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Anonym: Kaiser Joseph II. im Volke - bei LiTheS

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<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong>


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

Sammlung Niessen<br />

[U2]<br />

[I/1]<br />

KAISER JOSEPH <strong>II</strong> IM VOLKE *<br />

Schauspiel in 6 Abtheilungen<br />

I. Buch<br />

PERSONEN.<br />

[I/2]<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong>.<br />

Hellbrunner, ein Freibauer.<br />

Anna.<br />

Sing-Liesel.<br />

Michel.<br />

Hartmann Amtmann.<br />

Der Büttel.<br />

[Der alte Tanninger.]<br />

Bauern Volk. u.s.w.<br />

1. BILD.<br />

[I/3]<br />

Ländliche Gegend <strong>im</strong> Wienerwalde. Links ein kleines Bauernhaus mit Vorgärtchen<br />

rechts Baumgruppe mit Sitzbank. Im Prospect ein Schloß auf einen Hügel.<br />

1. Scene.<br />

HELLBRUNNER u. ANNA. Aus dem Hause.<br />

HELLBRUNNER ein junger lebhafter etwas übermüthiger Mann in stattlicher Bauerntracht, sagt<br />

vor Anna heraustretend heftig.<br />

[HELLBRUNNER.] Du bist eine undankbare Person Annerl! Wann so a respectabler Mann<br />

wie der Freibauer <strong>Joseph</strong> Hellbrunner sich so soweit herablassen will, daß er mit Dir, mit<br />

der blutarmen Kleinhäuslerdirn auf’n Kirchtag geht, so mußt Du Dir das für eine Ehr’<br />

schätzen.<br />

* <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong>. Schauspiel in 6 Abtheilungen. I. Buch. 2tes Buch Fortsetzung.<br />

Handschrift. Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln / Schloss Wahn, Inv. 410<br />

und 411. Format: <strong>bei</strong>de 20,4 x 16,6 cm; hart gebunden. Transliteration: Theresa Zuschnegg und<br />

Martin Frank Walpot. Lektorat: Beatrix Müller-Kampel. Orthographie und Interpunktion wurden <strong>im</strong><br />

Haupttext <strong>bei</strong>behalten, <strong>im</strong> Nebentext (Regieanweisungen) der leichteren Lesbarkeit und<br />

Verständlichkeit halber vereinheitlicht und vervollständigt. „[!]“ wurde nur <strong>bei</strong> gravierenden und<br />

sinnstörenden Verstößen gegen Grammatik und Syntax verwendet.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

ANNA ärmlich, aber nett gekleidet,<br />

ein Leintüchelchen um den Hals, sagt freundlich u. sanft.<br />

[ANNA.] I schätz’ mirs ja für ein Ehr’ aber ihr wißt’s, warum ich’ nit annehm’n darf.<br />

HELLBRUNNER. Solche Ausreden laß ich nit gelten.<br />

ANNA. Mein armer Aehnel leid’t wieder an sein blessirten Fuß<br />

HELLBR. Du sollst ja aufn Kirtag nit mit se<strong>im</strong> Fuß, sondern mit die Deinigen tanzen.<br />

ANNA. Aber er braucht mein’ Pfleg!<br />

HELLBR. Na, so muß i <strong>im</strong> halt trösten mit<br />

einer Anderen, mir laufen die Saubersten vom Dorf wie narrisch nach.<br />

[I/4]<br />

[I/5]<br />

Man hört die LIESEL von weitem jodeln.<br />

ANNA. O hört unser Liesel! Eilig. Pfiat Euch Gott, Herr Hellbrunner<br />

HELLBRUNNER sie festhaltend. Warum willst denn davon?<br />

ANNA. Weil d’Liesel gern spötteln thut, wanns ein mit an jungen Mannsbild allan trifft.<br />

HELLBRUNNER. Die Liesel is’ pfiffiger wie Du. Wann sie sich mit ihrer gesunden St<strong>im</strong>m’ ein<br />

flotten Liebhaber dersingen kann, so laßt sie’s hallen daß alle Küh’ durcheinander fahr’n.<br />

[I/6]<br />

ANNA. Ihre Natur is halt lustiger und lebendiger wie d’meinige<br />

2. Scene.<br />

VORIGE. SINGLIESEL. Dann MICHEL.<br />

SINGLIESEL ärmlich, doch mit einer gewissen Zierlichkeit gekleidet, hochrothen Band in Haar,<br />

buntes Mieder u Schürze, kommt aus dem Hintergrunde links, laut jodelnd, bleibt ein Moment<br />

stehen, bricht plötzlich <strong>im</strong> Gesange ab sagt lachend.<br />

[SINGLIESEL.] Sixt es! Sixt es! Wann die Katz’ aus’m Haus is, halt d’Mäus Kirtag. Wie sich<br />

der Mousje Freibauer <strong>bei</strong> meiner sittsamlichen Annerl mausi macht. Will er’s epper gar<br />

zum Tanz auf’n Kirtag führ’n?<br />

[I/7]<br />

HELLBR. lachend. Schau wie d’Singliesel gut rathen kann. Just wegen dem bin i da! Red’ ihr zu,<br />

Liesel, daß sie sich net so spreizen soll.<br />

SINGLIESEL schnippisch. Zureden, das erlaubt mein Gewissen net. Der Herr <strong>Joseph</strong> Hellbrunner<br />

is als Schnittling auf allen Suppen bekannt, unser Annerl gehört aber nit zum Schnittling.<br />

HELLBRUNNER. Du gehörst schon mehr dazu, Du g’schnapprig’s Ding. Aber waunst a noch<br />

so vital auf Deine blitzenden Augerln, auf Dein mollets G’wächs und auf Dein hallete<br />

St<strong>im</strong>m bist, mit Dir mecht i doch net auf’n Kirtag geh’n!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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SINGLIESEL. Warum denn net Herr Freibauer<br />

[I/8]<br />

HELLBR. Weil du quasi ohne Erlaubniß auf der Welt bist. Dein Vater war ein herumtreiberischer<br />

Musikant, nirgend hin zu ständisch, der alte Tanninger hat Dir nur aus Barmherzigkeit<br />

mit seiner Tochter aufwachsen lassen<br />

SINGLIESEL trotzig. Für das bin nur i dem alten Tanninger Dank schuldig … aber sonst Niemanden,<br />

Euch am Wenigsten … Wenn mi darum beleidigen wollt’s, so find i schon wen<br />

der Euch die Hand auf Maul drückt.<br />

MICHEL Ein plump komischer Mensch, trägt einen richtigen Pack Waldstreu in einem Tuch auf<br />

dem Rücken keuchend.<br />

[MICHEL.] Da bin ich!<br />

[I/9]<br />

SING-LIESEL. Seht’s, da hab i gleich an Vertheidiger. Zu Michel. Net wahr Michel Du laßt mi<br />

von Niemanden beleidigen, net a mal von an übermüthigen Freibauern.<br />

MICHEL. Soll mir Aner trauen wenn i schia[c]h wir.<br />

HELLBR. Mit dem Kerl red i nit amal, weil i nur mit Menschen redt der Knecht von ein lei<strong>bei</strong>genen<br />

Bauern is net viel besser wie ein Ochs oder ein anders Viech!<br />

MICHEL. Daß Eng der Ochs net wieder stößt, wenn er schiach wird.<br />

[I/10]<br />

ANNA. Just fällt mir ein, daß i zum Hirschengraben laufen muß, um für mein Öhnel die<br />

heilsamen Kräuter zu brocken. Herzlich. Pfiat Euch Gott, Herr Hellbrunner nehmt mirs net<br />

übel, daß i mit Euch net auf’n Kirtag geht [!] i bin gwiß dankbar für die vermeinte Ehr!<br />

aber aus der Ehr könnt vielleicht mein Schand werd’n. Pfiat Gott. Eilt links hinter dem Hause<br />

ab.<br />

3. Scene.<br />

VORIGE. Ohne ANNA.<br />

HELLBR. ärgerlich. Aus der Ehr könnt vielleicht ihr Schand werd’n[.] Bin i denn gor so verschrien<br />

unter die Weibsbilder. Gegen Lisesel. Das kommt von die bösen Mäuler her!<br />

SING LISEL lachend. Warum schauts denn da<strong>bei</strong> auf mi?<br />

[I/11]<br />

HELLBR. Weil i dir zutrau daß d’mir d Annerl abgred’t hast, Du bist ihr halt neidig drum, daß<br />

i auf sie ein Aug hab<br />

SING LIESEL. I bin Kanner um a Mannsbild neidig, weil i mir aus alle Mannsbilder net so viel<br />

mach!<br />

MICHEL. Mit Ausnahme von mir!<br />

HELLBR. Hahaha! Du wärst der Rechte! Wenn die Singliesel Aan zum foppen braucht.<br />

Ar<strong>bei</strong>ten därft därfst für Sie, schinden därfst für sie, aber zum Dank kriegst dann und<br />

wann ein Rippenstoß oder a Dachtel!<br />

MICHEL. Woher muß er das wissen?<br />

SING LIESEL spöttisch kokett.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[I/12]<br />

A Rippenstoß oder a Dachtel könnt mit unter statt am Liebestatscherl gelten. Uebrigens<br />

verlang i vom Michel net, daß er sich für mich schinden soll, er thut’s ungeschafften, wie er<br />

mir den Binckel Waldstreu ungeschafter herg’schleppt hat.<br />

MICHEL komisch zärtlich. Ach, wenn ich nur d Liesel selber schleppen derfet, sie würd mir auf<br />

tausend Meilen net z’schwer.<br />

HELLBR. Na so pack’s mal auf und renn mit ihr tausend Meilen weit davon, es wird Niemandm<br />

leid sein<br />

SING-LIESEL. Thut net so wegwerferisch, Herr Freibauer. Eng wär vielleicht um d’Singliesel<br />

am Meisten lad, weil die wenigstens a Lustigkeit unterd’ armen Leut bringt, die unterm<br />

[I/13]<br />

Herrschaftsjoch seufzen müssen<br />

. Ihr als vermöglichen Freibauer müßt wol nix von der Noth, aber a paar hundert Andere<br />

müssen zufrieden sein, wenn ihnen wenigstens mein Gsang a freud macht.<br />

HELLBR. bewegt. Hast Recht Liesel. Unsere Bauern haben so a schweres Joch auf’n Hals, daß<br />

man ihnen Dein frisch’s G’sangel zum Trost vergunn’n muß, Dein Spitznamen Sing-Liesel<br />

kann drum so viel wie manchen Ehrentitel gelten.<br />

SING LIESEL. Dank für das Zug’ständniß … Sein mir wieder gute Freund. Reicht ihm die<br />

Hand.<br />

MICHEL. Is net nothwendig, daß d’ihm die d’Hand giebst<br />

HELLBR. lachend.<br />

Eifersüchtiger Tappel!<br />

[I/14]<br />

SING-LIESEL. Net mehr, Herr Freibauer, es geht Eng nit von Herzen wann’s gegen’s lei<strong>bei</strong>gene<br />

Volk den Stolzen spielt’s? Ihr habts unsern jungen braven <strong>Kaiser</strong> sein Nam, Ihr<br />

müßt’s a so denken, wie unser braver <strong>Kaiser</strong>.<br />

HELLBR. feurig. Soll mi Gott strafen, wann i das net will und thu! Ja Sing-Liesel i will nit<br />

umsonst „<strong>Joseph</strong>“ heißen … net umsonst in der nämlichen Wochen mit unserm <strong>Kaiser</strong><br />

geboren sein! – Wenn unsere armen Leut Aan brauchen, der ihr menschlichs Recht vertritt<br />

und … wenns gegen den gestrengen Amtmann selber wär! … Der Hellbrunner wird sich<br />

net spotten lassen, der Hellbrunner wirds Maul<br />

[I/15]<br />

und den Arm für die Schutzbedürftigen rühren, damit er sein menschenfreundlichen<br />

Namensbrudern, dem <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> eine Ehr macht!<br />

Schüttelt ihr die Hand und geht rechts ab.<br />

4. Scene.<br />

SING-LIESEL. MICHEL.<br />

MICHEL. In den Menschen kennt man sich net aus. Bald blaßt er sich auf, wie der Hahn<br />

auf’n Mist, bald spielt er sich den Gemüthlichen. Aber der Gemüthlichkeit därfst net<br />

trauen, Liesel, Niemand därfst net trauen, als – als mir!<br />

SING-LIESEL. Weil <strong>bei</strong> Deiner Dummheit ka Gefahr ist.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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MICHEL schmunzelt. Wenn i a just nit zu die Gescheidten gehör, so dumm bin i net, Lisel, daß<br />

i net erathen kann, was Du Dir hamli denkst!<br />

[I/16]<br />

SING-LIESEL. Na zum Beispiel?<br />

MICHEL. Du denkst Dir. Wann der Michel a Geld hätt, so wär er als Schatz net zuwider,<br />

denn er is a gesunder ehrlicher Bua! … Weil i aber doch vielleicht ein Bessern daglangen<br />

kann so laß i dem Michel nix merken, daß er mir gefallt, als Nothnagel bleibt er noch<br />

allerweil.<br />

SING LIESEL spöttisch. O du gescheider Räthselauflöser. Wann i aufs Geld gingert, konnt’s ich<br />

Manchen aus der Tasche zuppfn, aber da bin i z’stolz und z’ehrlich dazu. Trotzig. Weil Du<br />

aber so schlecht von mir denken kannst, mag i Di schon gor net mehr, Du einbilderischer<br />

Dalk Du! Pack Di jetz mit dem Binkel.<br />

MICHEL. Lisel, ich rath Dir’s mach mi net schiach<br />

[I/17]<br />

denn so viel i a guter Tappel bin, mir soll Aaner trau’n wenn i schiach wir. Ab ins Haus.<br />

SING-LIESEL allein. Es is wirklich a guter Tappel und agroßer Auswahl hab i net, weil i wie<br />

der Hellbrunner sagt, quasi ohne Erlaubniß auf der Welt bin. Ja wann i a Geld hätt’, wenn i<br />

mir a Geld dersingen könnt. In der Weanerstadt könnt’s vielleicht möglich sein; aber wie<br />

soll ich denn in die Weanerstadt kommen. I wir schon d’arme Sing Liesel bleiben müssen.<br />

Nach links blickend, überrascht. Was ist denn das? D Annerl kommt mit aan fremden Herrn<br />

der sich auf ihre Achsel stützt, da muß was geschegen sein. Eilt ihnen entgegen.<br />

JOSEPH.<br />

5. Scene.<br />

VORIGE. KAISER JOSEPH in einfachen Reitanzuge. ANNA.<br />

[I/18]<br />

Dank Dir meine gute herzige Sameritanerin! Ohne Deine rasche und geschickte Hilfe wär<br />

ich nach dem Sturz mit meinem Pferde nicht so bald auf die Beine gekommen.<br />

ANNA sehr theilnehmend. Is dem gnädigen Herrn schon a wengel leichter? Das muß a schwerer<br />

Fall gewesen sein den der gnädige mit sein wilden Pferd über’n Hirschengraben g’macht<br />

hat!!<br />

SING-LIESEL. A Fall über’n Hirschengrab’n?<br />

ANNA. Mir ist’s durch alle Glieder gfahren, wie ichs von Weiten g’sehen habe’e stützt’s Euch<br />

auf das Banckel, lieber Herr.<br />

Führt ihn zur Bank.<br />

Das davongeloffene Pferd wird sich wol wiederfinden.<br />

SING-LIESEL. Soll i um den Bader laufen?<br />

[I/19]<br />

JOSEPH freundlich lächelnd. Nein ist nicht nöthig! Die kleine Confusion ist unbedenklich, was<br />

ich der Hülfe dieses lieben Mädchens verdanke.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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ANNA. Ach wie der gnädige Herr mit geschlossenen Augen so dagelegen is, hatt’s mir völlig’s<br />

Herz abdrückt, meine Händ haben zittert, wie i ihm nasse Tüchel um den Kopf bunten<br />

hab.<br />

JOSEPH. Es ist Dein eigenes Halstüchelein.<br />

ANNA verschämt. I hab halt nix anders <strong>bei</strong> der Hand g’habt.<br />

JOSEPH sie sanft umschlingend. Das bekommst Du nicht mehr zurück ich will es als ein liebes<br />

Andenken be-<br />

[I/20]<br />

halten. Zur Entschädigung n<strong>im</strong>m diesen Ring dafür.<br />

SING-LIESEL. Jaegele wie die Staner blitzen<br />

JOSEPH. Weil es Brillanten sind<br />

Zieht einen Ring mit großen Brillanten vom Finger.<br />

ANNA aufstehend. I dank schön lieber Herr, aber den Ring kann ich von Euch nicht annehmen!<br />

JOSEPH. Warum denn nicht?<br />

ANNA. Weil er für a Bauerdirn viel zu kostbar ist.<br />

JOSEPH. So verkaufe ihn, er ist unter Brüdern 200 Thaler werth.<br />

[I/21]<br />

ANNA. Verkaufen? Na, lieber Herr, die Erinnerung an a gute That möcht ich um kaan Preiß<br />

verkaufen.<br />

SING-LIESEL. Aber Annerl, sei doch g’scheid! Mit 200 Thaler kannst Du dem alten Aehnel a<br />

Menge Gütigkeiten verschaffen.<br />

ANNA. Mein Aehnel wird selber um den Preis keine Gütigkeiten g’nießen wollen.<br />

JOSEPH. Seid ihr so stolz?<br />

ANNA. Wir sein nit stolz gnä Herr! Aber auf unsern Character halten mir! Mein Aehnel war<br />

in seiner Jugend a braver Soldat, da hat er sich Wunden g’holt, an denen er <strong>im</strong> hohen Alter<br />

noch leidet. Später is er a Bauer worn hat sein Weib und seine<br />

[I/22]<br />

Kinder begraben, i bin ihm als einzige Enkelin blieb’n! Mi hat er nach sein eigenen Character<br />

erzogen, es is mei Freud und mei Stolz, wann er zu mir sagt: Annerl, i bin mit Dir<br />

zufrieden.<br />

JOSEPH. Dein Aehnel muss ein wackerer Mann sein.<br />

SING-LIESEL. Ja, für das bin ich der lebendige Beweiß. Mein Vater war an he<strong>im</strong>athsloser<br />

Musikant, in dem Dorf is er plötzlich gstorben… i wär als sechsjähriges Kind hilflos in der<br />

Welt gstanden, wann sich der alte Tanninger um mi net erbarmt hätt … Obwohl er selber<br />

blutarm is, hat er mi doch in sein Hütten g’nommen … Hat mi wie sein eigenes Kind<br />

behandelt …<br />

[I/23]<br />

und i hab ihn dafür so gern wie mein Vatern!<br />

JOSEPH steht auf. Ich wünsche diesen Braven kennen zu lernen<br />

ANNA. Er ist leider an sein blessirten Fuß wieder krank, ich möcht ihn nicht gern aus seiner<br />

Ruhe stören!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. So will ich ein andermal Gelegenheit suchen Jetzt aber bitte ich Dich meine liebe<br />

Annerl, sag Du selbst, wie ich Dir für deine Liebe danken soll.<br />

ANNA schüchtern innig. Mit dem lieber Herr, daß’s an mi freundli denkt … und daß’s mir,<br />

wenn das nit zu viel begehrt ist is … das … kleine Büscherl schenkt’s.<br />

JOSEPH. Diese armseligen Rosen?<br />

Zeigt auf ein kleines Rosenbouget daß er <strong>im</strong> Knopfloch trägt<br />

ANNA. Nix is armselig, auf was man ein Werth mit’n Herzen legt.<br />

[I/24]<br />

JOSEPH ihr das Bouguet reichend.<br />

[JOSEPH.] Da hast Du sie, Du liebes gutes Geschöpf! Kein Geschenk habe ich noch mit so<br />

inniger Herzensfreude gegeben als dieses!<br />

ANNA. Und i hab noch keines mit so inniger Herzensfreude genommen! Auf Wiedersehen<br />

lieber Herr! … Denn i hoff, daß mein guter Aehnel die Ehr schenkts. Die Röserln da werden<br />

bald verwelken aber a jed’s Blattl, will i in mein Betbücheln legen, und so oft ich hineinschau,<br />

will ich für Euer Glück beten<br />

[I/25]<br />

denn mir sagts mein Herz, daß Ihrs Glück verdient! Pfiat Euch Gott. Ab ins Haus.<br />

6. Scene.<br />

JOSEF. SING-LIESEL<br />

JOSEPH löst das Tuch vom Kopfe, steckt es in die Brust, sagt bewegt.<br />

[JOSEPH.] Da ruhe Du Angedenken an einen schönen Augenblick. Wie selten werden solche<br />

einem Fürsten zu Theil!<br />

SING-LIESEL. Will der gnädige Herr, was ich mir von dem Annerl ihrer Bitt, um die Rosen<br />

denk!<br />

JOSEPH. Nun? Du Schelm?<br />

SING-LIESEL. I denk mir derweil’s Euch <strong>bei</strong>gestanden is, hat sie sich in Eure großen freundlichen<br />

blauen Augen vergafft<br />

[I/26]<br />

und das kann ich ihr gar nit übel nehmen denn unsern <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong>s seine Augen können<br />

a net freundlicher sein<br />

JOSEPH. Hast Du den <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> schon einmal gesehen?<br />

SING-LIESEL. Weder i no wer Anderer von unsern Dorf. i glaub net amal der Herr Amtmann<br />

… oder unsere Herrschaft, der Graf, der seit fünf Jahren nach Böhmen übersiedelt<br />

ist. Wir haben nur a g’schmirtes Bild <strong>im</strong> Dorfwirthshaus, was dem <strong>Kaiser</strong> sicher net gleich<br />

schaut, aber mir wissen daß er a guter menschenfreundlicher Herr is deswegen sing i a das<br />

Liedl vom <strong>Kaiser</strong> Josef am Liebsten.<br />

[I/27]<br />

JOSEPH. Was ist das für ein Lied’l?<br />

SING-LIESEL. Der alte Tanninger, hat die Wertln g’macht weil er für das a Gschick hat, die<br />

Singweis hab’ ich mir selber ausdtäpfelt.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. Das ist mir interessant, bitte laß mich’s doch einmal hören. Setzt sich nieder.<br />

SING-LIESEL singt.<br />

Lied.<br />

In der Burg dort in Wean<br />

Is a kreuzbraver Mann,<br />

Der hat d Menschen so gern<br />

Thut fürs Volk was er kann<br />

Wie er haßt, wenn er ist<br />

Daß erath man bald gewiß<br />

Es findet zu den Zweiten<br />

Ka zweiter sich ein<br />

|: Drum kanns unser Josef<br />

Der <strong>Kaiser</strong> nur sein! :|<br />

JOSEPH. Schlechte Verse, aber gute Meinung!<br />

2. Vers.<br />

Wenn er könnt, wie er möcht<br />

Das waaß Jeder <strong>im</strong> Land<br />

So hatts menschliche Recht<br />

A der niedrigste Stand,<br />

Was für s Volk is a Schmerz<br />

Das empfind’t a sein Herz<br />

Weil’s Volk seine Hoffnung<br />

Stellt auf den Herrn<br />

D’rum hat unsern <strong>Joseph</strong><br />

Den <strong>Kaiser</strong> so gern.<br />

JOSEPH. Wenn ich der <strong>Kaiser</strong> wäre, würde ich auf diese Versicherung stolz sein.<br />

3. Vers.<br />

Das sein glückliche Leut!<br />

Die <strong>bei</strong> ihm in der Näh,<br />

Jede Stunde, jede Zeit.<br />

Dürfen stehn auf der Höh<br />

Wenn die drunt <strong>im</strong> Thal<br />

Sein recht glücklich a mal<br />

So dürfen’s ihm d’Hand<br />

A voll Dankbarkeit geb’n<br />

|: Und schrein: Unser <strong>Joseph</strong><br />

der <strong>Kaiser</strong> soll leben :|<br />

JOSEPH steht lebhaft auf. Im Namen des <strong>Kaiser</strong>s danke ich Dir fürs herzlige Liedel.<br />

[I/28]<br />

[I/29]<br />

Reicht ihr die Hand.<br />

SING-LIESEL. Glaubt der Herr, daß dem <strong>Kaiser</strong> g’fallet?


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. Ich bin davon überzeugt und geb Dir in seinem Namen diesen Beutel für Dukaten<br />

dafür.<br />

Zieht einen Beutel voll Ducaten aus der Tasche.<br />

SING-LIESEL erschrocken. Jessas! Jessas! Mir an Beutel voll voll Ducaten.<br />

[I/30]<br />

JOSEPH. Wirst doch net so stolz sein, wie die Annerl, die höchstens ein Rosenbüscherl nehmen<br />

will. So n<strong>im</strong>m! Steckt ihr den beutel in die Schürze.<br />

7. Scene.<br />

VORIGE. MICHEL.<br />

MICHEL schleicht heraus, duckt sich hinterm Zaun, für sich.<br />

[MICHEL.] O Du nixnutziges Ding! Laßt sich von ein gnädigen Herrn Ducaten schenken<br />

SING-LIESEL. Ich möcht vor lauter Freuden tanzen. Ha! Wißt was, gnädiger Herr, tanzen<br />

mir mit einander auf’n Kirtag<br />

JOSEPH lachend. Oho!<br />

SING LIESEL. Warts schon amal auf aan Kir Bauernkirtag<br />

JOSEPH. Nein<br />

[I/31]<br />

SING-LIESEL. So schaut’s Eng die Remasuri an. Wir haben nur a zwa hundert Schritt zu der<br />

Tanzwiesen<br />

JOSEPH. Soll ich mir den Spaß erlauben?<br />

SING-LIESEL. Mir macht’s damit zehnmal mehr Freud, als mit die Ducaten! Die arme<br />

Singliesel mit so aan nobligen Herrn be<strong>im</strong> Kirtagtanz! Bitt Euch um Alls in der Welt, nur a<br />

paar mal umadum<br />

JOSEPH für sich. Zum Dank fürs <strong>Kaiser</strong>liedl! Laut.<br />

Also ein paar mal umadum!<br />

SING-LIESEL. Juchuhu!<br />

Bricht in einen jubelnden Jodler aus, faßt JOSEPH am Arm und tänzelt mit ihm rechts ab.<br />

[I/32]<br />

MICHEL stürzt hervor zornig. Das is mehr, als meine Natur vertragt. Am End läufts gar mit<br />

dem Gnädigen davon. Soll ich Ihnen nachlaufen. Ich fürcht <strong>im</strong> [mi] vor mir selber, daß i<br />

mi aus Wuth vergreifen könnt, denn wann i schiach wir, bin i a Vieach.<br />

8. Scene.<br />

MICHEL. AMTMANN. BÜTTEL von links.<br />

HARTM. zum Büttel. Da ist der Knecht! er soll uns den Deliquenten rufen! Tritt vor. Heda! Du<br />

Tölpel!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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MICHEL halb verdrießlich, ohne zu grüßen, trotzig.<br />

[I/33]<br />

[MICHEL.] Ui jegerl! Der gnädige Herr Amtmann mit seinem Schinderknecht<br />

HARTM. Respect vor der Obrigkeit!<br />

MICHEL zieht den Hut. Befehl’n Euer Gstrengen?<br />

HARTM. Ich habe ein Verhör mit deinen Bauern vorzunehmen, ruf ihn heraus!<br />

MICHEL. Der Alte kann mit seinen Fuß fast nit amal vom Sessel aufstehen.<br />

HARTM. Wenn er nicht stande pete kommt, so lasse ich ihn mit dem Stock vom Büttel<br />

holen! Marsch!<br />

MICHEL. So a Schinderei! Für sich, böser. Mir soll der Amtmann net trauen, wenn ich<br />

schiach wir – droht mit der Hand und geht ins Haus ab.<br />

HARTMA. zum Büttel. Er hat also das delictum, wie er sagt, mit eigenen Augen gesehen!<br />

BÜTTEL mit steifer Reverenz. Aufzuwarten, Eure G’strenge!<br />

[I/34]<br />

HARTM. Er wird seine ganz Courage entwickeln, wenn etwa ein Conflict mit dem protzigen<br />

Bauernvolk entstehen sollte.<br />

BÜTTEL. Aufzuwarten! Euer Gestreng!<br />

HARTM. Es ist hohe Zeit, diesem Gesindel Zores zu lehren! Die Abwesenheit der Herrschaft<br />

macht es frech und die Ideen, die vom dem <strong>Kaiser</strong> selbst ausgehen reizen zur Unbotmäßigkeit<br />

gegen<br />

[I/35]<br />

unsere Autorität, auf wir müssen daher um so strenger darauf beharren<br />

BÜTTEL. Aufzuwarten! Euer Gestreng!<br />

9. Scene.<br />

VORIGE. TANNINGER, ANNA u. MICHEL.<br />

TANNINGER ein sehr alter Mann mit langen weißen Har, Lodenrock, Holzschuhe um den einen<br />

Fuß eine Binde, tritt auf ANNA und MICHEL gestützt langsam heraus und sagt ruhig.<br />

[TANNINGER.] Da bin i, Herr Amtmann!<br />

HARTM. in stolzer Positur. Weißt Du warum ich dich habe rufen – hierher befehlen lassen.<br />

TANNINGER. Kann mirs net denken.<br />

[I/36]<br />

HARTM. Weil Du ein verstocktes Gewissen hast: Du bist vom Amtsbüttel denunzirt, einen<br />

Wildfrevel verübt zu haben.<br />

TANNINGER. I war mein Lebtag ka Wilderer.<br />

HARTM. Du hast <strong>im</strong> Krautacker einen Frischling vom herrschaftlichen Jagdrevier mit einem<br />

Steinwurf erschlagen.<br />

TANNINGER. Ja das is wahr. Mein Krautacker liegt so nah am herrschaftlichen Wald, daß<br />

mein armseliges Eigenthum aller Verwüstung ausgesetzt ist die’s Wild dorten anricht.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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Gestern hab i a Wildsau mit an Rudel Frischlingen dort troffen, die mir den Ackergrund<br />

ganz aufgerissen haben, Sie haben sich net anders ver-<br />

[I/37]<br />

treiben lassen, als mit einen Steinwurf… der Stein hat ein Frischling auf’n Rüssel troffen,<br />

und’s Vieh is verend’t. Das ist zur Vertheidigung, von meinen Eigenthum g’schehn, aber<br />

weiter hab i mi am herrschaftlichen Eigenthum net vergriffen, i hab den todten Frischling<br />

übern Zaun geworfen, dort’n liegt er jetzt noch <strong>im</strong> Graben<br />

HARTM. Du hast einen Frevel am herrschaftlichen Besitzthum begangen!<br />

ANNA. Aber gnädiger Herr Amtmann, mein Aehnel hat nix als das bissel Kraut und Kukurutzfeld,<br />

soll er sich das unter die Augen verwüsten lassen.<br />

[I/38]<br />

HARTM. Weibsbilder haben nichts drein zu reden.<br />

MICHEL trotzig. Aber i bin a Mannsbild, i muß mi um mein Brodgeber annehmen, wann mir<br />

a mitein einand net zum Brod haben.<br />

HARTM. Nicht gemuckst frecher Kerl! oder der Stock des Büttel tanzt auf dein Buckel<br />

MICHEL. Soll mir sein Stock nur traun wenn i schaich wir.<br />

TANNINGER. Ruhig, Michel! Wir sein als rechtliche Leut, jeder Ungerechtigkeit unterworfen,<br />

weil unser <strong>Kaiser</strong> uns überall hinschauen kann wo’s ungerecht zugeht<br />

[I/39]<br />

HARTM. Wollt ihr Euch auf den <strong>Kaiser</strong> steifen? Der muß als höchste Autorität auch unsere<br />

Autorität respectiren. Zu Tanninger. Du bist von diesen Augenblick an Arestant, und wirst<br />

dem Büttel ins Gefängniß folgen.<br />

ANNA aufschreiend. Mein alter kranker Aehnel ins Gefängniß!<br />

MICHEL. Eh’ das geschieht, da vergreif ich mich am Herrn Amtmann<br />

HARTM. zum BÜTTEL. Succurs!<br />

BÜTTEL tritt mit geschwungenen Stocke vor dem AMTMANN.<br />

[I/40]<br />

TANNINGER. Noch a mal Michel, ruhig! Als ehemaliger Soldat waaß i was Subordination<br />

haßt.<br />

MICHEL. I war no net Soldat! Drum brauch i von der Subordination nix z’wissen. Wir können<br />

a Succurs, Herr Amtmann. Unser is auf’n Kirtag! – i lauf hin und holn.<br />

TANNINGER. Michel! Michel!<br />

MICHEL. Laß’ts mi Tanninger. Mir soll Aaner trau’n, wenn i schiach wir. Eilt rechts fort.<br />

10. Scr Scene.<br />

VORIGE. Ohne MICHEL.<br />

HARTM. Büttel!<br />

BÜTTEL. Befehl’n Euer G’streng?<br />

HARTM. Hat er Die Handschellen mitgebracht?<br />

BÜTTEL zieht Handeisen aus der Tasche. Aufzuwarten Euer Gestreng.<br />

HARTM. Lege Er sie dem Deliquenten an!<br />

[I/41]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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TANNINGER. Kommen den Herrn Amtmann meine schmachen Händ denn gar so g’fährlich<br />

vor?<br />

ANNA schluchzend. O du gerechter Vater <strong>im</strong> H<strong>im</strong>[m]el.<br />

VIELE STIMMEN in der Ferne laut schreiend. Dem Tanninger zu Hilf zu Hilf! Dem alten Tanninger!<br />

[I/42]<br />

HARTM. Ha! Das rebellische Pack meldet sich!<br />

BÜTTEL. Befehl’n Euer G’streng daß i mit dem Gefangenen <strong>im</strong> Doublirschritt marschier?<br />

HARTM. Nein! Man darf keine Furcht vor dem Gesindel zeigen!<br />

TANNINGER. Das Gesindel Herr Amtmann hat wenigstens a Menschliches Herz.<br />

HELLBRUNNER von außen. Mir nach Alle. Nur mir nach!<br />

11. Scene.<br />

VORIGE. LANDLEUTE <strong>bei</strong>derlei Gl Geschlechts in Feiertagstracht, dann MICHEL.<br />

ALLE LANDLEUTE stürmisch. Freilassen dem Alten! Freilassen oder mir hauen drein!!<br />

[I/43]<br />

HARTM. gebieterisch. Wer sich gegen die Autorität vergißt hat’s mit seinen eigenen Leib zu<br />

büßen.<br />

HELLBRUNNER. I bin a Freibauer. Mir komen’s Amtmann net aufn Leib!<br />

1. BAUER. Aber mir! Bleiben mir hübsch hinten, Alte!<br />

1. BÄUERIN. Schäm di, Du Hasenfuß, ich fahre dem Amtmann mit die Nägeln ins Gesicht.<br />

2. BAUER. Prügeln mir’s miteinander fest durch.<br />

ALLE. Freilassen! freilassen!<br />

BÜTTEL. Meine Autorität wird notorisch<br />

EINIGE drängen den BÜTTEL weg.<br />

TANNINGER. I bitt Euch. Herr Hellbrunner, schauts das a Ruh wird.<br />

[I/44]<br />

HELLBRUNNER. Halt! Aaner redt, und der bin i! Wir begehen nix Unrecht’s Herr Amtmann.<br />

Wann sich der Tanninger am herrschaftlichen Wild vergriffen hat, so ist das aus Nothwehr<br />

geschehen um sein Eigenthum, die Geldstraf zahl i für ihn, wenns a noch so viel is.<br />

HARTM. Einen solchen Frevel muß mit Leibesstrafe gesühnt werden, 14 Tage<br />

<strong>bei</strong> Wasser und Brot in Eisen<br />

ANNA. Um aller Heiligen willen daß halt mein armer Aehnel net aus!<br />

[I/45]<br />

MICHEL zu den anderen BAUERN. Was Handbretzerln habn’s ihm anglegt? Auf den Büttel<br />

zustürzend. Weg damit, oder es kost Dein Leben, wenn i schiach wir!<br />

TANNINGER. Ruhig Michel! es is mein Befehl so lang die Gesetz für uns Bauern nit anders<br />

wern, kann uns sogar der <strong>Kaiser</strong> nit helfen.<br />

HELLBRUNNER. Ha da fliegt mir a Gedanken durchs Hirn! Wer will mit mir in d Weanerstadt<br />

zum <strong>Kaiser</strong> gehn?<br />

[I/46]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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VIELE MÄNNER. Wir Alle! Wir Alle!<br />

HELLBRUNNER. Sis wol a Raas, von anderthalb Tag, aber mir wollen unser Roß blutig peitschen,<br />

daß wir nach 3 Tagen wieder zurück san. So lang därf der Tanninger nit angerührt<br />

wern, der <strong>Kaiser</strong> selber soll über ihn entscheiden<br />

ALLE durcheinander. Ja, Ja, der <strong>Kaiser</strong> selber.<br />

HARTM. Ihr Dummköpfe. Meint Ihr gemeines Bauernvolk würde <strong>bei</strong> Sr Majestät kurzweg<br />

vorgelassen.<br />

HELLBRUNNER. Der <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> is a Menschen-<br />

freund und a Volksfreund.<br />

[I/47]<br />

Wenn er hört, das i sein Namens- und Altersbruder bin daß i sein Namens- und Altersbruder<br />

bin [!] daß i mein höchsten Stolz draufsetz, daß i für d armen Leut a Herz hab wie<br />

er… so wird er uns Alle gnädig aufnehmen und auf unsere Bitten „Vivat“ sagen! Kourage<br />

Vater Tanninger wir gehen zum <strong>Kaiser</strong>!<br />

ALLE mit Enthusiasmuß. Ja fort zum <strong>Kaiser</strong><br />

12. Scene.<br />

VORIGE. JOSEPH u. die SING-LIESEL von rechts.<br />

JOSEPH freundlich lächelnd. Vielleicht kann ich Euch den Weg ersparen<br />

ANNA. Ah, der gnädige Herr! Auf ihn zurückend. Lieber guter gnädiger Herr! Wenn i mir<br />

[I/48]<br />

nur a Wengel dank von Euch verdient hab, so legt’s ein guts Wort ein für mein armen<br />

Aehnel!<br />

HARTM. trotzig. Ich handle <strong>im</strong> Sinne meiner gnädigen Herrschaft, des Grafen von Waldenek,<br />

der seit fünf Jahren in Böhmen lebt. Ich bin sogar bevollmächtigt, wenn sich für die hiesige<br />

Herrschaft ein Käufer findet, den Handel abzuschließen.<br />

JOSEPH wirsch. Was ist der Kaufpreis?!<br />

HARTM. Dreißigtausend Dukaten. Für sich. Das Drittel für mich als Provision.<br />

JOSEPH. So bin ich der Käufer.<br />

HARTM. misstrauisch. Er?<br />

JOSEPH.<br />

Zweifelt der Herr Amtmann an meiner Zahlungsfähigkeit.<br />

HARTM. Das Äußere wenigstens ist nicht allzusehr…<br />

[I/49]<br />

JOSEPH. Man muß nicht nach dem Aeußeren urtheilen. Genug wenn ich die dreißigtausend<br />

Ducaten zahle, ist der Handel abgemacht.<br />

HARTM. Ja.<br />

JOSEPH. Ihr alle seit Zeugen!<br />

HARTM. Vorausgesetzt daß der Herr die höchste Bewilligung erhalten kann.<br />

JOSEPH. Das glaube ich wohl zu können<br />

HARTM. Den Namen?


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. <strong>Joseph</strong>!<br />

HARTM. Familiennamen?<br />

JOSEPH. „Von Habsburg-Lothringen!“<br />

HARTM. hef[t]ig erschrocken. Gott steh mir <strong>bei</strong>! … der <strong>Kaiser</strong>!<br />

ALLE. Der <strong>Kaiser</strong>!. – Der <strong>Kaiser</strong>!!<br />

[I/50]<br />

Allgemein freudige ehrfurchtsvolle Bewegung. Die MÄNNER reißen die Hüte herab, die WEIBER<br />

falten die Hände, dem BÜTTEL entfällt der Stock.<br />

ANNA selig vergnügt. Der <strong>Kaiser</strong> hat mir seine Rosen geschenkt!<br />

SING-LIESEL. Mit mir hat er tanzen wollen.<br />

MICHEL für sich. Und i hätt’n <strong>bei</strong> an Haar’s g’haut!<br />

HARTM. das Knie beugend. Verzeihung, Majestät! Gnade!<br />

[I/51]<br />

JOSEPH kräftig laut. Diese Herrschaft ist jetzt mein Eigenthum. Auf meinem persönlichen<br />

Eigenthum darf es keine Sobaren geben. Zu Tanninger. Herab mit den Fesseln.<br />

BÜTTEL n<strong>im</strong>mt TANNINGER die Eisen ab.<br />

JOSEPH zu HARTMANN. Er ist entlassen, Amtmann!<br />

HARTMANN. Gut daß ich die Provision kriege. Tief gebückt. Ich ersterbe in Unterthänigkeit<br />

Ew. Majestät.<br />

BÜTTEL für sich. Unsere Autorität is be<strong>im</strong> Teuxel!<br />

HARTMANN u. BÜTTEL ab.<br />

[I/52]<br />

HELLBRUNNER jubelnd. Und i haaß <strong>Joseph</strong>, wie der <strong>Kaiser</strong>! I bin so alt, wie der <strong>Kaiser</strong>, Ka<br />

Mensch auf der ganzen Welt darf so stolz sein wie i.<br />

TANNINGER. Dank dem barmherzigen Gott daß er mir den Freudentag hat erleben lassen!<br />

Will vor dem <strong>Kaiser</strong> knien.<br />

JOSEPH dies verhindernd. Nein nicht knien, ich bin auch nur ein Mensch, kniet vor Gott! Reiche<br />

mir die Hand braver Alter! Dank es deiner Enkelin, die mir vielleicht das Leben gerettet<br />

hat, daß ich dir die Freiheit retten konnte!<br />

ANNA schluchzend. Auf das Glück! Auf das Glück!<br />

[I/53]<br />

JOSEPH zu den Andern. Von heute an giebt es auf dieser Herrschaft keinen Lei<strong>bei</strong>genen mehr.<br />

Ich hoffe die Zeit her<strong>bei</strong>zuführen, wo in ganz Oesterreich kein menschliches Geschöpf<br />

einem Andern lei<strong>bei</strong>gen sein wird.<br />

ALLE. Vivat! <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong>! Vivat!<br />

SING-LIESEL sehr bewegt.<br />

Tritt vor und singt


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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ALLE. So dürfen’s ihm d’Hand u.s.w.<br />

Lied.<br />

Wenn die drunten <strong>im</strong> Thal,<br />

Sein recht glücklich a mal<br />

Sie dürfen’s ihm die Hand<br />

A voll Dankbarkeit geb’n,<br />

Und schrein: „Unser <strong>Joseph</strong> der <strong>Kaiser</strong> soll leb’n!“<br />

Allgemeiner Jubel. ANNA küßt<br />

[I/54]<br />

kniend JOSEPH die Hand, er legt die Seinige auf ihr Haupt.<br />

Tableaux.<br />

ZWEITES BILD.<br />

PERSONEN.<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> d. <strong>II</strong>.<br />

Graf Rosenberg, Kammerherr.<br />

Graf Waldeneck.<br />

Ludmilla, seine Nichte.<br />

Baron Janovig [Janoviz]<br />

Ein Lakai.<br />

Böhmische Landleute.<br />

Saal in einem Schlosse. In der Rückwand ein weiter Bogen, der zu einer Terasse<br />

führt. Im Prospect der Park. Seitenthürme. Rechts ein gedeckter Tisch mit Weinflaschen<br />

und Gläsern. Links ein Schreibtisch, Stühle rechts und<br />

links vom Zuschauerraum.<br />

[I/55]<br />

1. Scene.<br />

GRAF WALDENECK. BARON JANOVIZ. Sitzen einen Tische rechts mit den Gläsern anstoßend.<br />

WALDENEK. Unser Vertrag ist also perfect. Ich trinke also auf den Bestand unserer Freundschaft,<br />

Baron Janoviz.<br />

BARON alter Mann protzig. Prosit! Prosit! Sie machen auch ein gutes Geschäft Graf Waldenek.<br />

Meine närrische Verliebtheit, trägt Ihnen 100 000 fl ein. Der Preis scheint mir raisonabel.<br />

WALDENEK. Mein leichtgläubiger Sohn hat in Paris Ehrenschulden gemacht, die ich genöthigt<br />

bin für ihn zu bezahlen<br />

BARON. Aber Sie haben doch ein bedeutendes Vermögen, Herr Graf?<br />

[I/56]<br />

WALDENEK. In Grund und Boden, den ich nicht veräußern kann, und in massenhaften<br />

Früchten-Vorräthen, die ich nicht veräußern will.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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BARON. Bis sie durch die fortschreitende Hungersnoth auf den zweifachen Werth gestiegen<br />

sind.<br />

WALDENEK. Richtig Baron!<br />

BARON. Ich denke in diesem Punkte wie Sie. Auch meine Vorrathskammern sind überfüllt;<br />

aber unter dem höchsten Preiße lasse ich kein Körnchen ab, wenn auch ganz Böhmen dem<br />

Hungertode anhe<strong>im</strong> fiele<br />

WALDENECK. Eigentlich hungert doch nur das gemeine Volk, so ist keine Best<strong>im</strong>mung in<br />

unserer Interesse zu te leiden.<br />

[I/57]<br />

2. Scene.<br />

VORIGE. LAKAI von der TERASSE.<br />

LAKAI. Verzeihung gräfliche Gnaden, der Verwalter läßt dringend fragen ob er nicht einige<br />

Kornkammern öffnen darf, wie es das kaiserliche Rescript befahl.<br />

WALDENECK. Ich bin der Herr meines Eigenthums nicht ein winziger Fruchtsack wird<br />

abgelassen…Wo ist meine Nichte?<br />

LAKAI. Das gnädige Fräulein ist auf der Dorfstraße, unter armen Leuten, sie vertheilt ihre<br />

Ersparnisse und einige Überbleibsel aus der herrschaftlichen Küche!<br />

WALDENECK zornig. Wer hat ihr das erlaubt? oder geheißen? Auf der Stelle rufe sie hierher,<br />

ich habe mit ihr Dringendes zu besprechen.<br />

LAKAI. Zu Befehl! Ab.<br />

3. Scene.<br />

WALDENEK. BARON. Später LUDMILLA.<br />

[I/58]<br />

BARON. Die junge Dame ist eine humanistische Schwärmerin, das wird sie sich als meine<br />

Gattin abgewöhnen müssen.<br />

WALDENEK. Es ist gut, sie der ehelichen Zucht zu unterwerfen denn ungeachtet ihrer<br />

Jugend zeigt sie doch in gewissen Dingen einen Narrsinn der…<br />

BARON. Unserm Project gefährlich werden könnte?<br />

LUDMILLA ein sehr schönes junges Mädchen, einfach gekleidet,<br />

einen ziemlich großen Korb <strong>im</strong> Arm.<br />

[LUDMILLA.] Sie haben mir befohlen lassen Ohe<strong>im</strong><br />

WALDENEK. Du trägst einen Korb, wie eine Dienstmagd.<br />

LUDMILLA. Verzeihung, ich vergaß in der Eile, –<br />

[I/59]<br />

WALDEK. Wozu hast du den Korb gebraucht?<br />

Stellt den Korb rückwärts nieder.<br />

LUDMILLA. Um den armen Hungernden etwas Labung zu bringen. Ach für mein Mitgefühl<br />

war der Inhalt zu wenig


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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WALDENEK. Dein Mitgefühl hat sich nicht weiter zu erstrecken, als ich es gestatte.<br />

LUDMILLA. Verzeihung, Herr Graf, das Gebot des Herzens richtet sich nach keinen andern.<br />

WALDENEK. Das Gebot deines Herzens wird sich wohl nach dem meinigen richten müssen.<br />

[I/60]<br />

Du hast den Herrn Baron noch gar nicht begrüßt<br />

LUDMILLA verneigt sich kurz.<br />

BARON der aufgestand ist mit galanten Kompl<strong>im</strong>ent. Meine zärtlichste Devotion, schönes Fräulein!<br />

WALDENEK. Ich habe <strong>im</strong> Namen des Herrn Baron von Janoviz Dir einen Antrag oder vielleicht<br />

einen Beschluß mitzutheilen<br />

LUDMILLA für sich. O H<strong>im</strong>mel, ich ahne!<br />

WALDENEK. Nach meinem Befehl, wirst du Dich sofort entschließen, diesen hoch ansehnlichen<br />

Herrn als Braut, Deine Hand zu reichen.<br />

[I/61]<br />

LUDMILLA energisch. Niemals!<br />

WALDENECK. Ludmilla!<br />

LUDMILLA. Ich schulde Ihnen Dank, Herr Ohe<strong>im</strong>, denn sie haben mich seit dem Tode meiner<br />

armen Eltern ernährt. Aber die Dankbarkeit reicht nicht über die Grenze der Gewissenspflicht.<br />

WALDENEK. Welche Gewissenspflicht kann dich abhalten, meinem Befehl zu gehorchen?<br />

LUDMILLA mit Nachdruck. Mein Schwur inniger Treue an einen Verschwundenen.<br />

WALDENEK. Wie? Du wagst es noch, an diesen Elenden zu denken! Ein Verräther am<br />

Vaterlande?!<br />

[I/62]<br />

LUDMILLA. Niemand wird mich je glauben machen, daß der Lieutnant von Selbing ein Verräther<br />

war.<br />

WALDENEK. Hat ihn nicht das Kriegsgericht dafür erklärt?<br />

LUDMILLA. Auf Grundlage falscher Documente und falscher Zeugenschaft.<br />

WALDENEK. Falscher Zeugenschaft.<br />

LUDMILLA. Ja, Ohe<strong>im</strong>, ja! Nie wird meine Hand einem Anderen gehören, das habe ich ihm<br />

geschworen, als er auf dem Wege zum Kerker von mir Abschied nahm.<br />

WALDENEK. Ich werde Dich zwingen, diesen<br />

[I/63]<br />

unsinnigen Schwur zu vergessen. Ich kann Dich aus meinem Hause stoßen, Dich mit vollständiger<br />

Enterbung strafen.<br />

LUDMILLA. Dann wird mir Gott einen Helfer finden wie unseren armen Hungernden.<br />

BARON spöttisch. Diesen kommt sobald kein Helfer!<br />

LUDMILLA sehr warm. Doch! Doch! Eben als ich mit Vertheilung meiner geringen Gaben zu<br />

Ende kam, fuhr ein großer Reisewagen ins Dorf, dem zwei fremde Herren entstiegen.<br />

Be<strong>im</strong> Anblick des Jammers waren sie tief ergriffen, dem Einen liefen helle Thränen über<br />

die Wange, er ließ sogleich die eigenen Mundvorräthe aus dem Wagen


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[I/64]<br />

holen und vertheilte sie mit eigener Hand. Hierauf schrieb er auf ein Blatt aus seiner<br />

Brieftasche einige Zeilen, mit diesein wurde ein reitender Diener auf galloppierend Pferde<br />

nach Prag geschickt, um von dort ausgiebigere Hilfe zu holen… O wie leuchteten die<br />

Augen des Fremden vom elend edelsten Erbarmen. Ich konnte nicht umhin, seine Hand<br />

zu drücken und nach seinen Namen zu fragen. Er nennt sich Baron <strong>Joseph</strong>i<br />

WALDENEK. Josefi? eine unbekannte Familie. Was hat dieser fremde Baron hier in Böhmen<br />

zu suchen<br />

[I/65]<br />

LUDMILLA. Das menschliche Unglück scheint nirgends fremd.<br />

BARON. Vielleicht haben wir die Ehre, die Bekanntschaft dieses modernen Habakuk zu<br />

machen.<br />

LAKAI tritt ein. Gnädigster Herr Graf, ein Fremder, der sich Baron <strong>Joseph</strong>i nennt, läßt um die<br />

Ehre des Empfanges bitten<br />

WALDENEK. Welche Zudringlichkeit! Habe keine Lust ihn zu empfangen.<br />

BARON leise. Pst! Werther Freund! Man kann nicht wissen, wozu eine Bekanntschaft nützlich<br />

wird. Ich würde zu dem coulantestens Entgegenkommen rathen.<br />

[I/66]<br />

WALDENEK zu LAKAI. Also … der Baron mag eintreten!<br />

LUDMILLA. Ein edler Menschenfreund kommt.<br />

LAKAI läßt JOSEPH von der Terrasse aus eintreten.<br />

4. Scene.<br />

VORIGE. KAISER JOSEPH.<br />

JOSEPH in einfacher Reitkleidung tritt mit freundlich leichter Tournüre ein.<br />

[JOSEPH.] Herr Graf von Waldenek<br />

WALDENEK. Der bin ich, mein Herr… Hier mein Nachbar und Freund, Baron Janoviz…<br />

hier meine Nichte Ludmilla …<br />

JOSEPH warm. Diese liebenswürdige Samaritarin bin ich bereits so glücklich zu kennen.<br />

[I/67]<br />

LUDMILLA verneigt sich.<br />

WALDENECK. Darf ich nach der Veranlassung Ihres werthen Besuches fragen.<br />

JOSEPH. Ich habe Ihnen ein Geschäft zu offeriren.<br />

WALDENEK. Ah – ein Geschäft! … Beliebt Platz zu nehmen und von diesem exquisiten<br />

Wein zu versuchen<br />

JOSEPH. Danke Herr Graf … der erschütterte Anblick des Jammers hat mich um die Ruhe<br />

zum Sitzen und um den Geschmack des exquisiten Weines, bis zum Weinen gebracht.<br />

WALDENEK. Wie es gefällig ist … Entferne Dich Ludmilla!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[I/68]<br />

JOSEPH. Nicht doch, ich wünsche in Gegenwart des Fräuleins zu verhandeln, weil ihre<br />

Humanität die ich durch den Augenschein kennen gelernt habe, zu meinem Offert in<br />

Beziehung steht.<br />

LUDMILLA. Der Augenschein, Herr Baron, hat auch mich von ihrer Humanität überzeugt.<br />

WALDENECK leise zu JANOVIZ. Wo will denn das hinaus. Laut. Also bitte.<br />

JOSEPH. Mißernten und Ue[be]rschwemmungen haben die Bevölkerung Böhmens dem<br />

Hungertode nahe gebracht. Ich meine Herr Graf, daß es<br />

[I/69]<br />

daß es die rechte Pflicht der herrschaftlichen Grundbesitzer wäre, diesen Jammer zu steuern<br />

WALDENEK irronisch leicht. Sie haben wol in Böhmen keinen herrschaftlichen Grundbesitz,<br />

Herr Baron<br />

JOSEPH. Nein aber in Ungarn! Den Ueberfluß meiner Ernten, möchte ich dazu verwenden,<br />

den hiesigen Nothleidenden Hülfe zu bringen<br />

WALDENEK. Dann brauchen Sie den Ueberfluß nur hierherzuführen und an die Nothleidenden<br />

verkaufen zu lassen<br />

JOSEPH. Wovon sollen die armen Leute zahlen?<br />

WALDENECK. Das ist freilich schwer zu sagen!<br />

[I/70]<br />

JOSEPH. Ich will sehr billiges Bedingungen stellen, aber in so weiter Ferne kann ich mich<br />

nicht mit der Eintreibung befassen … darum schlage ich Ihnen, Herr Graf, dem als reich<br />

Bekannten vor, daß sie einen Theil meiner Vorräthe ankaufen und ihn an Ihre Unterthanen<br />

gegen mäßigen Preis auf Abzahlung in längeren Fristen vertheilen lassen.<br />

WALDENEK gedehnt. Ah, das haben Sie unter Geschäft verstanden?<br />

JOSEPH. Ich glaube, daß es für alle Betheilgten acceptabel ist<br />

WALDENEK kalt lächelnd. Ich bin aber nicht betheiligt, Herr Baron.<br />

JOSEPH. Wie? An der Rettung Ihrer Unterthanen!<br />

[I/71]<br />

WALDENEK. Meine Unterthanen, würden mich <strong>im</strong> entgegengesetzten Falle auch nicht retten.<br />

Zu JANOVIZ. Nicht wahr, Herr Baron, wir kennen diesen undankbaren Plebs?<br />

BARON. Er haßt seine Herrschaften, zu denen er in der Noth um Hülfe schreit.<br />

JOSEPH. Vielleicht weil seine Herrschaften diesen Haß verdienen<br />

LUDMILLA. Ach nur zu oft.<br />

WALDENEK. Was hast du hineinzusprechen. Zu JOS. Es thut mir leid, Herr Baron, daß ich<br />

ihr Geschäft nicht acceptiren kann, ich hätte nicht Raum genug, um Ihre Vorräthe aufzuspeichern.<br />

Alle meine Frucht-<br />

[I/72]<br />

magazine sind überfüllt.<br />

JOSEPH. Und Sie öffnen diese überfüllten Magazine für die Hungernden nicht?<br />

WALDENEK. Daß ist meine Geschäftssache. Zu JANOVIZ. Nicht wahr, Baron, wir sind<br />

berechtigt, unser Eigenthum zurückzuhalten, bis der Kaufpreis zur äußersten Höhe gestiegen<br />

sind.<br />

BARON. Natürlich sind wir dazu berechtigt.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. Abscheulich!<br />

LUDMILLA. O Sie sprechen mir aus der Seele, Herr Baron. Wie oft habe ich meinen Ohe<strong>im</strong><br />

kniend angefleht, seine Fruchtkammernd zu öffnen doch es war stets vergeblich!<br />

[I/73]<br />

JOSEPH. Schändlich!<br />

WALDEK. Mein Herr! wer giebt Ihnen das Recht mich in meinem Schlosse zu beleidigen.<br />

Was haben sie sich um fremde Nation zu kümmern?!<br />

JOSEPH. Die Menschlichkeit kennt keine Nation, sondern nur die Menschheit … Uebrigens,<br />

wenn ich nicht irre, so vergehen Sie sich gegen das kaiserliche Rescript.<br />

WALDENEK. Bah! Der <strong>Kaiser</strong> hat leicht Rescripte zu erlassen, die ihm selbst nicht’s kosten.<br />

JOSEPH. Es sind doch Comissionen delegirt um die Vorräthe auszuforschen und davon billiger<br />

Verkauf zu veranlassen?<br />

[I/74]<br />

WALDENEK. Kennen Sie das Sprichwort: Eine Hand wäscht die Andere? Nun die Commissäre<br />

haben auch Hände, die sich von unseren gerne waschen lassen.<br />

BARON. Das wird seine allwissende Majestät nicht ändern!<br />

JOSEPH. Doch mein Herr doch! So weit ich den <strong>Kaiser</strong> kenne, weiß er die Befolgung seiner<br />

Gebote zu erzwingen.<br />

WALDENEK spöttisch. Ich kenne ihn persönlich nicht, denn ich bin dem Hofe stets fern<br />

geblieben.<br />

JOSEPH. Hüten sie sich, daß Ihnen der <strong>Kaiser</strong> selbst nicht nahe kommt!<br />

LUDMILLA. O wenn er käme! Ich wollte mich ihm zu Füßen werfen und mit gläubigen<br />

[I/75]<br />

gläubigen Vertrauen um seinen mächtigen Schutz für die Armen und Unterdrückten anflehen.<br />

JOSEPH. Das Flehen eines so edlen Herzen dringt bis zum H<strong>im</strong>mel.<br />

WALDENEK lachend. Bin neugierig, wie der <strong>Kaiser</strong> mit dem Bauern auf meinem ehemaligen<br />

Gute in Oesterreich zurecht kommen wird. Er hat es angekauft und das lei<strong>bei</strong>gene Gesindel<br />

freigegeben, das allein zeugt für seine unpolitische Denkungsart.<br />

LUDMILLA. Es zeugt für sein großes menschenfreundliches Herz<br />

LAKAI tritt ein. Gnädigster Herr Graf, der Reisebegleiter dieses Herrn wünscht ihm eine<br />

Nachricht zu<br />

[I/76]<br />

überbringen<br />

JOSEPH. Wenn der Herr Graf erlaubt …<br />

WALDENEK. Bitte, sans gene!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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5. Scene.<br />

VORIGE. GRAF ROSENBERG.<br />

LAKAI ab.<br />

ROSENBERG auch in einfacher Reiterkleidung, von der Terrasse, sich verneigend.<br />

[ROSENBERG.] Ich komme zu melden Ew.<br />

JOSEPH. Ihm schnell entgegen leise. Pst! Ich bin noch der Baron <strong>Joseph</strong>i: Laut. Was bringen Sie<br />

Freund? –<br />

ROSENBERG. Der reitende Bote ist zurückgekehrt. Er hat den Proviant-Transport bereits auf<br />

der Straße hierher gefunden.<br />

WALDENEK betroffen. Proviant-Transport? Woher?<br />

JOSEPH. Aus Ungarn, über Prag.<br />

WALDENEK neugierig. Wer hat ihn kommen lassen?<br />

JOSEPH. Ich!<br />

WALDENEK boshaft. Sie machen uns gefährliche Concurenz.<br />

[I/77]<br />

JOSEPH mit Affect. Es ist mein Zweck, allein Wuchern mit dem Schweiß und Blut des <strong>Volke</strong>s<br />

Concurenz zu machen<br />

WALDENEK. Genug der Beleidigung! Entfernen sie sich mein Herr, und wenn Sie <strong>bei</strong> Gelegenheit<br />

den <strong>Kaiser</strong> sehen sollten!<br />

JOSEPH. Ich hoffe die Gelegenheit hier zu finden, denn er reißt in Böhmen.<br />

ALLE außer ROSENBERG überrascht. Der <strong>Kaiser</strong>?<br />

[I/78]<br />

ROSENBERG kräftig. Ja der <strong>Kaiser</strong> will sich persöhnlich von der Noth und Bedrückung seiner<br />

Unterthanen überzeugen.<br />

LUDMILLA. O daß ich ihn sehen könnte, um ihm auf meinen Knieen zu danken<br />

JOSEPH freundlich zu LUDM. Knien soll man nur vor Gott, aber ein Druck von dieser schönen<br />

mildthätigen Hand würde den <strong>Kaiser</strong> eben so erfreuen, wie dem Baron Josefi! In seinem<br />

Namen möchte ich diesen Händedruck erbitten!<br />

LUDMILLA. Dem Baron <strong>Joseph</strong>i <strong>im</strong> Namen des <strong>Kaiser</strong>s <strong>Joseph</strong>.<br />

Drückt ihm warm die Hand.<br />

ROSENBERG losbrechend. Der ihm huldvoll entgegenn<strong>im</strong>mt. Nicht wahr Ew. Majestät.<br />

JOSEPH lächelnd. Sie verrätherischer Freund!<br />

LUDMILLA aufjubelnd. Der <strong>Kaiser</strong>!<br />

WALDENEK u. BARON. ALLE BEIDE. Der <strong>Kaiser</strong>! Verneigen sich tief.<br />

[I/79]<br />

JOSEPH. Ja mein holdes Fräulein, dieser unvorsichtige Graf Rosenberg hat mir das Inkognito<br />

verdorben, aber vielleicht ist’s gut, damit sich diese Herrn nach dem Grafen und Baron nicht<br />

noch verfänglicher machen.<br />

WALDENEK u. BARON. Wir bitten um Gnade Majestät


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[I/80]<br />

JOSEPH. Gnade nach der Gerechtigkeit. Irronisch. Das ist meine politische Denkungsart<br />

…Vor Allem, Herr Graf, wie viele Gäste können in Ihrem Schlosse Unterkunft finden?<br />

WALDENEK. Beiläufig zweihundert<br />

JOSEPH. Das dürfte hinreichen, um den Elendestens der Elenden, die nicht allein ihr Brod<br />

sondern auch ihr Obdach verloren haben, ein solches inter<strong>im</strong>ißtisches zu bieten. Ich<br />

befehle Ihnen Herr Graf, hierzu die nöthigen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.<br />

WALDENEK. Ich werde dem allerhöchsten Befehle gehorchen.<br />

BARON. Ich erkläre mich ebenfalls unterthänigst dazu bereit.<br />

[I/81]<br />

JOSEPH. So wollen wir uns mit Unterbringung der Obdachlosen beeilen. Zu LUD. Ihnen<br />

mein holdes Fräulein, glaube ich meine Achtung nicht besser zu beweisen, als indem ich<br />

Sie bitte, die Hilfsbedürftigen von dem ironisch Edelmuth, dieser <strong>bei</strong>den Herrn in Kenntniß<br />

zu setzen!<br />

LUDMILLA. O Dank! tausenfachen Dank, mein gütiger erhabener <strong>Kaiser</strong>! Als ich den Baron<br />

<strong>Joseph</strong>i um die Leidenden weinen sah, da wußte ich nicht, daß der Monarch um seine<br />

Unterthanen Thränen vergaß. Aber mein Herz hat ihm zugejauchzt, weil es den edlen<br />

[I/82]<br />

Menschen erkannte. Heil dem Monarchen, der sich als Mensch die Liebe seiner Mitmenschen<br />

verdient! Ab über die Terrasse.<br />

6. Scene.<br />

VORIGE. Ohne LUDMILLA.<br />

JOSEPH. Wahrlich, meine Herren, Sie dürfen vom Glück sprechen, daß ich dieses herrliche<br />

Mädchen als Ihre Fürbitterin gelten lasse. Sonst würde ich nicht allein Gutmachung, sondern<br />

auch strenge Bestrafung fordern, weil sie aus wucherischen Eigennutz meine Befehle<br />

nicht beachtet haben.<br />

WALDENEK. Geruhen Ew. Majestät in Gnaden zu erwägen, daß höchst dero eigene<br />

Beamte …<br />

JOSEPH heftig. Sich von Ihnen die Hände waschen ließen<br />

[I/83]<br />

O das werde ich in vollster Strenge richten, und bestrafen. Wohin soll es mit dem <strong>Volke</strong><br />

und mit dem Herrscher kommen, wenn die Vertreter des letzteren seine besten Absichten<br />

vereiteln. Kein schändlicheres Verbrechen giebt’s als den Vertrauensmißbrauch eines<br />

ungetreuen Beamten! Ich werde diesen Augiasstall reinigen, diese Pestilenz vertreiben<br />

wenn auch Titel und Orden in die Luft fliegen sollen. Tritt zu Rosenberg mit ihm zu sprechen.<br />

WALDENEK leise zum Baron. Gut daß er von unserm Heirathsplane nichts weiß, er wäre <strong>im</strong><br />

Stande sich zu Ludmilla’s Ritter aufzuwerfen, etwa gar ihren geliebten Lieutnant wieder <strong>im</strong><br />

Vorschein zu bringen, den wir so geschickt beseitigt haben.<br />

[I/84]<br />

BARON. Pst! Ueber diesen Punkt wollen wir selbst unter vier Augen schweigen<br />

JOSEF leise. Was meinen Sie Rosenberg, werden sichs diese Feudalaristokraten zur Warnung<br />

dienen lassen


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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ROSENBERG. Ich glaube nicht Majestät<br />

JOSEPH. Dann werden sie’s büßen!<br />

Hoch!! …<br />

Rufe von außen.<br />

JOSEPH zu WALDENECK. Ihre Gäste kommen, Herr Graf, es muß Ihnen angrnem [agenem],<br />

sein dieselben froh zu sehen<br />

7. Scene.<br />

VORIGE. LUDMILLA. BÖHMISCHE LANDLEUTE. ALLE schlecht gekleidet und vom krankhaften<br />

Aussehen. WEIBER mit KINDERN am Arm.<br />

[I/85]<br />

LUDMILLA affect. Kommt Ihr Armen, kommt. Hier steht der erhabene Menschenfreund, der<br />

mir wie ein Engel das Land durchzieht, um Euch Brod vom H<strong>im</strong>mel zu bringen<br />

Alle LANDLEUTE haben um JOSEPH eine knieende Gruppe gebildet. WEIBER heben die<br />

KINDER empor nach JOSEPH weisend.<br />

JOSEPH. Kniet nicht vor mir! Wenn Ihr mir danken wollt, so vergesset nie und mögen auch<br />

Eure Enkel nie vergessen daß es die Hand eines deutschen Fürsten war, die für Böhmen<br />

Hülfe gebracht hat.<br />

Gruppe<br />

DRITTES BILD.<br />

PERSONEN.<br />

[I/86]<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> der <strong>II</strong>.<br />

Graf Rosenberg.<br />

Sing-Liesel.<br />

Michel.<br />

Ein Schneidergeselle.<br />

Lüfte, Hauseigenthümer.<br />

Wirth zum Fassel am Spittelberg<br />

Eine Näherin.<br />

Eine Wäscherin.<br />

Ein Soldat.<br />

Katzlhofer, Argent [!] der Keuschheitskommission.<br />

Näherinnen. Wäscherinnen, Gesellen und Soldaten.<br />

Wirthshausgarten am Spittelberg. Im Hindergrunde ein Gitter mit dem Eingang.<br />

Links gegen den Hintergrund<br />

[I/87]<br />

das Wirthshaus mit einem anstoßenden kleinen Salon. Rechts hohe Gartenhecke.<br />

Vorne zu <strong>bei</strong>den Seiten Gebüsche, Tische, Bänke und Stühle.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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1. Scene.<br />

LÜFTE. NÄHERIN. WÄSCHERIN. SOLDAT. SCHNEIDERGESELLE. Sitzen vorne am Tische<br />

rechts, die ANDERN an den den übrigen Tischen, MÄDCHEN und junge BURSCHEN (Ballet)<br />

führen einen lebhaften Wienertanz aus, wozu die UEBRIGEN paschen.<br />

LÜFTE ein älterer korpulenter Mann in stattlicher Kleidung, gemüthlich und lustig nach dem<br />

Tanze ruft er<br />

[LÜFTE.] Juchhee! Heut gehts be<strong>im</strong> Fassel wieder a mal recht laut herunter, trinks Mädel, i<br />

zahl so viel eng und engern Amanten schmeckts! Leben und Leben lassen is dem Hausherrn<br />

Lüfte <strong>im</strong>mer<br />

[I/88]<br />

sein Wahlspruch gewesen<br />

NÄHERIN. Der Herr Lüfte is a Prachtmodell unter die Wiener Hausherrn, i bin völli verliebt<br />

in ihm.<br />

WÄSCHERIN. A Glück, das mein Schorschl nit eifersüchtig is, sonst schmecket ihm ka Tröpfel,<br />

was der Herr Lüfte zahlt.<br />

SOLDAT lachend. Siehst aber, daß mirs schmeckt. A Soldat kennt ka Eifersucht, denn bevor er<br />

von Aner ang’schmirt wird, schmirt er selber a halbes Dutzend an.<br />

NÄHERIN. Das bringt mein Mucki nicht übers Herz. Wann i ihm untreu, stechert er sich mit<br />

der längsten Nadel todt.<br />

SCHNEIDERGESELLE gebrochen Deutsch. Schneider is e halt romantisches Redl.<br />

[I/89]<br />

NÄHERIN. Aber be<strong>im</strong> Herrn Lüfteln is ka Gefahr, der traktirt uns ohne böse Absichten<br />

LÜFTE. I hab nur mei Freud, wenn i d’jungen Leut brav trinken sieh, weil i selber nit mehr so<br />

kann wie ehemals<br />

SOLDAT. Also thun wir ihm den Gefallen<br />

SCHNEIDERGESELLE. Trinken wir auf Leben hundertjährige von pane Lüfte. Wann wirde zu<br />

kurz, ale stückel ich ihm an.<br />

ALLE VIERE anstoßend. Vivat! Vivat!<br />

2. Scene.<br />

VORIGE. WIRTH aus den Hause.<br />

WIRTH geschäftig u. pfiffig. Aufpassen meine verehrten Gäst! I komm mit einer Ueberraschung<br />

[I/90]<br />

weil i a Wirth bin, ders versteht<br />

ALLE untereinander. Was denn? Was denn?<br />

WIRTH. Wer’n wohl schon gehört haben, von der Sing-Liesel, die seit einigen Wochen a<br />

völliges Aufsehen macht.<br />

LÜFTE. Freilich haben wir schon g’hört von ihr.<br />

NÄHERIN spöttisch. Soll a Landpommerantschen sein!<br />

SOLDAT. Aber dudeln soll’s können daß’s a Passion is.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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WÄSCHERIN. A, das können wir a!<br />

SCHNEIDERG. Wern mir also hör’n Sing-Lisel?<br />

[I/91]<br />

WIRTH. Wenns der verehrlichen G’sellschaft auf a Hand voll Silberzehner nit ankommt.<br />

LÜFTE. Mir kommt’s auf a Handvoll Teresienbilder nit an, i zahl für die ganze Quant<br />

ALLE. Bravo, Bravo! Herr Lüft’l.<br />

WIRTH. So werd’ ich d Sing-Lisel aus dem Salett’le holen, wo ich’s hab warten lassen. Aber<br />

muß die männliche Gesellschaft aufmerksam machen, daß die Person eine unangreifbare<br />

Tugend ist.<br />

ALLE lachend. Hahahahaha!<br />

[I/92]<br />

WIRTH. Ja meiner Seel! – Sie schlagt aus, wenn ihr nur ans Goderl greicht, dazu hat’s eine<br />

Art von zwei<strong>bei</strong>nigen Solt’l <strong>bei</strong> ihr, der mit seine bissigen Zähn auf Jeden losfahrt, der ihr<br />

z’nah kommen will.<br />

SOLDAT. Und da wills in Wien als Wirthhaussängerin a Glück machen?<br />

NAHERIN. Wird nur a tugendsame Verstellung sein.<br />

WÄSCHERIN. Hamli treibt’s sie’s vielleicht um so nixnutziger!<br />

LÜFTL. I werd’s mit mein Geld auf d’Prob stellen. Vor ihrem Sultl fürcht i mi net, den wirf i<br />

a was zum ver<strong>bei</strong>ßen ins Maul.<br />

[I/93]<br />

ALLE. Also her mit ihr! Her mit ihr!<br />

WIRTH. Hab ich den Gusto von meine Stamgäste troffen? Ja ich bin halt a Wirth ders versteht.<br />

Ab ins Haus.<br />

NÄHERIN zum SCHNEIDERGESELLEN. Daß Du mir nit über die Landpommerantschen vielleicht<br />

in d’Raschi kommst!<br />

SCHNEIDERG. zärtlich. o patom! Was is a Pommerantschen gegen Plitzerbin meinige Rosel<br />

Geliebte …<br />

3. Scene.<br />

VORIGE. WIRTH mit SING-LIESEL. MICHEL.<br />

WIRTH. Ich hab’ die Ehr aufzuführen, den neuesten Stern der Kunst, genan[n]t die Sing-<br />

Lisel.<br />

[I/94]<br />

SOLDAT. Sitterlot [!] das is a sauberes Weibsbild.<br />

ALLE applaudirend. Bravo! Bravo!<br />

SING LIESEL stadisch gekleidet zierlich eine Guitarre am Bande knixt und sagt schelmisch.<br />

Warum paschens denn schon, bevor i noch ein Ton hab außa lassen.<br />

LÜFTE galant. Das is a Compl<strong>im</strong>ent für d Schönheit<br />

SING LIESEL. Ah so!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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MICHEL auch stadtisch gekleidet, was ihm sehr unbequem scheint Stock in der Hand, bär<strong>bei</strong>ßig.<br />

[MICHEL.] Aber d Liesel bild’t sich auf ihr Schönheit nix ein, drum braucht’s a ka Kompl<strong>im</strong>ent<br />

dafür.<br />

[I/95]<br />

SCHNEIDERGESELLE. Beißt schon Sultl!<br />

LÜFTE. Hilft der be<strong>im</strong> Singen mit oder macht er a Musi dazu?<br />

SING-LIESEL. Na er ist nur mein Ehrenwächter<br />

LÜFTE. Das is a respectables Amt, man sieht a daß er dem Amt gewachsen ist.<br />

MICHAEL. Mir soll Aner trauen, wenn ich schiach wir.<br />

WIRTH zur LISEL. Wann’s also gefällig is anz’fangen<br />

LÜFTE. Wir müssen erst was frisch’s zum trinken haben. Zu Wirth. A paar Flaschen vom<br />

Süffigsten, daß der Ehrenwachter mithalten kann.<br />

[I/96]<br />

MICHEL barsch. Bedank mi schön, i zahl mir mein Trunk schon selber. Setzt sich leicht zum<br />

Tische. A Flaschen vom Billigsten.<br />

WIRTH ab ins Haus.<br />

LÜFTE he<strong>im</strong>lich. Ich laß den Sultl nit aus, bis er so fidel wird, daß er n<strong>im</strong>mer <strong>bei</strong>ßt.<br />

Setzt sich zu Michel.<br />

NÄHERIN zu den ANDERN. Der Hausherr läßt uns wegen dem sitzen<br />

SCHNEIDERG. Weil ihr Schabernack verliebte.<br />

SOLDAT. Wenn er uns nur die Zech zahlt.<br />

WÄSCHERIN. Nachher lachen wir’n aus.<br />

[I/97]<br />

SING-LIESEL. Mit meiner Guitarre Spielerei müssen die Herrschaften Nachsicht haben, i<br />

hab’s erst seit a paar Wochen g’lernt<br />

WIRTH mit Flaschen. Das is der Frische<br />

LÜFTE he<strong>im</strong>lich zum WIRTH. Den Guten daher und den Schlechten dorthin, für die hab i<br />

schon Guten g’nu zahlt.<br />

WIRTH vertauscht die Flaschen. Hab’s ge’seh’n wie er den Wein hat verbauschen [verstecken]<br />

lassen, wir sollen jetzt den Sauren trinken.<br />

SCHNEIDERG. Gratis trinck is e alleweil süß.<br />

SING-LIESEL. Wanns also g’fällig is die Ohren aufzumachen.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[I/98]<br />

LÜFTE der indessen für sich und Michel eingeschenkt hat, ihr ein volles Glas reichend.<br />

[LÜFTE.] Erst a Tröpferl zur Anfeuchtung.<br />

MICHEL rasch. Sie braucht ka Anfeuchtung.<br />

LÜFTE. Aber Ehrenwächter, das is ja ka Sünd!<br />

SING LIESEL trinkt. Auf der ganzen Gesellschaft ihr Gesundheit. Jetzt will i a Lied’l über<br />

d’Weanerstadt vortragen, müssens halt net übel nehmen, wenns a wengl anzüglich außa<br />

kommt<br />

ALLE durcheinander. Nur koan scheeniren!<br />

SING-LIESEL singt schelmisch.<br />

Lied.<br />

Wir i noch d’Weanerstadt<br />

kennt hab nur vom hör’n<br />

Hab i mirs so vorgstellt grad<br />

Rein zum Narrisch wer’n<br />

Lustig, g’müthlich, reich an Geld<br />

A H<strong>im</strong>mel auf der Welt.<br />

Wie ich’s aber hab g’sehen<br />

Hernach ganz in der Näh<br />

Is mir aufgangen’s Lichtel<br />

Das thut mir fast weh,<br />

So manchen der lustig ist<br />

Daß nur auf der Seit,<br />

Und mancher der gemüthlich scheint<br />

Foppt nur die Leut’<br />

Mit’n Geld in der Weanerstadt<br />

gehts oft so … so,<br />

Aber schön, … aber schön,<br />

Aber schön is’s halt da<br />

ALLE <strong>im</strong> CHOR. Aber schön – aber schön. Aber schön is halt da.<br />

S’Wienerische Weiberg’schlecht<br />

Heiß’ts ist gar frumm,<br />

Das <strong>bei</strong>nah’ ein Engel möcht<br />

Schier beneiden drum,<br />

Jede mit ein Rosenkranz,<br />

In vollen Tugendglanz,<br />

Ja in vollem Tugendglanz<br />

Wie i aber’s weibliche<br />

Geschlecht hier studirt,<br />

Da hab i gar oft g’sehn<br />

Daß’s die Männer anschmiert,<br />

[I/99]<br />

[I/100]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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So Manche geht mir in die Kirchen wegen dem,<br />

daß’s mit die Amanten<br />

Kann speanzeln bequem,<br />

Mit die wienerischen Tugenden<br />

stehts oft so … so<br />

Aber frumm, aber frumm<br />

Aber frumm seins halt do!<br />

ALLE <strong>im</strong> CHOR. Aber frumm, aber frumm u.s.w.<br />

ALLE <strong>im</strong> CHOR. Aber lieb u. s. w.<br />

D’Männer hab i mir in Wien<br />

Vorgestellt gar so brav<br />

Daß’s nit krieg’n was Schlechts <strong>im</strong> Schlaf,<br />

Nit a mal <strong>im</strong> Schlaf.<br />

Jede, die an Wiener kriegt,<br />

Muß stolz sein und vergnügt,<br />

Ja muß stolz sein und vergnügt.<br />

Wie i aber die Männer<br />

Hier besser hab kennt;<br />

Bin ich vor die Meisten<br />

Nur glei davon g’rennt,<br />

Denn die Meisten, wanns machen<br />

am zärtlich die Cour,<br />

Sein doch nur verlog’n<br />

Und nix nutz von Natur,<br />

Mit die wienerischen Mannsbilder<br />

steht’s oft so … so<br />

Aber lieb, aber lieb, aber lieb seins halt do<br />

NÄHERIN. S’war eigentlich a Stich’lerei auf Wien<br />

SCHNEIDERG. Stichelte, aber triffte zu.<br />

[I/101]<br />

[I/102]<br />

LÜFTL lachend. Wir vertragen schon, ein Stich, wenn er von so ein backschirlichen Handerl<br />

kommt.<br />

Faßt tätschelnd ihre Hände.<br />

SING-LIESEL. Soll i mein Ehrenwachter aufwecken?<br />

LÜFTE. Richtig, der is eingeduselt, um so besser für mi.<br />

MICHEL der während des Trinkens eingenickt ist, beginnt leise zu schnarchen.<br />

WIRTH. Die Abendluft wird kühl, wars vielleicht <strong>im</strong> Salett’l angenehm? He<strong>im</strong>lich<br />

zu Lüfte. Dort is s’wegen die Aufpasser sicherer.<br />

[I/103]<br />

LÜFTE. Ja gehen wir hinein, aber die Sing-Lisel muß da<strong>bei</strong> sein.<br />

SING-LIESEL für sich. Dem Michel zur Straf, weil er als mein Ehrenwachter eingeschlafen is!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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LÜFTE. Darf ich uns Aemer’l bitten n<strong>im</strong>[m]t ihren Arm. Ich bin heut so fidel, daß i für die<br />

ganze Sippschaft zahl!<br />

ALLE in Enthusiasmusck. Bravo! Bravo, Herr Lüftl.<br />

SING-LIESEL singt schelmisch.<br />

CHOR. Aber lieb … aber lieb etc.<br />

Mit die wienerischen Mannsbilder<br />

stehts oft so – so.<br />

Aber lieb – aber lieb – aber lieb seins halt do!<br />

ALLE ab, ohne MICHEL u. WIRTH ins Haus.<br />

[I/104]<br />

WIRTH. Der Lümmel haut mi vielleicht, wann zspät munter wird, i muß ihn aufwecken. Ihn<br />

rüttelnd. He! Herr Ehrenwächter!<br />

MICHEL <strong>im</strong> Schlaf. Mir soll aner trau’n, wann – ermunternd für sich. H<strong>im</strong>mel-Kranz Tannabaam!<br />

Wo bin ich denn? Und wo ist denn mein Lisel?<br />

WIRTH. Der Herr is be<strong>im</strong> Fassel auf’n Spittelberg, und sein Lisel is mit die Andern dort <strong>im</strong><br />

Salett’l!<br />

MICHEL. Im Salett’l? Ohne mir? Das is ja a Malefizverbrechen.<br />

[I/105]<br />

WIRTH. Er hät’ zwar sich halt nit einduseln lassen[.] Freilich <strong>bei</strong> meinem Klosterneuburger is<br />

ka Wunder!<br />

MICHEL. I bring di um Kerl!! Bring Alle um, weils mir an Haarbeutel ang’hängt haben. Mir<br />

soll Aaner traun, wann ich schiach wir. Ab ins Haus.<br />

WIRTH. So jetzt soll er die Andern hauen, oder die Andern ihm, ich hab ka Verantwortlichkeit,<br />

i bin halt a Wirth der’s versteht. Ah da kommen zwa Freunde.<br />

4. Scene.<br />

VORIGE. JOSEPH <strong>II</strong>. u. ROSENBERG. Beide bürgerlich gekleidet, die Rockkragen hoch aufgeschlagen,<br />

treten aus dem Hintergrunde.<br />

ROSENBERG. Ist er der Wirth?<br />

WIRTH. Aufzuwarten.<br />

ROSENBERG. Eine Flasche Wein vom Besten.<br />

WIRTH. Gleich zu Befehl. Ab.<br />

[I/106]<br />

JOSEPH. Das ist also eine der verrufenen Spelunken von deren Treiben ich mich persönlich<br />

überzeugen will, weil ich gehört habe, daß selbst Leute von meiner Dienerschaft ihren<br />

Lohn hier durch die Gurgel jagen.<br />

ROSENBERG. So sagt man, Eure Majestät!<br />

JOSEPH. Lassen Sie die Majestät <strong>bei</strong> Seite, ich wünsche incognito zu bleiben<br />

WIRTH mit Wein. So is’s Allerfeinste, was auf’m gan-


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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zen Spittelberg <strong>im</strong> Keller liegt.<br />

ROSENBERG. Dorthin! Zeigt auf den Tisch rechts.<br />

WIRTH. Vielleicht was zum Speisen gefällig?<br />

ROSENBERG. Nein wir wollen ungestört sein. Giebt ihm Geld. Hier gleich die Zeche.<br />

WIRTH überrascht. A Dukaten<br />

ROSENBERG. Er kann ihn behalten!<br />

[I/107]<br />

WIRTH. Unterthängigsten Dank. Für sich. Das sind vielleicht Aufpasser von der Polizei, aber i<br />

laß nix merken, denn i bin a Wirth ders versteht. Ab ins Haus.<br />

5. Scene.<br />

JOSEPH. ROSENBERG. Beide setzen sich an den Tisch rechts.<br />

ROSENBERG. Sie scheinen verst<strong>im</strong>mt gnädiger Herr?<br />

JOSEPH. Mehr als das, ich bin traurig.<br />

ROSENBERG. Darf ich wagen nach der Ursache zu forschen.<br />

JOSEPH. Sie liegt in dem Namen: „Anna!“<br />

ROSENBERG theilnehmend. Verstehe!<br />

[I/108]<br />

JOSEPH. Sie wissen Rosenberg, daß ich diesen einfachen Landmädchen, mit eben so innigen<br />

als reiner Neigung zugethan bin. Nach der Rückkehr von meiner letzten Reise wollte ich<br />

sie wieder besuchen, doch sie war fort, auf unerklärliche Weise verschwunden, ihr<br />

[I/109]<br />

Großvater gestorben und die Hütte leer<br />

ROSENBERG. Vielleicht Entführung durch einen Wüstling?<br />

JOSEPH. Ich vermuthe noch Schl<strong>im</strong>meres. Es war unvorsichtig, daß ich meine Besuche in<br />

diesem Landhause wiederholte. Ich bin überall von Spionen umgeben, vielleicht hat sich<br />

der entlassene Amtmann durch eine verleumderische Denunciation gerrächt! Sonst wär es<br />

kaum möglich, daß meine eifrigsten Nachforschungen nach der Verschwundenen erfolglos<br />

blieben. Ich habe mich <strong>im</strong> Vertrauen selbst an Kaunitz gewand, er hat mir das Möglichste<br />

versprochen, aber es scheint daß sogar er in dieser Sache schlecht bedient wird, ich<br />

[I/110]<br />

soll mein armes Annerl wol niemals wiedersehen und doch bin ich – <strong>Kaiser</strong> und Mitregent.<br />

– O!<br />

6. Scene.<br />

VORIGE. SING LIESEL. MICHEL.<br />

MICHEL der die Lisel aus dem Hause zieht, schmerzlich und zornig.<br />

[MICHEL.] Nit a Minuten laß i dir mehr unter der verliebten Guart. Ist das mein Dank von<br />

Dir, daß d’mir von den wienerischen Gesindel frozzeln läßt<br />

SING-LIESEL. Aber n<strong>im</strong>m doch nur Vernunft an.<br />

MICHEL. I mag nit[.] Wann i schiach wir hau die halbe Wienerstadt durch’<br />

SING-LIESEL. Mit so an Wildrian is nit zum reden.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH steht auf. Is das nicht? ja wahrhaftig. Sing-Liesel.<br />

SING-LIESEL überrascht. Wer ruft mi denn? Ui ja, die Zwoa hab i gar net bemerkt.<br />

MICHEL kläglich. Die ganze Wienerstadt kennts schon<br />

JOSEPH. Was machst denn Du in Wien, und noch dazu in einer Kneipe?<br />

[I/111]<br />

SING-LIESEL. Singen thu i, daß i a Geld verdien, aber dem Herrn seine St<strong>im</strong>me kommt mir<br />

so bekannt vor?<br />

JOSEPH. Mein Gesicht wol auch?<br />

SING LISEL erschrocken. Jessas und –<br />

JOSEPH schnell. <strong>Joseph</strong>!<br />

MICHEL perplex. Der – <strong>Kaiser</strong> – <strong>Kaiser</strong> – <strong>Kaiser</strong><br />

[I/112]<br />

JOSEPH befehlend zu MICHEL. Still! Setzt die Brille wieder auf, zu Lisel. Wann bist Du aus der<br />

He<strong>im</strong>ath fort<br />

SING-LISEL. O Wochen nach dem großen Unglück, was mir in Tamingerhaus erlebt haben.<br />

JOSEPH. Ich weiß, das die Annerl verschwunden und ihr Großvater todt ist. Aber Du hättest<br />

doch <strong>im</strong> Hause bleiben können.<br />

SING-LISEL. Mi hats n<strong>im</strong>mer g’litten dort. Der<br />

[I/113]<br />

Sinn is mir eh nach Wien g’standen, so hab i die allergnädigsten Dukaten aufd Ras und<br />

aufs Gwand verwend’t, hab <strong>bei</strong> ein Wiener Musikanten a wegl Klampfenspielen gelernt<br />

und bin in d Wirthshäuser singen gangen. In derer kurzen Zeit bin i schon völlig aus<br />

g’schrien<br />

JOSEPH. Ich will hoffen, daß Du noch nicht verschrien bist<br />

MICHEL. Das könnt’ schon g’schehen Majestät wann i net wie der Teuxel dahinter wär. Aber<br />

i bin der Lisel wie a treuer Hund nach g’loffen, wann i a koan Dank für hab! I geh ihr den<br />

ganzen Tag nit von der Seiten, und <strong>bei</strong> der Nacht lieg i auf der Erd vor ihrer zu-<br />

[I/114]<br />

vor ihrer zu gug’sperrten Thüre, daß mi oft von Kälten und von Kümmerniß beutelt<br />

SING-LIESEL. Ja, ich muß’s dem Michel nachsagen, daß er für mi Alles thut, was nur a Verliebter<br />

ohne Hoffnung thun kann.<br />

MICHEL seufzend. Ohne Hoffnung –<br />

JOSEPH. Das erhöht seinen Verdienst! Aber nun sagt mir, ob Ihr Euch keines Fingerzeiges<br />

erinnert, der zur Entdeckung Annerl’s <strong>bei</strong>tragen könnte?<br />

SING-LIESEL. O kann nur das einzige sagen, daß i manchmal ein fremden Menschen um den<br />

Wald herumschleichen ge’sehen hab’ die Annerl’s<br />

[I/115]<br />

is fast jeden Tag zum Hirschengraben gangen. Mit Betonung. Wegen der Erinnerung an ein<br />

g’wissen Herrn, … bis von dort amal nit mehr hoam kummen is.<br />

MICHEL. Den schleichenden Kerl hab i a bemerkt, aber i hab seine Visage nit recht ausmachen<br />

können. Amal hab i wollen, aber da hat er sich glei auf d Seiten drückt<br />

SING-LIESEL. Mir kommt’s so vor, als wenn er dem gleich’ge’schaut hätt’, der mir hier in alle<br />

Wirthshäuser nachschleicht!<br />

MICHEL. Das is so a verdächtiger Zwetschenkrampus den i a mal <strong>bei</strong> Zweifackel packen mir!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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SING-LIESEL. Wenn man den Woffen nennt, kum[m]t<br />

er g’rennt, g’wiß hat er gehört, daß i be<strong>im</strong> Fassel sing<br />

[I/116]<br />

JOSEPH hinblickend. Den sollte ich kennen. Rasch zu Lisel. Empfange ihn allein und suche ihn<br />

über seine Absicht auszuforschen. Zu ROSENBERG. Wir verbergen uns hier hinter diesem<br />

Gebüsche. Zu MICHEL. Du hinter jenem, aber gieb keinen Laut von Dir!<br />

MICHEL. I wir so stat sein, wie a Stockfisch.<br />

Schlüpft hinter das Gebüsch lincks.<br />

7. Scene.<br />

SING-LIESEL. Dann KATZLHOFER. VORIGE.<br />

SING-LIESEL. Es wird mir viel Ueberwindung kosten, aber für unsern <strong>Kaiser</strong> wird mir’s net<br />

z’schwer! St<br />

Setzt sich an den Tisch Rechts.<br />

[I/117]<br />

KATZLHOFER ein ältlicher philiströs gekleideter Mann, heuchlerisch verschmitzte Miene,<br />

tritt durch das Gitterthürchen ein, blickt suchend um sich.<br />

[KATZLHOFER.] Aha! Da finde ich ja mein Schätzchen auf den ersten Blick, und allein, diese<br />

gute Gelegenheit will ich benützen. Tritt vor räuspert sich.<br />

SING-LIESEL scheinbar erfreut. Ah, da is ja mein getreuer Herr Nachläuferl.<br />

KATZLHOFER. Bleibe nur sitzen. Setzt sich. Was machst Du hier?<br />

SING-LISEL. Weil mir vom Singen, warm wor’n is, so schöpf’ i a bissel frische Luft.<br />

KATZLHOFER. Ist der bär<strong>bei</strong>ßige Lümmel nicht in der<br />

Nähe?<br />

SING LISEL. Der läßt sich <strong>im</strong> Saalettel traktiren<br />

[I/118]<br />

KATZLHOFER. Um so besser! Ich hab’ Dir in Kürze mitzutheilen, daß Du in Gefahr stehst!<br />

SING-LISEL. In was denn für einer Gefahr?<br />

KATZLHOFER. Als Person von zweifelhafter Moralität aufgegriffen und ins Spinnhaus<br />

gesteckt zu werden.<br />

SING-LIESEL. Gott steh uns <strong>bei</strong>!<br />

KATZLHOFER. Gründe werden leicht aufgefunden. Schon der einzige genügt, daß Du mit<br />

einen ar<strong>bei</strong>tsscheuen Burschen herumziehst, mit ihm sogar Dein Logis theilst.<br />

[I/119]<br />

SING-LIESEL. Er schlaft nur vor meiner zug’spirrten Thüre.<br />

KATZLHOFER. Das würde die Keuschheits-Commission nicht gelten lassen, und noch mehr<br />

wenn Du gegen mein zärtliches Herz nicht grausam bist.<br />

SING LIESEL lauernd. Könnt <strong>im</strong> denn der Herr in Schutz nehmen?<br />

KATZLHOFER. Niemand kann es besser als ich, denn … ich will es Dir <strong>im</strong> Vertrauen sagen,<br />

wer ich bin. Flüstert ihr ins Ohr.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

SING-LISEL. Da muß ich erst recht sagen: Gott steh mir <strong>bei</strong>!<br />

[I/120]<br />

KATZLHOFER. Ich will Dir ein Sittenzeugniß ausstellen, daß Dich gegen jede Verdächtigung<br />

unangreifbar macht. Dafür aber begehr ich, daß Du mich heute noch in meiner Wohnung<br />

besuchst.<br />

SING-LIESEL. Aber wenn ich mich dazu entschließen wollt, was saget denn die Keuschheits-<br />

Commission?<br />

KATZLHOFER sie umschlingend. Die halten wir mit einander zum Narren!<br />

JOSEPH mit ROSENBERG vortretend und ohne Brille, fest laut und scharf.<br />

[JOSEPH.] So spricht ein Vertreter der Sittlichkeit?<br />

KATZLHOFER springt auf. Ha! ist das eine Vision?<br />

JOSEPH. Nein es ist Wirklichkeit, Herr Keuschheitskommissions-Agent.<br />

KATZLHOFER. Eure Majestät erinnert sich meiner Wenigkeit! Das ist mir eine hohe Ehre!<br />

[I/121]<br />

JOSEPH. Die Ehre hat nichts mit der Erkennungskommission eines Schurken zu thun. Er<br />

wird zur Verantwortung gezogen werden.<br />

KATZLHOFER <strong>bei</strong> Seite. Jetzt einen diplomatischen Coup. Laut serviler Dreistigkeit. Eure<br />

Majestät würden mich dadurch verhindern höchst demselben einen wichtigen Dienst zu<br />

leisten.<br />

JOSEPH. Er … mir einen Dienst?<br />

[I/122]<br />

KATZLHOFER. Durch eine interessante Enthüllung die ich aber nur unter dem Siegel des<br />

Gehe<strong>im</strong>nisses …<br />

JOSEPH. Ich habe mit Seinesgleichen nichts Gehe<strong>im</strong>es, spreche Er vor Allen laut<br />

MICHEL vortretend. I bin zum zerspringen neugierig<br />

KATZLHOFER halblaut. Es betrifft ein gewisses Annerl!<br />

JOSEPH. Ha.<br />

SINGLIESEL die es gehört hat. Der Rauber is da!<br />

JOSEPH hastig. Wenn Du irgend Gnade hoffest so gestehe rückhaltslos, was mit jenem Mädchen<br />

vorgegangen ist.<br />

[I/123]<br />

KATZLHOFER. Ich habe sie mit Assistenz aufgehoben laut Befehl meiner Vorgesetzten und<br />

sicher auch mit Zust<strong>im</strong>mung Ihrer allergnädigsten …<br />

JOSEPH ihn unterbrechend. N<strong>im</strong>m den geweihten Namen nicht auf die Zunge! … Wohin hat<br />

man die Unglückliche gebracht?<br />

KATZLHOFER. Ins Königskloster zu Wien.<br />

SING-LIESEL. Die arme Annerl <strong>im</strong> Kloster<br />

KATZLHOFER. Wo sie meines Wissens das Gelübde bereits geleistet hat.<br />

MICHEL. Um das hat der Alte sterben müssen<br />

JOSEPH für sich. Und ich kann sie nicht mehr erlösen


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

KATZLH. Darf ich jetzt hoffen, daß Ew. Majestät in gewohnter Huld.<br />

JOSEPH. Ich werde meine Entschließung fassen! Fort!<br />

[I/124]<br />

KATZLH. Im Falle einer Untersuchung gegen mich, müßten delicate Dinge zur Oeffentlichkeit<br />

gelangen, und ich zweifle, daß es einer gewissen allerhöchsten Person? …<br />

JOSEPH. Fort, habe ich gesagt<br />

KATZLH. Ich hoffe auf Gnade! Mit Bücklingen ab.<br />

8. Scene.<br />

VORIGE. Ohne KATZLHOFER.<br />

SING-LISEL. Wern Ew. Majestat kein Macht-<br />

spruch thun, daß die arme Annerl frei wird<br />

[I/125]<br />

JOSEPH. Mein Kind gegen Klosterpforten pocht sogar ein <strong>Kaiser</strong> oft vergebens! Über die Stirn<br />

fahrend. Fort mit diesen Schmerz! Zum Singliesel. Sprechen wir jetzt von Dir, der ich für die<br />

mittelbare Aufklärung Dank schuldig bin. Willst Du noch hier h bleiben nachdem Du den<br />

gefährlichen Wiener Boden kennen gelernt hast?<br />

MICHEL. Bitt’ unterthänigst, schickens Eure Majästet wieder he<strong>im</strong>!<br />

SING-LISEL schüchtern. I hab mir halt in Wien a Versorgung da singen wollen.<br />

JOSEPH. Die beste Versorgung findest Du <strong>bei</strong><br />

einem braven Mann.<br />

SING-LISEL. Aber wo is denn geschwind Aaner!<br />

MICHEL. Da Lisel, da!<br />

JOSEPH. Hältst Du diesen Burschen für brav und treu?<br />

[I/126]<br />

SING-LIESEL. Ja Majestät, aber … aber a wengl gescheidter und an wengl feiner, und a wengl<br />

saubriger konnt er schon sein.<br />

MICHEL. I kann mich ja noch schöner ausmachten.<br />

SING-LISEL. Und versorgt wär i mit ihm just a nit.<br />

JOSEPH zu Michel. Hast Du nichts gelernt?<br />

[I/127]<br />

MICHEL rasch. Ja Gärnterei, Ew. Majestät. Als a ganz jung, bin i Gärtnerg’hilf be<strong>im</strong> Grafen<br />

Waldenek gewesen, aber er hat mich fortg’jagd weil i <strong>bei</strong> seinen Ungerechtigkeiten s Maul<br />

nit hab halten können?<br />

JOSEPH. Das spricht zu Deinen Gunsten: So höre: Wirst Du recht fleißig sein und gelehrig,<br />

wenn ich Dich zum Gehilfen des alten Schloßgärtners mache, und Dir die Nachfolge in<br />

seiner Stelle zutrage?<br />

MICHEL. O Majestät! i wollt Tag und Nacht studiren, wie man’s macht, daß die Bamer bis in<br />

H<strong>im</strong>mel wachsen.<br />

[I/128]<br />

JOSEPH. So hoch ists nicht nöthig! Ich sage Dir also die Stelle zu, doch nur unter der Bedingung,<br />

daß sich die Liesel entschließt, Dein Weib zu werden<br />

SING-LIESEL erschrocken. Aber gnädigster Herr <strong>Kaiser</strong>!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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KAISER JOSEPH. Ich will es zu Deinem Besten.<br />

MICHEL. Lisel, um Gotteswillen, sag ja, wanns a nur wegen der Versorgung wär.<br />

SING-LIESEL nach kurzen Zögern. Also auf <strong>Kaiser</strong>lichen Befehl …wegen meiner.<br />

MICHEL sie umarmend. Juchhe! Das soll a <strong>Kaiser</strong>hochzeit wern. und über’s Jahr a <strong>Kaiser</strong>kinds<br />

Taufen<br />

[I/129]<br />

und noch a Dutzend <strong>Kaiser</strong>kinds Taufen.<br />

SING-LIESEL. Aber Michel genier Dich doch!<br />

MICHEL. Vor an solchen <strong>Kaiser</strong> giebts koan Schenieren!<br />

JOSEPH für sich. Glücklicher Mensch! Könnte ich doch auch so glücklich sein, aber mir ist’s<br />

nicht vergönnt, armes Annerl!<br />

9. Scene.<br />

VORIGE. ALLE ANDEREN drängen sich ungestüm, weinselig aus dem Hause.<br />

LÜFTE. Na was ist’s denn Sing-Lisel! Laßt Dich Dein Sult’l noch allweil net aus? Mir scheint<br />

gar, die zwaa haamlichen fremden Herrn. Erkennt <strong>Joseph</strong>. Heiliger Florian, der <strong>Kaiser</strong>!<br />

[I/130]<br />

ALLE bange. Der <strong>Kaiser</strong>! Pause.<br />

JOSEPH nachdem er sie gemustert. Ich habe mich überzeugen wollen wie mein Volk Unterhaltungen<br />

sucht. Ich sehe hier Handwerker, Ar<strong>bei</strong>terinnen, auch gemeine Soldaten deren<br />

Lohn zur Schwelgerei nicht hinreichend ist. Woher kommt also das Geld, oder der Credit<br />

dazu.<br />

WIRTH demüthig. Geruhen Eure Majestt allergnädigst mir die Aufklärung zu kommen zu<br />

lassen. Ich habe unter meinen Gästen auch reiche Leut, die für d’Andern zur Unterhaltung<br />

gern zahlen, da is zum Beispiel der Herr Lüfte vierfacher Hausherr von Spittelberg.<br />

LÜFTE. Unterthänigst aufzuwarten, Majestät!<br />

[I/131]<br />

Ich bin halt a gmüthlicher und fideler Geist, mein Wahlspruch is: Leben und leben lassen.<br />

JOSEPH. Man läßt Leute vom Ar<strong>bei</strong>terstande besser leben, wenn man ihnen lohnende Ar<strong>bei</strong>t<br />

schafft, als wenn man sie zur Genußsucht und Unmäßigkeit verleidet.<br />

WIRTH. Sonst könnten ja d Wirth net Steuern zahlen.<br />

JOSEPH streng zum Wirth. Ich rathe ihm, Sein übelbeleumundetes Local in bessern Ruf zu<br />

bringen, wenn es ihm nicht gesperrt werden soll. Zu Lüfte. Ihm rathe ich den Uerberfluß<br />

seines Einkommens auf vernünftige Art zu verwenden. Und auf Allen<br />

[I/132]<br />

rathe ich Geld und Gesundheit nicht zu vergeuden. Bringt Euren wohlmeinenden <strong>Kaiser</strong><br />

nicht in die Lage, daß er seinen Stolz, ein „Volkskaiser“ genannt zu werden, aufgeben muß,<br />

das wäre für mich ein Schmerz, und für Euch ein Unglück. Adieu Kinder!<br />

ALLE jubelnd. Vivat! Hoch <strong>Joseph</strong> der Zweite.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH und ROSENBERG ab.<br />

10. Scene.<br />

VORIGE. Ohne JOSEPH & ROSENB.<br />

WIRTH. Heut hab ich mein ordentlichen Rippler kriegt, aber i bin doch a Wirth, der’s versteht.<br />

SOLDAT lacht. Wie schad’t’s in Avancement, a was übern Gfreiten kann ich’s net<br />

bringen, und an Rippler hat schon mancher General kriegt.<br />

WÄSCHERIN. Recht hast Schorschel, bleib nur fidel.<br />

[I/133]<br />

MICHEL. I laß über’n <strong>Kaiser</strong> nix kommen. Er hat mir zum <strong>Kaiser</strong>lichen Gärtnergehilfen und<br />

zu der Singliesel ihren Bräutigam g’macht, für das bin i sein Silar mit Leib und Seel.<br />

LÜFTE zur SINGLIESEL. Was der is Dein Bräutigam?<br />

ALLE lachen. Hahahahaha!<br />

MICHEL. Da gibts gar nix zum Lachen.<br />

LÜFTE. Der is ja zu wenig sauber für Die!<br />

SING LIESEL singt schelmisch.<br />

Mit’m Michel seiner Schönheit<br />

Steht’s oft so … so<br />

Aber gerne, aber gerne, aber gerne hab ich ihn do<br />

MICHEL & DIE ANDEREN. Aber gern, aber gern hab ich ihn do!<br />

[I/134]<br />

SING-LISEL. Ja es is Ernst, daß i Frau Gärtnergehilfin, und später, wenns gut geht, <strong>Kaiser</strong>liche<br />

Frau Schloßgärtnerin wir. Heut noch fahr, i mit dem Michel in unser He<strong>im</strong>ath z’ruck!<br />

LÜFTE. Da wird die Wienerstadt untröstlich sein. Aber waaßt was? machen mir früher noch<br />

a Tanzerl miteinander.<br />

SING-LIESEL. Wegen meiner.<br />

MICHEL. Das verlaubt meine Eifersucht nit.<br />

SING-LIESEL. Die Eifersucht mußt Dir abg’wöhnen sonst gibt’s <strong>im</strong> Ehestand nur Verdruß.<br />

MICHEL <strong>bei</strong> Seite. Mir soll’s nur <strong>im</strong> Ehestand trau’n,<br />

wenn i schiach wir. N<strong>im</strong>mt eine Tänzerin.<br />

Gesang und Tanz.<br />

[I/135]<br />

SING LISEL.<br />

Weil i die Wienerstadt<br />

jetzt muß verlassen<br />

Will i die Gelgegenheit grad<br />

G’schwind noch da fassen,<br />

Daß i als Tänzerin<br />

Mir produzier in Wien<br />

Tanzt’s Alle g’müthlich hier


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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Jetzt landlerisch mit mir! :|<br />

2.)<br />

Pfirt Eng Gott, Wienerblut,<br />

Bleibt nur fein munter,<br />

Daß’s geht voll, Lüstigkeit<br />

Drüber und Drunter<br />

Daß’s Eng nur ja nit kränkt’s<br />

|: Tanzt’s recht fidel noch hier<br />

Schieberisch mit mir. :|<br />

[I/136]<br />

SING-LIESEL tanzt schon während dem Singen mit LÜFTE einen Schieberischen Wienertanz, die<br />

ANDERN miteinander in stürmischer Lustbarkeit. Zum Schluß will LÜFTEL die SING-LIESEL<br />

küssen. MICHEL schleudert ihn weg und reißt sie an sich.<br />

|: GRUPPE :|<br />

VIERTES BILD.<br />

PERSONEN.<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>.<br />

Rittmeister Selbing, Adjutant.<br />

Hellbrunner <strong>Joseph</strong>.<br />

Sing-Liesel.<br />

Hofrath Fein.<br />

Aurora, Eulalia, Huberta, Zephirine,<br />

seine Töchter.<br />

[I/137] Windhose, Literat aus Berlin.<br />

Ein Landpfarrer.<br />

Ein Bürger.<br />

Ein Pamphelist.<br />

Studenten. Spaziergänger.<br />

Freier Platz <strong>im</strong> Augarten, von wo aus mehrere Aleen auslaufen. Im Hintergrunde<br />

Rechts der Eingang zum <strong>Kaiser</strong>lichen Schlosse; vor demselben ein Grenadier-<br />

Wachposten. Im Prospect Fernsicht über die Gartenmauer an den Coulissen einige<br />

Gartenbänke.<br />

1. Scene.<br />

HOFRATH FEIN. AURORA. EULALIA. HUBERTA. ZEPHIRINE. Später JOSEPH.<br />

ALLE elegant gekleidet von Rechts.<br />

FEIN zirlich höfisch <strong>im</strong>mer auf dem Fußspitzen trippelnd. Wir sind zur Stelle Kinderchen. Ich bitte<br />

[I/138]<br />

Euch um Alles in der Welt Kinderchen, vergeßt meine Instructionen nicht, es ist von<br />

höchster Wichtigkeit<br />

AURORA. Der Posten präsentirt, wahrscheinlich kommt der <strong>Kaiser</strong>.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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FEIN. Wendet Euch ab, wir dürfen ihn scheinbar nicht bemerken. Heute ist Sonntag! Beten<br />

wir unter freien H<strong>im</strong>mel für das Heil unseres geliebten <strong>Kaiser</strong>s!<br />

ALLE MÄDCHEN halten die Hände. Für das Heil unseres geliebten <strong>Kaiser</strong>s.<br />

JOSEPH vortretend, lächelnd. Danke für das aufrichtige Gebet<br />

FEIN scheinbar erschrocken.<br />

Ha! Seine Majestät.<br />

ALLE MÄDCHEN ebenso. Ha Seine Majestät!<br />

JOSEPH. Sie haben nicht zu erschrecken, weder die Fräuleins, noch der Herr Hofrath Fein.<br />

FEIN. Euer Majestät geruhen sich meiner zu erinnern<br />

JOSEPH. Habe ich Ihnen doch selbst vor Kurzem Ihre Pensionirung mitgetheilt.<br />

FEIN. Ach es war mein schmerzlichster Augenblick!<br />

[I/139]<br />

JOSEPH. Wir haben zu viele Hofräthe und der Staat muß mit den Gehalten sparen.<br />

[I/140]<br />

FEIN. Ich habe mich dem allerhöchsten Beschlusse in Demuth unterworfen. Seufzend. Aber<br />

meine armen Kinder<br />

JOSEPH. Nach der Toilette zu urtheilen, scheinen Sie nicht so ganz arm zu sein.<br />

FEIN. Sie müssen doch standesgemäß erscheinen.<br />

JOSEPH lachend. Um Eroberung zu machen! Bei so vielen Reizen kann das wol nicht fehlen.<br />

AURORA seufzend. Ach Majestät, die Männer, sind heutzutage so kaltherzig<br />

EULALIA. So egoistisch<br />

ZEPHIRINE. So pendantisch –<br />

HUBERTA. Und so tyrannisch!<br />

[I/141]<br />

JOSEPH. Hören Sie Selbing, wie unser Geschlecht von schönen Richterinnen verurtheilt<br />

wird? Da würde es vergeblich sein einen heirathslustigen zu protegiren!<br />

FEIN schnell. O wenn Ew. Majestät diese Gnade hätten, würde sich jede meiner Töchter mit<br />

Entzücken unterwerfen<br />

ALLE MÄDCHEN. Mit Entzücken, Euer Majestät!<br />

JOSEPH. Der Geschmack ist verschieden.<br />

AURORA. Ich würde um einen schönen Offizier bitten.<br />

EULALIA. Ich um einen hohen B[e]amten.<br />

ZEPHIRINE. Und ich um einen Millionär<br />

FEIN. Aber sie thun es auch umgekehrt!<br />

[I/142]<br />

JOSEPH mit Geberde der Entlassung. Wenn sich solche Parthien finden, will ich für die Ausstattung<br />

der Bräute sorgen.<br />

FEIN. O beglückendes Gnadewort!<br />

AURORA. Mein nächstes Gedicht soll die Gnade Eurer Majestät verherrlichen<br />

EULALIA. Jeder Ton meiner Instrumente soll zum Preis des allergnädigsten <strong>Kaiser</strong>s erklingen.<br />

ZEPHIRINE. Ich werde einen neuen Tanz erfinden, und ihn <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong>’s Tanz betiteln.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[I/143]<br />

HUBERTA. Und ich werde be<strong>im</strong> Parforçe reiten das Kühnste wagen, um mich der kaiserlichen<br />

Gnade würdig zu zeigen<br />

ALLE. Vivat, unser gnädigster Monarch! Mit Referenzens links ab.<br />

2. Scene.<br />

JOSEPH. SELBING.<br />

JOSEPH. Hahaha! für die soll ich Heirathsparthien schaffen. Ich hoffe von der männlichen,<br />

daß ich nicht in die Lage komme, mein Versprechen halten zu müssen.<br />

SELBING. Die Mädchen scheinen etwas närrisch<br />

JOSEPH. Ich halte sie auch [für] heuchlerisch, wie den Papa!<br />

[I/144]<br />

SELBING. Das ist ein strenges Urtheil, Majestät, ich möchte nicht gerne ungerecht urtheilen.<br />

JOSEPH. Weil sie selbst durch ein ungerechtes Urtheil gelitten haben. Hätte ich vor Jahren<br />

nicht den Spittelberg besucht, so säßen Sie heute noch in unverdienten Banden.<br />

SELBING. Ew. Majestät sind als befreiender Engel in meinem Kerker getreten, wohin mich<br />

die falsche Anklage geführt hat.<br />

JOSEPH. Es war ein schändliches Complott, das Kriegsgericht wurde durch gefälschte<br />

Documente getäuscht. Ich habe<br />

[I/145]<br />

schärfer gesehen, die Fälscher wurden erwischt und bestraft, aber der Hauptschuldige, der<br />

Anstifter Graf Waldenek ist durch den Tod seiner Strafe entgangen.<br />

SELBING. Ich verzeihe ihm, denn seiner schlechten That habe ich die Gnade Eurer Majestät<br />

zu danken.<br />

JOSEPH. Sie haben den Dank abgetragen, in dem Sie mich <strong>bei</strong> einer Recognoscirung <strong>im</strong> bairischen<br />

Erbfolgekriege mit Lebensgefahr vor der Gefangennahme durch preußische Hussaren<br />

retten. Dafür habe ich sie zum Rittmeister und zu meinem Adjutanten gemacht, aber<br />

bis jetzt konnte ich Ihnen, den schweren Verlust, den Ihrer edlen Geliebten nicht ersetzen<br />

[I/146]<br />

SELBING. Ach meine theure Ludmilla. Sie hat sich von der Zumuthung, den unwürdigen<br />

Baron Janoviz zu heirathen, in das Kloster geflüchtet. Seit zehn Jahren ist mein Herzensunglück<br />

<strong>im</strong> Königskloster zu Wien begraben.<br />

JOSEPH. Auch ein Theil von den meinigen. Armes Annerl!<br />

3. Scene.<br />

VORIGE. SING-LIESEL. Später HELLBRUNNER.<br />

SING-LIESEL stattlich ländlich gekleidet, corpulent geworden, tritt rasch von rechts auf, freudig. Ach<br />

Gottlob! Da ist er ja, unser guter gnädigster Herr <strong>Kaiser</strong>!<br />

JOSEPH freundlich. Ei siehe da! Die ehemalige Sing-Liesel<br />

SING-LIESEL tief knixend. Jetzige Hofgärtnerin durch allerhöchste Gnade!<br />

JOSEPH. Was führt denn Dich von Waldenek nach Wien?<br />

[I/147]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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SING LIESEL. Erstens die Sehnsucht unsern <strong>Kaiser</strong>lichen Wohlthäter wieder amol von Angesicht<br />

zu Angesicht zu sehn! Mein Mann laßt seinen allerunterthänigsten Respect vermelden.<br />

JOSEPH. Wie geht es Euch Beiden?<br />

SING-LIESEL. So gut, wie’s a paar zufriedenen Eheleute mit einen sichern Brod und sechs<br />

Kindern gehen kann. Es wären schon Siebene, aber eines haben wir durch die Rachenbräun’<br />

verloren.<br />

[I/148]<br />

JOSEPH. Wenn nur die Andern gesund sind!<br />

SING LIESEL. G’sund wie die Schnecken und brav und fleißig sein’s a. Mei Bua, der <strong>Joseph</strong><br />

den Ew. Majestät haben allersgnädigst aus der Tauf haben lassen, der hat mir’s auf d Seel<br />

bunden, i soll Ew. Majestät ausrichten daß er unterthänigst d’Hand küssen laßt, und daß er<br />

schon’s <strong>Kaiser</strong>liedl singen kann<br />

JOSEPH. Ich lasse ihm sagen, daß es mich herzlich freut. Das war erstens … und zweitens<br />

SING-LIESEL. Zweitens, zweitens Majestät … bin i so frei g’wesen und hab mi zur<br />

Fürbitterin für ein Bekannten antragen.<br />

JOSEPH. Dieser ist.<br />

SING-LIESEL. Unser <strong>Joseph</strong> Hellbrunner.<br />

[I/149]<br />

JOSEPH. Derselbe, der auf die Gleichheit seines Namens und seiner Geburtszeit mit der<br />

meinigen so stolz ist.<br />

SING-LIESEL. Derselbe! Schüchtern. Und es is a noch ein’ andere Gleichheit da, Euer Majestät<br />

wern verzeihn der Hellbrunner kann kann die arme Annerl net vergessen<br />

JOSEPH rasch. Hat er sie denn geliebt?<br />

SING-LIESEL. Er ist wegen der Annerl ledig blieben das will <strong>bei</strong> an g’sunden Manns-<br />

bild in sein Alter was sagen.<br />

JOSEPH. Und was wünscht er von mir.<br />

AMA LIESEL. Wann Ew. Majestät gnädigst erlauben, so wird er’s Weitere selber sagen.<br />

JOSEPH. Ist er denn hier?<br />

LIESEL. Ja dort hinter die Bam versteckt.<br />

JOSEPH. Lasse ihn kommen.<br />

SING-LIESEL nickt in die Coulisse.<br />

JOSEPH trüb lächelnd. Ein Rival meiner gehe<strong>im</strong>en Liebe<br />

SING-LISEL. Da is er.<br />

HELLBRUNNER sichtlich gealtert und gedrückt, verneigt sich tief.<br />

[I/150]<br />

JOSEPH. Er ist der lustige und übermüthige <strong>Joseph</strong> Hellbrunner. Hat sich stark verändert.<br />

[I/151]<br />

HELLBRUNNER. Just so stark wie mein Schicksal Ew. Majestät, früher ist mir auf der Welt<br />

gar nix abgangen und jetzt g’spür i daß mir mit der Annerl Alles abgeht.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

JOSEPH. Er hat also sein Gefühl erst nachträglich entdeckt?<br />

HELLBRUNNER. Ich bin als a Junger h leicht und hofffährtig gewesen, weil i a Geld g’habt<br />

hab’, und weil i <strong>im</strong> Dorf der einzige Freibauer war. Seit aber Ew. Majestät z’erst unsere und<br />

nachher alle Bauern in Oesterreich frei g’macht haben, ist mir die Hoffart vergangen. Und<br />

seit d’Annerl <strong>im</strong> Kloster steckt, kenn i mi schier vor Trübsal nit aus. D’Lieb hat mi g’straft,<br />

daß i in der Jugend z’leicht g’wonnen hab, jetzt weils Alter kommt,<br />

[I/152]<br />

plagt’s <strong>im</strong> Dafür um so ärger.<br />

JOSEPH lächelnd. Wir <strong>bei</strong>de sind ja noch nicht so alt.<br />

HELLBRUNNER stolz u. freudig. Der <strong>Kaiser</strong> redt gar gern mit mir. Das macht mir Curage, daß<br />

ich ein unterthängist Gebitt zu dem Füßen leg.<br />

JOSEPH. Wenns in meiner Macht steht.<br />

HELLBRUNNER rasch. In der <strong>Kaiser</strong>lichen Macht steht Alles, so kann a d’Annerl aus dem<br />

Kloster frei werden.<br />

JOSEPH. Und wenns möglich wäre, was dann?<br />

HELLBR. Dann will i so lang, vor ihr auf die Knie umrutschen, bis’s aus Barmherzigkeit mein<br />

Weib wird.<br />

[I/153]<br />

JOSEPH sich vergessend heftig. Was!? Sein Weib?<br />

SING-LIESEL HELLBRUNNER anfassend. Bueck …<br />

HELLBR. erschrocken. Ja so!<br />

JOSEPH nach einer Pause. Ich glaube guter Mann, daß die Annerl sich kaum dazu entschließen<br />

würde.<br />

HELLBR. Wenn Ew. Majestät die gnädigste Gnade haben wollte, ihr ans Herz z’reden.<br />

JOSEPH für sich. Ihr ans Herz … für einen Andren! Laut. Wir werden sehen, was möglich ist.<br />

HELLBR. freudig. Nachher is schon Alles gut. Gott segne<br />

Euer Majestät viel tausend mal!<br />

JOSEPH freudig. Er kann jetzt gehen<br />

SING-LIESEL zu JOSEPH. Dürfen wir mit einand den Augarten anschauen.<br />

JOSEPH. Über den Eingange steht: „Allen Menschen gewidmet von ihren Schätzer“!<br />

SING-LIESEL. Das steht <strong>im</strong> <strong>Kaiser</strong> sein Herzen a!<br />

[I/154]<br />

HELLBR. Und <strong>im</strong> Volk sein Herzen steht dafür: „Lieb und Treu und Dankbarkeit!“Ab mit<br />

SING- LISEL.<br />

4. Scene.<br />

JOSEPH. SELBING. SPAZIERGÄNGER. Dieselben begingen sich zu sammeln. ALLE begrüßen <strong>im</strong><br />

Vor<strong>bei</strong>gehen den den <strong>Kaiser</strong> ehrfurchtsvoll.<br />

[I/155]<br />

JOSEPH. Sie meinen es aufrichtig.<br />

SELBING. Wie Millionen Andere. Sehen Ew. Majestät wie mit liebevoller Ehrfurcht man von<br />

allen Seiten grüßt.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

http://lithes.uni-graz.at/texte.html<br />

JOSEPH erblickt den Literaten WINDHOSE, der hinter einer Gruppe steht und in ein Notizbüchel<br />

schreibt.<br />

Was schreibt denn dieser Herr!?<br />

WINDHOSE karrikirt, excentrische Geberde. Berliner Dialect, tritt pathetisch vor.<br />

[WINDHOSE.] Einen Pannyirikus auf Eure <strong>Kaiser</strong>liche Majestät, wozu ik mir <strong>im</strong> Augarten<br />

Daten sammle.<br />

JOSEPH. Zum eigenen oder öffentlichen Gebrauch<br />

WINDHOSE. Zum Jebrauch für janz Deutschland.<br />

JOSEPH. Ihr Name?<br />

WINDHOSE. Doctor Balduin Windhose, Literator und canditur philisophia aus Berlin.<br />

JOSEPH. Was hat Sie nach Wien geführt?<br />

[I/156]<br />

WINDHOSE. Die Fama Euer <strong>Kaiser</strong>lichen Majestät, hat mir gewissermaßen hierher jeblasen.<br />

JOSEPH. Und Sie wollten ihr <strong>im</strong> Blasen Concurenz machen.<br />

WINDHOSE. Ja Majestät. Janz Deutschland soll durch mir erfahren, dat <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> noch<br />

größer ist, als der jroße Fritze von Preußen.<br />

[I/157]<br />

JOSEPH. In Berlin werden Sie umgekehrt sprechen.<br />

WINDHOSE. Ne Majestät! Ick bin gewissermaßen die personifizirte Wahrheit<br />

JOSEPH. Wenn Sie das sind, so sagen Sie unverblümt, was Sie von mir als Deutschen <strong>Kaiser</strong><br />

halten.<br />

WINDHOSE. Det Unjeheuerste Majestät, det Pyramidalste. Seit Friedrich Barbarossa hat<br />

noch keen Deutscher <strong>Kaiser</strong> so Herrliches geleistet.<br />

JOSEPH. Die Deutschen Fürsten scheinen darüber anders zu denken, weil sie mir oft genug<br />

Prügel unter die Füße werfen.<br />

[I/158]<br />

WINDHOSE. Aber det Deutsche Volk ist vor <strong>Kaiser</strong>liche Majestät, wenn es nur jenugsam in<br />

Begeisterung versetzt wird, dazu schreibe ick meine Pannyirikus, aber Eure Majestät wollen<br />

jnädigst zu erwagen geruhen det … die Druckkosten theuer sind!<br />

JOSEPH. Haben Sie keine Mittel!<br />

WINDHOSE. Ick habe, wie man zu sagen pflegt, nur eenen Rock, enen Jott. Ich bin durch<br />

und durch en Deutscher Literator.<br />

JOSEPH. Herr Adjutant.<br />

SELBING. Befehlen Majestät?<br />

JOSEPH. Führen Sie diesen Mann in die Schloß-<br />

kanzlei und lassen ihm dort fünfzig aufzählen.<br />

WINDHOSE erschrocken schnell. Prügel Ew. Majestät?<br />

JOSEPH. Nicht doch Dukaten.<br />

[I/159]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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ALLE lachen.<br />

zu SELBING. Aber gegen den Revers, daß er nie einen Pannejirikus auf mich drucken läßt.<br />

WINDHOSE. Wenn ick für Alles Nichtgedruckte fünfzig Ducaten erhalte, resignire ick uff die<br />

janze Erfindung Juttenberg’s.<br />

JOSEPH. Da<strong>bei</strong> würde mir die Wahrheit gewinnen.<br />

SELBING. Folgen Sie mir!<br />

WINDHOSE. Jeruhen Euer Majestät mir die Schluß-<br />

[I/160]<br />

verse meines ungedruckten bleiben sollenden Poems zu vernehmen. Deklariert, komisch<br />

pathetisch.<br />

„Ich habe in Wien gesehen <strong>Joseph</strong> den Zweiten,<br />

„Mein Lobgesang dringt in die weitesten Weiten,<br />

„Er ist een Monarch, wie keen Zweiter zu finden,<br />

„Selbst Fritze, der Jroße, bleibt gegen ihn hinten,<br />

„Vor lauter Begeisterung wahnsinnig bin<br />

„Ick Balduin Windhose, Literat aus Berlin.<br />

Ab mit SELBING.<br />

JOSEPH. Dankt mir, daß ich es nicht drucken lasse, das hätte uns in einen neuen Krieg mit<br />

Preußen verwickeln können. Den Landpfarrer bemerkend.<br />

[I/161]<br />

Ah’ sieh da, ein geistlicher Herr!<br />

LANDPFARRER ein alter Mann mit weißen Haaren ist ganz <strong>im</strong> Hintergrunde<br />

gestanden, kommt schüchtern vor.<br />

LANDPFARRER. Ew. Majestät unterthänigst zu dienen<br />

JOSEPH. Sie haben am Sonntage freie Zeit.?<br />

LANDPFARRER. Ich werde noch f viel freie Zeit haben, denn ich bin zur Strafe sußpensirt<br />

JOSEPH. Zur Strafe! Wofür?<br />

LANDPFARRER. Weil ich von der Kanzel herab zu warm für das Toleranzedickt gesprochen<br />

habe.<br />

JOSEPH. Kann man zu warm für etwas Gutes sprechen?<br />

LANDPFARRER. Das hohe Consistorium scheint es so zu glauben!<br />

JOSEPH. Waren Sie <strong>bei</strong> Ihren Pfarrkindern beliebt?<br />

[I/162]<br />

LANDPFARER. Sie haben um mich so schmerzlich geweint, wie um einen scheidenden Vater.<br />

JOSEPH. Und solche Priester werden suspendirt! Sie werden mir Näheres mittheilen, kommen<br />

Sie morgen zur Audienz! Oder nein, noch besser. Begleiten Sie mich auf dem Spaziergange,<br />

aber Sie sind schwach, ich will Sie führen<br />

LANDPFARRER gerührt. O Majestät!<br />

[I/163]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH zum VOLKE. Es gehört auch zum Gottesdienst, daß man einen würdigen Gottesmann<br />

Achtung bezeugt.<br />

Führt den LANDPFARRER Links fort.<br />

BÜRGER. Und da schreien die Verleumder, daß unser <strong>Kaiser</strong> die Geistlichkeit verfolgt. Gehn<br />

wir ihm nach, daß wir ihm unsere anhängliche Liebe beweißen<br />

ALLE. Ja, ja, ja, gehen wir ihm nach. Ab links.<br />

5. Scene.<br />

PAMPHLETIST eine verdächtige Figur schleicht von rechts her<strong>bei</strong>, sieht lauernd umher.<br />

[PAMPHLETIST.] Wie er sich populär zu machen sucht. Aber wir verderben es ihm, wir lassen<br />

Pamphlet auf<br />

[I/164]<br />

Pamphlet gegen gegen ihn ar<strong>bei</strong>ten, bis er der Reformschwindelei müde wird! … Alle sind<br />

ihm nach. Der Posten steht abgewendet. Die Gelegenheit ist gut, mir um ihn mein bissigstes<br />

Pampflet unter die Nasen zu heften.<br />

Zieht ein Plakat hervor und beginnt es links vor einem Baum zu kleben.<br />

Hahaha: Da hat das dumme Volk was zu kauen.<br />

6. Scene.<br />

VORIGE. Die STUDENTEN von Rechts. Es sind 10 oder 12 Studenten in akademischer Tracht<br />

von Damen dargestellt.<br />

1. STUDENT. Halt Herr, was macht er da?<br />

PAMPHLETIST für sich. O verflucht! Die Studenten habe ich gar nicht bemerkt!<br />

ANDERE STUDENTEN. Wir fragen was er macht?<br />

PAMPHLETIST dreist. Ich habe eine Unterhaltungs-Affiche ankleben wollen<br />

[I/165]<br />

1. STUDENT. Wir kennen ihn, er ist ein berüchtigter Pampfletenschmierer. Her mit den<br />

Wisch!<br />

ALLE. Her mit den Wisch!<br />

PAMPHETIST. Von Euch Ihr naseweißen Jungen lasse ich mir nichts befehlen<br />

1. STUDENT zu den ANDEREN. Fest gepackt, Commitonen.<br />

ALLE um ringen den PAMPHLETISTEN und halten ihn fest.<br />

1. STUDENT.<br />

Und jetzt wollen wir lesen.<br />

[I/166]<br />

Entreißt ihm das Plakat, überblickt es.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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Ha! ein niederträchtiger Spott auf den <strong>Kaiser</strong>, die Unterschrift „<strong>Joseph</strong> der Menschenfreund<br />

mit drei Fragezeichen? Na wart Kerl gefreu Dich, daß sollst Du büßen. Pauken wir<br />

ihn fest durch!<br />

ALLE. Pauken wir ihn durch.<br />

Schlagen ihn mit den Fäusten.<br />

PAMPHLETIST sich windend. Wollt Ihr mich auslassend, Ihr Banditen?<br />

1 STUDENT. Bis Du genug hast.<br />

SELBING. Was giebt es hier! Eine Rauferei <strong>im</strong><br />

<strong>Kaiser</strong>lichen Parke?!<br />

7. Scene.<br />

VORIGE. SELBING. Aus dem Schlosse.<br />

[I/167]<br />

1 STUDENT. Keine Rauferei Herr Offizier, nur ein Act der Gerechtigkeit. Dieser Elende hat<br />

ein Pamphlet auf den <strong>Kaiser</strong> an den Baum kleben wollen. Hier ist es!<br />

SELBING n<strong>im</strong>mt das Papier. Infam! Brav Ihr Burschen, daß Ihr einen Verleumder des <strong>Kaiser</strong>s<br />

fest genommen habt.<br />

DIE STUDENTEN. Wir halten ihn bis zum Galgen fest!<br />

PAMPHLET. Ich berufe mich auf die Zensurfreiheit<br />

SELBING. Schweig Schurke. Hier kommt der <strong>Kaiser</strong><br />

8. Scene.<br />

VORIGE. JOSEPH. LANDPFAR[R]ER.<br />

[I/168]<br />

FEIN mit seinen TÖCHTERN. HELLBRUNNER mit SING-LIESEL. ALLE Andern bilden einen<br />

großen Halbkreis.<br />

JOSEPH. Was ist hier vorgefallen? Warum halten die jungen Leute jenen Mann fest?<br />

1. STUDENT. Weil er ein Hallunke ist, Majestät.<br />

ALLE STUDENTEN. Ein <strong>Kaiser</strong>feind.<br />

SELBING. Er hat diese Schamschrift hier angeklebt.<br />

JOSEPH. Lassen Sie mich sie lesen. N<strong>im</strong>t das Plakat und lies’t es aufmerksam.<br />

Gedränge <strong>im</strong> <strong>Volke</strong>:<br />

FEIN. Drangt doch nicht so vor, Ihr tretet ja feinen Personen auf die Füße<br />

[I/169]<br />

BÜRGER. Daß wir eppen dem Herrn nit fein genu sein. Der <strong>Kaiser</strong> find’t uns nit für z’grob!<br />

SELBING. Ruhe! Ruhe!<br />

HELLBR zur SING-LISEL. Schau mir den <strong>Kaiser</strong> an, wie er be<strong>im</strong> lesen dieser Schandschrift<br />

lächelt.<br />

SING-LIESEL. Unser Herrgott lächelt ja a, wenn er vom undankbaren Menschenvolk beleidigt<br />

wird!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. Nachdem er gelesen ruh[i]g. Nehmen Sie das Blatt, Herr Adjutant lassen Sie es vervielfältigen<br />

und sorgen Sie, daß es an allen auffälligen<br />

[I/170]<br />

Plätzen angeschlagen wird.<br />

SELBING betroffen. Dieses Blatt Ew Majestät<br />

JOSEPH. Ja. Man soll das Urtheil meiner Feinde kennen lernen, um es mit dem meiner<br />

Freunde zu vergleichen.<br />

1 STUDENT. So spricht ein <strong>Kaiser</strong>!<br />

SELBING. Und dieser Majestätsbeleidiger soll nicht inguirirt werden.<br />

JOSEPH. Nein ich will selbst seinen Namen nicht kennen, damit ich seine Person vergessen<br />

kann.<br />

HELLBR. zur LIESEL. Ihr ließt ihn aufhängen.<br />

SING LIESEL. Ihr seids halt nur der <strong>Joseph</strong> Hellbrunner.<br />

JOSEPH. Lasset ihn frei er möge gehen.<br />

1 STUDENT. Lumpenhund, Du hast Glück!<br />

PAMPLETIST. Popularitäts Hascherei, aber sie kommt mir zu Gunsten! Rechts ab.<br />

9. Scene.<br />

VORIGE. Ohne PAMPHL.<br />

JOSEPH zu den STUDENTEN tretend freundl.<br />

[JOSEPH.] Ihr habt also zu meiner Parthei gehalten?<br />

[I/171]<br />

1 STUDENT. Es giebt keinen Wiener Studenten, der nicht mit ganzer Seele zur Parthei<br />

[I/172]<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong>’s hält! Vivat der <strong>Kaiser</strong>.<br />

ALLE. Vivat Hoch der <strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>.<br />

JOSEPH. Du scheinst der Sprecher zu sein<br />

1 STUDENT. Ich habe die Ehre Majestät, weil ich ein bemoßtes Haupt bin.<br />

JOSEPH. Wie alt?<br />

1 STUDENT. Im achtzehnten.<br />

JOSEPH lächelnd. Noch ein ziemlichgrünes Moos.<br />

1 STUDENT. Das graue kommt früh genug!<br />

JOSEPH. Habt Ihr schon Euren künftigen Beruf gewählt.<br />

1 STUDENT. Ich will ein zweiter Sonnenfels werden?<br />

2 STUDENT. Ich ein zweiter von Svirten<br />

3 STUDENT. Ich ein zweiter Kaunitz!<br />

4 STUDENT. Und ich ein zweiter <strong>Joseph</strong>, so weit es möglich ist.<br />

JOSEPH. Euer Sinn steht hoch, aber ich hab es gern, wenn die Jugend hoch strebt<br />

LANDPFARRER. Gott gebe seinen Segen dazu!<br />

[I/173]


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH spricht freundlich mit den STUDENTEN.<br />

AURORA zu den SCHWESTERN. Was das für nette Burschen sind.<br />

EULALIA. Diese feurigen Augen.<br />

ZEPHIRINE. Diese schlanken Taillen<br />

HUBERTA. Dieser natürliche Ton!<br />

[I/174]<br />

FEIN vertraulich zu SELBING. Glauben Sie, Herr Adjutand, das Sr. Majestät das Fortkommen<br />

dieser jungen Leute befördern will<br />

SELBING lächelnd. Vielleicht zu einem Amte, aber schwerlich zu einer Heirath?<br />

FEIN und MÄDCHEN seufzend. Ach! – Ach! – Ach!<br />

JOSEPH laut. Ihr preiset meine Reformen. Welche scheinen Euch am wichtigsten?<br />

1 STUDENT. Das Toleranzedict<br />

2 STUDENT. Die Zensuhrfreiheit<br />

3 STUDENT. Die Aufhebung der Lei<strong>bei</strong>genschaft<br />

4 STUDENT. Die Gleichstellung der Menschenrechte.<br />

[I/175]<br />

JOSEPH. Der Letzte hat das Beste genannt. Ich erwarte und hoffe, das die Wiener Studentenschaft<br />

stets für das gleiche Recht aller Menschen einstehen.<br />

1 STUDENT. Das geloben wir für die Gegenwart und die Zukunft.<br />

JOSEPH. Eure Hände darauf! Reicht allen die Hände.<br />

LANDPFARRER. Guter Gott sieh herab!<br />

1 STUDENT. Der <strong>Kaiser</strong> hat uns die Hand gedrückt!<br />

[I/176]<br />

Commiltonen! Jetzt wollen wir den Gesang unseres herrlichen Mozart anst<strong>im</strong>men, der<br />

unseren frohen Begeisterung Ausdruck giebt, st<strong>im</strong>mt das erste Finale aus Don Juan an: „Hoch<br />

soll der <strong>Kaiser</strong> leben Er lebe hoch!“<br />

ALLE singen jubelnd die ganze Stelle des Finales durch. Schwenken die Hüte. Der KAISER dankt<br />

nach allen Seiten.<br />

Tableaux.<br />

Fortsetzung <strong>im</strong> 2ten Theile des Buches.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[Stempel:] 700<br />

[<strong>II</strong>/1]<br />

KAISER JOSEPH <strong>II</strong> IM VOLKE<br />

Schauspiel in 6 Abtheilungen.<br />

2 tes Buch Fortsetzung<br />

5. BILD.<br />

[<strong>II</strong>/2 ]<br />

[<strong>II</strong>/3]<br />

PERSONEN.<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>.<br />

Rittmeister von Selbing.<br />

<strong>Joseph</strong> Hellbrunner.<br />

Oberin des Königs Kloster.<br />

Schwester Angela.<br />

Schwester Walpurga.<br />

Die Pförtnerin.<br />

Ein junger Bursche.<br />

Ein altes Weib.<br />

Ein Mädchen.<br />

Ein Commissar. Nonnen. Leute aus dem <strong>Volke</strong>.<br />

Wachen.<br />

Große Halle mit Bogen und Gängen <strong>im</strong> Königskloster zu Wien. Im Hintergrunde ein<br />

großes verschlossenes Thor was auf die<br />

[<strong>II</strong>/4]<br />

Straße führt der Gang Rechts führt ins Innere des Klosters, da Links zur einer<br />

Seitenpforte. Links ein Betschemel.<br />

1. Scene.<br />

OBERIN und alle NONNEN, darunter ANGELA. LUDMILLA und WALBURGA. ANNA. Die<br />

OBERIN kniet auf dem Betschemel, die ANDERN <strong>im</strong> Halbkreise am Boden.<br />

Vor Aufziehen des Vorhanges.<br />

CHORAL.<br />

Wir müssen scheiden von dem Hause,<br />

Daß unsere Frömmigkeit gesehn<br />

Wir müssen aus der Friedensklause,<br />

Zum Kampfe mit der Welt nun geh’n.<br />

O heilige Mauern<br />

Mit bitterm Trauern,<br />

In Demuth zugleich.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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Verlassen wir Euch!<br />

O h<strong>im</strong>mlische Gnade<br />

Bereit uns die Pfade<br />

Auf denen wir wandeln in sündiger Welt,<br />

O führ uns Herr Jesu, so wies Dir gefällt!<br />

[<strong>II</strong>/5]<br />

Be<strong>im</strong> Aufgang des Vorhanges erheben sich ALLE.<br />

OBERIN bewegt. Geliebte Schwestern, dies war unser letztes Gebet in diesen heiligen Mauern<br />

des Königsklosters! Ein weltlicher Machtspruch hebt unsere kirchlichen Gelübde auf, aber<br />

ich ermahne Euch denselben getreu zu bleiben, wenn auch die Verführung der Welt Euch<br />

Schlingen legt. Bald wird die Stunde schlagen, und die Glocke läuten, welche uns zum<br />

Scheiden ruft, bereitet Euch vor, daß Ihr<br />

[<strong>II</strong>/6]<br />

der spottsüchtigen Welt mit dem Stolze des frommen Bewußtseins entgegen geht.<br />

PFÖRTNERIN. Würdige Mutter! Der <strong>Kaiser</strong> ist mit zwei Männern zu der Seitenpforte<br />

gekommen, er wünscht Euch zu sprechen.<br />

OBERIN. Führe den <strong>Kaiser</strong> allein hierher, die Andern mögen <strong>im</strong> Garten warten.<br />

PFÖRTNERIN ab.<br />

1 NONNE. Ach wie ich auf den <strong>Kaiser</strong> neugierig bin<br />

2. Scene.<br />

VORIGE. JOSEPH in Civilkleidern von links.<br />

ALLE verneigen sich.<br />

JOSEPH die Oberin begrüßend. Dank Ihnen, würdige Frau, daß Sie mir<br />

zu Gefallen von den strengen Klosterregel abgewichen sind.<br />

[<strong>II</strong>/7]<br />

OBERIN bittend. Geruhen Ew. Majestät zu verzeihen, aber das klingt in dieser Stunde, wie<br />

Spott. Es giebt kein Königskloster mehr, also auch keine Klostergesetze.<br />

JOSEPH. Doch bis die Stunde zum Auszug schlägt. Ich bin deshalb gekommen um jede<br />

ungebührliche Demonstration hintanzuhalten.<br />

OBERIN. Untherthänigsten Dank.<br />

JOSEPH. Es befinden sich hier zwei Mädchen mit denen ich zu sprechen wünsche. In der<br />

Welt haben sie Ludmilla von Waldenek und Anna Tanninger geheißen<br />

[<strong>II</strong>/8]<br />

OBERIN. Im Kloster heißen Sie Schwester Angela und Schwester Walpurga<br />

JOSEPH. Ich kenne zwei Männer, welche sich für diese Mädchen interessiren<br />

OBERIN. Ich weiß … Vor einiger Zeit hat sich ein Offizier mit einem kaiserlichen Handbillet<br />

gemeldet, dem ich eine Unterredung mit Schwester Angela bewilligte. Später kam ein<br />

Mann vom Lande, dem das Gleiche mit Schwester Walburga gestattet wurde. Ich hätte es<br />

nicht gethan, wenn es nicht die Gottergebenheit dieser <strong>bei</strong>den Schwestern über jeden<br />

Zweifel erhaben wäre. Jede war nach der Unterredung tief schmerzlich bewegt, aber jede<br />

hat


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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[<strong>II</strong>/9]<br />

ihre Thränen dem Herrn aufgeopfert – Schwester Angela, Schwester Walpurga tretet vor!<br />

LUDMILLA, WALBURGA treten mit gesenkten Häuptern vor.<br />

JOSEPH für sich. Mein armes Annerl.<br />

OBERIN. Sagt Sr. Majestät, daß Eure Herzen an nichts Irdischen mehr hängen.<br />

JOSEPH nach Pause. Sie schweigen? … Erlauben Sie würdige Frau daß ich deutlicher Fragen<br />

darf. Stark. Fräulein Ludmilla von Waldenek. Haben Sie den vergessen, der um Ihret willen<br />

verfolgt, verleumdet und in Ketten geschlagen wurde? Der mich vor dem Feinde gerettet<br />

hat, mich den sie einst als Hülfe bringenden der Hungernden gepriesen.<br />

[<strong>II</strong>/10]<br />

LUDMILLA erschüttert. Ach Majestät!<br />

JOSEPH. Hast du den vergessen, Annerl, der Deinen alten Großvater so warm vertheidigte,<br />

der Dich damals vielleicht nicht innig genug, später so treu und ausdauernd liebte, daß er<br />

seit zehn Jahren auf das Glück des Ehestandes verzichtig? Hast Du den vergessen, für den<br />

ich, Dein <strong>Kaiser</strong> selbst einstehe, daß er Dein tugendreines Herz verdient.<br />

ANNA zitternd. Gnadigster Herr!<br />

OBERIN. Genug! Gestatten Eure Majestät, daß ich mit den andern Schwestern mich entferne.<br />

Folget mir<br />

[<strong>II</strong>/11]<br />

JOSEPH. Noch ein Wort. Ich bitte Sie, mir jeden Wunsch zu nennen, den ich Ihnen und<br />

Ihnen meine <strong>Kaiser</strong>liche Macht <strong>bei</strong> ihren Rücktritt in die Welt gewähren kann<br />

OBERIN stolz. Dank Majestät! Ich stamme aus einem hohen Adels-Geschlechte daß seinen<br />

Stolz <strong>im</strong>mer auf Unabhängigkeit gesetzt hat, diese will auch ich mir bewahren. Ab mit 2<br />

Nonnen.<br />

3 Scene.<br />

JOSEPH. LUDMILLA. ANNA.<br />

JOSEPH. Eine stolze, aber wahrhaft würdige Frau. Lebhaft heiter. Nur Ihr <strong>bei</strong>den, werdet Ihr<br />

mich für ein ein paar brave Männer umsonst bitten lassen?<br />

[<strong>II</strong>/12]<br />

LUDMILLA. Herr von Selbing hat meinen Schwur, daß ich keinen anderen Mann angehören<br />

will. Um diesen Schwur halten zu können, habe ich mich in die Arme des h<strong>im</strong>mlischen<br />

Bräutigams geflüchtet, sie halten mich durch ein feierliches Gelübde fest; soll ich daselbe<br />

um eines halb laut Protestanten Willen brechen?<br />

JOSEPH. Nun denn, mein Fräulein, ich bin auch gut katholisch, dennoch habe ich den Protestanten<br />

in meine Nähe gezogen, ihn zu meinem Freunde gemacht, denn Freundschaft<br />

kennt keinen Unterschied der Confession, noch weniger sollte ihn die Liebe kennen<br />

[<strong>II</strong>/13]<br />

LUDMILLA. Verzeihung Majestät, ich vergaß, daß ich mit dem Urheber des Toleranz Edictes<br />

spreche


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. Sie können aber den Menschenfreund nicht vergelten, denn ich habe Sie selbst als<br />

Menschenfreundin kennen gelernt, da ich Ihnen als Baron <strong>Joseph</strong> begegnete!<br />

LUDMILLA bewegt. O Majestät! Die Erinnerung an jenem Tag ist mir ein Heiligthum<br />

JOSEPH. Das Sie nicht durch Grausamkeit gegen meinen Schützling entweihen sollen. Ich<br />

vermuthe einen andern Grund Ihrer Weigerung<br />

LUDMILLA. Den ich nicht verschweigen will … es<br />

[<strong>II</strong>/14]<br />

ist meine Armuth [.] Als ich mich dem Lieutenant Selbing verlobte, da glaubte ich auf eine<br />

Erbschaft nach meinem Ohe<strong>im</strong> rechnen zu dürfen, doch Graf Waldenek hat mich nach<br />

meiner Flucht enterbt!<br />

JOSEPH. Diesen Verlust, kann der <strong>Kaiser</strong> für die Braut seines Freundes ersetzen.<br />

LUDMILLA bitter. Für eine Braut, die um zehn Jahre gealtert ist.<br />

JOSEPH ungeduldig. Führen Sie was <strong>im</strong>mer für Gründe an, ich schlage alle mit einem einzigen,<br />

mit dem der Liebe! In den Gang links rufend. Kommen Sie Herr Adjutant<br />

4. Scene.<br />

[SELBING.] Ludmilla! o geliebte Ludmilla!<br />

VORIGE. SELBING. Dann HELLBRUN[NER].<br />

SELBING tritt rasch mit unruhigen Blicken ein.<br />

[<strong>II</strong>/15]<br />

Eilt zu ihr, faßt Ihre Hände; BEIDE sprechen leise miteinander mit steigernder Lebhaftigkeit.<br />

JOSEPH innig. Und nun zu Dir, mein liebes, liebes Annerl.<br />

ANNA tiefbewegt. Majestät, i hab auch die klösterliche Weih’, von der in die Klosteraufhebung<br />

nit dispensiren kann<br />

JOSEPH. Aber der heilige Vater kann dispensiren, ich habe Ursache, diese Gefälligkeit von<br />

ihm zu erwarten, dieses Hinderniß fällt also weg. Aber ich vermuthe auch <strong>bei</strong> Dir ein anderes.<br />

[<strong>II</strong>/16]<br />

ANNA fast weinend. Ich bitt Ew. Majestät um Barmherzigkeit.<br />

JOSEPH mit Nachdruck. Soll ich gegen Dich barmherziger sein, als gegen mich selbst? Leise.<br />

Du hast vielleicht einen andern in Herzen.<br />

ANNA. Ha! − !<br />

JOSEPH. Pst! eine geweihte Person darf nicht lügen. Ich forsche nicht nach dem Andern,<br />

aber ich glaube in seinem Namen Dir versichern zu dürfen, daß er Dir das eheliche Glück<br />

mit einem anderen Mann vom Herzen gönnt.<br />

ANNA halblaut wie für sich. Kann den[n] a Mann <strong>im</strong> Ehstand mit einer getheilten Lieb z’frieden<br />

sein?<br />

[<strong>II</strong>/17]<br />

JOSEPH. Was ihm an der Deinigen fehlt, wird er mit der Seinigen doppelt ersetzen. Weich.<br />

Annerl! Wenn ich ein anderer wär, als der ich bin, möcht ich <strong>bei</strong> Dir für keinen Andern<br />

bitten, der Hellbrunner hat mein Wort


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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ANNA demüthig. Was ich nicht lügen strafen will. Aber der Hellbrunner vergißt vielleicht, daß<br />

i auch nit mehr jung bin<br />

JOSEPH lebhaft. Du bist noch so hold und jugendfrisch wie damals daß ich dir meine Rosen<br />

gab.<br />

ANNA. Die Rosen liegen noch in meinen Gebet Büchel, und sollen auch <strong>bei</strong> mir <strong>im</strong> Grab<br />

liegen.<br />

[<strong>II</strong>/18]<br />

JOSEPH. Darf ich also dem Hellbrunner sein Glück verkünden.<br />

ANNA bejaht seufzend.<br />

JOSEPH nach links rufend. Hellbrunner! Hellbrunner!<br />

HELLBRUNNER tritt rasch ein.<br />

JOSEPH ihm zu ANNA hinstoßend, theils wehmüthig, theils humoristisch, heftig.<br />

[JOSEPH.] Da hast Du Deine Braut, wenn sie das Wort, das ich ihr abgebettelt hab, halten<br />

will. Aber merke es Dir Mensch! Wenn Du mein treuester dankbarster Unterthan bist, so<br />

thust Du mir Deine Schuldigkeit, denn ich hab’s nicht allein als <strong>Kaiser</strong> um Dich verdient.<br />

Links ab.<br />

5 Scene.<br />

VORIGE. Ohne JOSEPH.<br />

[<strong>II</strong>/19]<br />

HELLBRUNNER. Annerl! Wannst mir nit alle zwa Herzenska[mm]erl schenken kannst, so<br />

schenk mir wenigstens ans, i will auf den Inhaber von andern nit eifersüchtig sein, denn i<br />

hab ihn ja so gern, wie mein besten Freund!<br />

ANNA warm. Es ist der beste Freund von uns allen.<br />

Man hört die Thurmuhr schlagen.<br />

6 Scene.<br />

VORIGE. PFÖRTNERIN von links.<br />

PFÖRTNERIN Pochen am Thore. Die traurige Stunde schlägt[.] Die pochen schon ans Thor, ich<br />

muß öffnen. Geht zum Thor um es zu öffnen.<br />

SELBING. LUDMILLA, HELLBRUNNER, ANNA treten auf die Seite rechts vorne.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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7 Scene.<br />

Der COMMISÄR, WACHEN, VOLK. Darunter ein JUNGER BURSCHE, ein ALTES WEIB,<br />

[<strong>II</strong>/20]<br />

ein MÄDCHEN. Die WACHEN bleiben am Thore stehen. Das VOLK n<strong>im</strong>mt die linke Seite ein.<br />

COMMISSÄR zur Pfortnerin. Die zum Auszug best<strong>im</strong>mte Stunde hat geschlagen, melden Sie es<br />

Ihrer Oberin<br />

PFÖRTNERIN. Zu Befehl, Herr Commissar. Rechts ab.<br />

ALTES WEIB. Mir bricht völli’s Herz, um die arm’n Klosterschwestern<br />

MÄDCHEN. Jetzt kommen noch mehr Frauenzi[mm]er in d’Welt hinaus, i dank<br />

COMMISSAR. Niemand unterfange sich, die abziehenden Frauen zu beleidigen. Sr. Majestät<br />

hat es strengster Ahndnung verboten<br />

ALTES WEIB. Das g’fallt mir wieder von ihm<br />

ANNA. Sollen wir nit zu den andern<br />

Schwestern gehn?<br />

SELBING. Warten wir auf dem <strong>Kaiser</strong>, der dem Auszug <strong>bei</strong>wohnen will.<br />

COMMISSÄR zum <strong>Volke</strong>. Hier kommen Sr. Majestät selbst.<br />

JOSEPH tritt vorne links ein. Die WACHEN präsentiern. ALLE verneigen sich.<br />

8 Scene.<br />

JOSEPH. Später OBERIN mit ihren NONNEN.<br />

[<strong>II</strong>/21]<br />

JOSEPH zum <strong>Volke</strong>. Ihr seid neugierig den Abzug der Klosterfrauen zu sehen, vergeßt nicht<br />

daß meine Verordnung keine Schwächung der Religion bezweckt.Vergeßt auch nicht, daß<br />

man betrübten Theilnahme schuldet. Wenn ihr den ehemaligen Nonnen in der Welt<br />

begegnet, so beweiset Ihnen durch hilfreiche Bereit-<br />

[<strong>II</strong>/22]<br />

willigkeit, daß auch Weltkindern selbst arm und niedrige, das Gebot der Nächstenliebe<br />

nach ihren Kräften erfüllen<br />

JUNGER BURSCHE zu den ANDEREN. Schau wie sich der <strong>Kaiser</strong>, um die Klosterfrauen<br />

ann<strong>im</strong>mt.<br />

ALTES WEIB. Er hat halt doch a gut’s Herz.<br />

Die Klosterglocke beginnt zu läuten.<br />

JOSEPH zur GRUPPE tretend. Seit Ihr mit einander einig?<br />

SELBING. Ich hoffe Eure Majestät.<br />

HELLBR. Ich hab’s schon g’ewiß.<br />

LUDMILLA. Die Glocke mahnt uns, daß wir be<strong>im</strong> Abschied von diesem Hause,


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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noch die Pflicht des Gebetes zu erfüllen haben. Kniet mit gefalteten Händen nieder.<br />

ANNA auch kniend. Beten wir für uns, und für alle guten Menschen!<br />

JOSEPH. Gott erhöre Euer Gebet!<br />

[<strong>II</strong>/23]<br />

Man hört den vorigen Choral der NONNEN hinter der Scene.<br />

JOSEPH in die Mitte tretend nach rechts blickend.<br />

[<strong>Joseph</strong>.] Sie kommen in feierlichen Zuge! Ich will Ihnen freundliche Grüß zum Abschied<br />

bieten.<br />

Zieht den Hut die NONNEN begrüßend.<br />

Die OBERIN erscheint an der Spitze des Zuges der NONNEN, die kleine Bündel tragen, sie<br />

ziehen nach der großen Pforte, durch die sie langsam verschwinden.<br />

[<strong>II</strong>/24]<br />

JOSEPH zu ANNA u. LUDM. Euch führe ich in die Welt zurück, möge Euch meine Händ zum<br />

Glücke gereichen. GRUPPE.<br />

[<strong>II</strong>/25]<br />

6. BILD.<br />

PERSONEN.<br />

<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>.<br />

Ludmilla.<br />

Anna.<br />

Selbing.<br />

Hellbrunner.<br />

Sing-Lisel.<br />

Peppi.<br />

Lisi.<br />

Eine Wahrsagerin.<br />

Viele ländl. Kranzeljungfern.<br />

Ein Amtsbote.<br />

Gartenplatz vor dem Schlosse Waldenek. Die Fronte des Schlosses zieht sich an der<br />

dritten Coulisse über die ganze Breite der Bühne. Das Thor ist offen, über dem<br />

Thore und den Fenstern Blumenguirlanden. Vorn Baum-Coulissen.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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1. Scene.<br />

MICHEL. PEPPI. LISI. Aus dem Schlosse. MICHEL in der Galla Livree eines kaiserlichen<br />

Schloßgärtners. PEPI ein achtjähriger Knabe, LISI ein sieben-<br />

[<strong>II</strong>/26]<br />

jahriges Mädchen festlich gekleidet vorne Blumen an den Kleidern.<br />

MICHEL. Alles in der schönsten Hochzeitspracht, heut’ muß i mi als kaiserlicher Schloßgärtner<br />

zeigen, das ganze Schloß ist von oben bis unten a Blumengarten.<br />

Ferne Hochzeitsmusik.<br />

Aha der Zug kommt schon aus der Dorfkirchen zurück. Kinder i sags Euch! wanns mir für<br />

<strong>Kaiser</strong> nit aus vollen Kräften Vivat schreit’s, so wir i schiach, und wenn i schiach wir<br />

PEPPI lachend. Darf man den Vater ni[t] trauen<br />

LISI. Aber der Vater hat der Mutter versprochen, daß er sich das Sprichwort abgewöhnen<br />

will.<br />

[<strong>II</strong>/27]<br />

MICHEL etwas scheu. I sags ja auch nur, wanns die Mutter nit hört. Sie hat sichs net nehmen<br />

lassen, daß zu der Copulation nit geht, derweil haben wir die Hochzeitstafel aufputzt, ich<br />

hol mir vom gnädigen Herrn <strong>Kaiser</strong> a Belobung dafür.<br />

PEPI. Und i hol mir von mein kaiserlichen Herrn Göden a Bussel dafür.<br />

LISI. Wann i nur a a <strong>Kaiser</strong>liche Frau Gödel hätt.<br />

MICHEL nach links blickend. Sie sein schon be<strong>im</strong> Gartenthor.<br />

Tusch in der Scene. Nach dem Vivat.<br />

Hört’s wie die Bauernleut dem Aufheben der Lei<strong>bei</strong>genschaft Vivat schreien! Nehmts<br />

Euren ganzen Athem<br />

[<strong>II</strong>/28]<br />

zsammen, daß wir uns nit schamen müssen.<br />

Alle drei stellen sich Rechts, schreien sehr laut und fortdauernd „Vivat!“<br />

2 Scene.<br />

VORIGE. JOSEPH. LUDMILLA. ANNA. SELBING. HELLBRUNNER. SING-LISEL.<br />

KRANZELJUNGFERN. ALLE von links.<br />

JOSEPH in der bekannten grünen Uniform, führt <strong>bei</strong>de Bräute an der Hand, tritt mit ihnen in die<br />

Mitte lächelnd.<br />

[JOSEPH.] Danck Euch Kinderchen! Ihr scheint eine gesunde Brust zu haben<br />

SING-LISEL. Sein ja meine Kinder, Ew. Majest.<br />

MICHEL. Und a bissel die Meinigen a


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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JOSEPH. Wo sind denn die Andern.<br />

[<strong>II</strong>/29]<br />

MICHEL. Die hab i eingspirrt [e] Majestät, weil’s noch zu klaan sein, daß sie sich hofmäßig<br />

benehmen könnten<br />

JOSEPH. Das hofmäßige will ich Euch gern erlassen.<br />

PEPPI <strong>im</strong>mer dreist. Nit wahr, Herr <strong>Kaiser</strong>, es is g’scheider, wann man nit viel faxen macht,<br />

aber dafür a Kreuzbraver Kerl is?<br />

JOSEPH. Willst Du <strong>im</strong>mer ein kreuzbraver Kerl sein?<br />

PEPPI. Das bin i ja mein kaiserlichen Göden schuldig<br />

LISI. Und i will a bravs Drind’l wern, wann i<br />

a ka kaiserliche Frau Gödel habe<br />

JOSEPH. Dann werde ich für Eure Zukunft sorgen<br />

MICHEL. LISEL. KINDER. Unterthängisten Dank!<br />

[<strong>II</strong>/30]<br />

JOSEPH. Nun, meine lieben Bräute, will ich mich als Brautführer und Hochzeitsgast meiner<br />

Schuldigkeit entledigen.<br />

Zwei Documente hervorziehend, zu LUDMILLA.<br />

Ihnen schenke ich dieses Schloß mit allen dazu gehörigen Forsten und Jagdbarkeit.<br />

LUDMILLA. Selbing. O Majestät.<br />

JOSEPH zu ANNA. Dir gehört die Maierei mit Garten und Ackerland<br />

ANNA. HELLBRUNNER. O gnädigster Herr <strong>Kaiser</strong>.<br />

[<strong>II</strong>/31]<br />

JOSEPH. Ich muß doch für die Austattung der armen durch eigenen Werth aber reichen<br />

Bräute sorgen.<br />

LUDMILLA. Mir fehlen die Dankesworte!<br />

ANNA. Ich kann nur mit Thränen danken.<br />

SELBING. Ich mit dem Schwur treuester Ergebenheit.<br />

HELLBRUNNER. Und i mit dem, daß i d’Annerl so glücklich machen will, wie … wie’s der<br />

<strong>Kaiser</strong> selbst nit besser <strong>im</strong> Stand wär.<br />

MICHEL. Da sein zwei junge Ehepaar’, mir kommt’s aber vor, als wenn wir Aeltern von<br />

ihnen noch was lernen könnte.<br />

JOSEPH. Der Jugend gehört die Zeit. Es braucht sich ein<br />

Alter nicht zu schämen, wenn er vom Jungen noch etwas lernen kann.<br />

[<strong>II</strong>/32]<br />

PEPI lebhaft. Hat’s der Vater g’hört? I gib mir mit dem Vatern die größte Müh, daß er besser<br />

lesen und schreiben lernen soll, aber er hat kan Löffel dazu.<br />

MICHEL. Du knebiger [?] Schnabel Du, wirsts Maul halten!<br />

SING-LIESEL. Was mir in unsrer Jugend versamt haben bringen mir <strong>bei</strong> die Kinder ein,<br />

d’Ehrlichkeit und d’Herzlichkeit lernens doch nur von uns.<br />

LISI. Ich lern’s von der Mutter.<br />

JOSEPH. Ihr seid eine glückliche Familie. Zu den Brautpaaren. Das Gleiche wünsch ich Euch<br />

vom Herzen.


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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LUDMILLA. O Majestät! Ich sehe ein H<strong>im</strong>melreich vor mir.<br />

JOSEPH. Ohne Hinderniß der Confession.<br />

[<strong>II</strong>/33]<br />

ANNA. Mein Glück ist umso sicherer, weil mir derjenige schenkt, dem ich’s am Liebsten<br />

verdanken will.<br />

HELLBRUNNER. Der bin zwar nit i, aber ich wills verdienen daß ich wenigstens gleich nach<br />

Seiner komm.<br />

JOSEPH. Ich erlebe einen glücklichen Tag mit Euch, möge ihm keine unerwartete Wolke<br />

trüben.<br />

AMTSBOTE ein Reiterstiefel von links.<br />

[AMTBOTE.] Geruhen Euer Majestät zu verzeihen, ich habe eine Depesche aus der Staatskanzlei<br />

zu überbringen.<br />

[<strong>II</strong>/34]<br />

JOSEPH. Ich ahne eine Wolke!<br />

Tritt etwas vor, liest die Depesche rasch.<br />

Es sind sogar mehrere. Zum Boten. Schon gut, es bedarf keiner Antwort.<br />

AMTSBOTE geht ab.<br />

JOSEPH für sich. Mir ist die Freude verdorben, aber den Andern soll sie es nicht sein. Zu<br />

Michel. Ist die Hochzeitstafel in Bereitschaft?<br />

MICHEL. Zu Befehl Ew. Majestät.<br />

JOSEPH zu den Brautpaaren. So laßt es Euch einstweilen ohne mich behagen, ich habe noch<br />

Einiges zu überdenken.<br />

SELBING. Wir werden uns zurückziehen und warten<br />

JOSEPH. Nein, nein, keine Verzögerung. Zum<br />

Gesundheit trinken komme ich früh genug<br />

[<strong>II</strong>/35]<br />

LUDMILLA. O Majestät! Die Hochzeitsfreude würde ohne Ihre beglückende Gegenwart nur<br />

eine halbe sein<br />

ANNA. Es würd uns ja’s Beste und Liebste fehlen<br />

JOSEPH bewegt. Geht nur voraus, ich werde folgen. Einstweilen drücke ich Euch allen noch<br />

zum Glückwunsch die Hände.<br />

MICHEL zum SINGLIESEL. Du das wär Gelegenheit für’s <strong>Kaiser</strong>lied’l!<br />

SING-LIESEL. Kinder singts mit.<br />

SING-LIESEL singt von den KINDERN, secundirt, während JOSEPH ALLEN die Hände reicht.<br />

Wenn die drunten <strong>im</strong> Thal<br />

San recht glücklich a’mal


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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So dürfens ihm d’Händ<br />

a voll Dankbarkeit, geb’n<br />

Und schrein: Unser <strong>Joseph</strong><br />

Der <strong>Kaiser</strong> soll leben.<br />

[<strong>II</strong>/36]<br />

ALLE wiederholen den Refrain.<br />

JOSEPH küßt die KINDER. Alle ANDEREN paarweise ab, durch Schloßthor.<br />

3 Scene.<br />

JOSEPH allein, dann die WAHRSAGERIN.<br />

JOSEPH allein, in die Depesche blickend. Ueberall Widerstand! überall Verkennung! O ich armer<br />

Menschenschätzer wie wenig danken mir die Menschen dafür! Tirol sträubt sich gegen die<br />

Toleranz, der ungarische Adel gegen die Aufhebung der Lei<strong>bei</strong>genschaft. Belgien gegen die<br />

General-Seminarien, die den Zelotismus bändigen sollen! Und noch vieles Andere, was ich<br />

zur Größe und Einheitlichkeit des Reiches für nöthig erkannte, wird fanatisch<br />

bekämpft! …Wenn solches schon<br />

[<strong>II</strong>/37]<br />

jetzt geschieht, wo ich noch mit Manneskraft für meine Uberzeugung stehe, was werde ich<br />

nicht als Greis erfahren müssen. Und was wird geschehen, wenn ich <strong>bei</strong> meinen Ahnen in<br />

der Kapuzinergruft schlafe? O daß ich eine Blick in die Zukunft werfen könnte, um zu<br />

sehen ob mein Andenken vom Segen oder Fluch begleitet wird.<br />

WAHRSAGERIN zigeunerartig gekleidet, graues Haar, tritt von links auf, sagt feierlich.<br />

[WAHRSAGERIN.] Vom Segen! Von Segen.<br />

JOSEPH überrascht. Wer bist Du Weib?<br />

WAHRSAGERIN. Ich bin ein Geschöpf, dem der ewige Herr dort oben Sehenkraft verliehen<br />

hat.<br />

JOSEPH. Selbsttäuschung oder Betrug?<br />

WAHRSAGERIN. Wenn Du auch zweifelst, laß mich doch <strong>im</strong>merhin zu Dir sprechen.<br />

JOSEPH. So sprich!<br />

[<strong>II</strong>/38]<br />

WAHRSAGERIN. Dir und Deinen Wirken ist dasselbe Schicksal best<strong>im</strong>mt, wie allen wahrhaft<br />

Großen der Erdenwelt. Vieles von dem, was Du mit erhabener Begeisterung bauest, wird<br />

noch vor Deinen Augen zusammen brechen, viele von den ausgestreuten Saaten werden<br />

nie zur Ernte reifen, denn der kalte Frost des Unverstandes und der Selbstsucht wird sie<br />

verderben. Das von Deinem Throne ausstrahlende Licht wird mit dem schwärzesten Wolken<br />

zu kämpfen haben, niemals aber wird es verlöschen, <strong>im</strong>mer und <strong>im</strong>mer wieder, wird es<br />

durch die Finsterniß brechen, leuchten und verschwinden, um wieder zu erscheinen und<br />

noch strahlender zu


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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leuchten.<br />

[<strong>II</strong>/39]<br />

Wenn alle Geschichtsschreiber Deinen Namen vergessen könnten. Die Völker aller Zungen<br />

würden ihn einander zurufen, denn selbst die feindlich Gesinnten müssen ihn von<br />

Jahrhundert zu Jahrhundert bewundern<br />

JOSEPH. Du malst mir ein Bild, daß mich mit Stolz erfüllen könnte, wenn ich nicht die<br />

Schwäche fühlte, die mich an Vollendung des Großen verhindert.<br />

Ein Wolkenschein sinkt von dem Schlosse herab, den Hintergrund verhüllend,<br />

es beginnt langsam zu dämmern.<br />

WAHRSAGERIN. Schon das Große gewollt zu haben, gibt Ruhe und Verdienst. Du hast dafür<br />

gedacht gehandelt, gekämpft und gelitten, Du wirst bis zu Deinem Ende kämpfen und leiden<br />

müssen; Doch die Zukunft hat einen Lohn für Dich, wie er nur den Edelsten<br />

[<strong>II</strong>/40]<br />

und Erhabendsten des Menschengeschlechtes best<strong>im</strong>mt ist.<br />

JOSEPH. Welchen Beweiß kannst Du mir für die Wahrheit Deiner Profezeihung bieten?<br />

WAHRSAGERIN. Mich selbst!<br />

Musik ihre Kleider fallen ab sie erscheint als GENIUS Oesterreich’s in weißer Tunika mit hellrother<br />

Schürze. Zugleich treten aus dem vorderen Coulissen ähnliche GENIEN mit Rosenguirland[en.]<br />

ZWEIE tragen einen Lorbeerkranz.<br />

JOSEPH. Ist das eine bezaubernde Vision. Wer bist Du?!<br />

GENIUS. Der Genius Oesterreichs, welcher dem deutschen <strong>Kaiser</strong> <strong>im</strong> Namen des künftigen<br />

neuen Österreich’s huldigt!<br />

[<strong>II</strong>/41]<br />

JOSEPH. So wird aus dem alten Oesterreich ein neues werden.<br />

GENIUS. Jeder äußeren Form: doch <strong>im</strong> Innersten, <strong>im</strong> Geist und Herzen wird es an Deinen<br />

Namen, wie ane einer Fahne festhalten, die es niemals verläßt. Ein Nachkomme Deines<br />

erhabenen Geschlechtes, der Deinen Namen mit dem seinigen verbindet, wird die Sendung<br />

erfüllen, aber dem deutschen Sinn seines großen Ahnherrn treu verbleiben<br />

JOSEPH. Dafür wird ihn Gott segnen.<br />

GENIUS. Sein Andenken aber wird man hochhalten und in dankbarer Verehrung werden die<br />

Völker Deiner<br />

[<strong>II</strong>/42]<br />

gedenken in späten Jahren. Das verkündige ich Dir zum Trost, zur Ermuthigung, zur<br />

Erhebung Deiner selbst vor Dir selbst.<br />

JOSEPH begeistert. Ich glaube Dir h<strong>im</strong>mlisches Wesen, und beuge mein kaiserliches Haupt vor<br />

Dir. Beugt ein Knie.<br />

GENIUS. Das ich es mit dem Lorbeer der Unsterblichkeit kröne!


<strong>Kaiser</strong> <strong>Joseph</strong> <strong>II</strong>. <strong>im</strong> <strong>Volke</strong><br />

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N<strong>im</strong>mt den Kranz von den GENIEN und von Haupt KAISER JOSEPH. Musik, der Nothschleier<br />

versch[w]indet, es erscheint das Reiter-Monument <strong>Joseph</strong>s von einer <strong>im</strong> Hintergrunde Flammen<br />

auswerfenden Sonne beleuchtet und mit Kränzen verziert. Rings herum lebende GRUPPEN.<br />

BÜRGER und STUDENTEN mit<br />

[<strong>II</strong>/43]<br />

Fackeln. LANDLEUTE mit KINDERN, in der Mitte die steirischen mit weiß-grüner Fahne.<br />

Benegalisches Feuer.

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