSE. Den – wie heißen? – den Wek zu meine Landsleut?<br />

KASPER. Jowoll, mien gooden Jung. De stoht hier grod’ schreeg gegenöber! Wisawi is beter as dicht bi,<br />

weest woll. Wulewu warteh en Stücker fiev Minüts, denn bring ick di hen. Verstandewu?<br />

FRANZOSE. Bong, Bong.<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper in Frankreich. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 208–212. Der Erstabdruck dieses<br />

Kasperstückes wie auch der folgenden <strong>Text</strong>e von Paul Wriede (mit Ausnahme des letzten, Kasper und der<br />

Amerikaner) erfolgte bereits zur Zeit des Weltkriegs im Rahmen der Szenenfolge Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

in der Hamburger Woche: P. W.: Der feldgraue Kasper Putschenelle. 1. Kasper in Frankriek. In: Hamburger<br />

Woche vom 9.6.1915, Nr. 23, S. 8.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPER. Ne du: Boltjes hebbt wi hier ook wedder nich, un de swatte Kruse is al lang all’. Ober teuf man<br />

’n Ogenblick, denn goh ick mit langs.<br />

FRANZOSE. Wui, wui. Ins Publikum. Denn ick makken <strong>bei</strong> die Okkasiong einer Gefangener, und bekomme<br />

Auszeichnung von meiner Kapitähn!<br />

KASPER. Du, wi möt uns ober bannig in acht nehmen. Da’s bannig dangscherö hier. Hier neeg bi steiht<br />

uns’ ganze Armee: dor stoht 1000 Generols un<br />

5000 Kopperols, un 10 000 Unneroffziers un 20 000 Böberoffziers, un 30 000 Füsiliers un 50 000 Muskeltiers,<br />

un 100 000 Kavalleristen un 150 000 Infanteristen, un 200 000 Attilleristen und 300 000 Ulonen<br />

–<br />

FRANZOSE zusammenzuckend. Hä!<br />

KASPER. Jo du, un denn noch all’ de greunen Jungs, ick wull seggen de greunen Jägers, un de Pioniers un<br />

de Gulaschkannoniers, un de Zeppelins un de Unnerseebööt, un de grooten Krüzers un de lütten Krüzers,<br />

un wat dor sünst noch all an bimmelt un bammelt – nimm di jo in acht, du!<br />

FRANZOSE. So wollen wir gehn ßu meine Kamrad auf die Seite wisawi!<br />

KASPER. Oogenblick. – Eben mol’n Leewsgobenzigarr ansteken. sich umsehend Wo snie ick denn nu de<br />

Spitz mit af? – Segg mol: Hest du viellicht en Metz bi di?<br />

FRANZOSE. Ein – hä?<br />

KASPER. Och so, dat versteiht he wedder nich. Eben mol in min Tornüster-Dickschonehr nosehn. Schlägt<br />

nach. Also einen Kuto?<br />

FRANZOSE. Non, ick nick aben öng Kuto.<br />

KASPER. Na, denn geiht dat ook mit de Plemp. Denn lehn mi de mol, Musche Blix. Manto!<br />

FRANZOSE. Non, nickt mit die Szaber! Das nickt gehen pa.<br />

KASPER. Wat sull dat woll nich gohn pa! Nimmt ihm das Seitengewehr weg, besieht es. Da’s ja’n osiges Dings. Is<br />

gor nich to’t Zigarrnaffsnieden to gebruken. Geiht jo vel beter mit de Tehn. Franzose will ihm das Seitengewehr<br />

wieder abnehmen. Ne du, dat ole Dings kriggst nich wedder. Dor kannst di jo beus mit in de Finger<br />

snieden! Dat wöhlt wi man leber dor in den Stadtgroben smieten. Wirft es weg. So, dor büst vor seker,<br />

dat deiht di nix mehr!<br />

FRANZOSE. Meine Gewehr, meine Szaber, meine Gewaff!<br />

KASPER. Kusche wu!<br />

ENGLÄNDER hinter der Szene. Hu go’s?<br />

KASPER zum Franzosen. Dor kohmt de Ulonen all, nu wohr di weg Franzos’, verstek di dor achtern Busch.<br />

Franzose ab.<br />

ENGLÄNDER mit Gewehr und Seitengewehr auftretend. Hu’s sehr?<br />

KASPER. Ki wief’, ki wief’, ki wief’?<br />

ENGLÄNDER. O, e French?<br />

KASPER. Ne, French is nich hier un Joffer ook nich.<br />

ENGLÄNDER. O, ju ahr e Djörmenn?<br />

[209]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Djä, djä, djä, djä – dat harrst di woll nich dacht? Ick bün Kasper von Sankt Pauli – oder weest<br />

dat all?<br />

ENGLÄNDER. O, du ßein Kasper von Szehnt Paols? O, hau du ju du?<br />

KASPER. Gewiß kriggst du Hau, du.<br />

ENGLÄNDER. O, das is ja eine old Äkkwehntenz for mich. Ei häv gestanden<br />

vor deiner Theater auf der Spielbudenplatz und haben mich ge – gewalzen vor Lachen.<br />

KASPER. Gewalzen? Walzt ji ook? Ick dach, ji danzt bloß Schottschen. Wat stellst du denn nu hier vorr?<br />

ENGLÄNDER. Ick sein einer englischer Patrullje.<br />

KASPER. So, du sittst in de engelsche Bredullje? Dat gleuf ick woll.<br />

ENGLÄNDER. Kasper, ick mußte eigentlich schieß dich tot!<br />

KASPER. Schieß dich tot? Hest du denn sovel Rabarbar innohmen?<br />

ENGLÄNDER Ach nein, ick mußte dick tot makken mit die Gewerr. Aber weil ick doch haben soviel gelachen<br />

ober dir auf Szehnt Paols, ßo ich will dich nur nehmen Gefangener.<br />

KASPER. So, gefangen wullt du di geben? Dat doh man: geben is seliger as nehmen. Kann ick di gor nich<br />

verdenken: Wat wullt du di ook von uns dootscheeten loten!<br />

ENGLÄNDER. Dohn’t önderständ.<br />

KASPER. En Unnerstand sochst du? Wullt di ünnerstell’n? O Minsch, dat regent jo gor nich. Is jo ganz<br />

dreug hier buten. „Schön ist’s unterm freien Himmel –“ No’n Unnerstand bringt wi di noch freuh genoog.<br />

ENGLÄNDER besieht Kaspers Knüppel. Is das deine Uaff?<br />

KASPER. Mien Aff? Nee, mienen Open heff ick op’n Puckel.<br />

ENGLÄNDER. Ick meinen deine Reifel, deine Gewerr.<br />

KASPER. Jo, dor wehr ick mi mit. Dat weest doch von St. Pauli her. De Generol von’t negte Armeekohr<br />

hett mi eegens verleuvt, ick kunn dat mit in’n Krieg nehmen.<br />

ENGLÄNDER. Hahaha! Was for eine Gewerr!<br />

KASPER schlägt ihn. Mehd in Dschörmenni!<br />

ENGLÄNDER. Laß deine Späße. Gib her deiner Knuppel faßt danach.<br />

KASPER. Hand von’n Sack, de Hobern is verkofft schlägt ihn.<br />

ENGLÄNDER. Noch einmal: laß deine Späße. Die sind hier nicht angebringt – gebrungt – gebraot. Ein anderer<br />

hätte dich längst umgebrängt – gebringt – gebrungen. Aber ich haben meinen Meind aufgemacht<br />

zu meinen es gut zu dir und will dich tehk zu meine Könntrimenn, und du sollen haben es gut <strong>bei</strong> uns!<br />

Djemms und Hemmendeggs and Fuutbaoll änd aoll ju wisch.<br />

KASPER. Sech mol, du Mister Szörr, krieg ick denn bi dien Lüd ook mol son richtiges Scheetgewehr in de<br />

Hand?<br />

ENGLÄNDER. Bi schur, Kasper.<br />

KASPER. Ook so’n Keesmetz?<br />

[210]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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ENGLÄNDER. Uenn du uillst fechten auf unser Seite, szo doch gewiß, Kasper.<br />

KASPER. Jä, wenn mi son Kohfoot man bloß nich to swör is.<br />

ENGLÄNDER. Uas sollt es wohl, so ein kraftigen Menn <strong>als</strong> du!<br />

KASPER. Plies’, giff mi dat Dings mol eben op de Schuller.<br />

ENGLÄNDER. O no, das gehen nikkt.<br />

KASPER. Bloß mol eben, kriggst dat jo gliek wedder.<br />

ENGLÄNDER legt ihm das Gewehr auf die Schulter.<br />

KASPER. Jo, dat geiht. Ick gleuv würklich, dat dat gohn deiht. Jo, gohn dohn deiht dat woll. – Ober wie is<br />

dat mit dat Keesmetz, dat Tschies-Neif’, wenn du dat beter versteihst?<br />

ENGLÄNDER. Is ja auch nich swer hängt es ihm um.<br />

KASPER. Ne, du hest recht, dat is ganz licht, dat mokt nix ut, dat kann man dregen, dat is fedderlicht, dat<br />

feult man gor nich, dor markt man nix von, dat holl ick mit’n stieben Arm öber Enn’n! Paß mol op:<br />

Uonn, tu – ßrie macht Freiübungen mit dem Gewehr, wirft es dann ins Wasser smiet! Un nu: eentweedree – he<br />

flüggt wirft auch das Seitengewehr ins Wasser.<br />

ENGLÄNDER. O Kasper, mei Reifel, mei Szeber!<br />

KASPER. Dien Maiseber? De is wegflogen.<br />

ENGLÄNDER. Kasper, ick haben dich gedacht zu sein eine Dschentelmen.<br />

KASPER schlägt ihn. Dat doh jonich wedder. Schlägt ihn noch einmal. Dor kannst mi mit verteurn!<br />

ENGLÄNDER. Kasper, gib mir meine Uaff wieder!<br />

KASPER. Teuf man ’n Oogenblick. Ruft den Franzosen. Parlewu, Parlewu, Parlewu! Issi, issi, issi! Woala,<br />

woala, woala auf den Engländer zeigend.<br />

FRANZOSE. Szacker blöh, lö Trähter.<br />

ENGLÄNDER. O blöddi Frenschmenn. Beide prügeln sich.<br />

KASPER schlägt hinterrücks bald den einen, bald den anderen. Ümmer op em! Neih em! Hau den Engelsmann!<br />

Lot di nix gefalln! Ümmer feste druff, seggt de Kronprinz.<br />

LEUTNANT kommt. Wer da?<br />

KASPER. Hummel, Hummel!<br />

LEUTNANT. Was ist denn hier los?<br />

KASPER. Befehl, Herr Leitnant. Ick heff twee Mann fungen, en Franzos’ un en Engelsmann, un nu holl<br />

ick jem bloß en bitten in’n Snack op!<br />

LEUTNANT. Das scheinst du ja mal wieder großartig angefangen zu haben, Kasper.<br />

KASPER. Befehl, Herr Leitnant. – Jem ehr Gewehrn heff ick dor in’n Groben smeten un to goderletzt heff<br />

ick jem en por in’t Krüz geben. Wenn wi jem nu de Hann’n öberkrüz binnt, denn söhlt se woll to Krüz<br />

krupen. <strong>Zum</strong> Publikum. Ob he sick nu woll wat marken lett?<br />

LEUTNANT. Und ich werde dafür sorgen, daß du fürs Eiserne Kreuz vorgeschlagen wirst.<br />

[211]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Befehl, Herr Leitnant. Na, Herr Leitnant, denn nehmen Se man den Franzosen, ick nehm den<br />

Engelsmann. Dat is en olen Bekannten von<br />

mi: he hett freuher op Pangsauli ümmer über mi lacht. <strong>Zum</strong> Engländer. Jä, du Briet, dat is doch ümmer<br />

so: de toletzt lacht, de lacht an’n besten En’n!<br />

[212]<br />

[213]<br />

KASPER IN RUßLAND. ∗<br />

Links vom Zuschauer liegt ein RUSSE wie leblos auf der Bühne. Sein Kopf mit großer Mütze hängt in den<br />

Zuschauerraum hinein.<br />

KASPER die Gefreitenknöpfe am Uniformkragen, tritt von rechts singend auf.<br />

Kummst du ünner de Suldoten,<br />

│: Denn holl di man düchtig ran, :│<br />

Krieg de annern fix to foten<br />

Un stoh jümmers dienen Mann.<br />

│: Junge, warrst du en Rekrut,<br />

Hau den Franzmann an de Snut,<br />

Giff den Russ’ een op den Hoot<br />

Un Jonn Bull een mit’n Foot. :│<br />

Spricht. Jä, nu bün ick ook mol in Rußland, eben grod ankomen. Bi de “Hummels“ 1 hebbt se mi instellt.<br />

In Frankriek weur dat nix rechts for mi. Mien Leutnant wull mi dat isen Krüz besorgen, ober wat de<br />

Oberst weer, de meen, he kunn mi woll wat an’n H<strong>als</strong> geben – ick meen de twee Kneup – un mi so in<br />

heugern Grod von de Gemeinheit bringen, ober for’t isen Krüz recken twee Gefangen nich to. Na, un<br />

do heff ick jem noch en bitten piert, un do hebbt se mi versett – nich bi Pollack, näh, ober no Rußland.<br />

Hier will ick nu Hindenburg en bitten bistohn un mol tosehn, ob ick nich ook mol so’n Stücker 40 000<br />

Russen op’n Mol fangen kann. Hier slumpt dat beter! Nu wull ick dor gliek mol op af gohn, ober bit nu<br />

hevv ick noch keenen Russen mit Ogen to sehn kregen. Er geht weiter, stößt auf den Russen. Hallo-hallo!<br />

Wa’s dat for een? Liggt hier merrn op de Strot, as wenn he se pacht hett? Wat is dat forn Landsmann? –<br />

Gliek mol rutkriegen – foortstens mal rauskreigen. <strong>Zum</strong> Russen. Bong Juur, Szörr! Russe bleibt liegen. Nee,<br />

een Franzmann is’t nich. – Gudd Morning, Muschü! Russe bleibt liegen. En Engelsmann ook nich. – Salem<br />

an’n Krainkamp! Russe bleibt liegen. Un’n Törk eerst recht nich. – Jä, Russ’sch kann ick noch nich, ober<br />

ick denk mi, dat is woll’n Russ’. Stößt ihn mit der Pritsche. Minsch, vermünner di! Stoh mol op, Meister!<br />

Kumm to di, du anner mit ’n Kopp! Besieht den Russen von allen Seiten. Djunge, wat stinkst du no Spriet! Ins<br />

Publikum. No den echten denaturierten! – De sloppt hier bloß sienen Brand ut op de Strot! Wat<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper in Russland. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 213–216. Erstabdruck der Szene: P. W.:<br />

Der feldgraue Kasper Putschenelle. 2. Kasper in Rußland. In: Hamburger Woche vom 7.7.1915, Nr. 27, S. 11.<br />

1 Anm. v. Paul Wriede: Ein Bataillon der 84er, das nur Hamburger enthielt.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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stell ick nu mit em opp? Sall ick dat Swien no’n Swienmark henbringen, hohoho? Jä, ick weet man nich<br />

recht: he hollt sien drütthalfhundert Pund Lebendgewicht, dat ward mi up de Duer doch woll en bitten<br />

suer, wenn ick em slepen sall. Weest wat? Ick lot em eerst utslopen un noher mutt he to Foot mit! Ab.<br />

KASPER kommt wieder, jodelt. Hollalallalaüdü!<br />

RUSSE erwachend. Chto idjott? Wer da?<br />

Kurze Pause. Der RUSSE bleibt liegen.<br />

KASPER. Idiot, seggst du, heeßt du? Dat heff ick mi woll dacht.<br />

RUSSE. Wat wullt du hier?<br />

KASPER erstaunt. Wat –? Snackt ji hier in Rußland ook Plattdütsch?<br />

RUSSE. Wenn du doch platt snackst, denn doh ick dat ook. Ich hevv doch veer Johr bi Blohm un Voß<br />

ar<strong>bei</strong>d’!<br />

KASPER. Och nee, Minsch! Bi Klotz un Flotz? Dröben op Steenwarder? Ins Publikum. Man druppt doch<br />

rein öberall Bekannte!<br />

RUSSE. Jä, mi dücht, di sull ick ook kenn’n. Büst du nich de lüttje Kerl ut de Putschenellerbood?<br />

KASPER. Dor kannst op af!<br />

RUSSE. Un wat wullt du hier nu? Spelst du hier ook Kasper?<br />

KASPER. Jo, ober op mien eegen Ort. Ick will hier geern 40 000 Russen fangen un mi dat isen Krüz verdeenen.<br />

Kumm, goh mit lanks, denn büst du de Eerste!<br />

RUSSE. Ne du, mit so’n lütten Schietkerl as du goh ick noch lang’ nich mit. Denn mutt eerst en ganzen<br />

annern komen.<br />

KASPER. Och, si doch nich narrsch! Ick bring di no’n scheune Gegend, du. Dor kannst man seggen, wat<br />

du drinkst, wi hebbt Sweizer un Helmers sien un Holl di gesund, un Sanften Heinerich un Peper sien<br />

Münz und Steernanis un noch en ganzen Barg mehr. Un to eten gifft dat jeden Dag Plumm’n un Klüten,<br />

un dicken Ries mit Zucker un Kandeel, un Knackwust, un sure Supp –<br />

RUSSE. Minsch, sure Supp? De much ick doch für mien Leben geern mol wedder eten. Jo du, denn nimm<br />

mi man gefangen!<br />

KASPER. Na süst woll? Toreden helpt!<br />

RUSSE. Hier neeg bi stoht noch veerteihn von mien Afdeelung, de kannst ook man gliek mitnehmen.<br />

KASPER. Hol jem man her. Ober bring ook de Gewehrn mit! Un’n por Maschinengewehrn, wenn ji de<br />

hebbt!<br />

RUSSE. Oha! dor achter kummt de Grootfürst Polewitsch her. For den nimm di in acht, dat is den<br />

russ’schen Kaiser sien Kusäng.<br />

KASPER. Denn lehn mi mol gau dien Mütz. Setzt die Russenmütze auf. Der Russe ab.<br />

Der GROßFÜRST tritt auf.<br />

[214]<br />

[215]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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GROßFÜRST. Ah, gutten Taak, Kammerradd!<br />

KASPER. Dag, Popolewitsch!<br />

GROßFÜRST. Ah du kennst mich schonn? Biest nach Sprache wohl aus Geggend von Riegga?<br />

KASPER. Hest recht, dor so um rum, obern bitten mehr no’n Westen röber.<br />

GROßFÜRST. Ejnerlei. In Kriek sind wir alle liebbe Kammerradden. Alles Ruhß, alles Ruhß.<br />

KASPER. Bi uns to Hus seggt man Sott!<br />

GROßFÜRST. Ich dejn Bruder, du mejn Bruder!<br />

KASPER. Ick weet Bescheed: meine Tante, deine Tante. Ober de beste Brooder büst du nich.<br />

GROßFÜRST. Liebber Brudder, zejge mir biete den Week nach Hauptquartier. Ich bin Kuhsäng von Kaiserr<br />

und werrde dich belonnen großfirstlich.<br />

KASPER. Teuv man’n Oogenblick, großfürstliche Gnaden. Dor geiht gliek en lütten Transport af, en Manner<br />

fovtein. Denn kannst man mitgohn. Geheimnisvoll. Dicht bi’t Hauptquartier hebbt wi so’n scheune<br />

dütsche Regimentskass’ funnen, sünd’n 150 000 Rubels in.<br />

GROßFÜRST. Rubbel? Wo Rubell? Her mit Rubbell!<br />

KASPER. Na, denn kumm man gliek mit. Ick bring di hen. Beide ab. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer.<br />

LEUTNANT. Wer da?<br />

KASPER und LEUTNANT treten auf.<br />

KASPER. Hummel, Hummel! Herr Leitnant, de eersten Soßteihn von de Veertigdusend heff ick!<br />

LEUTNANT. Was soll das heißen?<br />

KASPER. Fungen, – Herr Leitnant! Fofteihn Mann un den Grootfürst Popolewitsch.<br />

LEUTNANT. Führ’ sie mir vor.<br />

KASPER. Befehl, Herr Leitnant! Beide ab.<br />

KASPER kommt mit dem GROßFÜRSTEN.<br />

KASPER. Siso, mien Jung, nu leber mol dienen Säbel af.<br />

GROßFÜRST. Biest du toll? Ich will haben Rregimentskass’!<br />

KASPER. De Regimentskatt is dood. De hett sick de Tehn an de olen togen Englänners utbeten.<br />

GROßFÜRST. Her mit die Rubbell!<br />

KASPER. Her mit dienen Säbell!<br />

GROßFÜRST. Nitschewo! Ich schlak dich niederr!<br />

KASPER. Denn schlak ich wiederr! Schlägt ihn. Kannst nich sehn, dat rund um di rum dütsche Suldoten<br />

stoht? Wullt mol gliek den Degen hergeben?<br />

GROßFÜRST. Ei du Teiffell, du hast mich iebberliestet. Schick Offzier, werrd ich gebben Deggen.<br />

[216]


KASPER ab. LEUTNANT erscheint.<br />

Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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LEUTNANT salutierend. Durchlaucht, ich bedaure ihr Schicksal, aber es geht nu mal nich anders; das ist der<br />

Krieg!<br />

GROßFÜRST gibt ihm den Degen.<br />

LEUTNANT salutiert.<br />

GROßFÜRST ab, an seiner Stelle erscheint KASPER.<br />

LEUTNANT. Gefreiter Kasper, bring’ den Herrn Großfürsten mal nach der Feldküche, damit er mal en<br />

warmen Löffel in’s Leib kriggt. Und die andern Fünfzehn, laß die mal fix mit Insektenpulver reinigen.<br />

Und dann melde dich <strong>bei</strong>m Herrn Oberst. Ich glaube, der hat was für dich.<br />

KASPER. Befehl, Herr Leitnant.<br />

LEUTNANT ab.<br />

KASPER allein. Hat was für dich, seggt he? Nu paß ober op, nu kummt dat! Wenn ick nu dat Krüz nich<br />

krieg, denn könnt ji mi all’ wat in’t Krüz geben! Nu heff ick dat ober bannig hild. Denn adschüs ook,<br />

Kinners. – Och ne, adschüs droff man jo nich mehr seggen: na, denn g’n Nacht!<br />

[217]<br />

KASPER BEI DEN ITALIENERN. ∗<br />

KASPER ohne Waffen; trägt österreichische Uniform und italienischen Brigantenhut. Dor hebbt wi den italjenschen<br />

Salot! In son’n Optoch steihst nu for de Lüd’! Junge, wat spehlst du forn Zwicker! – Ick wull jo so geern<br />

mit gegen de Italjeners. Den Gefall’n hebbt se mi denn ook dohn, ober eerst hebbt se mi in de eustreichische<br />

Kledosch’ steken. Knapp dat ick an de Grenz bün, dor kriegt de italjenschen Open mi op en<br />

Patrulljengang bi de Flünken. Een von jem, so’n Ort Offzier, de hett mi dat Käppi wegnohmen un dat<br />

isen Krüz afreten. De ward nu an’n Bessenstehl fastmokt un in Rom dorch de Stroten drogen. Nu hebbt<br />

se doch ook mol wat erobert! Un mi hett de Schraffel son olen Banditenhoot ut de Abruzzen opstülpt.<br />

Un mien Prittsch hett he mi ook wegnohmen: de brukt he nu as Spazierstock! – Junge, Junge, ick krieg<br />

di noch mol! Denn geiht di dat ober dreeveddel Stünn’ slecht, denn sallst mol Kusen spee’n! – Süh, dor<br />

kummt de Knappen wedder an. Will mi woll’n bitten utfrogen. Na, von mi sall he woll wat to weten<br />

kriegen.<br />

ITALIENER. Sprekken du Italiano 1 ?<br />

ITALIENER, Bersagliere, mit KASPERS Pritsche <strong>als</strong> Spazierstock kommt.<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper <strong>bei</strong> den Italienern. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 217–221. Erstabdruck der Szene:<br />

P. W.: Der feldgraue Kasper Putschenelle. 3. Kasper bi de Italjeners. In: Hamburger Woche vom 11.8.1915,<br />

Nr. 32, S. 10–11.<br />

1 Anm. v. Paul Wriede: Der Italiener spricht das ch in „ich, nicht, spricht“ fast <strong>als</strong> Kehllaut.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPER. Yes Möbbel, oui Szörr! Ick kann sogar italjensch singen, dat italjensche Natschonolleed, weest<br />

woll! Singt nach der Weise des Schlußreims von Funiculi, funicula:<br />

Jakob, Jakob wohnt in Altona,<br />

Jakob, Jakob wohnt in Altona –<br />

ITALIENER unterbrechend. Das nicht ist Inno nazionale, auch kein Italiano.<br />

KASPER. Ne? Na, ober snakken kann ick’t fix. Paß mol op: Karatschio, quatschio – versteihst? Italiener<br />

schüttelt den Kopf.<br />

KASPER fortfahrend. Mittschio, mattschio; Polente, Malente; schöne Meloni mit Makkaroni, Abbelfinos un<br />

Zitroni; Salandra, Mussolini, haudu em, klei di di; hummlio, hummlio, an’n Galgen bummlio.<br />

ITALIENER schüttelt den Kop.<br />

KASPER. Ober nu: Gipsfiguri kaufi, Chianti saufi; Ratzematzemausefalli, Nudelkasten dreih ick dalli!<br />

ITALIENER. Ich haben kein Verstand davon.<br />

KASPER. Ne, Verstand hebbt ji Italjeners alltosam nich vehl! Sünst weern ji nu jo nich bi ’n Dreeverband.<br />

Versteihst mi? Bi den Triplio Verbandlio, Verbanditzio vermalledeizii!<br />

ITALIENER. Ich sprechen gut Deuts, will lieber sprechen Deuts zu dir. Wirst verstehen mich.<br />

KASPER. Dat wöhlt wi mol afluurn!<br />

ITALIENER. Kasper, du sein ein Soldato intellijente!<br />

KASPER. Dor kannst di op verloten.<br />

ITALIENER. Du weißen doch: Italia irredenta, unerlöste Italien. Trentino, Trieste, Dalmazia –<br />

KASPER unterbrechend. Ick weet Bescheed, allns rin in den italjenschen Stebel!<br />

ITALIENER. Nun Kriech darum.<br />

KASPER. Dat segg man noch mol: nu krupt ji dor öberall rum. Ick kenn den Rummel: Isonzo flunkrio,<br />

Wettrio schlechtiko, Dondrio, Blitzio, Windio windhundio – loop to, loop to, loop to!<br />

ITALIENER. Kasper, du unse Gefangene nun. Aber sjad nix. Gutt haben <strong>bei</strong> uns: keine Arr<strong>bei</strong>t, viel Makkaroni.<br />

KASPER schüttelt sich. Brr!<br />

ITALIENER. Kasper, du szollen es haben gutt in jeder Weisse.<br />

KASPER. Ick weet man nich recht.<br />

ITALIENER. Ich geben Ehrenworrt.<br />

KASPER. Denn giff mi leeber ’n Dohler.<br />

ITALIENER. So geb ich Ehrenworrt von meine König.<br />

KASPER. Och du leebe Tied – nu hannelst du mi all gliek op fiev Groschen rünner.<br />

ITALIENER. Du szollen haben nicht fuffsig Fennig, nein, hundert Mark und tausend Mark.<br />

KASPER einwerfend. Mokt tosomen elbenhunnert!<br />

[218]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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ITALIENER fortfahrend. Mussen uns nur szaggen, wo die Kanoni befinde.<br />

KASPER. De Kanonen? Wieder nix? Dor weet ick ganz genau mit Bescheed! Dor weur ick jo mit bi, as se<br />

de henstellt hebbt. Eerst hebbt se ’n Lock grovt, denn hebbt se ’t mit Isen afstütt Italiener hört gespannt zu,<br />

denn hebbt se ’t mit Beton utgoten, denn mit Stohlplatten utleggt, un denn hebbt se de Kanonen ranfohrt:<br />

een Wogen, twee Wogens, dree Wogens, veer Wogens, fiev Wogens, soß Wogens, söben Wogens,<br />

acht Wogens, negen Wogens, teihn Wogens – een Toch, noch ’n Toch, noch ’n ganzen Barg Tög’, un<br />

denn noch ’n pormol so vehl. Denn hebbt se de Kanon tosomenstellt: Dree Mol so dick as de dicke<br />

Berta! Italiener staunt. Un denn kummt de Munitschon ran: een Wogen, twee Wogens, dree Wogens, veer,<br />

soß, acht, teihn, twintig Wogens. Jede enkelte Scheetzigarr sooo lang Madam – von hier bit schlägt den<br />

Italiener an den Kopf dor. – Heff ick di weedohn?<br />

ITALIENER. Machen nix. Kaspar, vor alle Dinge: wo steht die Kanoni?<br />

KASPER. Wonehm? Och, dat is ganz eenfach to vertelln. En bitten wiet aff is’t jo, ober henfinnen doh ick<br />

dor: eerst grodut, denn rechtsch aff, denn wedder mehr no links röber, denn ’n Barg rop, denn op de<br />

anner Siet wedder dohl, denn öber ’n lüttje Au, denn en smallen Footstieg langs, denn dorch en Dannenholt,<br />

denn for teihn Penn’ mit de Peerbohn, denn grodut, denn rechtsch aff, denn wedder mehr no<br />

links röber, denn ’n Barg rop, denn op de anner Siet wedder dohl, denn öber ’n lüttje Au, denn en smallen<br />

Footstieg langs, denn dorch en Dannenholt, denn –<br />

ITALIENER unterbrechend. Kaspar, danach man kann nicht finden. Du mussen führen. Ich nicht will hoffen,<br />

daß du haben gelügt –!<br />

KASPER. Leegen? Ick? Bewohre nee, dor kohmt ji jo vehl beter alleen mit togangen!<br />

ITALIENER. Wenn du hast gesagt die Wahrheit, so bekommen du Gratifikazione, wenn du haben gelügt,<br />

du wirrst archibusato – totgeschießt!<br />

KASPER. Mehr kannst nich verlangen’! – Denn lot uns nu man lostüffeln!<br />

ITALIENER. Awanti, ich werrde folgen. Beide machen mehrere Runden auf der Bühne, bald schneller, bald langsamer,<br />

Kasper immer voran. Nach jeder Runde verschwinden <strong>bei</strong>de, tauchen gleich darauf am entgegengesetzten Ende wieder auf.<br />

ITALIENER nach der 4. Runde. Kaspar, du laufen zu sjnell. Ich können nich mit szo.<br />

KASPER. Jä, mien Jung, ’n bitten toloopen möht wi. Sünst kohmt wi hüt nich mehr no de Kanonen hen.<br />

ITALIENER. Ach ja, nach die Kanoni. Alszo laß weitergehn uns nurr. Sie gehen.<br />

ITALIENER nach der 7. Runde. Kaspar, der Weg steigt hier ßo an. Ich können nich mit szo. Du laufen szu<br />

sjnell.<br />

KASPER. Dschä, mein Dschung, das is hier ein sogenanntes Gebirge. Dat is mol so hoch as de Süllbarg,<br />

un denn noch ’n por Foot heuger. Kannst di denken, wat dat for’n Heuchte is! Ganz boben is en tiroler<br />

Gletscher; wenn de italjensch weur, kunnen ji dor italjensch Ihs von moken. Un boben öber den Gletscher,<br />

dor stoht de Kanonen!<br />

ITALIENER. Ach ja, die Kanoni. Alszo laß weitergehn uns nurr. Sie gehen.<br />

KASPER nach der 10. Runde. Och Minsch, nu ward mi dat doch to vehl. Holl mi, ich fall um! Sinkt dem Italiener<br />

in die Arme.<br />

ITALIENER. Sziest du, du lauftest szu sjnell. Was szollen wir nu machen in diese Einöde.<br />

KASPER. Mi kannst buffen! Ick kann nich wieder. Ick legg mi hier nu hen un goh dood. Legg du di dor<br />

man bi un goh achteran.<br />

[219]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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ITALIENER. O nein, mein Leben gehört die Patrie, die bella Italia. Ick mussen szu die Kanoni.<br />

KASPER. Denn loop man to. In twee Stünn’ büst dor.<br />

ITALIENER. In swei Stunde? Und solo? Kasper, komm szu dir! Da nimm eine Sjluck Wermut di Torino!<br />

Reicht ihm die Flasche.<br />

KASPER. Lot mol preuben nimmt einen Schluck. Dat is jo Sabbelkrom! Hest nich ’n Köhm un Greun’ bi di?<br />

ITALIENER. Anders hab’ ich nicht.<br />

KASPER. Na, denn helpt dat nich.<br />

ITALIENER. Kaspar, raff dir auf! Bist doch ein Tedesko!<br />

KASPER. Jä, wenn ick mi man stütten kunn. Giff mi mol den Knüppel!<br />

ITALIENER. Ach ja, gern. Hier. Gibt ihm die Pritsche. Kasper stützt sich darauf. Sie gehen weiter.<br />

KASPER nach einer Runde. Dat is gliek en ganzen annern Snack. Nu bün ick wedder ganz kandidel.<br />

ITALIENER. Szo, <strong>als</strong>zo sempr awanti!<br />

KASPER. Hest recht! Op em, hau den Lukas gibt dem Italiener mit der Pritsche eine wuchtige Ohrfeige.<br />

ITALIENER. Was waren das?<br />

KASPER. Op italjensch nennt man dat il baxio! Schlägt weiter. Süh so, ick will di leehrn, anner Lüd’ isen<br />

Krüzen afriten, un eenen mit glatte Weur un Sabbelsnabbel unner de Näs’ to gohn, un de eustreichschen<br />

Kanonen utklamüstern. Junge, wat hett de Kerdel forn anslägschen Kopp! Der Italiener ist nach einigen<br />

schwachen Abwehrversuchen niedergesunken.<br />

KASPER. Na? magst nich meehr? Jä, du, sowat grippt an! Nu büst meud, wat? – Denn bliev man liggen,<br />

noher hol ick di aff. Sich umsehend: Hier neeg bi is de eustreichsche Vorrposten. Nu man mol roopen, dat<br />

he nich op mi schütt. Ruft: Hollalallalaüdü! Hummel, Hummel!<br />

ÖSTERREICHER kommt. Während des folgenden Gespräches kommt der ITALIENER wieder hoch und<br />

verschwindet.<br />

ÖSTERREICHER. Tschau Kosperle! Servus olter Freind!<br />

KASPER. Dag, Bruder meiniges.<br />

ÖSTERREICHER. Sag, Herzensbruder, wo kommst denn du daher?<br />

KASPER. Von de Makkaronifreters, von de Woortbrekers, von de Nudelkassenkerdels kohm ick her. Eenen<br />

heff ick dor eben dollegt. De steiht hüt obend bi jem in de Verlustlist as vermißt. Sieht sich um. Na,<br />

wo is de denn afbleben?<br />

ÖSTERREICHER lacht. Mir scheints, der hat sich holt a bissel umgruppiert!<br />

KASPER. Ne du, denn hett de Dübel em holt! Kann ook en Engelsmann dohn hebben, dat is jo een Raaß.<br />

En Engel is’t gewiß nich weßt: de Ort gifft sick mit de Italianos nich mehr aff. – Segg mol, Broder Östreich,<br />

ick bün so bannig flau in’n H<strong>als</strong> – hest nich eenen in’n Buddel? Verlautbor mi mol ’n Lütten!<br />

ÖSTERREICHER. Ja doch. Hier reicht ihm die Flasche Tiroler Landwein.<br />

[220]<br />

[221]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Na, de is mi ümmer noch leeber as den Italjener sienen wabbeligen Krom. Ober drink du man<br />

eerst.<br />

ÖSTERREICHER. I bin so frei. Auf treie Woffenbriederschoft. Trinkt.<br />

KASPER. Op mienen Kaiser un op dienen Kaiser. Trinkt.<br />

ÖSTERREICHER. Und nun komm miet. Der Herr Oberscht wird sich frein, wenn er dir sieht.<br />

KASPER. Dat sall he woll: wenn ick den vertell, wat ick bi de Italjeners sehn heff, de stellt sick op’n Kopp<br />

un spaddelt for Vergneugen mit <strong>bei</strong>de Been!<br />

Beide ab.<br />

[222]<br />

KASPER AUF URLAUB. ∗<br />

KASPER kommt, Helm mit Blumen geschmückt. Gleich darauf seine Frau.<br />

MARIE. Wie freu’ ich mich, daß ich meinen Kasper wieder habe, meinen lieben heldenhaften Kasper. Vor<br />

dem Kriege hätt’ ich nie geglaubt, daß mein Kasper ein Held ist!<br />

KASPER. Dat harrst di woll denken kunnt. Wo ick doch all so lang’ mit di verheirat bün! Johrnlang in<br />

Krieg levt un ümmer Sieger bleben!<br />

MARIE. Wo hast du denn dein eisernes Kreuz?<br />

KASPER. Dor mußt de Italjeners no frogen. Ick krieg ober een wedder. Un mien knökern Krüz, dat is<br />

noch dor!<br />

MARIE. Aber ich will jetzt schnell in die Küche, damit du heute Mittag was schönes zu essen kriegst.<br />

KASPER. Dat doh man!<br />

ZWIRNBEUTEL. Mein Name ist Zwirnbeutel.<br />

KASPER. Dag, Herr Tweernbüdel.<br />

Frau ab. ZWIRNBEUTEL, Mann mit langem Bart, tritt auf.<br />

ZWIRNBEUTEL. Herr Kasper, der Umstand, daß Sie auf den verschiedensten Kriegsschauplätzen des diesmaligen<br />

Krieges sowohl gekämpft <strong>als</strong> auch gestritten haben, berechtigt mich wohl zu der Annahme, daß<br />

Sie über die Kriegslage einigermaßen unterrichtet sind. Ich bitte Sie daher um eine bündige Antwort auf<br />

die Frage: Wann wird dieser Krieg ein Ende gefunden haben?<br />

KASPER. Dat kann ick di ganz genau seggen, op’n Prick kan ick di dat seggen: wenn wi sowiet sünd!<br />

ZWIRNBEUTEL. Nun wohl. Aber wann dürfte nach Ihrer Meinung dieser Augenblick voraussichtlich eingetreten<br />

sein? Schon bald?<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper auf Urlaub. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 222–225. Erstabdruck der Szene: P. W.: Der<br />

feldgraue Kasper Putschenelle. 4. Kasper auf Urlaub. In: Hamburger Woche vom 24.11.1915, Nr. 47, S. 13.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Kann sien, kann nich sien, kann doch sien!<br />

ZWIRNBEUTEL. Ich erbitte <strong>als</strong>dann Ihre geschätzte Meinungsäußerung darüber, ob es unsern Heerführern<br />

nicht manches Mal an Initiative gefehlt hat.<br />

KASPER. An wat?<br />

ZWIRNBEUTEL. An Initiative.<br />

KASPER. Iniziatiwe? Is dat ’n Froonsminsch?<br />

ZWIRNBEUTEL. Nein, das ist ein Fremdwort. Es bedeutet hier soviel wie schnelle Fähigkeit zu selbständigen<br />

Entschlüssen.<br />

KASPER. Kannst dat denn nich gliek op Dütsch seggen?<br />

ZWIRNBEUTEL. Ein gebildeter Mann muß doch hin und wieder ein Fremdwort verwenden.<br />

KASPER. So? Mutt he dat? En Russ’ oder ’n Engelsmann oder en Franzos’ villicht, de hett jo nicks Vernünftigs<br />

lehrt! Ober so’n Mann as du, de hett sick so uttoquetschen, dat en Mann as ick em verstohn<br />

kann, versteihst?<br />

ZWIRNBEUTEL. Wir wollen uns darüber nicht erregen. Also kehren wir zu dem eigentlichen Zweck meines<br />

Hierseins zurück. Ich möchte glauben, daß unsere gewiß verdienstliche Heeresleitung dessenungeachtet<br />

doch auch schwere Fehler gemacht hat. Leider pflegt dieselbe die Ratschläge des zivilen Publikums<br />

nicht zu beachten, obwohl letzteres <strong>als</strong> ganz unbefangener Zuschauer gewiß besonders klar sieht.<br />

So kommt es, daß ich ihn nicht teilen kann, jenen Optimismus –<br />

KASPER mit einem Schlag unterbrechend. Wullt mol gliek dütsch snacken!<br />

ZWIRNBEUTEL. Bitte um gütige Verzeihung! Also, so kann ich nicht jene hoffnungsfreudige Zuversicht<br />

teilen, die da meint, es sei bald alles für uns gewonnen. Ich meine, man reizt die Engländer, wenn man<br />

nicht nur ihre Handelsschiffe, sondern sogar ihre teuren Kriegsschiffe zerstört, man erbittert die Russen<br />

durch die eigensinnige Eroberung ihrer sämtlichen Festungen, man empört die Franzosen durch die<br />

Festhaltung ihrer Gebiete im nördlichen Frankreich. Sie alle werden sich rächen. Schwere Zeiten werden<br />

für uns kommen. Wir werden hinaus müssen aus Polen, aus Belgien und –<br />

KASPER unterbrechend. Un vor allen Dingen ut mien Stuv’! Zwirnbeutel schlagend. Du ole Queesenkopp, du<br />

negenklooke Tühnbüdel, du Miesmoker, du –<br />

ZWIRNBEUTEL ab. Gleich darauf erscheint NEHRIG.<br />

NEHRIG. Sie kenn mir woll so von Ansehn, nich? Kasper schüttelt den Kopf. Na, macht auch weiter nichts.<br />

Ich heiß’ Nehrig, nich? un wohn hier dicht <strong>bei</strong>, nich? – Sagen Sie mal Herr Putscheneller, könnt’ ich Ihnen<br />

vielleicht mal was fragen?<br />

KASPER. Kummt mi op eenen Dösbattel mehr nich an. Scheet los!<br />

NEHRIG. Sehn Sie mal, ich wollte nämlich gern mal wissen, wie lange daß der Krieg nach ihrer unmaßgeblichen<br />

Meinung wohl noch dauern könnte, nich?<br />

KASPER. De kann noch lang’ duern.<br />

NEHRIG. Aber wie lange, daß er woll noch dauern tut, nich?<br />

KASPER. Dat weet Hindenborg selbst nich.<br />

[223]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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NEHRIG. Jä, das is nämlich man, indem ich gerne wissen möchte, ob ich zum Winter wieder was einnehmen<br />

soll, nich?<br />

KASPER. Wenn de Doktor di dat verordent hett, denn doh dat man.<br />

NEHRIG. Ne, um so’n Einnehmen hannelt sich das jo gar nich. Das is man wegen Kantoffeln und so zum<br />

Wiederverkaufen, nich?<br />

KASPER. Och so, du büst Greunhöker?<br />

NEHRIG. Das nich gerade. Früher hab’ ich ja geschustert, nich?<br />

KASPER einwerfend. Wie kann ick weten, ob du schoostert hest!<br />

NEHRIG. Ja, das hab’ ich! Lange Jahrn lang! Un denn hab’ ich ja ümmer ’n bischen sparsam gelebt, nich?<br />

un hab’ was auf die hohe Kante gelegt, nich, un nu bin ich denn ja Rentjeh, nich?<br />

KASPER. So, du büst en Renntier! For sowat Ähnliches heff ick di all ansehn.<br />

NEHRIG. Na, un denn hab’ ich mir ja ’n Haus gekauft, nich?<br />

KASPER. Un de Mieters opdreben, nich?<br />

NEHRIG. Jä, sehn Sie mal, das muß man ja auch! Un da tut man ja auch kein Unrecht mit. Son Haus soll<br />

doch man was einbringen, nich? Und das spielt für den einzelten Mieter ja auch gar keine Rolle, ob er<br />

das ganze Jahr über so’n 20, 30 Mark mehr bezahlt. Bei ’ne Familie von 6, 8 Köpfe, da macht das ja<br />

auch man 2, 3 Mark per Kopf, nich? Aber <strong>bei</strong> mir, da kamen denn all’ die 2 und 3 Mark in eine Tasche,<br />

nich? Jä, sehn Sie, so muß man rechnen!<br />

KASPER. Un denn nix moken loten, denn lohnt dat!<br />

NEHRIG. Na, sehen Sie, Sie haben’s raus, Sie sollten man auch mal sowas in die Hand nehmen, nich? Aber<br />

nu nich gerade in diese Zeit! Nu is schlecht Hauswirt spielen, von wegen den Krieg, nich? und von wegen<br />

die Mieteausfälle, nich? Ich habe mein Haus ja gerade rechtzeitig verkauft gehabt und hab’ das schöne<br />

Geld ja erstmal in die Tasche gesteckt, nich?<br />

KASPER grob. Dat weet ick nich, wonehm du dien verfluchtes Geld loten hest. Ole Nichmichel!<br />

NEHRIG. Was nu mein Nachfolger is, der stöhnt un tut natürlich. Neulich wollt’ er Geld von mir leinen.<br />

Ne, mein lieber Mann, sag ich, pumpen tu ich jetzt nix, nu haben wir Borgfrieden, hähähä! Un denn<br />

überhaupt nu, wo die Lebensmittel so teuer sind und wo man doch außerdem sein Geld ganz anderwo<br />

gewinnbringend anlegen kann. Sehn Sie, ich hab’s nämlich richtig gemacht: erst hab ich en Posten Reis<br />

gekauft, nachher en kleinen Posten Zucker un en ganzen Berg Kantoffeln. Und das hab’ ich allns<br />

hübsch liegen lassen, bis daß die Preise ordentlich hoch gegangen waren. Un verkauft hab’ ich, eher daß<br />

der Staat Handel un Wandel durch Höchstpreise für die Waren stören tat. Un so hab’ ich denn ja en netten<br />

Schilling Geld verdient, nich?<br />

KASPER schlägt ihn. Nu lettst ober dien ole dummerhaftige Nicheree no, versteihst? Ick mag dat nu nich<br />

mehr mit anheurn! Sullst di jo leeber wat schomen, den lütten Mann dat bitten Eten for Froo un Kinner<br />

noch dühr to moken in Kriegstieden, wo he sick noch dorto villicht mit Russen un Serben un Franzosen<br />

aftogeln mutt!<br />

NEHRIG. Och, wissen Sie, das nehmen Sie nu viel zu tragisch! Wenn das Fund nu wirklich en paar Fennig<br />

mehr kost, was macht das auf die einzelte<br />

[224]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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Mahlzeit aus! Spielt ja gar keine Rolle! Aber wenn all’ die Fennige in eine Tasche gehn – jä, das zieht hin,<br />

nich? Sehn Sie, so muß man rechnen. Schlau muß man sein heutzutage, klug is am Ende jedereiner!<br />

KASPER. Du Swienjack! Un hest du nich sülben vorhen von hoge Lebensmittelpriesen snackt? Wenn du<br />

nu nich gliek de Döhr von buten tomokst schlägt ihn, du Blootsuger, du Osvogel, du Englänner, du! Nehrig<br />

ab.<br />

MARIE kommt.<br />

MARIE. Aber lieber Kasper, was is hier einmal los? Unser Kind Grigri kann gar nicht schlafen <strong>bei</strong> diesem<br />

Lärm, es weint und schreit in einem zu.<br />

KASPER. Och, weest du, dat is man eenfach so: den Eenen heff ick eben Moot un Tovertroon bibrocht,<br />

un den Annern Minschenleev. Wieder is nix west. Un nu will ick mi mol en Ogenblick verpedden un<br />

mol sehn, ob buten woll ook noch welke von de Ohrt rumloopen doot.<br />

MARIE. Das tu man, Kasper. Es ist auch ganz festlich auf der Straße. Da is woll wieder ’ne Festung erobert,<br />

meist alle Häuser haben geflaggt.<br />

KASPER. Dat’s Recht, man mutt de Festungs fiern as se fallt. – Wenn nu in de Twüschentied noch so’n<br />

Queesenbüdel ankummt, denn segg em man, ick harr mi bi de Fleegers meldt un weer eben wegflogen,<br />

un wenn he ook fleegen wull, denn sull he hüt Numdag Klock veer wedder inkieken. Tschüs so lang. Sie<br />

küssen sich.<br />

MARIE. Wiedersehn, mein lieber Kasper!<br />

[225]<br />

[226]<br />

KASPER IN KONSTANTINOPEL. ∗<br />

KASPER tritt auf, sieht sich um. Ganz feine Gegend hier, ganz feine Gegend. Son Mittelding twüschen Jungfernstieg<br />

un Bäckergang! – Wat for’n Ort Hüs’ hier rumstoht. Zu den Zuschauern. Kannst du mi woll seggen,<br />

wat dat forn Hus is? Dor, dat grote mit de Kuppel? Nee? – Wenn dat hier man’n Fremdenfeuhrer<br />

geev, ober hier givt dat jo nich mol Ewerfeuhrers un Beerfeuhrers. – Is dor denn keen Minsch, de mi<br />

mol Bescheed seggen kann? – Jodelt. Sa – la – lem – a – la – i – kum! Sa – la – lem – a – la – ikum!<br />

KASPER erfreut. Was dat for’n Ort Törk?<br />

JANMAAT. Gor keen Törk – Hummel, Hummel!<br />

JANMAAT, deutscher Mariner mit Türkenmütze kommt.<br />

KASPER. Denn doh du, wat du wullt. Dreht sich um, verbeugt sich zweimal. Nu segg mol, Landsmann, wat is<br />

dat for’n Hus dor?<br />

JANMAAT. Dat is en Moschee.<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper in Konstantinopel. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 226–229. Erstabdruck der Szene:<br />

P. W.: Der feldgraue Kasper Putschenelle. 5. Kasper in Konstantinopel. In: Hamburger Woche vom 8.12.1915,<br />

Nr. 49, S. 11.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Ut Papiermaschee?<br />

JANMAAT. Ne, en Moschee – dor be’t se in.<br />

KASPER. Schopskopp, denn kannst jo man gliek seggen: Synagoog!<br />

JANMAAT. Segg mol, Kasper, du hest jowoll allerhand dorchmokt? Ick heff man sowat in ’t Blatt les’t.<br />

KASPER. Da’s all’ man half so slimm. Ober nu hebbt se mi erst mol en veerteihn Dog’ no Hus schickt, no<br />

mien Froo, weest woll. Un denn nu mit’n Transport no Konstantinopel. So richtig in’n Krieg bün ick nu<br />

nich, is dütmol mehr to’n Tokieken. Sall mi mol wunnern, ob de Englänners mi nich Griechenland un<br />

Portugal anbeed, wenn ick neutrol bliev!<br />

JANMAAT. Na du, denn holl di fuchtig! Ehr ick wedder an Bord von’n Jawus Selim goh, will ick tosehn, ob<br />

ick hier eenerwo Swatten Krusen kriegen kann. Op Wedderkieken! Ab.<br />

SOLIMAN erscheint.<br />

KASPER. Tschüs ook. Will abgehen, stößt mit Soliman zusammen. Halloh! Wat hebbt wi dor for Eenen?<br />

SOLIMAN. Ich bin der Großwesir Soliman.<br />

KASPER. So, du heest Salomon. En Nomensgenannten von di, de wohnt in Hamburg in de Elvstrot un<br />

hannelt mit ole Kleeder. Is dat woll dien Broder?<br />

SOLIMAN. Ich habe keinen Bruder in Hamburg, aber ich bin dort gewesen und kenne Hamburg gut.<br />

KASPER. Dorvon sprickst du ook so’n vernünftiges Dütsch.<br />

SOLIMAN. Dich kenn ich auch.<br />

KASPER. Jo, mi kennt se all’.<br />

SOLIMAN. Sage mal, Kasper, du hast ja wohl schon immer viel für die Türken übrig gehabt?<br />

KASPER. Jo, bannig vel: wat heff ick in mien Leben nich alleen for törksche Arfen eten!<br />

SOLIMAN. Bitte mir eine Gnade aus.<br />

KASPER. En Stück Karbenade? Recht velen Dank, ober ick kom eben grod’ von’t Eten her.<br />

SOLIMAN. Nein, eine Gnade, etwas, was du gern haben möchtest. Soll ich dir eine Frau verleihn?<br />

KASPER. Mien Froo verleehn? Dor lett se sick gornich op in! Wat se an mi hett, dat weet se. Bi’n annern<br />

sall se dat erst roden.<br />

SOLIMAN. Ich wollte dir eine zweite Frau geben.<br />

KASPER. Zweite Frau? Jä, ick bün doch keen Wittmann, mien eerste levt jo noch.<br />

SOLIMAN. Noch eine weitere, zu der einen hinzu. Ich hätt’ ein schönes, junges Weib für dich, Suleika<br />

heißt sie.<br />

KASPER. Och, nu geiht mi en Trohnkrüsel op. So meenst du dat. Jä du, dat mutt denn ober ganz in’n Stillen<br />

afmokt warden. Kriegstrauung ohne Aufgebot und ohne Paster. Süh mol, mien Marie, de is sogor op<br />

de dicke Berta iebersüchtig. Wenn de dor wat von markt, de kratzt slankweg de Suleika de Ogen ut, un<br />

mi un di ook!<br />

SOLIMANN. Dann will ich’s mir mit der Suleika doch lieber erst noch einmal überlegen.<br />

[227]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Jo, legg se man erst noch mol öber.<br />

SOLIMAN. Salem aleikum, Kasper.<br />

KASPER. Salomon an’n Kreinkamp, Salomon.<br />

SOLIMAN ab. SPION kommt.<br />

SPION spricht gut deutsch, mit ganz kleinem Anklang ans Englische. O, mein Freund, sage mir, was sprach der<br />

Herr zu dir?<br />

KASPER. Scher’t di dat wat? Kümmer du di um di di!<br />

SPION. O, bitte deine Entschuldigung. Ich bin ein Kriegsberichterstatter von große Seitungen und will<br />

doch gern bringen meinen Lesern etwas Neues.<br />

KASPER. Och, so’n Ort Opsnapper büst du, Reporter un so?<br />

SPION. Ja, alles recht so. Ich schreibe so kleine Plaudereien über was ich höre und sehe vom Krieg: über<br />

Truppenverschiffungen, über große Kanonen, über Kriegsschiffe und all so herum. Und weil das die<br />

Leser lieben, bring ich auch kleine Seichnungen dazu: Bilder von Schiffe, Pläne von Befesti-<br />

gungen und all sowas. Uenn du mir kannst verschaffen dergleichen, so ich zahle großes Honorar für deine<br />

Mitar<strong>bei</strong>t.<br />

KASPER. Du, da’s gornich so unöbel. Mußt di man in acht nehmen, dat du nich tovehl dorvon an so’n<br />

Lüd vertellst, de dat nix angeiht: Spionengefahr! Vorsicht <strong>bei</strong> Gesprächen!<br />

SPION. Bin schon vorsichtig. Also gut, nun erzähle mir, was eben sagte der Herr zu dir.<br />

KASPER. Och, de seggt, dat weer hüt vel warmer as hüt vor acht Dog’, seggt he, und wenn de Luft klor<br />

bleev, seggt he, denn kunn dat good angohn, seggt he, dat wi’t anner Woch noch warmer kriegt, seggt<br />

he.<br />

SPION. Uas sagt er denn über den Krieg?<br />

KASPER. Och, he seggt, dat kunn woll sien, seggt he, dat de Krieg bald to Enn weer, seggt he, wenn he<br />

ober nich bald to Enn’n weer, seggt he, denn wull he dor nich for instohn, seggt he, dat he nich noch’n<br />

Tiedlang duern däh, seggt he.<br />

SPION. Uas sagt er denn ober die Deutschen?<br />

KASPER. Och he seggt, de Dütschen, seggt he, de komt nu ganz boben von’n Norden hier no’n Süden<br />

rünner, seggt he; un wenn se nu wedder no Hus wöhlt, seggt he, denn möt se ganz von’n Süden no’n<br />

Norden wedder rop, seggt he.<br />

SPION. Das uar alles?<br />

KASPER. Dat weer reinweg allns. Wenn ick mehr seggen sull, denn muß ick al wat toleegen. Ober dat<br />

deiht Reuter in London jo al jeden Tag. – Na? Wat lohnt dat nu an Honoror? Rück man mol rut dormit!<br />

SPION. Guter Freund, solche Aussagen reichen nicht aus dafür. Aber um zu zeigen meinen guten Uillen,<br />

ich gebe dir dieses Goldstück. Gibt ihm Geld.<br />

KASPER besieht die Münze. En engelsches Twintigmarkstück? Wo kummst dor denn bi?<br />

SPION. Ich hab’s zufällig <strong>bei</strong>m Uechseln erhalten.<br />

[228]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. So, hest en Dusenmarkschien wesselt. Djä, mein Djung! Das Gold gehört auf die Reichsbank,<br />

weeßt dat nich? Für jedes Goldstück giebt die Reichsbank den dreifachen Betrag in Scheinen aus. Dütt<br />

Stück bring ick no’n Odolfsplatz un lot mi dor soßtig Mark in Schiens for geben. Dat ward en Spoß<br />

mit’n Band an!<br />

SPION. Uenn du mir nun erzählst Besseres, du sollst noch eine ganze Menge solcher Goldstücke haben.<br />

KASPER. Tütelütelüt!<br />

SPION. Du hast Bekannte auf dem Kriegsschiff Sultan Jawus Selim. Frag die doch einmal, uas das Schiff<br />

beabsichtigt zu tun für die nächste Zeit. Ich uerde dir geben für den Bericht fünf Goldstücke <strong>als</strong> Anzahlung,<br />

sobald du ihn gemacht hast, und noch 20 Goldstücke, uenn er sich erueist <strong>als</strong> uahr.<br />

KASPER. Tütelütelüt!<br />

SPION. Wenn du mir kannst geben Lageplan von türkische Stellung auf Gallipoli, so ich dir gebe 10 Goldstücke<br />

<strong>als</strong> Anzahlung –<br />

KASPER. Tütelütelüt!<br />

SPION fortfahrend. – und weitere fuffsig nachher.<br />

KASPER. Tütelütelüt!<br />

SPION. Uie meinen du?<br />

KASPER. Wenn ick di dat all’ segg un gev, denn heff ick to’n wenigsten jeden Dag Fiefuntwintig verdeent,<br />

versteihst mi?<br />

SPION. Du sollen ja haben viel mehr. Sollen uerden ein reichen Mann da<strong>bei</strong>.<br />

KASPER. Segg mol, Meister, wat büst du eentlich for’n Ort Landsmann?<br />

SPION. Als ich? Ein Däne, ganz neutral.<br />

KASPER. Nu süh mol kiek! Also en Dän, seggst du. Trau, schau, wem. Weeßt, wat du sünst noch büst? Du<br />

büst en ganzen olen osigen Spion, du Kujon! Schlägt ihn.<br />

SPION. Aber wie kommst du dazu, ich bin doch neutral, bin Däne.<br />

KASPER. Un wenn du teinmol en Dän büß, achter sweedsche Gardinen kummst doch, du britige Engelsmann<br />

du schlägt mit dien smerigen Goldstücken! Weiter schlagend. Gliek mol ’n Uhl ropen: Hum – mel,<br />

Hummel-Hum – mel! Der Spion ist unter den letzten Schlägen niedergesunken.<br />

JANMAAT erscheint wieder.<br />

JANMAAT. Halloh, Kasper, wat mokst du hier denn for’n Stück Ar<strong>bei</strong>t.<br />

KASPER. Du, de Engelsmann dor, dat is keen Engel un keen Dän, dat is en Spion. Mien Koppnöt kann he<br />

nich verknusen, nu liggt he dor in’n Omidom. Weer de man nich no de Dardanellen gohn – en poor<br />

Sardellen harr he beter verdaut! Eben vorher hett he mi en engelsches Pundstück geben: en Pund Sperlings,<br />

weeßt woll. Dat schick ick nu an unsen Hamborger Borgermeister, de kann denn for mi en Nogel<br />

in’n Isern Michel kloppen! – So nu böhr den Knecht mol op un slep em no de Hüttenwach. Dor sall he<br />

fiev Mark veertein betohln! Hiev een, hiev twee, hiev dree –<br />

Beide laden den Spion auf und tragen ihn weg.<br />

[229]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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[230]<br />

KASPER AM SUEZKANAL. ∗<br />

KASPER ins Publikum. Du Theetje, anner mit’n Kopp, Theetje-Eethje-Theetje! Weest, wonehm du hier<br />

büst? Hier büst an’n Suezkanol! Dat harrst di woll nich dacht, wat? Dröben op de anner Siet, dor steiht<br />

de Engelsmann, un achter den stoht de egyptschen Fleeschpütt. Dor wölt wi ook mol ran! – Jä du, dat is<br />

en Orientreis’ op Stotskosten! Droffst dat ober jo un jo nich in de Feldpostbreev schrieben, wonehm<br />

dat wi sünd, dat is noch verboden! – Halloh, holloh! He dor! Dor achter! Jan! Büst du ook hier? Kumm<br />

mol rop Minsch, denn wies’ ick di den Kanol mol!<br />

JANMAAT mit der Türkenmütze, erscheint neben Kasper. Na Kasper, wo hest dinen Kanol?<br />

KASPER. Kiek mol dor, de natte Stripen dor, dat is he.<br />

JANMAAT. Jo, dat is he, den kenn ick ganz good wedder.<br />

KASPER. Spel’ di man nich op, mien Popp, doh man nich so, as wenn de Suezkanol en oolen Bekannten<br />

von di weer! Si du man ganz tofreden mit’n Tollkanol un Mittelkanol un Reimerstwietenfleet un so!<br />

JANMAAT. Büst woll tickerig! Tollkanol un Reimerstwietenfleet! Ick heff nich mol den Kaiser-Wilhelm-<br />

Kanol op de Reken, un’n Ärmelkanol ook nich! Dorch’n Suezkanol bün ick all en por Mol komen, un<br />

den Panoramakanol, den kenn ick ook all!<br />

KASPER. So? Fohrt de Alsterdampers dor ook hen?<br />

JANMAAT. Alsterdampers, du Pannkooken?<br />

KASPER. Is jo recht, du hest jo op de Steenwarder Fähr fohrt.<br />

JANMAAT. Nu ward snee’n. Ick bün doch ümmer op groote Dampers un Seilschep’ fohrt! Ober wat sall<br />

ick mi an di argern, ick sweet so all genoog. Leeber mol ’n bitten to Woter gohn, den Stoff mol ’n bitten<br />

afspeu’ln.<br />

KASPER. Dat do man. Jan ab. Kasper entfaltet eine Zeitung, liest.<br />

ZWEI ÄGYPTISCHE JUNGEN tauchen rechts und links von Kasper auf, umtanzen ihn. Du Franke! Du Schwabe!<br />

Du German! Kuck her, kuck her: einen deutschen U-Boot schwimmen im Kanal, will machen englische<br />

Schiffe bum, bum!<br />

KASPER sich umsehend. Ji brungelen Schopsköpp, dat is doch keen U-Boot, dat is jo mien Fründ Jan, de dor<br />

dükert!<br />

DIE JUNGEN umlungern Kasper mit vorgestreckten Händen. Backschisch, Backschisch!<br />

KASPER. Backfisch heff ick nich, ober’n poor Baxe köhnt ji kriegen teilt rechts und links Backpfeifen aus, Ohrfeigen<br />

sünd ook noch dor, ober Fiegen<br />

waßt hier to Land jo wild. Die Jungen verschwinden schreiend, Kasper liest wieder.<br />

JANMAAT ruft aus der Entfernung. Kasper! Kasper!<br />

[231]<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper am Suezkanal. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 230–231. Erstabdruck der Szene: P. W.:<br />

Der feldgraue Kasper Putschenelle. 6. Kasper am Suezkanal. In: Hamburger Woche vom 6.1.1916, Nr. 1, S. 14.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Wat wullt du? Wonehm büst?<br />

JANMAAT. Ick bün op de anner Siet von’n Kanol!<br />

KASPER. Sowiet sünd wi jo noch gornich, kumm man gau wedder röber!<br />

JANMAAT. Ick heff twee Englänners fungen!<br />

KASPER. Doran hest du recht dohn, denn bring jem man mit!<br />

JANMAAT. Dat kann ick nich, se hoolt mi jo fast!<br />

KASPER. Wat doht se? – Denn teuw man’n Oogenblick. Eben mol ’n lütten Koppsprung moken. Kasper<br />

verschwindet. Die Bühne bleibt kurze Zeit leer. Man hört Kasper in der Entfernung rufen. Op jem, neih jem, holl<br />

jem, smiet jem in’t Woter!<br />

LEUTNANT kommt. Na, was los?<br />

KASPER. Jawoll, Herr Leitnant. Twee Krokodilln von de Thems hebbt mienen Fründ Jan von’n Jawus<br />

Selim ut’n Kanol holt. Ober for düttmol is he noch wedder rin un rut komen. Un de Krokodilln ook.<br />

Dor achter stoht se.<br />

LEUTNANT. Das sind ja zwei Engländer!<br />

KASPER. Jä Herr Leitnant, sein wat? De wölt wi nu man gliek in’t Sprüttenhus sparrn.<br />

LEUTNANT. Man los, ich geh’ voran. Beide ab.<br />

[232]<br />

KASPER UND DER AMERIKANER. ∗<br />

KASPER. Dat is en langwieligen Krom hier in’n Schüttengroben. Hier liggt wi un dor dröben liggt de annern.<br />

Wi pliert no jem röber un se no uns. Wat loppt dor denn for een rum twüschen de Grobens.<br />

Gottsverdimmi, is dat en Zivilist? Mol anropen. Werda? Werda?<br />

AMERIKANER erscheint. Er trägt hellen Reiseanzug, hat auf dem Kopf einen hellen Zylinder, um den eine<br />

amerikanische Flagge gelegt ist.<br />

AMERIKANER. Nich schießen, ich bin’s.<br />

KASPER. Ich? Wokeen is ich? Büst du ich, oder is ich du? Stell di man erstmol vernünftig vor.<br />

AMERIKANER. Ich bin ein Vertreter der Juneitet Stets.<br />

KASPER. O, wenn du pedden wullt, denn gev ick di en Bax! Schlägt.<br />

AMERIKANER. O, das ist eine Unmenschlichkeit, das sag ich Wilson! Du sein ein Hunne!<br />

KASPER. Denn wohr di vor de Hunn’n! De biet schlägt!<br />

AMERIKANER. Du läßt deine groben Unmenschlichkeiten auf der Stelle, anderweis’ –<br />

∗<br />

Paul Wriede: Kasper und der Amerikaner. In: Rabe, Kasper Putschenelle, S. 232–234. Diese Szene erschien<br />

erstmalig in Rabes Publikation aus dem Jahr 1924.


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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KASPER. Na?<br />

AMERIKANER. Anderweis’ laß ich schicken Note nach Berlin und an alle Neutralen.<br />

KASPER. Och, Noten, dor sünd wi gornich um verlegen, de mokt wi sülben; schick uns leeber Twintigmarkstücken.<br />

Ober segg mi eerst mol, wo kummst du her un wat wullt du hier?<br />

AMERIKANER. Ich hier? Was soll ich uollen hier? Kann ich nicht gehen uo ich will? Bin ich nicht ein freier<br />

Ömörrikaner?<br />

KASPER. Free blos so lang, as wi dich nich verschütt!<br />

AMERIKANER. Hat keiner zu verschutten. Was soll ich nicht gehen bitwien die Schutzengrabens?<br />

KASPER. Weil wi scheet, Dösbattel!<br />

AMERIKANER. O, dazu du haben kein Recht! Uenn ich leik zu gehen spazieren zu meine Erholung zwischen<br />

die Grabens, so ich tu’s und kein Mensch hat zu schießen. Ich bin hierher gekommen mit eine<br />

Exkörschen der Firma Cook änd Sön, for zu besehen den Kriegsschauplatz.<br />

KASPER. So, mit de Firma Kuck ton Kieken!<br />

AMERIKANER. Uell, und solange Ömörrikaner auf der einen oder andern Seite sind, hat sich die Schießerei<br />

ganz aufzuhören – hauptsächlich <strong>bei</strong> die<br />

Dschörmens! Wo Amerikaner sind, ist geheiligter Boden, auch auf Munitionsschiffe, erst recht in Schutzengrabens.<br />

KASPER. Dor lett Hindenborg sick garnich op in!<br />

AMERIKANER. Er soll mussen. Anderweis’ gibts Noten, Abbruchung diplomatischer Bezüge, Rückrufung<br />

des Botschafters, Krieg!<br />

KASPER. Du hest woll ’n engelschen Splien, du? Goht dor doch eenfach nich, wo schoten ward!<br />

AMERIKANER. Kann ich tun, uie ich will. Sind geheiligte Menschenrechte <strong>als</strong> Neutrale – Nutrells, ju önderständ?<br />

KASPER. Na weest du, mit de amerikonsche Neetrolität – na, ick dank!<br />

AMERIKANER. O, uir sein nutrell, frag jeden Engländer, uas uir nicht sein. Und luk hier, uir leiken die<br />

Dschörmenns auch sehr, uenn sie nur die Engländer auch leiken uollen. Das sind so nette Leute, uollen<br />

nur euer Bestes!<br />

KASPER. Ick weet, uns’ bitten Bestes.<br />

AMERIKANER. Ja, uollt ihr nicht, kriegt ihr Krieg auch mit uns.<br />

KASPER. Un dorbi sünd ji so forn Freden!<br />

AMERIKANER. Sind uir auch. Aber ihr stört ihn. Ihr brecht Blockade durch und uollt nicht, daß uir an die<br />

Engländer Munition schicken mit unsere Schiffe.<br />

KASPER. Lebert jem doch nix, denn is’t jo all’ in Botter. Uns schickt ji jo ook nix! Kannst du uns dat verdenken,<br />

dat wi nich wöhlt, dat ji den Krieg in de Läng’ treckt?<br />

AMERIKANER. Hauptsache ist: Gelegenheit zu verdienen Mönni! Bisseneß for ewwer!<br />

KASPER. Un wenn de Engelsmann uns’ Froon un Kinner uthungert, dat mokt woll nix ut? Un wenn dien<br />

Landslüd, de in Dütschland levt, mit verhungert, wat denn?<br />

[233]


Paul Wriede: Der feldgraue Kasper Putschenelle<br />

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AMERIKANER. O, das ist eine Unmenschlichkeit von die Deutschen, uenn sie lassen hungern neutrale<br />

Ömörrikaner! Das ist Grund zum Kriege. For uns und alle Neutralen.<br />

KASPER. De richtigen Neutrolen, de wöhlt gewiß nich mit in son Krieg!<br />

AMERIKANER. Dann sie mussen werden gezwängt, gezwingt!<br />

KASPER. Un noher heet dat, se goht freewillig gegen de dütschen Barboren!<br />

AMERIKANER. So uerden sie selber sagen, uenn sie bekommen ein Einsehen in die Einsicht. Wo die fehlt,<br />

muß uerden nachgehelft mit Geualt. Uir lassen uns nix gefallen. Uir sagen ganz mit eurem Schiller: nixwurdig<br />

die Neschn, die nicht ihr alles setzt an ihre Interessen.<br />

KASPER. Du büst doch de reine Wilson.<br />

AMERIKANER. O, sag nix auf Wilson. Wilson ist der gelehrteste Mann von die Werlt, viel gelehrter <strong>als</strong> eure<br />

Austauschprofessers.<br />

KASPER. Gewiß, he is en richtigen Utschottprofesser. Deiht as will he den Freden un denkt an nix as an<br />

den Krieg.<br />

AMERIKANER. Uir sind eine friedliche Neschn. Uir uollen Frieden, aber einen Frieden uie uir ihn uillen<br />

und uie England uill. Unser Uille ist Englands Uille, und Englands Uille ist unser Uille.<br />

KASPER. Kannst man eenfach seggen: Dien Wilson is Englands Wilson.<br />

AMERIKANER. Ich feinden Gefallen an Dir. Uill dir machen Vorschlag: komm mit mir, ich bringen dich in<br />

neutrale Länder, außerhalb Krieg.<br />

KASPER. Ne du, achter de Amerikoners herlopen, dat lot ick anner Lüd. Ober for di ward dat Tied, dat du<br />

wegkummst. Allong! Rut mit di! Er treibt ihm den Hut ein.<br />

AMERIKANER sich zurückziehend. O, das ist gegen das Volkerrecht, das ist barbarisch! Ich uerde aufgeben<br />

noch heute ein Eiltelligremm an Wilson; das geben Krieg gegen Deutschland!<br />

KASPER. Wullt du Briet nu moken, dat du wegkummst! Schlägt ihn. Der Amerikaner rasch ab.<br />

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