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Seid ihr alle da? Kasperle feldgrau von Ernst Heinrich ... - bei LiTheS

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<strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge


SEID IHR ALLE DA? ∗<br />

<strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

Drollige Spiele für jung und alt<br />

<strong>von</strong><br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

∗<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> Ihr <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong>. Drollige Spiele für jung und alt. Leipzig: Strauch<br />

[1918].<br />

[1]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

AN DIE VEREHRLICHEN HERRSCHAFTEN<br />

[2: Impressum und Copyright]<br />

die den <strong>Kasperle</strong> <strong>ihr</strong>er Kindheit nicht vergessen haben und ihn wieder mit <strong>alle</strong>n seinen Späßen zu Ehren bringen<br />

wollen.<br />

Ich bin wieder <strong>da</strong>!<br />

Hurrah!!!<br />

<strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> denn auch <strong>alle</strong> wieder <strong>da</strong>?<br />

Dann hört mal hübsch zu, haltet die Gusche und setzt euch auf eure vier Buchstaben.<br />

Also ich gebe wieder Vorstellungen für alt und jung und umgekehrt. Ich habe den Feldzug mitgemacht,<br />

bin mit draußen gewesen und bin wiederholt wegen meiner ausgezeichneten Dummheiten belobigt worden.<br />

Die sollt <strong>ihr</strong> sehen und hören.<br />

Ihr werdet staunen, staunen und lachen!<br />

Und ich werde auch lachen, und so wird denn unsere Kasperei eine vergnügte angenehme Stunde.<br />

Die Figuren zum <strong>Kasperle</strong>-Spiel und <strong>da</strong>s Theater <strong>da</strong>zu kann sich ein richtiger Schlaukopf selber machen.<br />

Wer aber Figuren und Theater ganz fein und künstlerisch haben will, der wende sich an meinen Meister<br />

und Schöpfer, den Verlag Arwed Strauch, Leipzig-R., Hospitalstraße 25, links um die Ecke rum.<br />

Dort gibt es pikfeine <strong>Kasperle</strong>figuren und ein schneidiges Theater zu leihen, natürlich gegen Pinke-Pinke.<br />

Also auf Wiedersehn!<br />

INHALT.<br />

[3]<br />

Euer vergnügter alter dummer<br />

Kaspar.<br />

Kaspar als Rekrut<br />

Seite<br />

5<br />

Kaspar rückt ins Feld 11<br />

Kaspar im Schützengraben 18<br />

Kaspar auf Patrullje 23<br />

Kaspar im Hauptquartier 29<br />

Kaspar auf Urlaub 36<br />

Kaspar in Zivil 43<br />

[4]


Kaspar.<br />

Der Herr Unteroffizier.<br />

Kaspars Großmutter.<br />

KASPAR ALS REKRUT.<br />

PERSONEN.<br />

1. Auftritt.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPAR kommt traurig angesungen. Wenn andre schlafen, <strong>da</strong>nn muß ich wachen gähnt, muß Schildwach’<br />

stehn gähnt, Patrullje gehn gähnt.<br />

STIMME AUS DER ZUHÖRERSCHAFT. Guten Morgen, Kaspar!<br />

KASPAR. Guten Morgen! Nu, seid <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? – Nischt zu machen! <strong>Kasperle</strong> is eingezogen, un <strong>da</strong> ist es<br />

vor<strong>bei</strong> mit dem Spaßmachen. Da heißt es stramm stehn, Griffe kloppen, Essen fassen.<br />

UNTEROFFIZIER hinter der Szene. Kaspar! Kaspar, wo bist du?<br />

KASPAR. In ’n Handschuh! Heern se nur, meine Herrschaften, so geht <strong>da</strong>s nun den ganzen lieben Tag <strong>von</strong><br />

früh bis spät.<br />

UNTEROFFIZIER. Kaspar! Kaspar!<br />

KASPAR. Und <strong>da</strong><strong>bei</strong> soll mer nu lustig sein und singen und scheene tun. Das hätte ich vorher wissen sollen,<br />

heern Se! Da hätt’ ich meine Großmutter zur Musterung geschickt. Die hätten Se ganz gewiß nicht<br />

genommen. Aber so eenen Kerl wie mich! Glatt k. v. Und wissen Se, was der Oberste <strong>von</strong> der Kommission<br />

zu mir sagte? Kaspar, sagte er, uff dir haben wir gerade noch gelauert. Nun kann die Offensive losgehn!<br />

UNTEROFFIZIER hinter der Szene. Wo steckt denn bloß der Kerl …<br />

KASPAR. Ach du lieber Gott! Ach du lieber Gott! Ob ich mich melde? Ich werde mal ganz still sein und so<br />

tun, als hätte ich nischt gehört.<br />

UNTEROFFIZIER. Kaspar! Kaspar!<br />

KASPAR. Was der egal zu rufen hat! Kaspar vorn und Kaspar hinten. Wenn ich <strong>da</strong>s ooch so machen wollte,<br />

<strong>da</strong>s würde ja een schöner Krakehl in der Kaserne.<br />

UNTEROFFIZIER. Kaspar!<br />

KASPAR. Ich bin nicht zu Hause, mein Herr! Ich habe keine Sprechstunde jetzt. Ich habe Besuch, wie Sie<br />

sehen. Und verpusten muß sich doch der Mensch och mal, un wenn er Rekrut is. Na, hörn se! Diese<br />

Lauferei <strong>von</strong> früh bis spät. Dieses Gejage <strong>von</strong> eener Stelle zur andern. Dieses Gebrülle, wo unsereens<br />

doch een ganz gutes Gehör hat. Nee, <strong>da</strong>s habe ich mir anders vorgestellt. Ich habe mir ge<strong>da</strong>cht, so ’n<br />

[5]<br />

[6]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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Sol<strong>da</strong>t, <strong>da</strong>s is der erste Mann im Staat, der braucht nur den Zylinder uffzusetzen, un die ganze Welt is<br />

seine. Aber proste Mahlzeit!<br />

UNTEROFFIZIER. Kaspar! Himmelhund! Soll ich dich erst mit der Laterne suchen lassen.<br />

KASPAR. Um Gottes Willen! Jetzt wird die Sache ernst. Jetzt will er mich mit der Laterne suchen lassen.<br />

Jetzt bin ich verloren wie die Schlacht <strong>bei</strong> Se<strong>da</strong>n. Jetzt rettet mich keine Macht der Welt. Jetzt kann ich<br />

mich nur noch tot stellen, um nich totgeschossen zu werden. Aber nischt verraten, meine Herrschaften<br />

– um Himmelswillen nischt verraten. Er lehnt sich an die Wand und stellt sich tot.<br />

2. Auftritt.<br />

UNTEROFFIZIER Ruschke kommt angefegt.<br />

UNTEROFFIZIER. Da ist ja der Kerl! Kaspar! Er rüttelt ihn. Kaspar! Hat Er mich nicht gehört, Kaspar? Seit<br />

einer Stunde rufe ich mir die Seele aus dem Leibe nach ihm aus. Er rüttelt ihn. Will Er aufwachen, Er<br />

Nachtwächter Er, will Er gleich zum Dienst kommen, Er Jammerlappen Er! Hörst du mich nicht?<br />

KASPAR. Zu Befehl, nein, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Weshalb nicht?<br />

KASPAR. Ich bin tot, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Tot?<br />

KASPAR. Todmüde, Herr Unteroffizier! Todunglücklich, Herr Unteroffizier! Todkrank, todmatt, todchick,<br />

tot, tot, tot, lauter tot …, Herr Unteroffizier. Alles tot, mausetot.<br />

UNTEROFFIZIER. Ich werde dich lebendig zu machen wissen, dich Todspieler.<br />

KASPAR. Ach gebn Se sich keene Mühe, Herr Unteroffizier. Tot is tot! Und hin is hin!<br />

UNTEROFFIZIER. Das könnte dir so gef<strong>alle</strong>n, mein Sohn, den ganzen Tag im Grabe liegen un nischt tun.<br />

Aber so is det nich <strong>bei</strong> die Preußen, verstanden? Da wird gelebt, verstanden? Und zwar lustig gelebt und<br />

stramm exerziert und hinterher erst selig den Heldentod gestorben, verstanden? Also Kopf hoch, Brust<br />

raus, Hacken zusammen! Himmelkreuz …<br />

KASPAR. Millionendonnerwetter! Das kann ich schon auswendig, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Maul halten! Kaspar hält sich den Mund zu. Was soll denn <strong>da</strong>s nu wieder?<br />

KASPAR. Der Herr Unteroffizier meenten doch, ich sollte mir meine Gusche zuhalten.<br />

UNTEROFFIZIER. So habe ich <strong>da</strong>s nich gemeint.<br />

KASPAR klopft Ruschke auf die Schulter. Sie meenen <strong>da</strong>s immer nicht so, nicht wahr, Herr Unteroffizier?<br />

UNTEROFFIZIER. Stillgestanden! Keine Vertraulichkeiten.<br />

KASPAR. Zu seinem Vorgesetzten soll mer doch Vertrauen haben.<br />

UNTEROFFIZIER. Das ist ganz etwas anderes. Vertrauen haben heißt <strong>bei</strong>m Militär: <strong>da</strong>s Maul halten, seinen<br />

Dienst tun und abends nicht über den Zapfen streichen.<br />

KASPAR. Das Maul auftun, den Dienst streichen und <strong>bei</strong>m Bieranzapfen sich ranhalten.<br />

[7]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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UNTEROFFIZIER. Nun wollen wir mal sehn, was du aus der gestrigen Instruktionsstunde behalten hast.<br />

KASPAR. Alles, Herr Unteroffizier, <strong>alle</strong>s. Ich weeß sogar noch, <strong>da</strong>ß Sie mir eene Belobigung zuteil werden<br />

ließen un meenten, ich wäre een Schafskopf.<br />

UNTEROFFIZIER. „Verhalten vor dem Feinde“ war gestern dran. Was tut <strong>da</strong>nach der Sol<strong>da</strong>t, wenn er den<br />

Feind sieht?<br />

KASPAR. Er geht in Deckung.<br />

UNTEROFFIZIER. Was heißt <strong>da</strong>s?<br />

KASPAR. Er reißt aus.<br />

UNTEROFFIZIER. Unsinn!<br />

KASPER. Er schmeißt die Arme in die Luft un ruft: Pardon!<br />

UNTEROFFIZIER. Aber Mensch, wer hat dir denn <strong>da</strong>s <strong>bei</strong>gebracht?<br />

KASPER. Meine Großmutter.<br />

UNTEROFFIZIER. Deine Großmutter hat hier gar keine Nummer, verstanden?<br />

KASPAR. Doch, doch, Herr Unteroffizier, meine Großmutter wohnt Kleene Salzgasse, Nummer 27.<br />

UNTEROFFIZIER. Bleib’ mir doch mit dem Quatsch vom Leibe.<br />

KASPER. Das is keen Quatsch, Herr Unteroffizier, <strong>da</strong>s is de reene durchsichtige Wahrheit.<br />

UNTEROFFIZIER. Erst mal weiter, Kaspar. Sobald du den Feind siehst, schießt du ihn nieder oder rennst<br />

ihn über den Haufen.<br />

KASPER. Aber nich so knapp un mit Hurra. Er stürmt auf den Unteroffizier los und stößt ihn um.<br />

UNTEROFFIZIER. Kaspar, Schafskopf, was fällt dir ein?<br />

KASPER. Ich meene man bloß so, Herr Unteroffizier. So soll ich’s doch machen, nich wahr?<br />

UNTEROFFIZIER. Aber erst draußen an der Front.<br />

KASPAR. Da kommt’s noch ganz anders, Herr Unteroffizier. Da renne ich euch <strong>alle</strong>samt über den Haufen,<br />

den Herrn Feldwebel un den Herrn Leitnant un den Herrn Hauptmann, un wer mir sonst in die Quere<br />

kommt.<br />

UNTEROFFIZIER. Und wenn der Feind ernstlichen Widerstand leistet?<br />

KASPAR. Dann gibt’s ’n Paar nein, so, rechts un links. Er haut Ruschke ein paar runter.<br />

UNTEROFFIZIER. Aber nun wird es mir doch zu bunt!<br />

KASPAR. Nu nee, Herr Unteroffizier, Sie werd’n nich gleich grün un blau anloofen. Ich meente ja man och<br />

bloß so.<br />

UNTEROFFIZIER. Und wenn die Übermacht zu groß ist. Was tust du <strong>da</strong>nn, Kaspar?<br />

KASPAR. Dann rufe ich meine Großmutter. Ach herrjee, <strong>da</strong>s is se schon. Schaun ’S doch nur, Herr Unteroffizier.<br />

Da drüben an der Kasernenplanke steht se mit ’m Handkörbchen.<br />

UNTEROFFIZIER. Die geht dich jetzt gar nichts an. Jetzt hast du Dienst.<br />

[8]<br />

[9]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPAR. Nanu, <strong>da</strong>s wär’ mir ja <strong>da</strong>s Allerneiste, <strong>da</strong>ß mir meine Großmutter mit eenem Male nischt mehr<br />

angehn sollte.<br />

UNTEROFFIZIER. Maul gehalten, Kaspar! Stillgestanden! Sonst fliegst du ins Loch.<br />

KASPAR. Das is der Dank für die boomwollne Weste. Erst meldet man sich freiwillig <strong>bei</strong> de Infantrie, un<br />

nun soll ich plötzlich fliegen lernen. Sowas gibt’s ja nun nich! Un wenn ich och nischt zu sagen habe.<br />

UNTEROFFIZIER. Kerl! Miserabeler widersetzlicher Türke du! Er haut auf Kaspar los.<br />

KASPAR. Türke? Türke? Ach so, ich soll ihm Türki-Honi ums Maul schmieren. Fällt mir nich ein.<br />

UNTEROFFIZIER. Hältst du gleich <strong>da</strong>s Maul, du … Er haut wieder auf Kaspar ein.<br />

KASPAR. Au! Au!<br />

3. Auftritt.<br />

Kaspars GROßMUTTER kommt angehetzt.<br />

GROßMUTTER. Was wird denn nun? Sie stößt den Unteroffizier zurück. Mir meinen <strong>Kasperle</strong> zu schlagen! So<br />

eine Unverschämtheit!<br />

UNTEROFFIZIER. Sie haben hier gar nischt dreinzureden.<br />

GROßMUTTER. Was sagt er? Was will er? Ich hätte hier gar nischt dreinzureden? Wo ich doch seine leibhaftige<br />

Großmutter bin?<br />

UNTEROFFIZIER. Ich lasse Sie abführen.<br />

GROßMUTTER. Ich brauche keine Abführungsmittel, am <strong>alle</strong>rwenigsten welche <strong>von</strong> Ihrer Sorte.<br />

KASPAR. Jetzt wird die Sache vergnügt.<br />

UNTEROFFIZIER. Sie werden füsiliert!<br />

GROßMUTTER. Was sagt er? Was will er? Mann, noch een unanständiges Wort und ich vergesse, wer ich<br />

bin.<br />

KASPAR. Junge, Junge, wenn die zuhaut!<br />

GROßMUTTER. Können Sie den Kaspar nicht so behandeln, wie er es <strong>von</strong> Hause aus gewöhnt ist? Können<br />

Sie nicht im ruhigen Tone mit ihm reden? Nicht wahr, <strong>Kasperle</strong>, du machst doch <strong>alle</strong>s, was der Herr<br />

Unteroffizier sagt?<br />

KASPAR. Aber gewiß, liebe Großmutter. Beiseite: Fällt mir gar nicht ein!<br />

GROßMUTTER. Er ist ein guter Junge und ist sehr geschickt.<br />

KASPAR. Un Hunger hat er!<br />

GROßMUTTER. Und schließlich bin ich doch auch nicht so. Sie holt den Korb heran. Man hat doch noch diese<br />

und jene Quellen. So hintenrum.<br />

UNTEROFFIZIER. Hm, Donnerwetter! Das duftet lecker!<br />

GROßMUTTER. Hast du Hunger, mein Kasperchen?<br />

[10]


KASPAR. Aber gewiß, liebe Großmutter.<br />

UNTEROFFIZIER. Der gute Junge!<br />

KASPAR. Der Kerl frißt mir am Ende die schönen Brötchen weg.<br />

GROßMUTTER. Bist wohl auch müde, mein Kasperchen?<br />

KASPAR. Aber gewiß, liebe Großmutter.<br />

UNTEROFFIZIER. Müde ist er auch, der gute Junge.<br />

GROßMUTTER. Da komm nur mit nach Hause, mein <strong>Kasperle</strong>.<br />

UNTEROFFIZIER. Aber <strong>da</strong>s geht doch nicht!<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPAR. Das geht wunderhübsch, Herr Unteroffizier. Eins, zwei, drei! Da nehme ich meine Großmutter<br />

unter den Arm.<br />

UNTEROFFIZIER. Und unsere Instruktion?<br />

KASPAR. Die habe ich längst im Koppe, Herr Unteroffi-<br />

zier. Paß mal uff, Großmutter. Verhalten vor dem Feinde. Wie mir <strong>da</strong> druffgehn müssen. Un wie mir <strong>da</strong><br />

in Deckung gehn, wenn’s zu dicke kommt. Und wie mir schließlich die ganze feindliche Armee gefangen<br />

nehmen.<br />

UNTEROFFIZIER. Bravo! Bravo!<br />

KASPER. Na sehn Se, Herr Unteroffizier, ich weeß <strong>alle</strong>s. Un wir werd’n schon unsere Sache machen,<br />

wenn’s druff ankommt.<br />

UNTEROFFIZIER. Na <strong>da</strong>nn ist’s gut! Dann hast du heute frei!<br />

KASPAR. Hurra! Es lebe der Herr Unteroffizier und der gesamte Sol<strong>da</strong>tenstand! Hurra! Hurra! Hurra!<br />

ALLE DREI singen. Sol<strong>da</strong>tenleben, ja <strong>da</strong>s heißt lustig sein!<br />

Kaspar.<br />

Seine Großmutter.<br />

Der Herr Unteroffizier.<br />

Vorhang fällt.<br />

KASPAR RÜCKT INS FELD.<br />

PERSONEN.<br />

[11]


KASPAR singt hinter der Szene.<br />

So leb’ denn wohl,<br />

du altes Haus!<br />

Ich zieh’ vergnügt<br />

<strong>von</strong> dir hinaus.<br />

Ich zieh’ vergnügt<br />

und mutig fort,<br />

Hindenburg weiß,<br />

an welchen Ort.<br />

1. Auftritt.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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Während des Gesanges kommt Kaspars GROßMUTTER angeheult.<br />

GROßMUTTER. Da hör’n sie ihn, den braven <strong>Kasperle</strong>! Kein bißchen Furcht hat er. Und er muß doch fort<br />

<strong>von</strong> mir, seiner lieben treusorgenden Großmutter, und muß hinaus ins Feld, wo ihm so leicht etwas zustoßen<br />

kann, und wo ihm kein Mensch Birnen und Klöße kocht, dem lieben süßen <strong>Kasperle</strong>. Während<br />

der Worte hat sie an<strong>da</strong>uernd geheult.<br />

KASPAR. Na Großmutter, du heulst ja immer noch?<br />

2. Auftritt.<br />

KASPERLE kommt aus dem Hause.<br />

GROßMUTTER. Ach <strong>Kasperle</strong>! Ach <strong>Kasperle</strong>, mir is ja <strong>da</strong>s Herze so schwer!<br />

KASPAR. Komm her, ich trag dir’s. Oder schenk mir ’n Taler, <strong>da</strong>nn wird dir’s schon leichter werden ums<br />

Herze.<br />

GROßMUTTER. Ach <strong>Kasperle</strong>, nun <strong>da</strong>rf ich dir bald nicht mehr ins Auge sehn.<br />

KASPAR. Nanu, warum denn nich? Wer will dir <strong>da</strong>s verbieten? Da drin gibt’s ja och gar nischt zu sehn, liebe<br />

Großmutter. Guck lieber in meinen Rucksack, <strong>da</strong>ß was Gescheites nein kommt.<br />

GROßMUTTER. Und wenn du nun fällst, <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPAR. Dann stehe ich wieder uff, Großmutter.<br />

GROßMUTTER. Sei nur nicht zu tollkühn, <strong>Kasperle</strong>. Vorne is es am gefährlichsten.<br />

KASPAR. Das habe ich mir schon vorgenommen: Bloß nich voreilig! Ruhe un nochmals Ruhe un keene<br />

Überstürzung. Da kannst du ganz ruhig sein. Kaspar hält sich <strong>alle</strong>mal bescheiden hinten, un is <strong>da</strong>für der<br />

Vorderste, wenn’s zurück geht.<br />

GROßMUTTER. Un wenn die Schwarzen kommen, Kaspar, nimm dich ja in acht.<br />

KASPAR: Da brauchst du keene Angst haben, Großmutter,<br />

die kenne ich <strong>alle</strong>samt <strong>von</strong> Hagenbeck her. Die tun mir nischt.<br />

[12]<br />

[13]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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GROßMUTTER. Und <strong>da</strong>nn sieh’ ja zu, <strong>da</strong>ß du ’n Posten in der Küche kriegst. Du kannst doch so schön<br />

Kartoffeln schälen.<br />

KASPAR. Das werden wir schon fingern. Das wird gar nicht lange <strong>da</strong>uern, <strong>da</strong>nn spricht der Herr Unteroffizier:<br />

Kaspar, du bist zu dumm, den Feind zu besiegen. Scher’ dich nach hinten! Na, <strong>da</strong> tät ich mich<br />

aber freuen! Aber nun wolln wir doch einpacken, liebe Großmutter, sonst vergessen wir über <strong>alle</strong>m Gequatsche<br />

<strong>da</strong>s Notwendigste. Also hier is mein Rucksack. Er bringt ihn. Und nu mal rin, was rin geht. Aber<br />

nich so knapp. Bis Paris is een weiter Weg, un Hunger hat Kaspar <strong>alle</strong> Tage!<br />

GROßMUTTER. Also, Kaspar, zuerst mal was Warmes an die Füße. Bringt Filzschuhe.<br />

KASPER. Herrje, meine Latschen!<br />

GROßMUTTER. Un <strong>da</strong>nn was Warmes vor den Magen. Bringt Bauchbinde.<br />

KASPAR. Ich denke, du bringst eene Pulle Magenschnaps. Wer soll ’n mir die Binde nur umwickeln, Großmutter?<br />

GROßMUTTER. Da bittest du den Herrn Unteroffizier recht schön.<br />

KASPAR. Ja, wenn’s Magenschnaps wär’, <strong>da</strong> tät er mir schon helfen, aber hier<strong>bei</strong> …<br />

GROßMUTTER. Un nun was Warmes für den Kopf. Bringt Zipfelmütze. Die ziehst du dir über, wenn du<br />

abends in dein Bette gehst.<br />

KASPAR. Na, <strong>da</strong>s wird ja sehre gemütlich. Da wird sich der Herr Unteroffizier aber freuen, wenn ich so<br />

ausstaffiert ankomme.<br />

GROßMUTTER bringt Halstuch. Das wickelst du dir um den Hals, <strong>Kasperle</strong>, <strong>da</strong>mit du keene Mandelentzündung<br />

kriegst. Selbst gestrickt, mein Junge! Steckt viel Liebe drin.<br />

KASPAR. Liebe? Liebe? Wo steckt sie denn, Großmutter? Ich sehe nischt.<br />

GROßMUTTER. Die ist unsichtbar eingewebt, <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPAR. Dann kann se mir gar nischt nutzen. Ich <strong>da</strong>chte, du meentest eene Wurscht oder sonst was Reelles.<br />

GROßMUTTER bringt Kästchen. Hier drin ist etwas zum Einnehmen.<br />

KASPAR. Na endlich! Zum Warmhalten hätten wir nämlich gerade genug.<br />

GROßMUTTER. Lauter Tropfen und Tee.<br />

KASPAR. Den Tee kannst du behalten, Großmutter, aber die Tropfen. Gute Sachen? Aromatik, Rum, Gilka,<br />

Danziger Goldwasser.<br />

GROßMUTTER. Zum Einnehmen, <strong>Kasperle</strong>!<br />

KASPAR. Na ja doch nur: Zum Einnehmen.<br />

GROßMUTTER. Wenn du krank bist, <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPAR. So lange werde ich nicht erst warten. Ach Gott, so kleene Fläschchen.<br />

GROßMUTTER. Dies Fläschchen, wenn du Halsschmerzen hast, dreimal 6 Tropfen. Dies Fläschchen,<br />

wenn’s mal nicht so geht.<br />

KASPAR. Wenn’s mal nicht so geht?<br />

[14]


GROßMUTTER. Na, du weißt doch, <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPER. Ich weiß nischt.<br />

GROßMUTTER. Du kennst doch Verstopfung, <strong>Kasperle</strong>.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPAR. Verstopfung? Nu, denn nehm’n wir ’n Gewehrputzer, un denn geht’s haste was kannste.<br />

GROßMUTTER. Bei dir, <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPAR. Bei mir? Bei mir kann sich doch nischt verstopfen. Ich bin doch keen Militärgewehr.<br />

GROßMUTTER. Na, du wirst es schon lesen. Und dieses Fläschchen, sechsmal 3 Tropfen, wenn’s zu tolle<br />

geht.<br />

KASPAR. Wenn’s zu tolle geht? Wer? Was?<br />

GROßMUTTER. Bei dir!<br />

KASPAR. Bei mir?<br />

GROßMUTTER. Du weißt doch. Sie flüstert ihm was ins Ohr.<br />

KASPAR. Ach so! Ach so! Nu verstehe ich. – Daß ich die Pullen nur nicht verwechsele!<br />

GROßMUTTER. Es steht ja <strong>alle</strong>s dran.<br />

KASPAR. Wenn <strong>alle</strong>s dran steht, is es gut, Großmutter! Wenn ich <strong>da</strong>s Zeug nur nicht einzunehmen brauche.<br />

GROßMUTTER. Und nun kommt die Hauptsache.<br />

KASPAR. <strong>Kasperle</strong>, freue dir! Jetzt kommen die Fressalien.<br />

GROßMUTTER bringt ein Briefchen an einem Bande. Hier <strong>Kasperle</strong>, ein Talisman.<br />

KASPAR. Was für ein Mann?<br />

GROßMUTTER. Ein Talisman.<br />

KASPAR. Das is doch keen Mann. Das is doch een Wisch an eener Strippe.<br />

GROßMUTTER. Ein Amulett, <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPAR. Ein Kotelett wäre mir lieber.<br />

GROßMUTTER. Das behütet dich vor Not und Tod.<br />

KASPAR. Da hat se mir gewiß ’n letzten Tausendmärker neingesteckt. Gerührt: Aber Großmutter, <strong>da</strong>s kann<br />

ich doch unmöglich annehmen.<br />

GROßMUTTER. Alles für dich, mein <strong>Kasperle</strong>. Aber du mußt den Talisman …<br />

KASPAR. Das Tausend-Mark-Kotelett.<br />

GROßMUTTER. … umhängen, auf der Brust tragen, un nie <strong>von</strong> dir tun.<br />

KASPAR. Ooch nie wechseln?<br />

GROßMUTTER. Ooch nie verwechseln!<br />

KASPAR. Dann behalt’s Großmutter, <strong>da</strong>nn kann mir dein brauner Lappen gar nischt helfen.<br />

[15]


GROßMUTTER. Aber umhängen kannst du’s doch.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPAR. Na meinetwegen, her <strong>da</strong>mit! Aber nun zum Schluß, Großmutter. Um zehn Uhr wollte mich der<br />

Herr Unteroffizier abholen. Aber nun die Fressalien, Großmutter, sonst wird der Rucksack voll, un es is<br />

nischt Gescheites drin.<br />

GROßMUTTER bringt eine Büchse. Die letzte Büchse Schmalz.<br />

KASPAR. Gott erhalt’s! Er steckt sie in den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER bringt eine zweite Büchse. Die letzte Büchse Gänsebraten.<br />

KASPAR. Für meine Heldentaten. Wirft die Büchse in den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER bringt eine dritte Büchse. Birnen mit Klößen, eingeweckt.<br />

KASPAR. Wie <strong>da</strong> der Kaspar jetzt schon leckt. Wirft die Büchse in den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER bringt eine vierte Büchse. Rotwurst mit Zunge.<br />

KASPAR. Junge! Junge! Wirft sie in den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER bringt Eingewickeltes. Hier hab’ ich Kuchen dir gebacken.<br />

KASPAR. Den wolln wir gleich zu oberst packen. Wirft ihn in den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER bringt Paket. Hier drin ist Tabak, <strong>Kasperle</strong>in.<br />

KASPAR. Es wird doch kein richt’ger Tabak sein. Er wirft <strong>da</strong>s Paket in den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER bringt eine Pulle. Hier eine Pulle …<br />

KASPAR. Gott sei Dank!<br />

GROßMUTTER. Draus trinkst du, wenn du magenkrank.<br />

KASPAR. Das bin ich immer, Großmutter. Aber nein, ich weiß mich zu beherrschen. Er steckt die Flasche in<br />

den Rucksack. Nein in den Schlund!<br />

GROßMUTTER. Das andre habe ich zusammengebündelt. Das steht in der Stube bereit.<br />

KASPAR. Habe scheenen Dank, Großmutter! Nu kann’s kommen wie 70. Nu ziehe ich getrost ins Feld;<br />

denn mir kann nischt passieren. Ach, <strong>da</strong> kommt der Herr Unteroffizier!<br />

UNTEROFFIZIER. Nun fertig, Kaspar?<br />

KASPAR. Ei woll, Herr Unteroffizier!<br />

UNTEROFFIZIER. Und tüchtig eingepackt?<br />

3. Auftritt.<br />

UNTEROFFIZIER Ruschke kommt.<br />

KASPAR. Ei woll, Herr Unteroffizier. Eingepackt und eingesackt. Schaun Se mal nein!<br />

UNTEROFFIZIER. Das wirst du gar nicht <strong>alle</strong>s <strong>alle</strong>in essen können.<br />

KASPAR. Aber erst recht, Herr Unteroffizier.<br />

[16]


UNTEROFFIZIER. Schafskopf!<br />

KASPAR. Wie meenen der Herr Unteroffizier?<br />

UNTEROFFIZIER. Du hast einen tüchtigen Appetit, Kaspar.<br />

KASPAR. Nu, wenn’s <strong>da</strong>nach ginge, müßte ich längst de Knöppe haben.<br />

UNTEROFFIZIER. Also denn los, Kaspar!<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPAR. Nich wahr, Herr Unteroffizier, den Rucksack tragen Sie mir doch een Stückchen.<br />

UNTEROFFIZIER. Was fällt Euch ein!<br />

KASPAR. Nee, dee, <strong>da</strong> fällt nischt raus un ooch nischt rein. Da können Se ganz beruhigt sein. Die Großmutter<br />

kommt. Also Großmutter, leb’ wohl, du altes Haus. Heule nich, ich bin bald wieder <strong>da</strong>. Un passieren<br />

kann mir nischt. Ich habe ja zu essen und zu trinken, un der Herr Unteroffizier, der is mein<br />

Freund.<br />

GROßMUTTER. Leb’ wohl, <strong>Kasperle</strong>! Schreib’ nur recht oft!<br />

KASPAR. So oft du mir was zu futtern schickst. Un den Herrn Unteroffizier seine Adresse weeßt du ja<br />

ooch, nich wahr? Also mach’s gut!<br />

GROßMUTTER. Herrgott, der Blumenstrauß! <strong>Kasperle</strong>, einen Augenblick. Du hast ja meinen Blumenstrauß<br />

noch nicht angesteckt.<br />

KASPAR. Was sagen Se nur, Herr Unteroffizier, zu meiner Großmutter?<br />

UNTEROFFIZIER. Ein patentes Frauenzimmer!<br />

KASPAR. Schade, <strong>da</strong>ß Sie schon verheiratet sind. Sie wär’n mir gewiß ooch ’n recht liebevoller Großpapa.<br />

Großmutter bringt einen mächtigen Strauß. Na nu kann die Hochzeit losgehn. Wolln mer nich eens singen,<br />

Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Mir kann’s recht sein.<br />

BEIDE singen. So leb’ denn wohl, du altes Haus!! Text wie am Anfang. Die Großmutter heult <strong>da</strong>zu.<br />

Kaspar.<br />

Der Herr Unteroffizier.<br />

Ein Senegalneger.<br />

Ende.<br />

KASPAR IM SCHÜTZENGRABEN.<br />

PERSONEN.<br />

[17]<br />

[18]


1. Auftritt.<br />

KASPAR und der UNTEROFFIZIER.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

UNTEROFFIZIER. So Kaspar, <strong>da</strong> sind wir nun an Ort und Stelle. Der blutige <strong>Ernst</strong> des Krieges tritt nun<br />

auch an dich heran.<br />

KASPAR. Man bloß nich zu dichte, Herr Unteroffizier, un nich uff de Hühneroogen.<br />

UNTEROFFIZIER. Ich denke, du wirst deinen Mann stehen.<br />

KASPAR. Stehen? Stehen? Nu nee! Totstechen werd’ ich ihn, wenn er mir zu nahe kommt.<br />

UNTEROFFIZIER. Also <strong>da</strong>s hier ist der Schützengraben.<br />

KASPAR. O, der gefällt mir recht gut, Herr Unteroffizier, besser als die Schützengräben uff ’m Exerzierplatze.<br />

UNTEROFFIZIER. Nanu! Warum denn?<br />

KASPAR. Weil der hier schon fertig is, un die <strong>da</strong>heeme mußten wir immer erst ausheben. Und <strong>da</strong>s is eene<br />

ver<strong>da</strong>mmt schwere Ar<strong>bei</strong>t, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Nun, wenn die feindliche Artillerie den Graben zusammenschießt, <strong>da</strong>nn müssen wir<br />

auch hier tüchtig mit dem Spaten schanzen.<br />

KASPAR. Das wird se nich machen, de feindliche Artillerie. Ich sehe ja überhaupt gar keene feindliche Artillerie.<br />

UNTEROFFIZIER. Die steht in Deckung.<br />

KASPAR. Na also, <strong>da</strong> hat es keene Gefahr.<br />

UNTEROFFIZIER. Aber erst recht!<br />

KASPER. Nanu, wieso? Wenn mir in Deckung sind, sind mir doch so gut wie Nummer sicher.<br />

UNTEROFFIZIER. Beim Feinde ist <strong>da</strong>s aber umgekehrt. Da ist er Nummer sicher und wir sind in Gefahr.<br />

KASPAR. So eene Gemeenheet! Na, er wird uns schon nischt tun, Herr Unteroffizier Wir tun ihm ja ooch<br />

nischt<br />

UNTEROFFIZIER. Hier stellst du dich nun her, Kaspar, und guckst unverwandt durch die Schießscharte<br />

hinüber nach dem feindlichen Schützengraben.<br />

KASPAR. Wird gemacht, Herr Unteroffizier!<br />

UNTEROFFIZIER. Und wenn sich drüben irgend etwas regt, <strong>da</strong>nn langst du hin mit der Flinte.<br />

KASPER. Da werde ich aber nich weit hinreichen, Herr Unteroffizier!<br />

UNTEROFFIZIER. Mit der Kugel.<br />

KASPAR. Mit der kleenen Kugel? Die is ja noch kürzer als <strong>da</strong>s Gewehr.<br />

UNTEROFFIZIER. Schießen meine ich, Kaspar, schießen. Wenn drüben was zappelt, knallst du drauf los.<br />

KASPAR. Schnellfeier, haste was kannste.<br />

UNTEROFFIZIER. Aber auch was treffen, Kaspar.<br />

[19]


KASPAR. Wenn was zu treffen is, <strong>alle</strong>mal.<br />

UNTEROFFIZIER. Und wenn sich drüben verdächtige Bewegungen zeigen.<br />

KASPAR. Verdächtige Bewegungen? Was is <strong>da</strong>s uff französisch?<br />

UNTEROFFIZIER. Wenn du merkst, der Feind will den Schützengraben verlassen.<br />

KASPAR. Dann loofe ich hinüber und besetze den feindlichen Graben.<br />

UNTEROFFIZIER. Ich meine, um uns anzugreifen. Wenn du <strong>da</strong>s merkst …<br />

KASPAR. Dann rufe ich meine Großmutter.<br />

UNTEROFFIZIER. Dann meldest du <strong>da</strong>s sofort und schlägst Alarm.<br />

KASPAR. Na, vor mir können se sich in acht nehmen, die Franzmänner.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

UNTEROFFIZIER. Du verläßt natürlich deinen Posten auf keinen Fall. Es kommt Verstärkung.<br />

KASPAR. So ’n kleener Wuttki.<br />

UNTEROFFIZIER. Und der Graben wird verteidigt. Hier liegen Handgranaten.<br />

KASPAR. Die nehmen Se man lieber weg, Herr Unteroffizier. Die sein mir zu gefährlich.<br />

UNTEROFFIZIER. I wo! Man muß nur <strong>da</strong>mit umzugehen wissen. Er holt eine Handgranate her<strong>bei</strong>.<br />

KASPAR. Lassen Se de Hand <strong>da</strong><strong>von</strong>, Herr Unteroffizier! Ich bitt’ Sie, lassen Sie die Hand <strong>da</strong><strong>von</strong>!<br />

UNTEROFFIZIER. Nur kalt Blut, Kaspar! Solange du die Zündschnur nicht entfernst, kann gar nichts passieren.<br />

Du legst dir einen hübschen Berg zurecht, und wenn die Feinde kommen, schleuderst du die<br />

Handgranaten auf sie. Du sollst mal sehn, wie sie <strong>da</strong> ausreißen. Also mach’ deine Sache! Und schlaf’<br />

nicht ein. Es hängt <strong>alle</strong>s <strong>da</strong><strong>von</strong> ab, <strong>da</strong>ß du auf dem Posten bist. Ab.<br />

KASPAR. Gott sei Dank, <strong>da</strong>ß er weg is. Ich werd’ meine Sache schon machen. Er guckt durch die Schießscharte.<br />

Nischt Verdächtiges zu sehn. Der Feind is in scheenster Ordnung. Der weeß gewiß, <strong>da</strong>ß Kaspar<br />

hier uff Posten steht. Wenn bloß die ver<strong>da</strong>mmten Handgranaten nicht wären! Das sind nämlich ganz<br />

hinterlistige Insekten. Mir is nämlich mal so een Dingerichs <strong>bei</strong>nahe ins Gesicht geplustert. Das war Se<br />

nämlich so. Ich kriege so ’n Dingerichs in die Hand un sehe den Bindfaden <strong>da</strong> rausgucken. Ich denke,<br />

<strong>da</strong>s is ja een recht liederliches Dingerichs, un reiße de Strippe ab. Da brüllt mich der eene Unteroffizier<br />

an: Wegschmeißen! Schnell! Ich denke, er will mich veralbern un halte <strong>da</strong>s Dingerichs fest in der Hand.<br />

Da springt er uff mich zu un will mir <strong>da</strong>s Dingerichs wegnehmen. Ich denke: Na wart, Brüderchen, wer<br />

wohl die meiste Kraft hat. Schließlich reißt er mir’s doch weg un schmeißt es übern Zaun. Un <strong>da</strong> ging es<br />

<strong>da</strong>nn Krach! Bum! – Ich rühre so ’n Dingerichs nich wieder an. Sowas müßte überhaupt verboten sein,<br />

so ’ne Alberei. Er guckt durch die Schießscharte. Es kommt immer noch keener. Wer weeß überhaupt, ob <strong>da</strong><br />

drüben een Feind is. Die Herren Vorgesetzten bilden sich gar manches ein. Er guckt über die Schutzwehr.<br />

Ein Schuß fällt. Sst! Himmelkreuz!<br />

So eene Gemeenheet! Dicht am Ohr vor<strong>bei</strong>. Na warte, Bürschchen, nu gucke ich überhaupt nich wieder<br />

nach euch raus. Er holt ein Feldpostpaket hervor. Diese Beschäftigung sagt mir mehr zu. Er öffnet <strong>da</strong>s Paket.<br />

Hm, hm, <strong>da</strong>s riecht aber mal fein appetitlich! Da hat doch meine Großmutter wieder <strong>ihr</strong> letztes Bißchen<br />

hergegeben und hat mir eenen kleenen Kuchen eingerührt. Wahrhaftig! Nee die gute liebe Seele! Schade,<br />

<strong>da</strong>ß sie nich 50 Jahre jünger is.<br />

[20]<br />

[21]


NEGER. Hm, hm, gutt, gutt! Hunger! Hunger!<br />

Ein NEGER guckt über die Brustwehr.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPER. Eigentlich sollte sie den Kuchen selber essen un eene hibsche heeße Tasse Kaffee <strong>da</strong>zu trinken.<br />

NEGER. Deutsches Sol<strong>da</strong>t Biskuit! Biskuit! Ei, ei! Sst, Kamerad!<br />

KASPER. Wa … Was? Greift zur Flinte.<br />

NEGER. Nix schießen, Kamerad! Gutt Freund, Kamerad!<br />

KASPAR. Donnerwetter, was mach’ ich denn nu? Den Kerl muß ich kalt machen, sonst fliege ich ins Loch.<br />

Oder ich muß ihn gefangen nehmen. Halt, Kaspar, die Gelegenheit is günstig. Was willst du denn eigentlich,<br />

Landsmann aus Kamerun?<br />

NEGER. Biskuit, Kamerad!<br />

KASPAR. Biskuit, Biskuit! Daß die Kerle doch <strong>alle</strong> französisch sprechen.<br />

NEGER. Kamerad nix französisch. Biskuit deutsch! Deutsches Biskuit!<br />

KASPAR. Weeßte, Kamerad, komm nur erst mal runter in de gute Stube.<br />

NEGER. Non, non! Capitain!<br />

KASPAR. Ach was, Kapitäne gibt es hier nich. Die schwimmen <strong>alle</strong> uff der Nordsee.<br />

NEGER. Kamerad, Biskuit! Bitte, bitte! Hunger, Hunger!<br />

KASPAR. Ach so, Kamerad schwarz angepinseltes, du willst een Stück Kuchen haben. Biskuit! Biskuit! Das<br />

konntest du doch gleich sagen. Den Kerl locke ich in die Biskuitf<strong>alle</strong>. Aber tritt doch näher, Mensch! Da<br />

oben pfeffern se dir noch eens uff de Platte. Hier unten is <strong>da</strong>s viel gemütlicher. Nee, nee, brauchst wirklich<br />

keene Angst zu haben. Ich tue dir<br />

nischt! Der Schwarze kommt in den Graben. Na siehste, Kamerad, so is <strong>da</strong>s erst richtig nu in Ordnung. Und<br />

nu faß zu!<br />

NEGER. Soviel Biskuit!<br />

KASPAR. Was du denkst. Wir leben nicht schlecht. Den ganzen Tag Biskuit und immer Biskuit! Ihr <strong>da</strong> drüben<br />

wohl auch?<br />

NEGER. Non, non!<br />

KASPAR. Na, <strong>da</strong>nn bleib’ doch gleich hier. Zurück kannst du sowieso nich mehr; denn ich müßte dich<br />

pflichtschuldigst mit diesem Tintenproppen Handgranate chloroformieren.<br />

NEGER. O, o!<br />

KASPAR. Brauchst keene Angst zu haben, Mohrmann. Bloß ausreißen <strong>da</strong>rfst du nich.<br />

UNTEROFFIZIER. Was geht denn hier vor?<br />

Der UNTEROFFIZIER kommt <strong>da</strong>zu.<br />

KASPAR. Hier geht jetzt gar nischt vor. Hier steht ’n Mohr vor, Herr Unteroffizier, rabenschwarz un echt<br />

un nich etwa angepinselt. Drüben aus ’m französischen Schützengraben eigenhändig herausgelockt.<br />

NEGER. Biskuit!<br />

[22]


KASPAR. Een hibscher Name, Herr Unteroffizier, Biskuit.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

UNTEROFFIZIER. Du bist ja ein Hauptkerl, Kaspar. Das hätte ich dir wahrhaftig nich zugetraut.<br />

KASPER. Mir können Se <strong>alle</strong>s zutrauen, Herr Unteroffizier. Mich können Se an die gefährlichsten Posten<br />

stellen. Ich mache meine Naht!<br />

UNTEROFFIZIER. Der Lohn wird nicht ausbleiben, Kaspar. Bring’ dem Herrn Hauptmann den Gefangenen<br />

selber und erzähle ihm den Vorgang.<br />

KASPAR. So dumm! Da soll er mir wohl nachträglich noch ein Paar tüchtige herunterhauen? Wissen Se,<br />

Herr Unteroffizier, ich bin gar nich ehrgeizig.<br />

UNTEROFFIZIER. Marsch! Marsch! Das gibt ein Gaudium. Kaspar hat einen schwarzen Franzosen gefangen.<br />

KASPAR. Verrat nur nischt, Kamerad Biskuit! Kriegst och die ganze Schachtel voll Biskuit.<br />

NEGER. O, o!<br />

KASPAR. Also die ganze afrikanische Armee vorwärts marsch! Singt: Und wenn se uns die Stiebelsohl’n mit<br />

Kaviar beschmier’n, wir lassen uns, wir lassen uns doch niemals irre führen! Alle ab.<br />

KASPAR kommt zurück. Diese Heldentat muß in de Zeitung, un meine Großmutter muß se lesen. Die wird<br />

sich aber scheene freuen! Nich wahr, meine Herrschaften, Sie sorgen <strong>da</strong>für, <strong>da</strong>ß die Geschichte in die<br />

Zeitung kommt. Ich <strong>da</strong>nke och recht scheene!<br />

<strong>Kasperle</strong> als Landsturmmann.<br />

Ein Gurkha (Indier).<br />

Ein Schwarzer.<br />

KASPAR. <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>?<br />

DIE ANWESENDEN. Ja!<br />

KASPAR. Dann ruft erscht mal Hurra.<br />

ALLE. Hurra!<br />

Ende.<br />

KASPAR AUF PATRULLJE.<br />

PERSONEN.<br />

1. Auftritt.<br />

[23]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPAR. So, und nun will ich euch och sag’n, weshalb ich hierhergekommen bin. Nich etwa euretwegen,<br />

Gott bewahre, <strong>da</strong> wäre ich schon lieber hübsch <strong>da</strong>heeme geblieben in meinem Unterstand. Nee, nee, es<br />

handelt sich um eene ganze wichtige Angelegenheit! – Aber <strong>ihr</strong> därft’s keenen weiter sagen, wärklich<br />

nich! – Ich setze mich sonst ganz gehörig uff’n<br />

Stacheldraht! Das is Se nämlich een <strong>alle</strong>rgeheimstes Dienstgeheimnis. Jawoll, <strong>da</strong> brauch’n Se gar nicht zu<br />

lachen! – Ich bin Se nämlich uff Patrullje! Jawoll: uff Patrullje! Nich wahr, <strong>da</strong> staunt <strong>ihr</strong> euch – ich kann<br />

woll ruhig euch zu euch sagen. Mir sind ja doch jetzt <strong>alle</strong>s eens. – Also, <strong>da</strong> staunt <strong>ihr</strong> euch de Beene in<br />

den Leib. Und <strong>da</strong> gibt’s nämlich gar nischt drüber zu lachen! Das war euch nämlich so gekommen. Unser<br />

Hauptmann wollte gerne wissen, wer <strong>da</strong> drüben in den englischen Schützengräben so kreizdämlich<br />

zu uns rüberknallt, nich etwa aus bloßer Neigierde, Gott bewahre, sowas gibt’s <strong>bei</strong>m Militär überhaupt<br />

nicht, sondern aus wohlbe<strong>da</strong>chten taktischen Gründen. – Versteht <strong>ihr</strong>’n überhaupt, wenn ich militärisch<br />

mit euch rede? – Also gut: Es sollte festgestellt werden, ob geraderüber <strong>von</strong> uns, – schau’n se mal hin,<br />

<strong>da</strong> drüben, links um de Ecke rum – ob <strong>da</strong> gelbe, schwarze, grüne, violette, blaue, weiße, bomwollne oder<br />

waschechte Engländer liegen. Er hat Se nämlich für jede Sorte seine Taktik. Er sagte also: Freiwillige<br />

vor! Macht euch auf was gefaßt und so weiter nich noch mal. Da drüben is der Deibel los. – Ich stand<br />

natürlich mit am vornsten vorne. – Kaspar, meente unser Hauptmann, <strong>da</strong>s is nischt für dich. Du machst<br />

mir wieder viel zu viel Unsinn und verdirbst mir den ganzen Salat. – Wie werd’ ich denn, Herr Hauptmann,<br />

sage ich stramm, ich kenne doch Salat. Meine Großmutter hatt’ ihn immer so recht hübsch mit<br />

Zucker gemacht oder mit Speckgriefen. O wie lecker, lecker, lecker! Lassen Se mich nur mitgehn, Herr<br />

Hauptmann. Wenn keener rankommt an den feindlichen Schützengraben, Kaspar kommt <strong>alle</strong>mal ran.<br />

Und <strong>da</strong>nn, Herr Hauptmann, möcht’ ich mir doch och die Knöppe verdienen. – ’s Eiserne könn’n se<br />

mir nämlich nich gut geb’n, weil <strong>da</strong>s ’n Bißchen dämlich aussehen möchte, wenn ich <strong>da</strong>mit uff’n Jahrmarkte<br />

zu stehn käme. Ich bin Se nämlich in meinen Zivilverhältnissen Jahrmarktskünstler. – Schließlich<br />

hat er gemeent: Meinetwegen, hol’ dich der Deibel! – Gott, <strong>da</strong>chte ich, der tut dir nischt! Der hat jetzt<br />

drüben <strong>alle</strong> Hände voll zu tun, die edlen Tommyseelen in den Wurschtkessel zu schaffen. – So, nun wißt<br />

<strong>ihr</strong> <strong>alle</strong>s. Ich habe mir eenen<br />

Kriegsplan ausgear<strong>bei</strong>tet und werde <strong>da</strong>nach vorgehen. Zunächst heißt es in Deckung gehen; denn so’n<br />

hübscher molliger Schützengraben is der Vater der Vorsicht. Ich werde mir künftig überhaupt keene<br />

Wohnung mehr mieten, sondern mich <strong>alle</strong>mal an Ort und Stelle <strong>bei</strong> Mutter Erde einquartieren. Schippt.<br />

Gott, is <strong>da</strong>s een Erdreich! Die höchste Zeit, <strong>da</strong>ß hier mal ordentlich gebuddelt wird. Er wirft die Erde vorn<br />

auf die Zuschauerseite. Ist denn keen Schipper unter euch? Feixen könnt <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> miteinander. Aber eenen<br />

ollen ehrlichen Landsturmsol<strong>da</strong>ten <strong>bei</strong>m Buddeln helfen, <strong>da</strong>s steht euch nich an. Sie, Kamerad! – Sie <strong>da</strong><br />

hinten mit der Brille, Sie Einjähriger, Sie sind doch gewiß een Studierter. Komm’n Se, helfen Se mir’n<br />

bißchen. Ich pfeife Ihnen ooch was. – Der Kerl rührt sich nich. Na warte, wenn ich erst de Knöppe habe,<br />

<strong>da</strong>nn werde ich dir Beene machen, du fauler. – So, <strong>da</strong>s wird genügen für den ersten Angriff. Nimmt<br />

einen Strick. Nun lege ich eine feine Schlinge, rooche mir meinen Stummel an und sehe den Ereignissen<br />

mit Ruhe entgegen wie Kollege Aas-quitt-quitt-quitt in London.<br />

2. Auftritt.<br />

KASPAR hat sich in die Grube gesetzt, so <strong>da</strong>ß nur der Kopf herausguckt. Das Ende <strong>von</strong> der Leine hat er in den<br />

Händen. Von links kommt ein GURKHA, mit einem Messer in den Zähnen.<br />

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<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPAR. Hallo! Kaspar, merkste was? Zu den Zuschauern: Um Gottes willen lacht nich, sonst reißt mir der<br />

Zitronenfalter wieder aus. Wenn ich nur wüßte, wie man so eenen Appelsinensol<strong>da</strong>ten anlockt. Die Kerle<br />

fressen ja woll gerne Zickenfleesch. Ich dächte, ich hätte so was mal gehört. Er meckert.<br />

GURKHA. No-bra<strong>da</strong>!<br />

KASPAR. Feiner Brata, jawoll! Man immer ran an den Zicken-Speck. Immer’n bißchen näher noch, mein<br />

kleener Gurkenbaron meckert.<br />

GURKHA. No-bra<strong>da</strong>-sing!<br />

KASPAR. Singen soll ich? … Nee, Jungeken, <strong>da</strong>s will ich lieber lassen. Erst mußt du <strong>da</strong>s unvorschrifts-<br />

mäßige Messer wegtun. – Der Kerl wird sich noch in die Lippen schneiden meckert.<br />

GURKHA. No-bra<strong>da</strong>-sing-tagora!<br />

KASPAR. Ich globe, der Kerl hat was gemerkt. – Noch een’n Schritt, un ich habe den Karnalljenvogel in<br />

der Schlinge. Jetzt! Kaspar zieht die Schlinge an. Der Gurkha sitzt mit dem Beine fest. Hurra! Männeken, die<br />

Hände hoch!<br />

GURKHA schreit. No-bra<strong>da</strong>-sing! No-bra<strong>da</strong>-sing!<br />

KASPAR. Geduld! Geduld! In Zossen kriegst du Nobra<strong>da</strong>sing, so viel du willst. Also erst mal <strong>da</strong>s Messer<br />

her. Junge, wie könn’n se dich mit solchem Dingerichs über Land schicken? Das ist ja lebensgefährlich.<br />

GURKHA. Assam-Brahma-putra.<br />

KASPAR. Der Kerl wird immer anspruchsvoller. Nun will er schon Puterbraten. Gut, sollst du haben. Laß<br />

dich nur regelrecht fesseln, <strong>da</strong>mit ich dich heil nach Hause kriege!<br />

GURKHA. Benares-Patna-Bengalen-Kalkutta!<br />

KASPAR. Ja doch, ja doch! Ich weiß ja <strong>alle</strong>s. Sei doch nur hübsch friedlich. Ich tu dir ja nischt. – Aber du<br />

mußt mir och nischt tun. Gott, wie siehst du gelb aus.<br />

GURKHA. Pandschab-Lahore!<br />

KASPAR. Das glaube ich. Das geht so rasch nicht wieder ab. Aber <strong>da</strong>s hast du <strong>von</strong> deiner Mutter. Die wird<br />

wohl auch schon so gelb gewesen sein. Das kommt aber <strong>von</strong> eurer vielen Zitronenmarmelade. Freßt<br />

nicht soviel so’n Zeug. Dann bleibt <strong>ihr</strong> hübsch sauber, wie wir. – Sag’ mal, Kamerad Gurkha, wer is’n<br />

noch <strong>da</strong> drüben <strong>bei</strong> euch? – Der Kerl verstellt sich. Der will nicht antworten. – Da drüben, meine ich,<br />

wer is denn <strong>da</strong> noch?<br />

GURKHA. Karikal-Kalikut! Karikal-Kalikut!<br />

KASPAR. Jedenfalls och indische Gurkhas. – Na gut, <strong>da</strong>s andere besorgt nachher unser Hauptmann. Junge,<br />

<strong>da</strong>ß du mir <strong>da</strong> aber stramm stehst, verstehste, un nich so schlapp wie so ’ne halbvertrocknete Zitrone.<br />

Na, wir woll’n dich schon rausfüttern, mein Sohn. Jetzt erst mal an den Boom <strong>da</strong>. Vielleicht fängt sich<br />

noch so’n Appelsinen<strong>bei</strong>ßer.<br />

GURKA. Bengaluru-Kalikut!<br />

KASPAR. Brauchst keene Angst zu haben. Wirst nicht gehängt. Wirst nur angebunden. Er schafft ihn nach<br />

links. So, eenen Knopp hätt’n wir. Nun fehlt aber noch der zweete.<br />

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[27]


3. Auftritt.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KASPAR legt die Schlinge nach der andern Seite aus. Er trällert ein Liedchen vor sich hin. Nach einer Weile<br />

kommt ein Schwarzer <strong>von</strong> rechts.<br />

KASPAR. Pst, Kaspar! Ein kohlrabenschwarzer Mohr. Der paßt gut zum Gurkensalat. Gott, wie hab’n se<br />

dir anbrennen lassen! Man immer rin in die gute Stube. Hier is noch Platz für eene lumpigte Person!<br />

JUMBO schnüffelt. Hm, hm, Menschenfleisch!<br />

KASPAR. Der kann ja deutsch. Das is gewiß eener <strong>von</strong> Hagenbeck. Da muß ich doppelt vorsichtig sein.<br />

JUMBO. Wo, wo Menschenfleisch! Gutt, gutt Menschenfleisch!<br />

KASPAR. Na, <strong>da</strong>s kann ja was werden. Das scheint een regelrechter Menschenfresser zu sein. Kaspar, halt<br />

die Luft an. Der Kerl macht keenen vertrauenerweckenden Eindruck mit seinem Nußknackergebiß.<br />

Junge, Junge!<br />

Der Schwarze wetzt sein Messer.<br />

Zu den Zuschauern: Nich wahr, Leute, <strong>ihr</strong> verrat’t Kasparn nich? Was wollt <strong>ihr</strong> wohl ohne Kaspar anfangen?<br />

Und Sie, Einjähriger, <strong>da</strong> hinten, Sie mit der Brille, um Gottes willen, verraten Sie dem Kerl meine<br />

Stellung nich. Ich verspreche, Ihnen ein gerechter und wohlwollender Vorgesetzter zu sein, wenn ich de<br />

Knöppe kriege. Und für Urlaub sorge ich auch, Einjähriger. Ich kann nämlich manches machen! Nich<br />

wahr, <strong>da</strong>s mit dem Schippen hab’n Se mir nicht krumm genommen? – Zähneklappernd: Heut wetzt er <strong>da</strong>s<br />

Messer, es schneid’t schon viel besser. Hüte dich fein’s Kasparlein. Gott, der Kerl muß ja denken, ich<br />

wär’ eine alte Jungfer.<br />

JUMBO. Deutsches Mann, guttes Mann, is was dran!<br />

KASPAR Der wird Augen machen, wenn er mich Stoppel-<br />

-hopser in der Pfanne hat. 105 Pfund mit Stiebeln und Zylinder.<br />

JUMBO sieht den Strick. Ah, aha! Allah! Allah! Guttes Strick, festes Strick! Bind’ sich Jumbo Deutsches dran,<br />

Deutsches nicht entlaufen kann.<br />

KASPAR. So een Halunke! Na, warte, Jungeken, <strong>da</strong>s streiche ich dir ein, mir hier meine Fangleine aus den<br />

Fingern wegzuklau’n.<br />

JUMBO. Menschenfleisch! Menschenfleisch! Irgendwo in der Näh’! Jumbo hat sich der Grube Kaspars genähert.<br />

Kaspar packt ihn am Bein und schmeißt ihn um.<br />

JUMBO schreit. Allah il Allah! Pardon! Pardon!<br />

KASPAR. Dir will ich helfen! Mich so zu erschrecken prügelt ihn. Messer weg, du schwarzgeräucherter Dauerschinken!<br />

Weißt du nicht, <strong>da</strong>ß heite fleischloser Tag is, und <strong>da</strong>ß es gegen <strong>alle</strong> Kriegsgesetze is, ehrsame<br />

Landsturmleite massakrieren zu wollen.<br />

JUMBO. Jumbo gutt, gutt!<br />

KASPAR. Halts Maul, du Hund! Stell’ dich lieber erst mal vorschriftsmäßig hin, wie sich <strong>da</strong>s gehört. Brust<br />

raus, Bauch rein, immer reiner! Hände an die Hosennaht! Zähne weg! Fletsch mich nicht so an. – Ich<br />

sollte euer French sein <strong>da</strong> drüben! Euch Rasselbande brächte ich in 8 Tagen zur Ordnung. – Kehrt<br />

Kehrt! – So, nun bleibst du hier stehn, du angesengter Afrikaner, bis ich wiederkomme. Erst mal die<br />

Hände her. So’n kleenes Armband kann nich schaden fesselt ihn. So mein Sohn! Ab.<br />

[28]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

JUMBO. Ullje! Ullje! Deutsches Mann schlimmes Mann! Appetit futsch, futsch! – Jumbo ganz kaputt!<br />

KASPAR kommt mit dem Inder.<br />

KASPAR stellt vor. Mister Zitronengelb aus Kalikut! – Mister Jumbo, englische Dauerware aus Afrika. Ihr<br />

seid Bundesbrüder! Benehmt euch also <strong>da</strong>nach. So – nun binde ich se <strong>bei</strong>de zusammen und bringe se<br />

meinem Hauptmann. – Herr Hauptmann, werd’ ich sag’n, <strong>da</strong>s is ’ne Probe aus dem englischen Schützengraben!<br />

Sollte se noch nicht genügen, will ich gern die fehlenden Farben och noch ranschaffen. –<br />

Und <strong>da</strong>nn gibt’s die Knöppe! Hurra! Vielleicht och <strong>da</strong>s Eiserne! Ihr Halunken, wehe, wenn <strong>ihr</strong><br />

mir meine Karriere versaut! Ganze Armee, vorwärts marsch! Kaspar singt ein Sol<strong>da</strong>tenlied und marschiert mit<br />

den Gefangenen <strong>da</strong><strong>von</strong>.<br />

Kaspar.<br />

Der Herr Unteroffizier.<br />

Leutnant oder Exzellenz vom Stab.<br />

KASPAR. <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>?<br />

DIE ANWESENDEN. Ja!<br />

KASPAR. Dann schreit mal laut Hurra!<br />

ALLE. Hurra!<br />

Ende.<br />

KASPAR IM HAUPTQUARTIER.<br />

(Kaspar als Erfinder.)<br />

PERSONEN.<br />

1. Auftritt.<br />

KASPAR. Schön gemacht! Also heute gibt es ganz was Feines, ganz was Auserlesenes, heute werdet <strong>ihr</strong> sehen<br />

und hören, wie Kaspar mit den <strong>alle</strong>rhöchsten Herrschaften im Hauptquartier verkehrt, wie er ihnen,<br />

ich meene den <strong>alle</strong>rhöchsten Herrschaften im Hauptquartier, seine Erfindungen vorführt, seine wirklich<br />

phänomenalen Erfindungen, und wie er schließlich, mit dem <strong>alle</strong>rhöchsten Lobe ausgezeichnet, höflichst<br />

hinauskomplementiert wird.<br />

Also Achtung und nicht gelacht. Es gibt nämlich <strong>bei</strong> diesem Spiele gar nischt zu lachen, verstanden?<br />

Das is se nämlich een sehr ernstes Spiel un een<br />

[29]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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sehr wahrhaftiges Spiel, un gar keen lächerliches Spiel, verstanden? Wenn och Kaspar <strong>da</strong>rin vorkommt.<br />

Also paßt mal Achtung. Dort geradeaus, links um die Ecke rum, is <strong>da</strong>s Hauptquartier, un <strong>da</strong>s hier, gerade,<br />

wo ich stehe, <strong>da</strong>s is Kaspar, der berühmte Erfinder. Nun wissen se Bescheid. Nun kann die Komödie<br />

losgehn. Kaspar klopft an. Da scheint keener zu heeren. Er klopft nochmals an. Da scheint werklich keener<br />

zu heeren. Er klopft zum dritten Male und heftiger an. Da scheint werklich un wahrhaftig keener zu<br />

heer’n. Gut, sing’ ich den Herrschaften was. Da werden se schon kommen, um mich wegzujagen. Er<br />

grölt: Steh’ ich in finstrer Mitternacht.<br />

Aus der Tür kommt ein UNTEROFFIZIER.<br />

2. Auftritt.<br />

UNTEROFFIZIER. Was geht denn hier vor, was? Sind Sie nicht gescheit, hier solchen ruhestörenden Lärm<br />

aufzuführen.<br />

KASPAR. Aufzuführen? Lärm? Erlauben Se mal gütigst, Herr Hauptquartier-Türschließer, ich habe bis<br />

jetzt überhaupt noch nischt uffgeführt. Das soll erst noch kommen. Und <strong>da</strong>nn <strong>von</strong>wegen Lärm. Lärm<br />

habe ich schon gar nicht gemacht. Gesungen habe ich!<br />

UNTEROFFIZIER. Singen ist Lärmen! Und Lärmen ist hier streng verboten.<br />

KASPAR. Sagen Se mal, Herr Hauptquartiermeister, könnte ich nicht mal einen <strong>von</strong> den Herrn <strong>da</strong> drinnen<br />

sprechen?<br />

UNTEROFFIZIER. Ausgeschlossen!<br />

KASPAR. Nanu, ich bin doch der Kaspar!<br />

UNTEROFFIZIER. Und wenn Sie der König <strong>von</strong> Indien wären, könnten Sie dennoch keinen <strong>von</strong> den Herren<br />

des Hauptquartiers sprechen. Die sind überhaupt nicht zu sprechen.<br />

KASPAR. Nanu, <strong>da</strong>s is mir ja ganz neu.<br />

UNTEROFFIZIER. Was wollen Sie denn überhaupt <strong>von</strong> uns?<br />

KASPAR. Von uns? Der Mann paßt in de Welt. Eigent-<br />

lich Staatsgeheimnis. Ich komme als Erfinder un biete der Heeresleitung meine großartigen weltbewegenden<br />

Erfindungen an.<br />

UNTEROFFIZIER. Daran haben wir keinen Be<strong>da</strong>rf. Weltbewegende Erfindungen haben wir genug. Dafür<br />

sorgen London und Paris. Wir brauchen bloß weltberuhigende Erfindungen.<br />

KASPAR. Das sind meine gerade. Sie besiegen den Feind, beenden den Krieg un beruhigen <strong>da</strong>mit die Welt.<br />

UNTEROFFIZIER. Dann treten Sie näher.<br />

KASPAR. Ach, wissen Se, Herr Hauptquartiermeister, wenn ich <strong>da</strong> drin verhandele, <strong>da</strong>nn heer’n meine Zuhörer<br />

nischt <strong>von</strong> der Sache. Und die sind doch am <strong>alle</strong>rneugierigsten, was ich wohl könnte erfunden haben.<br />

Also rufen Se mir eenen <strong>von</strong> den Herrn heraus. Sagen Se ihm, die Sachen wär’n zu gefährlich. Die<br />

könnte man nicht mit in die Stube nehmen.<br />

UNTEROFFIZIER. Werde ich besorgen. Hoffentlich sind es keine Flausen, Kaspar. Er fliegt sonst ins Loch.<br />

[30]<br />

[31]


KASPAR. Nur keene Angst! Alles Ia mit Patentverschluß.<br />

KASPAR. Diener, Diener, Exzellenz<br />

LEUTNANT. Hat Er gedient?<br />

3. Auftritt.<br />

Ein Generalstabsoffizier.<br />

KASPAR. Ich dienerte und dienere, wie Exzellenz sehen.<br />

LEUTNANT. Ob Er Sol<strong>da</strong>t gewesen ist?<br />

KASPAR. Ich bin immer noch Sol<strong>da</strong>t, Exzellenz, leider.<br />

LEUTNANT. Leider? Was soll <strong>da</strong>s?<br />

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KASPAR. Vonwegen meiner Großmutter, Exzellenz, die möchte mich gar zu gerne wieder <strong>da</strong>heeme haben.<br />

LEUTNANT. Sie kommen mit Erfindungen, wie ich höre.<br />

KASPAR. Jawohl, Exzellenz, mit großartigen phänomenalen Erfindungen.<br />

LEUTNANT. Die im Interesse der Heeresleitung liegen?<br />

KASPAR. Die den Krieg in dreimal 24 Stunden beenden.<br />

LEUTNANT. Da bin ich neugierig.<br />

KASPAR. Da geht’s Ihnen gerade wie Ihrem Kamerad,<br />

der war och mächtig neugierig. Also passen Se mal uff, Exzellenz!<br />

LEUTNANT. Keine langen Reden, bitte! – Zeigen, erklären, kurz und bündig.<br />

KASPAR. Gut! Ganz wie Exzellenz wünschen. Er zeigt einen Regenschirm.<br />

LEUTNANT. Was soll denn der?<br />

KASPAR. Das is meine erste Erfindung, Exzellenz.<br />

LEUTNANT. Ein Regenschirm! Hahahaha!<br />

KASPAR. Sieht aus wie ein Regenschirm un is doch keener. Dieser Regenschirm, der keener is un doch so<br />

aussieht, ist eine sichere Abwehr gegen Flintenkugeln, Granatsplitter un andere unangenehme feindliche<br />

Einwirkungen. Der Stoff dieses Regenschirms, der keener is un bloß so aussieht, ist getränkt mit einem<br />

Geheimnis, un dieses Geheimnis hat die geheimnisvolle Wirkung.<br />

LEUTNANT. Nicht übel! Und wo ist der Schirm ausprobiert?<br />

KASPAR. Ausprobiert, ausprobiert?<br />

LEUTNANT. Ich meine, hat sich der Schirm bewährt?<br />

KASPAR. Ausgezeichnet, Exzellenz.<br />

LEUTNANT. Gut, machen wir eine Probe. Ruft: Ruschke! Unteroffizier Ruschke erscheint. Ein Maschinengewehr!<br />

Sie stellen sich mit dem Abwehrschirm hier auf, und ich beschieße Sie.<br />

[32]


KASPAR. Aber um Gottes willen, Exzellenz, <strong>da</strong>s werden Exzellenz doch nicht tun.<br />

LEUTNANT. Ich denke, der Schirm fängt Kugeln auf?<br />

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KASPAR. Ja, ausprobiert hab’ ich ihn nämlich noch nich, Exzellenz. Aber Exzellenz können sich ganz auf<br />

mich verlassen.<br />

LEUTNANT. Wenn wir Erfindungen ankaufen …<br />

KASPAR. Was ankaufen, Exzellenz!! Von Ihnen nehme ich doch keen Geld. Das wäre ja Sünde un Schande.<br />

Wo Sie uns so reichliche Siege beschert haben. Exzellenz schenke ich den Kugelschirm.<br />

LEUTNANT. Danke, Kaspar, den nehmt nur Eurer Großmutter mit. Die kann ihn erst mal ausprobieren.<br />

Habt Ihr sonst noch etwas?<br />

KASPAR. Freilich, freilich. Das mit dem Schirm war nur erst een kleener Anfang. Er bringt eine Mausef<strong>alle</strong>.<br />

LEUTNANT. Das sieht schon eher aus, als könnte es uns etwas nützen.<br />

KASPAR. Exzellenz haben eine feine Nase.<br />

LEUTNANT. Und unsere Unterstände haben reichlich Ungeziefer. Also welche Vorzüge hat Eure Rattenf<strong>alle</strong>,<br />

Kaspar?<br />

KASPAR. Rattenf<strong>alle</strong>, Exzellenz? Das is keene Rattenf<strong>alle</strong>. Das sieht bloß so aus. Das is eene Granatenf<strong>alle</strong>.<br />

LEUTNANT. So, so!<br />

KASPAR. Nich wahr, <strong>da</strong> staunt der Fachmann! Sehn Se, Exzellenz, die feindlichen Granaten richten zu<br />

großen Schaden an. Un <strong>da</strong>s muß anders werden. Da habe ich hier diese „Grana“ erfunden.<br />

LEUTNANT. „Grana?“ Sehr hübsch.<br />

KASPAR. Ja, Exzellenz, uff so ’n Schlagwort kommt <strong>alle</strong>s an heutzutage. Mit dieser Grana werden die heransausenden<br />

feindlichen Granaten uffgefangen und unschädlich gemacht.<br />

LEUTNANT. Bravo! Bravo!<br />

KASPAR. Das Biest explodiert in der F<strong>alle</strong>, un die Splitter werden herausgeschüttelt, ohne eenen was getan<br />

zu haben.<br />

LEUTNANT. Das ist genial, Kaspar.<br />

KASPAR. Die Schwierigkeit is eben bloß <strong>da</strong>s Ufffangen. Doch <strong>da</strong>s übt sich mit der Zeit.<br />

LEUTNANT. Ausprobiert? – Machen wir einen Versuch mit einer Handgranate. Ruft: Ruschke! Ruschke erscheint.<br />

Eine Handgranate, Modell 28.<br />

KASPAR. Is <strong>da</strong>s een ungläubiger Thomas! Der läßt sich wahrhaftig keenen Bären uffbinden.<br />

Ruschke bringt die Handgranate.<br />

LEUTNANT. Also Achtung, Kaspar! Stellt Euch mit Eurer Grana hierher. Ruschke schleudert die Handgranate<br />

gegen Euch. Ihr fangt sie auf.<br />

KASPAR. Umgekehrt wäre mir lieber, Exzellenz. Es wäre ja auch jammerschade,<br />

LEUTNANT. Wenn so ein Genie, wie Ihr eins seid, vor-<br />

[33]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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zeitig den Heldentod sterben müßte. Also Ihr traut Eurer Grana nicht. Ich nämlich auch nicht. Also weg<br />

mit dem Ding. Schickt es Eurer Großmutter. Sie soll Ratten und Mäuse drin fangen. F<strong>alle</strong> weg. Habt Ihr<br />

noch was erfunden?<br />

KASPAR. Etwas sehr Scheenes und Dauerhaftes, Exzellenz.<br />

4. Auftritt.<br />

Er bringt eine Leiter.<br />

KASPAR. Meine berühmte „Lulei“, d. h. Luftleiter, wenn Exzellenz erlauben. Eene Erfindung für unsere<br />

Luftschiffer, Flieger und Zeppelin-Mannschaften. Keen Absturz mehr, Exzellenz, keen Verlust, keen<br />

Jammer.<br />

LEUTNANT. Sowas können wir brauchen, Kaspar.<br />

KASPAR. Diese „Lulei“, die aussieht wie ’ne Leiter, aber keene is, ist hergestellt aus einem berühmten Holze.<br />

Exzellenz kennen die Geschichte <strong>von</strong> Münchhausen, wie er eene Bohne pflanzte, um uff den Mond<br />

zu klettern.<br />

LEUTNANT. Dorthin hatte er seine silberne Axt geschleudert.<br />

KASPAR. Ganz recht, Exzellenz.<br />

LEUTNANT. Diese Bohne hatte wunderbare Eigenschaften. Man konnte sie oben abhauen und unten wieder<br />

anknüpfen und auf diese Weise vom Mond auf die Erde klettern.<br />

KASPAR. Aus eben diesem Bohnenholze habe ich meine „Lulei“ konstruiert. Is also z. B. uff eenem Zeppelin<br />

die Sache nicht mehr ganz sicher, <strong>da</strong>nn heeßt es eenfach „Lulei“.<br />

LEUTNANT. „Lulei!“<br />

KASPAR. „Lulei!“ Die Mannschaften greifen zu den bereitstehenden Luftleitern un steigen uff die Erde<br />

herunter.<br />

LEUTNANT. Famos! Famos!<br />

KASPAR. Und diese Erfindung is gründlich ausprobiert. Ich bin täglich auf dieser „Lulei“ <strong>von</strong> unserm<br />

Hühnerst<strong>alle</strong> heruntergestiegen, un es is mir nischt passiert, wie Exzellenz sehen.<br />

LEUTNANT. Auf den Kopf gef<strong>alle</strong>n seid Ihr nicht! Das merkt man Euch an. Eure Erfindungen haben <strong>alle</strong><br />

etwas Großartiges, Münchhausensches, wenn sie praktisch auch unbrauchbar sind.<br />

KASPAR. Könnten mir Exzellenz <strong>da</strong>s nicht schriftlich geben? Für meine Großmutter. Die würde sich sehr<br />

<strong>da</strong>rüber freuen. Die lacht mich nämlich immer aus, wenn ich so was erfinde.<br />

LEUTNANT. Laßt sie lachen, Kaspar! Lachen ist gesund! Ich werde Eure Erfindungen den Herren vorführen<br />

und hoffe, <strong>da</strong>ß auch sie sich <strong>da</strong>rüber ergötzen. Also „Lulei“, „Grana“ und?<br />

KASPAR. „Kugsie“, heißt Kugelsicher, Exzellenz.<br />

LEUTNANT. Schön, Kaspar! Und belohnt sollt Ihr auch werden. Ruft: Ruschke! Ruschke erscheint. Führen<br />

Sie Kaspar in die Küche und sorgen Sie <strong>da</strong>für, <strong>da</strong>ß er sich dort knudeldick und satt ißt.<br />

[34]<br />

[35]


KASPAR. Hurra! Es lebe <strong>da</strong>s Hauptquartier!<br />

LEUTNANT. Und Kaspar, bleibe gesund und mache weiter solche Dummheiten.<br />

KASPAR. Zu Befehl, Exzellenz!<br />

Kaspar.<br />

Seine Großmutter.<br />

Mungo, ein Mohr.<br />

Ende.<br />

KASPAR AUF URLAUB.<br />

PERSONEN.<br />

1. Auftritt.<br />

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KASPAR. Juchhe, <strong>da</strong> bin ich! Vier Wochen Urlaub un <strong>alle</strong> Tage Birnen und Klöße. Schlafen vom Abend<br />

bis zum Morgen, un <strong>bei</strong> Tage ooch noch <strong>da</strong>nn und wann. Keen Alarm, keene Patrullje, keen Posten!<br />

Schlafen und essen und sich rumräkeln! Die Tanten besuchen, den Onkels was erzählen, den Basen was<br />

vorschmusen! Urlaub! Du bist <strong>da</strong>s Universal-Misch-Vergnügen aus Weihnachten, Pfingsten und Ostern!<br />

Du bist der Hoffnungsstern eenes jeden braven Landsers! Heiliger Urlaub, sei mir gegrüßt! Das war<br />

doch scheene gesagt, gelle? Aber es is och was Scheenes um den Urlaub, un <strong>da</strong> kommen eenen die Worte<br />

<strong>von</strong> ganz <strong>alle</strong>ene gekullert. Ihr müßt nur heer’n, wie se jubeln, de Landser, wenn es heeßt „Urlaub“.<br />

Da geht’s im Sturmschritt zur nächsten Eisenbahnstation. Wo wollt <strong>ihr</strong> ’n hin? fragen wohl die andern.<br />

„Urlaub! Urlaub!“ kommt es <strong>da</strong> geflogen wie Sommerschwalben. Un wenn se <strong>da</strong>nn zurückkommen, die<br />

Landser, vom Urlaub, <strong>da</strong>nn loofen se nich halb so fix. Un wenn man sie <strong>da</strong>nn fragt: Wo kommt Ihr ’n<br />

her? Dann brummen se eenen an: Von Urloob! Von Urloob! Das klingt <strong>da</strong>nn recht ver-<br />

drießlich und griesgrämig. Aber <strong>da</strong>s is nu mal so in der Welt. Was uns gefällt, <strong>da</strong>s macht uns Spaß! Un<br />

was uns nich gefällt, <strong>da</strong>s macht uns keenen Spaß. Herrgott, was wohl meine Großmutter sagt, wenn ich<br />

ankomme? Die freut sich doch ’n Loch in ’n Kopp, <strong>da</strong>ß <strong>ihr</strong> Kleener wieder mal <strong>da</strong> is. Ich gloobe, se<br />

schläft noch. Kloppen wir also erst mal behutsam an. Er klopft ans Fenster. Se schläft wirklich noch. Er<br />

klopft noch einmal.<br />

GROßMUTTER. Wer ist denn <strong>da</strong> in <strong>alle</strong>r Morgenfrühe schon so unverschämt?<br />

KASPAR. Hahahaha!<br />

KASPAR lacht sich eins.<br />

[36]<br />

[37]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPAR klopft weiter. Das Fenster wird aufgestoßen. Die GROßMUTTER erscheint und gießt einen Topf mit<br />

Wasser Kaspar über den Kopf.<br />

GROßMUTTER. So eine freche Rübe! Prost und guten Appetit!<br />

KASPAR schüttelt sich. Das hatte ich mir ja nu anders vorgestellt. Ich <strong>da</strong>chte, se sollte mir um den Hals f<strong>alle</strong>n,<br />

die alte Kaspern. Aber man lernt nie aus. Na warte, zur Strafe spiele ich dir ooch gleich ’n Schabernack.<br />

Er stellt eine Kiste vors Haus. Das is nämlich <strong>da</strong>s Mitgebrachte für meine Großmutter. Da wird se<br />

nich schlechte Oogen machen, de alte Kaspern.<br />

KASPAR versteckt sich. Nach einiger Zeit kommt die GROßMUTTER aus dem Hause.<br />

GROßMUTTER. So eene Frechheit am frühen Morgen! Ja, ja, die Jugend heutzutage! Gott, war mein <strong>Kasperle</strong><br />

<strong>da</strong>gegen een Engel.<br />

KASPAR. Een scheener Bengel!<br />

GROßMUTTER. Der hätte sowas nie fertig gebracht.<br />

KASPAR. Gucke eener an!<br />

GROßMUTTER. Der hatte een zu gutes Herze.<br />

KASPAR. Besser wie deines, Großmutter!<br />

GROßMUTTER. Gott, ob er denn noch lebt?<br />

KASPAR. Aber feste!<br />

GROßMUTTER. Un ob er denn genug zu essen hat?<br />

KASPAR. Das is man knapp!<br />

GROßMUTTER. Un ob er bald uff Urlaub kommt?<br />

KASPAR. In 5 Minuten.<br />

GROßMUTTER. Un ob er den Feind ooch tüchtig mit besiegt?<br />

KASPAR. Immer vorneweg, wenn’s was Gescheits zu essen gibt.<br />

GROßMUTTER. Un ob er wohl zuweilen an seine alte Großmutter denkt.<br />

KASPAR. Na, ich <strong>da</strong>nke! Die hat mich scheene ingeseeft.<br />

GROßMUTTER bemerkt die Kiste. Aber was is denn <strong>da</strong>s?<br />

KASPAR. Jetzt kommt der Kn<strong>alle</strong>ffekt.<br />

GROßMUTTER. Das is ja wohl ’ne Kiste?<br />

KASPAR. Na, <strong>da</strong>s siehste doch!<br />

GROßMUTTER. Und so groß …<br />

KASPAR. Wie mein Hunger.<br />

GROßMUTTER. Und so schwer …<br />

KASPAR. Wie der Abschied <strong>von</strong> der Heimat.<br />

[38]


GROßMUTTER. Und was steht draufgeschrieben?<br />

KASPER. Guck doch hin.<br />

GROßMUTTER. Meine Adresse.<br />

KASPAR. Anschrift auf deutsch.<br />

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GROßMUTTER. Wirklich an meine Adresse! Das is gewiß der Postbote vorhin gewesen.<br />

KASPAR. Jawohl, hier hängt er, der frischgetaufte Postbote.<br />

GROßMUTTER. Und gewiß <strong>von</strong> <strong>Kasperle</strong>, meinem lieben herzigen <strong>Kasperle</strong>.<br />

KASPAR. Gott, wie rührend!<br />

GROßMUTTER. Was mag er mir denn schicken, der gute Junge?<br />

KASPAR. Da wirst du staunen, Großmutter.<br />

GROßMUTTER. Gewiß was zu essen …<br />

KASPAR. Oder umgekehrt.<br />

GROßMUTTER. Ich will nur mal nachsehn …<br />

KASPAR. Aber verbrenn’ dir nicht die Finger.<br />

Die GROßMUTTER öffnet die Kiste, ein Mohr taucht aus <strong>ihr</strong> empor. Die Großmutter schreit auf.<br />

GROßMUTTER. Der Teufel! Der Teufel!<br />

KASPAR. I wo! Das is keen Deibel.<br />

MUNGO. Gutten Morrgen!<br />

GROßMUTTER. Morgen Mister Kohlrabe.<br />

MUNGO. Gutten Morrgen!<br />

GROßMUTTER. Ach du lieber Himmel, was soll ich bloß machen?<br />

KASPAR. Wieder guten Morgen sagen, wie sich <strong>da</strong>s geheert.<br />

MUNGO. Gutten Morrgen!<br />

GROßMUTTER. Tun Se mir bloß nischt! Ich bin eene alte magere Person, wiege kaum 100 Pfund un bin<br />

ganz zähe, zähe wie Kriegs-Goulasch.<br />

KASPAR. Da hat se recht!<br />

MUNGO. Nix fressen Menschenfleisch. Nur essen Kalbfleisch, Hühnerfleisch, Taubenfleisch.<br />

KASPAR. Na warte, du Schlemmer!<br />

GROßMUTTER. Dann reisen Se man glücklich, mein Herr! Sie schlägt die Kiste wieder zu und setzt sich drauf. Sowas<br />

kann ich Ihnen nicht vorsetzen, und ohne Marken gleich gar nicht.<br />

MUNGO. Luft! Luft! Bin zufrieden mit Pferdefleisch.<br />

Der Schwarze brüllt.<br />

[39]


GROßMUTTER. Hab’ ich auch nich.<br />

MUNGO. Hundefleisch! Gemüse-Kraut, Kartoffeln.<br />

GROßMUTTER. Jetzt wird der Mohrenjüngling schon vernünftiger.<br />

KASPAR. Die Alte versteht mit den Männern umzugehen.<br />

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GROßMUTTER. Mir so eenen Freßsack über den Hals zu schicken! Na warte, <strong>Kasperle</strong>, komm mir man<br />

heem.<br />

KASPAR. Also beruhigen Se sich, Herr Kistenbewohner! Annahme verweigert. Zurück nach Afrika.<br />

MUNGO. Luft! Luft!<br />

GROßMUTTER. Jetzt is er schon mit Luft zufrieden. Un vorhin wollte er Kalbfleisch ohne Marken. Das is<br />

sicher eener <strong>von</strong> der Entente.<br />

KASPAR. Na man Geduld!<br />

GROßMUTTER. Ich werde den Kerl an Hagenbeck verkoofen.<br />

KASPAR. Man bloß nich!<br />

GROßMUTTER. Da kriege ich een scheenes Stickchen Geld un kann Kasparn wieder was ins Feld schicken.<br />

Ab.<br />

KASPAR. Jetzt oder nie oder <strong>alle</strong>s is verloren. Kommt hervor. Mungo!<br />

MUNGO. Mister!<br />

KASPAR. Du sollst nich immer Mister zu mir sagen. So een mistiges Wort, pfui!<br />

MUNGO. Kaspar!<br />

KASPAR öffnet die Kiste. Na, nu bist du erlöst, Mungo.<br />

MUNGO. O, o, Luft! Luft!<br />

KASPAR. Hast aber nich zu loofen brauchen. Guckt in die Kiste. Deine drei Kommißbrote hast du natürlich<br />

uffgefuttert. O Mungo! Mungo!<br />

MUNGO. Hungerr! Hungerr!<br />

KASPAR. Nu paß erst mal uff, Mungo. Ich werde jetzt in die Kiste klettern, un du machst die Kiste zu.<br />

Verstanden?<br />

MUNGO. Serr gutt! Serr gutt!<br />

KASPAR. Läßt se aber hier uff der Stelle stehn.<br />

MUNGO. Serr wohl! Serr wohl!<br />

KASPAR steigt in die Kiste. Un <strong>da</strong>nn versteckst du dich dort hinter dem Zaune.<br />

MUNGO. Und gebe acht.<br />

KASPAR. Richtig, Mungo! Du gibst acht, <strong>da</strong>ß mich keener maust. Meine Großmutter wird mich ja nich<br />

allzu lange schmachten lassen.<br />

MUNGO macht den Deckel zu.<br />

[40]


KASPAR. Mungo!<br />

MUNGO. Mister?<br />

KASPAR. Du sollst nich immer Mister sagen.<br />

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MUNGO. Jetzt kann ich saggen, was ich will. Jetzt sitz’ ich drauf und du sitzt drin. Singt:<br />

Mister! Mister!<br />

In der Kiste ist er!<br />

KASPAR. Na warte, wenn ich erst wieder drauf sitze.<br />

MUNGO.<br />

Schmeiß die Kiste in den Fluß,<br />

Kaspar <strong>da</strong>nn versaufen muß.<br />

KASPAR. Du kannst dich unterstehn, Mungo! Du wirst erschossen, Mungo!<br />

MUNGO.<br />

Schieß nur zu! Schieß nur zu!<br />

Mungo schließt die Kiste zu.<br />

KASPAR. Da haben wir’s wieder mal: Englands Verbündete!<br />

MUNGO.<br />

Mungo rächt sich auf der Stelle.<br />

Kaspar muß nun in die Hölle.<br />

KASPAR. Da treffen wir ja <strong>da</strong>nn wieder zusammen. Na Mungo, <strong>da</strong> kannst du dich auf was gefaßt machen!<br />

MUNGO. Da kommt die Alte … Versteckt sich Mungo am besten hinter den Zaun.<br />

GROßMUTTER kommt.<br />

GROßMUTTER. Der Fuhrmann is besorgt. Hagenbeck nimmt ihn, un <strong>Kasperle</strong> kriegt seinen Rührkuchen.<br />

KASPAR. Der is schon ganz gerührt.<br />

GROßMUTTER. Er wird doch nich ersticken in der Kiste. He<strong>da</strong>, du Rabensohn <strong>da</strong> drin <strong>da</strong>, lebst du noch?<br />

MUNGO. Serr gutt! Sehrr gutt lebt Mungo.<br />

GROßMUTTER. Keene Antwort. Am Ende is er schon tot, un Hagenbeck kann ihn nich mehr brauchen.<br />

MUNGO.<br />

Hagenbeck,<br />

Klump und Speck,<br />

Schnaps und Branntwein<br />

leck, leck, leck!<br />

GROßMUTTER. Ich will doch lieber den Deckel lüften, sonst mache ich mich noch strafbar. Öffnet den<br />

Deckel.<br />

Ach herrje! Ach herrje!<br />

Kaspar, Kaspar, jemine!<br />

[41]


KASPAR.<br />

GROßMUTTER.<br />

KASPAR.<br />

MUNGO. Schlimm für Mungo.<br />

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GROßMUTTER hebt den ohnmächtigen KASPAR aus der Kiste.<br />

Kaspar Kaspar!<br />

So ’ne Luft,<br />

un so ’n Afrikanerduft …<br />

Gott sei Dank, der Kaspar lebt!<br />

Froh an deine Brust er schwebt.<br />

Umarmung.<br />

GROßMUTTER. Aber wie kommst du denn bloß in die Margarinekiste?<br />

KASPAR. Een Kaspar-Streich, liebe Großmutter. Du weeßt doch, ohne <strong>da</strong>s geht es nich ab. Aber nun bin<br />

ich wieder gesund, habe vier Wochen Urlaub … Aber wo is denn der schwarzhäutige Halunke? Na warte,<br />

Mungo, drei Wochen kriegst du weiter nischt wie Steckrüben.<br />

GROßMUTTER. Wo is denn der schwarze Mensch?<br />

KASPAR. Der kommt schon wieder. Der is an Futter gewöhnt.<br />

GROßMUTTER. Aber was soll denn der Kannibale?<br />

KASPAR. Er soll dir im Hause helfen, Großmutter, soll dir <strong>alle</strong> schwere Arbeet machen, soll dir den Garten<br />

in Stand setzen un <strong>alle</strong>s sowas.<br />

GROßMUTTER. Un wenn er mich eines schönen Tages auffrißt?<br />

KASPAR. I wo, der frißt keene alten Weiber. Nur junge, zarte, hübsche. Und schließlich kriegt er ’n Maulkorb.<br />

Das wollen wir schon machen.<br />

GROßMUTTER. Wenn er doch gar nicht wieder käme!<br />

MUNGO kommt.<br />

KASPAR. Da is er schon. Na, Mungo, mit dir habe ich noch abzurechnen.<br />

MUNGO. Spaß! Spaß!<br />

KASPAR. Danke für den Spaß. Mir wäre bald die Luft ausgegangen <strong>da</strong> drinne.<br />

MUNGO. Mungo nicht Luft ausgegangen <strong>da</strong> drinne?<br />

KASPAR. Du bist <strong>da</strong>s gewöhnt, in solcher tropischen Temperatur zu hausen. Also <strong>da</strong>s is meine Großmutter.<br />

Der hast du zu gehorchen. Verstanden?<br />

MUNGO. Serr gutt! Serr gutt! Mungo ist willig, Mungo ist fleißig. Mungo wird deutsches altes Großmutter<br />

zufriedenstellen.<br />

[42]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

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KASPAR. Das bitte ich mir aus: Nu schlepp’ erst mal de Kiste auf den Hof un hack’ se in Stücke, <strong>da</strong>ß sowas<br />

nich wieder vorkommen kann.<br />

MUNGO. Hurra! Mungo nicht wieder in <strong>da</strong>s schwarze Kistenloch. Hurra! Schleppt die Kiste weg.<br />

KASPAR. Un nu geht der Urlaub los, Großmutter.<br />

GROßMUTTER. Mit Birnen und Klößen.<br />

Kaspar.<br />

Der Herr Unteroffizier.<br />

Kaspars Großmutter.<br />

BEIDE singen.<br />

Beide tanzen herum.<br />

Ende.<br />

KASPAR IN ZIVIL.<br />

PERSONEN.<br />

1. Auftritt.<br />

KASPAR und der Herr UNTEROFFIZIER kommen anmarschiert.<br />

Schmückt den Helm mit grünen Zweigen,<br />

laßt uns unsern Brüdern zeigen,<br />

<strong>da</strong>ß gewonnen wir den Krieg.<br />

Laßt die Fahnen lustig wehen<br />

und laßt uns nach Hause gehen,<br />

unsre Truppe hat den Sieg.<br />

UNTEROFFIZIER. Stillgestanden! Rührt Euch!<br />

KASPAR. Aber Herr Unteroffizier!<br />

UNTEROFFIZIER. Maul gehalten!<br />

Melodie: „Setzt zusammen die Gewehre“.<br />

KASPAR. Der Krieg is doch vor<strong>bei</strong>, Herr Unteroffizier.<br />

[43]


<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

UNTEROFFIZIER. Stillgestanden! Hört zu! – Der Krieg ist hiermit beendet. Der vorschriftsmäßige Dienst<br />

nimmt wieder seinen Anfang. Die Bummelei hört nun auf und die Lotterei auch. Jetzt pfeift’s aus einem<br />

andern Tone. Verstanden?<br />

KASPAR. Wenn der Krieg vor<strong>bei</strong> is, hört doch auch die ganze Kriegerei auf, un wir sind doch nun <strong>alle</strong> wieder<br />

hübsch Zivil. Nich wahr, <strong>ihr</strong> Leute?<br />

UNTEROFFIZIER. Leider Gottes! Ihr Jammerlappen <strong>von</strong> Zivilisten kehrt nun zurück ins bürgerliche<br />

Leben. Aber wir <strong>von</strong> der Truppe, wir kehren zurück zum alten preußischen Schneid. Gott sei Dank!<br />

KASPAR. Wo nur meine Großmutter is? Die is doch gewiß mit draußen gewesen un hat den Einzug mit<br />

angesehn.<br />

UNTEROFFIZIER. Oh die alte Kaspern, die dir <strong>da</strong>mals den Rucksack so vollpfropfte, als du ins Feld rücktest.<br />

KASPAR. Un die Ihnen so mancherlei hübsche Pakete ins Feld geschickt hat, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Die stand am Bahnhofe.<br />

KASPAR. Da hat sie mich ganz verpaßt. Sie wird doch nich denken, ich hätte den Zug verpaßt.<br />

UNTEROFFIZIER. Sie wird schon hierher kommen und <strong>ihr</strong>en Kaspar suchen und ihm den Riesenstrauß<br />

anstecken.<br />

KASPAR. Ich denke mir ooch, sie kommt hierher, wenn sie keenen andern finden tut. Ach Gott, Herr<br />

Unteroffizier, wenn man’s recht bedenkt, es war doch recht hübsch draußen.<br />

UNTEROFFIZIER. Na <strong>da</strong>s freut mich!<br />

KASPAR. Es war so sehre gemütlich.<br />

UNTEROFFIZIER. Na siehste, Kaspar! Sowas hört man gern.<br />

KASPAR. Besonders in Ruhestellung. Manchmal ging’s ja wohl scharf her, so ’n bißchen drunter und drüber.<br />

Aber <strong>da</strong>s vergißt man wieder, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Was hat denn <strong>bei</strong> dir den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen?<br />

KASPAR. Nu, der eene Kolbenschlag <strong>von</strong> dem Engländer <strong>bei</strong> St. Quentin.<br />

UNTEROFFIZIER. Das meinte ich nich. Ich meinte, was dir so recht unvergeßlich ist, so in der Hauptsache<br />

in der Erinnerung?<br />

KASPAR. Die Goulasch-Kanone, Herr Unteroffizier. Die ist mir die <strong>alle</strong>rliebste Erinnerung. Un <strong>da</strong>nn die<br />

Feldpostpakete <strong>von</strong> meiner Großmutter, und <strong>da</strong>nn die Kameraden, die mir immer was abgaben, un<br />

<strong>da</strong>nn Sie, Herr Unteroffizier.<br />

UNTEROFFIZIER. Eine Braut hast du wohl nie gehabt?<br />

KASPAR. Nee, Herr Unteroffizier, ich bin so sehre kitzelig.<br />

UNTEROFFIZIER. Auch keine Kriegsbraut?<br />

KASPAR. Nee, Herr Unteroffizier. Meine Großmutter meente immer, solange sie lebte, wäre ich bestens<br />

versorgt. Un meine Großmutter is wirklich immer sehre gut zu mir. Besser kann eene Braut ooch nich<br />

sein.<br />

[44]<br />

[45]


UNTEROFFIZIER. Aber später werdet Ihr doch heiraten?<br />

KASPAR. Heiraten? Nee! Nie!<br />

UNTEROFFIZIER. Aber warum denn, Kaspar?<br />

KASPAR. So eene wildfremde Person? Nee! Nie!<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

UNTEROFFIZIER. Aber du lernst sie doch vorher kennen, und sie ist dir doch <strong>da</strong>nn lieb und vertraut.<br />

KASPAR. Fällt mir nich ein! Nachher will die immer die Hälfte <strong>von</strong> <strong>alle</strong>m abhaben. So dumm!<br />

UNTEROFFIZIER. Und was wirst du nun beginnen?<br />

KASPAR. Erst schlafe ich mal ordentlich aus.<br />

UNTEROFFIZIER. Und <strong>da</strong>nn?<br />

KASPAR. Dann esse ich mich erst mal ordentlich satt.<br />

UNTEROFFIZIER. Und <strong>da</strong>nn?<br />

KASPAR. Dann schlafe ich mich erst noch mal ordentlich aus.<br />

UNTEROFFIZIER. Und <strong>da</strong>nn?<br />

KASPAR. Dann esse ich mich erst nochmal ordentlich tüchtig satt.<br />

UNTEROFFIZIER. Und <strong>da</strong>nn?<br />

KASPAR. Dann geht’s abwechselnd: Schlafen, essen, schlafen, essen.<br />

UNTEROFFIZIER. Aber <strong>da</strong>s geht doch nicht, Kaspar. So ein Leben wäre ja ein Luderleben. Ihr müßt doch<br />

ar<strong>bei</strong>ten und Geld verdienen.<br />

KASPAR. Ach du liebes Herrgottele! Is <strong>da</strong>s denn unbedingt notwendig?<br />

UNTEROFFIZIER. Na, wo<strong>von</strong> willst du denn leben?<br />

KASPAR. Von Wurst und Brot, Herr Unteroffizier. Wissen<br />

Se, Herr Unteroffizier, ich werde wieder, was ich früher war: ein Künstler.<br />

UNTEROFFIZIER. So, so, ein Künstler.<br />

KASPAR. Ich bin früher <strong>von</strong> einem Jahrmarkt zum andern gezogen un habe Dummheeten gemacht. Un<br />

diese Dummheeten haben den Leuten so viel Spaß gemacht, <strong>da</strong>ß se mir Geld <strong>da</strong>für geschenkt haben.<br />

Passen Se mal uff, Herr Unteroffizier! Ich werde Ihnen mal eene Probe geben <strong>von</strong> meiner Kunst. Zum<br />

Publikum: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>?<br />

PUBLIKUM. Ja!<br />

KASPAR. Dann schreit mal laut Hurra!<br />

PUBLIKUM. Hurra!<br />

KASPAR. Sehn Se, Herr Unteroffizier, die alte Schnurre. Sie zieht immer noch.<br />

UNTEROFFIZIER. Und Eure Großmutter?<br />

KASPAR. Die dreht den Leierkasten un sammelt die Sechser ein.<br />

[46]


2. Auftritt.<br />

Die GROßMUTTER kommt.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Heinrich</strong> Bethge: <strong>Seid</strong> <strong>ihr</strong> <strong>alle</strong> <strong>da</strong>? <strong>Kasperle</strong> <strong>feldgrau</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

GROßMUTTER. Kasper! <strong>Kasperle</strong>! Kasperchen! <strong>Kasperle</strong>in! Umarmung. Bist du denn wieder <strong>da</strong>?<br />

KASPAR. Jawohl, Großmutter, un der Herr Unteroffizier is ooch wieder <strong>da</strong>.<br />

GROßMUTTER. Und du bleibst nun <strong>bei</strong> mir?<br />

KASPAR. Bis zum nächsten Kriege.<br />

GROßMUTTER. Du lieber Herzensjunge! Sie umarmt Kaspar aufs neue.<br />

KASPAR. Sehn Se, Herr Unteroffizier, besser kann’s eene richtige Braut och nich.<br />

GROßMUTTER. Und nun kommt in die Stube.<br />

KASPAR. Ich gloobe, ich halt’s gar nich mehr drin aus. Weeßte, Großmutter, ich bau’ mir ’n kleenen Unterstand.<br />

Da störe ich dich nich, un du störst mich nich.<br />

GROßMUTTER. Aber es gibt doch dein Leibgericht, Kaspar.<br />

KASPAR. Birnen mit Klößen. Da komme ich gleich mit. Bitt’ schön, Herr Unteroffizier, die Friedensfeier<br />

kann beginnen. Hakeln Sie meine Großmutter unter, un <strong>da</strong>nn: Ran an die Gewehre!<br />

ALLE DREI singen.<br />

Schmückt den Helm mit grünen Zweigen,<br />

laßt uns unsern Brüdern zeigen,<br />

<strong>da</strong>ß gewonnen wir den Krieg.<br />

Laßt die Fahnen lustig wehen<br />

und laßt uns nach Hause gehen,<br />

unsre Truppe hat den Sieg.<br />

GROßMUTTER und UNTEROFFIZIER ab.<br />

KASPAR. Een hibsches Paar! Schade, <strong>da</strong>ß die Kriegstrauungen nu nich mehr mode sin. Aber wer weeß,<br />

wenn der erst eenmal Birnen und Klöße <strong>bei</strong> uns gegessen hat, <strong>da</strong>nn <strong>bei</strong>ßt er an. Na, mir soll’s recht sein!<br />

Die Hauptsache is, <strong>da</strong>ß wir wieder <strong>da</strong>heeme sin! Der Friede is <strong>da</strong>! Nu kann der Ra<strong>da</strong>u wieder losgehn!<br />

Ende.<br />

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